Alles verändert sich ständig. Die Natur befindet sich in einem permanenten Wandel. Im menschlichen Körper werden ständig die Körperzellen ausgetauscht – mindestens alle sieben Jahre. Gesteuert wird dies von unterschiedlichen Körper- und Energiesystemen. Wenn der Energiefluss stockt, entsteht Druck. Dies führt auf der körperlichen und der mentalen Ebene zu Stress. Soweit so normal.
Mit dem Stress kann man eine gewisse Zeit leben. Dadurch ist es möglich, handlungsfähig zu bleiben und dafür zu sorgen, dass sich die Situation ändert. Erst wenn der Stress nicht abgebaut wird, führt er zu Überlastung und Erschöpfung.
Polarität ist ein universelles Grundprinzip. Es gewährleistet, dass die Dinge in Bewegung bleiben. Die Welt lässt sich durch die Dualität der Polaritäten erklären und darstellen, z.B. durch die Polarität der Geschlechter, durch die zwei Gehirnhälften und durch die Gezeiten Ebbe und Flut. Dieses Prinzip erzeugt den oben genannten Druck.
Die Polarität kann und muss aufgelöst werden, innerlich wie äußerlich, indem ein angefangener Prozess weitergeführt wird. Dabei geht es immer darum, etwas loslassen zu können (numerologisch das Gesetz der 2) . Manchmal ist das nicht möglich, dann bleibt man in den Polaritäten hängen. Das kann unangenehm werden. Auch in diesem Fall ist es möglich, die Polaritäten auszuhalten, ohne in die Reaktion zu gehen. Dies ist der Weg des Yogis.
Polaritäten gehen immer in zwei Richtungen. Einerseits versuchen sie, sich gegenseitig aufzuheben. Andererseits verstärken sie sich gegenseitig. Diese zwei Richtungen erzeugen einen Druck, der sich umso mehr verstärkt, je weiter man in das eine oder andere Extrem der Polaritäten geht. Die Lösung wäre die Auflösung der Gegensätze – um den Preis, dass der begonnene Prozess nicht weitergeführt wird.
Einen Prozess zu durchleben und bis zum Ende auszukosten, ist der Weg des Tantra. Er steht in Polarität zum Weg des Yoga. Die Vereinigung dieser beiden Wege findet im Weißen Tantra Yoga statt, das als Tages- oder Mehrtageskurs mehrmals im Jahr in Deutschland angeboten wird.
Die polaren Gegensätze werden in der yogischen Tradition durch die beiden Begriffe Shiva und Shakti ausgedrückt. Die Shakti-Kraft ist eine schöpferische weibliche Kraft. Shiva – Zerstörungskraft – ist eine männlich Kraft. Beide zusammen sind wichtig für alle natürlichen Prozesse. Shiva kann dem Yoga zugeordnet werden, Shakti dem Tantra.
Im Zuge der derzeitigen Veränderungen im Informationszeitalter triumphiert das Weibliche über das Männliche. Das ist der Impuls der neuen Zeit. Vorher war es umgekehrt. Bisher ging es vor allem darum, Shakti-Kraft zu kontrollieren. Das ist das Wesen des Patriarchats. Um die Schöpfungskraft zu kontrollieren, wurden Frauen erniedrigt, geknechtet und versklavt. Auch heute noch werden Frauen offen oder subtil unterdrückt, um die Shakti-Lebenskraft zu kontrollieren. Ein Spiegel dieser Unterdrückung ist der Umgang mit der Natur. Flüsse werden „begradigt“. Der Mensch macht sich die Natur untertan; das ist eine patriarchalisch-männliche Sichtweise. Wir wissen heute, dass sie zwar funktioniert, aber zugleich die Grundlagen des Lebens zerstört.
Wenn wir es nicht schaffen, im Einklang mit der Shakti-Kraft zu leben, können die vitalen Lebenskräfte der Erde nicht aufrechterhalten werden.
Ähnlich verhält es sich auch mit den vitalen Kräften im eigenen Körper. Viele Menschen versuchen, sich zu kontrollieren. Das funktioniert nur bis zu einem gewissen Punkt. Die Hochleistungsmedizin versucht, Krankheiten zu kontrollieren. Das stößt im Zuge der neuen Krankheiten an Grenzen. Statt dessen ist eine Versöhnung der Polaritäten nötig, die in der Versöhnung und Akzeptanz zwischen den Geschlechtern ihre Entsprechung findet.
Dinge aushalten zu können, Dinge zulassen zu können, und diese beiden Wege miteinander zu kombinieren – das ist die besondere Aufgabe eines Menschen, der sich sowohl mit seinen inneren Prozessen als auch mit den Umfeld konstruktiv auseinandersetzt. Das Innen und Außen kommt dadurch in Balance. Erschöpfung und Überlastung können abgebaut werden, wenn die richtige Entscheidung getroffen wird, wann es Zeit ist um zuzulassen und wann es Zeit ist um auszuhalten.
Schauen wir uns an, was der Unterschied in der realen Handlung ist:
Zulassen bedeutet, dass du die Dinge belässt und dass du keinen Widerstand leistest, sondern dich hineingibst in die Verhältnisse, in die Dualität, in den Konflikt und in das, was du vorfindest; und dass du dich ganz und gar damit vereinigst, damit ins Fließen kommst. Es bedeutet, dass du formbar bist wie Knete in der Hand der Verhältnisse.
Das bedeutet auch, die vielfältigen Hierarchien, denen wir ausgesetzt sind, zu akzeptieren und bereit zu sein, das zu tun, was einem befohlen wird. Dabei ist egal, was dir befohlen wird, wie schlimm es auch sein mag, und welche Konsequenzen es auch haben mag. Du gibst dich vollkommen hin
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Texte: Sangeet Singh Gill - Übungsreihen: KRI (Kundalini Research Institut)
Bildmaterialien: © BillionPhotos.com – Fotolia.com.
Lektorat: Siri Atma Kaur Schultz
Tag der Veröffentlichung: 02.01.2017
ISBN: 978-3-7396-9159-6
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