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Heilsame Tränen


Es ist fast sechs Monate her, dass unsere Tochter Kendall mit neun Jahren, nach fünfmonatigem Kampf mit einem Hirntumor gestorben ist.

Es war ein schrecklicher Verlust, aber da noch zwei andere Kinder da waren, die es zu lieben und zu versorgen galt, war nicht immer Zeit, sich davonzustehlen und die Tränen fließen zu lassen.

Und es war nicht immer leicht, den Kummer und die Trauer zu verbergen, wenn sie plötzlich in mir hochkamen.

Etwa um diese Zeit fiel mir auf, dass mein jüngstes Kind Celeste anfing den Clown zu spielen, um meinen Mann Paul und mich aus unserern Anfällen von Trauer und Schmerz herauszuholen.

Natürlich war es nicht ihre Aufgabe, uns stets zum Lächeln zu bringen, und ich wollte auch nicht, dass sie die Rolle der >>Bewahrerin der Herzen ihrer Eltern<< schlüpfte.

Sie wußte jedoch, dass sie uns mit einem ganz bestimmten Lächeln dazu bringen konnte, unsere Gefühle beiseite zu schieben und in hemmungsloses Lachen auszubrechen.

Nun, das war zumeist eine ganz willkommene Abwechslung, aber es muss auch eine Zeit für läuternde Tränen geben.

Seien Sie versichert, dass Paul und ich unser Bestes taten, die Fassade aufrechtzuerhalten, wenn die Familie beieinander war. Es konnte aber auch vorkommen, dass wir in Momenten von Traurigkeit überwältigt wurden, in denen wir uns nicht so einfach ins Schlafzimmer oder Badezimmer zurückziehen oder unsere Gefühle auf einen späteren Augenblick verschieben konnten, um ihnen dann freien Lauf zu lassen.

Dies kam relativ selten vor, aber für ein sechsjähriges Kind muss es schmerzlich sein mit anzusehen, wenn seine Eltern trauern.

Einmal kam Celeste zu mir, als ich in Erinnerungen versunken dasaß. Offensichtlich stand mir der Kummer ins Gesicht geschrieben. >>Mami?<< sagt sie.

Als ich aufblickte, ließ sie mir dieses Zahnpastalächeln zukommen, das gewöhnlich einen spontanen Heiterkeitsausbruch zur Folge hatte.

Und es funktionierte auch dieses Mal.

Da ich ihr aber zu verstehen geben wollte, dass es nicht ihre Aufgabe war, uns immer zum Lachen zu bringen, bat ich sie, sich auf meinen Schoß zu setzen.

Ich wählte meine Worte sehr achtsam.
>>Celeste, Mami mag es, wenn du sie zum Lachen bringst, und du hast auch eine ganz besondere Art, das zu machen.<<

Celeste lächelte zustimmend.

>>Du weißt, dass wir alle Kendall vermissen. Manchmal, wenn wir an sie denken, ... sind wir glücklich, und manchmal, wenn wir an sie denken,
... macht es uns traurig, dass sie nicht bei uns
ist.<<

Ich hielt inne, um in ihrem Gesicht zu lesen.
>>Und manchmal kann es auch vorkommen, dass wir weinen, wenn wir traurig sind.<<

Celeste hielt ihren Blick ruhig auf mich gerichtet und um Mitgefühl bemüht, spiegelte sie meinen wechselnden Gesichtsausdruck.

>>Nun, Celeste, ich weiß, dass es dich traurig macht, wenn du siehst, dass Mama und Papa traurig sind, und dann willst du uns zum Lachen bringen.

Aber es gibt einen Grund für die Tränen.<<
Sie nickte, um zu zeigen, dass sie unsere Tränen nicht mochte.

>>Du weißt doch, wenn du hinfällst und dir das Knie aufschlägst ...<<

>>Ja ...<<, Celeste sah mich mit großen Aufen eindringlich an,

>>Was müssen wir tun, bevor wir ein Pflaster draufkleben?<<

>>Es waschen<<, sagte sie mit Bestimmtheit.

>>Das ist richtig. Wenn Mami und Papi weinen, dann ist das so wie wenn Gott unser Herz wäscht, damit er sein Pflaster draufkleben und uns helfen kann, dass es heilt.<<

War wirklich ich es, die da sprach?

Ich hatte das Gefühl, dieses Sinnbild von Gott zu erhalten.

Celeste dachte darüber nach.

>>Auch wenn du es vielleicht nicht magst, wenn du uns weinen siehst<<, Celeste schüttelte den Kopf, >>ist es doch für uns manchmal notwendig. Weil uns die Tränen wirklich helfen, damit wir wieder heilen. Weil uns die Tränen wirklich helfen, damit wir wieder heilen.<<

Ich hielt ihr Gesicht in meinen Händen.

Und wenn ich dein wunderschönes Lächeln auch sehr gerne sehe, so sei bitte nicht traurig und aufgeregt, wenn du uns mal kurz weinen siehst.

Denk einfach daran, dass Gott uns hilft, unsere Herzen zu waschen, damit er sie heilen kann.<<

Wir beschlossen unser Gespräch mit einer festen Umarmung und mit Gekitzel, und dann hüpfte Celeste die Treppe hinunter, um sich wieder ihrem Spiel zu widmen.

>>Gott, ich danke dir<<, betete ich, >>dass du mir geholfen hast, es nicht nur Celeste, sondern auch mir zu erklären.<<

Lorette McCann Bjorvik

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 06.11.2009

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