Cover

Ferienerlebnisse aus der Kindheit


Enya

Sonne, Strand und ein dringendes Bedürfnis

Es war meine erste richtige Ferienreise. Wir hatten wenig Geld und meine Mutter außerdem nur spärlichen Urlaub, so dass größere Fahrten damals nicht möglich waren. Ich fuhr mit Tante Marie und meiner Kusine Friederike nach Jesolo an die Adria. Marie konnte wunderbar nähen und in kürzester Zeit schneiderte sie für mich und Friederike Kleider und Bikinis im Partnerlook.


Die zwei Wochen waren herrlich. Jeden Morgen nach dem Frühstück (es gab Weißbrot mit einer sehr leckeren Aprikosenmarmelade) ging es an den Strand, wo Luigi schon drei Liegen und einen Sonnenschirm für uns bereit gestellt hatte. Meine Tante bedachte den Guten des Öfteren mit einem Trinkgeld und so klappte der Service prima.
Ich erinnere mich an Meer, Sonne, Sandburgen, Spaghetti, Olivenöl und leckeres Gelato.

Am besten in Erinnerung ist mir mein Klo-Erlebnis.
Während meine Tante Siesta hielt, langweilten Friederike und ich uns manchmal. Einmal beschlossen wir einfach abzuhauen, wer die Idee hatte, weiß ich nicht mehr. Als wir so durch den nahezu ausgestorbenen Ort streiften, musste ich auf einmal dringend. Was tun? Friederike zog mich in einen kleinen Seitenweg und meinte: „Mach doch einfach hier hin. Sieht ja keiner.“ Nee, das ging nicht. Aber es war wirklich dringend. Wenn ich nicht in die Hose machen wollte, musste ich handeln. Um zurück ins Hotel zu gehen, war es eindeutig zu spät.

Kurz entschlossen steuerte ich die nächste kleine Bar an und stürzte hinein. Der Typ an der Bar schaute mich fragend an. „Signorina?“ Ja, höflich waren sie, auch einem zappelnden kleinen Mädchen gegenüber. „Ich muss mal dringend. Bitte kann ich die Toilette benutzen“, brachte ich hervor.

Er zuckte verständnislos mit den Schultern. Friederike war geistesgegenwärtiger und meinte: „Pipi...“ und zeigte auf mich. Ich wäre am liebsten im Erdboden versunken. Aber der Barmann hatte verstanden, grinste und zeigte nach hinten ins Lokal. Ich packte Friederike und zog sie eilig mit mir. Puh, was war ich erleichtert! Als wir das Lokal verließen und ich mich mit einem „Grazie“ bedankte, rief er lachend: „Ciao, bella.“

Noch heute, wenn Friederike und ich uns schreiben oder mal telefonieren, sprechen wir über den gemeinsamen Urlaub mit Tante Marie, das Klo-Erlebnis und unsere „Zwillingsklamotten“.
Oben: Wir beide vorm Hotel und Friederike mit Tante Marie - Unten: Friederike trägt die blaue, Enya die rote Badekappe

 


Ramblerrose

Sommer "ohne" Ferien

In dem Sommer als ich elf Jahre alt war, war meine Mutter wieder schwanger – zum vierten Mal. Es ging ihr ziemlich schlecht, so dass sie sich oft hinlegen musste.

Wir waren, wie jeden Sommer, die ganzen acht Ferienwochen mit Mutti auf dem Fischland. Meine beiden jüngeren Brüder waren den ganzen Tag schwer beschäftigt mit Höhlenbau und ähnlichen Ferienvergnügen.

Vater kam meistens am Freitagmittag oder Nachmittag und fuhr am Sonntagabend wieder in die Stadt, denn er musste ja arbeiten.

Ich, als die Älteste, musste einspringen, wenn Mutti nicht konnte. Also musste ich auch kochen. Mutti sagte, was ich machen muss und ich tat das dann. Die Küchenecke lag damals so, dass Mutti mir von ihrer Liege aus zuschauen und ich sie fragen konnte, wenn ich nicht weiter wusste.

Keine Ahnung, was ich damals gekocht habe. Sicher waren es nur einfache Gerichte.

Einmal wollte ich zum Nachtisch – bei meiner Mutter gibt es bis heute immer Nachtisch – Vanillepudding kochen. Der ist irgendwie misslungen. Erstens hatte ich das Pulver aus der Tüte entweder direkt in die kochende Milch geschüttet, ohne es vorher anzurühren oder einfach nicht schnell genug gerührt. Er war jedenfalls ziemlich klumpig. Und dann hatte ich auch noch den Zucker vergessen. Der ließ sich aber noch nachträglich unterrühren. Gegessen haben wir den Pudding trotzdem.

Aber ich bekam die Geschichte natürlich noch lange „auf’s Brot geschmiert“…

Ich musste sicher nicht jeden Tag kochen, hatte aber die ganzen Ferien das Gefühl, überhaupt keine Sommerferien zu haben, ich arme „Küchenmagd“ und die faulen Brüder konnten machen, was sie wollten…

Im April darauf wurde dann meine süße Schwester Silke geboren und hat mich für diese „ausgefallenen“ Ferien entschädigt.
Das Foto wurde als Geburtsanzeige gemacht, als Silke noch gar nicht geboren war. Darum weigerte sich Wolfram auch, in das leere Körbchen zu schauen

 


Goldie.geshaar

Mein Urlaubsparadies Club Aldiana...
oder: Beinahe hätte der Hintern wieder Kirmes getanzt

Meine Eltern zog es nie in die Berge, sondern immer ans Meer, an den Strand. Jedes Jahr flogen wir in ein schönes Hotel in irgendein fremdes, sonniges Land. Als ich sieben Jahre alt war, sollte es in den Osterferien vierzehn Tage nach Tunesien gehen, in den Club Aldiana in Hammamet. 

Wir flogen ab Bremen und kamen irgendwann mittags oder nachmittags an, genau weiß ich das nicht mehr. Aber es war auf jeden Fall noch Tag und nachdem wir unser Familienzimmer bezogen hatten, zog ich mir Badeklamotten an, schnappte ein Handtuch und machte mich erst mal auf Entdeckungstour. Ich muss dazu sagen, dass mein Bruder und ich schon immer ganz verschieden waren. Er ist vier Jahre älter als ich, auch heute noch eher introvertiert und wollte als Kind gerne seine Ruhe haben, irgendwo herumliegen und lesen.

Ich hingegen langweilte mich schnell, war eher zappelig, sprach immer viel und schnell, war sehr kontaktfreudig, musste meine Nase überall reinstecken und alles ausprobieren. Da ich gut schwimmen konnte, die Uhr lesen konnte und eine trug, hatte ich FREIEN Ausgang innerhalb der Hotelanlage, bis zu den verabredeten Zeiten.
Und weg war ich. Meistens musste ich erst gegen 18 Uhr wieder auf dem Zimmer sein, weil meine Eltern Halbpension gebucht hatten. (Meine Mutter war so eine von denen, die morgens im Speisesaal heimlich Stullen schmierten, die dann mittags mit dem ebenfalls vom Frühstücksbuffet organisierten Obst verzehrt wurden. Mein Vater war nämlich ziemlich geizig und wollte möglichst keine Extraausgaben.)

Gleich am ersten Nachmittag lernte ich Simone aus Karlsruhe kennen. Sie war ein Jahr älter als ich und war schon ein alter Hase, was das Hotel anging. Auch sie durfte sich recht frei auf dem Gelände bewegen und zeigte mir alles: Die Tennisplätze, das Bogenschießen, Schwimmkurse und –Wettbewerbe, Töpferkurse, wann welche Animationen stattfanden, das Amphitheater und die Kindertheatergruppe und wo man lecker Mittagessen konnte. Überall schnupperten wir rein. Wenn meine Mutter mich am frühen Abend fragte, wo ich gewesen sei und was ich gemacht habe, sagte ich immer: „Ich war mit Simone da und da… und habe…“

Und so töpferte ich, schwamm, spielte Theater, ließ mich schminken, machte beim Kinderbogenschießen mit, bemalte T-Shirts und ließ es mir gutgehen. Als meine Eltern mich nach Tagen fragte, was ich eigentlich immer zu Mittag essen würde, sagte ich: „Ich ess immer mit Simone und ihren Eltern.“ – „Musst Du das denn nicht bezahlen?“ – „Nö. Ich hab ja auch kein Geld dabei. Simones Eltern sagen immer, dass ist in Ordnung.“ Und das fand mein knauseriger Vater wahrscheinlich auch.

Die zwei Wochen vergingen wie im Fluge – leider – und Simones Familie reiste am selben Tag ab wie meine. Wir vergossen ein paar Tränen und versprachen uns zu schreiben (was wir auch wirklich jahrelang taten). Simones Transferbus kam als erster, ich winkte und lief ihm ein Stück hinterher, musste schon wieder heulen, weil ich sie jetzt schon vermisste. Doch kurze Zeit später musste ich wegen etwas ganz anderem heulen.

Mein Vater stand in der Schlange der Aus-Checkenden, meine Mutter daneben und mein Bruder und ich saßen bei ihnen auf den Koffern. Ich langweilte mich schon wieder und hörte nur mit halbem Ohr zu, was meine Eltern redeten. Endlich war mein Vater dran. Er gab die Zimmerschlüssel ab und wollte noch ein paar Komplimente über das schöne Hotel loswerden, da sagte der Mann an der Rezeption leise etwas zu ihm. Mein Vater bekam einen roten Kopf und sagte: „Das kann gar nicht sein. Wie soll denn diese Summe zusammengekommen sein? Erklären Sie mir das bitte.“

Der Concierge schob einen Zettel über die Rezeption und mein Vater las ihn meiner Mutter vor: „Bogenschießen, Töpfern, Reiten, Schwimmkurs Gold, bla, bla, bla und zehn Mal Mittagessen à la Card und dreimal vom Grill. 350 Mark! Rosemarie, wie kann das sein?“ Er war immer lauter geworden. Meine Mutter schaltete schneller und guckte mich mit finster zusammengekniffenen Augenbrauen an. Oh Scheiße, hab ich gedacht und vorsorglich schon mal den Kopf eingezogen.

Wie konnte ich das denn ahnen? Simone hatte auf meine Frage, ob man bei den Aktionen, beim Essen, Getränke oder Eis bestellen etwas bezahlen müsste, immer nur geantwortet: „Nee, das kostet nix. Du musst denen nur immer Deine Zimmernummer sagen, dann geht das auch ohne Geld!“ Und jetzt saß ich in der Tinte. Mit inzwischen violettem Kopf zerrte mein Vater mich nach draußen, während er: "Und wir fressen die ganze Zeit die Reste vom Frühstück!" murmelte und stopfte mich in den Bus zum Flughafen. Gut, dass so viele Leute da waren, sonst hätte der Hintern Kirmes getanzt.



*****

 

Taphozous

Marienkäferplage im Thüringer Wald


Ich erinnere mich, dass wir fast immer im Thüringer Wald Urlaub gemacht haben. In den 90ern gab es eine Marienkäferplage, da haben meine Schwester und ich ganz viele gesammelt und hunderte von ihnen auf die Stufe vor unserem Bungalow gesetzt. ein paar flogen gleich weg, aber bald war trotzdem die ganze Schwelle mit Marienkäfern gestapelt.

Unser Vater tritt aus dem Haus, Schuhgröße 46, ihr ahnt es sicher. Seitdem finde ich Marienkäfer fies und flüchte schon wenn ich sie rieche. Ja, sie haben tatsächlich einen Eigengeruch - pfui. Das Massaker werde ich wohl nie vergessen, aber wenigstens haben wir "draus gelernt" und nur noch Grashüpfer gefangen - die allerdings dann wirklich Pech hatten weil für die Geckos unseres Onkels gedacht.

Katerlisator

Urlaub in Seeboden

1970 beschlossen meine Eltern, dass wir unseren ersten Familienurlaub verbringen sollten. Es musste aber ein Ort sein, an dem es beides gab: Berge und Meer. Nun, das war recht schwierig, jedoch wurde mit Kärnten in Österreich ein guter Kompromiss gefunden. Hier gab es zwar kein Meer, aber wunderbare Seen. 

Die Wahl fiel schließlich auf Seeboden am Millstätter See. Nach einer endlosen Eisenbahnfahrt mit dem "Alpenexpress", ein Sonderzug der damals noch zahlreichen deutschen Reiseveranstalter (Scharnow, Dr.Tigges u.s.w.) kamen wir am Vormittag an unserer Pension an und wurden schon freudig von unserer Gastgeberfamilie Meixner begrüßt. Zu meiner Freude gab es da auch ein kleines rothaariges Mädchen in meinem Alter. Sie hieß Annemarie, und ich fand sie gleich sympathisch.


Sie zeigte mir sogleich das Wichtigste am Ort. Das war der natürlich der See. Praktischerweise hatte ihr Onkel dort einen Tretbootverleih. Die Halle, in der die Boote lagerten, war riesengroß, so kam es mir damals vor. Dort spielten wir oft, bis uns eines Tages der Onkel erwischte. Annemarie erhielt eine Standpauke, weil er annahm, dass wir etwas kaputt gemacht hätten.
Ich erinnere mich auch noch gut an die Straße, die zum See führte. Dort standen viele, viele Kirschbäume mit wunderbaren, süßen Früchten. Dass diese voller Maden waren, sagte man mir erst viel später. Meine kleine Freundin verriet mir es jedenfalls nicht.
Großen Anklang fand bei meiner Familie auch ein Imbiss, der (unweit unserer Pension) an der Hauptstraße lag. Die "Hähnerle", wie sie von Annemarie genannt wurden, schmeckten köstlich, so gute habe ich nie wieder gegessen. Ich war seinerzeit ein recht mäkliger Esser, aber die österreichische Küche mundete mir sehr. Auch im Gasthof "Postwirt" war es immer wieder gut. Echtes Wiener Schnitzel lernte ich erst dort kennen.


Drei Wochen Ferien vergingen wie im Fluge, danach folgte der tränenreiche Abschied von unseren Gastgebern. Wir versprachen, schon im nächsten Jahr wieder zu kommen. Daraus wurde leider nichts, erst vier Jahre später, also 1974, kehrten wir zurück.


Maxemiliankrooger

Urlaub? Nun ja, wie man's nimmt

Urlaub, in dem Sinne was man heute darunter versteht, kannte ich als Kind nicht. Bei uns zuhause wäre dafür kein Geld übrig gewesen. Aber ich habe nach der Schule und auch in den Ferien meistens beim Bauern gearbeitet und mir dadurch immer mein Taschengeld verdient. Wenn ich darüber nachdenke, meine Mutter bekam für sich und uns drei Kindern in den fünfziger Jahren Fürsorgeunterstützung. 45 DM im Monat, da habe ich als 12 Jähriger schon mehr bei den Bauern verdient.

Meine Mutter nahm von mir immer sehr ungerne Geld an, aber ihr blieb oft nichts anderes übrig. Durch meine Arbeit konnte ich mir aber auch ein gebrauchtes Fahrrad leisten. Dann war ich auch in einer Jugendgruppe, bei den Falken und mit denen bin ich öfters zelten gefahren. Als Gruppe aber auch ins Zeltlager. Nicht wie heute, nein es war ein Rundzelt, etwa fünf Meter Durchmesser in das Stroh reingelegt wurde, auf dem wir dann in Wolldecken eingewickelt eng nebeneinander geschlafen haben.

Wir bekochten uns selber, machten ausgedehnte Wanderungen, veranstalteten Schnitzeljagden oder Pfeiljagden, Nachtwanderungen mit Gruselabenden, Lagerfeuer an denen wir Lieder sangen. Als besonderes Erlebnis empfand ich Ostern 1954 als 14 Jähriger, wir zelteten am Selenter See auf der Koppel eines Bauern, die direkt am See lag.


Hier bauten wir ein Floß auf dem wir ein großes Feuer entzünden wollten. Unser damaliger Gruppenleiter setzte sich mit der Freiwilligen Feuerwehr in Verbindung und erreichte, dass die Feuerwehren in den Dörfern um den See herum eine Übung daraus machten und den See bewachten, falls brennende Äste sich dem Ufer nähern sollten. Dadurch wurde unser Vorhaben in der Umgebung bekannt und an besagten Abend kamen viele Dorfleute zu unseren Lagerplatz. Darum wurde an Land auch noch ein Lagerfeuer aufgeschichtet.

Mein Freund und ich hatten beide den Rettungsschwimmer Schein, durften darum das Floß mit dem aufgeschichteten Holz auf den See hinaus bringen, um es dort zu entzünden. Das Wasser war entsprechend kalt, aber das störte uns nicht. Es war ein herrlicher Anblick.


An den Ufern gegenüber, soweit wir sehen konnten die beleuchteten Boote der Feuerwehr, unser Floßfeuer, das langsam auf den See trieb und unser Lagerfeuer an Land. Als wir beide dann wieder an Land waren, hatte unser Gruppenleiter für uns einen Tee gebrüht und der Bürgermeister des Ortes gab uns einen - wenn auch winzigen - Schluck Rum in den Tee. Man waren wir stolz, richtigen Rum, das war doch was und wir kamen uns auch mächtig männlich vor. Diese Erlebnisse und andere bleiben immer in Erinnerung. Ich würde sie heute noch, mit keinem noch so schönen Urlaub tauschen.

Salzburg

Urlaub bei meinen Lieblings Onkel Gustl

Bei uns zu Hause dachte niemand an einen Urlaub. Dafür war kein Geld vorhanden.Wir waren ja in der Natur, konnten auf den Wiesen spielen und gleich hinter unseren Haus, wo ein dichter Fichtenwald war "Räuber und Gandarm" aufführen. Als ich 12 Jahre alt war starb ganz plötzlich mein Vater und meine Freude war vorbei.

Onkel Gustl kam jedes Jahr mit seiner Frau und Gustl junior zu uns auf Erholung. Er war der Lieblings Bruder von meinen Vater. Ich mochte ihn sehr. Er war so ein gebildeter sehr fescher großer Mann. Ich war von seiner Freude und Hilfsbereitschaft meiner Mutter und meinen Geschwistern gegenüber so angetan. Er war auch wohlhabend und verwöhnte uns wenn das Geld knapp war. In den Ferien nahm er mich mit seiner Familie mit in die Stadt Klagenfurt. Dort hatten sie ein Haus mit einen großen Garten.

Er lud auch eine Nichte von meiner Tante ein, auch 12 Jahre. Für eine Woche sollte ich mich dort mit Ruth arrangieren. Sie ein Stadt Kind, ich ein Land Kind. Am Abend kletterten wir gerne auf die Obstbäume um uns zu verstecken. Mir war das Recht, da konnte ich traurig sein und mich nicht immer mit dieser dämlichen Ruth unterhalten.Ich spürte bald, dass sie von meinen Onkel und Tante mehr Anerkennung bekam. Ich war richtig eifersüchtig. Doch nicht ohne Grund. Ich wollte die Zwei einfach für mich haben und nicht schon wieder teilen. Mein Vater fehlte mir so sehr.

Onkel Gustl spürte meine Traurigkeit und radelte mit mir auf Kinder Spielplätze...ohne Ruth! Er kaufte mir so ein ganz buntes Eis und ich fing ganz still und leise wieder an zu lächeln. Ich fand dort einen jungen Freund er hieß Jakob und war sehr lieb zu mir. Ich glaube, ich war verknallt in ihn. Er war 14 Jahre, schon ein junger Mann. Ich durfte auch an einen Nachmittag mit ihm ganz alleine eine Radtour machen. Auf einer Wiese pflückte er mir einen Blumenstrauß und küsste mich ganz zart auf den Mund. Ich war einfach happy.


Am nächsten Tag war mein Urlaub zu Ende. Jakob gab mir seine Adresse, um uns vielleicht wieder zu sehen. Daraus wurde leider nichts. Wir schrieben uns ein paar Briefe. Ruth wurde von ihren Eltern abgeholt, aber wir haben uns wieder ganz gut verstanden. Es war trotzdem für mich ein kleiner Urlaub. Onkel Gustl brachte mich nach Hause zu meiner Familie. Er blieb noch eine Woche um uns den fehlenden Vater zu ersetzen.

******


Gittarina

Urlaubserinnerungen

Meine Ferientage verbrachte ich stets bei meiner Großmutter Bella und ihrem Mann, so richtig in Urlaub fahren, gab es mit meiner Familie nicht. Kein Geld, keine Lust, nicht abkömmlich, keine Ahnung. Ab dem 9. Lebensjahr durfte ich in den Sommerferien nach Hamburg zu meinem Vater und das habe ich wahrlich genossen.

Ein Jahr später trübte sich das Glück ein wenig durch den neuen Mittelpunkt dort, dem jüngstem Spross, meinem Halbbruder. Aber ein kleines Urlaubshighlight gab es dennoch: eine Fahrt nach Bremen, allein mit meinem Vater zu Großvater Karlchen, genannt Daddy.

Für ihn war es zu gefährlich, in Berlin bei seiner Frau Ricarda zu leben, da er mal wieder für den amerikanischen Geheimdienst arbeitete. Nun aber nicht gegen die Nazis, das unleidliche Thema war ja erledigt, sondern zur Abwechslung mal gegen die Russen und die neuen Machthaber der DDR. Der passende Wohnort war schnell gefunden, denn er suchte sich grundsätzlich eine Bleibe in Wassernähe, damit er seiner Leidenschaft „Schiffchenfahren“ frönen konnte.


Stolz präsentierte er uns seine toll gelegene Wohnung in Bremen-Vegesack in der direkten Nähe der Weser und natürlich sein Segelbötchen. Es waren wunderschöne Tage auf und am Wasser.

Aber das Witzigste war für mich eigentlich das Wörtchen Vegesack. Ich schrieb voller Begeisterung eine Ansichtskarte von Bremen an Oma Ricarda in Berlin und grüßte sie herzlichst aus dem schönen „Fegesack“ und hätte mich damals totlachen können über diesen doch so ulkigen Namen.
Irgendwann hat man mich dann wohl mal aufgeklärt!

 

******




Susymah

Urlaub bei Wilhelm Busch...

Als etwa Vierjährige bin ich das erste Mal nach Lüthorst gefahren. Es folgten mehrere Jahre in denen wir dort immer wieder Urlaub gemacht haben. 

Lüthorst ist ein 750-Seelen-Dorf am Solling. Dort waren wir immer bei einer Familie, die zwei Ferienwohnungen auf ihrem Bauernhof vermieteten. Unsere war direkt unter dem Dach des eigentlichen Wohnhauses und hatte 3 Zimmer und ein Bad. Deshalb haben wir alle Mahlzeiten mit der Familie im großen Wohnzimmer oder später auch in der Küche mit eingenommen und wurden quasi in die Familie integriert. Das war superschön, die tollsten Ferien, die man sich vorstellen kann.

Ich war den ganzen Tag bei den Hunden, die zu unserer Urlaubszeit meistens neue Welpen hatte. Wir konnten auf den Ponys und einem Pferd reiten, in den Ställen und Weiden lebten Unmengen von Schafen und Schweinen. Mit 4 oder 5 wurden wir eines Nachts um drei Uhr geweckt und konnte zusehen, wie eine Sau Ferkel bekommen hat.

Auf der anderen Seite fand ich es als Stadtkind superspannend beim Schlachten von Schweinen und Schafen zuzusehen, die Oma hat dann immer Blutwurst gemacht. Nichts für zarte Gemüter, wie es meine große Schwester war. Aber ich fand es klasse. Auch das Hühnerschlachten hatte seine großen Momente, wenn dann doch mal eines entflutschte und ohne Kopf.... ich will jetzt nicht ins Detail gehen...

Dort durfte ich auf dem Trecker mitfahren, wir haben uns verbotenerweise Buden im Heuhoden gebaut, wo wir dann auch einmal ein kleines Katzennest gefunden haben.
Die Oma war wie eine kleine Hexe, die hatte ihren Garten... ich sage euch, das Klauen der Möhren und Erbsen hat mich ganz schön Nerven gekostet, aber die waren soooooo lecker, da hat sich jeder Schweißtropfen für gelohnt!!!

Zwischen Hof und Pferdekoppel verlief ein etwas breiterer und tieferer Bach, in dem wir Staudämme bauen und Forellen fangen konnten... wir haben das mit bloßen Händen versucht, aber ich hatte nur einmal eine ganz kurz, die ist mir wieder weggeflutscht...:o)

Stromaufwärts war ein kleiner Pappelwald und ich habe es geliebt, mich dort in der Nähe an den Bach zusetzen und einfach nur dem Rauschen zuzuhören... reingehen durfte ich nicht...

Wir sind dort viel gewandert und waren oft den ganzen Tag unterwegs. Die Familie hatte auch Kinder in etwa unserem Alter (ich war immer die Lütte, wie sie mich nannten), aber ich durfte nicht immer alles mitmachen.
Auf einem Feld gab es eine Geisterscheune, in die ich natürlich reinkrabbeln musste, um sie von innen zu öffnen...

Dabei bin ich fast gestorben vor Angst, weil sich dort riesige Vögel befanden, die aufstoben, als ich durch einen Schlitz am Tor hineinkrabbelte... in meiner Erinnerung waren es ungefähr pegasusgroße, weiße Eulen, heute würde ich sagen es waren Schleiereulen oder auch nur Tauben... keine Ahnung... der Schreck war auf jeden Fall sehr groß!

Wie in jedem Dorf gibt es natürlich auch die Gruselgeschichten, die man sich abends am Lagerfeuer erzählte. Hier rankten sie sich um einen mysteriösen Landstreicher, der immer zur Erntezeit auftauchte, um bei den Bauern Geld zu verdienen...sein Name war "Der Sommerrusse".... schlotter...

Zu guter Letzt möchte ich dann auch gerne berichten, dass dies nicht irgendein Ort ist, sondern die Wahlheimat von Wilhelm Busch war, der ab 1846 in Lüthorst am Solling immer wieder phasenweise gelebt hat... 

Daher bin ich mit seinen Geschichten praktisch hautnah aufgewachsen, denn man munkelt, dass die Ideen zu Max und Moriz genau hier entwickelt wurden... und wenn man den Ort kennt, der auch heute nur eine Kirche, eine Hauptstraße und einen kleinen Laden hat, weiß man genau, welche Brücke die beiden frechen Burschen angesägt haben...:o)

Ich liebe Lüthorst, denn das ist ein Ort, der in meinem Herzen immer ein wichtiges Fleckchen inne haben wird, weil ich dort die schönste Zeit meiner Kindheit erlebt habe.
Oben li. Ich mit Bella, der schüchternen Cockerdame, die mir trotzdem ihre Welpen anvertraut hat... die waren sooo süß!!! Oben re. Meine Schwester Bine und ich an dem Bach, dahinter "Bella", die Pferdestute. Unten: Meine Mutter, meine beiden großen Schwestern und ich auf Dora

 


Helgas

Ein Kind aus Berlin darf in den Ferien aufs Land

Der Aufenthalt bei den hessischen Bauern Onkel Hugo und Tante Mia war schlicht der Knaller, denn die hatten Kühe und Hühner. Da waren Schweine und ein Pferd namens Fanny, das Brot aus dem Küchenfenster erhielt.

Unter den Hühnern war ein Eierfresser, für ein Großstadtkind eine enorme Sache. Onkel Hugo hatte den Täter mühsam ermittelt und extra eingesperrt, sicher sollte das Huhn geschlachtet werden. Ich hatte so etwas im Gespräch aufgeschnappt und empfand ungeheures Mitleid mit dem Tier. Also sann ich darüber nach, was zu tun wäre. Bloß weil das bescheuerte Huhn sich erwischen ließ, sollte es geschlachtet werden, eine Tatsache, die man verhindern musste.

So schlich ich mich des Nachts in meinem Nachthemdchen hinaus, befreite das extra eingesperrte Huhn und scheuchte es zu den anderen, was natürlich nicht ohne Gegacker abging. Meine Pflegeeltern wurden zum Glück nicht wach, habe ich gedacht und bin beruhigt und stolz auf meine gute und Leben rettende Tat wieder ins Bett gegangen, um dann morgens ganz unschuldig zu erscheinen.



Natürlich wurde erst mal geleugnet als die unvermeidliche Frage kam, wer hat?

Naja, wer würde denn so etwas machen, ich musste halt eine Belehrung über mich ergehen lassen aber das Huhn war erst einmal dem Tode entronnen und Onkel Hugo musste allerdings von vorne anfangen mit kriminalistischem Gespür.

Wie der Ausgang war, weiß ich nun wirklich nicht mehr.

 

 

******



Klausblochwitz

Kurtchen und der Schwarzwald!


Kurtchen kam ganz aufgeregt aus der Schule nach Haus: „Was ist Kinderlandverschickung, was ist das, alle erzählen davon?“
Seine Mutter sah den aufgeregten Jungen ratlos an: „Ich weiß es auch nicht, ich kann Dir dazu nichts sagen!“
Kurtchen war nicht zu bremsen: „Einige Kinder fahren nach Norderney oder in den Teutoburger Wald und so!“
Seine Mutter konnte noch immer nichts damit anfangen.

Sein Vater kam vom Pütt und sogleich bestürmte Kurtchen seinen Vater: „Was ist Kinderlandverschickung?“ Sein Vater setzte sich an den Tisch, ein Teller heißer und dampfender Suppe wurde vor ihm auf den Tisch gestellt. Kurtchen sah seinen Vater erwartungsvoll an.
Nach ein paar Löffel Suppe machte Kurtchens Vater eine Pause: „Kinderlandverschickung bedeutet, dass Kinder in Erholungsorte geschickt werden, wo sie sich erholen sollen!“ Sein Vater aß weiter, aber Kurtchen war das zu wenig, was er von seinen Vater gehört hat.
„Was heißt erholen und was sind Erholungsorte?“, bohrte der Junge weiter.

Sein Vater aß den Teller leer und schob ihn zum Tischrand, der Teller wurde umgehend aufgefüllt. Der Teller wurde zurück geschoben und sein Vater aß weiter. Kurtchen zappelte unruhig auf seinen Stuhl hin und her. Endlich machte sein Vater eine Pause: „Erholungsorte sind meistens auf dem Land, mit viel frischer Luft, an der See oder in den Bergen und erholen heißt, das die Kinder dort nur essen, spazieren gehen und schlafen!“

„Booh äh“, staunte Kurtchen seinen Vater an: „sonst nichts?“ Sein Vater schüttelte verneinend mit dem Kopf: „Sonst nichts!“
„Da will ich auch hin!“ Kam es wie aus der Pistole geschossen von Kurtchen. Sein Vater sah ihn mit einem leichten Lächeln an: „Woll`n wir mal sehen, was sich machen lässt.“

Kurtchen war und blieb tagelang aufgeregt, aber als von seinem Vater nichts mehr dazu kam, ging seine Hoffnung langsam flöten. Die Sommerferien kamen näher und Kurtchen sah seinen Vater jeden Tag hoffnungsvoll an, aber es war vergeblich, es kam kein Ton von Vater wegen der Kinderlandverschickung. Kurtchen wusste, dass es sein Vater nicht gut leiden konnte, wenn er jetzt ständig nach bohren würde. So hakte der Junge enttäuscht seine Hoffnung ab.

Ein paar Tage später kam sein Vater von der Nachtschicht zurück und Kurtchen kam gerade aus den Federn, um sich für die Schule fertig zu machen.
Sein Vater zog sich die Schuhe aus und sah zwischen durch immer wieder mit einem seltsamen Gesichtsausdruck zu Kurtchen. Der Junge konnte sich keinen Reim darauf machen, dann sah er, wie sein Vater in die alte und abgeschabte Aktentasche griff und ihm einige Papiere entgegen hielt.
Plötzlich klopfte Kurtchen Herz bis zum Hals, sollte, sollte er doch?! Mit den Papieren in der Hand ging der Junge ans Fenster und las, dass ein gewisser Junge dann und dann mit dem Zug in das Erholungsheim im Schwarzwald fährt. Ein Jubelschrei und Kurtchen schlang seine dünnen Arme um seinen Vater.
„Ich wollte unbedingt etwas für Dich an der See haben, deswegen hat es so lange gedauert.“ Sagte sein Vater und stand auf.
„Schwarzwald ist prima!“ Kurtchen strahlte seinen Vater an.
„Na prima“, kam es freundlich zurück, „so, jetzt gehe ich schlafen.“

In der Schule wurde im Unterricht vom Schwarzwald erzählt, weil doch mehrere Kinder aus der Klasse dahin fuhren. So erfuhr Kurtchen, dass es eine lange Zugfahrt werden wird, bis zum Schwarzwald.
Seine Mutter nähte in allen Sachen Namensschilder ein, sogar ein zweites Paar Schuhe bekam Kurtchen und zwei Hemden und eine Hose von seinem Bruder, die dem zu klein geworden war.
Aber das alles interessierte Kurtchen nur am Rande, für ihn war jetzt der Bahnhof und die vielen Züge viel wichtiger.

Seine Mutter brachte ihn ziemlich früh zum Bahnhof, um seinen Hals hing ein Schild mit seinem Namen und seiner Adresse und ganz groß geschrieben: HERRENALB / SCHWARZWALD!
Kurtchen staunte Bauklötze, so viele Kinder!
„Das sind bestimmt Tausendmillionen, wenn nicht noch mehr.“ und sah seine Mutter an. Die lächelte: „Ja, es sind wirklich viele Kinder.“
Kurtchen stieg in den Waggon ein, der die selbe Nummer hatte, die auf dem Schild stand, dass um seinen Hals baumelte.
Ein schriller Pfiff, heftiges Ruckeln, ein letztes Winken und der Zug nahm Fahrt auf. Der Zug fuhr unentwegt, nur einmal hielt er. Die Kinder tobten durch den Zug, ein Geschrei und Gejohle und dann hörte Kurtchen: alles aussteigen, alles aussteigen!

Mit einem Bus wurde Kurtchen mit vielen anderen Kindern zu dem Erholungsheim gefahren und sogleich gab es Abendessen! So viel Essen und immer noch kam mehr, Milch, Kakao und sogar Tee gab es. Es war wirklich so, wie es erzählt worden ist: essen, schlafen, spazieren gehen, auf der großen Wiese in der Sonne liegen, wieder essen!
Für Kurtchen stand schon am zweiten Tag fest: er träumt und ist im Himmel! Er konnte so viel essen wie er wollte, keiner sagte Schluss, trinken so viel und was er wollte. Vorsichtig sah Kurtchen sich um und sagte leise: „Lieber Gott, lass mich nicht wach werden.“

Eine der Betreuerinnen, Frl. Berta, sie war dick und lieb und freundlich und hatte immer etwas zu essen dabei. Frl. Berta war für Kurtchen die liebste Betreuerin! In den Pausen während der vielen Spaziergänge hatte Kurtchen das mit dem Essen ganz schnell spitz und so scharwenzelte er mit seinem ganzen Charme um die Betreuerin herum.
Ein alter Mann zeigte den Jungs, wie man aus Baumrinde kleine Tiere und andere Sachen schnitzen konnte. Kurtchen hatte dafür ein Händchen und schnitzte für Frl. Berta Rehe, Wildschweine, Enten und Pferde. Frl. Berta bedankte sich mit süßen Keksen und kleinen Kuchen! Manchmal hatte sie auch Schinkenwürfel in einem Tuch; - Kurtchen schmatzte vor Wonne!


Den Kindern wurden die Falkensteine gezeigt und ein richtiges altes Schwarzwaldhaus. Aber das war eigentlich nicht so wichtig.
Kurtchen aß und aß und nahm kaum zu. Zweimal in der Woche wurden alle Kinder gewogen und gemessen, der Arzt schüttelte nur erstaunt mit seinem Kopf, das seine weißen Haare nur so flogen. Als er dann auch noch von allen Seiten bestätigt bekam, das Kurtchen Unmengen verdrückte, wusste er wohl auch nicht mehr weiter.
Und Kurtchen aß und schlief, ging mit den Kinder spazieren, aß in den vielen Pausen die Leckereien von Frl. Berta und fühlte sich sauwohl.

Leider gingen selbst die längsten und schönsten vier Wochen zu Ende und Kurtchen erwachte wie aus einem herrlichen Traum. Jetzt hieß es Koffer packen, die Realität hatte den Jungen wieder eingeholt. Frl. Berta drückte jedes der Kinder aus ihrer Gruppe und steckte Kurtchen noch schnell etwas zu.
Wieder fuhr der Zug den ganzen Tag und abends standen seine Eltern und seine Geschwister am Bahnhof, um ihn abzuholen! Kurtchen sah sich um, der graue Himmel, die grauen Häuser, die grauen Menschen und ganz leise dachte Kurtchen: Ach du Sch.....e!

******



Rainergoecht

Familienurlaub 1958, Schwerin/DDR

1958, Fahrt nach Schwerin / DDR mit meiner Schwester Marianne, Oma und meiner Mutter. Wir besuchten die Familie des Zwillingsbruders meiner Mutter, Kurt Kamrath, seine Frau Tante Lisi, zwei Söhne, Uwe, der für mich wesentlich ältere Cousin, Jürgen kaum älter als ich. Mein Cousin Jürgen und ich verstanden uns auf Anhieb.
Jürgen liebte Tiere über alles, er wäre nie auf die Idee gekommen, für Mäuse ein Falle aufzustellen oder ähnliches, nein, viel besser, er versuchte sie sogar zu zähmen.
Folgende Situation: Alte Wohnung seiner Eltern, erste Etage, sein Zimmer, alter Kleiderschrank auf Füssen. Alles musste ruhig sein, pst..pst.. Jürgen lag auf dem Bauch, hielt ein paar Krümel in der Hand, schnalzte mit der Zunge und starrte angestrengt unter den Kleiderschrank. Da, auf einmal schnüffelte ein kleines Näschen unter dem Schrank hervor und bewegte sich zögerlich zur ausgestreckten rechten Hand von Jürgen, und siehe da, das Tierchen schnappte sich blitzschnell das Fresschen und verschwand.

Tante Lisi war eine herzensgute Frau, echte Mecklenburgerin mit einem herrlichen norddeutschen Dialekt, sie sprach etwas „breit“, das wirkte immer so gemütlich. Ich mochte sie sehr gut leiden, weil sie sich durch ihre Bescheidenheit nie in den Vordergrund rückte, nicht schwätzte, sondern handelte.
Onkel Kurt verkörperte den lebenslustigen, einfachen, aber liebenswerten Charmeur, der nie um einen zweifelhaften, lustigen oder zweideutigen Spruch verlegen war. Ich glaube, sein Sohn Jürgen hat ihm da einiges abgeschaut.

Die Verbundenheit der Zwillinge Kurt und Gisela bestach durch ein besonderes Verstehen, wie es oft bei Zwillingen zu finden ist. In den Jugendtagen war „Gila“, wie er sie nannte, seine bequeme Hilfe. Wenn er seine Hosen nicht aufkriegte, musste Gila ran. Dann folgte die besondere Frage: Gila mach mir mal die Hosen auf -  und Gila tat ihm den Gefallen.

Onkel Kurt hatte an einem der vielen Seen sein Bootshaus mit einem selbstgebauten Motorboot. Als meine Großmutter, seine Mutter, mit in Schwerin weilte, sollte sie auch das Bootshaus kennenlernen. Die Gehbehinderung, passiert durch ihre Oberschenkelhalsbrüche, verhinderte einen weiten Fußmarsch zum Bootshaus. Die Idee kam auf, Oma musste per Boot dahin. Ein Kamrath muss Einfälle haben. Zum nahe gelegenden Ziegelsee war es ein kurzer Marsch.

Schweriner Bootshaus

 Wir begleiteten die Oma bis dahin, Onkel Kurt fuhr über den See mit seinem Boot bis zur „Omaanlegestelle“, stellte mittig ins Boot einen breiten Stuhl, legte ein breites Brett vom Boot zum befestigten Ufer, Oma stieg über das Brett ins Boot und setzte sich wie ein General auf den Stuhl. Ein Bild, welches ich nie vergesse. Wir nahmen ebenfalls im Boot Platz und ab ging die Fahrt über den See zum Bootshaus, wo die gleiche Prozedur beim Aussteigen erfolgte. Ein Bruder meiner Großmutter lebte in Schwerin, Onkel Martin. Jürgen wollte mir zeigen, wo der Onkel wohnte. Der Hof dieses sehr alten Mietshauses bedeutete Abenteuer, Entdeckung, Dummheiten machen. Ein alter Schuppen hatte es uns beiden angetan. Dort gab es viele interessante Dinge zu entdecken. Ein Eimer mit Kohlenglut neben einem Eimer voller Kartoffeln, Werkzeuge, Schaufeln, Mistgabeln, gestapeltes Holz. Die Kohlenglut in einem Eimer? In der Nähe von gestapeltem Holz? 

Wir dachten, dass jemand die Kohlen vergessen hatte und wollten die Gefahr auslöschen. Aber wie? Blitzgedanke, wir guckten uns an, zwei Seelen, ein Gedanke, pinkeln. Es zischte und roch unangenehm, und es war keine Glut mehr zu sehen. Die Hoftür ging auf, Onkel Martin verschwand im Herzhäuschen auf dem Hof, um seinem täglichen Geschäft zu frönen, er bemerkte uns nicht. Wir hörten seine lauten japsigen Seufzer, es hörte sich nach einer großen Zufriedenheit mit sich und der Welt an.

Jeder von uns schnappte sich ein paar Kartoffeln, schnell Maß genommen, durch das Herzchenloch der Tür geschmissen und hinter dem Holzstapel versteckt. Lautes Gebrüll, die Klotür sprang auf, die Hose auf Halbmast, Onkel Martin rannte wutentbrannt auf den Hof, sah den noch qualmenden Eimer mit fast erloschener Kohle und konnte es kaum glauben. Er schimpfte wie ein Hafenarbeiter, Ausdrücke, die man als züchtiger Erdenbürger besser vergaß. Wer hatte ihm das angetan? Wenn der uns erwischt hätte……

Wasserstauen, Marianne, Jürgen und ich

Die besten Spielmöglichkeiten gab es natürlich im und am Bootshaus, dort konnten wir die Abenteuergedanken voll ausleben. Diese Gedanken nach zu vollziehen, war nicht einfach, dies dachte wohl auch Onkel Kurt.
Seine Autoreifen, sorgsam behütet, gute Qualität, mussten aufgestapelt für unsere besonderen Verstecke herhalten. Ein altes Feldtelefon mit zwei Paar Kopfhörern und alter Draht verband die zwei Stapel Reifen zum telefonieren. Als Tarnfarbe nutzten wir die weiße Farbe, die Onkel Kurt mühsam erstanden hatte, zum Bestreichen der Reifen.

So sauer habe ich Onkel Kurt nie wieder gesehen, weiße Reifen, so manche Fahrt sollten die noch halten, seine Farbe… Die Strafe war schlimm……Er missachtete uns beide, wir waren für ihn Luft. Nach einer angemessenen Entschuldigungsphase und gewissen erledigten Strafarbeiten hatte er die Angelegenheit vergessen.
Vom Bootshaussteg machte es viel Spaß mit einem Autoschlauch um den Bauch ins Wasser zu springen. Onkel Kurt baute ein Sprungbrett mit einem langen Schalbrett vom Bau. Beim Absprung wippte das Brett, dadurch bekam man noch viel mehr Schwung. Was für unbeschwerte Tage…

Vom Bootssteg ins Wasser

 

 

******

 

Impressum

Texte: Autoren aus der Biogruppe
Bildmaterialien: Archivbilder der Autoren, Cover: https://www.globe360.net/eucerin/node/2587
Lektorat: gittarina
Tag der Veröffentlichung: 23.07.2012

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Gemeinschaftswerk der Gruppe "Biografisches" mit Erlebnissen von: enya, ramblerrose, goldie.geshaar, taphozous, katerlisator, maxe, salzburg, gittarina, susymah, helgas, klausblochwitz und rainergoecht

Nächste Seite
Seite 1 /