Der Alte
Da draußen lebt ein alter Mann
Da draußen lebt ein alter Mann,
der alle Welt beschenken kann.
Wann kümmert sonst, anderer Leute,
Schmerzen oder Banken Beute?
Da vor dem Haus, im Regen stehen,
frierend durch das Fenster sehen.
Lasst sie in euer Zimmer kommen,
Egal ob Heiden oder Frommen.
Und unter einer Kerzenpracht,
das Leben wieder Freude macht.
Da draußen lebt ein alter Mann,
der alle Welt beschenken kann.
Was stört ihn, dass kein Schnee gefallen,
wenn frühlingstrunken Spatzen lallen,
wenn Kinderherzen Weihnacht strahlen,
am Tannenbaum die Kugeln prahlen.
Und unter dieser Kerzenpracht,
das Leben wieder Freude macht.
Da draußen lebt ein alter Mann,
der alle Welt beschenken kann.
Reichtum rechnet nicht in Geld,
es ist die Freude dieser Welt,
die ihn zum Reichsten werden lässt,
zum wundersamen Weihnachtsfest.
Sommer
„Autsch !“, auf meiner Fingerspitze entsteht ein runder, roter Tropfen.
Oh, das ist ja Blut.
Da hat mich doch etwas ganz Spitzes, Hartes gepickt.
Ach, da liegt was.
Ein längliches Ding.
Vorne und hinten spitz.
Eine Nadel ?
Ja, eine Tannen- Nadel.
In der Ecke von unserem Wohnzimmer.
Der Würfel ist da hin gefallen.
Draußen regnet es.
Ein Gewitter, mächtige, schwarze Wolken lassen hundert Millionen Wassertropfen herunter fallen und wenn die hellen, blauen Blitze herum gezicktzackt sind, dann knallt und grollt der Donner hinter her.
Na es macht ja nichts, denn bald scheint wieder die Sonne, trocknet die Straßen, leckt die Pfützen weg und wir fahren baden.
Der Bauernsee ist nicht weit und wir baden da immer.
Man kann prima auf der Wiese herum tollen und das Wasser ist warm.
Kein Wunder, denn die Sonne scheint schon viele Tage.
Es ist ein heißer Sommer.
Wir haben Ferien.
Bloß jetzt sitzen wir, Jecki, mein Freund und Vati und ich im Wohnzimmer und spielen
„Mensch ärgere dich nicht“.
Gerade als ich meine Sechs würfeln will, kam der Blitz und Donner.
Und genau beim Donner fällt der Würfel vom Tisch herunter und direkt in die Ecke.
Da hab ich ihn wieder gefunden und dann hat mich was gestochen.
Die Nadel ist trocken und hart.
Sie hat letzte Weihnacht am Weihnachtsbaum gesessen.
Zusammen mit den vielen anderen spitzen, grünen Brüdern.
Einen guten Duft habe ich noch in der Nase.
Der Tannenduft, als wir den Weihnachtsbaum aufgestellt haben.
Das machen immer Papi und ich.
Vorher haben wir ihn geholt.
In dem viereckigen Platz, der vom Zaun gebildet wird, den der Mann mit der blauen Wattejacke aufgestellt hat, stehen viele Bäume.
Große und kleine.
Der Wattejackenmann verkauft sie.
Der macht auch immer das Radio an, da dudelt dieses Lied.
Das aus Amerika.
Da singt einer immer ganz feierlich von den Christmasses, das ist englisch und soll Weihnachten heißen.
Alle kommen hierher und suchen sich ihren Weihnachtsbaum aus.
Da drüben steht eine feine Dame.
In ihrer Hand hält sie ein Taschentuch, mit dem fasst sie die Bäumchen an und dreht sie immer, dann schüttelt sie ihren Kopf, auf dem sie einen schwarzen Hut mit Tüllgardine vor dem Gesicht trägt,
und lässt das Bäumchen wieder zurück fallen.
Mit ihrem Taschentuch putzt sie ihren Handschuh ab, den Mantelkragen und geht zum nächsten Baum.
Suchend blickt sie zuerst den Baum an und dann umher. Ach, da kommt ja auch ein Mann dazu. Die beiden tuscheln ziemlich hektisch,
dann greift die Dame sich den Arm von dem Mann und sie gehen ein paar Schritte weiter.
Ich kann nur noch ihren Hut sehen und da, da hat sie wieder einen Baum bewegt. Sein Wipfel dreht sich, dann fällt er wieder zurück an den Stapel mit den andren Bäumen.
Na, das war er wohl wieder nicht.
„Komm, du musst die den auch mal anschauen.“,
Papi ist nun auch bei der Auswahl angekommen und
ich soll dabei sein.
Na der ist doch toll, denke ich, als ich den kleinen Tannenbaum sehe.
Papi hat natürlich gerade einen anderen in der Hand. Aber, da fehlt wohl doch ein wichtiger Ast, jedenfalls brauche ich nun nicht mehr
zum Anschauen antreten. „He Papi, guck doch mal, der hier ist prima.“
Der Wattejackenmann hilft mir. „Da hast du aber einen Superbaum gefunden, rundum schön und mit der Größe hat man ja keine Probleme, was zu groß ist wird eben abgesägt. Aber der ist eine prima Wahl !“,
nickt er mit seiner roten Nase und sieht zu Papi hin.
Papi sieht ihn sich auch an.
Kritisch, aber fair.
Prima, der ist es !
Papi geht jetzt in die kleine Bude an der Seite, da sitzt eine Frau,
auch mit Wattejacke, die hat die Kasse, eine kleine Geldkassette und da kommen auch die Geldscheine rein, die Papi ihr jetzt gibt.
Ich schaue aber lieber dem Wattejackenmann zu. Der hat unseren Baum jetzt in ein Rohr gesteckt. Da kommt er vorne wieder raus.
Angezogen.
Er hat einen Netzanzug an, der seine Zweige dichter an ihn drückt und wir können ihn besser in die Wohnung bringen.
Doch bevor wir ihn aufstellen, muss er noch ein paar Tage im Gartenhäuschen warten. Am 24. Dezember bringen wir ihn am Vormittag in die Wohnung.
In der Wohnstube breiten wir alte Zeitungen aus und suchen
den Weihnachtsbaumständer. Das passiert uns jedes Jahr.
Meistens ist er im Keller und muss entstaubt werden.
Die Schrauben sind schon rostig und jedes Jahr sagt Papi:
„Wir müssen uns endlich mal einen neuen, modernen Weihnachtsbaumständer kaufen, da gibt es schon welche, da steckst du den Baum nur rein und schon steht er richtig.“
Und wir sagen dann immer wieder:
„Ja, ja, da hättest du aber früher daran denken müssen, heute nehmen wir den alten.“. Dann holt Papi die Drahtbürste aus dem Werkzeugkasten, ich muss die kleine Säge holen und Mutti holt, ohne weitere Bemerkungen, aus dem Sanitätsschrank im Flur, eine Rolle Pflaster und eine weiße Binde. Die legt sie wortlos auf den Tisch und verschwindet dann aus dem Wohnzimmer. Wir fangen an den Baum hin zu stellen. Erst mal hat Papi die rostige Schraube mit der Drahtbürste gebürstet. Der Rost ist nun weg und Vati sagt:
„Das kann man sowieso nicht sehen, wenn der Baum drinnen steht.“
Dann nimmt er den Zollstock, das ist das Ding mit den Zahlen drauf,
den kann man aufklappen und dann wird er länger und länger.
Der Baum liegt noch auf den alten Zeitungen und Papi legt jetzt den Zollstock daneben. Unten am Fuß vom Baum muss er richtig liegen und dann guckt er oben an der Spitze nach, wie lang der Baum ist.
Da sind die Zentimeter wichtig. Nun schreibt sich Papi die Zahl auf, also die vom Baum. Jetzt wird der Zollstock an die Wand gelegt, aber so hochkant. Da wo der Zollstock zu Ende ist, macht Papi einen dünnen Strich mit dem Bleistift an die Tapete.
“Den müssen wir nachher wieder wegradieren“,
murmelt er vor sich hin und schiebt den Zollstock bis oben an die Decke.
Nun schreibt er wieder die Zahlen von den Zentimetern auf seinen Zettel und sagt dann laut: „So, wir müssen 50 Zentimeter abschneiden, hol doch mal die Säge, Dave.“ Na die habe ich längst in der Hand, denn schon beim Reinbringen in die Stube konnte ich sehen, dass der Baum ein bisschen zu groß für unser Zimmer ist. Ich reiche sie ihm hin und er beginnt mit dem Abschneiden. Am Fußende vom Bäumchen liegt jetzt wieder der Zollstock, der ist für die 50 Zentimeter, dann setzt Papi die Säge an und schreit plötzlich
„Aua !“, die Tannennadeln haben ihn gepickt.
Mutti erscheint in der Tür zum Wohnzimmer, sieht mich an und wirft mir Papis Arbeitshandschuhe rüber. Dann ist sie wieder verschwunden. Papi zieht sich nun die Arbeitshandschuhe an und setzt die Säge erneut an. Ich halte unser Bäumchen auch ein bisschen fest und schnuppere mit der Nase. Da wo der Baum so frisch gesägt wird, riecht man den Wald.
Das Stück ist ab.
Jetzt muss der Baum am Fuß angespitzt werden. Sonst passt er nicht in den Baumständer. Dafür haben wir ein scharfes Messer. Im letzten Jahr hatten wir es auch benutzt, da ist Papi nur einmal ausgerutscht
und dann floss das Blut aus seinem Finger. Papi brüllte nur
„Marie, ich brauch ein Pflaster !“, dann saß er im Sessel und hat mir gesagt, wie ich den Baum anspitzen muss. Dieses Mal habe ich mir die Öffnung vom Weihnachtsbaumständer noch einmal genau angesehen und gleich das Messer genommen. Papi brachte das abgesägte
Stück vom Baum vor das Haus, da wo die Mülltonnen stehen und ich habe ganz schnell ein bisschen geschnitzt, dann hat der Baum gepasst.
Als er wieder rein kam, brauchten wir ihn nur noch aufzustellen.
Irgend etwas hat Papi noch beim Aufstellen vom Weihnachtsbaum gemurmelt, aber ich habe es nicht verstanden. Die Schrauben habe ich dann fest gemacht. Ich passe besser unter den Weihnachtsbaum als Papi. Als unser Baum schon nicht mehr wackelte ist Papi zu Mami in die Küche gegangen. Ich habe es genau gehört, was er zu ihr gesagt hat.
„Der Junge muss deine Begabung für das Handwerkliche geerbt haben, er hat ihn perfekt zurecht geschnitzt.“
Was nun noch kommt, macht richtig Spaß. Die dünnen Kugeln aus silbernem Glas, mit weißen wie Zucker aufgeklebten Figuren, die farbigen Kugeln, die bunten Glitzer- Dinger und Lametta müssen auf dem Baum verteilt werden. Klar, dass Papi genau weiß wohin welche Kugel gehängt werden muss. Aber ich mache es. Auch ganz oben hänge ich welche hin, ich mag den Glanz der Kugeln, wenn die Kerzen brennen. Ach ja, die Kerzen.
Das ist nun wirklich Papis Aufgabe. Wir haben elektrische Kerzen.
Vor vielen Jahren hat Papi sie gekauft, weil die richtigen Kerzen aus Wachs ziemlich schnell abbrennen und gefährlich werden können.
Die elektrischen Kerzen sehen fast so aus, wie die aus Wachs und sind noch aus der DDR- Zeit. Papi mag die neueren nicht, die sind meist klein und auch noch bunt, unsere leuchten hell und weiß, fast wie eine richtige Flamme.
Zu dumm nur, dass wir sie vorher nicht ausprobiert haben, denn vor einigen Jahren hat Mutti sogar einen Elektriker- Notdienst angerufen,
weil die Kerzen einfach nicht brennen wollten.
Genau am 24. Dezember um 13,30 Uhr kam der noch zu uns nach Hause. Er hat unsere elektrischen Kerzen bewundert, sie seien so wertvoll, schon eine Anti ...., ähem eine Antiquicktät...., also eine ganz alte wertvolle Sache.
Nach einer Stunde, drei Tassen Kaffee und einer heißen Bockwurst zum
Kartoffelsalat hat er uns stolz gezeigt, an welcher Kerze gedreht werden muss, wenn alle brennen sollen. Für dieses Jahr war Weihnachten gerettet. Jetzt hat Papi sie alle in den Baum gesteckt und zur Probe angemacht. Ja, sie brennen. Was jetzt noch fehlt ist die Spitze vom Weihnachtsbaum. Die ist auch wichtig, weil Papi hat sie vor vielen Jahren aus Russland mit gebracht, da hieß Russland noch Sowjetunion und die Stadt, in der er war heißt heute St. Petersburg. Ganz stolz ist Papi auf diese Spitze und wirklich, die ist so eine silbern glitzernde Baumspitze, wie eine Weihnachtsbaum- Krone von einem Weihnachtsbaum-
Kaiser.
Und wieder ist noch ein kleines Problemchen zu lösen.
Bei den Zentimetern von vorhin hat Papi vergessen, dass die Spitze ja auch Zentimeter hat. „Mist !“, sagt Papi und hält die Spitze in der Hand, oben auf dem Hocker stehend. Aber Mutti hat alles mitbekommen und kommt auch gleich ins Wohnzimmer. In der Hand hält sie die Geflügelschere, die gibt sie Papi, nimmt so lange die Spitze und Papi schnipst dem Bäumchen oben die Spitze weg, dann kommt die
Weihnachtsbaumspitze doch noch oben drauf.
Nun ist er fertig, unser Weihnachtsbaum.
Fertig?
Nein, Mutti hat noch etwas in der Hand.
Das muss noch auf die Zweige von unserem Bäumchen.
Lametta.
Ich weiß nicht so richtig, warum das immer Mutti machen muss und warum sie dabei so feierlich tut. Sehr altes Papier ist die Hülle, in der unser Lametta liegt. Genauso alt muss auch das Lametta sein, dass da sozusagen Faden für Faden auf dem Weihnachtbaum gelegt wird.
Papi sagt geheimnisvoll:
„Blei- Lametta“
und erzählte es schon vor einigen Jahren. „Unser Lametta stammt von den Großeltern oder sogar von deren Großeltern.“
Vor mehr als ganz vielen Jahren, als die Eltern von Papi und Mami noch Kinder waren, in einem anderen Land lebten, also damals war das auch unser Land, aber später war es Polen, da haben sie schon unser Lametta auf ihren Weihnachtsbaum gelegt und den Glanz und das Glitzern im Kerzenschein bewundert und dann auch noch Weihnachtslieder gesungen und Geschenke bekommen.
Die gleichen silbernen Fäden haben wir nun Jahr um Jahr auf unseren
Weihnachtsbaum gelegt. Aber nun ist Mutti fertig damit, sie steht mit der alten Papierhülle in der Hand vor dem Bäumchen,
Vati steht neben ihr, hat die Kerzen angemacht und nun stehe ich zwischen ihnen und wir staunen unseren Weihnachtsbaum an.
Wie schaffen es die Bäume nur,
uns jedes Jahr dieses Gefühl von Wunderbar zu geben?
Noch kein Geschenk liegt unter dem Baum,
noch keine feierliche Weihnachtsmusik
klingt aus dem Radio und trotzdem
ist mir dieser Augenblick,
zusammen mit den Eltern hier zu stehen
und den Weihnachtsbaum anzuschauen so wichtig,
so feierlich schön.
*
Es tut schon gar nicht mehr weh.
Der Blutstropfen ist schon trocken.
„Dave, kommst du ? Du bist dran, mit Würfeln“
und „Nun mach schon, wir wollen doch noch baden fahren.“,
Papi klingt ungeduldig.
Draußen hat die Sonne die Wolken vertrieben und strahlt heiß vom blauen Himmel. Dünne Nebelschwaden steigen von der Straße auf, die Ränder der Pfütze trocknen schon.
Ja, gleich nach dem Spiel fahren wir
zum Bauernsee.
Händlermahnung
Oder
Wann ist es eigentlich Zeit für das Weihnachtsangebot?
Die Sonne brennt von oben,
die will den Sommer loben.
Schokolade schmilzt im Sonnenschein,
soll wohl noch lang nicht Weihnacht sein!
Gewitterblitz trifft Körper, hohl.
Drinnen, hinter dem Stanniol,
schmilzt Schoko- Bart und Sack.
Ist eben noch ein Sommertag.
Bikini über Gänsehaut.
Am Badestrand noch Kinder laut.
Die Tage noch so endlos lang,
ist vielleicht schon der Herbstanfang?
Gartenstühle rein gestellt.
Seichter Nieselregen fällt.
Kastanien knall´n dir auf den Kopf,
nun ist es Herbst, du dummer Tropf!
Wenn Kälte über Bäume streift,
der Atem vor der Nase reift,
Poullover wieder Mode sind,
dann wird es Weihnachten,
mein Kind.
Arbeit
Dem Weihnachtsmann fiel beinahe die Brille von der Nase.
Solch einen Schreck hatte er bekommen.
Da stand noch eine Aufgabe im Terminkalender!
Er hatte gemeint, den Plan für den heutigen Tag bereits erfüllt zu haben.
Doch die Anzeige auf dem Monitor weißt eindeutig darauf, dass er diese eine Aufgabe erledigen müsste, um das Soll zu erfüllen.
Sollte er das nicht mehr schaffen, käme sofort einer, der bereits darauf
wartenden arbeitslosen Weihnachtsmänner an die Reihe und er müsste sich dort wieder einreihen.
„Nein, das sollte nie wieder so sein. Lieber mache ich noch mehr unbezahlte Überstunde.“
Mit verbissener Besessenheit beginnt er mit dem letzten Auftrag für diesen Tag. „Ich hole erst mal einen Füllfederhalter und ein Stück Papier.“, entscheidet er, schon nach wenigen Sekunden des Nachdenkens. Gedacht, getan. Erst kramt er auf der einen Ecke des riesengroßen Schreibtisches im Arbeitszimmer, dann auf der anderen Ecke. „Da ist er ja!“, ein triumphierender Ausruf und in der hoch aufgereckten Hand des Weihnachtsmannes ist ein roter
Füllfederhalter zu erkennen. Mit ein paar Kritzelübungen auf einem alten Karton erprobt er die Einsatzbereitschaft. Trockenes Kratzen erst, dann erscheint in roter Farbe ein Kreis neben dem anderen. „Toll! Der geht. “, denkt der arbeitende Weihnachtsmann und macht sich auf die weitere Suche. Es fehlt ja noch das eine Stück Papier.
Alle Schubladen auf der einen Seite des Schreibtisches schon durchwühlt. Eigentlich gar nicht so ergebnislos, wenn man sich anschaut, was er alles schon gefunden hat.
Die zerrissene Rodelhose vom vergangenen Jahr. Da ist er auf dem roten
Hosenboden eine langgestreckte Rodelbahn, zusammen mit hundert Kindern herunter gerodelt. Unten angekommen riefen die Kinder laut:
„Hallo Weihnachtsmann, hast ne Hose mit Löchern an!“
Schnell hatte er sich wieder seinen Wintermantel übergezogen und damit sein Malheur getarnt. Am Abend dann flog die Hose mit dem Loch im Hosenboden in die Ecke. „Was soll ich denn damit? Das hätte längst schon in die Papiertonne gemusst!“, wettert der Weihnachtsmann in Gedanken. Ein dicker Brief vom Amt. Lauter Formulare quellen aus dem Umschlag. Was er noch auf seinem Konto hat, sollte er angeben und wahrheitsgemäß unterschreiben. Ob seine Frau, die Frau Holle wertvolles Geschmeide in ihrer Schmucktruhe lagert und ob er für seine Rentiere auch Steuern bezahlt. Mit welchem Fuß er aus dem Bett am Morgen steigt und ob das Wasser aus der Badewanne links oder rechts herum wirbelt, wenn er es ablässt.
Tausend Fragen, die beantwortet werden sollten und überall ein Kreuz machen und immer wieder unterschreiben. Und alles nur, weil der Weihnachtsmann dachte, er könnte vielleicht ein paar ¤ im
Monat als Wohnungsgeld dazu bekommen. Wütend hatte er damals im Sommer diesen Brief in eine Schublade geworfen und lieber auf die paar Kröten verzichtet. „Na endlich!“, ruft der Weihnachtsmann nun aus.
In der Hand hält er ein leeres Blatt Papier. Das legt er vor sich, setzt sich auf den Schreibstuhl und nimmt den Federhalter in die Hand.
Er hat nämlich noch folgende Aufgabe zu erledigen:
Denk dir Geschenke für Menschen aus, die sich nichts mehr wünschen können.
Was sind das für Menschen, die sich nichts mehr wünschen können?
Da wären zum Beispiel die großen Energiekonzerne, die Chefs, Banker, die Schlipsträger in der Führungsetage. Was könnten die sich wohl noch wünschen?
Aha! Der Weihnachtsmann hat eine Idee und schon kritzelt er in roten
Buchstaben: Neue, glaubwürdige Gründe für schlechte Meldungen,
mit guter Wirkung für die eigene Brieftasche.
1.
Heute müssen wir die Preise erhöhen, weil der Wind aus dem Osten weht.
Wahlweise oder nacheinander können auch die drei anderen Himmelsrichtungen eingesetzt werden.
2.
Der Ölpreis ist gestiegen, weil sich – gegen alle Erwartungen und
Vorraussagungen- Kumuluswolken im Himmelsbereich gebildet haben!
3.
Wir mussten unsere Diäten erhöhen, weil nur Rentner mit immer weniger Geld gut auskommen können, wir Politiker nicht.
So denkt sich der Weihnachtsmann ein wenig zynisch, neue Geschenkideen aus.
Aber was soll er sonst machen?
Schließlich geht es um seinen Arbeitsplatz und den will er unbedingt behalten. Kurz darauf legt er seine neuen Geschenkideen dem Chef- Weihnachtsmann vor. „Nur drei Ideen?“, tönt der, kurz nachdem er den Zettel des Weihnachtsmannes gelesen hat. Dabei schaut er den Weihnachtsmann mit großen, weil weit aufgerissenen Augen an. Der aber möchte am liebsten kleiner werden, schrumpfen bis auf Flohgröße. Schon setzt der Chef- Weihnachtsmann zu einem weiteren Satz an.
„Hoffentlich wirft er mich jetzt nicht raus!“, denkt der Weihnachtsmann noch und „Was wird wohl meine Frau, die Frau Holle sagen? Womit werden wir uns ernähren?“, folgen weitere ängstliche Gedanken.
Schon öffnet der Chef- Weihnachtsmann den Mund.
„Gleich wird es geschehen!“ duckt sich unser Weihnachtsmann, dann hört er diese Worte:
„Liebling, wach auf. Heute ist der 24. Dezember und du musst die Kinder
beschenken. Wach auf! Du hast wohl einen Alptraum gehabt!“
Frau Holle streichelt sanft seinen schneeweißen Bart und seine rosige Wange.
Erleichtert und froh nimmt der Weihnachtsmann ihre Hand und legt sie sich auf seine Stirn.
„Wenn du wüsstest, wie froh ich bin, dass es nur ein Traum war.“
Invasion
Milliarden dieser kleinen, flinken und unabweisbaren Angreifer kamen aus den dicken, grauen Transportern, die den Himmel verdeckten und die Sonne verfinsterten.
Gleich nach ihrer erstaunlich sanften Landung, begannen sie mit ihrem
unheimlichen Werk.
Da liegt ein Blatt von der Linde.
Es ist im Herbst zu Boden gefallen und soll eigentlich zu Humus werden. Schon ist es vollkommen bedeckt. Eisige Kälte hat es erfasst, seine Umrisse werden unsichtbar, zerfließen, werden konturlose, winzige Erhebung, weiß, noch gewölbt, aber je mehr Angreifer herabfallen, desto weniger ist von dem darunter Verborgenen zu erahnen.
Der Baumstubben daneben unterliegt dieser Invasion ebenfalls. Es ist nur eine Frage der Zeit und der Anzahl der Invasoren, dann erliegt er seinem Schicksal. Einmal vollkommen davon abgesehen, dass es zahllosen anderen lebenden wie toten Kleingetieren ebenso ergeht.
Kann denn gar keiner helfen?
Keiner etwas dagegen tun?
Schon kann keiner dort unter den Angreifern um Rettung flehen, nach Hilfe rufen! Immer tiefer versinken sie, die unschuldigen Opfer dieser Invasion.
Doch da! Man kann es kaum glauben, doch genau in diesem Moment beginnt er, der Gegenangriff. Mächtige Strahlen quellen neben den Wolken auf die Erde herab. Sie zerfasern sogar die Wolkenränder, die sich darum zu drängen scheinen, die hervoreilenden Strahlen wieder verdecken zu können. Aber es gelingt ihnen nicht!
Mit der noch ungeschwächten Kraft, die das vergangene Frühjahr und der ebenso vergangene Sommer, aufgefrischt und aufgespeichert hat, strahlen Licht und Wärme vom Himmel herab. Die Invasoren wehren sich, sie drehen an der Uhr, damit die Zeit schneller vergeht und die Sonne untergehen muss. Sie spiegeln die Lichtstrahlen zurück.
Das gelingt ihnen, aber nur bei den Licht- und nicht bei den Wärmestrahlen. Die lassen die Invasoren zergehen. Und da wo die zergehen, erlischt auch ihre Fähigkeit zu spiegeln.
Erst nur an kleinen Punkten, dann auf immer größeren Flächen wird erkennbar, dass die Invasion verloren ist.
Im Rinnstein schleichen sich die Invasoren fort. Als Tropfen und Bächlein
verkleidet, verschwinden sie in Sielen und somit von der Erdoberfläche.
Zum Vorschein kommen die welken Blätter aller Laubbäume der Umgebung, die meinen spärlichen Fegeversuchen im Herbst entgangen sind. Und auch die alte Fischbüchse, die wollte ich schon längst entsorgen, z.B. in der gelben Tüte, ist nun wieder sichtbar geworden.
Der erste Schnee ist geschmolzen.
Die saubere, weiße Schneedecke verschwunden.
Schade?
War denn der Weihnachtsmann schon da?
Schnee ist zu dieser Jahreszeit,
nicht zu sehen, weit und breit
wogt grünes Gras und frische Blätter,
es ist so richtig: Weihnachtswetter.
Und weil das Wetter milde macht,
am Himmel hoch die Sonne lacht.
Ein kleiner grüner Weihnachtsmann,
klopft bald an jede Türe an.
Geschenke, Rute, wunderbunte Eier,
das wird `ne schöne Weihnachtsfeier.
Und weil das Wetter milde macht,
am Himmel hoch die Sonne lacht.
Ein schwerer Sack im Sonnenschein,
den trägt man nicht so gern allein.
Als Helfer bieten sich da an,
Frau Elster und die Bundesbahn.
Und weil das Wetter milde macht,
am Himmel hoch die Sonne lacht.
So ist es alle Jahre wieder,
man singt so schön, und immer wieder
die stets beliebten Weihnachtslieder,
Und weil das Wetter milde macht,
am Himmel hoch die Sonne lacht.
Zum Empfang gibt’s Bowle, Punsch,
vorbei ist jeder fromme Wunsch.
Weihnachtsmann total beschwipst,
kriegt keine Lampe angeknipst.
Mutter kriegt nun Vaters Socken,
der Vater ´nen BH,
die Kleinen vor dem Baum jetzt hocken:
„War denn der Weihnachtsmann schon da?“
WINTER
Gestern war es wärmer noch,
im Keller gähnt nun schon ein Loch,
der Kohleberg wird kleiner.
Ein dicker Igel kriecht ins Laub,
man hört ihn nicht mehr schnaufen.
Musst noch mal Kohle kaufen.
Nun wird es weiß, wie jeder weiß,
das kommt von den Schneeflocken.
Im Schaufenster die Socken locken.
Besinnlichkeit und Spendenfreude
Ablass für Vergangenes
Gewissen und Vergangenes,
verlangen es.
Obdachlos bedauert,
um die Kindheit trauert.
Weihnachtsgedanke?
Treffen mit den anderen,
die das Fest noch feiern.
Die Gefühle eiern.
Trauerfreude, Weinen- Lach,
finanziell Geschenke- Krach.
Alle Jahre wieder.
Der eisig Wind spannt dir die Haut,
Finger werden blau.
Jetzt am warmen Ofen sitzen,
das wär ziemlich schlau.
13. August
Vor dem Fenster da draußen wirbeln die Schneeflocken.
Da werde ich doch gleich mal den Roller raus holen, denke ich noch,
aber da klopft es auch schon an der Haustür.
„Da draußen vom Walde komme ich her ....“,
klingt eine dunkle mächtige Stimme herein.
Ich mach die Tür auf.
Da ist er ja schon.
Der Osterhase.
Er hat seine Ohren, die ja auch Löffel genannt werden, nach oben gespannt und darüber noch verknotet, damit der große Sack nicht von seinem Rücken fällt. Sein langer weißer Bart, den er im Gesicht trägt,
wird vom Wind hin und her geweht. Sieht ganz lustig aus, der alte Knabe.
„Los“, sagt er,
„Wir wollen baden gehen!“
„Aber, wollen wir nicht erst die Geschenke unter die Weihnachtspalme legen ?“, frage ich ihn verdattert.
Der hat ja wohl ganz und gar keine Ahnung von Weihnachten, denke ich mir so. Auch seinen Schlitten hat er völlig falsch bespannt.
Statt der Rentiere hat er vier rote Füchse davor gespannt.
Wegen der Pause, die sie ja nun haben, picken sie sich ein paar Körnchen aus dem Schnee- Rasen vor dem Haus.
„Hoho.“, tönt nun wieder der Osterhase und stellt seinen Sack vor sich hin. „Geschenke? Ja warst du denn auch immer schön böse?
Hast deine Eltern geärgert und der Oma vom Nachbarhaus öfter mal den Krückstock weg genommen?“, fragt er mich.
Aber ich habe schon vorgesorgt und meinen Wunschzettel in der Einleitung mit der Aufzählung aller bösen Taten des vergangenen Jahres versehen.
Ich denke mal, der hat den noch gar nicht gelesen.
Ich nenne ihm also schnell mal ein paar Beispiele:
- im Februar habe ich dem Nikolaus eine Fallgrube ausgehoben, in die ist er auch geplumpst und ich hatte die ganzen Süßigkeiten bekommen. Das war lecker, da waren auch welche mit Schokolade dabei.
- im März dann, die tolle Sache mit dem Weihnachtsbaum. Einfach vom
Markt geklaut, quer durch die Stadt gelaufen und dem Bürgermeister direkt vor das Büro gestellt. Der dachte, er steht im Wald, als er sich wieder mal aus dem Büro heraus traute. Die Polizei musste ihn befreien. Mit ihren roten Uniformen und dem schwarzen Schimmel, den sie vor ihren Wagen gespannt hatten, sind sie mit lautem
„Tatütata“ vor dem Rathaus gelandet und haben den Bürgermeister befreit. Sogar in der Zeitung haben sie darüber berichtet. Und was da drin steht ist ja bekanntlich immer wirklich ganz wahr.
- Der April war leicht. Unsere Lehrerin, Frau Kluge gab die Zeugnisse aus. Zeugnisse kennt ihr ja, ist wie ein Einkaufzettel, bloß größer und darauf steht, was man –als schlechter Schüler- vielleicht noch schlechter machen kann. Bei mir stand nix drauf, nur ihre Unterschrift und der Stempel von der Schule.
„ Ich wüsste nicht, was du noch schlechter machen könntest.“,
hatte sie bei der Übergabe in der Klasse gesagt. Ich bin jetzt ein Jahr lang „Klassen- Schlechtester“.
- Im Mai dann die Sache mit dem Förster. Der hatten gerade dieses Ding
aufgestellt, das immer so ein grelles Licht verblitzt, wenn einer mit seinem Auto zu schnell gefahren ist. Habe es nur ein bisschen umgepolt, da hat es andauernd Fotos gemacht. Alles Autofahrer, die nicht schnell genug gefahren sind, hat es jetzt fotografiert. Das waren viel mehr und hat die Stadtkasse wieder richtig gestärkt.
- Der Juni war ja fast die Krönung der schlechten Taten, vor dem
Nachbarhaus habe ich eine Eisbahn gebaut. Einfach zwei oder dreimal Wasser vor der Treppe ausgegossen, der Frost hat Eis draus gemacht und dann noch fleißig drauf geschlittert, damit sie noch glatter wurde. Hui das war lustig, alle Hausbewohner, die auf die Straße traten sind auch prompt auf den Hosenboden gefallen, danach haben sie sich furchtbar aufgeregt. ´ „Genug, genug !“, ruft jetzt der Osterhase und quirlt aufgeregt mit seinen Löffeln in der Luft herum. „Ich habe es gelesen, jetzt erinnere ich mich wieder. Aber, was war eigentlich mit dem Weihnachtsmann, da hattest du doch auch etwas angestellt?“.
Ja, die Sache mit dem Weihnachtsmann passierte, glaube ich im Dezember.
Wohl genau am 24.- igsten. Die Eltern hatten noch am Tag davor darüber gesprochen, dass nun wieder die Zeit beginnt, wo die Eier auf der Wiese und im Wald, von dem dicken Mann versteckt werden.
Die Wochen vorher hat er genutzt und den Hühnern auf der ganzen Welt die Eier gestohlen.
Dann hat er sie bunt bemalt.
Und am 24.12. in jedem Jahr, da versteckt er sie dann überall und wir müssen raus, um sie zu finden. Aber ich bin am 23. am späten Abend noch einmal vor das Haus gegangen und habe mich umgesehen.
Es dauerte auch nicht lange und ich konnte den Weihnachtsmann mit seinem Eiersack am Himmel sehen. Einen weit leuchtenden Schweif zog er hinter sich her. Wie ein Kondensstreifen beim Flugzeug. Sicher ist er wieder zu hoch und zu schnell geflogen. Gleich in der Nähe ist er gelandet. Es polterte richtig und man hörte ihn auch fluchen.
Kein Wunder, im Park liegen die alten Flaschen und Büchsen herum, denn wohin soll man die sonst werfen ? Also genau in diesem Scherbenhaufen muss er gelandet sein. Als ich näher heran kam, konnte ich ihn noch fröhlich hüpfen sehen. Er fluchte auch nicht mehr, sondern rief immer:
„ Aua, aua!“. Als er dann endlich mit seiner Hüpferei fertig war, stand er bis zum Bauchnabel im Parkteich. Klatschnass stand er da und versuchte mit der einen Hand die Enten zu verscheuchen, die andere hielt ja immer noch den Eiersack. Die Enten wollten ihn nur besuchen oder sogar begrüßen, dann fiel mir ein, die legen ja auch Eier und wahrscheinlich wollen sie ihn vertreiben. Na jedenfalls schaffte es der Weihnachtsmann irgendwie wieder an das Ufer zu kommen. Auf dem nassen Teichrand verlor er noch einmal den Halt und plumpste hin.
Genau auf den Eiersack.
Es quietschquakte deutlich hörbar.
Laut fluchend schoss er davon, denn kaputte Eier darf ein Weihnachtsmann nicht verstecken. Obwohl ich so laut lachen musste, hat er mich nicht gehört, er hatte ja auch keine Zeit mehr, denn einen neuen Eiersack kriegt er ja nur am Nordpol, da wo es so schön warm ist.
Er wäre sicherlich zurück gekommen, um mit mir zu schimpfen, wenn er gewusst hätte, dass ich es war, der auf der Parklichtung dieses große Schild hingestellt hatte:
„Landeplatz für Weihnachtsmänner !“
stand darauf.
Die roten Füchse vor dem Schlitten schreckten richtig hoch, als der Osterhase laut anfing, zu lachen. Dann knotete er seine Ohren auf und reichte mir den ganzen Sack mit den Geschenken.
„Die hast du alle redlich verdient !“,
rief er und sprang wieder auf seinen Schlitten, der nun wie ein Blitz davon raste. Aber, die Füchse sind ihm wohl nicht schnell genug gewesen, denn er hob seine Peitsche mit der langen Schnur und knallte noch einmal.
*
„ Peng !“ und „Knall !“
Da draußen, vor dem Fenster auf der Straße fährt der Fritz mit seinem kaputten Moped wieder Probe. Sein Auspuff knallt schon wieder.
Davon bin ich aufgewacht.
Komischer Traum war das.
Draußen vor dem Fenster schwebten eben
leise und langsam Schneeflocken vom Himmel.
Daran denken ...
Wenn es draußen kälter wird, der Herbst mit bunten Blättern langsam vorüber ist oder wenigstens in der Zeit, wo der Nebel ganz langsam gefriert und glitzernde Muster auf Gras, herabgewehte Blätter und nackte Zweige zaubert, dann kann man daran denken.
Wenn es gemeinsam mit den Eltern in den Wald geht, die braunen Maronen, den dicken Steinpilz und den großen Schirmpilz sammeln oder gar die krause Glucke, und die Rehe und Füchse sieht, die weit vor einem wieder im Wald verschwinden, dann denkt man noch nicht so richtig daran.
Aber, wenn hoch am Himmel, mit lauten Tönen Vogeldreiecke zum Sammeln rufen, die Wildgänse nur zu hören, aber nicht zu sehen sind, weil Nebel da oben die Sicht auf die Sonne versperrt,
dann wieder schon.
Oder wenn die Sonne manchmal nur noch durch den Nebel hindurch zu sehen ist. Keine Wärme spenden ihre Strahlen, ihre Farbe ist weiß, bleich ihr rundes Gesicht, wie ein Käsegesicht sieht sie aus. Nur manchmal, man ahnt dann ihre Kraft, strahlt sie noch gelb vom Himmel herunter.
Das ist an jenen wenigen Tagen, wo der Himmel blau leuchtet und keine Wolke und kein Nebel mehr zu sehen ist.
Ja auch dann kann man daran denken.
Und selbst, wenn die Tage vorüber gehen, an denen der Nieselregen vom leichten Nordost- Wind in langen, grauen Schleierfahnen über die braunen Felder getrieben wird und die Mäuschen verzweifelt herum laufen, weil ihre Wohnung, der Bau unter der Erde, mit den vielen Ein- und Ausgängen unter Wasser steht und selbst die modernsten Pumpen es nicht mehr geschafft haben, das Wasser wieder heraus zu bringen.
Obwohl, ich weiß jetzt nicht,
ob die kleinen Mäuschen wirklich daran denken?
Eichhörnchen wohl auch nicht.
Erstemal sind die ganz lustig umhergehüpft. Immer wieder rauf auf einen Baum, herunter und wieder auf den nächsten Baum rauf. Ihr buschiger Schwanz hat rot geleuchtet in der Sonne und mit den anderen hat es „Greife“ gespielt. Dann haben sie sich einen dicken Bauch gefressen, den ganzen Sommer über Nüsse und Früchte gesammelt, einen Teil in der Erde versteckt, ob sie ihn wieder finden ist nicht immer sicher, und den Bauch brauchen sie, weil sie den ganzen Winter über schlafen, ohne zu futtern.
Deswegen brauche sie auch nicht daran zu denken.
Genauso wenig der große Bär, der Grizzly, der Braune.
Alle diese Bären halten ihren Winterschlaf und werden erst im Frühjahr wieder wach. Da ist die Sonne schon wieder stark, sie taut den Schnee und das Eis weg und die Bären können aufstehen und ihre Beeren fressen, na ja, wenn sie reif genug sind.
Dann ist aber alles längst vorbei und deswegen denken die auch nicht daran.
Was wohl mit den Vögeln ist? Also die Raben und Krähen denken bestimmt daran. Die bleiben ja hier bei uns, auch wenn es ganz doll kalt ist. Die Krähen sitzen dann ganz verfroren, ich weiß jetzt nicht, ob die da oben kuscheln, dicht beieinander in den Kronen der Bäume.
Man hört ihr heiseres Krächzen schon am frühen Morgen.
Es klingt wie:
„Harrrrt, harrrrt.”,
und wahrscheinlich meinen sie den Winter, der ihnen das Leben so hart
erscheinen lässt. Aber genau weiß ich das nicht. Sie sammeln sich ihr Futter auch schon direkt bei den Menschen. Aus Mülltonnen und so. Deswegen meine ich, glaube ich, dass sie daran denken.
Hasen werden wohl auch nicht daran denken. Die hoppeln über die Wiesen und müssen andauernd darauf achten, dass sie der Fuchs nicht einholt. Außerdem müssen sie sich vermehren, denn ich habe gelesen, sie sterben sonst aus. Also haben die gar keine Zeit,
daran zu denken.
Die meisten Menschen, die ich kenne, die denken aber daran.
Die Oma, denkt dabei an ihre schon erwachsenen Kinder und vor allem an die Enkel, zum Beispiel meine Oma, die denkt an mich!
Muttis und Vatis denken daran.
Sie denken an die Zeit, als sie noch Kinder waren und sie denken an ihre Kinder. Die Erwachsenen, die keine Kinder haben, die denken an den Mann oder die Frau, an den Freund oder die Freundin, ja denke ich jedenfalls.
Ob jetzt der Afrikaner daran denkt?
Kann ich nicht sagen, aber der Russe, der denkt auch daran oder der Engländer, Holländer und Schwede. Und Litauer, Usbeke und Ungar und Österreicher, ja sogar die Bayern und Sachsen.
Ich denke auch daran, wenn es noch kälter wird.
Wenn morgens fröhlich die Autofahrer fluchend versuchen die Autotüren zu öffnen, was nicht geht, weil sie zugefroren sind. Sie müssen sie aber
aufbekommen, denn schließlich liegt da drinnen der Eiskratzer und wahrscheinlich auch die kleine Flasche mit dem Spray gegen eingefrorene Autotüren.
Ich denke auch daran, wenn morgens um 4,30 Uhr unser Hausmeister allen Mietern beweist, dass er am frühesten aufstehen kann.
Mit seinem kleinen Traktor, der im Sommer schon um halb sechs den Rasen mähte, und im Winter nun, vorne mit einem kleinen Schneeschieber versehen, sehr früh seine Runden um das Haus dreht und eine breite Spur zur Hauptstraße zieht. Dann muss ich daran denken. Oder, weil die Auto jetzt an der Ampel viel vorsichtiger als im Sommer, herangefahren kommen und beim Wegfahren erstemal mit den Vorderrädern summend und brummend auf der Stelle fahren und erst später, als sie wollten, weiter voran kommen.
Denn es ist Schnee gefallen und der Räumdienst kommt sowieso etwas später.
Weihnachten ?
Wer das noch nicht weiß, Weihnachten sind die Tage, an denen Mutti und Vati flüsternd an meinem Zimmer vorbei gehen,
verstohlene Blicke wechseln und die Schokoladenringe, Weihnachtsmänner, die ich zum Fressen gerne habe,
Nüsse, die größeren Wal und die kleineren Hasel,aber auch die von ganz woanders,
die dreieckigen und die haarigen runden,
wieder im Kasten verstecken,
der in ihrem Schlafzimmer, im Schrank mit den Kleidern ganz oben drauf steht.
Und von dem ich eigentlich nichts wissen soll.
Weil?
Ja weil auf dem bunten Teller unterm Weihnachtsbaum alles wieder vereint, zu finden ist.
Der Kasten im Schlafzimmer der Eltern wird fast ganz leer und der bunte Teller hier unter dem Baum im Wohnzimmer ist voll, genauso wie die Schüssel, die auf dem Tisch steht.
In die fasst Papi öfter mal rein, nimmt etwas heraus, wickelt etwas aus, ist meistens Schokolade, oder er knackt mit dem Nussknacker, ist dann meist eine Nuss und und und.
Ich darf natürlich nie vergessen,
dass Vatis immer sehr cool sind, wenn es Weihnachtszeit wird.
Ist etwas für Kinder, die lieben Kleinen!!
Aber wehe, der Weihnachtsmann hat für meinen Papi nichts mitgebracht. Auweia! Ganz krank guckt er dann.
Na klar, er beherrscht sich.
Ein Mann, ein Trauerspiel.
Bis Mutti plötzlich sagt:
„Ach gucke mal, hier hab ich ja etwas aufgemacht, was gar nicht für mich bestimmt ist...“
Dann wird plötzlich auch für Papi Weihnachten und wir sind eine
zufriedene Familie.
Formel 1
Die Geschichten vom Christkind und dem Weihnachtsmann dürften ja bekannt sein. Was erwartet also der Leser oder Hörer, wenn er zu dieser
vorweihnachtlichen Zeit einer Lesung folgt, die Weihnachtsgeschichten zu Gehör bringen will?
Der Weihnachtsmann im Formel- 1- Fieber?
Hat er gar die Rentiere mit Renntieren verwechselt?
Wer wäre da wohl sein Konkurrent?
Der Osterhase läge nahe, oder der Pfingstochse.
Oder Beide?
Wie sähe das wohl aus?
Auf der Poolposition ist natürlich der Osterhase. Der hat ja bekanntlich nur gegen den Igel vor einigen Jahren ein Rennen verloren.
Der Hase und der Igel.
Die Geschichte kennt ja jeder aus seiner Kindheit.
In seinem silbergrauen Schutzanzug sieht er gar nicht so schlecht aus. Die Ohren allerdings hätte ich nie in so etwas, wie zwei umgestülpte Schultüten gesteckt. Aus der Ferne betrachtet könnte er auch eine Giraffe mit zwei Hälsen darstellen, aber wie alles, ist auch seine Bekleidung nur eine Frage des Geschmacks.
Sein grüner Rennwagen wird mit roten Mohrrüben angetrieben, von denen der Hase einen ganzen Sack voll eingeladen hat.
Manches Mal schon hatte ich den Verdacht, dass er nicht nur seinen
Mohrrübenmotor damit füttert, sondern selbst hin und wieder einen Happen davon zu sich nimmt. Das würde auch erklären, warum er die beiden vergangenen Rennen auf halber Strecke schon seinen Wagen schieben musste, weil die roten Mohrrüben alle waren.
Beim Pfingstochsen dominiert die Farbe Gelb.
Einzig die breiten, an den Enden ziemlich spitzen Hörner, hatte er schwarz gefärbt. Auf dem Rennumhang stand in grünen Lettern „Der gelbe Blitz“, was wohl seinen beiden Gegnern etwas Angst einflößen soll. Wie schnell er wirklich ist, kann ich nicht sagen, denn er lief bisher immer in Spanien, bei den Stierkämpfen und da war ich noch nie dabei.
Der dritte Starter ist nun unser Weihnachtsmann.
Seine Bekleidung und sein Rennfahrzeug brauche ich nicht zu beschreiben. Jeder von uns, weiß wie der Weihnachtsmann aussieht, womit er seine Rentiere antreibt und wie sein langer, weißer Bart hinter ihm her weht, wenn die richtige Geschwindigkeit erreicht ist.
Nun geht es los.
Alle, die das Rennen sehen können, sind total gespannt.
Eine Ampel mit den bekannten drei Farben, Rot, Gelb und Grün regelt, wann es los geht.
Die Zuschauer?
Na ja, da sind erstemal die ganzen Tiere des Winterwaldes, alle außer die, die ihren Winterschlaf schon begonnen haben.
Dann die Fan- Gruppen des Osterhasen, also eine ganze Menge Hühner, die aufgeregt gackernd und gluckend an der Rennbahn auf- und abwandern.
Die Fangruppe des Pfingstochsen ist eine bunt zusammen gewürfelte Truppe von Spaniern und Mexikanern, also jene Menschen, die den Stierkampf so toll finden. Ich muss gestehen, solch ein Fan bin ich nicht.
Mein Favorit ist eindeutig der Weihnachtsmann.
Das ist aber auch kein wunder, denn heute ist der 24. Dezember. Der Tag, ganz dicht an Weihnachten.
Am Morgen
„Hatschi!“, pruscht es aus dem Schlafzimmer.
„Na? Hast du dich etwa erkältet?“, fragt eine besorgte, weibliche Stimme aus der Küche.
Die liegt gleich ein paar Schritte weiter, nur über den Flur hinweg, gegenüber vom Schlafzimmer.
„Nein, ich bin dieser Tage immer richtig warm angezogen! Das muss eine Hausstauballergie sein.“, vermutet hingegen eine etwas poltrige, männliche Stimme.
„Kannst du mir mal verraten, woher der Hausstaub in unserem Haus kommen soll?“, so nun die drohende Gegenfrage, wieder aus der Küche.
„Nein, nein.“, beteuert die männliche Stimme versöhnlich stimmend,
„Ich bin doch dieser Tage andauernd in einem anderen Haushalt. So kann man sich schnell so eine Allergie holen.“
Dann erscheint in der Tür vom Schlafzimmer eine dickbäuchige Gestalt. Die Haarpracht um das Kinn und die Nase herum, verrät uns, dass der Ehemann inzwischen aufgestanden ist und den Tag begonnen hat.
Offenbar nach seiner Frau, die in der Küche inzwischen den heißen Kakao in zwei hohe Pötte eingefüllt hat. Dampfend stehen sie auf dem Küchentisch, gleich neben zwei Brötchen, dem Frühstücksteller und Butter, Marmelade und Honig.
„Erstemal verschwinde im Bad. Waschen und die Zähne putzen! Den Kindern erzählst du andauernd, wie wichtig das ist und selber bist du gerne bereit, darauf zu verzichten! Nix da. Wenn ich dir dein Brötchen fertig geschmiert habe, dann hast du das geschafft und wir können frühstücken.“, resolut scheucht sie, mit einer schnellen Armbewegung, den dicken Bartträger aus der Küche. Gehorsam, seit vielen Jahren kennen sich die Beiden gut und jeder weiß was er vom anderen zu halten hat, schlurft er hinüber in das Badezimmer. Lautes Schnaufen und Prusten hört sie in der Küche und weiß nun genau, dass ihre
Aufforderung ordentlich befolgt wird. Vor sich hin lächelnd schneidet sie nun sein Brötchen auf, trägt die gelbe Butter auf die dampfende Hälfte. Die Butter schmilzt an den Rändern bereits, da kommt eine Schicht süßer, durchsichtiger Honig hinzu. Als sie diese Brötchenhälfte auf die Frühstücksteller befördert, setzt sich der alte Mann gerade mit Schwung auf den Küchenstuhl. Nach einem kurzen, aber tiefen Schnubbern mit der knolligen Nase, die über dem Bartgeflecht thront, greift er sich das Honigbrötchen und beisst hinein. „Hmmh!“, gibt er seinem Behagen Ausdruck und dankbar schauen seine Augen auf die Gefährtin.
Die lächelt ihn an. Das hat nicht nur damit zu tun, dass ihm der gelbe Honig vom Brötchen direkt in den Bart tropft und die Haare verklebt.
Das hat viel mehr damit zu tun, dass sie beide schon so viele Jahre miteinander einen neuen Morgen erleben.
„Gleich nach dem Frühstück muss ich los.“, informiert nun der ältere Herr. „Ist schon klar, schließlich wirst du erwartet.“, antwortet ihm die freundliche Frau. „Gleich gehe ich ins Schlafzimmer und werden die Betten richtig aufschütteln, dann kommst du noch besser mit deinem Schlitten voran.“, ergänzt sie noch und nach einem dicken Abschiedsschmatz verschwinden beide aus der Küche.
Etwas vor sich hin ächzend zieht der Mann dicke Filzstiefel an die Füße und einen warmen, roten Wintermantel hängt er sich über die Schultern, denn da draußen ist es ziemlich windig und kalt.
Kalt wie im Winter.
Der Himmel zeigt all seine Sterne.
Sie glitzern wie Goldsplitter, nur der Mond glänzt wie ein dicker Brocken.
Als der alte Mann nun vor der Tür steht und mit seiner dicken Knollennase die frische, kalte Luft einzieht, beginnt langsam der Schnee zu fallen.
Einsam schwebt erst eine Flocke vorbei, es folgen immer mehr, in immer
dichterem Reigen. Schon liegt eine weiße Schneedecke vor dem Filzstiefeln des alten Mannes, der quer über den Hof zu einem der Stallgebäude schreitet. Nach rückwärts geht noch einmal sein Blick.
Lächelnd beobachtet er ein offenes Schlafzimmerfenster, in dem ein großes, weißes Deckbett von kräftigen Frauenhänden geklopft und geschüttelt wird. Hin und wieder entdeckt er auch den Kopf seiner Frau, deren Blicke nebenbei seinen Weg zum Stall zu verfolgen scheinen.
Gute Gedanken wehen zu ihm herunter.
Manches Mal ist es eben so, dass zwei Menschen, die so lange miteinander leben, sich ohne Worte, nur in Gedanken, miteinander verständigen können.
Als er die Stalltür öffnet, quillt ein Schwall warmer Stallluft in die kalte Luft nach draußen. Einzelne Schneeflocken schmelzen darin.
Schnell tritt der Mann in den Stall hinein und schließt die Tür hinter sich.
Hier im Stall stehen keine Kühe, keine Schweine. Ja nicht einmal Hühner oder Kaninchen sind hier zu finden. Vielleicht befinden die sich ja in einem der anderen Stallgebäude?
Hier stehen die Rentiere und gleich daneben ein riesiger Schlitten.
Da reicht es gerade für eine schnelle Fortbewegung, dass es zwölf Rentiere sind. Alle Rentiere drehen sich um und sehen den alten Mann an. In ihren Augen ist zu erkennen, dass sie genau wissen, was der heutige Tag bringen wird.
Sie sind bereit für eine große Fahrt.
Quer über den nachtblauen Himmel.
Einmal rund um den Erdball.
Ganz und gar freiwillig nehmen sie ihren Platz an der starken Deichsel des Schlittens ein.
Der alte Mann schnallt nur noch die Leinen fest und lädt einige Säcke auf, bis keiner mehr Platz findet.
Nun steht der Schlitten auf dem Hof.
Da ist die Schneedecke inzwischen so dick geworden, dass Dächer, Zäune, Bäume und Büsche dicke Pudelmützen tragen.
Am erleuchteten Küchenfenster steht die ältere Frau, von der die meisten nun wissen, dass es Frau Holle ist.
Sie winkt dem alten Herrn auf dem Schlitten fröhlich zu.
Und nur die ganz klugen Leute wundern sich darüber,
dass der Weihnachtsmann mit Frau Holle zusammen lebt.
Neuer Wintertag
Wieder beginnt ein neuer Wintertag.
Vor dem Haus, aus dessen Schornstein dichter Qualm in den Himmel quillt, stehen schon zwei Füchse, die mit kleineren Schlitten je einen Sack voller Geschenke aus der Weihnachtsmann- Fabrik angeliefert haben.
„Gut dann, meine liebe Frau Holle, da draußen warten zwei Säcke für die Kinder, ich mach mich auf den Weg.“, mit diesen Worten wendet sich der Weihnachtsmann seiner Frau zu,
um sich seinen täglichen Guten- Weg- Kuss abzuholen.
„Und behalte die Handschuhe an, mit kalten Händen ist schlecht Geschenke verteilen.“, mahnt indessen Frau Holle und küsst den Weihnachtsmann endlich, damit er ihr Platz für die täglichen Arbeiten im Haus macht.
„Na endlich kommt der mal heraus, ich weiß gar nicht warum wir uns so beeilen mussten“, denkt sich einer der beiden Füchse. Woraufhin der Alte meint: „Na mein kleiner Freund? Dir hat wohl noch keiner erzählt, dass ich jeden Gedanken lesen kann, nicht nur der Menschen, sondern auch aller Tiere in meiner Umgebung?!“
Dann erklärt er dem Fuchs, der sich in Gedanken die vorige Frage stellte, dass er selber auch gerne pünktlich ist und die Frage wohl verstanden habe.
Da der Fuchs von Natur aus ein rotes Fell besitzt, konnte der Weihnachtsmann nicht erkennen, dass dem Fuchs die Sache inzwischen sehr peinlich war. Sogar rot ist er geworden, aber, wie schon geschrieben, auf rotem Fell rot werden, bringt keinen Farbunterschied.
Für den Weihnachtsmann war die Sache dennoch klar, denn er kann ja die Gedanken von Jedem lesen.
Weil Frau Holle in der Nacht zuvor so fleißig war, lädt er alsbald die beiden Säcke der Füchse auf seinen eigenen, großen Schlitten. Die zwölf Rentiere, die sich längst an der Deichsel eingereiht haben, scharren erwartungsvoll und auch ein wenig ungeduldig. Also schickt der Weihnachtsmann die beiden Füchse mit einer freundlichen Handbewegung wieder in Richtung Weihnachtsmann- Fabrik,
schaute sich noch einmal auf dem Hof um, nickte zufrieden mit dem was er sehen konnte und steigt, ein wenig ächzend, auf den hohen Kutschbock seines Schlittens. Kaum sitzt er bequem, ziehen die Rentiere an. Ein leiser Ruck, dann lösten sich die Kufen vom Schnee auf dem Erdboden, nehmen ein bisschen Schneestaub mit in die Höhe.
Dann kann jeder, der es sehen will, sehen, wie der Weihnachtsmann hoch am Himmel, dicht unter den Wolken, in seinem Schlitten, auf dem ein dicker Sack erkennbar ist, in irgendein fremdes Land fliegt.
„Ho, ho!“, tönt es von ferne und einer, der gute Ohren hat, hört sogar die zwölf Glöckchen klingen, denn jedes Rentier hatte ein solches Glöckchen am Halse befestigt und weil sie beim Laufen mit den Köpfen auf und nieder wippen, klingen die Glöckchen laut und hell.
„Kling, kling!“, bimmelt es über das Land.
Zufrieden, weil die Fahrt so gut verfliegt und das Ziel schon erkennbar ist, brummt der Weihnachtsmann ein Lied in seinen Bart.
„Kling Glöckchen, klingelingeling.“
Dorfweihnachtsgeschichte
Der Schlitten steht!
Verblüfft registriert der alte Herr auf dem Schlittenbock, dass die kleinen
Schneestürme unter den Rentierhufen aufhörten zu wirbeln. Damit war die Fähigkeit des Schlittengespanns, da oben am Himmel zu fahren,
vorbei. Zuerst sanken die Rentiere langsam nach unten, dann folgte zwangsläufig auch der Schlitten. Irgendein Etwas verhinderte einen unkontrollierten Absturz, vielleicht sogar noch Trudeln, wie man das von Flugzeugen, die abstürzen, kennt.
So aber landete der Schlitten und die Rentiere sanft auf einer dünnen Schneedecke, die ihrerseits über ein Feld ausgebreitet lag. Die Rentiere stapften sofort an die Seite des Feldes, wobei der Schlitten deutliche
Spuren auf dem Feld zeichnete. Eigentlich sind es ja zwei Spuren, denn so ein Schlitten hat ja auch zwei Kufen, auf denen er fährt. In der Mitte findet man noch die Spuren der Rentiere, aber die meisten Menschen im Dorf kennen diese Spuren nicht.
Unten waren nun ein weißes Feld, mit zwei dunklen Spuren zu erkennen und oben ein dunkelblauer Himmel, mit einem gelben Mond und vielen Sternen, von denen man aber nur das Glitzern sieht. Manches Mal zieht eine hellgraue Wattewolke vorbei. Da können sich der Mond und die Sterne verstecken.
Der alte Herr schaut sich natürlich um.
Da, ein gelbes Schild. „Aha.“, denkt er sich, nachdem er den Namen des Ortes entziffert hat. „So sieht also dieses Dorf aus. Wollte ich mir ja eigentlich schon viel früher ansehen, hatte aber nie Zeit für einen Zwischenstopp. Na gut, dann mache ich mal einen Mitternachtsspaziergang und sehe mir alles an. Der Ersatzschlitten wird
eh eine Weile brauchen, ehe er hier ankommt.“
Gedacht, getan.
Gleich vorne, hinter dem Ortseingangsschild steht ein Haus und eine Scheune. Wegen der Schwerkraft sind in den Dächern der beiden Gebäude schwarze Löcher entstanden. Hier und da ist ein Dachstein verrutscht oder gar herabgefallen und die Scheune, die mit Platten gedeckt war, hat einige vom Wind zur Seite schieben lassen. Im Winter flitzen nun die Schneeflocken fröhlich hinein und sehen sich die Gebäude von innen an. Wann können sie das schon?
Im Sommer, das aber kann der Weihnachtsmann , den hat ja wohl jeder erkannt, nicht wissen, sehen die Winde aus allen Himmelsrichtungen in die verlassenen Gebäude, pusten die Netze der Spinnen mal in die Richtung und dann wieder in eine andere. Auch Regentropfen platschen da hinein und die schaffen es, dass fester Mörtel und Putz und Steine aufgeweicht und zerbröselt werden. Langsam zerfallen diese Gebäude, weil kein Mensch mehr darinnen wohnt.
„Vielleicht haben sie in einer Stadt Arbeit gefunden?“, denkt der Weihnachtsmann bei sich und sieht sich die andere Seite vom Dorfeingang an. „Ach, das ist aber schön. Hier wohnt ein schwarzer Hund, ein Pferd und ein Kater, mit einem buschigen Schwanz. Auch Hühner scheint es zu geben, aber alle schlafen um diese Zeit.“, meint der nächtliche Besucher und schaut gleich einmal in ein Schlafzimmer, in dem Menschen in ihren Betten schlafen.
Das ist auch im nächsten Haus so, gleich nebenan.
„Man sieht, ob ein Haus Menschen hat oder nur die Tiere.“, so der alte Mann, der weiter und weiter auf der Dorfstrasse wandert. „Die Häuser , in denen Menschen wohnen, bleiben ganz und werden sogar noch schöner. Die einen bekommen ein neues Dach, eine neue Eingangstür oder werden neu geputzt. Oder, vor dem Haus, wird ein großer Stein aufgestellt. Das sieht dann gut aus. Wenn nur die Tiere drin wohnen, dann verfallen die Häuser langsam. Den Tieren reicht eine trockene, dunkle Ecke, ein Platz an dem sie ungestört leben können.“
Andere Tiere wieder, sind ein Freund der Menschen und passen auch auf. Da bellen gerade ein paar Dackel los. Etwas in sich gekehrt, nachdenklich, und ohne sich an dem Gebell zu stören, geht der alte Mann weiter.
Vorbei an weiteren Einfamilienhäuser, die bewohnt sind, an der Dorfkirche, die ihren Turm noch immer stolz über die Dächer des Ortes erhebt, obwohl sie nur noch selten für Gottesdienste genutzt wird.
Einem Feuerlöschteich, der besonders gerne von den Tauben des Dorfes zum Trinken genutzt wird, begegnet er ebenso, wie den Neubauten aus der DDR- Zeit, die noch immer bewohnt sind, die Menschen haben sich da auch sehr gut eingerichtet, aber einige Fenster verraten dem Weihnachtsmann, dass nicht alle Wohnungen Menschen haben.
Das alte Gutshaus ist auch noch immer leer.
Aber die Löcher im Dach hat irgendjemand gestopft, vielleicht wird ja bald wieder einer dort wohnen?
„Ich kann das ja dann sehen, wenn ich wieder einmal hier vorbei komme.“ Mit diesem Gedanken geht er am Guts- Park vorbei, in dessen Bäumen sich
allerlei Getier verbirgt. Aber diese Tiere sucht er gar nicht, er hat anderes im Sinn.
„Aha! Da wohnt ja der Kerl.“,
zufrieden mit dem Erfolg seiner Suche schaut er in das Wohnzimmerfenster, aus dem ein heller Strahl in die nächtliche Dunkelheit dringt. „Der schläft noch immer nicht!“, stellt der Weihnachtsmann fest und es ist ja mindestens, vielleicht schon halb Zwei, wie ihm ein Blick auf seine goldenen Taschenuhr verrät, die er unter dem dicken, roten Mantel, in einer Tasche versteckt hielt.
Der helle Strahl, der aus dem Wohnzimmerfenster dringt, stammt von der kleinen Schreibtischlampe, die die Tastatur des PC erhellt, auf der der Dorfpoet mit acht Fingern herum klimpert.
Seine roten Augen sehen dabei direkt auf den Monitor, vor ihm.
Auf dem Bildschirm reihen sich Buchstabe an Buchstabe und Wort an Wort. „Hmmh, es scheint eine neue Weihnachtsgeschichte zu werden, die der da schreibt.“, zufrieden nickt der Weihnachtsmann und beschließt, sich wieder auf den Rückweg zu machen.
Gleich hinter der Kirche hält er noch einmal inne.
„Dass ich das nicht schon vorhin bemerkt habe!“, schillt er sich in seinen
Gedanken, dann schaut er noch einmal neugierig in die Fenster, gleich hinter der Kirche. Ein Häuschen, indem sich die Dorfbewohner wohl zu fühlen scheinen. Ein bunter Weihnachtsbaum steht, gleichsam Mittelpunkt des großen Raumes, indem es nach Schokolade, Glühwein, Kuchen, Kartoffelsalat, heißem Kerzenwachs und Bowle riecht.
Eine ganze Menge der Dorfbewohner, Frauen wie Männer, sitzen an einer großen Tafel. Sie schwatzen, erzählen und lachen miteinander. Junge und Alte kann der Weihnachtsmann erkennen.
„Die feiern froh. Das ist auch gut so!“, stellt der Weihnachtsmann zufrieden fest. Selbst, wenn sie sich im Jahr nicht immer gut verstanden haben, vielleicht sogar ein wenig gestritten, so sind sie zur Weihnachtszeit friedlich und feiern gemeinsam.
Laut lacht der Weihnachtsmann los.
Laut hallt es durch das Dorf, dieses kräftige, frohe Lachen.
Da drinnen, im Saal, wo so schön gefeiert wird, werden einige Leute
aufmerksam. Neugierig schauen sie aus den Fenstern. Aber sie können nichts erkennen. Die Fenster sind beschlagen, drinnen ist es warm und draußen kalt. So können sie nicht erkennen, wer da lacht.
Warum der Weihnachtsmann lacht?
Gerade ist ein vollkommen intakter Schlitten,
mit ausgeruhten Rentieren davor,
neben dem noch immer nicht kompletten Dorfbackofen, gelandet. Endlich kann die Reise weiter gehen.
Lachend noch steigt der Weihnachtsmann ein, dann schwingt sich Gespann und Mann wieder hoch in dem Himmel.
Die beiden Raucher, die draußen vor der Tür stehen, drinnen darf eben nicht geraucht werden, die sehen am Himmel einen goldenen Schweif.
Dass das der Weihnachtsmann war,
das hat ihnen und den anderen
diese Geschichte erzählt.
Farbe
Ringsum herrscht die frühe Ruhe. Keine lauten, weil fröhliche Kinder, kein LKW, der laut brüllend das Dorf durchquert, keine Sirene der jagenden Polizei, des rettenden Dienstes, der löschenden Feuerwehr, einfach nur Ruhe.
Der nachtdunkle Himmel wird vom Widerschein des Mondes erhellt.
Die Lichter der Sonnen und Planeten, deren Vorhandensein die stillen Lichtblitze aus ferner Vergangenheit verraten, machen dem Mond keine Konkurrenz. Sie bilden eher einen versöhnlichen Hintergrund für ihn.
Wolkenloser Sternenhimmel.
Eine Katze schleicht durch die Wiese auf der anderen Straßenseite. Ihr Schatten im Mondlicht verrät sie. Sie jagt ihrem Futter nach.
Die Vögel in ihren Nestern sind sicher vor ihr. Jedenfalls die Vögel, deren Nester auf den Bäumen oder unter einem Hausdach errichtet wurden. Die Augen der Katze blitzen im Silberlicht des Mondes auf.
Hat sie den Beobachter entdeckt? Ihre weiße Schwanzspitze zuckt nervös, gespannt. Am Tage könnte man ihren gebogenen Körper erkennen. Wie die Sehne am Flitzbogen spannt sich ihr Rücken, während die Augen das Ziel der Aktion, die Maus, die ahnungslose Ratte, nicht mehr verlassen. Diese Spannung hat den ganzen Körper erreicht. Dann folgt der Sprung, die wilde Jagd. Wer hat es geschafft?
Die Dunkelheit verhüllt es. Kehrt eine glückliche, weil lebendige Maus oder Ratte zurück, in den Schoß der Familie? Oder liegt am Morgen eine weitere Maus vor der Haustür, weil eine stolze Katze ihren Jagderfolg sichtbar machen will? Sie will prahlen. Es kann nicht gesagt werden, denn mal hat die Katze Glück und mal Pech.
Umgekehrt geht es der Maus oder der Ratte.
Wie kommt man jetzt auf eine Geschichte zur Weihnacht?
Vielleicht über den Nachthimmel? Da fährt doch der alte Herr im roten
Mantel mit seinem Rentiergespann im Dezember immer entlang.
Oder anders?
Es ist ja bereits Ende November und in vier Wochen beginnt die Zeit, in der der Weihnachtsmann nur noch unterwegs ist. Er muss, wie wir wissen, den Menschen der Welt die Geschenke überbringen. Eine schwere und anstrengende Aufgabe. Doch noch hat er Zeit. Noch hat diese Arbeit nicht begonnen. Die Katze einfach nur zu beobachten macht ihm Spaß. So früh am Morgen hat er seine Zeit für sich. Da redet ihm auch nicht Frau Holle rein, deren leise Schlafgeräusche an sein Ohr dringen.
Leise lächelt er sich in seinen Bart. „Holli hat ja auch die halbe Nacht noch die Betten geschüttelt, da kann sie ruhig noch schlafen.“ denkt er bei sich. Während er seine Schritte eher ohne genaues Ziel, einfach nur geradeaus lenkt, beginnt in seinem Kopf wieder dieses Fragen.
Wie immer, kurz vor der Weihnachtszeit, denkt er über Fragen nach.
Fragen, die auch so manchen Menschen bewegen.
Die Kinder sind doch das Fundament des Weiterlebens?!
Ihnen die Geschenke zu bringen ist eine Freude!
Erwachsene, die sich Liebe schenken, denen bringt er auch sehr gerne
Geschenke. Da ist es ihm gleich, ob diese Liebe- Verschenker alt oder jung sind. Ihm ist es auch gleichgültig, ob diese Liebe zwischen Mann und Frau, oder zwischen Männern und Frauen verschenkt wird.
Denn wichtig ist nur, dass es die wahre Liebe ist!
„Ist schon ganz toll eingerichtet, dass ich das ganz genau erkennen kann.“ überlegt der alte Herr bei seinem Morgenspaziergang weiter.
Er kann es am Licht und dessen Farbe erkennen.
Wie ja bekannt ist, strahlen alle Menschen mit eigenem Licht.
Jedenfalls für die, die es sehen können.
Dabei spielen die Gefühle eine wichtige Rolle. Je mehr Gefühl in einem Menschen zu finden ist, desto freundlicher strahlt sein rotes, warmes Licht, während auf der anderen Seite die Menschen mit wenig Gefühl immer mehr bläulich kaltes Licht verstrahlen.
Dem Weihnachtsmann fällt es ein.
Gefühle findet er mehr bei den Menschen, die nicht ständig an sich denken, sondern bereit sind, anderen ihre Aufmerksamkeit zu widmen. Ja sogar wenn die Menschen an Tiere denken, dann leuchtet ihr Licht freundlich rot.
Aber?
Was aber ist mit denen, die ihre Kinder hungern lassen?
Was ist denen, die Kinder sterben lassen?
Was ist mit denen, die Kinder missbrauchen?
Was ist mit denen, die töten?
Was ist mit den anderen Verbrechern?
Den Dieben?
Den Beamten, die die Menschen nur nach ihren Vorschriften beurteilen?
Was ist mit den Politikern, die doch nur an sich selber denken?
„Aach.“, seufzt der alte Mann.
„ja, auch die haben Mütter und Väter, die sie lieben.“
Und so glimmt in deren kaltem, blauen Licht auch immer ein Lichthauch Rot.
Mancher kann sich wandeln,
mancher das Blau verlieren und in den Rotbereich eintauchen.
Man weiß nicht, wann das geschieht. Man weiß nicht, mit wem es geschieht. Man weiß nicht immer, warum dies passiert.
Aber es gibt Fälle, wo das vorgekommen ist.
Ja, es gibt auch Menschen, die das Blau nicht verlassen wollen.
Weil sie sich so sicher fühlen, so gut geleitet, die Vorschriften zeigen ihnen wo es lang geht.
Dass ihnen auch Gefühle ein sicheres Geleit geben können,
haben sie noch nicht erfahren.
„Eigentlich können sie einem Leid tun.“, beendet der Weihnachtsmann sein morgendliches Überlegen.
„Außerdem finden sich immer wieder Menschen, die auch den Blauen Gutes wünschen. Zum Beispiel dieses Gefühl erfahren. Den Beginn der Farbänderung.
Ich werde ihnen allen, so wie in jedem Jahr, Geschenke bringen.
Im nächsten Jahr werden vielleicht wieder ein paar Blaue zu den Roten
gewechselt haben.“
Mit diesem tröstlichen Gedanken lenkt der Weihnachtsmann seine Schritte wieder zurück.
Noch am gleichen Nachmittag kann jeder, der es sehen kann, den Schlitten mit den Rentieren davor und dem Weihnachtsmann mit Geschenke - Sack darinnen, dicht unter dem Himmel eine goldglänzende Bahn ziehen sehen.
Neue Rentiere
Dieses Jahr soll alles anders werden.
Die Kinder wollen viel artiger sein, das jedenfalls hatten sie ihm im vergangenen Jahr unter dem Weihnachtsbaum versprochen. Also würde er in diesem Jahr nicht mehr die Rute benötigen. Das spart Platz auf dem Schlitten und Gewicht. Platz für noch mehr Geschenke und den Rentieren würde das Ziehen leichter fallen, weil der Schlitten ohne Rute weniger wiegt.
So denkt der Weihnachtsmann im Oktober diesen Jahres. Noch ohne den dicken roten Mantel steht er vor der Garage, in der Rentiere und Schlitten auf ihren Einsatz für diese Weihnacht fast das ganze Jahr warten mussten. Na ja, für die Rentiere war das schon lange kein Problem mehr. Seit ungefähr fünfzig Jahren, hatte der Weihnachtsmann alle lebendigen Rentiere in die Tundra und Taiga entlassen. Sie sollten ihr freies Leben führen können, selber Familien gründen und sich in ihrer natürlichen Umgebung wohl fühlen. Denn vorher wurden die sechs Rentiere für den Schlitten vom Weihnachtsmann nach Weihnachten eingefroren und in der kalten Garage abgestellt. Bis sie wieder gebraucht wurden, mussten die armen Tiere - außen auf dem Fell ganz weiß vom Frost - für Monate darauf warten, wieder richtig laufen und leben zu können.
Deshalb hat er also vor fünfzig Jahren beschlossen, die lebendigen Rentiere gegen die Rentiere aus Blech aus zu tauschen.
Ein bekannter Schlosser, der seit sehr langer Zeit in der Nähe vom Nordpol wohnt und dem Weihnachtsmann gut bekannt ist, erhält den Auftrag, solche Blechrentiere zu bauen.
Das war vielleicht ein Lärm, als dieser Schlosser wie wild und doch sehr bedacht auf die Form, die herauskommen soll, mit seinem großen Hammer auf den Blechteilen herum schlug.
Grob und lauter wurde es, wenn er die großen Teile für Bauch und Rücken formte. Leiser hingegen, manches Mal sogar nur ein leises Bing, Bing war zu hören, wenn er am Kopf die Nase, Augen und Ohren formte.
Denn natürlich sollten die künstlichen Rentiere nicht künstlich, sondern natürlich aussehen.
Sie sollten ziehen können, vor allem den Schlitten mit den Geschenken und dem Weihnachtsmann oben drauf.
Sie sollten schnauben können, denn so wie bei den echten Rentieren sollte beim Schnauben auch ein kleiner Schneesturm entstehen, nur darauf konnte der Schlitten über den Wolken fahren und die ganze Erde schnell umrunden. Zuerst aber schnaubte bei dem Schlosser, der auch gleichzeitig ein Schmied war, eine heiße Flamme. Die machte die Blechteile warm, bis sie glühten, dann können sie leichter in die neue Form gebracht, die Rohre für die Beine gebogen und mit den übrigen Körperteilen besser verbunden werden.
Das mit dem Schnauben sollte ein eingebauter kleiner Ventilator, im Blechkopf, gleich hinter dem Maul übernehmen und Schnee für den kleinen Schneesturm gibt es ja am Nordpol überall. Das war kein großes Problem.
Hei was freute sich der Weihnachtsmann als der Schlosser ihn bat, mit dem Schlitten zu einer ersten Anprobe vorbei zu kommen.
Ganz alleine hatte er sich vor den Schlitten gespannt und galoppierte zum Schlosser.
Die Eichhörnchen am Wegesrand haben sich fast kaputt gelacht und sind vom Baum gekullert, hinunter bis in den Pulverschnee, so lustig muss das aus gesehen haben.
Stellt euch das mal vor, ein großer Schlitten mit einer breiten Zuggabel für sechs Rentiere und ein kleiner, kugelrunder Weihnachtsmann stapft in der Zuggabel und schleppt den Schlitten ab. Wahrscheinlich hättet ihr sogar laut los gelacht. Als der Weihnachtsmann bei der Werkstatt angekommen war, brachte der Schmied und Schlosser die bereits zusammen gebauten Rentiere heraus. Der Weihnachtsmann hatte sich noch schnell abgeschnallt, damit er die Anpassung nicht stört und der Schlosser brachte eines nach dem anderen die Blechdinger, also die künstlichen Rentiere in die Zuggabel. Dann standen die beiden Herren, einer im roten Flanell- Hemd und der andere im blauen Schlosseranzug, dessen Latzhose stramm um den dicken runden Bauch spannte, vor dem Schlitten. Genauso gespannt betrachteten die Männer jede
Kleinigkeit und freuten sich, dass alles so ideal funktionierte. Ja, vor jedem Blechrentier entstand der kleine Schneesturm und jedes dieser künstlichen Tiere konnte mit dem rechten Ohr und dem linken Ohr wedeln, die Augen öffnen und schließen. Auf ihren Köpfen trugen sie Geweihe und sahen recht majestätisch aus. Ja, das sah gut aus. Klar, die Rentiere hatten zum Teil rostige Flecken am Bauch und eines sogar am Ohr und glänzten alle metallisch blau bis braun. Aber sie passten exakt in diese Schlittenzuggabel.
Da freuten sich die beiden alten Herren, der eine mit Vorfreude, weil es nun noch schneller an das Geschenke- Verteilen gehen konnte und der andere mit großer Freude über sein gelungenes Werk.
Aber, so ohne jede Farbe konnten sie nicht bleiben, die Blech- Rentiere. Sie könnten ja sonst rosten, denn Schnee kann tauen und wo Eisen und Wasser zusammen sind, da beginnt das Eisen zu rosten. Damit das nicht passiert, beschlossen sie gemeinsam die Rentiere anzustreichen. Zuvor jedoch war eine Probefahrt angesagt.
Sie stiegen auf den Schlitten- Kutschbock.
“Was?”, fragte der Weihnachtsmann erstaunt den Schmied,
“Was denn? Du willst mitkommen?”
“Natürlich!”, kam die postwendende Antwort.
”Ich muss doch sehen, wie meine Rentiere funktionieren. Und wenn mal eines ausfällt, kannst du es doch sowieso nicht reparieren! Oder?”
Ja, dass musste der Weihnachtsmann nun einsehen und so saßen zwei Bartträger auf dem Schlitten, als der sich hoch in die Wolken erhob und mal mit viel Gestöber und hoher Geschwindigkeit über das Himmelszelt fegte oder ganz plötzlich aus voller Fahrt bremste, dass die Kufen quietschten. Richtig festhalten mussten sich die beiden alten Herren, sonst wären sie noch vom Schlitten herunter gepurzelt. Der Schlosser überlegte sogar, ob er nicht ein paar dicke Sicherheitsgurte für die Schlitten- Passagiere einbauen sollte. Schnell vergaß er diesen Gedanken dann, weil die Blech- Rentiere mit dem Schlitten wieder sanft
und ohne zu ruckeln direkt vor der Werkstatt landeten. “Ho, ho!”,
rief der Weihnachtsmann gut gelaunt und lachte dabei, dass sich sein weißer Bart nur so schüttelte.
“Das war eine Fahrt, ho, die hat mir Spaß gemacht!”
Das war auch der Schlosser zufrieden und froh.
Nun musste also noch der Anstrich der Rentiere mit wetterfester Farbe gemacht werden. Und das wollten sie gemeinsam machen.
Schon am nächsten Tag, gleich früh am Morgen begannen sie damit. Jeder hatte sich drei der Blech- Rentiere vor sich hin gestellt und als erstes damit begonnen, die großen Körperteile mit einem schönen Braun anzumalen. Den ganzen Tag malten sie an ihren Tieren.
Als die Sonne aufging, da standen die Tiere noch rostig herum.
Mittags konnte man schon sehen, wie der braune Lack trocknete und am Abend dann, hatten alle Tiere nicht nur an allen Körperteilen die richtige Farbe, nein, die war schon fast vollständig getrocknet.
Und die Rentier- Augen strahlten mit Sanftmut unter langen Wimpern hervor. Wieder waren die beiden alten Männer mit sich und dem vollbrachten Werk zufrieden.
Der Weihnachtsmann bedankte sich bei dem Schlosser,
wollen wir einmal reinhören, was er dem alles sagte:
“ ... und so hast du mit großer Kunstfertigkeit Geschöpfe hergestellt, die den natürlich geborenen Rentieren es erlauben wieder glücklich und ohne Trennung von ihren Familien in der Tundra zu leben. Statt ihrer sind hier sechs Blechrentiere nun bereit dem Weihnachtsmann zu helfen, artigen Kindern auf der Erde am 24. Dezember jeden Jahres die Geschenke zu bringen.”
Tief bewegt umarmt er den Schlosser.
Der zupft sich an den dichten Augenbrauen, weil auch er sehr gerührt davon ist, dass seine Arbeit so gut gelungen, nickt und fragt dann:
“Ja, lieber guter Weihnachtsmann, werde ich denn nun auch meinen Lohn für diese Arbeit erhalten?”
Da zieht der Weihnachtsmann eine sehr bedenkliche Miene,
schüttelt genauso nachdenklich mit dem Kopf und sagt:
“Ja, sieh doch, lieber Schlosser ..”, tief luftholend unterbricht er seinen Satz und fährt dann fort: “Also sie doch, Schlosser, die öffentlichen Kassen sind leer! Und der Weihnachtsmann ist in der Finanzierung ganz hinten angesiedelt, weil er ja eh nur einmal im Jahr zum Auftritt kommt.”
“Das verstehe ich wohl, lieber Weihnachtsmann, aber von irgend etwas muss ich doch auch leben und weißt du eigentlich, wer das Blech für die Rentiere, die Kohle für das Schmiedefeuer und die Farben bezahlt hat?”
“Ja.”, entgegnet sorgenvoll der Weihnachtsmann.
”Ja, ich weiß es wohl. Das warst du! Und ich will dir ja auch dankbar sein! Du hast eine wunderbare Arbeit geliefert, warst pünktlich und alles funktioniert, wie versprochen. Aber wie schon gesagt, Geld vom Amt bekomme ich dafür nicht. Aber,
und der Weihnachtsmann wirkt plötzlich gar nicht mehr so beklommen wie vorher,
Aber ich habe da eine Idee!
Auf meinem Schlitten ist ja auch viel mehr Platz, seitdem ich keine Rute mehr mitnehmen muss. Die Kinder sind viel, viel artiger als früher. Sie machen das ganze Jahr über keinen Unsinn mehr und hören stets auf das, was ihnen ihre Eltern sagen.
Da kann ich dich nun in jedem Jahr zur Weihnachtszeit auf dem Schlitten
mitnehmen. Wir werden gemeinsam die Geschenke aus dem dicken Sack
verteilen und du bekommst die Hälfte von dem, was ich in jedem Jahr
Weihnachten als Lohn für meine Arbeit bekomme. Und ich lebe gut davon, wie du ja weißt.”,
fragend schaut der Weihnachtsmann den Schlosser an.
In dessen Augen schimmert die Freude ganz allmählich auf.
“Würdest du das wirklich machen? Künftig in jedem Jahr?”,
fragt er, noch immer ein bisschen ungläubig den Weihnachtsmann.
”Aber ja doch! Jedes Jahr der Zukunft, beginnend in diesem Jahr bin ich morgens am 24. Dezember vor deiner Schlosserei und klingle dich aus deinem Bett. Und ohne Frühstück und schnell musst du herauskommen.
Und dann geht sie los, die Fahrt rund um den Erdball.
Wir bringen Millionen Kindern ihre Weihnachtsgeschenke und wenn sie die am Abend finden und die Pakete und Tüten und Kartons öffnen, dann werden wir unseren Lohn empfangen.Freude und Dankbarkeit strömt immer wieder aus Millionen Kinderherzen in den Himmel hinauf.
Genug für uns beide, ein ganzes Jahr leben und arbeiten zu können.
Glücklich zu sein und zufrieden, ein ganzes Jahr lang.”,
andächtig endet der Weihnachtsmann seine Rede und schaut dem Schlosser in die Augen.
Der nickt ebenso andächtig zurück.
Seit dieser Zeit ist es also ein wenig anders zu Weihnachten.
Auf dem Schlitten, gezogen von sechs schnaubenden Rentieren, dessen Kufen auf einem kleinen Schneesturm dahin gleiten und dessen Laderaum von einem dicken Sack gefüllt ist, indem die Geschenke für die Kinder der Welt auf ihre Verteilung warten, sitzen zwei Gestalten.
Einer von den beiden lenkt die Rentiere und der andere zeigt hin und wieder mit ausgestreckter Hand in die Richtung, in die der Schlitten nun fliegen sollte. Und wenn es um dich herum ganz still ist, dann kannst du neben den Geräuschen des kleinen Schneesturmes, das tiefe fröhliche Lachen aus zwei alten Männerkehlen hören.
Gruß zur Weihnacht
Ihr Lieben,
diese letzten Stunden des 23.Dezember will ich gerne Euch widmen.
Wieder hat uns das Weihnachtsfest fest im Griff.
War das nicht auch schon so, als die Vorjahre sich dem Ende zu neigten?
Klar, ganz zu Anfang waren wir selber Kinder, die erwartungsvoll in der Küche in einer kleinen Reihe standen, bis das erlösende Glöckchen tönte oder unsere Mutter verkündete, dass der Weihnachtsmann da gewesen wäre.
Nie habe ich heraus bekommen, woran sie das erkannte.
Kaum ein ungewohntes Geräusch ertönte, kein Kratzen im Schornstein oder ein sich wieder schließendes Fenster drang durch die geschlossene Tür, die die Küche und uns vom Wohnzimmer, dem Weihnachtsbaum, dem Weihnachtsmann und seinen Geschenken trennte.
Später habe ich, als Vater unserer Kinder, die Rolle des Weihnachtsmannes übernommen und kräftig gegen die Tür geklopft, wo dann der Sack mit den Geschenken vor der Wohnungstür stand.
Der Weihnachtsmann hatte damals halt keine Zeit und die Geschenke mit dem Sack einfach vor der Tür abgestellt.
Und heute beobachten ich die erfolgreichen Versuche meiner erwachsenen Kinder, ihren Eltern ein wenig von der weihnachtlichen Stimmung mit zu teilen, die sie selber sich im Herzen bewahrt haben.
Und so bleibt es dann wieder einmal nur noch übrig allen Freunden, Bekannten und Verwandten für die kommenden Festtage Ruhe, Muße und Gesundheit zu wünschen und die Kraft dazu, dieser Aufforderung eines Weihnachtsliedes zu folgen:
Lasst uns froh und munter sein!
Wenn alle Brünnlein fließen ...
ist Teil eines alten Volksliedes.
Den Text versteht man kaum, wenn Tante Lieselotte ihn vor sich hin summt, während sie im Wohnzimmer den Weihnachtsbaum für das bevorstehende Weihnachtsfest schmückt.
Ja, sie ist schon viele Jahre dafür zuständig, denn Onkel Paul hat in dieser Zeit die Küchenchef- Rolle übernommen. Das ist doch eher die Ausnahme, denn in den meisten Familien, die ich kenne ist es genau umgekehrt.
Warum diese ungewöhnliche weihnachtliche Arbeitsteilung bei Lieselotte und Paul statt findet?
Sie wurde vor mehr als zwanzig Jahren vor allem dadurch festgelegt, weil Onkel Paul vom Hocker krachte.
Er bemühte sich gerade darum, dem Weihnachtsbaum die Krone, also die Spitze aufzustecken, als Tante Lieselotte in das Zimmer trat und ihre Auffassung von einem bestens geschmückten Weihnachtsbaum kund tat. Wegen des Unterschiedes zu seiner eigenen Auffassung war Onkel Paul erst mal empört. Dann wollte er sich schnell umdrehen und dies mit heftigen Worte seiner Lieselotte erklären, da geschah es.
Er verlor das Gleichgewicht und fiel heftig mit den Armen herum fuchtelnd vom Hocker. Sein Aufprall auf den Fußboden beeinträchtigte nicht nur seine Stimmung, sondern auch seine Möglichkeiten sich weiter fort zu bewegen und damit jenes Weihnachtsfest.
Er lag den Heiligen Abend und die Weihnachtsfeiertage im Krankenhaus, weil der Bruch des linken Fußknöchels sehr kompliziert war und ein Vergipsen erst dann möglich wurde, als die Schwellung wieder zurück ging.
Anklagend sahen seine Augen jeden Tag auf Lieselotte, die schuldbewusst zurück schaute. Dabei teilte sich die Schuld ja eigentlich in mindestens zwei Teile, wie Onkel Paul später immer zu sagen pflegte.
Sie verbrachten die Fest- Tage gemeinsam im Krankenhaus, denn Tante Liselotte besuchte ihren Paul natürlich täglich mehrere Stunden und die Leitung jenes Hauses, in dem es ständig nach Äther und Ölfarbe zu riechen schien, hatte es genehmigt, dass sie die Regeln der allgemeinen Besuchszeit überziehen durfte.
Ausnahmsweise und nur wegen der Weihnachtszeit.
Das betonte auch die Stationsschwester, als sie das Krankenzimmer betrat, in dem Onkel Paul lag, das Bein mit dem gebrochenem Knöchel auf einem mit Binden umwickelten Eisengestell hoch gestellt.
Das gesunde Bein lag unter Tante Liselotte, die sich kurzerhand aber züchtig bekleidet noch, neben ihn gelegt hatte. Ein wenig nur wollten sie zärtlich miteinander schmusen, doch die Absicht endete in albernem Gelächter, was schließlich diese gestrenge Stationsschwester auf den Plan rief.
„Ganz unlustig war die Sache nicht.“
So jedenfalls Onkel Paul im späteren Resümee.
Seit jener Zeit bereitet Onkel Paul in der Küche den Weihnachtsbraten und Tante Lieselotte putzt den Weihnachtsbaum für das Fest.
Unbezahlbares
Von Ruhe und Stille ist die Rede.
Von der Heiligkeit einer ganz bestimmten Nacht,
von der die einen meinen,
dass es ein guter Grund ist den anderen noch etwas mehr abzuknöpfen.
Kaufen und Verkaufen,
höhere Gewinne machen,
Stress vom Arbeiten,
von den Überstunden stehen dem
Flockenfall,
dem Herabschweben filigraner Eiskristalle ebenso entgegen,
wie dem leichten Flackern der ovalen Flamme, die über dem Wachskörper einer Kerze deren Docht entspringt und höher und höher schweben will.
Was ist der aromatische Geruch von Glühwein wert, die sich erwärmenden Hände, die den Plastbecher halten,
genossen im Getümmel und Gedränge eines gut besuchten Weihnachtsmarktes,
verglichen mit dem Duft des erloschenen Lichtes, dessen Glut eine Tannen- Nadel entzündete. Die kleine Flamme ist schnell erloschen und es kräuselt sich nun eine Spirale von Qualm - verträumt fast - oberhalb des Zweiges empor.
Schnell verfliegt sie, aber die Nase hat ihn gefangen, einen Geruch von Weihnacht.
Das war kein Sonderangebot im Supermarkt!
Nein, das waren vielleicht fünf, zehn oder zwanzig Jahre Weihnachtserfahrung, von dir selbst gesammelt,
aufbewahrt und immer wieder hervor geholt.
Der Duft hat dich berührt.
Erinnerungen herauf beschworen.
Erinnerungen an die Kindheit?
Ja, natürlich!
Kind sein und Weihnachten erleben,
Schneefall, Schlittenfahrten, Geschenke,
Vorfreude auf dieses,
sonntägliche Kerzenritual der Adventszeit,
Leben im Kerzenlicht.
Zeit der Gegensätze.
Kälte auf der Strasse, im Wald, auf dem Rodelplatz und
Wärme in der Stube, rote Hände, schmerzend zwar, aber sind sie warm,
geht der Schmerz vorbei und weicht angenehm kribbelnder Hitze.
Zeit ganz besonderer Erlebnisse.
Mit dem Vater durch den Schnee stapfen, seine Fußabdrücke kopieren und an der Schrittweite verzweifeln, fast.
Den Berg herabrodeln in rasender Fahrt, auf dem Rücken des Vaters sitzend und hampelnd, während der noch einmal zum Kind wird und
der Mutter in der Nacht davon erzählt.
Unbezahlbare, glückliche Momente, auch für Erwachsene.
Mit dem Vater durch den Schnee stapfen,
den richtigen,
den einzig richtigen Weihnachtsbaum auswählen und,
jeder an einem Ende, ihn gemeinsam nach Hause bringen.
Das Lob der Mutter entgegennehmen.
Zeit der Vorfreude.
Wochen, Tage und Stunden zählen,
am Ende gar Minuten vor der Bescherung.
Bescherung
Strahlend heller Lichterbaum,
weihnachtliche Klänge,
glückliche, ruhige Eltern,
die froh ihren Kindern beim Auspacken der Geschenke zuschauen,
ihre Regungen beobachten und sich an
ihren strahlenden Augen erfreuen.
Minuten,
manchmal nur Sekunden der Andacht ...
Gefühle sind nicht gekauft,
haben keinen Gewinn abgeworfen,
konnten kein Geschäft werden!
Wenn alle Brünnlein fließen ...
ist Weihnachten längst vorüber.
Alle Geschenke sind ausgepackt, wahrscheinlich sogar umgetauscht oder schon wieder kaputt gegangen. Der wunderhübsche, festlich geschmückte Tannenbaum, dessen strahlende Erscheinung am heiligen Abend und die Tage danach, dem Wohnzimmer diesen nahezu überirdischen Anblick gab, ist längst im Zoo gelandet, wo sich eine Elefantenherde an seinen geschmacklichen Vorzügen ergötzte. Der Vater hatte den Aufruf zur Weihnachtsbaumspende gelesen und
- man ist ja in dieser Zeit so sehr karitativ - sofort entschieden, den Weihnachtsbaum, kurz bevor die Nadeln ihren angestammten Platz auf den Ästen verlassen, an den Zoo zu geben. Der Weihnachtsbaumständer wurde wieder in den Keller verbannt und statt der feierlichen, heiligen Klänge zur Weihnachtszeit, erklangen ganz andere, viel weniger heilige Musiken.
Draußen wechselte sich Nebel und Schneematsch mit Frost und orangefarbenen LKW- Salzstreuer ab, die Umgebung ihrem Einfluss zu unterwerfen.
Hin und wieder gab es auch schon grüne Grüße von der kommenden Jahreszeit.
Dieses Weihnachtsfest ist definitiv vorbei!
„Das nächste Geschenkfest ist Ostern.“, registrierte im Kinderzimmer Clara laut. Inmitten einer Reihe von bunten Puppen, die überwiegend vom vergangenen Weihnachtsfest stammten, steht sie nachdenklich da. Mit einem Finger bohrt sie in ihrem kleinen Näschen. Ihr großer Bruder ahnte es: heute sind wieder komplizierte Fragen zu beantworten.
„Was macht ein Weihnachtsmann eigentlich, wenn nicht gerade Weihnachten ist?“, da kam sie schon die erste Frage, wie aus heiterem Himmel der bekannte Blitz.
„Darüber habe ich noch nie nachgedacht,“ antwortet verdattert der ältere Bruder, nach dem ihm in kurzer Überlegung nichts besonders Kluges eingefallen war.
Er versucht die Situation zu retten, indem er eine Frage stellt, die Clara vielleicht etwas länger beschäftigen würde. „Was meinst du denn?“
Aber Clara ist um keine Antwort verlegen. Laut überlegt sie:
„Den Schlitten reparieren, die Rentiere füttern, den Stall ausmisten. Frau
Weihnachtsmann wird den Sack flicken, der hat bestimmt Löcher bekommen.“, so eine erste Gedankenkette, der genauso schnell die zweite folgt: „Der Weihnachtsmann macht bestimmt erst mal Urlaub mit seiner Frau. In der Karibik oder so, an einem weißen Strand!“,
scheint sich Clara ziemlich sicher zu sein.
Hawaianische Klänge schwingen in den Ohren, während sich dem Auge eine blaue Lagune präsentiert. Majestätisch rollen Wellen an einen weißen Strand, der den landseitigen Teil der Lagune bildet.
Auf einer roten Decke räkelt sich eine schlanke Blondine im roten Bikini.
Wohl gebräunt sind all jene Körperteile, die sie unverhüllt der Sonne ausgesetzt hat. An ihrer Seite, direkt unter dem schräg in den Sand gerammten roten Sonnenschirm, räkelt sich etwas massiges, verglichen mit der Blondine geradezu Mächtiges. Nur bekleidet mit einer, natürlich roten Badehose wälzt sich der Weihnachtsmann unruhig hin und her. Sein dicker Bauch plumpst von einer Seite auf die andere. Da, beinahe hätte er die Blondine neben ihm unter seinem Bauch begraben. Nur gut, dass sie rechtzeitig ausgewichen ist. Warum ist der Weihnachtsmann nur so unruhig? Was lässt ihn seinen Urlaub nicht genießen? Ist es ein vergessenes Bügeleisen, das nicht ausgeschaltet nun ein Häuschen am
Nordpol in hellen Flammen aufgehen lässt? Ist es ein vergessener elektrischer Ofen, dessen unnützer Energieverbrauch, bei den eminent gestiegenen Strompreisen den Weihnachtsmann in den finanziellen
Ruin stürzen wird? Nein!
Willst nicht glauben, was du liest?
Komm mit!
Wir können uns davon überzeugen, denn in Geschichten, die man schreibt, kann man bestimmen wo es hin geht.
Also schauen wir einmal am Nordpol in das Haus vom Weihnachtsmann.
Phuuuhhh, hier ist ja ein Schneegestöber.
Mit lautem Huii jagt ein Schneesturm die weißen Flocken und Kristalle über das Eis. Da drüben steht das Haus. Vollkommen aus Schnee oder Eisblöcken scheint es gebaut zu sein, denn es ist überall weiß. Aus einem mächtigen Schornstein dringt vom Sturm sogleich zerfetzt Qualm hinaus. Hinter der dicken Haustür aber ist vom Sturm kaum etwas zu hören. Nur leises Heulen dringt an dein Ohr. Im Flur hängt an der Garderobe ein dicker roter Mantel. Darunter stehen rote Filzstiefel. Schon beim Anschauen bekommst du warme Füße. Ah, und da steht die kleine Bank, auf der der Weihnachtsmann immer sitzt, wenn er wieder zu Hause gelandet ist. Hier zieht er sich immer ächzend die roten Filzstiefel aus und ruft nach einer Tasse heißem Kakao. Dann dauert es nicht mehr lange: „Hier ist deine Schokolade! Lass sie dir schmecken!“,
freundlich und ein wenig schmeichelnd kommt eine nette Oma daher.
Schlohweiße Haare umrahmen in Wellen und Locken ihr freundliches Gesicht, dessen Wangen im gesunden Rot leuchten.
„Hast dich wohl ein wenig überarbeitet?“,
fragt sie den Weihnachtsmann besorgt.
Der genießt ihre Fürsorge und den heißen Kakao und nickt ihr zu.
„Die Kinder wollen immer mehr und immer größere und immer schwerere Geschenke. Und deren Eltern sind nicht mehr bereit, den Kindern vernünftiges Wünschen bei zu bringen. Und ich werde ja nun nicht gerade jünger, da spüre ich jedes Gramm.“
"Aber du hast ja mich, ich werde dich schon wieder auf die Beine bringen.“ Zärtlich wendet sich Frau Weihnachtsmann ihrem Gatten zu.
Und der nickt ebenso freundlich zurück. Es scheint, als ob die beiden Alten noch immer ineinander verliebt sind. Der Weihnachtsmann steht nun von seiner Bank im Flur auf und folgt seiner Frau in die geräumige Küche. Es ist ja Abendbrotszeit und in der Küche brennt eine mächtige Flamme auf dem offenen Herd. Von hier aus gelangt die Wärme in das ganze Haus, so dass selbst am kalten Nordpol kein Weihnachtsmann frieren muss. Vom braunen Krustenbrot schneidet der Weihnachtsmann mit einem mordsmäßig großem Messer mordsmäßig dicke Scheiben ab. Eine für Frau Weihnachtsmann und eine für sich. Gelbe Butter und, nun ja nicht ganz gesund, aber wunderbar schmeckender Butterkäse und einige Scheiben Wurst komplettieren die Brote, von denen beide Alten mit herzhaftem Appetit Stück für Stück, Happen für Happen abbeißen.
Zwischendurch erzählt der Weihnachtsmann seiner Frau, was so alles am Tage passiert ist. Da war zum Beispiel das kleine Mädchen mit den vielen Puppen, die sie schon hatte und die sich dennoch immer wieder Puppen zum Weihnachtsfest wünschte. Clara hieß es wohl.
Aber der Weihnachtsmann hatte ihr nicht nur die gewünschten Puppen sondern auch etwas anderes mitgebracht.
Er hatte ihr die Fähigkeit geschenkt, künftig klug zu wünschen.
„Das war aber eine gute Idee von dir!“, lobte die Weihnachtsfrau ihren Mann und der nickte ihr zu.
Er fand sich in dieser Hinsicht schon immer sehr schlau.
„Aber wenn du schon der kleinen Clara so ein wunderbares Geschenk machst, warum nicht auch den anderen Kindern?“, fragt Frau Weihnachtsmann nun ein wenig kritisch.
Hustend - beinahe hätte er ein Stück vom Brot in die Luftröhre anstatt in die Speiseröhre bekommen- bemüht sich der Weihnachtsmann um eine Antwort: „Ich, ahemm, hust, hust. Ich bin wohl etwas überarbeitet und sollte mal Urlaub machen!“, fiel ihm dann als Antwort ein.
Da überlegte Frau Weihnachtsmann nicht lange.
„Gut! Weihnachtszeit ist längst vorbei, wenn alle Brünnlein fließen ist das so!“ „Und nun?“, erkundigt sich der Weihnachtsmann.
„Dir ist doch bestimmt schon ein Plan eingefallen?“
So gut kennt er seine Frau schon, um das zu wissen.
„Natürlich. Du machst bis Ostern Ferien auf Hawaii.
Direkt an der Lagune, an der wir uns vor dreihundert Jahren kennen lernten.“
„Ja gut, gerne.“ antwortet der Weihnachtsmann.
„Packe doch bitte unsere Sachen für den Sommer ein und dann rufe ich derweil ein Sommer- Renntier- Taxi.“
„Ich habe doch DU gesagt! Ich kann noch nicht weg von hier. Der Frühjahrsputz muss bis Ostern erledigt sein, denn kurz darauf kommt der Osterhase zu Besuch. Wie jedes Jahr. Da will ich Ordnung im Haus haben!“ „Alleine fahr ich nicht!“, entgegnet darauf ziemlich stur und dickköpfig der alte Herr. Ruhig und überlegt antwortet ihm Frau Weihnachtsmann: „Das habe ich mir schon gedacht, dass du dich zieren wirst. Darum habe ich eben schnell mal mit Cristine telepaktiert - das ist die Art am Nordpol bei Weihnachtsmanns zu telefonieren - und sie wird dich auf dieser Reise begleiten.“
Und so kam es, dass der alte Herr Weihnachtsmann seine Nichte,
eine Blondine im zarten Alter von 18 Jahren, am Strand beinahe unter seinem Bauch begraben hätte.
Ihm fehlte halt seine liebe Frau.
Die hätte er gerne dabei gehabt.
Und zum Weihnachtsfest des kommenden Jahres wünschte sich Clara einen PC. Die alten Puppen verkauft sie bei einem Internet- Auktionshaus, so kann sie locker die Flatrate bezahlen und tagelang mit der Nichte vom Weihnachtsmann chatten.
Das Jahr hat begonnen
Nur langsam ebben die Kopfschmerzen, da oben hinter der Stirn, ab.
Durch den langen Morgenschlaf, bis nach 11 Uhr, ist mein Zeitgefüge
durcheinander gekommen. Ist jetzt Frühstückzeit oder essen wir in wenigen Viertelstunden auf Mittagessen? Nahezu die gleichen Symptome wie beim Wechsel von der Normalzeit zur Sommerzeit. Leichte Verwirrung unter der Schädeldecke. Was ist jetzt zu tun?
Kaffeekochen hilft da meistens. Gewohnte Handhabung. Die Glaskanne mit Wasser füllen, das Wasser in den Behälter der Kaffeemaschine füllen. Den Filter am Falz kniffen und einlegen. Kaffeelöffel abzählen, in den Filter geben und dann einschalten. Vertrautes Geräuschgerumpel. Irgendwie blubbert kaltes Wasser aus dem Tank, wohl erhitzt
in den Kaffeepulverberg der Filtertüte und tropft als braune Brühe in die
Glaskanne. Ist diese gefüllt, dann verkündet lautes Blubbern, dass der letzte Rest des kalten Wassers den Weg in die Filtertüte gefunden hat. Nur eine Minute noch, dann kann der heiße Kaffee in die Tasse gegossen werden. Aha, ja. So ist der Ablauf. Das Keramik- Stövchen mit dem Teelicht auf den Wohnzimmertisch stellen, das Licht entzünden, dann die Glaskanne mit dem heißen Kaffee darauf stellen, das hält ihn warm. Tassen auf den Tisch, Sahnekännchen dazu.
Der Tag kann beginnen?
Fernseher anschalten. Wie war denn Sylvester anderswo?
Aha, die Feuerwehr und die Polizei hatten viel zu tun. Knallerunfälle und
besoffene Autofahrer. Sogar Tote. So ein Wahnsinn. Kapiert denn immer wieder keiner? Wie kann man nur so blöde sein. Andererseits ... Ich habe auch schon Zeiten gehabt, in denen ich mich ohne Überlegung hinter ein Steuer gesetzt habe. War Vaters Trabbi. Gottseidank, es ist damals nichts passiert.
Na ja, die Redakteure der Sender haben natürlich wieder die Todesnachrichten an die Spitze ihrer Sendungen gestellt. Die müssen doch wie die Wilden in Deutschland und wenn es da keine gibt, in aller Welt verzweifelt wie ein voll hungriger Vampir nach blutigen Nachrichten suchen. Aber was rege ich mich auf? Ist ja jedes Jahr so.
Der Hund mag auch noch nicht so richtig Gassi- Gehen.
Gestern Abend habe ich ihn nur aus dem Haus bekommen, weil ich ihm die Leine an das Halsband schnallte. Dieses, sonst so ungeliebte Ding von einer Hundeleine muss ihm so etwas wie ein Gefühl von Sicherheit verliehen haben. Die Knallerei, obwohl auf dem Dorf eher spärlich und in größeren Abständen, die die Jugend des Dorfes durch Abbrennen von Raketen und Werfen von Blitzknallern veranstaltete, hatte ihm die Lust auf Draußen total vergällt. Stattdessen bellte er los, wenn seine Ohren ein Knall, auf dem Sofa liegend erreicht. Wohl so ein Angstverdrängungsbellen.
Auch heute, am ersten Tag des neuen Jahres ist er noch vorsichtig auf der Strasse. Misstrauisch beschnüffelt er die herumliegenden Überreste der nächtlichen Knallerei und hebt, im Bewusstsein seiner langsam wieder gewonnenen Dominanz, ein Bein. Alles soll wieder so riechen, wie es in der Vergangenheit roch. Nach ihm, dem Dackel- Mix.
Von den Nachbarn habe ich in der Nacht nicht viel gehört. Sind schon etwas älter. Silvesterstadl, was man so im Fernsehen in der Sylvesternacht alles sehen kann. Wir haben mal hier und mal da geschaut. Ja, wir sind zu Hause geblieben. Knallen, mögen wir schon lange nicht mehr und so sehr sind im Dorf mit niemanden befreundet, dass wir miteinander den Jahreswechsel feiern mögen.
Wir sind aufeinander fixiert. Wir lieben uns.
Um die Weihnachtszeit waren unsere Kinder bei uns.
Waren schöne Tage. Silvester sind wir schon jahrelang alleine.
Das ist schön. Wir lieben es.
Pünktlich zum neuen Jahr klingelt eines unserer Telefone. Da sind die Kinder dran. Glücklich klingen ihre Wünsche und ihre Stimmen. Wir drücken ihnen alle Daumen, damit sie in ihrem Leben erfolgreich werden oder bleiben. Vor allem sollen sie gesund bleiben!
„Ja, auch ihnen und ihrer Gattin alles gute fürs neue Jahr!“
Ist unser Nachbar doch schon wieder draußen und holt Holz und Kohle für ein warmes neues Jahr. So wie jeden Tag. Auch der Nachbar dahinter ist schon auf den Beinen. Er und seine Frau sind jünger als wir.
„Ja, ebenfalls. Alles Gute im neuen Jahr. Ja, Gesundheit vor allem, die ist
wichtig!“ Sie arbeitet bei der Bundespolimanzei, wie wir immer scherzhaft feststellen. Er hat einen Großteil des Jahres Arbeit als Tischler oder auch in vielen anderen Berufen. So konnten wir es in den vergangenen Jahren, die wir hier wohnen, feststellen. Ist ein begabter Handwerker. So wie mein Bruder zum Beispiel. Nee, nicht der ältere, der jüngere! Der hat schon angerufen, heute. Wir wünschen uns gerne ein gesundes, neues Jahr. Hatte gerade mit meinem Hosenbein zu tun. War doch gerade erst aufgestanden und musste mich zurecht finden. Ja, mit ihm verstehe ich mich gut.
Er hilft oft. Wirkungsvoll. Mit beiden Händen. Ja auch seine Frau. Die haben unsere Mutter in ihrem Haus aufgenommen. Sie wird in diesem Jahr 87 Jahre alt werden. Nicht so einfach für die Beiden. Aber Mutter braucht nicht in ein Heim. Sie fühlt sich dort sehr wohl. Das ist das, was sie nicht vergisst. Alles andere leider immer öfter, immer nachhaltiger. Ob es in diesem Jahr wieder ein großes Geburtstagsfest gibt?
Fast die ganze Familie trifft sich an Mutters Geburtstag bei ihr. Im September. Wir werden sehen. In der Bowle war wohl etwas zuviel Rum.
Die war sowieso nur für mich gemacht. Meine Liebe blieb beim Rotwein. Sie kann ihn vertragen und es gibt keine Überraschungen am nächsten Morgen.
In diesem Jahr beginnen wir schon am 8. Tag des neuen Jahres mit Lesungen. So früh im Jahr hatten wir noch nie eine Lesung. Außerdem treffen wir uns in der zweiten Hälfte vom Januar mit einem Verlags- Chef und mit einem Musiker. Der Musiker hat ein Tonstudio und ich habe schon einmal ein Hörbuch gesprochen. Mit dem Verlags- Chef reden wir über Märchen und Geschichten vor, während und nach dem Fest.
Ist ein hoffnungsvoller Beginn, dieses Jahr.
Frühling
Wenn über die Schneedecke ein lauer Wind hinweg streift, beginnt es.
Wie für die Ewigkeit schien diese enge Verbindung gemacht zu sein, jene für den oberflächlichen Betrachter geschlossene Schneedecke. Zentimeter für Zentimeter verdichtete sich ihre Beziehung, lagen sie enger und enger aneinander gedrängt. Fast liebevoll zu Beginn umarmten sie sich. Bildeten für das menschliche Auge glatte Verbindungen, ohne irgendwelche Einzelheiten erkennen zu lassen, jede
Individualität einzelner Flocken aufgehoben. Ihre filigrane Gestalt, die feinen Sprossen und Häkchen hielten sich an den benachbarten Flockengebilden fest und enger und enger wurde diese Bindung, unter Aufhebung der wundersamen Kristallgebilde.
Alle fröhlich durch die Luft herangetanzten Flocken waren bereit, sich so stark zu verdichten, das eine geschlossene Eisdecke entstehen kann.
Absolute Harmonie und Liebe sollte herrschen.
Brutal fährt in diese Vereinigung ein strahlend, heißes Messer.
Von ganz weit oben, Millionen Kilometer weit angereist, schneidet ein
Sonnenstrahl, wie ein heißes Metall durch ein Stück Butter, in die geschlossene Schneedecke eine tiefe Furche. Wasser bildet sich und dringt in die vorher so feste Struktur der vereinigten Schneeflocken ein. Löst die enge Bindung, während die höhere Temperatur des für die Flocken so mörderisch wirksam werdenden Sonnenstrahls für einen Wasserverlauf sorgt, der von den sterbenden Schneekristallen gespeist wird.
Tropfen, statt Flocken bilden einen kleinen Wassertröpfel. Wo zwei oder mehr tröpfelnde Tropfen aufeinander treffen und vereinigen, entsteht ein Wasserläufchen, wenn die sich vereinigen, ein Wasserlauf.
Die wiederum bilden, im Plural, einen Bach und – wie es jedermann weiß – bilden Bäche einen Fluss und Flüsse speisen Meer.
Alle vereinigten, harmonisüchtigen, sich leidenschaftlich liebenden Schneeflocken von vorher sind tot, verschwunden, unwiderruflich dahin gerafft. Und dieses grandiose Sterben wurde dann von einem bedeutenden deutschen Dichter so fröhlich und optimistisch wie folgt beschrieben:
„Vom Eise befreit sind Strom und
Bäche...“
Tag der Veröffentlichung: 14.09.2009
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