Traumwanderer
Mein erster Freund ...
Heinzi war ein Nachbarsjunge am Niederrhein. Bis kurz vor der Einschulung waren wir viel zusammen. Die Vermieterin meiner Familie schenkte uns manchmal eine Kleinigkeit. Weil Heinzi kein Obst mochte, bekam er ein paar Groschen. Dann standen wir vor den Bonbonautomaten und trafen unsere Wahl. An unsere Spiele kann ich mich nicht mehr so gut erinnern. Nur das er mir eines Tages erzählte, er würde zum spielen jetzt auf einen außerhalb gelegenen Bauernhof gehen, wo sich mehrere Jungs trafen. Und er wollte sogar das ich mitkomme. Aber meine Mutter hätte es mir nie erlaubt, nicht wegen der Jungs, sondern wegen der Wegstrecke.
Rechts auf dem Bild in der ersten Reihe sitzt er neben mir und ich suche bei ihm Schutz.
Als wir zusammen eingeschult wurden, gab es diese Freundschaft schon nicht mehr. Und nun gibt es Heinzi nicht mehr. Ich traf ihn viele Jahre später mal bei einem Besuch in meiner alten Heimat. Noch heute sehe ich ihn da stehen. Mit langen ungepflegten Haaren und Brille, versonnen eine Katze streichelnd. Wir unterhielten uns kurz und gingen wieder auseinander. Noch einige Jahre später kam die Nachricht, dass Heinzi Drogen genommen und daran gestorben war. An ihn denke ich immer, wenn ich das Lied "Am Tag als Conny Kramer starb" höre.
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Katerlisator
Viele Erinnerungen...
...an meine Kindheit habe ich in meinem ersten Buch, das ich bei Bookrix veröffenlicht habe, eingefügt. Es heißt "Die Straße der Gedanken".
Ansonsten fallen mir noch viele Schulfreunde ein. Einige sind in fernere Städte verzogen (kurioserweise viele davon nach Berlin), andere leben noch hier oder in der Nähe. Zu letzteren habe ich auch noch Kontakt, natürlich nicht zu allen. Meinen ältesten Freund Uwe habe ich in der Sandkiste kennen gelernt. Er hat damals immer den anderen Jungs mit der Schippe auf den Kopf gehauen und den Mädchen an den Zöpfen gezogen (in den 60ern hatten alle Mädels Zöpfe).
Ich erinnere mich auch noch gut an meinem 5.Geburtstag. Es war der erste, an dem ich Freunde einladen durfte: Rainer, Dagmar, Carsten und Daniela. Mein Vater hat das damals mittels Tonband aufgenommen. Wir mussten alle singen! Nun ja, sangestechnisch war ich damals (wie auch heute) nicht sonderlich begabt. Aber ich erinnere mich gut an das Lied, das ich sang. Es ging um eine kleine Katze, die drei Kinder hat. Die Tonaufnahme habe ich noch. Wenn es mir gelingt, werde ich diese in eine Computerdatei umwandeln und sie hier als Hörbuch veröffentlichen.
Hier ist ein Buch-Ausschnitt:
"Alle Menschen in diesem Haus waren glücklich und fröhlich und freuten sich, mich zu sehen. Ich betrat eines der Zimmer. Dort wohnte eine liebe Schulkameradin, mit der ich mich immer gut verstanden hatte. Sie hatte sich nicht verändert und es schien, als ob sie keinen Tag älter geworden sei, seitdem ich sie das letzte Mal gesehen hatte. Sie umarmte mich und sagte: „Schön, dass du mich nicht vergessen hast.“ „Das werde ich nie.“
„Dann kann ich ja hier wohnen bleiben. Vielen Dank.“ .......
Ich betrat den fünften Raum. Dort wohnten Freunde, die ich seit Jahren nicht gesehen hatte. Ich hatte sie nicht vergessen. Sie sagten mir, dass das der Grund sei, warum sie hier lebten. Ich fragte: „Was ist das für ein seltsames Haus, in dem Ihr hier alle lebt?“
„Das ist das Haus der positiven Erinnerungen. Vergiss uns nicht, sonst müssen wir umziehen.“
„Wohin dann?“
„Ins Haus nebenan.“
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Enya2853
Meine erste wirkliche Freundschaft
Einige mehr oder weniger lose Freundschaften haben meine frühe Kindheit begleitet. Sie ergaben sich einfach, sei es, dass ein Kind in meiner Nachbarschaft wohnte, sei es, dass ich im Kindergarten nähere Bekanntschaften machte und man sich fand, weil das Spielverhalten ähnlich war.
Meine erste wirkliche Freundschaft, die ich auch bewusst angestrebt hatte, war ein indischer Junge, der eines Tages neu in meine Kindergartengruppe kam. Er hieß Ashok und sprach zunächst kein Wort. Niemand wusste so genau, ob er unsere Sprache nicht verstand oder ob er nur einfach schüchtern war. Das letzteres der Fall war, erfuhr ich erst später.
Es gibt leider kein Bild, wo wir beide direkt zusammen sind, eigentlich schade... Ashok: 2. Reihe von oben ganz links, ich: 3. Reihe von unten ganz rechts. Zumindest strahlen wir beide...
Ashok faszinierte mich einmal auf Grund seines Aussehens, er war dunkelhäutig und besonders gefielen mir die riesigen schwarzen Kulleraugen. Zum anderen war ich aber begeistert, dass er immer lachte, ja strahlte. Es war gar nicht einfach, mich ihm anzunähern, denn meist hielt er sich abseits und beobachtete die gemeinsamen Spiele nur aus der Distanz. Ich jedenfalls suchte ständig seine Nähe, bot ihm von meinem Frühstück an, versuchte ihn zum Spielen zu animieren, worauf er nie einging. Aber immer zeigte er dieses strahlende Lachen.
Eines Tages hatte ich im Kindergarten meinen Bären Peter verlegt und wir alle konnten ihn nicht finden. Ich war regelrecht in Panik, war er doch mein liebstes Kuscheltier und mein Wegbegleiter, auch und gerade in vielen Stunden, die ich allein verbringen musste. Ich fing an zu weinen und auch meine Erzieherinnen vermochten mich nicht zu trösten.
Plötzlich stand Ashok vor mir. Nachdem er eine Weile meinem Weinen zugesehen hatte, sagte er: „Musst nicht weinen, Tränen abputzen“, und er gab mir ein (ich glaube ziemlich schmutziges Stofftaschentuch). Der Knoten war geplatzt. Sogar Peter war für den Moment vergessen (eine Erzieherin fand ihn später in der Küche), so überrascht und erfreut war ich wohl über Ashoks Worte.
Ich weiß nicht mehr so genau, wie es weiterging, aber von diesem Tag an spielten wir immer zusammen, am liebsten gruben wir Tunnel im Sandkasten und bauten Burgen. Zwei Jahre hielt diese Freundschaft. Kurz bevor ich in die Schule kam, ging Ashok mit seinen Eltern zurück nach Indien. Ich habe bitterlich geweint und erinnere noch den Schmerz des Verlustes.
Leider habe ich nie wieder von ihm gehört.
Dianuschkaa
Meine erste Freundschaft
Also, als wir im Jahre 2000 von Russland nach Deutschland umgezogen sind, war ich erst 5!
Ich weiß, das man sich da eigentlich nicht wirklich daran erinnern kann, aber ich erinnere mich sehr gut daran! Der Umzug war eine sehr große Veränderung für mich. Wir (meine Mutter, Vater und meine älterer Bruder) kamen erst in einem Lager oder so was unter, bis mein Vater einen Job als Reifenhersteller anfing.
Er lernte dort auch einen seiner Freunde kennen, der auch aus Russland kam! Er hatte Frau und eine Tochter, die 1 Jahr jünger war als ich - doch er hatte sie in Russland gelassen. Er war nur in Deutschland um Geld zu verdienen und dann schnell wieder nach Russland ab zu reisen. Aber er hatte nicht genug Geld dafür, weil ihm die Steuern im Rücken saßen! Naja, also holte er sie nach Deutschland, mein Vater hat ihm natürlich geholfen!
Ich hatte noch keine Freunde in Deutschland, obwohl ich schon seit einem Jahr hier lebte.
Eines Tages stellte dieser Freund meines Vaters mir seine Tochter vor und wir verstanden uns ganz gut und so wurden wir Freunde ... doch lange hielt es nicht! Der Freund von meinem Vater wurde immer komischer zu uns, und meine Eltern beschlossen den Kontakt zu ihnen ab zu brechen....und seit dieser Zeit sahen wir uns nie mehr!
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Gittarina
Meine erste richtige Freundin
Meine erste richtige gute Freundin für vier Jahre hieß Karin. Sie wohnte mit ihren Eltern in einer Bergmanns-Siedlung, weit außerhalb des Städtchens. Eine Wohnküche, ein Schlafzimmer, eine kleine Kammer, in der Karin schlief und ein Badezimmer im Parterre – das war ihr Zuhause. Und ich scheute nicht den weiten Weg zu ihr, denn ich hatte ja schon ein Fahrrad.
Wir gingen zusammen in die Grundschule (damals noch Volksschule genannt) und an vielen Nachmittagen führte mich mein Weg zu ihr – denn dort, in ihrer Familie habe ich mich wesentlich lieber aufgehalten als bei mir zu Hause. Denn gleich hinter dem Haus begann die Wildnis: Wiesen und Wälder und vor allem ein kleiner Bach, in dem wir im Sommer barfuß liefen.
Und das Schönste: am späten Nachmittag kam der Papa von der Zeche heim und dann wurde erst mal ordentlich gevespert. Der frische Laib Roggenbrot wurde am Tisch in dicke Scheiben geschnitten, ein Keramikpott mit Margarine und ein Glas selbstgemachte Marmelade nebst Muckefuck rundeten das für mich köstliche Mahl ab. Mit der Stulle in der Hand wurde von der Schule, von der Arbeit und vom Tag erzählt! Das war für mich Familie, da fühlte ich mich wohl, einfach herrlich.
Zur Abendbrotzeit in meinem Elternhaus gab es das alles nicht. Man bediente sich aus dem gefüllten Brotkorb, aß sein Brot mit Butter und Aufschnitt mit Messer und Gabel, nippte aus seiner Teetasse und hielt den Mund. Erst wenn alle das Besteck auf dem Teller gekreuzt hatten, redeten die Erwachsenen miteinander und ich durfte zumindest antworten, wenn ich was gefragt wurde.
Meine Begeisterung für das Familienleben bei meiner Freundin konnte meine Mutter so gar nicht teilen und sie war wohl heilfroh, als sich nach vier Jahren unsere Wege trennten. Während Karin auf der Volksschule blieb, besuchte ich die Realschule, lernte neue Mädchen und Familien kennen, die meiner Mutter wohl entschieden besser gefielen.
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Genoveva
Meine erste Freundschaft mit einem Jungen
Paul besuchte die gleiche Schule wie ich, die damals noch Volksschule hieß und er war in der fünften Klasse, ein Jahrgang vor mir. Er hatte schwarze Haare und dunkle Augen, was mir sehr gefiel. Ich hatte blaue Augen, war blond und trug lange Zöpfe, was wiederum ihm gefiel. Paul hatte ein Fahrrad, ein altersschwaches Modell, aber das war egal. Allein die Tatsache, zu damaliger Zeit, Anfang der fünfziger Jahre, ein Fahrrad zu besitzen, war ein Grund um bestaunt zu werden.
Einmal stand ich nach Schulschluss auf dem Schulhof und schaute mir Pauls Fahrrad an. Da kam er und fragte ganz beiläufig, ob er mich ein Stück auf seinem Fahrrad mitnehmen solle. Ich war selig, denn ich fand ihn so anziehend, dass ich gleich zustimmte.
Nachdem ich auf dem sicher ungemütlichen Gepäckträger Platz genommen hatte, fuhr er los und ich hielt mich an ihm fest, wobei ich ihn mit beiden Armen umschlang. Er fuhr, wohl um mir seine Fahrkünste zu demonstrieren, zügig und in großen Schwüngen los. Je länger die wilde Fahrt dauerte, je schöner fand ich es und ich drückte mich ganz nah an ihn und legte meine Wange an seinen Rücken. Ich kann mich noch sehr genau an das wohlige Gefühl erinnern, dass diese Berührung in mir auslöste.
Natürlich habe ich mit niemandem darüber gesprochen, aber ich kam mir schon erwachsen und kundig in der Liebe vor. Körperliche, zärtliche Liebkosungen waren in meiner Familie nicht an der Tagesordnung und ich kann mich nicht entsinnen, dass, wie es heute - Gott sei dank - üblich ist, Kinder mit den Eltern und sonstigen Verwandten schmusten, küssten und knuddelten. Da ich auch keine Brüder hatte, war das Zusammensein mit einem ein Jahr älteren Jungen für mich ein beeindruckendes Erlebnis und ich fand es großartig.
Paul nahm mich mehrmals am Nachmittag zu seinem "Arbeitsplatz" mit. Er war Balljunge auf einem Tennisplatz in der Nähe und ich durfte, auf einer Bank sitzend, seine Laufkünste und Schnelligkeit bewundern. Von seinem Verdienst hierfür kaufte er für uns beide gelegentlich ein Eis auf’m Hörnchen.
So ging der Sommer in dieser Zeit vorüber und es wurde Winter mit Eis und Schnee und das Fahrrad und der Tennisplatz konnten nicht mehr benutzt werden. Ich habe Paul auch in der Schule nur selten gesehen und zusammen gesprochen haben wir auch nicht. Wir waren wohl zu schüchtern, um im Beisein anderer Schüler Kontakt aufzunehmen. In der Schulpause spielten Mädchen und Jungen getrennt miteinander. Briefchen haben wir uns auch nicht geschrieben, geschweige denn, körperliche Nähe zu suchen.
Ihn nach Hause einzuladen, das hätte ich nie gewagt. Erstens war bei uns schon genug Trubel und zweitens hatte ich auch kein eigenes Zimmer. Das gleiche galt auch für Paul. Wir wohnten zu weit auseinander und waren somit keine Nachbarskinder, die immer draußen miteinander spielten und meine Schwestern hätten mich gewiss verpetzt, wenn ich plötzlich mit einem unbekannten Jungen gespielt hätte.
Ich war ein zierliches, dünnes, blasses Kind und nach der letzten starken Erkältung in dieser Winterszeit verordnete mir die Kinderärztin, in ihrer Praxis, Höhensonnenbestrahlung zur Stärkung des Immunsystems zu nehmen. So lag ich eines Tages nackt, bis auf mein Unterhöschen und einer dunklen Schutzbrille, auf einer grünen Liege unter der Höhensonne. Da kam zu meinem Schrecken die Ärztin mit Paul herein und ich musste zur Seite rücken, damit er, ebenfalls nur mit Unterhose und Schutzbrille bekleidet, neben mir Platz nehmen konnte. "Ihr zwei seid so dünn, dass ihr beide zusammen hier liegen könnt", war ihre kurze Begründung für diese Maßnahme.
Ich wäre am liebsten vor Scham unsichtbar geworden, aber ich habe kein Wort gesagt und Paul auch nicht. Wir schauten stumm in die Höhensonne. Trotz unserer dünnen Körper berührten sich unsere nackten Arme und von wohlig den anderen zu empfinden, konnte keine Rede sein; es war nur peinlich. Als die Höhensonne endlich ausschaltete, sausten wir beide zu den Stühlen mit unseren Kleidungsstücken, die wenigstens in getrennten Kabinen standen und zogen uns an. Ich wartete bis ich hörte, dass Paul hinausgegangen war und ging erst nach einer Weile traurig und bedrückt nach Hause.
Wir haben uns sozusagen nicht wieder gesehen, denn jeder vermied es in der folgenden Zeit den anderen anzusehen. Zu Ostern kam ich in eine weiterführende Schule und ich habe nie wieder etwas von Paul gehört.
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Ramblerrose
Meine erste Freundin war Gaby
Meine erste Freundin war Gaby. Sie wohnte mit ihrem etwas seltsamen älteren Bruder und ihren Eltern ein paar Häuser weiter in derselben Straße wie wir.
Ich kann mich nicht erinnern, wann unsere Freundschaft begann und auch nicht, wie – irgendwie beim Spielen auf der Straße. Damals spielten Kinder ja noch auf der Straße. Wir spielten Kreisel, Murmeln, Himmel und Hölle, sprangen Springseil und liefen Rollschuh.
Gaby war ein Jahr jünger als ich und ich fand sie sehr hübsch. Im Gegensatz zu mir hatte sie braune Haare und dunkle Augen. Wir müssen wie Schneeweißchen und Rosenrot ausgesehen haben. Wir luden uns gegenseitig zu unseren Geburtstagen ein. Und manchmal stritten wir uns ganz furchtbar, so dass wir „nie wieder“ miteinander sprechen wollten. Das dauerte aber meistens nur einen Tag.
Irgendwann wurden wir neugierig – oder auch meine jüngeren Brüder – und begannen mit den allseits bekannten Doktorspielen. Die fanden aber nicht auf der Straße statt, sondern im Hof unter der Treppe. Vater, Mutter, Kind spielten wir ebenfalls mit meinen kleinen Brüdern.
Eines Tages – als ich etwa zwölf Jahre alt war - war Gaby weg. Ich weiß nicht mehr, ob sie es mir erzählt hat, dass sie wegziehen, wahrscheinlich nicht. Es sprach sich vermutlich in der Straße herum, dass die Familie in den Westen gegangen war. Das war sehr traurig für mich.
Aber Gaby ging nicht verloren – sie schrieb mir! Sie schrieb nicht oft, aber wir blieben immer in Verbindung. Ich habe ihr wahrscheinlich hundertmal mehr Briefe geschrieben. Ab und zu bekam ich ein Päckchen von Gaby. Das war natürlich himmlisch. Sie hatte auch keine Hemmungen, mal eine „Bravo“ hinein zu legen. Komischerweise sind die immer angekommen.
Einmal in Teenagerzeiten hat sie mir zwei Fotos geschickt auf meine endlosen Bitten. Aus der Kinderzeit gibt es leider kein Foto von uns beiden. Ich habe jedenfalls keins.
Auf den Fotos muss Gaby etwa 13 Jahre alt sein
Jurekp
In diesem Text...
In diesem Text, der in meinem Büchlein "Ümgang" zu finden ist, habe ich versucht, einige Kindheitseindrücke zu verarbeiten, zu denen auch mein (vermutlich) erster Freund zählt. Ich habe keinen Kontakt mehr zu ihm, obwohl ich könnte, wenn ich wollte, aber wozu? Ich glaube nicht, dass er sich erinnert.
Vor einiger Zeit fand ich ihn bei stayfriends.de wieder, er wird sich meiner aber sicher kaum erinnern. Das eine oder andere mal zogen wir beide das südliche Ende des Alten Stroms entlang. Die Böschung war zum Bahndamm hin bis auf den Durchstich zum neuen Strom noch unbefestigt. Es lagen im Wasser aber schon die Floßähnlichen Bündel der Baumstämme, die bald eingerammt werden sollten. Auf denen konnte man ja vielleicht... Schnell wie der Wind rennen konnten wir, wenn ein Erwachsener unseres gefährlichen Tuns ansichtig wurde und nicht mit Drohungen und Schelte geizte.ine Geschichte geistert mir noch im Kopfe herum, nach der wäre der schwarze Manfred mit mir mit der Fähre hinüber nach Hohe Düne gefahren. Dort war militärisch abgesperrtes Gelände und wir sind da trotzdem hin und wurden von Uniformierten eingefangen. Russenuniformen? Angst war da, viel Angst vor den Männern in Uniform, ganz viel. Ist die Geschichte so passiert? Manfred?Ich bin vielleicht sechs Jahre alt, darf allein auf dem Hof spielen.
Manchmal ist ein Freund da, etwas älter, der schwarze Manfred, so wird er von meinen Eltern benannt. Wir spielen auf dem Hof, den er "Reishof" nennt. Reishof. Jahrzehnte wusste ich nicht, wieso. Viel später hatte ich gelesen, dass das Hotel ja früher mal, wie schon erwähnt, "Reichshof" hieß. Daher: Reishof.
Manfred hatte mich gelegentlich auch zu Ausflügen angestiftet, die vermutlich außerhalb des erlaubten Bereichs des "Reishofes" lagen, oder war das später? Aber höchstens eins, zwei Jahre, denn dann zogen wir in eine andere Wohnung, am Leuchtturm und den schwarzen Manfred verlor ich ganz aus meinem Bekanntenkreis.
In den Bahnhofsanlagen am Strom, ziemlich am südlichen Ende stand und steht der Affenbaum. Viele Dinge, die uns groß erschienen, als wir Kinder waren, kommen uns in späteren Jahren recht murksig vor, zu klein geraten, das ist normal. Der Affenbaum aber, der eigentlich eine Weide ist, der war immer schon so, scheint mir. Man konnte ihn gut beklettern, seine Äste reichten weit herunter. Die Besonderheit dieses Affenbaumes war aber, so mein Freund Manfred, dass man, war man draufgeklettert, nur noch in der Affensprache reden konnte. Er hat es bewiesen. War ich unten und er oben, konnte ich kein Wort verstehen, nur Gekrähe, waren wir beide oben, war es gut, war ich oben und er unten, hat er von meinem Reden kein einziges Wort verstanden, nur Affentöne, sagt er. Was zu beweisen war, klarer Fall das.
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Anarosa
Mascha
Es war eine relativ kurze Freundschaft. Ich war etwa 5 - 6 Jahre alt und Mascha zwei Jahre älter. Wie die Verbindung zwischen uns entstand, wie wir uns näher gekommen waren, darüber kann ich mich nicht mehr entsinnen. Ich weiß aber, dass es eine schöne Zeit war. Wir spielten sehr viel zusammen, überwiegend draußen – in unseren Höfen, Wäldern und auf der Dorfstraße.
Es waren meistens Spiele, die das erwachsene Leben nachahmten – wir imitierten Mutter und Kind, bauten ein Magazin auf (so hieß der kleine Kaufladen im Dorf) mit allerlei Krempel im Angebot und selbst gebastelter Waage. Es machte mir besonders viel Spaß, damit die kleinen sibirischen Äpfelchen abzuwiegen und zu "verkaufen". Diese Äpfelchen sind in Sibirien sehr verbreitet. Es gibt alle möglichen Sorten und Größen davon, und sie schmecken einfach köstlich. Ich kann mich auch sehr gut an unsere heimlichen Doktor-Spielchen erinnern … Kinder, Kinder … Machen das eigentlich alle in diesem Alter?
Unsere Dorfstraße
Ich spielte mit Mascha auch sehr oft und gerne Schule. Dafür verwendeten wir ihre Schulbücher, Hefte und Stifte. Sie war es, die mir das Lesen beigebracht hatte, und eines Tages überrasche ich meine Eltern (da war ich noch keine sechs), indem ich ihnen – noch sehr langsam, aber ungeheuer stolz – das Märchen vom Fischer und dem Fischlein vorlas. Schulpflichtig ist man in Russland übrigens ab dem Alter von sieben Jahren.
Warum diese Harmonie nicht lange gehalten hat? Diese Frage habe ich mir auch schon gestellt. Ob zwischen uns was vorgefallen war, was ich völlig vergessen habe? Ich weiß nur – es gab diese Freundschaft und dann gab es sie nicht mehr. Meines Erachtens war sie einfach langsam abgeflaut, bis davon nichts mehr übrig blieb und sie ins Leere überging. Als ich in die Schule kam, spielte Mascha in meinem Leben keine Rolle mehr. Wir sind uns gegenüber keineswegs feindlich geworden, aber wir sprachen auch nicht mehr miteinander.
Dann, in der zweiten Klasse, trat ein anderes Mädchen in mein Leben – Frieda, meine jahrelang beste Freundin. Aber über diese Freundschaft erzählte ich bereits - in der Geschichte „Du warst meine Rettung“.
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Helgas
Wahre Freundschaft
Wahre Freundschaft soll nicht wanken
wenn sie gleich entfernet ist,
lebet fort noch in Gedanken
und der Treue nicht vergißt.
Keine Ader soll mir schlagen
wo ich nicht an dich gedacht
für dich werd ich Liebe tragen
bis in tiefe Todesnacht
Wenn der Mühlstein traget Reben
und daraus fließt süßer Wein
wenn der Tod mir nimmt das Leben
hör ich auf dein Freund zu sein
Jetzo schlägt die Trennungsstunde
reißt gewaltsam mich von dir
es schlägt zu früh die Scheidestunde
ach, ich fand mein Glück in dir
So nimm denn hin vom blassen Munde
den Abschiedskuß, der weinend spricht
und denk an diese Trennungsstunde
0 einz'ger Freund, vergiß mein nicht
Im Stillen werd ich Tränen weinen
und träumend dir zur Seite stehn
und seh ich Gottes Sonne scheinen
werd ich für dich um Segen flehn
Vermutlich aus dem 18. Jahrhundert - zuerst in Brandenburg, Franken, Hessen und Schlesien verbreitet, heute im ganzen deutschen Sprachraum populär -
Moni und die Freundschaft
Sie denkt sogleich an das alte Lied und summt es leise vor sich hin:
„Wahre Freundschaft sohol nicht wahanken, wenn sie gleiheich entfernehet ist …
Wahre Freundschaft? Was heißt das heutzutage eigentlich, denn das herzige Lied stammt ja aus dem 18. Jahrhundert?
Freundschaft bezeichnet eine positive Beziehung und Empfindung zwischen Menschen, die sich als Sympathie und Vertrauen zwischen ihnen zeigt. Das hört sich gut an, denkt Moni, vermutet aber dass es mit der Freundschaft ganz so einfach nicht mehr sein kann, denn man hört und weiß, dass man heute viele Freunde haben kann, ohne sie zu kennen, geschweige denn ihnen nur ein Zipfelchen Vertrauen schenken zu wollen.
Im Internet geschlossene Freundschaften, was sind sie wert und sind es wirkliche Freundschaften? Mit einem Mausklick werden sie geschlossen und genauso unproblematisch wieder aufgehoben. Von Freundschaft also keine Spur. Es waren flüchtige virtuelle Begegnungen, die keine Spuren hinterlassen.
Es gibt Interessengemeinschaften, die sich über verschiedene Problemkreise austauschen, mehr oder weniger intensiv. Manchmal entwickeln sich Sympathien aber ist das schon Freundschaft? Moni ist sich nicht sicher, neigt aber nach einiger Überlegung dazu, dass die wahren Freunde eher im wahren Leben zu suchen sind, doch ob man hier fündig wird, ist auch fraglich.
Als Moni elf Jahre alt war, begegnete ihr ein Mädchen, welches einfach ohne große Umschweife fragte, ob sie ihre Freundin sein möchte. Moni sagte „Warum nicht.“ Und so wurden sie Freundinnen. Einfach so. Heute jährt sich dieser Tag zum 50. Mal. Sie sind immer noch Freundinnen, obwohl sie leider inzwischen 800 km weit entfernt leben. Die Frage, wie kann das sein, was ist es, was diese Freundschaft solange lebendig hält?
Es war keine Zweckfreundschaft.
Bundespräsidenten schließen manchmal Freundschaften dieser Art. Man erhält einen begehrten Vorteil und bedankt sich mit entsprechenden Gaben. Es gibt auch Freundschaften geschäftlicher Natur. Ein Geben und Nehmen findet statt. Mancher spricht hier sehr böswillig auch von Korruption, dabei sind sie doch nur nett zueinander, wie es gute Freunde halt auch immer sind. In der Politik gibt es auch sehr viel Freundschaft, denn alle wollen stets das Beste, manchmal eben auch für sich selber. Nur wer sich selber liebt, kann Liebe und Freundschaft geben.
Woher mag das mit dieser hoch angebundenen Freundschaft bloß kommen, fragt sich Moni und schaut kurz nach:
„Für Aristoteles ist die Freundschaft wichtiger Bestandteil einer funktionierenden (Polis-)Gesellschaft. Noch höher als die Gerechtigkeit soll der Staat die Freundschaft schätzen. In der griechischen Polis gab es keine öffentlichen Dienste wie Polizei und Feuerwehr, so war jeder auf das Wohlwollen des anderen angewiesen. Wer in Ämter gewählt werden wollte, musste sich das Wohlwollen der Menschen sichern.“
Noch höher als die Gerechtigkeit soll der Staat die Freundschaft schätzen, heißt es. Jetzt versteht Moni auch, warum der Herr Staatsoberhaupt, der wegen der vielen Freundschaftsdienste weinend zurücktrat, auch seinen Ehrensold in Höhe von 199 000 Euro lebenslang bekommen soll. Wegen der Freundschaften! Das ist ehrenhaft.
Das Wohlwollen der Menschen, also der Wahlbürger, spielt allerdings dabei kaum eine Rolle. Man braucht nur politische Freunde und das Ordensgesetz von 1957. Die Bundesregierung übernahm 1957 nur die Ehrensoldverpflichtungen aus dem Ersten Weltkrieg. Unser ganz freiwillig zurückgetretener Bundespräsident wird nicht Hungers sterben. Er hat gute Freunde. Freunde helfen sich.
Die Freundschaft unter Gleichen gilt auch für gleichgestellte Bürger. Man ist einander ebenbürtig und sucht sich zu befreunden. Die Frage ist warum? Aristoteles unterteilt diese Freundschaft in Nutzen-, Lust- und Tugendfreundschaft. Die Nutzenfreundschaft bringt die Menschen zu einem Zweck zusammen. Fällt dieser Zweck weg, ist die Freundschaft gefährdet. Ähnliches gilt für die Lustfreundschaft, die rein affektiv begründet ist. Diese beiden Arten sind labil.
Stabil dagegen ist die Tugend- oder Charakterfreundschaft. Sie ist die Freundschaft um des Freundes willen. Hier denkt Moni an ihre Freundin. Sind sich zwei Personen in ihrer Tugendhaftigkeit ähnlich, so ist das die Voraussetzung für die vollkommene Freundschaft. Wie für jegliche Tugend gilt auch für die Freundschaft bei Aristoteles, dass sie durch wiederholtes Handeln zur Gewohnheit werden muss. Man übt die Freundschaft nur im alltäglichen Umgang. Die Teilhabe am Leben des Freundes und damit die räumliche Nähe sind nach Aristoteles für eine Freundschaft unerlässlich.
Doch hier muss Moni dem großen Philosophen widersprechen. Die räumliche Nähe ist heute wegen der Teilhabe am Leben des Freundes nicht mehr unabdingbar.
Die Freundschaft unter Ungleichen bei Aristoteles würde man heute vermutlich eher als Ehrerbietung bezeichnen. Sie beschreibt nicht nur das Verhältnis zwischen den Generationen, sondern auch das Verhältnis des Menschen zum Staat. So muss nach Aristoteles die Asymmetrie der Hierarchie durch einen Mehraufwand von „philia“ seitens des Unterlegenen ausgeglichen werden. Der Sohn muss dem Vater mehr Respekt entgegenbringen als umgekehrt, so wie der Bürger mehr in den Staat investiert, als er unmittelbar zurückbekommt.
So ist es wohl heute immer noch. Moni möchte aber hier unbedingt das Wörtchen „Freundschaft“ nicht verwendet wissen, selbst die erwähnte Ehrerbietung fehlt inzwischen. Jeder mag nun darüber nachdenken, was es mit seinen Freundschaften auf sich hat und wie es um sie bestellt sein würde, wenn vielleicht der Zweck wegfällt.
Das große Wort ist viel missbraucht worden …und jetzt muss Moni zurückdenken …
„Freundschaft“, ein Gruß der FDJ, Völkerfreundschaft, Freundschaftsessen, Freundschaftsdienste, Freundschaftsringe, Freundschaftsküsse …
So nimm denn hin vom blassen Munde
den Abschiedskuß, der weinend spricht …
…Moni wird es nun ein bisschen schlecht. … Bussi, bussi Freunde. Nehmt’s nicht übel!
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Rangerwoman
Meine erste Freundin
Ich bin mit Jungs groß geworden. Mein Bruder, 6 Jahre älter, musste auf mich aufpassen (die Eltern waren auf Arbeit in der Dorf-LPG). Als Junge ging mein Bruder natürlich mit den anderen Dorfjungs ströpern. Höhlen wurden gebaut, Katschis und Erlenpropper hergestellt, mit Flitzbogen geschossen und heimlich aus dem Schwefel der Streichholzköpfe Knallkörper gebastelt.
Familie N. zog in unser Dorf. Sie hatten 4 Kinder, 3 Jungens und ein Mädchen. So lernte ich Mimi kennen, denn auch ihre Brüder wurden dazu verdonnert, auf ihre kleine Schwester aufzupassen.
Mimi brachte mir das Bäumeklettern bei (o wie geschickt sie war!) und wie man die Balance beim Floßfahren halten muss. So manche Nachmittage sind wir durch das Gestrüpp gekrochen, um Pfandflaschen zu suchen. War die Beute reichlich, ging es ab in den Konsum und wir belohnten uns mit einer Nascherei. Beim Murmelnspielen nahm sie mich jedesmal aus wie eine Weihnachtsgans, aber Gummitwist war nicht ihr Ding. Da war ich besser.
Die Geburt ihrer Schwester (ein Nachzügler) brachte ein jähes Ende unserer Freundschaft. Ich hatte kein Interesse daran, ein kleines Baby zu betüteln und Mimi mit ihren 12 Jahren ging liebevoll in der Rolle der großen Schwester auf.
Nichts mehr mit Ströpern, die Kinderspiele waren vorbei und wir hatten keine gemeinsame Basis mehr...
Viele Jahre sind vergangen - Jahrzehnte. Ich habe Mimi im Januar 2012 wiedergesehen. Einer ihrer drei Brüder war verstorben. Die Beerdigung war in unserem Dorf. Unsere Augen trafen sich nur für Bruchteile von Sekunden (da war so viel Trauer...)und für diesen Bruchteil waren wir auf einer Ebene, auf einer Wellenlinie...
Ein paar Tage später bin ich zum Maiglöckchenberg gegangen. Dort hatten die Geschwister ihre Initialen in eine Buche geritzt...G.N. (1969) M.N.
Die Initialen in der Buche und
unsere alten Murmeln (liebevoll Lehmkacker genannt)
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Maxe
Mein erster Freund war Uwe
Wir wohnten in der gleichen Straße und Uwe war ein Jahre älter als ich. Den folgenden Ausschnitt habe ich aus meiner in Arbeit stehender Lebensgeschichte kopiert.
"Mit meinem Spielkamerad aus der Nachbarschaft Uwe, der immer Üfer genannt wurde und ein Jahr älter war, habe ich auch so einiges verzapft. Wenn wir die Alarmsirenen, die den nächsten Bomben oder Tiefflieger Angriff ankündigten hörten, dann sahen wir beide zu, dass wir uns versteckten und unsere Mütter konnten rufen so viel sie wollten. Wir meldeten uns nicht. Darum schafften sie den Weg zum sicheren Bunker oftmals nicht und mussten in einen kleineren runden Erdbunker, den man Pilz nannte und der in unsere Straße stand, Unterschlupf suchen.
Fünfzig Meter von unseren Häusern entfernt, verlief eine Bahnlinie und davor war ein Knick wie sie hier in Schleswig-Holstein üblich sind. In diesem Knick versteckten wir beide uns, jeder mit einem langen Stock. Wenn nun die Tiefflieger kamen und die Bahnlinie beschossen, sprangen wir kurz danach aus unseren Versteck hervor und hoben unsere Stöcker wie Gewehre hoch und brüllten: "Peng, peng, peng."
Anschließend jubelten wir wie Sieger. Dann kam aber schon die nächste Salve angeflogen und wir verschwanden wieder in unserem Versteck. Von der Gefahr, in der wir steckten, hatten wir natürlich keinen blassen Schimmer.
Es kam aber auch vor, dass wir von einer Motorradstreife vom Luftschutz aufgegriffen wurden. Dann wurde uns der Hintern versohlt und wir wurden mitgenommen zur nächsten Flakstation und mussten dort in den Schutzbunker. Von dort aus, hatten wir aber durch die Sehschlitze einen prächtigen Blick darauf, wenn die Flak ein Flugzeug abgeschossen hatte. Das war uns schon die Tracht Prügel, die meistens fast gar nicht weh tat, wert.
Wenn der Alarm am späten Nachmittag ausbrach, ging er oft bis in den Abend und dann war es für uns Kinder eine Freude mit anzusehen, wenn die Scheinwerfer mehrerer Flakstationen ein Flugzeug in ihren Strahlen gefangen hatten und abschossen. Das unsere Mütter sich zu Tode ängstigten und uns mit Vorwürfen überhäuften, wenn alles vorbei war, das konnten wir damals nicht verstehen.
Dann aber war der Krieg vorbei und nun ging es ums nackte Überleben. Der Schwarzmarkt blühte und mein Freund und ich wir waren dabei! Üfer war im Organisieren der Beste und ich konnte gut verkaufen. Während ich eine unschuldige, weinende Miene machte und so das Mitleid einiger Käufer auf mich lenkte und dadurch gut verkaufte, passte er auf solche auf, die versuchten mich zu übervorteilen. Oder welche, die mich einfach packten, um mir meine Ware weg zu nehmen. Dann sprang er diese an und schlug sie mit einem Knüppel auf den Rücken, das gab mir Zeit sofort zu verschwinden. Üfer aber, der flinker und mutiger war als ich, ließ sich erst einmal eine Zeit lang verfolgen und wenn er merkte, dass der Verfolger ihn einholte, dann warf er sich lang auf den Boden, so dass derjenige über ihn fallen musste. Blitzschnell sprang er dann hoch und war schnell verschwunden.
Ja, das ist nur einiges, aber wir blieben eigentlich immer Freunde. Als ich mich später in der Welt rum getrieben habe, hat er sich irgendwann das Leben genommen. Er soll arge Eheprobleme gehabt haben.
Bilder von der damaligen Zeit gibt es leider nicht. Wer hatte damals einen Fotoapparat?"
Mondkatz
Kinderfreundschaft
Als ich das Thema für dieses neue Buch las, habe ich mich etwas schwer getan. Mir wollte einfach nichts zu „Freundinnen“ einfallen. Aber wie das Leben manchmal so spielt, kam mir der Zufall zur Hilfe.
Pico, mein kleiner Papillonrüde, und ich waren gerade fertig mit „Gassi gehen“ und auf dem Rückweg. Auf dem Trottoir trafen wir mit einer Frau zusammen. Das heißt, eigentlich traf mein Hund mit ihr zusammen. Das Schlitzohr ist nicht nur neugierig, sondern merkt recht schnell, wenn man (meistens ist „man“ weiblich) auf ihn steht. So, wie diese Passantin, die ziemlich von Picos Charme angetan war. Über den Hund kamen wir ins Gespräch. Ja, und dann schaute ich mir das Mädel mal genauer an – und siehe da – es war eine meiner Kindheitsfreundinnen, die ich nach über 30 Jahren zum ersten Mal wieder gesehen habe. Und dann kam eine Erinnerung nach der anderen hoch. Bei mir und bei ihr auch. Muss ich erwähnen, dass wir eine halbe Stunde miteinander im Regen gestanden und uns angeregt unterhalten haben?
Befreundet war ich mit ihr, als wir so zwischen zehn und zwölf Jahre alt waren. Kurios finde ich, dass ich mich nicht an einen einzigen Besuch von ihr bei mir erinnern kann. Dabei hat Ute noch die fürchterlich steile Treppe im Kopf, eine richtig fiese Hühnerleiter, die auch heute noch genau so existiert. Vielleicht hat meine Gedächtnislücke ja damit zu tun, dass ich mich bei Ute sauwohl gefühlt habe und bei mir zu Hause eben nicht so. Utes Mutter mochte ich auch total gut leiden. Den Papa habe ich selten gesehen, denn der musste ja arbeiten. Aber ich habe auch ihn als freundlichen Mann in Erinnerung.
Ute und ich gingen in dieselbe Schulklasse, daher kannten wir uns auch. Sie wohnte nicht weit von mir entfernt, wir sind zusammen mit dem Bus von und zur Schule gefahren – und haben dann noch ein paar Nachmittage in der Woche miteinander verbracht. Ute hat damals Briefmarken gesammelt, und weil mir die bunten Bildchen so gut gefallen haben und es mir Spaß gemacht hat, die Marken zu sortieren und zu ordnen, hatte ich plötzlich ein neues Hobby. Klar haben wir die Marken auch untereinander getauscht. Ich war fast ein bisschen neidisch, weil meine Freundin immer so tolle Marken aus Polen bekommen hat. Irgendwie hatte sie da Verwandtschaft und die Familie bekam oft Post. Aber ich konnte einige der schönen Stücke durch Tausch von ihr ergattern. Nicht nur, dass ich die Alben mit den Marken noch habe – ich sammele noch immer ein bisschen. Nix Dolles, nur die neuen postfrischen Deutschen.
Und wir haben stundenlang zusammen gesessen und gepuzzelt. Utes Vater hatte so schöne Platten mit Rand als Unterlage gemacht. Jede von uns hatte einen Karton mit einem 500er Puzzle vor der Nase und hat fleißig die bunten Pappstückchen zusammengefügt. Oder wir haben Malefiz gespielt.
Utes Mutter konnte wunderschöne Puppenkleidung häkeln und stricken. Bärbel, die Puppe meiner Mutter, die sie mir damals geschenkt hatte, wurde von Utes Mutter „bestrickt“. Die Sachen besitze ich heute noch und sie sind mir viel lieber als gekaufte Puppenkleider.
Ja, und irgendwann ging die Freundschaft auseinander. Ich weiß nicht, ob wir uns gestritten hatten oder einfach so auseinandergedriftet sind. Jedenfalls habe ich mich riesig gefreut, Ute wieder zu sehen. Sie wohnt seit ein paar Jahren in ihrem Elternhaus, so wie ich mittlerweile auch wieder, und es geht ihr gut. Vielleicht komme ich ja zufällig mal mit Pico an ihrem Zuhause vorbei, wer weiß?
Pico hat uns wieder zusammengeführt. Meine Puppe Bärbel mit den Stricksachen von Utes Mama und diese Marke da, war schon meine Lieblingsmarke, als ich Kind war. Ich habe mittlerweile unzählige Briefmarken. Aber die mit dem Islandpony ist noch immer meine Nummer 1.
Texte: Autoren aus der Biogruppe
Bildmaterialien: Archivbilder der Autoren, Cover: http://www.puzzle.de/media/catalog/product//4/0/4029518776555.jpg
Tag der Veröffentlichung: 24.06.2012
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Widmung:
Gemeinschaftsbuch der Gruppe "Biografisches" mit:
traumwanderer, katerlisator, enya2853, dianuschkaa, gittarina, genoveva, ramblerrose, jurekp, anarosa, helgas, rangerwoman, maxe und mondkatz