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Alle Autoren auf einen Blick

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24. Dezember - rainergoecht





Nikolaus komm in unser Haus

Es war der Nikolaustag 1952 und ich wurde 9 Jahre alt. Wir wohnten bereits im neuen Haus meines Großvaters und ich durfte einige Kinder aus meiner Grundschulklasse und natürlich die beiden schon etwas älteren Jungs, Christian und Hans, unserer Mieter aus der Dachwohnung einladen. Es wurde ein ereignisreicher Kindergeburtstag, der mir unvergesslich bleibt.

Natürlich gab es eine Kakao- und Kuchenschlacht am großen Küchentisch und unsere Haushaltshilfe, die von mir heiß geliebte Frau Exner, wurde nicht müde, uns mit lustigen Spielen auf Trab zu halten. Am späten Nachmittag so gegen 5 Uhr klingelte es Sturm, so dass wir alle erschrocken hochfuhren. Frau Exner hob den Zeigefinger und fragte mich: „Gitta, hast Du noch jemanden eingeladen?“
Ich schaute in die Runde: „Nö, sind doch alle da!“

Sie ging in den Flur, wir hörten, dass die Haustür aufging und wieder zufiel und wie Frau Exner rief: „Das ist aber schön, dass der Nikolaus auch zu uns kommt, wir haben hier nämlich ein Geburtstagskind und ganz viele kleine Gäste, die werden sich jetzt aber freuen!“

Von wegen! Uns plumpste schlagartig das Herz in die Hose und vor allem Christian, der fast 12-jährige Sohn unserer Mieter, sprang sofort auf und versteckte sich in der Speisekammer.
Und dann kam er tatsächlich, der Nikolaus, ein ziemlich langer und dürrer Kerl, in einem roten Mantel mit Kapuze. Vom Gesicht konnte man fast nichts sehen, denn nicht nur sein Bart, sondern auch weiße, recht buschige Augenbrauen verdeckten alles.
Wir rückten alle ganz eng zusammen und vor lauter Aufregung habe ich vergessen, was der Nikolaus zu uns sagte. Nur meine beste Freundin Karin trat plötzlich nach vorne und sprach mit erstaunlich fester Stimme:

„Lieber heiliger Nikolaus,

komm doch heut in unser Haus,
Lehr uns an die Armen denken,
laß uns teilen und verschenken,
Zeig uns, wie man fröhlich gibt,
wie man hilft und wie man liebt.“


Der Nikolaus lächelte: „Das hast Du aber schön aufgesagt und ich nehme an, dass ihr alle auch brav gewesen seid – oder?“
Ich glaube, wir nickten sicherlich alle sehr kräftig mit dem Kopf und der Nikolaus stellte den braunen Rupfensack auf den Boden, rief uns einzeln mit Namen auf und schenkte uns nacheinander einen großen Schokoladennikolaus und eine Tüte mit Spekulatius. Aber plötzlich schaute er uns erstaunt an, hielt noch einen Nikolaus und eine Tüte Plätzchen in der Hand und fragte mich: „Nanu, da fehlt doch noch der Christian! Ist er nicht zu deinem Geburtstag gekommen?“

Unser Blick ging wohl automatisch zur Tür der Speisekammer, aber wir sagten keinen Ton. Der Nikolaus folgte unserem Blick, ging langsam zur Kammer und öffnete dann sehr rasch die Tür und da stand das kleine, reine Elend. Mit entsetzten, weit geöffneten Augen kam Christian heraus und der Nikolaus stellte ihm die Frage: „Warum versteckst Du Dich denn hier, magst Du mir das vielleicht erzählen?“

Christian schüttelte erst den Kopf, guckte ganz bedröppelt und stotterte plötzlich doch los: „Ich, ich hab meinem Bru… Bruder seine Schokolade ge…klaut!“
„Siehst Du, Christian, gut, dass Du das gleich beichtest, denn das wusste ich doch längst, das steht alles in meinem großen Himmelsbuch. Und deshalb bekommt Dein Bruder Hans jetzt auch Deinen Schokoladennikolaus und Du nur die Tüte Spekulatius!“

Ergeben nickte Christian, war offensichtlich froh, so glimpflich davon gekommen zu sein, freute sich aber über die Plätzchentüte und sein Bruder strahlte als er den zweiten Nikolaus überreicht bekam.

Wir atmeten alle erleichtert auf, das Schlimmste schien überstanden – als plötzlich Christian die Kekstüte dem Nikolaus wieder in die Hand drückte und kläglich sagte: „Ich glaube, ich habe schon wieder Mist gebaut!“
„Wieso das denn?“, fragte nicht nur der Nikolaus und Christian drehte sich um, zeigte uns seine Rückansicht und deutete auf seinen Popo, der in einer langen Wildlederhose steckte. Und genau auf der Mittellinie klaffte ein ordentlich großes Loch – das hatte er sich in der Speisekammer vor Aufregung und Angst mit seinen Fingern hineingebohrt.
Es war mucksmäuschenstill im Raum, wir alle hatten irgendwie Schiss – bis…, ja bis der Nikolaus plötzlich laut loslachte, Christian über den Kopf strich und meinte: „Die Tüte darfst Du trotzdem behalten, aber sei froh, dass Knecht Ruprecht heute nicht dabei war, sonst hätte es vielleicht mit der Rute noch was hinten drauf gegeben!“






Advent

Am wunderschönen Tannenkranz,
die erste Kerze leuchtet weit.
Jetzt endlich kommt mit hellem Glanz,
die stimmungsvolle Weihnachtszeit.

Im ganzen Haus duftet es mild,
nach Zimt, Anis, Vanille.
Die Kinderherzen schlagen wild
ganz laut in freud‘ger Stille.


Geschenkpapier knistert ganz leis,
in wunderbarer Heimlichkeit.
Bald schimmert alles herrlich weiß
und Herzen werden warm und weit.

Die Bilder am Kalender zeigen,
uns Tag für Tag wie Zeit vergeht.
Ein bunter stimmungsvoller Reigen,
der sich im Kreis von selber dreht.





Weihnachten - Mamas Schock


Bei uns war es Tradition, das wir Heilig Abend im Nachbarort in die Kinderchristmette gingen und danach gab es noch ein gemeinsames Singen bei uns im Dorf. Fast das ganze Dorf traf sich dann. Freunde tauschten ihre Geschenke aus und dann ging es heim. Dort gab es Kartoffelsalat mit Brühwürstchen, nach dem Essen wurden dann die Geschenke ausgepackt. 

Nur in einem Jahr habe ich meine Mutter dazu verleitet, die Tradition zu brechen. Der Tag war eigentlich wie üblich abgelaufen, nichts deutete darauf hin, das etwas anders wäre als sonst, außer vielleicht, das ich, während meine Mutter sich mittags hinlegte, heimlich in der Küche hantierte.

Als wir dann vom Weihnachtssingen nach Hause kamen, überredete ich meine Mutter, dass wir an diesem Tag erst die Geschenke auspacken sollten. Mit 17 Jahren kennt man seine Mutter ein wenig und weiß wie sie auf manches reagiert, besonders wie man sie neugierig macht. So sagte ich ihr, dass sie das eine Geschenk zuletzt auspacken solle. Aber ich wusste genau, das machte sie erst recht neugierig und sie würde es garantiert als erstes auspacken. So kam es dann auch.

Ich werde ihr Gesicht nie vergessen! Sie packte eine Flasche Spiritus aus und las was drauf stand: „Geeignet zum Fenster putzen, reinigen von glatten Oberflächen!“ Ich weiß nicht was sie noch alles vorlas, ich konnte nur lachen. „Putze ich dir nicht sauber genug?“, fragte sie mich empört. Worauf ich ihr nur sagen konnte: „Pack weiter aus Mama.“
Das tat sie dann auch und so nach und nach kamen Teller, Schüsselchen, ein Metallgestell, kleine komische Pfannen und komische Spieße zum Vorschein. Irgendwann begriff meine Mutter dann, dass ich ihr ihren sehnlichsten Wunsch erfüllt hatte und ihr ein Fondue geschenkt hatte. Da fiel sie mir mit Tränen in den Augen um den Hals. Wir beide haben dann gemeinsam den Tisch gedeckt, natürlich mit ihrem Kartoffelsalat und haben es uns gut gehen lassen.
Es war für mich das schönste Weihnachten seit langem.

 








Gespräche am Adventskranz


Wir sitzen gemütlich vereint um den Adventskranz, heute ist die erste Kerze entzündet worden. Nächste Woche wird der Nikolaus kommen. Die Kinder sind auffallend lieb, stecken uns mit ihrer freudigen Erwartung an.
Wir singen ein paar Lieder, dann legen wir doch lieber eine Platte auf und „lassen singen“.
Dazu trinken wir heißen Kakao und knabbern die ersten Weihnachtsplätzchen, Spritzgebäck von der einen Oma und Vanillekipferln von der anderen.

Unsere Katzen haben sich zu uns gesellt. Sie lieben diese weihnachtliche Stimmung anscheinend ebenfalls, denn sie lassen sich keine Adventsfeier entgehen. Sie legen sich auf die kleinen Hocker am Tisch und starren in die Flamme. Das machen sie jedes Jahr, Tiere lieben es auch gemütlich! Wirklich!





Nach einiger Zeit bitten mich unsere Kinder, mal zu erzählen, wie denn Weihnachten so war, als ich ein Kind war.
Hm - , ich überlege, - wie war es eigentlich?
„Wisst ihr, so sehr anders war es eigentlich gar nicht! Wir haben auch immer mit der Familie gefeiert, nur war es damals so, dass Opa noch bis Mittag arbeiten musste. Das war für Oma immer ein Ärgernis, denn die ganze Feiervorbereitung blieb ganz allein an ihr hängen. Opa hatte schon immer etwas „vorgefeiert“ mit seinen Arbeitskollegen, das war damals einfach so Sitte und dementsprechend kam er leicht angetrunken nach Hause.“

Die beiden kichern. Sie können sich anscheinend wohl vorstellen, dass Oma da nicht begeistert war.

„Nach dem Mittagessen mussten wir, also mein Bruder und ich, immer zu unserer Oma, eurer Uroma. Dort haben wir die Zeit bis zur Bescherung abgewartet. Oma ließ uns immer ihren kleinen Tannenbaum schmücken und etwas basteln und malen, trotzdem sind wir ihr bestimmt ganz schön auf die Nerven gegangen, denn uns kam die Zeit immer unendlich lang vor!“
„Ja, Mama, das ist sie aber heute auch noch!“ Beide nicken mit den Köpfchen und können das gut verstehen.

„Ja, Mäuse, kann schon sein. Aber wenn man älter ist, dann ist das anders. Dann vergeht die Zeit ganz schnell, denn man muss ja alles aufräumen für das Christkind, denn es will die Geschenke natürlich nicht in eine unaufgeräumte, dreckige Stube stellen. Es soll doch alles schön sein und feierlich! Also hatte Oma natürlich viel zu tun und Opa hat sich ausgeschlafen. Trotzdem hat Oma es immer geschafft, dass das Christkind dann doch zu uns kam!

Um 17 Uhr durften wir immer nach Hause kommen, zusammen mit Oma und Opa, also Uroma und dem Uropa, doch den habt ihr ja leider nicht kennen gelernt. Karl rannte immer vor. Ich ging schön brav mit Oma und Opa. Es hatte meinem Bruder gar nichts genützt, so schnell zu rennen, denn meine Mutter, die Oma Edith, ließ ihn sowieso nicht rein. Sie hat durch die Glasscheibe an der Haustüre geguckt und gesehen, dass er allein war und es wurde erst geöffnet, als wir alle dort standen. Da hab ich ihn immer etwas ausgelacht. Doch im nächsten Jahr ist er wieder losgerannt.“

Das finden beide toll und sie lachen über ihren Onkel, den sie heiß und innig lieben.
„Und, Mama? Was war dann?“

„Wir mussten im Flur stehen bleiben und meine Mutter sah nach, ob das Christkind schon bei uns gewesen war. Dann ging ein Glöckchen und danach sind Karl und ich ins Wohnzimmer gerannt. Das war immer der schönste Augenblick des Jahres. Alles leuchtete und strahlte. Ein großer Tannenbaum stand in der Ecke, hell erleuchtet mit viel Weihnachtsschmuck und Lametta behangen. Weihnachtsmusik lief im Hintergrund, die Erwachsenen saßen alle auf dem Sofa und beobachteten uns Kinder.“

„Genau wie ihr bei uns immer, ne Mama?“ Sie hatten Parallelen erkannt.
„Ja, genauso, Schatz! Dann war die große Bescherung. Die Päckchen wurden abwechselnd verteilt und die Geschenke bestaunt. Oft bekamen wir aber auch Sachen zum Anziehen zu Weihnachten.“



„Nein! Das ist aber gemein, Mama!“ Das fanden sie einfach empörend! Anziehsachen, welches Kind will denn so was zu Weihnachten?!
„Ja“, lache ich. „Das war etwas anders früher und manchmal haben wir uns darüber sogar gefreut, wenn es zum Beispiel eine schöne Winterjacke oder so war. Aber die Hauptsache waren auch für uns die Spielsachen, das stimmt schon. Nach der Bescherung haben wir immer alle zusammen gegessen und ratet mal was?“
„Kartoffelsalat?!“ Wie aus einem Mund rufen sie es beide.
„Richtig!“, ich grinse. „Das war schon das Heilig-Abend-Essen in meiner Kindheit und das machen wir nun genauso hier weiter. Kartoffelsalat mit geräucherten Forellen! Das gehört einfach dazu, gell?

Nach dem Essen haben wir immer ganz lange alle zusammen gesessen, gesungen und erzählt und auch gespielt. Solange, bis wir Kinder vor Müdigkeit fast einschliefen. Dann gingen wir ins Bett und haben uns schon auf den nächsten Tag gefreut. Da sind wir alle zusammen in die Weihnachtsmesse gegangen. Das war immer sehr feierlich. Ich habe diese Messe immer sehr geliebt und alle Lieder mitgesungen. Allerdings hab ich mich nicht in die Nähe von meinem Papa, eurem Opa, gesetzt, denn der hat immer so laut und so falsch gesungen, das war mir einfach peinlich!“

Die Kinder schütten sich aus vor Lachen. Opas Gesang ist ihnen ein Begriff, den kennen sie auch.

„Ach Mama, da war Weihnachten bei euch fast so schön wie bei uns jetzt, ne?!
Ich schmunzele und bestätige: „Ja, da habt ihr Recht, das war es!“
„Weißt du was, Mama? Ich freue mich schon ganz doll auf Heilig Abend!“ „Ich auch!“, kommt ein Schrei hinterher.

Ja.., so waren die Gespräche am Adventskranz mit meinen „Kleinen“ früher. Heute ist alles ganz anders, denn nun sind beide erwachsen, längst nicht jeden Adventsonntag erreichbar, denn sie leben ihr Leben. Allerdings denke ich, dass auch sie eines Tages ähnliche Gespräche mit ihren Kindern führen werden…

Allen eine wunderschöne, friedliche Adventszeit!



Nikolaus Dobbeln und Schutzpatron der Schiffer



Als ich im Herbst meine Schwester am Niederrhein besuchte, erinnerte sie mich an einen alten Nikolausbrauch unserer Kindheit. Am 5.12., also am Vorabend des eigentlichen Nikolaustages, wurde gedobbelt. Bei uns in den Hinterzimmern der Geschäfte. Dort stand ein großer Tisch mit allerlei Waren um die gespielt wurde. Meistens taten das die Erwachsenen. Obwohl meine Schwester erzählte, dass sie das damals auch gemacht habe, habe vergessen sie zu fragen wie alt sie da war. Denn Dobbeln war eigentlich ein Glücksspiel.
Wurde aber als jahrhundertealter Brauch einmal im Jahr geduldet.


Gespielt wurde mit einem Becher und drei Würfeln. Jeder Spieler bezahlte den geforderten Einsatz und wer die höchste Punkt- bzw. Augenzahl erwürfelte bekam den eingesetzten Gewinn. Ich erinnere mich noch, dass ich einmal dazu kam als mein Vater gewann. Und zu meiner großen Freude durfte ich den Gewinn für ihn in Empfang nehmen.

St. Nikolaus ist auch der Schutzpatron der Schiffer. Im holländischen Fernsehen beobachteten wir jedes Jahr die Ankunft des Hl. Nikolaus und seines Knechtes auf einem Schiff. Mein Vater war vor meiner Zeit auch eine zeitlang gefahren. Beruflich hatte er danach, er arbeitete auf einer Kiesverladestelle für Schiffe, noch lange Kontakt zu seinen ehemaligen Kollegen. Und so brachte er schon mal an Nikolaus süße Geschenke für uns Kinder mit. Ich erinnere mich noch sehr gut, an einen Nikolaus aus weißer und brauner Schokolade.
In Holland heißt der Knecht des Nikolauses übrigens Schwate Pit und ist ein Mohr. Während er bei uns Knecht Ruprecht genannt wurde.




Unvergessen der 6. Dezember 1999




Wo ist sie denn jetzt schon wieder, dachte ich und sah sofort zu den Puppenwagen, die keine zwei Meter entfernt zum Verkauf in Reih und Glied standen. Nein, dort war sie nicht, also schaute ich unter dem Tisch mit den Strumpfhosen nach. Auch dort fand ich sie nicht. Als ich wieder hochkomme, sehe ich sie gerade mit einem Bobby Car um einen Ständer fahren. Schnell drehte ich mich um, lief um den Stand herum, um meine fast dreijährige Tochter bei ihrer Fahrt durchs Kaufhaus zu stoppen. Im letzten Augenblick erwischte ich sie noch, bevor sie mit einem Affenzahn um die nächste Ecke schoss.
„Nicht schon wieder“, sagte ich zu ihr, „und heute schon gar nicht.“
„Mama, lass mich los, ich will ein Bobby Car“, ruft sie empört. Ich bücke mich und nehme sie auf den Arm.
„Nein, du hast eins zu Hause“, versuchte ich ruhig zu sagen, schnappte mir im Vorübergehen die zwei Strumpfhosen und ging mit ihr zur Kasse.
„Aber keine Feuerwehr“, widersprach sie.




Nachdem ich gezahlt hatte, setzte ich sie ab, ließ aber ihre Hand nicht los. Aus Erfahrung wusste ich, dass sich mein Töchterchen sofort wieder den nächsten Bobby-Car oder einen Puppenwagen schnappen und damit zwischen den Ständern und Warentischen verschwinden würde. Sie zerrte und protestierte. Ich kniete mich hin und fragte sie: „Weißt du, wer heute Abend kommen könnte?“
„Der Nikolaus, der bringt mir sicher was“, antwortete sie mir freudig. Auf einmal konnten wir in Ruhe das Kaufhaus verlassen.

Am späten Nachmittag fuhren wir zu ihrem Patenonkel, sie hatten zwei Kinder im Alter von viereinhalb Jahren und zwölf Jahren. Das Wohnzimmer war festlich geschmückt und die Kleinen spielten. Die Omas und Opas saßen am Tisch und erzählten sich etwas. Wenn es die beiden Kleinen zu doll trieben, drehte sich ein Opa um und meinte, ihr denkt auch an den Hans Muff.
„Wer ist Hans Muff“, fragte unsere Stephie.
„Er kommt mit dem Nikolaus und steckt die unartigen Kinder in einen Sack“, antwortet ihr Opa.
„Wie sieht er denn aus?“, fragte sie weiter, „und was macht er mit den Kindern?“
„Er nimmt sie mit!“, gab er leicht grinsend zur Antwort.
„Nee, glaube ich nicht“, erwiderte sie und versteckte sich hinter der Gardine.

Gerade in diesem Moment läutete es an der Haustür. Unsere Stephie war so neugierig und öffnete die Wohnzimmertür, dabei erblickte sie den Nikolaus.
Gerade als sie ihm guten Abend wünschen wollte, erblickte sie einen schwarzen wuscheligen Mann mit einem riesigen Sack auf dem Rücken. Sie schrie auf und flüchtete in meine Arme. „Mama, Hilfe, Mama“, schluchzte sie und kletterte auf meinen Schoss. Neugierig wie sie war, lugte sie aber trotzdem unter meinen Armen den Nikolaus an.

Der Nikolaus ließ erst einmal ein Lied singen, dabei taute sie wieder auf. Als Erstes rief er dann ihre viereinhalbjährige Cousine auf. Er stellte ihr einige Fragen, weshalb sie denn nicht ihr Fleisch esse oder ob die Mama nicht gut koche. Sie antwortete ihm, dass die Mama sehr gut kocht, es schmeckt ihr aber kein Fleisch. Da versuchte er ihr zu erklären, das Fleisch wichtig für ihr Wachstum wäre. Sie solle sich auch nicht ständig mit ihrer Schwester zanken. Danach durfte sie sich wieder setzen.

Nun rief er Stephie zu sich. Langsam, aber nicht ohne meine Hand loszulassen, ging sie zu ihm.
„Na, du kleine Raserin, begrüßte er sie, was habe ich denn unartiges von dir gesehen, als ich vom Himmel herunterblickte?“
„Soll ich dir mein Lieblingsgedicht mal sagen“, erwiderte sie und begann es zu erzählen. Nachdem sie geendet hatte, sagte Ihre Cousine plötzlich, ich kann auch ein Gedicht und sagte es auf.

„Das waren sehr schöne Gedichte, die ihr mir vorgetragen habt und das auch mit solch einer tollen Betonung“, lobte der Nikolaus die beiden.
„Stephie, trotzdem darfst du aber nicht im Kaufhaus mit den Bobby-Cars und den Puppenwagen einfach herumfahren.“

Er holte Luft und fragte sie, ob sie ihm verspreche, das sie nicht mehr mit den Bobby Cars im Kaufhaus wegfährt. Sie schaute ihn an und versprach es ihm grinsend.
In diesem Moment bewegte der Hans Muff seine Rute hinter dem Nikolaus. Innerhalb einer Sekunde war Stephie auf meinem Schoss geklettert und krallte ihre Ärmchen um meinen Hals.
„Hans Muff, gib Ruhe, hier gibt es doch eigentlich nur artige Kinder“, sagte der Nikolaus laut. Nun rief er die Zwölfjährige und sprach mit ihr. Anschließend verteilte er die Gaben, dabei taute Stephie wieder auf, als sie feststellte, dass die Nikolaus -Tüten aus dem Sack vom Hans Muff kamen.

Nachdem gemeinsam ein Lied gesungen wurde, verabschiedete sich der Nikolaus.
Beim Herausgehen lief Stephie ihm nach und hob seinen Rock hoch. Dies merkte er natürlich und fragte sie, warum sie das mache.
„Ich will doch nur sehen, ob du auch Beine hast,“ erklärte sie ihm aufgeregt und rannte sofort zu mir.
„Mama, er hat keine Stiefel, auf den Bildern hat er aber Stiefel an.“
„Er hat sie sicher bei seinen Rentieren gelassen, damit er den Boden nicht schmutzig macht“, versuchte ich zu erklären und sie gab sich damit zufrieden und untersuchte aufgeregt ihre Tüte.

 




Eine kleine Anekdote aus „kleiner“ Zeit



Ich war ungefähr vier oder fünf Jahre alt. Damals wohnten wir noch in einer typischen Berliner Altbauwohnung in Schöneberg. Schon damals haben wir Heiligabend vor der großen Bescherung Musik gemacht, unseren Eltern, Oma und Opa etwas vorgespielt, vorgesungen und vorgedichtet. Papa hatte sich in diesem Jahr für uns einen Weihnachtsmann „ausgeliehen“.

Normalerweise hatte ich immer einen Heiden-Respekt vor solch einem Mann, doch an diesem Weihnachten fühlte ich mich nicht so ganz wohl. So kam dieser Weihnachtsmann in unser Wohnzimmer gepoltert und wollte natürlich von uns Kindern vor der großen Geschenkverteilung etwas hören, sprich: ein Gedicht, ein Lied, eine Ouvertüre ... was auch immer!

Wir Kinder hatten wochenlang zuvor unsere Stücke und Gedichte für diesen besonderen Tag eingeübt. Meine älteste Schwester fing an und sagte ein Gedicht auf, die andere Schwester spielte anschließend etwas auf der Flöte und schließlich hatten wir alle zusammen noch zwei oder drei Weihnachtslieder zu singen. Als der Weihnachtsmann auch ein Lied von mir hören wollte, denn ich sang die ganze Zeit einfach nicht mit, musste ich passen.

Stattdessen krabbelte ich kleine Maus einfach auf den Lieblingssessel meines Vaters, zuppelte etwas nervös an meinen Strümpfen herum und meinte schließlich zum Weihnachtsmann so ganz lapidar: „Ich kann heute nicht singen, ich krieg die Masern.“ Alle Anwesenden sahen mich daraufhin entsetzt an und fragten, woher ich das denn wüsste. Aber ich konnte es nicht erklären, ich wusste es einfach. So kam ich um das Singen herum, bekam aber trotzdem meine Geschenke. - Ich glaube, ich hatte damals einfach nur den Text vergessen. Oder doch nicht?

Unglaublich, aber wahr: am nächsten Tag hatte ich tatsächlich die Masern! Für mich war das natürlich prima, denn so hatte ich nicht einmal gelogen. Eine Geschichte, an die sich meine Mutter immer wieder gerne erinnert und auch immer wieder gerne jedem an Heiligabend erzählt.
Das Foto, was dazu von mir geschossen wurde, hat eine meiner Schwestern, leider weiß ich aber nicht welche, gemacht. - Daher hier ein Bild von damals ca. 1969/70 vor unserem Baum.




Wie der Heilige Abend Vaters Unmut erregte!


Wir lebten mit acht Personen in einer Großfamilie. Zu Festtagen kamen noch weitere acht Angehörige dazu. Das war einfach selbstverständlich und beanspruchte viele Vorbereitungen. Festlich gedeckter Kaffee- und Kuchentisch am Nachmittag und am Abend wurde Rind- oder Hühnersuppe mit Fleisch und selbst zubereiteten Suppenbällchen angeboten, gefolgt von verschiedenen Salaten, dazu Wurst- und Käseschnittchen und Getränke nach Wahl wurden gereicht. Kurzum – Mutter und Großmutter waren tagelang, vor und nachher gefordert – und der Heilige Abend, der nur mit den Hausbewohnern begangen wurde zeigte dann, dass Beide am Rande ihrer Kräfte angelangt waren – denn am 1. Weihnachtstag kamen ja die restlichen Familienangehörigen.

So kümmerte sich Vater um den Weihnachtsbaum und den Aufbau der von ihm gebauten Krippe.

Am Morgen hatten wir drei Kinder noch Zeit, unsere Geschenke für die Lieben zu verpacken. Bis zum späten Nachmittag war es ratsam, den Erwachsenen nur ja nicht unter die Füße zu laufen. Wir fragten uns gegenseitig die emsig gelernten Weihnachtsgedichte ab. Schon früh übten wir zusätzlich kleine Weihnachtsspiele ein, die wir vor der Bescherung am Abend und am nächsten Tag aufführten.

Wie in jeder Familie war der Mittelpunkt die Urgroßmutter, die sieben Kinder hatte. In ihrem Haus lebten noch zwei ihrer erwachsenen Kinder: meine Großmutter Maria und der behinderte Sohn Willi, meine Mutter – die Tochter der Großmutter. Hinzu kamen mein Vater und wir drei Töchter! Die Urgroßmutter war seit vielen Jahren nicht mehr in der Lage zu gehen und daher spielten sich Familienfeiern ausschließlich bei uns ab. Das änderte sich als die Urgroßmutter starb.

Nun kamen zwei unserer Großtanten, die zusammen lebten auf die Idee, den Heiligen Abend mit unserer Familie in ihrem Haus zu feiern. Sie hatten so viel Freude an uns Kindern, die zu der Zeit die einzigen Kinder in der Familie waren und jedes Jahr die schönsten Geschenke für uns bereit hielten.

Vater war erst einmal dagegen. Er sah schon, dass der Abend nicht in seinem Sinn gestaltet werden würde! Er, der ein überzeugter Christ war, sah den Sinn des Heiligen Abend in der Besinnung auf die Geburt Christi und seiner Bedeutung für die Christenheit. Um 18.00 Uhr ertönte ein Glöckchen und wir betraten alle, sonntäglich angezogen, das Weihnachtszimmer und setzen uns vor den Weihnachtsbaum und der Krippe auf den Boden. Die Erwachsenen saßen hinter uns auf Stühlen. Zuerst sangen wir zu meinem Klavier- und dem Flötenspiel meiner zweiten Schwester das Lied: „ Wachet auf, ruft uns die Stimme.“

Danach las Vater das Weihnachtsevangelium vor. Es wechselten Weihnachtslieder mit unseren Gedichten und dem Weihnachtsspiel ab. Unser gemeinsam liebstes Lied „Es ist ein Ros’ entsprungen“ sangen wir zum Ende der besinnlichen Stunde. Nun erst verteilten wir Kinder unsere Geschenke an die Großen und wir Kinder durften unsere Geschenke unter dem Weihnachtsbaum suchen.

Um 20.00 Uhr aßen wir gemeinsam Würstchen mit Kartoffelsalat und wir Kinder konnten noch einige Zeit mit den neuen Dingen spielen. Das waren nicht viele, für jedes Kind eins. Das meiste waren neue Kleidungsstücke.
Meine Eltern und ich als Älteste, gingen um Mitternacht in die Mette - die festliche Weihnachtsmesse der katholischen Kirche. Die Urgroßmutter, die Großmutter, Onkel Willi und die beiden Kleinen blieben zu Hause und gingen am Weihnachtsmorgen in eine der damals vielen Weihnachtsmessen.

Jetzt sollte das anders werden. Wir gingen tatsächlich am folgenden Heilig Abend zu den Tanten – Klara und Alwine – Klara war die Schwester meiner Großmutter und Alwine die Freundin von Klara. Beide blieben immer – bis zu ihrem Tod – zusammen. Alwine starb sechs Monate vor Klara.

Es war klar, dass Mutter sich in Bezug auf den Heiligen Abend, der zum ersten Mal nicht zuhause stattfand, durchgesetzt hatte. Sie verstummte immer so lange, bis sie erreichte, was sie wollte. Das hielt niemand lange aus. Aber ich konnte sie verstehen, sie hatte seit ihrer Hochzeit nicht das verwirklichen können, was ihr vorgeschwebt hatte. Jedenfalls nicht eine solch große Familie. Aber die Auswirkungen des Krieges hatten sie nicht anders handeln lassen können.

Früher waren die Winter strenger; es schneite und ein eisiger Wind schlug uns entgegen. Ein Auto hatten wir nicht und so hatten wir einen Fußmarsch von zwei Kilometer vor uns, dick angezogen mit gefütterten Stiefeln. Willi wurde von seiner Schwester entsprechend angezogen, wir Kinder von Mutter eingepackt als ginge es zum Nordpol.

Endlich kamen wir bei den Tanten an und es dauerte eine Weile, bis wir alle aus unseren Wintersachen geschält und mit Hausschuhen und roten Nasen am Tisch saßen. Hier gab es erst ein mehrgängiges Menü und wir waren so satt und müde, dass die Kleinen schon fast eingeschlafen wären.

Jetzt begann die Weihnachtsfeier und als Vater das Weihnachtsevangelium vorlesen wollte, meinten die Tanten, das könnte er morgen in der Kirche hören, jetzt wollten sie erst unsere Freude sehen, wenn das Weihnachtszimmer aufgemacht würde. Mutter stieß Vater mahnend ans Schienbein und ihre Blicke ließen ihn verstummen. 
Die Tanten hatten schon einen Schallplattenschrank – Chippendale, wie die übrige Einrichtung – und niemand brauchte zu singen. Die Langspielplatte ließ alle bekannten Weihnachtslieder erklingen. Aber offenbar war die Musik nicht nach Vaters Geschmack – er schüttelte unmerklich den Kopf und schaute an die Decke.

Unter den Klängen „Stille Nacht- Heilige Nacht“ öffnete sich die Tür zum Weihnachtszimmer. Der Tannenbaum strahlte im Kerzenlicht und an allen Ästen hingen bunte kleine hölzerne Figürchen, weiter entdeckten wir leckere Süßigkeiten und Nüsse und Plätzchen an den Zweigen. Wir waren stumm vor Staunen, denn unser häuslicher Baum war eine silberne Pracht: Kugeln, weihnachtliche Figuren, silbernes Lametta und Kerzen - wunderschön aber nicht zum Plündern für die Kinder.

Das dürften wir alles herunterholen, bevor wir nach Hause gingen – erklärten die Tanten. Ein Spaß für uns – dem wir zum Schluss auch vorsichtig nachgingen.

Wir trauten unseren Augen nicht: Das stand eine große Puppenstube, die eine Schulklasse darstellte! Alles hatten die Tanten selber hergestellt, die Möbel, die Schüler, kleine Schildkröt-Puppen mit unterschiedlicher Kleidung und Schühchen, die Lehrerin mit Stock und Brille, mit einem strengen Kostüm angetan, eine große Tafel mit Kreide und Schwamm, jedes Kind hatte Tornister, Bücher, Hefte, Stifte.

Die Schulbänke mit integriertem Schreibpult, die konnte man auch noch öffnen, einen Schrank und gemalte Kinderbilder an den Wänden - wir standen sprachlos vor diesem Riesengeschenk! Damit wir alle zusammen damit spielen könnten, sagten die Tanten, wäre ihnen diese Idee für uns in den Sinn gekommen. Wir herzten und küssten sie und unsere Freude ließ sie in Tränen ausbrechen.

Für den Rückweg hatten die Tanten einen kleinen Leiterwagen, den Vater zog, geliehen. Alle Sachen, auch die geplünderten Dinge vom Tannenbaum, fanden gut geschützt darauf Platz und diesen Heiligen Abend haben wir nie vergessen und noch viele Jahre mit dieser Puppenstube friedlich und voller Freude gespielt.




Was ist eigentlich Weihnachten?

Aber nun mal im Ernst, wird Weihnachten heute überhaupt noch richtig gefeiert?

 

Ich war damals 8 Jahre alt. Viele behaupteten, dass ich wirklich Glück habe. „Du hast keinen Bruder und keine Schwester. Deine Eltern können sich viel mehr leisten, dir etwas zu schenken. Geschwisterkinder bekommen nicht sehr viele Geschenke, weil das Geld auf zwei, drei oder vier aufgeteilt werden muss.“

Das ist Quatsch und ich habe mich immer geärgert, wenn das jemand zu mir gesagt hat. Vielleicht sind viele Einzelkinder verwöhnt, aber nicht alle. Natürlich habe ich mir dieses Jahr einen Gameboy (damals einen Nintendo) gewünscht, aber meine Eltern wollten mir keinen schenken. „das ist nicht gut für die Augen“, sagten sie.

Es war Heiligabend. Wir gingen erst zur Kirche, dann aßen wir und erst dann gab es Geschenke unter dem Weihnachtsbaum. Ich hatte viele Wünsche, etwas Elektrisches hätte ich ja sowieso nicht bekommen. Dann war da nur ein großes Geschenk. Mir schwindelte leicht. Was sollte da wohl drin sein. Aber als ich es auspackte, ging es mir auch nicht wirklich besser. Ich hätte fast heulen können, aber ich hielt mich am Riemen. Es war einfach nur ein großer Trolley.

Was sollte das? Aber, ich krieg ja auch nichts Besseres, wenigstens etwas. Eine Viertelstunde nach der Bescherung sagte mein Vater zu mir, ich sollte den Trolley mal genauer ansehen. Erst wollte ich nicht, ich war damals nun mal einfach trotzig, aber es ist doch egal, kann ich ja mal einen Blick rein werfen.
Ich machte ihn auf und ganz viele Geschenke waren drin, eingepackt. Ich machte einen Freudensprung in die Luft. Es waren mehrere Geschenke und ich war ja so glücklich. Aber genau dieses eine Erlebnis lässt mich heute noch grübeln…
Kindern geht es nur um die Geschenke, kaum zu glauben, dass sie in der Kirche noch stillhalten können. Nun ja, ich bin auch nicht besser. Auch dieses Jahr wünsche ich mir viel, bzw. etwas sehr Teures.

Aber wo bleibt denn noch der Gedanke an Jesu Christi? Manche Familien gehen nicht einmal mehr in die Kirche und die Kinder dürfen schon morgens die Geschenke aufmachen. Weihnachten ist doch nur noch eine Abzocke durch die Geschäfte. Sie sind doch diejenigen, die am meisten an Weihnachten verdienen, oder nicht?




Adventskalender


Ich bin in diesem Jahr zum ersten Mal aktiv an der Gestaltung des Adventskalenders dabei, natürlich auch schon ein wenig aufgeregt. Und womit beschäftige ich mich?
Selbstverständlich mit dem „Adventskalender“.
Wir öffnen jeden Tag ein Türchen und sind begeistert von den vielen schönen Sachen, die wir da finden.
Ich komme mal auf den Ursprung des Kalenders zurück und fange in meiner Kindheit an. Damals diente mir der Adventskalender als Zähl- bzw. Zeitmesser. Es waren aufregende Tage bis endlich der „Heilig Abend“ da war. Für Kinder ist die Zeit ja unendlich lang. Die ersten Kalender, an die ich mich sehr gerne erinnere, waren nicht mit Schokolade gefüllt, heutzutage bei vielen Kindern gar nicht mehr denkbar.

Ich hatte einen Kalender auf dem Sideboard in unserem Wohnzimmer stehen. Der Kalender hatte die Form eines Hauses und glitzerte je nach Lichteinfall.



Jeden Tag konnte ich eine Tür öffnen und es erschienen kleine Bilder dahinter. Als ich noch im Kindergarten-/bzw. Grundschulalter war erzählten mir meine Eltern jeden Tag eine passende Geschichte dazu. Nach Weihnachten wurde der Kalender wieder verpackt und im nächsten Jahr erneut hervorgeholt.

Ein paar Jahre später, als Teenager, gab es dann den Adventskalender mit Schokolade, war auch nicht schlecht, aber es kam schon vor, dass ich an manchen Tagen gleich zwei Türchen öffnete und so war die Schokolade schon nach der Hälfte der Zeit aufgegessen.
Als junge Erwachsene habe ich dem Adventskalender dann keine große Bedeutung mehr beigemessen, da meinem Mann da auch die Romantik fehlte. Das änderte sich erst nach der Geburt unserer Tochter.

Zu dieser Zeit begann meine Näh- und Bastelleidenschaft und ich stellte die Kalender nun selbst her. Mal war es ein Adventskalender mit bunten Säckchen, mal ein Gebastelter aus Streichholzschachteln. Ich habe mir da in jedem Jahr etwas Neues einfallen lassen. Es hat auch sehr viel Spaß gemacht in die leuchtenden Augen meiner Tochter zu schauen. Gefüllt waren die Kalender mal mit Süßigkeiten, mal mit kleinem Spielzeug oder selbstgeschriebene Geschichten oder netten Versen.



Als meine Tochter älter wurde gab es auch mal ein paar Rubbellose, die sich jedoch meist als Nieten entpuppten. Meine Tochter bekommt immer noch einen Adventskalender, meist sind darin Kleinigkeiten wie Handcreme, Gesichtspeeling und Kleinigkeiten zum Naschen enthalten.

Seit einigen Jahren freue ich mich auch wieder über einen Kalender für mich. Das ist schon einer der Gründe warum ich in einigen Foren bei solchen Aktionen mitmache. Eine tolle Idee jeden Tag ein Päckchen aufzumachen und ein kleines Geschenk von „virtuellen“ Freunden zu bekommen.

Diese Kleinigkeiten sind liebevoll verpackt und der Schenkende macht sich seine Gedanken, diese Kleinigkeiten bereiten mir mehr Freude als ein paar lieblos gekaufte Geschenke von einigen Verwandten. Die wiederum können es gar nicht verstehen, dass ich bei solchen Aktionen mitmache und in ihren Augen „wildfremde Menschen“ beschenke.

Bei den vielen Internetkalendern die sich von Jahr zu Jahr immer mehr ausbreiten, suche ich mir gezielt ein paar aus, die für meine Hobbies relevant sind. Es gibt Kalender da möchte man immer wieder dabei sein, andere hingegen verlieren schnell an Bedeutung.
Ich freue mich dass ich diesmal etwas zu „Unserem“ Kalender beitragen durfte.



Ein Kinder- / Weihnachtstraum

 

Den ganzen Tag war es düster und kalt. Zusammen mit meinen Brüdern saßen wir in der Küche und malten Adventsbilder. Zufällig schaute ich aus dem Fenster und was ich sah erregte sofort meine Fantasie.

Der Himmel hatte sich rot gefärbt und ich träumte mit offenen Augen.


Engelchen! Kleine und große Engelchen backten Plätzchen für uns.


Naseweiß war das kleinste Engelchen was ich je gesehen hatte. Sie saß unterm Tisch und naschte schon Weihnachtsgebäck. Mehl zierte Ihre Nase.
„Psst, Du da, kannst du mir nicht auch ein paar herunterreichen?“
„Nööö! Die sind doch für Weihnachten.“
„Und warum darfst Du dann schon welche haben?“
„Na, weil ich der Vorkoster bin.“
„Komm zieh mich zu Dir, ich helfe dir beim Probieren mit, sonst hast Du später Bauchschmerzen und dann donnert es hier unten auf der Erde.“
Naseweiß tippte sich an die Nase und überlegte kurz.
„Aber nur wenn Du mir deinen Namen ins Ohr flüsterst.“
So zog sie mich doch glatt durchs Fenster in die schönen roten Zuckerwolken. Ich war so stolz.


Aber plötzlich tippte mich einer meiner Brüder an und riss mich gerade an der schönsten Stelle weg. Aus war er! Mein Traum!

Keine Beine baumeln lassen, aus den rosaroten Wolken.
Und meine Freundin Naseweiß? Oder hatte sie doch einen anderen Namen?
Wer weiß das schon. Ich werde es wohl nie erfahren.
Doch ich lächelte nur und nahm den Keks, den mir mein Bruder auf einem Teller reichte.
„Hier Karin, den soll ich dir von Mama geben.“

Weihnachtsmarkt

Schneeflocken tanzen in der Luft,
ein besonderer Duft
führt uns zum Weihnachtsmarkt.
Es riecht nach gebratenem Apfel fein,
nach Kaffee und nach Kuchen.
Wer möchte ihn da nicht besuchen?
Plätzchenbuden gibt es auch
und so manch schönen Brauch.
Auf dem Karussell,
sich die Pferdchen drehen
und nur glückliche Augen sind zu sehen!

 



Weihnachten

Weihnachten hatte bei uns Zuhause schon immer einen großen Stellenwert. Auch die vorweihnachtliche Zeit mit den Düften der frisch gebackenen Kekse im ganzen Haus und die vielen Vorbereitungen mit den Eltern und Geschwistern waren für mich nicht wegzudenken. Weihnachten war und ist immer die Zeit der Familie.

Angefangen hat die Weihnachtszeit für mich mit dem ersten Türchen des Adventkalenders. Jeden Tag war ich aufgeregt und gespannt, was sich hinter der Tür des nächsten Tages befindet und dann wurde fleißig genascht. Meine Mutter buk leidenschaftlich gerne Kekse und oft standen wir drei Kinder in der Küche, halfen ihr kneten und ausstechen, und schleckten anschließend die Schüsseln aus, während mein Vater im Wohnzimmer Weihnachtsdekorationen auspackte, abstaubte und auf hing. Manchmal half ihm Tobias auch dabei und so standen nur wir zwei Mädchen in der Küche und unterstützten Mama.
Nur wenn Papa die eine oder andere Krippe reparieren oder kleben musste, waren wir ebenfalls mit größter Freude dabei und ließen Mama ganz alleine in der Küche werken. Nach getaner Arbeit ging es dann fast jeden Tag auf den Christkindlmarkt. Bummeln, die Düfte nach Rosinen und Mandeln einatmen und eine Fahrt mit dem Ringelspiel durfte natürlich auch nicht fehlen.

Bergweihnacht in Wels/Österreich

 Tobias wollte das nie so wirklich – ich glaube er fürchtete sich – aber Sina und ich konnten davon nicht mehr loskommen, dass uns nicht einmal der Gedanke an die frisch gebackenen Kekse zu Hause locken konnte. Mama, Papa und Tobias schauten uns eine Zeit lang geduldig zu, wie unsere Haare im leichten Wind wehten und unsere Gesichter strahlten. Wir wollten noch eine Fahrt und noch eine Fahrt, so lange, bis Papa uns dann an der Hand nahm, uns wegzog und schimpfte: „Jetzt reicht es aber.“ 

Die Folge war, dass unsere Eltern zwei schreiende Töchter über den Markt zogen und für erstaunte Blicke sorgten. Wenn es draußen zu kalt war, blieben wir daheim und bastelten, malten und ließen unserer Kreativität freien Lauf. Noch heute habe ich das Bild vor mir, wie wir konzentriert da saßen, Sterne und Engel mit größter Sorgfalt ausschnitten und die Fenster und Türrahmen damit schmückten. Manchmal halfen uns unsere Eltern dabei, aber die meiste Zeit machten wir das alles alleine. Nachher bestaunten sie unsere Werke, sagten, wie gut wir das gemacht hatten und wie stolz sie auf uns wären. Dann wurde aufgehängt.

Am Heiligen Abend waren immer unsere Großeltern von beiden Seiten anwesend und es wurde jedes Jahr ein sehr, sehr schönes Fest. Wir mussten uns elegant anziehen und ganz leise sein, damit das Christkind bei seinen letzten Vorbereitungen auch nicht gestört wurde. Gemeinsam mit Mama und den Großeltern warteten wir in der Küche auf das Glöckchen, das bald aus dem Wohnzimmer zu hören sein würde. Es fiel uns nicht leicht, still zu sitzen und unseren Kindermund zu halten. Papa war nie bei uns versammelt, was mich nicht einmal stutzig machte.
Als dann endlich das Glöckchen ertönte, liefen wir drei Kinder ganz aufgeregt ins Wohnzimmer, wo uns ein wunderschöner Christbaum entgegen strahlte und unsere Kinderaugen aufleuchten ließen. Die Geschenke lagen fein sortiert unter dem Christbaum und jeder wusste, wo sein Platz war, weil auf jedem Päckchen Tobias, Clara oder Sina stand. Wir stürmten voller Freude darauf zu, wurden aber zurückgehalten.
Vorher wurden noch Weihnachtslieder gesungen, allen voran natürlich „Stille Nacht, heilige Nacht.“ Mama mit ihrer schönen Stimme stimmte an und langsam stimmten alle mit in den Gesang ein. Danach wurde endlich ausgepackt und meine Augen strahlten. Es befanden sich tatsächlich alle meine Wünsche unter den Geschenken und noch einiges mehr. So auch bei meinen Geschwistern. Ich war so glücklich, fiel meinen Eltern um den Hals und jedes Jahr bezeichnete ich das Fest als das bis jetzt Schönste Weihnachtsfest in meinem Leben.
Seit ich denken kann, hatte ich jedes Jahr dem Christkind einen Brief geschrieben und immer fröhlich und voller Aufregung und auch Vorfreude festgestellt, dass der Brief mit meinen Wünschen vom Fensterbrett tatsächlich abgeholt worden ist. Das Christkind gab es, davon war ich vollkommen überzeugt und natürlich auch Sina, die gerade mal acht Jahre war, als es dann passierte.
Es war Weihnachten 2002, ich war elf und eines Tages sagte Tobias – 14 Jahre alt: „Das Christkind gibt’s nicht. Es sind in Wahrheit Mama und Papa.“ Ich glaubte ihm natürlich nicht, oder wollte ihm nicht glauben, starrte aber instinktiv zu meinen Eltern, die sich gegenseitig nur ansahen. Ich erwartete, dass sie sofort sagen würden: „Tobias, erzähle keinen Blödsinn“ oder so etwas in der Art, aber das sagten sie nicht.

Ich wusste in diesem Moment, dass mein Bruder recht hatte und auch Sina verstand. Sie fing zu weinen an und auch ich konnte meine Tränen nicht mehr zurückhalten. Ich war so enttäuscht und im ersten Moment hatte Weihnachten keinen Sinn mehr. Sofort aber nahmen uns Mama und Papa in die Arme und trösteten uns. Nun wussten wir also die Wahrheit über das Christkind, aber die Qualität und Tradition schränkte das nie ein.

Bis zum Jahr 2005 war für mich und uns Weihnachten die schönste Zeit im Jahr, aber das änderte sich, als unsere Eltern im März 2005 starben. Es gab kein Weihnachtsfest, denn auf die Frage hin, was wir uns zu Weihnachten dieses Jahres wünschen würden, antwortete Sina nur: „Ich will Mama und Papa zurück.“ und rannte weinend davon. Auch Tobias und ich hatten keinen sehnlicheren Wunsch, obwohl wir alle drei wussten, dass er für immer unerfüllt bleiben würde, aber so war klar, dass es Weihnachten 2005 bei uns im Haus nicht geben würde.

Es ging einfach nicht. Keine Mama, mit der wir Kekse backen konnten und kein Papa, der uns an seinen Reparaturen der Weihnachtsdekoration teilhaben ließ. Die vorweihnachtliche Stimmung von Überall, egal ob Radio, Fernsehen oder ein Stadtbesuch, war eine Hölle der Trauer. Ich weinte in dieser Zeit nur, und selbst ein Schulbesuch in der Vorweihnachtszeit war unmöglich. Zwei Jahre feierten wir nicht, zu groß war der Schmerz und zu lebendig die Erinnerungen.
Erst im Jahr 2007 waren wir drei halbwegs dazu bereit, das Weihnachtsfest wieder aufleben zu lassen. Es war natürlich schön, aber es war nie mehr so wie vorher. Mama und Papa fehlten zu sehr. Mit den Jahren aber wurde es immer besser, dem Schmerz wich die altbekannte Vorfreude und ich als auch Tobias und Sina freuten uns wieder auf Weihnachten. Heute haben wir alle drei keine Probleme mehr damit, aber ein Besuch auf dem Friedhof jedes Jahr am 24. Dezember ist dennoch Pflicht und eine wunderschöne Erinnerung.

Heuer freue ich mich ganz besonders auf Weihnachten. Ein neues Familienmitglied wartet darauf, die stillste Zeit im Jahr im Hause Sieber das erste Mal erleben zu dürfen. Meine Tochter Marie, die dann schon drei Monate sein wird, kann es nicht mehr erwarten, den Christbaum leuchten zu sehen. Auch wenn sie heuer das halbe Fest verschlafen wird – später dann werden ihre Augen genau so staunen wie damals die ihrer Mama.
Weihnachten, das Fest der Familie, der Liebe und der Geborgenheit.







Advent, Advent

Wir saßen alle am Tisch, um das Abendbrot zu uns zu nehmen, als vor unserem Haus ein fürchterliches Gepolter entstand. Ich schaute erschrocken zum Fenster und schrie, schrie und schrie. Am Fenster sah ich kurz ein schwarzes Gesicht, mit einem weißen Rand um die Augen. Das sah unheimlich aus. 

„Was ist das?“ fragte Mutti. Papa sagte: „Ich gehe mal nach schauen.“ Papa machte die Türe auf und schaute raus. „Guten Abend. Oh, wollen sie zu uns?“ fragte Papa. „Dann kommen sie doch herein.“
Papa drehte sich zu uns um, und sagte: „Wie es aussieht, erhalten wir Besuch vom Nikolaus und Knecht Ruprecht.“ Ich versteckte mich erst einmal hinter Mutti. Von diesen beiden hatte ich nichts Gutes gehört. Sie steckten böse Kinder in einen großen Sack, und nahmen sie mit. Die Beiden kamen mit Gepolter herein.
Die größte Angst hatte ich vor dem Knecht Ruprecht. Er war so schwarz im Gesicht. Um seine Augen war ein weißer Rand. Er sah richtig unheimlich aus in seiner ebenfalls schwarzen Kleidung, dem Sack und der Rute in der Hand. Ängstlich schaute ich hinter dem Rücken meiner Mutti vor. Der Nikolaus fragte mich, ob ich auch brav gewesen wäre, denn nur brave Kinder würden belohnt werden und böse Kinder würden bestraft.

Ich zitterte am ganzen Körper vor Angst und bekam keinen Ton raus. Mutti zog mich nach vorne und Papa sagte: „Naja, bis auf ein paar kleine Streiche war Gitta recht brav.“ Der Nikolaus sprach: „So so, ein paar kleine Streiche. Knecht Ruprecht, walte deines Amtes!“ Knecht Ruprecht hob die Rute und wollte mich mit der anderen Hand packen.
Da sagte Papa: „Aber lieber Nikolaus, so schlimm waren die Streiche nicht. Außerdem wurde Gitta schon von mir deswegen bestraft.“ Darauf der Nikolaus: „In Ordnung, wenn der Vater dies sagt, muss ich es wohl glauben. - Kannst Du mir denn auch ein Gedicht aufsagen?“, fragte er mich. Ich stotterte vor Angst: „J j ja a! - A adv vent, A adv vent, e ein L lichtl lein b brennt....“

Ob ich denn noch ein Gedicht kannte, fragte er mich. Ich schüttelte nur den Kopf. Mir fiel einfach kein Text mehr ein. Mutti und Papa wollten mir helfen, und gaben mir Stichworte wie: „Denkt euch, ich habe das Christkind gesehen“ oder „Lieber guter Weihnachtsmann“, doch ich wusste vor Aufregung die Texte nicht mehr. Der Nikolaus hatte Erbarmen mit mir und sprach: „Wie ich sehe, hast du so große Angst, dass du alles vergessen hast. Ich komme im nächsten Jahr wieder, dann sagst Du mir mehr auf. Zum Abschied greife ich nun in den Sack und hole für dich etwas heraus.“
Er griff in den Sack, holte einen Schokoladennikolaus, einen Beutel mit Pfeffernüssen und einen mit Dominosteinen heraus und gab sie mir. 
Immer noch vor Angst schlotternd, bedankte ich mich. Er gab mir die Hand, streichelte meine Wange und sagte: „Na na, Gitta, ist doch alles gut. Ich bestrafe nur sehr, sehr böse Kinder. Auf Wiedersehen, bis zum nächsten Jahr.“ Er drehte sich um und ging mit Knecht Ruprecht polternd hinaus. Papa schloss die Türe hinter ihm. Und ich war nur noch erleichtert! Aber sowas von...!




Viele Weihnachten hat ein Leben …
fröhliche und traurige …

1960

„Kind, es ist schon beinahe dunkel. Schau zum Himmel, all die vielen Sterne.
Sie leuchten dir den Weg, wenn sich der Mond dort oben verkrochen hat“.
„Oma, geht der Mond denn schlafen so wie wir?“
„Ja, mein Kind, auch er muss sich ausruhen! So ein Leuchten kostet Kraft und Energie. Erst kuschelt er sich zusammen, bevor er sich schlafen legt. In ein paar Tagen ist er wieder da, du wirst schon sehen.“
Sehnsüchtig schaute ich nach oben.
Da fiel wie von Zauberhand ein Stern vom Himmel.
„Wünsch dir ganz schnell etwas, meine Kleine. Aber verrate es niemandem, sonst geht es nicht in Erfüllung.“ Oma nahm mich bei der Hand, drückte sie ganz zart und wir gingen zum Sofa in der Küche. Ihre Brille hing ganz schief auf ihrer Nase und sie begann zu stricken.
Ich nahm mir ein Buch vom Bord und setzte mich zu ihr.
Mein Blick wanderte immer wieder zum Fenster. „Oma, Oma, schau, es schneit!“ rief ich ganz aufgeregt.
Oma war eingeschlafen................... Zärtlich strich ich über ihre Haare.
1974
23. Dezember, ein Tag vor Heiligabend.
Meine Schwester wurde zu Grabe getragen. Aus einem Fest der Freude war ein Fest der Trauer geworden.
Tiefe Traurigkeit hatte Besitz ergriffen von meiner Familie. Es schien unvorstellbar, die Geburt Christi zu feiern mit Festtagsbraten, Tannenbaum und Geschenken. Die Mutter weinte, der Vater litt stumm.
Ich war die Älteste, damals 18 Jahre alt und wollte auf einen Weihnachtsbaum nicht verzichten. Wie in jedem Jahr schmückte ich ihn mit echten Kerzen, bunten Kugeln und Lametta. Ich stellte mir vor, die Kleine würde von oben (wo auch immer das war) herunterschaun und sich daran erfreuen.
Meine Schwester hatte sich eine Kindernähmaschine gewünscht und eine Gitarre. Beides hatte sie Anfang Dezember bekommen, da man nicht wusste, ob sie Weihnachten erleben würde. 
Die Nähmaschine hatte sie nie in Gebrauch, auf der Gitarre nie gespielt.

1989

Ich stand am Fenster mit Blick auf den Hof und schaute in die Dämmerung.
Es hatte zu schneien begonnen. Im Schein der Straßenlaterne tanzten Schneeflocken und ich begann zu summen: Leise rieselt der Schnee, still und .....
„Mutti, wo ist der Stern?“ hörte ich meinen Kleinen sagen, während er aufgeregt an meiner Schürze zupfte. Er riss mich abrupt aus meinen Träumen und ich wischte mir verstohlen eine Träne aus dem Augenwinkel. Keine Melancholie, meine Liebe, mahnte ich mich in Gedanken und lächelte den Kleinen an. „Hier, Christian, deine Sternchen“.
Mit Eifer begann er, die Formen auszustechen, wobei seine Zungenspitze sich hastig über der Oberlippe hin und her bewegte. Vorsichtig legte ich seine Figürchen auf das Blech, bestrich sie mit Eigelb und gab ein paar bunte Streusel obenauf.
Streusel, dachte ich versonnen.Oma`s Plätzchen aus Kriegstagen fielen mir ein. Irgendwo hatte ich doch das Rezept! Wo nur war mein altes Backbuch. Ich zog ein doch sehr zerfleddertes Buch aus dem Regal.



Der Buchrücken fehlte und die Seiten hatten Eselsohren. Ich konnte mich nicht trennen von dem alten Ding, hatte es schon seit der Schule. Heute schreibe ich Rezepte auf dem PC und stecke sie anschließend in Folie. So überstehen sie das Backen und Kochen ohne Flecken. Mein Plätzchenrezept hatte einige Schokoflecke aufzuweisen, die Seite war verkrustet und sah sehr alt aus. Wann hatte ich sie zum letzten Mal gebacken? Es musste Jahre her sein, ich erinnerte mich nicht einmal mehr, wie sie schmeckten.
„Mama, es schneit“, hörte ich meinen kleinen Buben rufen. Er sah so niedlich aus mit seinem mehlbestäubten Näschen und den klebrigen Fingern. Sein Hemdchen hatte eine Menge Teigflecken und seine Bäckchen waren vor Anstrengung rot wie die Äpfel in der Schale auf der Anrichte.
Ich hob ihn vorsichtig hoch und wir schauten gemeinsam den tanzenden Schneeflocken zu.
Christian lehnte seinen Kopf an meine Schulter und wurde ganz schwer in meinen Armen. Er war eingeschlafen.
Es lag ein besonderer Zauber auf diesem Nachmittag.
Die Erinnerung an die Großmutter, der Duft nach Zimt, die warme Stube, das Knistern des Feuers im Ofen. Eine kleine Reise in die Vergangenheit.
Es war wie damals.

Das Summen des Weckers zerriss die Stille.
„Mama, sind die Plätzchen gut? Kann ich eines haben?“ hörte ich Christian sagen.
„Nein, Kleiner, die sind doch noch warm, sie müssen erst abkühlen“, gab ich zur Antwort und holte das Gebäck aus dem Herd.
Auf den Teller mit den Zimtsternen, Lebkuchen und Vanillekipfeln legte ich Christians Butterplätzchen mit den bunten Streuseln. Das schaute sehr hübsch und bunt aus.
Aus dem Augenwinkel sah ich, wie der Kleine nach einem Plätzchen griff und es blitzschnell in seinem Mündchen verschwand.
Vielleicht sollte ich noch Omas Plätzchen backen?
Ein wunderschöner Tag neigte sich dem Ende entgegen.




Ne Hexe unterm Weihnachtsbaum


Es war im Jahr 1969, zwei Tage vor Heiligabend.

Im Sommer zuvor war meine Oma gestorben und Opa verbrachte nun das erste Mal ein Weihnachten ohne sie. Nach gutem Zureden hatte er sich entschlossen zu uns zu kommen. Nun weilte er schon eine Woche hier und brachte in unserem kleinen Haushalt so einiges durcheinander, denn Opa war – nun sagen wir mal... spontan.

An diesem Montag nun hatte er beschlossen, einen langen Spaziergang zu machen. Ich machte mir Sorgen, weil er auch beim Dunkelwerden noch nicht zurück war. Irgendwann am Spätnachmittag klingelte es, aber als ich den Türöffner betätigt hatte, kam niemand nach oben. Plötzlich hörte ich ein Rufen durchs Treppenhaus. „Komm mal runter! Bring Geld mit!“ Opa! Was hatte er wieder angestellt? Ich rannte die vier Stiegen herunter, den Geldbeutel in der Hand und hoffte, dass ich nicht Unsummen bräuchte, um Opa vielleicht irgendwo auszulösen.

Meine Gedanken waren goldrichtig. Mein Großvater stand an der Straße neben einem Taxi. Der Fahrer, leicht genervt, trat von einem Bein aufs andere und seinen Unmut konnte man an der Stirn ablesen. „Hast du 20 DM?“, fragte Opa. Etwas irritiert kramte ich nach den Scheinen. Es reichte zum Glück. Auf ein Trinkgeld musste der Taxifahrer verzichten, was seine Laune wohl nicht besserte. Ohne Gruß rauschte er davon. Nun gewahrte ich auch den kleinen Korb am Straßenrand.

„Opa, was hast du angestellt?“, fragte ich energisch. „Hilf mir erst einmal das da nach oben zu bringen!“, meinte er bestimmt und so schleppten wir den Korb die vier Stiegen hoch. Opa war mit seinen achtzig Jahren zwar noch sehr mobil, aber als wir oben ankamen, keuchte er doch vor Anstrengung.

Jetzt stand der Korb im Wohnzimmer und nun hörte ich es. Ein leises, klägliches Fiepen, ein Winseln. Ich ahnte Schreckliches, das jedoch zugleich in mir eine freudige Erwartung auslöste. „Mensch Opa, du hast doch nicht etwa...“ Er hatte. Grinsend, die Hände reibend stand er da und nickte. „Komm, wir machen auf. Die Lütte muss da raus, die Fahrt war sicher sehr beängstigend für sie.“ Opa öffnete den Korb und da saß ein winziges Häufchen von Dackelhund, besser Dackelhündin, die uns mit großen Augen anschaute.

„Sie heißt Josha vom Geiersitz“, berichtete Opa stolz, „ist eine Adlige und mein Weihnachtsgeschenk für euch.“ Er hatte das Häufchen schon aus der Kiste geholt und auf den Teppich gesetzt. Ich war platt. „Opa, das kannst du nicht machen. Was sollen wir mit einem Hund?“ Kurz dachte ich an meine Mutter, wischte aber diesen Gedanken rasch beiseite. Mein Herz flog diesem Geschöpf zu, diese großen Dackelaugen, das feuchte Schnäuzchen, die tapsigen Bewegungen...ich war hin und weg. „Du wolltest doch immer einen Hund“, meinte Opa erstaunt. „Jaaa“, stimmt ich zu, „aber da war ich neun...“
Die adlige Josha brauchte nicht lange, um sich zu akklimatisieren. Als Mama nach einer halben Stunde heimkam, hatte sich das kleine Dackeltier schon die Decke gekrallt, die auf dem Sofa lag, einen See auf dem Teppich hinterlassen und Mamas Hausschuh durch die Gegend gezerrt. An diesem Abend zogen Opa und ich alle Register, um Josha meiner Mutter näher zu bringen.

Sie kannte ihren Vater, der des Öfteren verrückte Dinge tat, mit großem Herzen, aber meist ohne zu überlegen. Jetzt saßen wir in einer Zweizimmer - Mietwohnung im vierten Stock mit einem Dackelhund und das zwei Tage vor Weihnachten. Josha blieb, vorerst, wie Mama sagte.

Nach Weihnachten würde man sehen. „Aber Josha, das passt nicht zu ihr“, meinte Mama, “sie ist ja eine richtige kleine Hexe“. So hatte das Hundekind seinen Namen weg. Ich änderte das noch in „Hexi“, denn Hexe, das schien mir wirklich zu streng. An diesem Abend und auch die folgenden Tage rannte ich alle halbe Stunde mit Hexi unterm Arm nach draußen, damit sie ihr Bächlein und ihr großes Geschäft machen konnte.

Meine Mutter kochte Hackfleisch, mischte Hundeflocken für Welpen darunter und ich merkte, wie sie ganz ernsthaft bei der Sache war. Am Dienstag kauften wir noch Leine, Hundekörbchen, Fressnäpfe, was den Weihnachtsgeldbeutel meiner Mutter ziemlich schmälerte. Opa war für diesen Monat eh pleite, kein Wunder, wenn man als Rentner einen Dackel mit edlem Stammbaum aus einer Zucht kauft.

Die ersten Nächte waren unruhig, denn Hexi vermisste wohl ihre Wurfgeschwister und auch ihre Mutter. Aber eine Wärmflasche im Körbchen und Mamas Hand, die nachts immer zur Beruhigung diente, schafften Abhilfe.

Am Heiligenabend saßen wir zu dritt um den Weihnachtsbaum. Hexi legte sich wie selbstverständlich zwischen die bunten Päckchen und war zufrieden. Keine Rede mehr davon, dass Mama sie loswerden wollte. Hexi war uns 17 Jahre lang eine treue Begleiterin, besonders meiner Mutter, als ich auszog. Insgeheim haben wir beide öfter einen Dank an Opa geschickt, der uns dieses wunderbare Geschöpf ins Haus gebracht hat.




 



Das Fahrrad...
oder die Kleiderfrage am Heiligen Abend

Ich bin in der bergischen Großstadt, die für die Produktion ihrer Klingen bekannt ist, geboren und aufgewachsen. Aufgrund ihrer sehr hügeligen Lage bietet die Stadt in schneereichen Wintern – und die gab es in meiner Kindheit eigentlich immer – viele Möglichkeiten, um dort Schlitten zu fahren. Ich erinnere mich nur zu gerne an die „Todesbahn“. Diese Abfahrt verdankte ihren makabren Name ihrer Lage direkt neben dem Friedhof und weil sie extrem steil nach unten führte. Viele Male bin ich dort hinunter gesaust, habe den Schlitten schnell wieder hochgezogen, gleich wieder aufgesessen… und ab ging die neue Fahrt bergrunter!

Fahrradfahren im Sommer machte auch viel Spaß, aber eigentlich nur wenn es bergab ging, denn die vielen oft sehr steilen Hügel wieder hinauf zutreten war ganz schön anstrengend. Trotzdem wünschte ich mir zu Weihnachten ein neues schickes Fahrrad, denn das alte klapprige Hollandrad, das ich einmal geerbt hatte, war in die Jahre gekommen und ich genierte mich sehr, weiter darauf herumzufahren.

An diesem Heiligabend, von dem ich nun erzählen möchte, bat mich meine Mutter, dass ich mich für die Bescherung doch umziehen möchte. Ich muss damals elf oder zwölf Jahre alt gewesen sein und lief meistens in meinen heißgeliebten rosa Cordhosen und braunen Wildlederboots herum. Ich sah gar nicht ein, dass ich mich für den Anlass anders kleiden sollte, denn ich fühlte mich in meinen Sachen sehr wohl. Meine Mutter war dann leicht angesäuert, konnte mich aber nicht überreden, ihrer Bitte nachzukommen.

Ich muss nun erklärend hinzufügen, dass mein Vater sehr früh verstorben war und ich mit meiner Mutter und meinem Opa zusammenlebte. Aus der ersten Ehe meiner Mutter habe ich drei Brüder, die alle schon aus dem Haus waren. An diesem Abend war jedoch mein jüngster Bruder bei uns zu Gast, der in der Landeshauptstadt studierte und dort eine Studentenbude besaß.

Meine Mutter hatte nun den Baum geschmückt, klingelte mit dem Glöckchen und zu den Weihnachtsliedern eines Kinderchores, die von einer LP erklangen, traten mein Opa, mein Bruder und ich in das festlich dekorierte Wohnzimmer ein. Ich ließ meine Blicke umher schweifen, das heißersehnte Fahrrad konnte ich leider nirgendwo erspähen. Unter dem Christbaum lagen nur viele kleine Päckchen und ein Teddy.

Nachdem wir gegessen und uns beschert hatten, intonierte mein Opa mit brüchiger Stimme „Es ist ein Ros entsprungen“. Das gehörte zu unserem weihnachtlichen Ritual. Großvater war übrigens der einzige, der in unserer Familie sang, denn alle anderen Familienmitglieder hielten sich für ziemliche „Brummer“. Opa bestand jedoch alljährlich auf seiner Gesangsdarbietung, obwohl seine Stimme immer spröder wurde und auch diesmal bei „bracht“ ganz „in den Keller rutschte“. Damit war seine weihnachtliche Gesangseinlage auch beendet.


Nun kam mein Bruder mit seinem „Vortrag“ an die Reihe. Er war mit seinen zwei Brüdern im Krieg aufgewachsen und erzählte oft, wie sie als Kinder immer sehr karge Weihnachten erlebt hatten. Sein Lieblingsgedicht, das uns jedoch immer zum Schmunzeln brachte, lautete so:

 

„Der Weihnachtstisch ist öd und leer,
die Kinder stehen blöd umher.
Da lässt der Vater einen krachen,
da fangen alle an zu lachen.
So kann man auch mit kleinen Sachen,
den Kindern eine Freude machen.“

Nach seinem Beitrag klingelte es an der Eingangstür und mein zweiter Bruder kam schwer beladen die Treppe hinauf.

„Das Kind wollte sich nicht umziehen!“, beschwerte sich meine Mutter, gleich nachdem mein Bruder eingetreten war und das funkelnagelneue Fahrrad in der Diele abgestellt hatte. „Wenn du dich nicht umziehst“, meinte mein Bruder zu mir, „dann nehme ich das Fahrrad wieder mit!“

„Ist mir doch egal!“, erwiderte ich trotzig. „Ich zieh‘ mich nicht um!“ Und… weg war mein Bruder mitsamt dem neuen Fahrrad, das er auf Wunsch meiner Mutter besorgt hatte und vorbeibringen wollte. Heiligabend wollte er dagegen mit seiner Frau und den Schwiegereltern in seiner eigenen Wohnung feiern.

Am nächsten Morgen war ich doch ziemlich geknickt, weil ich mein heißersehntes Geschenk nicht bekommen hatte! Meine Mutter hatte mir längst verziehen, dass ich mich am Vorabend nicht umgezogen hatte. Sie tröstete mich und meinte, dass ich nun zu Fuß zur Wohnung meines Bruders gehen und mein Geschenk selbst abholen sollte.
Nur – wir wohnten oben auf dem Berg und mein Bruder unten im Tal. So kam ich ob des langen Fußmarsches schon ziemlich geschafft bei meinem Bruder an, erhielt das Fahrrad und… musste, obwohl ich nun schon genug gestraft war, das Fahrrad auch noch den Berg nach Hause hochschieben. Es hatte zwar noch nicht geschneit und die Wege waren trocken, aber zum Hochradeln hatte ich einfach noch nicht die Kondition und Puste!

Auf jeden Fall war mir dieser Vorfall eine Lehre gewesen und soweit ich mich erinnern kann, habe ich mich von da an auch immer lieb und brav am Heiligabend umgezogen.




Dackelweihnacht

Weihnachten war nicht mehr das, was es mal war. 
Mit meinen 18 Jahren lebte ich seit einem halben Jahr nicht mehr zu Hause. Zu Weihnachten kam ich endlich wieder heim, aber es fiel mir schwer, in die richtige Weihnachtsstimmung zu kommen. Ich wäre lieber bei meinen Freunden geblieben.
Zu Hause verlief alles wie immer. Am 24.12. wurde der Weihnachtsbaum aufgestellt und geschmückt. Ersteres erledigte mein Vater, zweites übernahm ich.

Meine Mutter kochte zum Mittag die obligatorische Hühnersuppe und bereitete den Kartoffelsalat für den Abend vor. Mein jüngerer Bruder kämpfte mit seiner Pubertät und hatte sich zum Wohle aller in sein Zimmer zurückgezogen. Am Nachmittag besuchten wir wie jedes Jahr unsere kleine Feldsteinkirche im Dorf.



Danach wurde gemeinsam Kaffee getrunken. Im Anschluss begab sich meine Mutter in die Weihnachtsstube, um alle Lichter zu entzünden und eine alte Platte mit Weihnachtsliedern aufzulegen. Diese Platte wurde jedes Jahr gespielt und begleitete mich, solange ich denken konnte. Im Groben und Ganzen, konnte man diesen Tag mit einem Wort zusammenfassen … es war schlichtweg langweilig. Kein Kribbeln mehr, kein wohlig gemütliches Gefühl, keine Spannung. 

Den anderen in der Familie schien es ähnlich zu gehen. Mein Bruder genervt, meine Eltern bemüht, wenigstens den ritualisierten Ablauf aufrechtzuerhalten und ich hoffte einfach nur, dass es bald vorbei war und ich zu meinen Freunden zurückkehren konnte.

Aber es gab einen in unserer Familie, der nicht teilnahmslos in der Ecke lag, sondern aufgeregt von einem Zimmer ins nächste sauste, immer die Nase in der Luft und bereit jedem Leckerbissen durch das ganze Haus zu folgen. Unser Dackel-Schäferhund-Mischling Waldi, der das dritte Weihnachten bei uns verlebte, beäugte die ganzen Weihnachtsvorbereitungen aufmerksam.

Er war derjenige, der sich als Erster in der Reihe vor die Tür zur Weihnachtsstube stellte und vorsichtig an ihr kratzte. Der uns mit seinen großen Schäferhundaugen in dem Dackelgesicht durchlöcherte, wann es denn endlich losginge. Wir schmunzelten über seine Ungeduld. Endlich erklang das Glöckchen und alle durften eintreten.

Alle Geschenke befanden sich, wie jedes Jahr, in einem großen Sack neben dem Weihnachtsbaum. Der Duft von Kerzen, Apfelsinen, Tannengrün und Lebkuchen lag in der Luft und die Kerzen verbreiteten ein anheimelndes Licht. Jeder nahm seinen Platz ein.


Waldi setzte sich unter den Weihnachtsbaum und schaute erwartungsvoller, als alle anderen zusammen. Allmählich wurde sein Verhalten auffällig. Konnte es sein, dass er wusste, was hier passierte? Dass er sich an die vergangenen zwei Weihnachten erinnerte, die Rituale wiedererkannte? Das war kaum vorstellbar.

Die Geschenke wurden verteilt und auch hier verfolgte der Hund aufmerksam das Geschehen. Jeder packte seines aus, betrachtete es und bedankte sich. Irgendwann wurde er unruhig. Er hatte nichts bekommen. Meine Mutter hatte mir unter anderem in ein anderes Geschenk ein kleines Plüschtier mit hineingelegt, welches jetzt auf einer Ablage saß.

Waldi besah sich alle Geschenke und schnüffelte von einem zum anderen, bis er auch zu mir und dem kleinen Plüschtier kam. Der Hund sah es an, legte den Kopf schief, stupste es an und legte sich dann mit sehnsuchtsvollem Blick davor.

Inzwischen war die gesamte Familie auf das Verhalten des Hundes aufmerksam geworden. Selbst mein Bruder grinste über das ganze Gesicht. Aber was tun? Das Plüschtier war denkbar ungeeignet als Hundespielzeug. Aber ihn ohne Geschenk lassen? Das brachten wir nicht übers Herz.

Eine Zeit lang gab es überall die Hausschuhe mit Tiergesichtern zu kaufen und auch meine Mutter hatte vor Kurzem ein solches Paar erstanden, das sie bis dahin im Schrank aufbewahrte. Das Besondere an diesen Schuhen, die die Gestalt eines Hundekopfes hatten, war, dass einer von ihnen bellte, wenn man einen Knopf im Innern des Schuhs drückte.
Den holte sie nun, wickelte ihn einfach in Geschenkpapier und überreichte diesen dem Hund. Was war unser Waldi glücklich. Er rupfte das Papier ab, vergrub seine Nase in dem Schuh, schleppte ihn schwanzwedelnd von einem zum anderen und brachte ihn schnell in Sicherheit, wenn man danach greifen wollte. 

Beim Zupacken hatte er zufällig den Knopf entdeckt, der dem Schuh das Bellen entlockte. Es bedurfte noch zweimaliger Zufälle, bis er verstanden hatte, wie man ihn gezielt zum Bellen brachte. Er antwortete mit einem kurzen Knurren, klemmte sich den Schuh zwischen die Vorderpfoten und rollte mit ihm über den Teppich. Mit solch einer Ernsthaftigkeit und offensichtlichem Vergnügen, dass endlich auch bei uns das Weihnachtsgefühl zum Vorschein kam.
Ich denke, er hat sich an diesem Weihnachten etwas gewünscht und dieser Wunsch ging dann Silvester auch in Erfüllung. Fremde Leute hielten bei uns vor der Tür und baten uns einen alten Dackel aufzunehmen, den sie im Wald auf der Straße gefunden hatten. Sie konnten ihn nicht mitnehmen, da sie auf dem Weg zu einer Silvesterparty waren und in einer Stadtwohnung lebten.

Natürlich nahmen wir den alten Dackelherrn auf, der entweder ausgesetzt worden oder vor der Knallerei weggelaufen war. Er bekam den Namen Lumpi und die beiden Hunde waren vom ersten Moment an ein Herz und eine Seele. Seine Familie fanden wir nicht und er verlebte noch genau zwei glückliche Jahre bei uns, bevor er wieder um Silvester herum an Altersschwäche starb. Seit diesem Jahr bekommen alle Tiere auf unserem Hof ihre eigene Weihnacht.



Mutti ist krank


Ich war den Tränen nah. Es war der 22. Dezember 1969, ich war acht Jahre alt. Mutti hatte mir an diesem Morgen nicht das Frühstück gemacht – sie war krank! Und das kurz vor Weihnachten.

Ich heulte, aber nicht so sehr, weil ich mir Sorgen um meine Mutter machte. Nein, vielmehr fürchtete ich um das leckere Essen, dass es immer am 1.Weihnachtstag gab: Ente mit Klößen und Rotkohl. Das war doch immer soooo köstlich!

Auch mein sieben Jahre älterer Bruder Peter sorgte sich um das Mahl. Was sollte jetzt geschehen? Essen gehen konnte man vergessen – das war zum einen in den Sechzigern noch wenig üblich und zum anderen ohne Tischreservierung undenkbar.

Einen Tag später. Mutti ging es keineswegs besser. Jetzt war auch noch hohes Fieber dazu gekommen. Für Heiligabend war das nicht so schlimm. Da gab es immer nur Würstchen mit Kartoffelsalat. Das bekam sogar der Papa hin.

Aber so etwas Kompliziertes wie einen Entenbraten lecker zubereiten? Und ob die Klöße so schmecken würden wie bei Mutti? Und auf Rotkohl verzichten? Zu dumm, dass Frau Krause, die liebe Nachbarin, gerade verreist war. Die hätte bestimmt ausgeholfen.

Heiligabend. Jetzt war es sicher: Mutti würde nicht kochen können. Sie beschloss, dass doch der Vater an den Kochtopf musste – das hatte er noch nie getan. Es konnte ja nur eine Katastrophe geben. Über meine Geschenke (viele neue Legosteine) konnte ich gar nicht so richtig freuen.

25. Dezember. Der Tag der Entscheidung war gekommen. Meine Mutter hatte die Rezepte haarklein mit genauesten Anweisungen aufgeschrieben. Es gab ja noch keine Fertigprodukte. Die Kartoffeln mussten erst noch in Knödel verwandelt werden und den Kohl gab es auch nicht aus der Dose. Kurz nach dem Frühstück ging es los. Die ausgenommene Ente wurde für das Braten vorbereitet, der Kohl geschnitten und gewürzt.

Jetzt kam der schwierigste Part: die Klöße. Gespannt schauten mein Bruder und ich zu. Ich wettete mit Peter um drei leckere Marzipanbrote, ob das klappte oder nicht. „Ich kenne unseren Vater länger als Du. Der schafft das nie!“, meinte Peter. Ich war inzwischen anderer Meinung.

Elf Uhr. Der Duft der Ente zog bereits durch die Wohnung, ich rieb mir die Hände. Es roch wunderbar, genau wie sonst auch. Auch der Rotkohl schmorte bereits im Topf. Aber bei den Klößen sah es gar nicht gut aus. Erste Versuche waren kläglich gescheitert. Ob Salzkartoffeln auch passen würden?

Papas entsprechende Anfrage bei Mutti wurde zunächst abgewiesen, aber dann doch noch angenommen. Schließlich gab es das ganze Jahr über keine Klöße, da war das zu Weihnachten auch nicht unbedingt nötig. Aber die Tradition…





12.30 Uhr, das Essen war fertig. Papa zog eine wunderbar braune Ente aus dem Rohr. Es konnte aufgetischt werden. Mutti kam im Nachthemd und glücklich gestimmt hinzu und setzte sich an den Esstisch, den Papa noch mit Tannenzweigen dekoriert hatte. Ein leckeres Essen erwartete uns. Und wie es erst schmeckte! Ich war in bester Laune, all der Kummer war vergessen.

Und so geschah es, dass an diesem Weihnachtsfest im Hause der Familie März dann doch noch eine köstliche Ente mit Rotkohl serviert wurde und zum ersten und einzigen Mal mit Salzkartoffeln.

Nebenbei gewann ich noch Marzipanbrote, aber nur zwei, denn die Kloßzubereitung war ja gescheitert.






Die weihnachtliche Huhn-Ente


Meine kindlichen Weihnachtserinnerungen sind durchgehend geprägt von Vorfreude, Geborgenheit und Heimeligkeit.
Ich hatte das Glück in einer sogenannten „Bilderbuchfamilie“ groß zu werden. Mitte der 60er Jahre erfreuten wir uns, verglichen mit der heutigen Zeit, an eher bescheidenen Dingen.
Weihnachten war kein reines Konsumfest. Dennoch durften mein jüngerer Bruder und ich uns alles wünschen, was wir haben wollten. Ob wir es dann auch bekamen, wusste nur der Weihnachtsmann.

Fein säuberlich schrieben wir meistens am 1. Adventstag unsere Wünsche auf und gaben die Zettel unserer Mutti, wie wir sie nannten. Ich half meinem kleinen Bruder dabei, denn mit seinen fünf Jahren konnte er natürlich nicht richtig schreiben. Sie versprach die sofortige Übergabe an den Weihnachtsmann und dabei strahlte sie uns an.


Auf meinem Wunschzettel im Dezember 1965 stand etwas ganz besonderes für mich. 
Wie jedes Jahr waren mein Bruder und ich am Vorabend des Heiligen Abend sehr aufgeregt und wir konnten kaum schlafen. Als wir dann zum Frühstück geweckt wurden, schlichen mein Bruder und ich zum Wohnzimmer und ich drückte ganz heimlich die Türklinke herunter. Die Tür war wie jedes Jahr verschlossen. Abwechselnd schauten mein Bruder und ich durch das Schlüsselloch. Wir konnten nichts erkennen, aber hörten ein lautes Rascheln. Unsere Spannung stieg.

Nach der Kaffeezeit hieß es dann für meinen Bruder und mich warm anziehen und wir unternahmen mit unserem Vater einen Spaziergang. Wir wohnten damals in der Nähe eines Parzellengebietes und dort gingen wir solange spazieren, bis die Dämmerung einsetzte. Ich erinnere mich an die einzigartige Stille, die uns umgab, denn am Nachmittag des Heiligen Abends war fast niemand in den Schrebergärten. Wir hatten die Order, bloß nicht vor Eintritt der Dunkelheit zurück zu sein, denn sonst fühlte sich der Weihnachtsmann bei uns Zuhause gestört.
Und wie jedes Jahr quengelte mein Bruder unterwegs, denn er wollte ganz, ganz schnell zurück. Verständlich!

Als es dann dunkel wurde, kehrten wir durchgefroren und voller Vorfreude heim. Dann mussten wir noch eine Weile in unseren Kinderzimmern warten und dann endlich erklang das Gebimmel der kleinen Glocke und wir durften das Wohnzimmer betreten. Ich glaube, dieser Moment muss für meine Eltern immer wieder schön gewesen sein, in unsere strahlenden Kinderaugen zu blicken.

Unter dem großen Baum, der meistens in Silber geschmückt war mit den filigranen Kugeln unserer Großmutter lagen die Weihnachtspakete. Noch heute erinnere ich mich an die zierlichen Glaskugeln, die wie rohe Eier behandelt werden mussten und ich wünschte mir, dass ich sie für meinen Baum in diesen Zeiten hätte. Im Laufe der Jahre sind sie leider zerbrochen und irgendwie abhanden gekommen.


In unserer Familie konnte niemand singen und deshalb hörten wir Weihnachtslieder aus dem Radio. Dann endlich durften wir Kinder die Geschenke auspacken. Anhand der Paketform ahnte ich, dass mein größter Wunsch erfüllt wurde und so war es dann auch. Ich hielt eine hellbraune Wandergitarre in meinen Armen und freute mich sehr. Einen Gutschein für einen Gitarrenkurs packte ich ebenfalls aus. Auch mein kleiner Bruder bekam eine Gitarre und er wirkte recht verloren dahinter. 

Als wir alles ausgepackt hatten, stellten wir wie jedes Jahr fest, dass der Weihnachtsmann doch sehr großzügig war. Am meisten freute ich mich allerdings über die Gitarre und ich sehe noch heute das Bild vor meinen Augen, als ich die ersten Übungen auf dem Sofa sitzend unternahm und mein Vater sich die Ohren zuhielt.

Nun kommen wir zu dem unangenehmen Teil dieser Geschichte. Das Weihnachtsessen.
Ich kann mich nicht daran erinnern, dass es jemals am ersten Weihnachtstag etwas anderes als Entenbraten, Rotkohl und Klöße bei uns gegeben hätte.

Am Vormittag roch es schon köstlich aus der Küche und als wäre es gestern gewesen, sehe ich meinen kleinen Bruder heulend aus seinem Zimmer laufen. „Ich will keine Ente essen, das mag ich nicht“ schrie er und stampfte dabei mit seinen Füßen auf. Er war in diesen Monaten sowieso ewig quengelig und trotzig. Meine Mutter versuchte ihn zu beruhigen und sagte ihm, dass er die Ente sonst immer ganz lecker fand und gerne gegessen hatte. Doch meinen Bruder interessierte nicht, was Mutti ihm erzählte. Er heulte und schrie. Sein kleiner Kopf lief schon rötlich an.

Gegen Mittag, als das Essen fertig war, kam meine Mutter in mein Zimmer und erzählte mir von ihrem Plan und dass ich mitspielen solle. Ich lachte und bejahte.
Ich weiß nicht, wie meine Mutter es geschafft hatte, meinen Bruder zu beruhigen, doch er saß brav und artig am Esszimmertisch.

Und dann servierte unsere Mutti uns ihre berühmte Huhn-Ente. Meinem Bruder erzählte sie, dass die Schenkel und Beine vom Huhn stammen und der Rest von der Ente. Mein Bruder aß furchtbar gerne Hühnchenbeine und strahlte über das ganze Gesicht, als er ein Bein von der Huhn-Ente auf seinen Teller gelegt bekam. Mein Vater und ich mussten uns anstrengen, um nicht laut loslachen zu müssen. Meinem Bruder schmeckte es.



 

Ich weiß nicht mehr genau, wann wir ihm erzählten, dass er all die Weihnachten über Huhn-Ente gegessen hatte, aber noch heute lachen wir darüber. 

Denke ich an meine Weihnachten zurück, die ich als Kind, Jugendliche und Erwachsene erleben durfte, zaubern die Erinnerungen ein Lächeln in mein Gesicht und ich darf nicht vergessen, nächste Woche eine frische Huhn-Ente für den ersten Weihnachtsfeiertag 2012 zu besorgen, die ich für meinen Mann und meine übrig gebliebene Familie in den Ofen schieben werde.

 

****

 




Warten auf das Christkind



Jedes Jahr war es ein aufregender Tag, der Heilige Abend – für uns Kinder. Bei uns auf dem Land war zu Weihnachten immer sehr viel Schnee und Eis. Bis einen Meter Schnee gab es vor unseren Haus. Unsere Eltern schickten uns am Nachmittag „Schlitten fahren“, damit das Christkind in Ruhe die Arbeit verrichten kann. Wir spürten unsere Hände und Füße nicht mehr bei der klirrenden Kälte. Außerdem gab es ständig Streit um den Schlitten.

Völlig durchnässt traten wir früher als erwünscht in das Zimmer, wo das Christkind gerade die Lebkuchen aufhing. Meine Geschwister waren schon älter und glaubten nicht mehr daran, aber ich, die Jüngste, saß mit roten Wangen am Boden und sah meine Mutter, wie sie eine Wiege zum Baum trug. Dann wurde die Türe ganz schnell geschlossen.

„Habt Ihr gesehen: Ich bekomme eine Puppe, die in einer Wiege liegt!" Meine vier Jahre ältere Schwester zupfte mich an den Zöpfen und meinte: „Die Wiege mit der Puppe gehört mir.“ Oh je, jetzt gab es Streit und Tränen. Die großen Brüder beendeten unseren Zank, endlich ging die Türe auf und ich lief sofort zur Wiege und starrte auf
die Puppe. Ich hatte noch keine Puppe, deshalb musste sie mir gehören.

Was geredet und gesungen wurde hörte ich nicht, ich sah nur die Puppe. Ruht, so sollte sie heißen, war für mich wichtig. Ich bekam die Wiege mit samt Inhalt und Garderobe. An diesen Abend zog ich ihr alle paar Minuten ein anderes Kleid an. Meine Schwester bekam einen Bären, damit waren alle glücklich.


Meine Brüder und meine große Schwester sangen und mein großer Bruder Gottfried fiedelte mit seiner Geige. Ich schlief auf Vaters Arm mit meiner Puppe Ruht ein.
In der Nacht wachte ich auf und spürte meine Puppe in meinen Ärmchen. Ich träumte, dass mir meine Schwester Hermine meine Puppe geklaut hat. Ich war total durcheinander wegen meiner neuen Aufgabe.
„Ich war jetzt Puppen – Mama!“

 




Das Weihnachtsgeschenk

Meine Eltern und Großeltern lebten mit meiner Tante und ihrem Mann unter einem Dach. Zu dieser Großfamilie gehörten noch mein gleichaltriger Cousin Walter und natürlich ich.

Mein Cousin und ich wuchsen wie Brüder auf. Verstärkt wurde dieses Gefühl durch die Geburtstage von uns Kindern, wenn auch das „Nichtgeburtstagskind“ das gleiche Geschenk von den Großeltern erhielt wie das Geburtstagskind. Dadurch sollten Tränen von uns Kindern und das Gefühl benachteiligt zu sein, vermieden werden. Dieses Ritual des Schenkens wurde auch an Ostern und Weihnachten durchgeführt.

An Weihnachten jedoch wurden Unterschiede durch die Geschenke unserer Eltern deutlich. So bekamen Walter und ich eines Heiligabend eine elektrische Eisenbahn geschenkt. Seine war von besserer Qualität als meine. So war es später auch bei dem Cowboyfort, bei dem Zündplättchengewehr und mit der Fotokamera. Walter sagte zwar nie etwas zu mir, doch war zu erkennen, dass er sehr stolz war, qualitativ bessere Geschenke als ich zu erhalten. Dieses Verhalten meines Cousins verletzte mich sehr.

Ich hätte mir gewünscht meine Eltern hätten Walters Eltern wenigstens einmal mit einem Geschenk übertrumpft.
Und eines Tages schien es so, als sollte es ihnen gelingen.

Ich war zwölf Jahre alt, als ein Lehrer an meiner Schule Trompetenunterricht anbot. Ich war Feuer und Flamme. Ich weiß heute zwar nicht mehr was mich damals so begeisterte, doch damals war es jedenfalls Tatsache. Wenn man Trompete spielen will, benötigt man natürlich auch das entsprechende Musikinstrument. Um ein solches zu erhalten, bot sich in meinem Fall nur Weihnachten an. Meine Eltern hätten mir keine Trompete kaufen können, denn für so etwas stand kein Geld zur Verfügung.

Aber als Weihnachtsgeschenk, bei dem sich auch die anderen Verwandten beteiligen könnten, würde es möglich sein. Also wünschte ich mir eine Trompete zu Weihnachten. Meine Eltern versprachen, mir diesen Wunsch zu erfüllen.
Bis ich meine Trompete erhalten würde, stellte mir die Schule ein altes, verbeultes Tenorhorn zur Verfügung, auf dem ich solange spielen konnte.
Ich begann also, Weihnachten entgegenzufiebern. Drei Monate waren es noch bis dahin. Zweimal die Woche hatte ich meinen Musikunterricht, mein Spiel wurde von Mal zu Mal besser und Weihnachten rückte immer näher.

Da sagte mir mein Cousin eines Morgens auf dem Schulweg, dass er sich zu Weihnachten eine Gitarre wünschen würde und auch Musikunterricht nehmen wolle. Mein Herz stockte. Es war klar für mich, dass mein Cousin die schönste, beste und teuerste Gitarre von seinen Eltern erhalten würde, die es auf der Welt gab. Meine Trompete würde die schäbigste und billigste sein, die jemals jemand besessen hatte. Meine Vorfreude auf Weihnachten war dahin.

Doch dann war Weihnachten da.



Ich bekam meine Trompete. Sie war das beste und schönste Weihnachtsgeschenk, das ich je bekommen habe. Sie glänzte golden im Licht der Weihnachtsbaumkerzen, ihr metallischer Schimmer gab ihr etwas Edles. Kühl lag sie in meinen Händen und ich blies zaghaft die ersten Töne und dann mutiger die erste Melodie. Es funktionierte, der Klang des Musikinstrumentes war sehr gut. Ich war glücklich.

Mein Cousin hatte seine Gitarre bekommen. Er stand mit offenem Mund neben mir und klimperte hilflos auf seiner, zugegebenermaßen, hochqualitativen Gitarre. Ich weiß nicht, ob er dachte er könne auf Anhieb auf dem Instrument spielen, jedenfalls schaute er ziemlich ratlos drein.

Den ersten und den zweiten Weihnachtsfeiertag verbrachte ich in freudiger Stimmung, spielte die Lieder, die ich konnte, und übte auch einige Neue.
Mein Cousin hatte seine Gitarre in irgendeiner Ecke abgestellt, wo sie noch einige Tage stand. Dann habe ich sie nicht mehr gesehen. Mein Cousin hat nie Gitarre spielen gelernt.
Ich habe weiter den Musikunterricht besucht, mein Trompetenspiel verbessert und … dieses Weihnachtsfest nie in meinem Leben vergessen.




Eine unerwartete Schlittenfahrt




Es war zu einer Zeit als es noch keine Supermärkte und Kaufhallen gab. Wir hatten in unserem Dorf zwei Tante-Emma-Läden. Einer befand sich im Oberdorf, der andere im Unterdorf. Man bekam dort alles was man brauchte.



Nur eines, das gab es noch nicht, Milch in Tüten. Wir mussten die Milch noch direkt mit einer Kanne beim Bauern holen.

Es war am Weihnachtsabend, als Mutter voll Entsetzen feststellte, dass sie vergessen hatte, Milch zu besorgen. Ausgerechnet auch noch am Weihnachtsabend, wo Oma und Opa zu Besuch kommen und jeder wusste das Oma Ihren Kaffee nur mit viel Milch trinkt. Also was tun?

Es gab nur noch eine Möglichkeit, ich musste zum Bauern laufen und welche kaufen.
Sie zog mir meine warme Jacke an, stülpte mir die dicke Wollmütze über und natürlich meine Handschuhe. Wie immer hatte sie das Geld in Papier eingewickelt und in meine Jackentasche gesteckt, damit ich es nicht verliere. Sie drückte mir die Milchkanne in die Hand und verabschiedete mich mit den gewohnten Worten: „Pass auf, das dir nichts passiert und beeile dich, es wird schon dunkel.“

Es hatte an diesem Tag schon sehr viel geschneit, der Weg war beschwerlich und nicht so leicht zu begehen. Es dauerte also länger als sonst, bis ich beim Bauern angekommen war.



Die Bäuerin begrüßte mich: „Hans, komm erst mal rein in die Stube, wärm dich am Ofen etwas auf, du sollst doch sicher noch Milch holen für deine Mutter“, ich nickte nur, denn ich war noch etwas steifgefroren von der Kälte draußen. Also setzte ich mich zu den anderen auf die Ofenbank. Es war so schön angenehm warm, ja richtig zum Wohlfühlen. Die Wärme tat ihr Übriges und ließ mich am Ofen einschlafen.

„Hans aufwachen, wir müssen nach Hause, da warten alle auf uns“, ich hörte die Stimme meiner Mutter, wie kann das sein? Ich war doch beim Milch holen?
„Mama, was machst du hier?“
„Ich war voller Sorgen, weil du so lange weg warst. Da hab ich mich auf die Suche nach dir gemacht. Es ist ja schon dunkel draußen“.
Da wurde es mir erst richtig bewusst, dass ich doch eine längere Zeit geschlafen habe. Meine Mutter ging mit der Bäuerin in die Küche, um wohl die Milch zu holen, kam wieder in die Stube und half mir beim Anziehen. Wir verabschiedeten uns und machten uns auf den Weg nach Hause.

Auf dem Weg nach Hause, vom Unterdorf ins Oberdorf mussten wir durch ein kleines Waldstück. Wir waren gerade am Waldrand angekommen, da blieb meine Mutter stehen. „Hans hörst du das auch?“
„Was?“
„Na, die Glöckchen?“
„Nein, hab ich nicht gehört.“
„Dann horch doch mal genau hin“ .
Ich blieb wie versteinert stehen und lauschte. Aber ich hörte nichts. Ich wollte gerade weiter gehen, da vernahm ich erst ein leises Bimmeln, das mit der Zeit immer lauter wurde. Etwas ängstlich drückte ich mich an meine Mutter.
„Was ist das Mama?“
„Schau mal, da kommt ein Schlitten und ich glaube, es ist der Weihnachtsmann.“
Ich klammerte mich immer mehr an meine Mutter, denn das Ganze kam mir doch etwas seltsam vor.



Und tatsächlich, es tauchte im Mondlicht plötzlich ein Schlitten auf, gezogen von einem Pferd. Das Pferd hatte eine rote Decke mit vielen kleinen Glöckchen übergeworfen und am Schlitten hingen lauter kleine Laternen.

Was mich doch am meisten beeindruckte, war der Mann, der auf dem Schlitten saß. Er hatte eine rote Zipfelmütze, einen roten Umhang und einen weißen Bart.
„Mama schau, der Weihnachtsmann, es gibt ihn wirklich!“
Meine Mutter schaute mich an und lächelte nur.

Der Weihnachtsmann hielt seinen Schlitten an, stieg ab und sagte zu uns: „Kommt, ich nehme euch bis nach Hause mit, es liegt auf meinem Weg heute Abend. Ich muss noch viele Kinder besuchen.“
Er half uns auf den Schlitten, gab uns eine Felldecke, die uns bei der Fahrt etwas wärmte. Zu meiner vollen Freude durfte ich mich neben den Weihnachtsmann setzen, was natürlich für mich das Schönste war.
„Du bist doch der kleine Hans vom Oberdorf?“ fragte mich der Weihnachtsmann. Ganz respektvoll sah ich ihn an und nickte.
„Das ist ja gut, dass ich dich hier schon treffe, denn zu dir wollte ich auch noch. Mir hat man berichtet, das du ein lieber Junge warst, stimmt das?“
Es kam ein etwas leises „Ja“ über meine Lippen.
„Und zu Hause hilfst du deinen Eltern immer fleißig. Dafür bekommst du von mir auch ein schönes Geschenk. Ich habe es in meinem großen Sack hinten auf dem Schlitten, wenn wir zu Hause sind, bekommst du es. Aber da gibt es noch etwas was mir einer meiner Engel erzählt hat. Du sollst im Kindergarten die Mädchen immer an den Zöpfen ziehen, und anderen Kindern die Spielsachen verstecken. Stimmt das?“

Schüchtern sah ich zuerst meine Mutter an und dann den Weihnachtsmann.
„Ja, aber ich verspreche dir, lieber Weihnachtsmann, ich werde es nie wieder tun.“
„Das will ich auch hoffen, sonst muss ich das nächste Mal Knecht Ruprecht mitbringen.“ Ganz ruhig blieb ich den Rest des Weges im Schlitten sitzen.

In der Zwischenzeit hatten wir unser Haus erreicht. Der Weihnachtsmann hielt an, stieg vom Schlitten und holte aus dem Sack ein großes, bunt eingepacktes Paket.

„So Hans, hier ist dein Geschenk, aber denke daran was du mir versprochen hast, keine Kinder im Kindergarten mehr ärgern. Ich wünsche dir und deiner Familie ein schönes Weihnachtsfest.“
Der Weihnachtsmann verabschiedete sich noch von meiner Mutter, setzte sich in den Schlitten und fuhr mit herrlichem Glockengeläute davon.
Ich hatte den ganzen Abend keine Ruhe mehr, musste jedem erzählen, das ich mit dem Weihnachtsmann auf dem Schlitten gefahren bin.
Und was war in dem Paket? Genau das, was ich mir so sehnlichst gewünscht hatte:





Was mich aber noch lange beschäftigt hat, ist, die Milch hatten wir nicht mit nach Hause genommen, warum erfuhr ich als ich größer war.


Der Christbaumständer



Jedes Mal, wenn ich heute meinen wunderbaren, neuen, kinderleicht zu bedienenden Christbaumständer auspacke und den Christbaum ohne große Probleme nur mit einer Hand festhalte, ausrichte, und ihn dann mit Hilfe eines kleinen Fußhebels an der Seite fest zurre, dank eines kunstvoll von einem Tüftler erdachten Systems, denke ich zurück an frühere Feste. Und wie viel Mühe wir oft beim Aufstellen des Baumes hatten, bevor es dieses neue, kleine, technische Wunderwerk gab.

Als ich ein Kind war, tobte in Europa der 2. Weltkrieg. Es herrschte Mangelwirtschaft. Und es war notwendig, alles, was irgendwie wieder verwendbar war, gut zu verwahren. Das galt natürlich auch für alles, was zum weihnachtlichen Ausschmücken des Hauses gebraucht wurde.

Wenn die Hohe Zeit der Weihnacht endete, wurde die Weihnachtsdekoration zusammen mit dem Christbaumständer und vor allem den letzten Kerzenstummeln sorgfältig verpackt und auf dem Dachboden verwahrt.



Wer wusste schon, wann er mal wieder etwas Neues kaufen konnte? Vor allem Wachskerzen waren kaum zu bekommen. Nur als Sonderzuteilung in sehr kleinen Mengen während des Krieges und in den ersten Jahren danach nur auf dem Schwarzmarkt.

Und auch das Material für selbst Gebasteltes war nur schwer zu bekommen. Strohsterne kannte man in der Zeit meiner Kindheit bei uns noch nicht. Dafür hätten wir uns irgendwo auf den Feldern rings umher sicher Material besorgen können.

Ich kann mich noch gut erinnern, wie viel Mühe es machte die einzelnen Silberfäden des Lamettas sorgfältig wieder vom Baum zu lösen und in Papier so ein zu packen, dass es im nächsten Jahr wieder verwendet werden konnte.

Aber nun zum Christbaumständer:

Der Christbaumständer meiner Kindheit war ein Gestell von zwei übereinander gekreuzten, grün lackierten starken Holzbrettern. Eine sehr einfache Konstruktion. Als Standfüsse waren unten, an den Enden feste Leisten angebracht, auf welchen der Ständer etwas erhöht, mehr oder weniger fest stand. In der Mitte war eine Hülse auf den übereinander gekreuzten Brettchen befestigt, in die man den Tannenstamm stecken konnte.

Durch die Wand der Hülse hielten drei Flügelschrauben den Stamm in dem man die Spitzen gleichmäßig in das Holz bohrte. Zu groß durfte die Tanne nicht sein, sonst kippte das Ganze um. Außerdem nagte der Zahn der Zeit an dem guten Stück. Leim und Holz trockneten aus und der grüne Lack blätterte ab.

Die ganze, einfache Konstruktion wurde von Jahr zu Jahr instabiler. Aber... Christbaumständer gehörten nicht zu den kriegswichtigen Produkten und waren rar während jener Zeit.

Als sich mit der Währungsreform die Schaufenster und Läden wieder füllten, kam dann ein neuer Ständer in die Familie. Er war aus Metall. Groß und schwer genug um auch einem großen Baum genügend Standfestigkeit zu geben. Aber, befestigt wurde der Baum immer noch mit den bekannten drei Schrauben. Und es war gar nicht so leicht, ihn gerade auszurichten.

Es bedurfte immer der Mithilfe von mindestens zwei Familienmitgliedern, um den Baum fest zu halten, damit er auch schön aufrecht stand und eine weitere Person, welche dann die drei Schrauben möglichst gleichmäßig in den Stamm schraubte.

Als ich geheiratet hatte und mein Mann und ich unser erstes eigenes kleines Weihnachtsfest feierten, musste natürlich ein eigener Christbaumständer her. Im ersten Jahr war er nur klein, denn unsere erste Wohnung war auch noch sehr klein, wir waren ja zunächst noch eine junge Familie.

Das Befestigungssystem war immer noch das gleiche: Drei Schrauben, die sich durch Drehen in den Stamm bohrten und ihn so fest hielten.

Zu zweit gelang es uns, das kleine Bäumchen schön gerade im Ständer zu befestigen. Zumal wir unseren Baum jedes Jahr in einer Tannenschonung selber aussuchten und absägten und schon dort darauf achteten, dass das gute Stück immer schön gerade gewachsen war.



Die Familie wuchs und der jährliche Weihnachtsbaum mit ihr. Es musste ein größerer Ständer her. Wir hatten gebaut und der Betonmischer auf unserem Grundstück brachte meinen Mann auf den Gedanken, Beton in einem Eimer härten zu lassen zu einem schweren standfesten Klotz in dem er mittig ein Rohr eingefügt hatte, dass groß genug war, um auch einen etwas dickeren Baumstamm auf zunehmen.

Dieser schwere Betonklotz hielt jeden Weihnachtsbaum in jeder Wohnstuben geeigneten Größe. Weder unsere drei Kinder noch unser großer Hund hätten beim Toben den Baum samt Kerzen um werfen können. Der stand bombenfest; allerdings nur, wenn man den Stamm im Rohr ordentlich verkeilt hatte mit kleinen Holzkeilen.

Und diese Keile hatten es in sich!



Obwohl wir jedes Jahr, wenn der Baum geplündert wurde, sorgfältig darauf achteten, dass keiner verloren ging: Wenn der Heilige Abend nahte, waren sie nicht auffindbar! Und jedes Jahr, am späten Nachmittag des 23.12. oder am Morgen vorm Heiligen Abend, wenn der Baum im Ständer befestigt werden sollte, begann die Suchaktion durch Haus und Garage. Die ganze Familie durchforstete sämtliche Räume vom Keller bis zum Boden. Aber irgend ein geheimnisvoller Geist verschleppte die Keile Jahr um Jahr und so musste mein Mann mit schöner Regelmäßigkeit kurz vorm heiligen Fest noch neue Keile anfertigen. Nach seinem Tod half uns ein netter Nachbar aus der Patsche.

Dank des Einsatzes der gesamten Familie, einschließlich unseres Nachbarn, hat der Baum an jedem Heiligen Abend trotzdem pünktlich im Wohnzimmer gestanden, feierlich geschmückt mit all den Sachen die alljährlich aus der Weihnachtskiste wieder hervorkamen und die ich im Vorjahr sorgfältig darin verpackt hatte.

Und mit duftenden Wachskerzen, die nach der Mangelzeit des Krieges wieder in ausreichender Menge zu haben sind. Ich weigere mich nämlich bis heute eine modernen Elektrobeleuchtung zu benutzen.

Inzwischen lebe ich allein. Auch wenn ich den Heiligen Abend zur Bescherung bei den Kindern verbringe, so schmücke ich mein Wohnzimmer doch für die restlichen Feiertage bis zum 6.Januar mit einer kleinen weihnachtlichen Tanne für mich allein.

Mein moderner Christbaumständer ist kinderleicht zu bedienen. Ich muss weder Nachbarn noch Kinder um Hilfe bitten. Aber ich erinnere mich immer mit Schmunzeln und auch etwas Wehmut an den Trubel und die Aufregung vergangener Jahre beim Aufstellen der Weihnachtstanne. Sie gehörten in unserer Familie einfach dazu!


So verändern sich die Zeiten und sogar Christbaumständer

 




Weihnachten 1958



Der Winter 1958 zeigte sich von seiner besten winterlichen Seite. Draußen heulte der Wind um die Hausecken, knackig kalt, es schneite unentwegt. Man sagt, bei so einem Wetter jagt man keinen Hund nach draußen. Jedoch an so einem besonderen Tag, an dem 24.Dezember 1958, dem Heiligen Abend in Neumünster / Schleswig-Holstein, machte man selbst für sich eine Ausnahme. Mütze, Schal und Fausthandschuhe, alles selbst von der Großmutter gestrickt, dicke Jacke, Hose und Stiefel gehörten zur Ausrüstung, um diesem kalten Winterwetter zu trotzen.


Der Gang zur Kirche war mehr als beschwerlich. Meine Großmutter, gehbehindert, nahm ihre beiden Stöcke, und musste den Weg zur Kirche meistern, egal wie beschwerlich und anstrengend dieser Weg für sie war. Ein Weihnachtsfest ohne den Kirchgang war nur die Hälfte wert, denn sie musste und wollte sich auf das feierliche Zusammensein im Kreise der Familie einstimmen. Mit ihrer sehr positiven Einstellung zu diesen Gepflogenheiten übertrug sie auch viele weihnachtliche Gefühle auf uns Kinder, weil dadurch die Spannung auf nachher noch größer war.


Meine Mutter war froh, die ganze Bagage aus der Wohnung zu haben, denn sie bereitete in dieser Kirchgangzeit alles für die anschließende feierliche Bescherung vor. Uns wurde immer vorgegaukelt, sie müsse dem Weihnachtsmann die Tür öffnen und ihm zur Hand gehen.

Auf dem Weg von der Kirche suchten wir auf Anraten meines Vaters auch hinter jedem Strauch diesen bewussten Weihnachtsmann, der jetzt gerade von Haus zu Haus stiefelte und die Geschenke ablieferte. Die allgemeine Aufregung steigerte sich ins Unermessliche.

Zuhause wurde unsere Geduld noch auf eine harte Probe gestellt. Bevor es an die Geschenke, den bunten Weihnachtsbaum und natürlich den leckeren Heringssalat mit Kartoffeln ging, las meine Großmutter einen Teil der Weihnachtsgeschichte vor.



Nun kam der große Auftritt von uns Kindern. Ich ging bereits in die zweite Schulklasse und durfte ein Gedicht aufsagen, natürlich mit viel Betonung. Aufstellung, Hände auf dem Rücken, eine kurze Verbeugung und man begann mit Inbrunst den Text auswendig vor zu tragen. Nach getaner Tat holte man einmal tief Luft und war froh, diesen Teil des frühen Abends hinter sich zu haben.

Denn die Zeit schritt voran und die Bescherung rückte immer näher, für uns Kinder der wichtigste Teil des Heiligen Abends. Aber, dieses Vorgeplänkel dehnte sich noch auf die traditionellen Weihnachtslieder aus. Auch wenn in der Kirche bereits einige Lieder zum
Anstimmen erklangen, zu Hause gehörten sie einfach dazu.

Dann endlich kam der wichtigste Teil des Abends. Wir wurden aus dem Zimmer geschickt, meine Eltern rückten alles zu recht, zündeten die richtigen Wachskerzen am Weihnachtsbaum und die Kerzen des hölzernen Drehgestells aus dem Erzgebirge an, stellten das Radio mit dem entsprechenden Sender für Weihnachtsmusik an und dann: Wir hörten das erlösende Klingeln einer Handglocke und der Gang zum erleuchteten und glitzernden Weihnachtsbaum war freigegeben.

Die Situation gehörte immer zu dem Feierlichsten, was ich je kannte. Wir stürmten nicht einfach in den Raum, sondern schauten ganz ehrfürchtig und vorsichtig um die Ecke, um diese gesamte Zeremonie zu erfassen.

Die Erwartungshaltung meiner Eltern und unsere leuchtenden Augen vermischt mit den vielen Kerzen, dem glitzernden Lametta am Baum zeigte uns ein unglaublich erhebendes Ereignis, welches viele in der heutigen Zeit gar nicht mehr nachvollziehen können.

Um den Weihnachtsbaum lagen verschiedene Päckchen, Pakete, bunt Eingepacktes. Meine Eltern und auch meine Großmutter erhielten noch verschiedene Pakete von der großen Verwandtschaft, die in ganz Deutschland, Ost und West verstreut waren.

Diese vielen Pakete enthielten natürlich auch für uns Kinder ein paar Kleinigkeiten, neben den eigentlichen Geschenken der Oma und der Eltern. Ein „ Ah“ und „Oh“ ging ein „toll“, oder „ach, kann ich gut gebrauchen“, oder „haben sich aber Mühe gegeben“ und viele andere Ausrufe ertönten beim Auspacken dieser Pakete.

Nach dem anstrengenden Auspacken und Durchlesen der Begleitschreiben mit möglichen Fotos der inzwischen gewachsenen Kindern, gab es endlich etwas zu essen. Selbstgemachter Heringsstipp mit Salzkartoffeln zum Knetschen in der Sahnesoße. Mein Lieblingsessen!

Eine große Schüssel dieses mit Zwiebeln, Äpfeln, Nüssen und viel eingelegtem Hering zubereitetes Mahl, was konnte im Leben schöner sein? Ach ja, nicht zu vergessen die hinterher gereichten Bratäpfel mit Vanillesoße.


Für mich waren dies unvergessene Weihnachtsabende, die mit dem norddeutschen Radioprogramm der Funkaufrufe zu weit entfernten Schiffen in Übersee endete. Dort konnten dann die Familienangehörigen mit den Besatzungen verschiedener Schiffe sprechen.



Impressum

Texte: Autoren aus der Biogruppe
Bildmaterialien: Archivbilder der Autoren
Tag der Veröffentlichung: 30.11.2012

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