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Erinnerungen aus früher Kindheit

ramblerrose 

Tante Milli

Eigentlich habe ich an meine Kindheit überhaupt keine direkten Erinnerungen. Es sind eher kleine Blitzlichter oder Erinnerungen an die Erzählungen meiner Eltern.
Eine der schönsten Erinnerungen aus der Kindheit ist die an Tante Milli und ihren „Rheinischen Hof“ in Kühlungsborn.
Tante Milli war eine Patientin meines Großvaters und eine Freundin meiner Großmutter. Ich habe sie als gemütliche und rundliche ältere Dame mit grauen Locken und herrlich rheinländischem Dialekt und Humor in Erinnerung. Ob sie je verheiratet war, weiß ich nicht und auch nicht, was sie an die Ostsee verschlagen hatte. Sie stammte aus einer rheinländischen Hoteliers-Familie.

Meine Großeltern fuhren öfter mal nach Kühlungsborn, um Tante Milli zu besuchen und meine Eltern machten mit meinen beiden jüngeren Brüdern und mir einige Sommer dort Urlaub. Auch die anderen Großeltern waren mit uns dort.
Ich erinnere mich sehr deutlich an unser Zimmer im Rheinischen Hof. Es war relativ dunkel und hatte einen etwas erhöhten Erker mit mehreren Fenstern.

Auch an die Küche erinnere ich mich sehr gut. In der Mitte stand ein riesiger Kohleherd, auf dem gern Tante Millis Katzen lagen, weil er immer warm war. In der Küche residierte Friedel, die Köchin und Mädchen für alles. Wir durften gern mal bei ihr in der Küche sitzen und zuschauen oder mit den Katzen spielen.

Irgendwann, als es noch nur meinen Bruder Wolfram und mich gab, waren wir mal um die Weihnachtszeit bei Tante Milli. Sie hatte uns versprochen, sie würde mit uns ins Kaufhaus Bertelmann gehen und wir dürften uns etwas aussuchen. Das konnten wir natürlich kaum erwarten und nervten unsere Eltern sicher entsprechend.

Als es dann soweit war, wurde es schöner als in unseren kühnsten Träumen, denn wir durften abends nach Feierabend in das Kaufhaus und ganz in Ruhe stöbern und uns etwas aussuchen. Was wir uns ausgesucht haben, weiß ich nicht mehr. Die Sache an sich war viel spannender.

Angela und Brüderchen in Kühlungsborn

 

 

 

anarosa

Die grauen Wölfe

Mein Blick zurück reicht bis zu diesem Moment, und ich bin mir fast sicher – es ist meine allererste Kindheitserinnerung.

Ich befinde mich in einem dunklen Zimmer. Aus der offenen Tür fällt Licht ein, das alles schattenartig und verschwommen aussehen lässt. Ich liege in der Wiege. Sie schaukelt hin und her, und immer wieder taucht in meinem Blickfeld die Wand mit einem großen Ölgemälde auf, das einen Fluss und ein kleines Mädchen am Ufer darstellt. (Es ist von wandernden Künstlern auf Leinen angefertigt worden und dient als Wandteppich).

An der Wand steht das Bett meiner Eltern. Ob jemand unter der Decke liegt, weiß ich nicht, sehe nur, wie sie sich wölbt und Gebilde formt, in denen ich mit Furcht mehrere graue Wölfe erkenne. Ich habe Angst, dass sie gleich auf mich zukommen und mich auffressen, und lasse sie nicht aus den Augen. Ich bin so sehr auf die Wölfe fixiert, dass es mir völlig entgeht, von wem ich gewippt werde, wer an der Wiege sitzt.

Wenn ich jetzt dieses Kindheits-Bild genauer unter die Lupe nehme, dann kann ich natürlich Einiges dazu sagen.

Es entstand in dem alten Lehmhaus, in dem ich 1954 geboren wurde und die ersten sieben Lebensjahre verbrachte. Es hatte zwei Zimmer und eine Küche. Die Küche besaß keinen richtigen Bodenbelag. Es war feste Erde, die einmal in der Woche von unserer Mutter mit einem lehmigen Gemisch ausgeschmiert wurde. Dann roch es wieder frisch und angenehm nach Erde und Stroh und getrocknetem Pferdemist. 

Ja, wundert euch nicht – so war es, und der Geruch war wirklich angenehm, ich kann ihn jetzt noch spüren. In den zwei Zimmern befanden sich Schlafplätze für zeitweise 8 Personen. (Als ich auf die Welt kam, war meine älteste Schwester – insgesamt waren wir sieben Kinder – schon verheiratet). 

Jedes Kind verbrachte die ersten 2-3 Jahre in einer Wiege, die noch der Stiefvater meines Vaters gezimmert hatte. Daher schließe ich auch, dass meine erste Erinnerung im Alter von höchstens 3 Jahren entstand, als ich wahrscheinlich in die Wiege zum Schlafen gelegt wurde.

 

 

katerlisator

 

Ich erinnere mich...

 

... an Weihnachten 1963. Da war ich zwei Jahre alt. Ich bekam ein großes gelbes Postauto aus Holz zum Hinterherziehen. Und es gab ein Hexenhaus aus Lebkuchen - das von meinen Geschwistern geplündert wurde. Doch meine Schwester Christa hat mich wieder getröstet.

 

 

 

mondkatz

Vergnügen!



Papa, werf‘ mich hoch in die Luft!
Papa, fang mich wieder auf!
Fast kann ich die Decke berühren,
sicher lande ich in deinen Armen,
kreische vor Vergnügen.
Papa, mach noch mal!

So wenige Fotos es von mir als Kind gibt, so wenige Erinnerungen habe ich. Ich kann sie sehr schlecht einem Alter zuordnen, aber ich denke Erinnerung und Bild passen hier ganz gut zusammen.


 


traumwanderer

Meine Mutter


Ich hatte eine sehr liebevolle Mutter. Als Kleinkind hatte ich oft mit Ohrenschmerzen zu kämpfen. Wie hasste ich die mir verabreichten Spülungen. Aber sie meinte es ja nur gut.

Wäre sie nicht so aufmerksam gewesen, hätte man auch meine Sehschwäche nicht so bald erkannt. Ich muss damals drei gewesen sein.

Und meine Mutter merkte, dass ich immer sehr unbekümmert auf die Treppe zulief. Sie hat mich wohl manches Mal davor bewahrt, hinunterzufallen. Und das gab ihr zu denken.


Das kleine Bild ist schon arg zerknittert.

Ein Zufallsfund.

 

 


helgas.

 

Meine allererste Erinnerung???

 

Also die ist so:

Ich stehe in einem Bett, welches im Schlafzimmer meiner Eltern seinen Standplatz hatte. Es ist mit einer Gardinenstange gesichert, damit ich nicht rausfalle. Natürlich wusste ich nicht, dass es eine Gardinenstange war. Das erfuhr ich später. Mein Vater hatte diese praktische und preiswerte Lösung erfunden. Das Bett gehörte temporär der alten Beisst (so wurde sie genannt), die in die Wohnung meiner Eltern eingewiesen wurde und geraume Zeit die sogenannte Mädchenkammer bewohnte. Eines Morgens, so hieß es, lag sie tot in ihrem Bett. In diesem Bett beginnen meine Erinnerungen.


 

achtsamkeit




Haare waschen... 

...welch ein traumatisches Erlebnis

 

Haare waschen welch ein traumatisches Erlebnis. Immer fand die Seife, trotz eines vor das Gesicht gehaltenen Waschlappens, ihren Weg in die Augen.

 

Und mich dann noch in meinem Schmerz zu fotografieren, anstatt mich zu trösten..........!!!!!


 

dahlia437

Ich hatte auch solch ein Erlebnis, aber kein schmerzhaftes. War mit meiner geschwisterlichen Last in der Badewanne. Immer, wenn ich aufstand, und mich umdrehte, bickte ich ihr Schaum ins Gesicht. Anstatt sich das Gesicht einfach abzuwischen, gab es Heulen. Die Eltern machten lachend sogar einen Film davon, mit Kommentaren.

Zu ihrer Verteidigung, der Film ist witzig, außerdem hat ja nur meine geschwisterliche Last draufgezahlt. He, he... Keine Angst! Keiner hatte Schmerzen. Die geschwisterliche Last hat immer geheult.

Die war wahrscheinlich froh, wieder einen Grund zu haben, Tränen zu vergießen.

 

laviwolfe

Meine frühste Erinnerung...

Ich glaube, meine früheste Erinnerung ist, wie ich im Auto sitze, aus dem Fenster sehe und nachdenke. 

Ich habe darüber nachgedacht, was wohl nach dem Tod passiert. Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass das Leben gar nicht vorbei sein kann nach dem Tod. Man kann ja auch nicht aufhören zu denken!

Ziemlich philosophisch für so ein frühes Alter, ich weiß, aber ich glaube noch heute fest daran.
Ich weiß nicht genau, wie früh diese Erinnerung wirklich ist, aber sie ist mir am deutlichsten in Erinnerung geblieben...

 

 

klausblochwitz



 

Meine ersten Erinnerungen...

...sind Hunger, Durst und Angst. Geschützdonner kommt hinzu und lange kalte Winter.

Wir Kinder haben damals Kohlen von den Güterwaggons geklaut und dem Bauer die Wurst aus der Räucherkammer. 



 


genoveva

Meine erste Erinnerung,

die ich wegen ihrer traumatischen Szene nie vergessen habe.Meine Mutter und ich wurden im Jahr 1944 von Mönchengladbach aus, wegen der vielen Bombenangriffe der Engländer, evakuiert. Da die Nazis überzeugt waren, die russische Front aufhalten zu können, wurden wir beide - ich zwei Jahre alt - nach Oschersleben in den Osten Deutschlands geschickt. Wir waren bei einer sehr lieben Familie Reiners untergebracht, mit der meine Mutter noch viele Jahre brieflichen Kontakt behielt.

Mein Vater wurde in Stalingrad schwer verletzt und noch vor dem Schließen des Kessels durch die Russen und dem anschließenden Massaker, dem kein deutscher Soldat mehr entkam, in ein Lazarett ausgeflogen. Das lag im Bereich der alsbald einziehenden Amerikaner. So geriet er nach seiner Genesung in amerikanische Gefangenschaft. Im Juli 1945 wurde er entlassen und eilte nach Hause. Dort fand er die vielen Angehörigen unserer Familie aber nicht Frau und Kind.

Wir kamen von Oschersleben nicht weg, einmal gehörte es nun zum Bezirk, den die Russen erobert hatten und im Durcheinander des Zusammenbruchs "Großdeutschlands" war kein Transport der evakuierten Wetdeutschen Frauen und Kinder möglich.

Meinem Vater gelang es, nach unglaublichen Mitfahrgelegenheiten und Fußmärschen, den Ort zu erreichen und meine Mutter fiel ihrem Mann glückstrahlend in die Arme. Nun würde alles gut, er würde uns und etwa fünf weitere Frauen aus Mönchengladbach mit ihren Kindern, sicher nach Hause bringen.

Das Glück der beiden war jedenfalls überschäumend, denn sie hatten sich ja durch den Krieg nur selten gesehen.Fahrzeuge waren nicht vorhanden und so gingen alle erst einmal mit ihren Rucksäcken, Kindern und der Angst vor Überfällen durch russische Soldaten zu Fuß, Richtung Heimat.

Ein Mann war ja dabei und so wurden meinem Vater die Verantwortung für sechs Frauen und elf Kinder übergeben. Am ersten Tag ging alles gut, wir kamen unbehelligt ein Stück weiter. Am zweiten Tag nahm uns ein mitleidiger Bauer auf seinem Leiterwagen mit. Am Abend sagte er uns, hier müssten wir einen kleinen Flusslauf überqueren.

Bis dahin nahm er uns noch mit. Dann stiegen alle aus und im Dämmerlicht der anbrechenden Nacht sollte der Fluss, der nicht tief war, durchwatet werden. Danach waren wir aus dem gefährlichen Bereich der Russen heraus und betraten anschließend westliches Gebiet. 

Vater erbot sich, den Müttern mit mehreren Kindern zu helfen und mehrfach den Fluss zu überqueren. Es ging auch alles gut, bis ich an der Reihe war. Ich war die jüngste in dem Trupp, mein Vater mir eigentlich ein Fremder, der mein Vertrauen noch nicht erhalten hatte, da ich ihn erst wenige Tage bewusst kannte. Als ich merkte, dass es immer tiefer in das dunkle Wasser ging, keiner sprechen durfte und es unheimlich still war, fing ich an zu schreien.

"Stoi,Stoi," schrien da zwei russische Soldaten, die wie aus der Erde gewachsen am Ufer standen und ihre Gewehre in Anschlag hielten. Hätte man mir doch eine Schlaftablette gegeben, damit ich ruhig geblieben wäre!

Es waren zwei junge Männer, die eigentlich Vater als Gefangenen hätten mitnehmen müssen, aber auch begriffen, dass er nur die Frauen und ihre Kinder nach Hause bringen wollte. Die flehentlichen Bitten und Tränen der Frauen, das Angstgeschrei der Kinder waren ihnen offensichtlich unangenehm und einer schrie:"Gold, Schmuck, Uhren - sonst schießen alle tot!"

Alle holten zitternd hervor, was sie an Wertsachen dabei hatten und dann kam, was ich nie vergessen werde: die beiden Soldaten zogen die Ärmel ihrer Uniform hoch und daran waren bereits jede Menge Uhren befestigt. Die Frauen mussten weitere Uhren an den Armen befestigen. Schmuck steckten sie in Beutel, die sie um ihre Brust hängen hatten.

So bereichert stiegen sie nun in den Fluss und ich sehe sie noch, wie sie die Arme voller Uhren mit hocherhobenen Händen, das Gewehr über den Kopf haltend, ins Wasser stiegen und im Dunkel verschwanden.

Wir eilten schnell weiter und erreichten einen Bauernhof, wo wir im Heu schlafen durften. Wie die Flucht weiterging habe ich nur aus Erzählungen der Eltern später erfahren. Jedenfalls erreichten wir alle unversehrt und erschöpft die Heimat.

 

raskal





Das Bild ist in der Vorschule beim Übertritt in die Grundschule entstanden, quasi als Erinnerungsstück. Sowohl für die Eltern, als auch mich. 

Ich trage mein absolutes Lieblings-T-Shirt (ich habe es getragen, bis es wirklich zu klein wurde). Hinter mir die recht einfach bestückte Tafel, vor mir "Uli der Fehlerteufel" Der blonde, "fröhlich dreinschauende" Junge bin ich. 

Die Fotografin sowie meine Eltern hatten es nach 5 Minuten aufgegeben, mich mindestens zum Lächeln zu bringen...

 



 



concortin

Ich erinnere mich an Kindheitsträume

 


Ein märchenhafter Anfang

 

Meine Erinnerungen reichen weit zurück bis in die Urwelt. Das Zentrum dieser Welt war eine hohe, kuppelförmige Felsenhöhle. Hier beteten wir zu den Göttern. Ich habe mir die Gebete leider nicht merken können und auch nicht wie die Götter geheißen haben.

Aber innerlich höre ich noch heute das monotone dumpfe Gemurmel, das wie zu fernem Donner anschwellen konnte. Und ich sehe die Götter von den Wänden der Höhle ringsum herabschauen, mächtige Reliefs, rotbraune Gewänder im Schein des heiligen Feuers, das bis zu ihnen hinauf flammt. Dies war die Stätte, welche die Erwachsenen bei feierlichen Anlässen aufsuchten, dort holten sie den Ratschluss der Götter ein.

Aber wir Kinder konnten mit den Göttern nicht reden. Wir konnten nur erschauern. Dieser heilige Schauer überkommt mich gelegentlich noch heute, obwohl diese Welt längst für mich versunken ist. Wenn wir Kinder Sorgen hatten und Rat brauchten, waren für uns die Mütter da.

Wir lebten mit ihnen unten am Fluss, in dicht aneinandergedrängten, strohgedeckten Hütten, in einem Gewirr von Gassen, geheimen Winkeln und Verschlägen. Es gab viele versteckte Orte, wo wir uns trafen und beratschlagten.

Denn die Mütter wussten nicht alles von uns, und so geborgen, wie sie glaubten, waren wir nicht. Wir hatten Feinde. Das waren unsere Väter. Damals kannten wir allerdings das Wort Vater nicht. Wilde Gesellen waren das, die da auf den weiten Ebenen droben über unserem Flusstal umherschweiften.

Sie hausten draußen in der Steppe und überfielen bisweilen aus heiterem Himmel unsere Siedlung und schleppten auf ihren flinken, kleinwüchsigen Pferden alles fort, was diese nur tragen konnten. Und raubten uns sogar die Geschenke, die wir von unseren Müttern erhalten hatten. Die Mütter entschuldigten ihre Männer, sie sagten: An allem ist der Krieg schuld.

 

 

 

sommerregen



Bei mir sind es mehr Erinnerungsbilder...

Es gibt etliche Szenen in meinem Kopf: Ich im Schlafzimmer meiner Eltern im Kinderbett, beim Spielen in meinem zukünftigen – nie wirklich wahr gewordenen – Zimmer, mein roter Mantel, Hühner, Hund, Flur, Keller...

Eine Szene ganz besonders: Ein etwa fünf Jahre altes Mädchen liegt im Wohnzimmer auf dem Teppich. Sie spielt. Spielt Klötzchen. Er kommt nicht zurück. Er kommt zurück. Ein Blick aus dem Fenster: Opa, Papa und Harry, der Schäferhund, gehen spazieren. Das Tier hüpft in fröhlicher Erwartung eines Gassis hin und her. War aber gar kein fröhlicher Anlass. Kein Grund zum Hüpfen.

Die drei Gestalten werden immer kleiner, bis sie völlig aus ihrem Blickfeld verschwinden. Das Mädchen schaut noch immer aus dem Fenster. Sie wartet. Will ihrer Mutter nicht glauben, dass ihr haariger Spielgefährte nicht wiederkommt. Nie wieder. Er ist doch nur zwei Jahre älter als sie. Hat sie stets beschützt. Vor Perversen im Wald. Vor einem gefährlichen Sturz aus dem Kinderwagen und von der Kellertreppe. Die Kleine ist fassungslos.

Am Horizont tauchen sie wieder auf: Opi, Papi und der Hund. Nein. Papi hält nur das Hundehalsband und die Leine in der Hand. Die beiden haben es nicht eilig. Sie müssen sich nicht mehr hetzen. Ach, wäre doch Harry dabei. Harry aber ist beim Tierarzt geblieben. Allein. Allein in einem Kühlraum. Es ist Frühling. Die Vögel zwitschern. Friert Harry nicht in seiner kalten Hütte?

Sie erzählen, dass es schnell ging. Dass der zutiefst über seine eigene Benommenheit erstaunte Hund, schnell in seinen sinnlosen ewigen Schlaf versank. Den großen, weichen lieben Kopf auf Herrchens Arm. Mit ihm starben die ersten Illusionen eines Kindes.(...)

Ich habe ein Foto im Kopf: Winter. Wald. Viel Schnee. Ich im Kinderwagen. Neben mir sitzend der Schäferhund Harry mit der Schnauze voller Schnee. Mutti und Opi stehen in der Nähe. Damals war die Welt noch in Ordnung für mich - das Kind - und der Hund.




 

 

flugente

Heiligenhafen

 

Es muss der Sommer 1965 gewesen sein, als wir das erste Mal zum Camping nach Heiligenhafen fuhren. Damals gab es dort, wo heute das Naturschutzgebiet ist, einen Campingplatz.

Nein, wir hatten keinen Wohnwagen, wir hatten ein nettes Familienzelt in dunkelblau mit zwei Schlafkabinen und haben dort fast den ganzen Sommer verbracht. Der Arzt hatte meinen Eltern dazu geraten, da ich damals unter sehr schlechten Bronchien litt.

Gleich beim Campingplatz gab es eine Kuhweide, auf die man durch einen Stacheldrahtzaun hindurch klettern konnte. Oft waren meine kleine Schwester und ich dort, um auf der Weide zu spielen. Wir durften uns nur nicht von unseren Eltern erwischen lassen.

In dem Jahr hat mir mein Vater das Schwimmen beigebracht. Ich lag auf seinen Armen und musste die Schwimmbewegungen machen. Irgendwann nahm er seine Arme weg und ich duckerte unter oder ich kam voran.


 

Meine Mutter arbeitete in der Zeit stundenweise im Imbiss und wir waren dann bei den Nachbarn untergebracht. Ansonsten waren wir fast den ganzen Tag am Strand, wenn wir uns nicht gerade auf der Kuhweide aufhielten, was uns dann eines Tages auch zum Verhängnis wurde. Ich trat in einen riesigen Kuhfladen und den wurden wir auch nicht wieder los. Dafür gab es dann Zeltarrest für einen Tag. 

Heute weiß ich, dass es gefährlich war, aber als Kind sieht man die Gefahr nicht so. In dem Sommer musste ich auch täglich zum Arzt und bekam Spritzen, bis ich nicht mehr laufen konnte. Nach einer Woche tat mir der Hintern höllisch weh und es war nichts mehr mit im Wasser spielen, schwimmen oder auf der Kuhweide spielen.

Wir sind dann noch bis 1980 jedes Jahr in die Nähe von Heiligenhafen gefahren und haben dort Urlaub gemacht im Sommer.

Meinen Bronchien geht es heute fantastisch. Ich musste nie wieder in die Nebelkammer vom Gesundheitsamt in Wandsbek gehen und heute weiß ich auch, dass meine Paternosterphobie von dieser Zeit her ruht.

 

 

rangerwoman

Auch wenn es nicht...

 

...für jeden nachvollziehbar ist, meine Urerinnerung liegt weit vor meiner Geburt:
Ich sehe die Eizelle. Sowas von dottergelb und strahlend! Da kommen die Samenzellen. Ein besonders kräftiges setzt sich von den anderen ab. Da steht sie vor der Eizelle und will ihr ausweichen. Die Eizelle gibt alles; strahlend und warm bietet sie sich an.

Die Samenzelle zögert - nein, ich soll nicht...Die Eizelle lächelt wie die Sonne selbst und die Samenzelle ist wie betört, steuert auf sie zu, versinkt mit letzter Kraft in sie.


Aus der einen Sonne werden zwei, vier, acht. Wie, als schaue man in ein Kaleidoskop - tausende von Sonnen...Mein Sein beginnt.

Es ist schön, aber ich spüre Gefahr. Etwas will mich zerpieken, stochert nach mir. Ich verstecke mich ganz weit hinten. (Heute würde ich sagen, es war der Bügel aus einem Büstenhalter...verzeiht, ich habe meine Mutter nie danach fragen können...)

Ich verstecke mich weiterhin so gut es möglich ist. Da - jemand legt die Hand auf den Bauch meiner Mama und sagt: " Johanna, du bist ja schwanger! "
Ich erschrecke, aber die Hand streichelt ganz sanft und zärtlich über mich...

 

maxemiliankrooger

Meine erste Erinnerung...

... die auch Sinn macht, war Weihnachten 1943, dass wusste ich natürlich damals nicht, aber durch spätere Erzählungen meiner Eltern bin ich auf das Jahr gekommen. 

Ich war krank, Scharlach und mein Vater war nicht mehr Soldat, sondern er war im Juli des Jahres wegen seiner schweren Kriegsverwundung von der Wehrmacht entlassen worden. Ich wurde dann im städtischen Krankenhaus der Stadt Kiel eingeliefert und lag mit vielen anderen kranken Menschen in einen großen Kellerraum, bis wir dann nach einigen Tagen in einen großen Krankentransporter, der überfüllt war, nach Schafstedt gebracht wurden. Hier bestand das Krankenhaus aus Baracken in denen wir, wie meine Mutter sagte, mit 12 Kindern in einen großen Raum untergebracht wurden.

Durch erzählen der Anderen älteren Kinder bekam ich mit, dass in der Baracke gegenüber Typhuskranke untergebracht waren und wir konnten beobachten, wenn dort die Toten raus getragen wurden.

***** 

enya2853



Hinter Glas

Meine allererste Erinnerung ist ziemlich diffus und wurde später durch Erzählungen meiner Mutter ein wenig realer.

Ich bin beinahe drei Jahre alt, liege im Bett. Was ich sehr genau erinnere, ist ein nasser Waschlappen, mit dem meine Mutter meine Lippen befeuchtet. Ich habe furchtbaren Durst und weine, weil ich nicht trinken darf.

Der Grund ist ein unstillbares Erbrechen mit Durchfall. Ich muss innerhalb kürzester Zeit ausgetrocknet gewesen sein. Meine nächste Erinnerung ist der Krankenwagen, der mich mit Blaulicht in die Klinik brachte. Ich hörte die Sirene und erinnere mich an die Bahre, auf der ich lag, meine Mutter hielt meine Hand. Der Durst war das Schlimmste.

Was dann geschah, weiß ich nur aus der Erzählung. Ich hatte mich bei dem Hund meiner Tante an der "Stuttgarter Hundeseuche", einer Form von Leptospirose angesteckt, was durch das Erbrechen und die Durchfälle für ein so kleines Kind sehr schlimm ist. 

In dieser Nacht kämpften mehrere Ärzte um mein Leben.Meine Erinnerung setzt wieder ein. Ich liege in einem Gitterbett, alles ist hell, ich bin unendlich müde, aber der Durst ist weg. Doch wo ist Mama? Mein Arm ist festgeschnallt und es steckt eine Nadel in ihm.

Ich sehe eine Tür mit einem Glasfenster darin und dann endlich das Gesicht von meiner Mutter. Sie winkt und lacht und hält ein Püppchen hoch, das lustig herumzappelt. Aber ich kann mich nicht freuen, will nur, dass Mama am Bett sitzt. Ich weine.

Später hat meine Mutter mir genau diese Eindrücke bestätigt. Es war wohl ein sehr einschneidendes Erlebnis, das sich mir in die Erinnerung geschrieben hat.




 

sandwich

Kindheits-Erinnerungen


Es waren jene Tage
Anfang der 60er Jahre
im Land Salzburg.

Es waren jene Tage,
an dem wir mittags raus aus der Schule
heim zur Mutter, nach dem Essen
nichts wir raus in die Natur.
Wir kamen erst abends zurück,
dann war die ganze Familie
versammelt, beim Abendbrot.

Es waren jene Tage,
wo die Fernsehapparate noch in Holz
gefasst waren, mit zwei Türen zum Öffnen.
Es gab nicht viel Programm,
und so manches war noch ein Ereignis,
darunter fiel auch die erste Mondlandung,
wir bekamen dafür schulfrei.

Es waren jene Tage,
wo wir die Sommer am See verbrachten
und die Winter am Berg im Schnee,
wir hatten nicht viel,
was wir auf keinen Fall hatten, war Langeweile.
Unsere Spielsachen waren aus Holz und Stoff.

Aus jenen Tagen bleiben die Düfte,
von Mutters Küche und der Natur,
es bleibt das Kinderlachen im Ohr.

Im Sommer am See, im Winter im Schnee,
das ist die Überschrift meiner Kinderzeit.
Die Zeit der kurzen Hosen und der langen Haare,
die Zeit des Barfußlaufens.
Frei vom Markenkampf der Textilien.
Die Mädchen im Leinenkleid,
die Buben in der Lederhose.
Wir hatten nicht viel,
was wir auf keinen Fall hatten, war Langeweile.
Überfluss ist der Feind der Kreativität.
Außer in der Schule verbrachten wir
unsere Freizeit in der Natur.

Unbekümmertheit war das Motto.
Gewaltfrei, drogenfrei.

Ich weiß nicht, ob ich heutzutage Kind sein möchte.
Unsere Lehrer waren ältere Damen und Herren
streng aber gerecht, und wir waren voller Respekt.
Aber es gab keine Ohrfeigen oder Stockschläge
wie in der Schulzeit unserer Eltern.
Lagerfeuer am Flussufer, Baumhaus in der Au,
Sternennächte im Zelt.
Kinder konnten draußen sein ohne Bedenken,
auch abends. Heutzutage kann man sein Kind
nicht mehr mit ruhigem Gewissen alleine losschicken.

 

 





Impressum

Texte: alle genannten Autoren
Bildmaterialien: Archivbilder/dreamstime.com/thumblarge_138/1176344196ev589x.jpg
Tag der Veröffentlichung: 21.04.2012

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Ein Gemeinschaftswerk der Gruppe "Biografisches" mit ramblerrose, anarosa, katerlisator, mondkatz, traumwanderer, helgas, achtsamkeit, dahlia437, laviwolfe, klausblochwitz, genoveva, raskal, concortin, sommerregen, flugente, rangerwoman, maxemiliankrooger, enya2853, sandwich

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