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Schlecht geschlafen

Die ganze Zeit rudere ich in meinem Kopf mit einem Kahn herum. Immer wieder komme ich an die Stelle, wo es nicht weiter geht.
Dann drehe ich den Kahn herum und rudere erneut einen großen Bogen.
Schlafen kann ich dabei nicht. Ich bin schon drei Mal aufgestanden und hab die Toilette besucht. Und immer komme ich an der Wohnzimmeruhr vorbei, die sagt mir dann höhnisch wie spät es ist und dass nur wenige Minuten seit meinem letzten Besuch vergangen sind. Dann bin ich durch den kleinen Flur gegangen. Rums, da ist die Tür vom Bad. Weil ich kein Licht angemacht habe, bin ich überall gegen gestoßen. Zuerst an diese Tür. Dann an das kalte Waschbecken. Es ist aus Porzellan. Also auch noch hart. Das hat mich erst recht wach gemacht. Dann klopfte ich mit meinem rechten Knie an die Badewanne. Ja, die steht da auch drin. Mein schmerzendes Knie hat es mir deutlich gesagt. Und zum Schluss kam ich da an, wohin ich wollte, zu dem kalten Toilettenbecken. Eigentlich konnte ich schon gar nichts mehr machen, habe bloß ein bisschen gelangweilt auf der Toilette herum gesessen. Dann wurde mir noch kälter und ich habe gemeint, ich wäre auch müder geworden. Also ging ich wieder zurück ins Bett. Richtig ein gekuschelt und die Bettdecke ganz hoch gezogen. Bis über den Kopf. Dann die Augen zu und darauf gewartet, dass ich wieder warm werde. Hat ja auch geklappt.
Warm bin ich geworden, aber eingeschlafen bin ich nicht.
Wieder eine runde Boot gefahren.
Da höre ich wieder die Fenster vom Gutshaus rufen. Ach, habe ich gedacht, da kann man ja mal hin gehen. Weil mir noch nicht richtig warm geworden war, habe ich die Bettdecke um mich herum gewickelt und bin gleich durch die Hauswand hinaus gegangen. Direkt hindurch. Dann quer durch den Park.
Esmeralda, die alte Eule grüßte mich völlig überrascht. Mich hat sie in der Nacht noch nicht gesehen. Erschrocken riss sie ihre großen Augen auf und machte: „Hui, rui !“
Die einzigen, die davon einen Vorteil hatten, waren die kleinen Mäuschen, die flitzten vielleicht schnell über den freien Platz vor dem Eulenbaum. Ich grüßte Esmeralda mit einem friesischen „Moin, moin.“, aber sie starrte mich nur an und sagte nichts. Friesisch kann Esmeralda also nicht, dachte ich und dann kam ich auch schon beim Gutshaus an.
Ja, es waren die Fenster, die mich gerufen hatten. Da oben, das eine Fenster im dritten Stock winkte mir zu. "„Hier entlang ! Komm mal hier her !“, winkte es mir mit einem Flügel zu. Na ja, es war kein Problem für mich. Die Bettdecke noch fester um mich gewickelt, wegen der kühlen Nacht, und dann bin ich einfach hoch geschwebt. War viel bequemer, als die Treppe hinauf zu laufen.
Da oben war gerade eine Party im Gange.
Drei dicke Ratten machten die Musik. Die eine hatte eine Geige und fiedelte mit dem Bogen wie wild darauf herum. Die nächste spielte auf einer Flöte, es war wohl eine Blockflöte und die dritte Ratte bumste auf der großen Trommel mit ihrem Schwanz herum und knallte die Becken zusammen. Es war wohl eine ordentliche Musik, denn auf dem Boden drängten sich die Tanzpaare und schunkelten und tanzten begeistert. Da waren mindestens 12 Mäusepaare, sieben Rattenpärchen und sogar zwei Marder.
Auch einen Ausschank gab es. In der Ecke hatte eine ältere Maus, mit weißer Schürze sah die richtig niedlich aus, eine Milchbar eingerichtet. Ein oller Mäuserich fläzte sich am Tresen und tat so, als wäre die ganze Welt sein Eigentum, aber die Wirtsmaus lächelte nur, sie wusste wohl, wen sie vor sich hat. Die alte Angebermaus bestellte noch einen Honiglikör und schaute dann wieder den Tanzenden zu. Ich glaube, der hatte keine Tanzmaus abbekommen und ärgerte sich in Wirklichkeit. Drei weiß gekleidete Mäuse bedienten im Tanzsaal. Immer wieder kamen sie zum Tresen und gaben die Bestellungen an die Wirtsmaus weiter. Die füllte andauernd neue Milchgläser und brockte Käsestücke hinein.
Da spielt die Musik einen Tusch. „Trärähhh!“ Auf einer kleinen Bühne an der Seite traten nun die Künstler auf. Zuerst ein Jongleur. Mit sieben kleinen Käsebällen konnte er werfen und sie auch wieder fangen. Zum Schluss flogen alle sieben Käsestücken in den Mund vom Mausejongleur und waren nie mehr gesehen. Dem Publikum hatte es gefallen. Wie wild klatschten sie mit den Pfötchen. Nun kam der nächste Künstler. Was macht denn der? Er sprach sehr schnell und jedes Mal wenn er aufhörte zu sprechen, dann lachte das Publikum los. Ich habe nur wenig verstanden, mein mäusisch ist auch noch nicht perfekt, wir sind ja erst sehr kurz hier im Dorf und außerdem sprach er wirklich sehr schnell. Aber soviel habe ich dann doch noch mit bekommen: es war ein Witze- Erzähler. Natürlich, Witze über Menschen.
Nun war ich eigentlich ein bisschen sauer. „Kommt ein Mensch in einen Käseladen ...“, den Rest kann ich nicht mehr verstehen, denn die meisten Mäuse und Ratten im Publikum fangen schon an zu lachen. Aha, den Witz kannten wohl die meisten hier. Na ja, ich habe jedenfalls nicht geklatscht, als der Witze- Erzähler die Bühne verließ.
Ach so, jetzt kam die Raubtiernummer. Die Bühne bekam einen Käfig rund herum. Dann tritt ein Mäuserich mit Zylinder auf dem Kopf und einer Peitsche in der Hand in die Mitte vom Käfig. Nach einer ordentlichen Verbeugung knallt die Peitsche und von der Seite her betritt ein Eichhörnchen den Käfig. Artig macht es alle Kunststücke, die der Mäuserich ihm beigebracht hat und faucht hin und wieder auch in Richtung Publikum. Jedes Mal geht dann ein erschrockenes „Och“ durch die Menge. Dann ist das Eichhörnchen auch schon wieder fort. Der Dompteur, der Mauserich mit der Peitsche, bekommt ordentlichen Applaus und der Käfig verschwindet wieder.
Während der Umbaupause strömen die Gäste an die Milchbar und die Wirtsmaus bekommt tüchtig zu tun. Ein paar Mäuse sind vor die Zimmertür gegangen und rauchen klitzekleine Zigaretten.
Dann laden die drei Ratten wieder zum Tanz. Wild wogt das Tanzvergnügen hin und her. Da , an der Seite schlagen sich zwei Ratten. Betrunken von der Milch, viel zu viel haben sie getrunken, und wütend weil der eine Rattenmann die Frau vom anderen angefasst hätte, will der eine furchtbare Rache nehmen, die der andere nicht abbekommen will. Ich musste kichern, denn es gibt nichts Blöderes, als zwei Männer, die sich betrunken bösartig belauern und dann bei den ersten Schlagabtausch voll daneben hauen und mit der Nase im Dreck liegen. Auch diese beiden werden von ihren Frauen abgeholt, bemeckert und von den Zuschauern belächelt.
Die Musiker haben gleich noch einmal einen schnellen Tanz gespielt Beim Tanzen haben alle den dummen Vorfall vergessen. Nach dieser Tanzrunde ertönt wieder ein Tusch und die Vorstellung der Künstler geht weiter.
Alle versammeln sich vor der Bühne, die wieder hell erleuchtet und bunt geschmückt ist. Heraus tritt ein Rattenmann. Auch er trägt einen Zylinder, er ist aber kein Dompteur. Nein, er ist ein Zauberer. Erstmal lässt er kleine Gegenstände verschwinden. Da der Schlips von dem Angebermäuserich, der sich vorhin am Tresen herum fläzte, der ist verschwunden und alle lachen. Bloß der Mäuserich nicht. Aber alles was verschwindet kommt ja wieder. Siehste, da ist der Schlips auch schon wieder da.
Jetzt wirbelt die Trommel und es wird dunkel im Zimmer und auf der Bühne. Alle sind still. Kein Ton, außer dem Trommeln ist zu hören.
Alle schauen gespannt auf die Bühne. Da ist noch nichts zu sehen.
Das Trommeln hört nun auch auf.
Mit einem „Plob“ ist es vorbei.
Stille.
Keiner holt Luft.
Dann
„... „Aufstehen ,du Schlafmütze!
Es ist schon spät am Morgen und das Frühstück wartet !“,
hat Mutti mich geweckt.

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Tag der Veröffentlichung: 10.08.2009

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