Cover

Prolog

 

 

 

 

 

„Ausgeschlossen!“

Gabriel Sinclaire lief rot an vor Wut und stützte sich mit seinen Händen auf die breite Arbeitsplatte seines Schreibtisches.

„So habe ich dich nicht erzogen Daislyn-Agnes Sinclaire! Hast du etwa alles vergessen? Du bist die Tochter eines angesehen und allseits geachteten Geschäftsmannes. Unser Name genießt einen tadellosen Ruf in der Gesellschaft und unsere Familie gehört inzwischen zu den erlesenen Freunden unseres Bürgermeisters. Ich werde niemals zulassen, dass du dir von einem dahergelaufenen Ochsenhirten den Kopf verdrehen lässt und alles aufs Spiel stellst. Deine Zukunft,… die deiner Schwester sowie deiner ganzen Familie! Du wirst diesen Flegel von einem Cowboy, der weder von zivilisiertem Benehmen noch anständigem Lebensstandard einen blassen Schimmer hat nicht heiraten! Diesen gesellschaftlichen Ruin werde ich niemals dulden. Was werden die Leute von uns denken! Wir wären gedemütigt und vor aller Welt indigniert. Alles worum ich mich in den letzten 20 Jahren bemüht habe, wäre vollkommen umsonst gewesen. Allein der Gedanke, dass du dort in dieser abgeschiedenen Wildnis zwischen einer winzigen Hütte und stinkendem Bullenmist hausen sollst, den Haushalt selbst bestellen und dich… Nein, Daislyn! Du gehörst an die Seite eines stattlichen Gentleman, der deiner zu schätzen weiß und würdig ist!“

„Vater!“,

unterbrach ihn da jedoch die Stimme seiner Tochter ungewöhnlich scharf. Daisy hatte die schrecklichen Worte ihres Vaters bislang schweigend über sich ergehen lassen, doch nun, da er begann Roberts Empfindungen für sie durch den Dreck zu ziehen, konnte sie nicht länger ruhig bleiben.

„Er liebt mich wie keiner deiner Gentlemen es jemals könnte! Jeder von ihnen ist doch stets nur auf seinen eigenen Vorteil bedacht. Sie haben Angst sich die Finger schmutzig zu machen und ziehen es vor in weichen Betten zu schlafen und von goldenen Tellern zu essen, als das zu tun, was ein Mann zu tun hat! Niemals würde ich es mit einem solchen unter einem Dach aushalten, geschweige denn in einer Ehe!“

Sie war lauter geworden und blickte ihren Vater nun mit funkelnden Augen an. In ihrem ganzen Leben hatte sie noch niemals den Ton gegen ihren Vater erhoben oder einen seiner Anordnungen widersprochen.

„Daisy, du…!“, setzte ihr Vater ärgerlich an, doch da erhob sie sich und blickte ihn mit Tränen in ihren blauen Augen an.

„Ich liebe ihn, Vater! Ich liebe ihn von ganzem Herzen und ich weiß, dass niemals wieder ein Mann einen solchen Platz bei mir wird einnehmen können.“

Sie suchte seinen Blick.

„Wenn du dir wenigstens die Mühe gemacht hättest ihn überhaupt kennenzulernen!“,

warf sie ihm vor und ihr Vater verzog wütend das Gesicht.

„Ich werde meine Entscheidung nicht ändern, Daisy! Er ist nicht standesgemäß um…“

„Nicht standesgemäß?!“,

fuhr sie ihn an.

„Wir leben nicht im Mittelalter, Vater! Davon einmal abgesehen ist Robert kein mittelloser Mann. Seine Familie hat selbst über Generationen in Boston gelebt bevor sie weiter in den Westen gezogen sind. Anthony Reed ist einer der angesehensten Männer im Westen und…“

„Du bist jung und naiv, Daislyn.“,

unterbrach Gabriel sie barsch.

„Dieser Kerl kann dir das Blaue vom Himmel erzählen. Du kennst den Westen nicht und du weißt auch nicht, wie die Menschen dort leben. Man kann es kaum eine Zivilisation nennen. Ich werde nicht erlauben, dass du dir durch deine jugendlichen Launen den Kopf verdrehen lässt und deiner Familie durch deine Leichtgläubigkeit einen unermesslichen Schadens zufügst!“

Er war zum Ende immer lauter geworden.

„Du bist ein Kind, gerade mal achtzehn Jahre alt. Du bist überhaupt nicht fähig so zu fühlen, wie du es meinst.“

Er erhob sich zu seiner vollen Größe und maß seine Tochter mit einem strengen Blick, wie sie es nur zu gut kannte. Ihr Vater war an sich kein schlechter Mensch und es hatte eine Zeit gegeben, in der er anders gewesen war, doch sein unersättliches Streben nach Erfolg, Ruhm und gesellschaftlichem Ansehen, hatten ihn verändert. Es musste eine Ewigkeit her sein, dass er sie, ihre Schwester oder Mutter in den Arm genommen hatte.

Vielmehr hatte es nunmehr gegolten die Familie auf einen erforderlichen gesellschaftlichen Stand zu bringen und sich ja keine Fehler zu erlauben. Daisy hatte sogleich eine entsprechende Erziehung genossen. Vater hatte sie auf die höhere Töchterschule geschickt und auch sofort eine Gouvernante eingestellt. Vier Jahre später hatte sie ihr großes Debüt in der Bostoner Gesellschaft gefeiert.

Daisy hatte alles stets stillschweigend über sich ergehen lassen und hatte sich auch schon mit dem Gedanken abgefunden eines Tages die Frau eines angesehenen Gentleman zu werden, den ihr Vater für angebracht hielt, doch dann hatte sie Robert Reed kennengelernt.

Sie hatte ihn vor zwei Jahren während der Zeit ihres Debüts getroffen, als er sich geschäftlich in der Stadt aufgehalten hatte. Roberts Eltern waren alte Freunde der Familie Lissing, so dass er die Zeit über bei ihnen einquartiert wurde. Deren Tochter, Diana, mit der sie im gleichen Alter war und auch gemeinsam das Debüt absolvierte, war ihre beste Freundin. Über kurz oder lang war es dann zu der Bekanntschaft mit dem gutaussehenden einige Jahre älteren Jungen gekommen. Er war für seinen Vater mit zwei anderen Arbeitern der Ranch unterwegs um einige der besten Zuchthengste aus der Stadt mitzubringen. Felix St. Patrick, der als der hochgelobteste Züchter weit und breit galt und ein alter Freund der Familie Reed war, hatte seinem Vater die besten Exemplare des Jahres versprochen. Daisy hatte stets an seinen Lippen gehangen, wenn er von den unendlichen Weiten des Westens berichtet hatte und den kleinen florierenden Städten, die immer mehr Siedler bekamen. Bald sollte sogar eine Eisenbahnstrecke in den Nachbarort verlegt werden und Daisy hatte es genossen seiner angenehmen Stimme zuzuhören und den Blick seiner funkelnden Augen auf sich zu spüren. Des Öfteren war es ihr so vorgekommen, als hätte Robert ihr mehr hatte mit seinen Erzählungen von seiner Heimat hatte sagen wollen.

Der Plan, nicht mehr als freundschaftliche Gefühle für den Cowboy zu entwickeln, sondern es bei einer einfachen Bekanntschaft zu belassen, war kläglich gescheitert.

Schon nach kurzer Zeit hatte Daisy sich Hals über Kopf in den jungen Mann verliebt. Bei seinem ersten Abschied, hatte Daisy ihm wehmütig nachgesehen und sich gewünscht, ihn so schnell es ginge wieder zu sehen. Sie hatte gewusst, dass es Unsinn war. Einerseits lebte er weit entfernt von Boston und andererseits gab es für ihn kaum einen Grund ausgerechnet ihretwegen die Mühsal einer so langen Reise auf sich zu nehmen und wieder auf der Bildfläche zu erscheinen. Sie war für ihn doch nichts als ein unscheinbares Stadtmädchen. Ja, in Boston galt sie wohl etwas, aber so ein bodenständiger Kerl, wie Robert Reed es war, der keine Arbeit oder Müh scheute und sich auch nicht davor fürchtete ordentlich mit anzupacken, wie es sich für einen Mann gehörte, würde wohl kaum etwas mit einem verwöhnten Püppchen, wie sie es war, anfangen können.

Auf diese Weise hatte sie versucht sich ins Gewissen zu reden um sich von weiteren dummen Gedanken abzuhalten, doch ihr heimlicher Wunsch den charmanten jungen Rancher wiederzusehen, war schneller in Erfüllung gegangen, als sie es für möglich gehalten hätte. Nach vier Monaten tauchte er wieder in Boston auf. Diesmal kam er allein. Es gab wohl noch einige Dinge mit St. Patrick zu besprechen. Unbewusst war sie in diesen zwei Wochen viel öfter als gewöhnlich bei Diana zu Besuch gewesen, wohl wissentlich, dass sie dort auf den Jungen treffen würde. Sie war gerne in seiner Gesellschaft. Er war anders als die jungen Männer, die sie bisher kennengelernt hatte. Sie hatten sich oft gesehen und viel miteinander unternommen, selbstredend immer in Gesellschaft ihrer Freunde um ja keinen Skandal heraufzubeschwören, doch Daisy hatte sich oft gewünscht mit ihm allein sein zu können.

Sie hatte zu diesem Zeitpunkt nicht geahnt, dass es dem Jungen genauso ergangen war. Dass, jedes Mal wenn sie in seiner Gegenwart gewesen war, er nur mit Mühe seine Gefühle ihr gegenüber zurückhielt. Daisy war resigniert zurückgeblieben, als Robert wieder nach Hause gereist war, ohne einen Schritt in die erhoffte Richtung getan zu haben, glaubte sie doch alle Anzeichen richtig gedeutet zu haben. Wieder redete sie sich ein, dass er lediglich seiner Geschäfte und nicht ihretwegen in Boston verweilt hatte. Vermutlich sehnte er sich schon längst nach Hause zurück, auf seine Ranch und die Weiten des Landes, als hier in einer Stadt, vollgestopft mit Menschen, festzusitzen. Dann war ihr auch der Gedanke gekommen, dass er schon längst ein Mädchen haben könnte, schließlich war sie, weiß Gott, nicht das einzige weibliche Wesen, dass er kennen würde. Sie wusste von Erzählungen, dass die Mädchen im Westen nicht gerade hässlich zu nennen waren, vor allem schienen sie die weitaus kompatibleren Partien, da sie schon in ihren jungen Jahren bestens mit den Aufgaben einer zukünftigen Ehe- und Hausfrau befasst waren. Sie hingegen wusste nicht einmal eine einfache Suppe zu kochen, von Wäschewaschen oder gewöhnlichen Haushaltsarbeiten ganz zu schweigen. Sie schalt sich ein dummes Kind und versuchte sich den jungen Mann aus dem Kopf zu schlagen, was immer nur so lange erfolgreich anhielt, bis er wieder auf der Bildfläche erschien und ihre sicher geglaubte Gefühlswelt erneut durcheinanderwirbelte.

Dieser Zustand hielt über gut zwei Jahre an. In bestimmten Monatsabständen tauchte er in der Stadt auf und blieb für einige Wochen, ehe er wieder abreiste. Daisy war beinah schon wahnsinnig geworden, bis er eines Tages wieder vor ihr stand. Dieses Mal nicht in Gesellschaft der Geschwister Lissing.

Sie war am späten Nachmittag allein im Garten gewesen und hatte ein Buch gelesen. Nur zu gut erinnerte sie sich daran, wie sie erschreckt zusammengefahren war, als sich plötzlich zwei Hände über ihre Augen gelegt und ein seichter Atem ihren Nacken entlang gefahren war. Als sie sich dann umgedreht und Auge in Auge mit ihm gewesen war, war es um sie beide geschehen. Fest hatte er sie an sich gezogen und seine Lippen verlangend auf die ihren gedrückt. Ihr Herzschlag war vollkommen aus dem Takt geraten und sie hatte in diesem Moment gar nicht reagieren können. Sie war zuvor noch nie geküsst worden. Er hatte sich dann allerdings abrupt, so als hätte er sich verbrannt, von ihr getrennt, war wieder einen Schritt zurückgegangen und hatte leise gesagt, während dennoch ein unmerkliches spitzbübisches Lächeln um seine Mundwinkel gezuckt hatte:

„Vergeben Sie mir, Miss Daislyn. Ich habe mich wohl…“

Doch sie hatte ihn nicht ausreden lassen, sondern ihre Arme um seinen Hals geschlungen und ihren Mund auf den seinen gepresst. Sie konnte bis heute nicht sagen, was in diesem Moment in sie gefahren war, dass sie sich derart gegen die Regeln des Anstandes aufgelehnt hatte. Robert hatte nicht lange gezögert und sie wieder an sich gezogen. Mehrere Stunden hatten sie allein und ungestört in einer der Gartenlauben zugebracht, während Rob ihr von seiner Familie und den letzten Ereignissen berichtet hatte. Schließlich hatten sie sich fast schon ein halbes Jahr nicht mehr gesehen.

Er war zwei Wochen geblieben und versprach ihr bei seiner Abreise bald wieder zu kommen. Es hatte länger gedauert als er zunächst angekündigt hatte, doch er hielt sein Versprechen und kam, bevor sich ernsthafte Zweifel bei ihr ausbreiten konnten. Und er bat sie… endlich… ihn zu begleiten und seine Frau zu werden. Daisy hatte ihm ihre Antwort ohne jegliches Zögern gegeben, denn ihre Gefühle für diesen Mann waren eindeutig. Sie wusste wohin sie gehörte und worum sie um jeden Preis auch kämpfen würde.

 

„Daislyn.“

Nun versuchte ihr Vater es mit einem sanftmütigen Unterton in seiner Stimme, doch das Lodern in seinen Augen verriet seine unterdrückte Wut gegen ihre sture Unbesonnenheit.

„Du warst schon immer ein kluges Mädchen. Du wusstest dich stets tadellos zu benehmen und hast mir nie Grund zur Klage gegeben.“

Daisy verzog auf diese Worte das Gesicht.

„Ich habe doch einfach nie etwas gesagt und alles so erfüllt, wie du es von mir haben wolltest.“

„Und deshalb verlange ich, dass das auch genauso bleibt!“,

fuhr er ihr dazwischen, während sein Ärger sich wieder einen Weg an die Oberfläche bahnte.

„Der englische Viscount hat vor zwei Tagen um deine Hand angehalten.“,

meinte er dann nach einer Weile und sah sie an.

„Ich bin durchaus gewillt seinen Antrag anzunehmen.“ Daisy hatte das Gefühl keine Luft mehr zu bekommen.

„Viscount Gerrard Aberdeen ist dreißig Jahre älter als ich Vater!“,

rief sie verzweifelt und sah ihren Vater entsetzt an.

„Er ist widerlich und ein elendiger Lustmolch, der niemals weiß wann…“

„Hüte deine Zunge!“,

schnitt er ihr das Wort ab und durchbohrte sie mit seinen dunklen Augen.

„Der Viscount ist reich und angesehen. Er wird dir eine mehr als gute Zukunft sichern, wenn du dich an deine Pflicht als Ehefrau hältst und ihm einen Erben schenkst. Eine Partie wie er ist unserer Familie nur von Vorteil, denn er wird uns noch mehr Türen öffnen, zumal er in der Londoner Adelsgesellschaft verkehrt und ein oft gesehener Gast im Hause seiner Majestät dem König von England ist.“

„Niemals, Vater.“

Das Mädchen hatte die Stimme gesenkt, doch ihre Worte waren klar vernehmlich.

„Du wirst mich umbringen müssen…“

Sie sah auf.

„Und wenn du es nicht tust, dann werde ich es tun.“,

erklärte sie entschlossen und obgleich Gabriel seiner Tochter kein Wort glaubte und sie für ein unverständiges Kind hielt, entdeckte er in ihren Augen doch ein seltsames Funkeln, das er bisher noch nicht gesehen hatte.

„Hör auf so zu sprechen, Daislyn!“,

herrschte er sie an und hob empört die Arme.

„Du wirst mir dankbar sein, wenn du siehst, was er dir alles bieten wird.“

Doch wieder schüttelte das Mädchen den hübschen Kopf mit den dunklen Locken.

„Mich hat es nie nach diesem Leben in Prunk und Ausschweifung verlangt. Ich habe niemals so leben wollen… bedient, behütet und überwacht. Man kann in diesem Haus keinen einzigen Schritt machen, ohne…“

„Jetzt werde ja nicht undankbar! Ich habe hart gekämpft um euch dieses Leben zu ersparen, dass ich einmal geführt habe. Deiner Mutter, dir, deiner Schwester!“

„Ich wollte es dennoch nicht.“

Auf ihr Gesicht legte sich ein Strahlen.

„Ich möchte in meiner eigenen Küche stehen und das Essen kochen, voller Erwartung auf meinen Ehemann, der nach der Arbeit durch die Haustür tritt und mich in seinen Arm nimmt. Ich möchte meine Kinder heranwachsen sehen, möchte für sie sorgen und sie selbst erziehen, ihnen alles selbst beibringen und sehen was aus ihnen wird.“

Sie blickte ihren Vater an, dessen Gesichtsausdruck sich bei den Worten seiner Tochter verändert hatte.

„Du bist einmal ein solcher Vater gewesen.“,

sagte sie da leise und traf genau ins Schwarze.

„Wann hast du Mutter das letzte Mal zur Begrüßung in den Arm genommen oder mich und Elena. Bitte, Vater…“,

flehte sie eindringlich.

„Denke einmal nicht an deinen gesellschaftlichen Rang, sondern sieh in mir deine Tochter, das Kind, das du…“

„Jetzt ist Schluss, Daislyn.“

Seine Stimme war ruhig, aber bestimmt. Es gefiel dem Mann gar nicht, dass ihn das Mädchen auf seine Fehler hinwies, die er wohlweislich schon bemerkt, doch unter dem Druck schnell wieder abgeschüttelt hatte.

„Ich bin dir keine Rechenschaft schuldig. Du bist meine Tochter, das ist richtig und deshalb wirst du auch das tun, was ich dir sage. Du hast eine Pflicht dir selbst und deiner Familie gegenüber.“

„Meine Pflicht ist es auf mein Herz zu hören, Vater. Und das sagt mir, dass es Rob ist, der…“

„Wenn du diesen Namen noch einmal erwähnst, werde ich mich vergessen, das verspreche ich dir!“,

fuhr er sie wütend an.

„Vergiss diesen Jungen! Er meint es doch ohnehin nicht ernst mit dir! Woher willst du nicht wissen, dass er in seinem Wilden Westen nicht längst ein anderes Mädchen…“

„Das hat er nicht!“, unterbrach sie den Vater harsch.

„Robert liebt mich und ich liebe ihn. Ich weiß es.“

Sie straffte ihre Schultern und hob das Kinn.

„Ich werde mit ihm gehen, Vater. Heute wird Robert abreisen und ich werde ihn begleiten.“

Gabriel brodelte vor Wut und am liebsten hätte er sie samt ihrer Sturheit zum Fenster hinausgeworfen.

„Daisy, ich warne dich. Wenn du dich so bewusst meinem Willen widersetzt, werde auch ich andere Register aufziehen.“

„Ich weiß, Vater.“,

entgegnete sie ruhig, sich dessen durchaus bewusst.

„Ich werde dich enterben und du wirst nicht länger meine Tochter sein, wenn du mit diesem Taugenichts mitgehst!“, versuchte er deutlicher zu werden.

Für einen Moment zuckte Daisy zusammen als hätte er sie geschlagen, sie wurde blass, doch dann traf sich ihr Blick mit dem seinen.

„Dann muss es wohl so sein.“

Ihr Vater blickte sie verständnislos an.

„Wie kannst du einen solchen Rindertreiber über deine eigene Familie stellen?! Soll er schuld daran sein…“,

versuchte er es nun noch auf die Art ihr ein schlechtes Gewissen einzureden, doch Daisy unterbrach ihn.

„Robert hat Schuld an gar nichts. Er ist für nichts verantwortlich, was deiner Meinung nach ein Vergehen sein soll und Liebe ist wohl kaum etwas für das man einen Menschen verurteilen kann. Sollte sich deine Gesellschaft wirklich so aufführen, wie du es befürchtest, so wird dies nur mehr beweisen, dass dort nichts mehr von Menschen mit echten Gefühlen übrig geblieben ist und keiner von ihnen es jemals verstanden hat wirklich zu lieben. Wenn du es kannst, Vater… Ich kann nicht nach einem bestimmten Raster leben und mich stets an irgendwelche dieser lächerlichen Regeln halten. Ich will frei und ungebunden sein, will geliebt werden und lieben. Genau das wird Robert mir geben und mein Entschluss mit ihm zu gehen und seine Frau zu werden steht fest. Ich werde niemals hier bleiben und einen deiner Edelmänner heiraten… Lieber verschreibe ich mich der ewigen Jungfräulichkeit!“

Gabriel sah seine Tochter mit großen Augen an, doch dann verzog sich sein Gesicht vor Zorn.

„Dann soll es so sein!“, brüllte er und streckte seinen Arm auf die Tür.

„Verlasse augenblicklich mein Haus und wage es ja nicht je wieder hier aufzutauchen oder mich deinen Vater zu nennen! Du hast keine Familie mehr, du bist keine Sinclaire und du bist die längste Zeit meine Tochter gewesen!“

Tränen traten in die Augen des Mädchens und für einen Moment stand sie noch auf ihrem Platz, sah ihrem Vater verletzt in die Augen, ehe sie sich umdrehte und wortlos den Raum verließ.

 

In ihrem Zimmer traf sie auf Elena, die auf ihrer Bettkante saß und ihr traurig entgegensah.

„Ich will nicht, dass du gehst.“,

erklärte das Mädchen entschieden und Daisy musste lächeln. Ihre fünfjährige Schwester wurde durch die neusten grotesken Erziehungsmaßnahmen ihres Vaters viel zu schnell erwachsen. Sie bedauerte das Kind und es tat ihr leid, sie dem Vater so schutzlos ausgeliefert zu lassen und doch wusste sie, dass sie keine andere Wahl hatte. Sie hockte sich vor das dunkelhaarige Mädchen und nahm ihr Gesicht in ihre Hände.

„Hör mir zu, mein Liebling.“

Sie küsste sie auf die Stirn.

„Es geht leider nicht anders… Wenn ich könnte…“,

doch sie führte ihren Satz nicht zu Ende und zog das Kind an sich.

„Liebst du mich denn nicht mehr?“,

fragte die Kleine und dicke Tränen rollten an ihren Wangen herab.

„Doch natürlich habe ich dich lieb, mein Schatz, aber... aber Robert habe ich auch lieb... und er mich.“Sie küsste sie auf die Stirn.

„Irgendwann einmal wirst du mich sicher verstehen.“,

flüsterte sie in das dunkle Haar des kleinen Mädchens.

„Ich werde immer an dich denken. Versprochen. Aber pass auf dich auf und auch auf Mutter. Wir werden uns wiedersehen… Daran glaube ich ganz fest.“

Ehe das Kind etwas erwidern konnte, hatte Daisy ihre Tasche, die sie schon vor einigen Tagen mit einigen wenigen Habseligkeiten gefüllt hatte in die Hand genommen und war durch die Tür verschwunden.

An der Hintertür begegnete sie ihrer Mutter, die tränenüberströmt die Arme nach ihr ausstreckte.

„Mama.“, flüsterte Daisy und warf sich an ihre Brust.

„Es zerreißt mir das Herz, mein Kind und doch ist es der einzig richtige Weg.“

Tamara Sinclaire küsste ihre Tochter auf die Stirn und strich ihr eine Locke aus dem Gesicht.

„Dein Robert ist ein tüchtiger und guter junger Mann. Ich kann dich ruhig ziehen lassen, denn ich weiß, dass er dich lieben und ehren wird, ganz so wie du es verdienst und dir erträumt hast.“

Sie lächelte, zog eine kleine Schatulle von der Kommode und drückte sie ihrer Tochter in die Hand.

„Ich möchte, dass du das hier mitnimmst. Es ist der Hochzeitsschmuck unserer Vorfahren und wird über die Frauen der Familie vererbt. Nimm es als Geschenk und zur Erinnerung an mich.“

Sie schniefte.

„Ich habe eine Truhe für dich packen lassen. Alles was eine Hausfrau für ihren eigenen Haushalt braucht, jede Tochter sollte eine Mitgift mit sich bringen.“

Die Tränen strömten nun ungehindert über Daisys Wangen, ohne dass sie diese hätte noch länger aufhalten können.

„Ich wünsche dir alles Gute, mein Kind und schreib mir. Ich werde dafür sorgen, dass dein Vater nichts von deinen Briefen mitbekommen wird.“

Daisy nickte.

„Ja…natürlich…“,

hauchte sie und ließ sich nochmals von der Mutter in die Arme schließen.

„Leb wohl, mein Schatz.“

Mit diesen Worten trat sie zur Seite und gab ihrer Tochter den Weg frei.

„Lebe das Leben von dem du immer geträumt hast.“

„Du wirst mir fehlen, Mama.“

Tamara strich dem Mädchen über die Wange, Daisy sah sie noch einen langen Moment an, dann trat sie hinaus, wo sie schon die vertraute Gestalt ihres Verlobten erblickte, der eifrig damit beschäftigt war eine große Truhe auf dem Einspänner zu befestigen.

Ein warmes Gefühl durchflutete sie, als sie ihren zukünftigen Ehemann betrachtete. Robert war hochgewachsen und die Arbeit auf dem Land und im Sattel seines Pferdes, hatte ihn kräftig gemacht. Ihr Blick glitt zu seinen breiten Schultern und über seine starken Arme, um die sich sein weißes Hemd verdächtig spannte. Auf seinem dunkelblonden dichten Haar thronte wie immer sein dunkler Hut, worunter seine strahlend grün-blauen Augen sie stets vergnügt anblitzten.

Sie bereute es in keinster Weise, sich für ihn entschieden zu haben und ihr altes Leben nun für immer hinter sich lassen zu können. Sie konnte sich nichts Schöneres vorstellen, als ihr ganzes Leben mit dem Mann ihrer Träume zu verbringen. Langsam trat sie auf ihn zu und als er sie bemerkte und ihr Gesicht sah, bedurfte es keiner Worte, damit er verstand was passiert war. Fest zog er sie an sich und küsste sie aufs Haar. Eine Weile sagte keiner von ihnen ein Wort.

„Bist du… bist du dir denn wirklich sicher, dass du… ich meine…ich habe…“,

begann er da stockend und leise seinen Gedankengang anzudeuten, doch Daisy brachte ihn mit einem Blick zum Schweigen.

„Ich habe niemals daran gedacht meine Entscheidung rückgängig zu machen, Robert.“

Sie sah zu ihm auf und lächelte.

„Ich liebe dich und habe nicht vor auf ein Leben mit dir zu verzichten, bloß weil mein Vater meint auf Gesellschaftsambitionen bestehen zu müssen. Ich lasse mein Heim und meine Familie zurück, ja...“

Sie schüttelte den Kopf.

„Aber ich gewinne etwas viel Schöneres dadurch... Dich und ein ganzes Leben mit dir. Mehr brauche ich gar nicht um wunschlos glücklich zu sein.“

Man sah dem jungen Kerl an, wie erleichtert er über ihre Antwort war. Er legte seine Arme um ihre schmale Taille und zog sie an sich. Mit seiner Hand strich er ihr über die Wange.

„Ich liebe dich, Daislyn.“,

flüsterte er dann und senkte seinen Mund kurz auf den ihren, ehe er sein Gesicht in ihren Haaren verbarg und murmelte.

„Meine Mrs. Reed.“

 

 

Bald schon wird es Vanderbilt heißen

 

 

 

 

 

Die Bälle der Vanderbilts waren seit jeher stets besonderer Höhepunkt der amerikanischen Gesellschaft und jedes seiner Mitglieder fühlte sich in seiner gesellschaftlichen Anerkennung gleich um ein Vielfaches bestätigt, wenn es zu einem derartigen Anlass eingeladen wurde. Niemand ließ sich eine solche Ehre entgehen. Schließlich gehörten die Vanderbilts zu den reichsten und angesehensten Familien des Landes und promovierten den sogenannten Gesellschafsadel. Ihr Einfluss reichte bis in die höchsten Ränge der Politik und manchmal selbst bis über die Landesgrenzen hinaus.

Da die beiden Söhne der Vanderbilts bisher noch nicht in den Ehestand getreten waren, genossen vor allem sie ein ganz besonderes Ansehen als die begehrtesten Junggesellen unter den Damen der Gesellschaft. Insbesondere die Mütter erhofften sich eine solch mehr als hervorragende Partie für ihre Töchter und unterließen keine Gelegenheit den jungen Männern ihre Mädchen anzupreisen.

Es war wie immer alles aufwändig und dekorativ hergerichtet worden. Wenn Anastasia Vanderbilt sich auf etwas verstand, dann war es die Kunst, derart pompöse und ausfallende Bälle zu geben, über welche die Leute selbst noch nach Jahren sprachen. Die großen Kronleuchter tauchten den riesigen Ballsaal in ein goldenes Licht, während die Töne eines seichten Walzers den Raum durchfluteten.  Lange Tafeln boten Köstlichkeiten, Snacks und erfrischende Getränke an. Diener, gekleidet in adretten Fracks, eilten geschäftig im Saal umher, teilten Champagnergläser aus und erkundigten sich nach den Wünschen der Herrschaften.

Die verheirateten Damen hatten sich in größeren Gruppen in den Nischen niedergelassen und plauderten munter miteinander, während ihre Ehemänner sich in dem benachbarten Salon an den Pokertischen eingefunden hatten. Wie gewöhnlich floss dabei eine Menge Alkohol, so dass das schallende Gelächter der Männer schon bald zu den anderen Gästen herüber klang.

Die Debütantinnen dieser Saison waren nicht zu übersehen und genossen die allgemeinen Bewunderungen. Sie ließen ihre Musikkenntnisse kund werden, flirteten mit den Herren am Klavier, gaben deutliche Zeichen mit ihrem Fächer oder ließen sich auf die Tanzfläche führen.

Die anderen der jungen Herrschaften hatten sich in einigen der Sofagruppen versammelt und unterhielten einander, wobei besonders die jungen Herren um die Aufmerksamkeit der hübschen Damen buhlten. Es wurde ausgelassen gelacht und jeder schien sein Vergnügen an der abendlichen Veranstaltung zu haben.

Zumindest beinah jeder.

Elena musste mit aller Macht an sich halten um nicht mit ihrer Hand auszuholen und ihrem Tanzpartner eine saftige Ohrfeige vor versammelter Gesellschaft zu erteilen. Sie wünschte, sie hätte sich niemals auf einen Tanz mit diesem unverschämten Kerl eingelassen. Allein der Ausdruck seiner Augen hatte ihr schon nicht gefallen, als er sie aufgefordert hatte und wenn da nicht der strenge überwachende Blick ihres Vaters gewesen wäre, hätte sie ihn auch kommentarlos stehen gelassen. Schon zum zweiten Mal rutschte seine Hand an ihrem Rücken tiefer, als er es sich erlauben durfte, so dass sie ihn mit einem funkelnden Blick ihrer grünen Augen ansah und seinen Arm energisch wieder hochschob, um ihm ganz klar deutlich zu machen, dass er sie durchaus ernst zu nehmen hatte. Er nahm es lediglich mit einem verschmitzten Grinsen zur Kenntnis, doch zum Glück ließ er seine Hand endlich dort, wo sie bleiben sollte. Die junge Frau versuchte Haltung zu wahren, doch sie wusste, dass sein aufdringliches Verhalten, ihr dies bald nicht mehr würde möglich machen.

Das Orchester hatte gerade seinen letzten Ton verklingen lassen, als sie sich rasch entschuldigte, ehe der Herr sie um einen weiteren Tanz bitten konnte oder, was wesentlich schlimmer sein würde, gar um einen Spaziergang.

Obgleich sie sich ihres Zweckes an diesem Abend sehr wohl bewusst war, hatte sie beim besten Willen keine Nerven noch das Vermögen auch nur noch einen der gierigen Blicke ertragen zu können. Sie hatte keine Lust mehr, das Vorzeigepüppchen ihres Vaters zu spielen und zog sich daher in eine der kleinen Nischen zurück, wohl bedacht, dass sie niemand dabei sah und ihr so vielleicht hätte nachstellen können.

Sie wusste, dass ihr Vater alles andere als zufrieden sein würde. Seit drei Jahren schon hegte er den ausdrücklichen Wunsch, seine Tochter möge sich verheiraten. Es war längst an der Zeit, dass sie endlich ihren Pflichten als junge Frau der Gesellschaft und Tochter nachkam, anstatt ihre Nase ständig in irgendwelche Bücher zu stecken.

Was die Wahl des Ehemannes anging, hatte ihr Vater ganz eigene Vorstellungen.

Reich sollte er sein, angesehen und ohne Bedingung der obersten Gesellschaftsschicht entstammen.

Dabei spielte Liebe absolut keine Rolle, wie alt der Mann war interessierte noch weniger und auch nur einen einzigen Gedanken daran zu verschwenden, was sie darüber dachte, kam ihrem Vater nicht einmal in den Sinn. Einzig und allein zählten Geld und Stellung.

Nachdem sie sich ein Champagnerglas von einem der Concierge hatte reichen lassen, ließ sie sich in die weichen Polster des Sofas fallen. Das Orchester stimmte gerade einen weiteren langsamen Walzer an und mit Genugtuung bemerkte sie, wie sich einige der Herren, von denen sich die meisten in ihre Tanzkarte hatten eintragen lassen, suchend umschauten.

Zufrieden, dass sie nun endlich ihre Ruhe würde haben können, prostete sie sich selbst zu und nahm dann einen großen Schluck von ihrem hellen Sprudelgetränk.

„An alle die es nicht begreifen wollen, auch eine Frau braucht dringend mal etwas Zeit für sich.“

„Wie schade.“,

meldete sich da plötzlich eine tiefe, ihr jedoch nicht unbekannte Stimme und Elena zuckte unmerklich zusammen, während sie sich gleichzeitig versteifte. Der ungebetene Gast trat näher und ließ sich neben ihr auf der kleinen Couch nieder.

„Ich hatte mich schon den ganzen Abend auf Ihre Gesellschaft gefreut, Miss Elena.“

Die junge Frau schien nicht bereit den Mann anzusehen.

„Es heißt immer noch Sinclaire. Auch für Sie.“,

entgegnete sie, nicht einmal darum bemüht in irgendeiner Weise freundlich zu klingen. Er sollte nicht daran zweifeln, dass er höchst unwillkommen war.

„Nicht mehr lange.“,

kam es gewohnt bestimmt zurück.

„Wenn Sie mir nicht ständig aus dem Weg gehen würde, liebste Miss Sinclaire, dann hätte ich Sie längst von meinem neusten Entschluss in Kenntnis setzen können.“

Seine Worte und der Ton seiner Stimme jagten ihr einen unangenehmen Schauer über den Rücken, wenn nicht seine aufdringliche Nähe das Maß schon längst überschritten hatte. Er schien sich also nicht von ihren Warnzeichen beeindrucken zu wollen. Ihre Absicht, aufzustehen und so schnell wie möglich von hier zu verschwinden, hatte der Mann rasch durchschaut. Ehe sie also diese in die Tat umsetzen konnte, hatte er barsch nach ihrem Handgelenk gegriffen und sie zu sich gezogen.

„Bald schon wird es Vanderbilt heißen, meine Liebe, und Sie sollten dieser Zukunft mit Stolz entgegensehen. An meiner Seite als…“

„Lieber-würde-ich-sterben!“,

fiel sie ihm ärgerlich ins Wort und betonte jede Silbe ihrer Worte, ehe sie ihm mit einem Funkeln in ihren grünen Augen ihre Hand entriss.

„Sie vergessen sich, Mr. Vanderbilt."

Der Mann begegnete ihren Worten lediglich mit einem überheblichen Grinsen und ignorierte sie dann völlig, indem er sich demonstrativ an sie schob.

„Jetzt genieren Sie sich doch nicht, Elena.“

Er legte seine Hand an ihre Taille und zog sie zu sich.

„Es hat keinen Zweck sich mir noch länger zu verweigern und mir vorzuspielen, Ihnen würden meine Aufmerksamkeiten nicht gefallen.“

„Oh, ich muss Ihnen das nicht vorspielen, Mr. Vanderbilt! Ihre Aufmerksamkeiten gefallen mir tatsächlich nicht.“,

entgegnete sie wütend und versuchte sich seinem Griff zu entziehen, doch er verstärkte diesen nur und meinte:

„Machen Sie sich nichts vor. Ich weiß es und auch Sie wissen es. Sie werden mir gehören, so sehr sie auch versuchen sich noch dagegen zu wehren.“

In Elena begann zu brodeln. Der Mann schien es nicht realisieren zu wollen. Er vertiefte seinen Blick und beugte sich zu ihr:

„Sie sind nicht mehr die Jüngste, Elena. Ihr Debüt haben Sie hinter sich und jede andere Dame in Ihrem Alter, sei sie auch nur halb so schön, ist längst verheiratet. Es wäre doch…“

„Halten Sie Ihren Mund, Mr. Vanderbilt!“,

schnitt die junge Frau ihm harsch das Wort ab, während es aus ihren Augen Funken sprühte.

„Eine Wahl zu treffen zwischen einem Leben allein oder einem Leben verheiratet mit einem Mann wie Sie es sind, fällt mir und jeder anderen Dame mit nur halb so wenig Verstand wie eigentlich nötig nicht schwer."

Der Mann lächelte süffisant. Sein Blick wanderte zu ihren Lippen und von dort tiefer zu ihrem Ausschnitt, ehe er ihr wieder in die Augen blickte.

Wenn es etwas gab, für das Ian Vanderbilt echte Leidenschaft empfand waren es tempermentvolle Frauen und diese hartnäckige Widerspenstigkeit der jungen Sinclaire-Tochter ihm gegenüber schürte sein Verlangen nach ihr nur noch mehr.

 „Nicht einen Mann wie mich, Elena...“,

entgegnete er gelassen und sah über ihre derbe Beleidigung geflissentlich hinweg, während er mit seinem Finger über die nackte Haut ihrer Schulter strich zu dem Ende ihres langen Handschuhs und fast schon in neckischer Geste an dem Stoff zupfte. Seine dunklen Augen funkelten und Elena brach der kalte Schweiß aus. 

Sie würde niemals zulassen, dass er ihr noch ein einziges Mal gegen ihren Willen zu nahe kam.

Der Geschäftsmogul beugte sich mit einem lüsternen Lächeln zu ihr vor, während sie versuchte sich so weit wie möglich in die Ecke des Sofas von ihm wegzudrücken.

„Sondern mich. Ich erinnere mich nur zu gut, wie Sie mir erst letzte Woche…“

Sie ließ ihn nicht ausreden.

„Nein, Mr. Vanderbilt, Sie irren sich! Ich habe Ihnen niemals einen Anlass gegeben der Ihr unerhörtes Verhalten in diesem Moment oder auch schon vorher in irgendeiner Weise gerechtfertigt hätte. Mein Vater …“

„Um Ihren Vater mache ich mir die geringsten Sorgen.“,

unterbrach er sie spöttisch und schnappte nach einer ihrer Locken.

„Jeder weiß, dass Sie der einzige Grund sind, weshalb er in den gesellschaftlichen Kreisen überhaupt noch geduldet wird. Der einzige Grund, weshalb ich Ihn dulde.“

Elena versuchte erneut ihn von sich zu schieben, doch er ließ sich davon nicht beeindrucken.

„Sie würden doch sicher alles dafür tun um Ihren alten und verzweifelten Vater vor dem endgültigen Ruin zu bewahren, nicht wahr, Elena?“,

säuselte er und sein Blick wanderte wieder zu ihren Lippen.

„Sie wissen, dass ich dazu sehr wohl in der Lage bin, wenn man denn meine Bedürfnisse zuvor in angemessener Weise gewillt ist zu befriedigen.“

Er neigte seinen Kopf und beugte sich noch weiter zu ihr vor.

„Heutzutage dreht sich alles um Angebot und Nachfrage, ein Abstraktionsprinzip von Verpflichtung und Erfüllung.“

„Wagen Sie es ja nicht…!“,

fauchte Elena, doch er belächelte ihre Versuche sich gegen ihn zu wehren und drückte ohne weiteres Zögern seine Lippen hart und fordernd auf ihren Mund. Angewidert verdrehte sie ihren Kopf und entkam so einem weiteren Kuss, doch der Mann hatte nicht die Absicht seine Beute so schnell wieder aus den Fängen zu lassen und strich mit seinen Fingern über die Spitzen ihres Ausschnitts.

Elena verabscheute diese verfluchten Ballkleider und diese verflucht weiten Ausschnitte, mit welchen man den Männern vollkommen schutzlos ausgeliefert war.

„Je eher Sie sich dazu entschließen endlich einzusehen, dass es für Sie keine andere Möglichkeit gibt, desto besser für Sie.“

Elena hätte ihn erwürgen können, so wütend machte er sie mit seiner überheblichen Art.

„Nein! Ich bin keineswegs gewillt dem Mittel zum Zweck zu dienen und einer Verkaufsware gleichgestellt zu werden!“

Der Mann lachte.

„Das wäre wahrlich ein unverzeihliches Vergehen.“

Er strich mit seinem Daumen über ihr Kinn.

„Anscheinend verstehen Sie mich nicht, Mr. Vanderbilt!“,

hielt sie ärgerlich dagegen und schlug seine Hand weg.

„Solange ich lebe, werde ich mich gegen Sie wehren! Ich werde niemals zulassen, dass Sie mich unter ihre Gewalt bekommen und am besten lassen Sie sich das notieren, damit Sie darauf zurückgreifen können, bevor Sie wieder auf den Gedanken kommen sollten, sich einer Frau derart penetrant aufzudrängen. Sie sind schließlich längst nicht mehr der Jüngste und wie es aussieht, scheint Ihr Erinnerungsvermögen bereits die ersten Lücken aufzuweisen!“

Sie durchbohrte ihn mit einem dunklen Blick, während er wohl doch etwas überrascht zurückwich.

„Ich ziehe es vor mich von einem Dach zu stürzen oder erschossen zu werden, als irgendwann in diesem Leben Ihre Frau zu werden. Da können Sie sich noch so viel mit ihrem Geldmünzen klimpern und Ihren Einfluss wirken lassen."

Sie schubste ihn von sich und als er wieder nach ihr greifen wollte, schüttete sie ihm den noch vollen Inhalt ihres Champagnerglases ins Gesicht, was ihn für einen kurzen Moment dazu brachte mit einem ärgerlichen Fluch seine Hände von ihr zu nehmen, so dass sie entwischen konnte.

 

Elena versuchte zwischen den Gästen nicht aufzufallen, als sie vor ihm floh, bemühte sich um einen ruhigen Schritt und einen gefassten Gesichtsausdruck. Sie durfte bloß nicht allein sein, in dem Menschengemenge würde er es nicht wagen ihr noch einmal zu nahe zu kommen.

Schließlich fand sie sich in dem großen Musikzimmer wieder und lehnte sich seufzend an eine der Säulen.

Elena warf ihren Fächer auf und wehte sich Luft zu um die aufsteigenden Tränen zurückzuhalten. Sie durfte keinen Anflug von Schwäche zeigen, keine Gefühle zur Schau stellen, auch wenn es ihr kaum möglich war diese unbändige Wut in ihrem Innern zu unterdrücken.

Wut über ihren Vater, Wut über diese elendige Adelsgesellschaft von der sie nie hatte ein Teil sein wollen, doch vor allem Wut über diesen rüpelhaften und arroganten Ian Vanderbilt! Er war das Aushängeschild der Gesellschaft, eine Ikone sondergleichen. Erfolgreich, angesehen und über die Maßen reich und wohlhabend. Hier gab er sich als der wohlerzogene Gentleman, zuvorkommend und charmant, wortgewandt und liebenswürdig, so dass keiner jemals den Verdacht schöpfen würde, es könne sich noch ein zweites Gesicht unter seiner Maske verbergen.

Genauso hatte sie ihn kennengelernt und obgleich seine Maskerade ohne jeden Tadel gewesen war, hatte sie etwas an diesem Mann abgeschreckt. Er hatte nicht lange auf sich warten lassen ihr sein Interesse zu bekunden, doch Elena hatte sich nie wohl gefühlt in seiner Gegenwart. Sie hatte sich stets bemüht seine Einladungen höflich abzulehnen, doch Ian war ein Mann, der ein Nein nicht gelten ließ. Schon bald machte er sich nichts mehr aus ihren Zurückweisungen, wurde aufdringlich, lauerte ihr auf und überfiel sie, wie man es am wenigsten von ihm erwartet hätte, so dass Elena ihre liebe Not hatte, sich den Mann vom Leib zu halten.

Ausgerechnet ihr Vater war es dann, der sich auf Geschäfte mit Vanderbilt einließ und alsbald beschränkten sich ihre Begegnungen nicht mehr auf Ballsäle. Er wurde ein oft und gern gesehener Gast im Haus ihres Vaters, so dass sie sich nicht einmal länger in ihrem eigenen Zuhause hatte sicher fühlen können, wenn sie wusste, dass er da war. Immer wenn sie Schritte vor ihrer Tür gehört hatte, war sie zusammengezuckt, war über die Flure geschlichen und hatte vorher hinter jeder Wand hervorgelugt, um sicher gehen zu können, dass der unliebsame Geselle nicht gleich wie aus dem Boden gewachsen vor ihr stehen würde.

Eine Zeit lang hatte diese Methode ganz gut funktioniert, wenn er nicht irgendwann ihre Absicht durchschaut hätte. Darauf schien er sich ja bestens zu verstehen. Als sie einmal geglaubt hatte, er hätte sich von ihrem Vater verabschiedet und wäre gegangen, hatte er plötzlich wie aus dem Nichts vor ihr gestanden. Seine Augen dunkel und begehrend auf sie herabschauend, sein Mund zu einem gefühlslosen Lächeln verzogen. Er hatte ihr Angst gemacht, doch bevor sie sich hatte umdrehen und weglaufen können, hatte er mit beiden Armen nach ihr gegriffen und sie in das nächstbeste Zimmer gezerrt. Ohne auf ihre Proteste zu reagieren, hatte er sie an die Wand gestoßen, sich fest gegen sie gedrückt, so dass sie geglaubt hatte, er würde ihr keine Luft zum Atmen lassen und dann mit einem gewalttätigen Ruck die Knöpfe ihres Kleides aufgerissen.

Elena hatte gekämpft, mit aller Kraft hatte sie versucht ihm zu entkommen, doch es war allein Claudettes Verdienst, die sie, ohne es zu ahnen, gerettet hatte. Sie hatte nach ihr gerufen. Es warte Besuch auf sie im Salon. Vanderbilt war für diesen kurzen Augenblick abgelenkt gewesen, so dass sie sich von ihm hatte losmachen können und aus dem Raum flüchten.

Danach hatte sie ihn kompromisslos gemieden und stets darauf geachtet ihm nie allein zu begegnen, wenn auch gegen den Willen des Vaters, dem es sehr gefallen hatte, dass der Erbe der wohl angesehensten und reichsten Familie des Landes Interesse an seiner Tochter hatte. Natürlich sah er darin nichts anderes als seinen eigenen Profit.

Als Mutter gestorben war, hatte sie sich für ein ganzes Jahr von der Gesellschaft zurückziehen können, so dass sie Vanderbilt weder hatte begegnen, noch seine lästigen Überfälle ertragen müssen. Doch nun bestand der Vater darauf, dass sie sich wieder in der Gesellschaft blicken ließ und das nicht als trauernde Tochter, sondern vielmehr als zu erobernde Schönheit.

Ihre Vorstellungen, Wünsche oder gar ihre inbrünstige Abneigung gegen jeden Gentleman der Gesellschaft interessierten ihren Vater bei der Verfolgung seiner Ziele nicht. Sie hatte ihren Zweck zu erfüllen und alles so zu tun, wie er es ihr vorschrieb.

Vor einem Jahr hatte sie ihr Studium zur Lehrmeisterin mit einem hervorragenden Durchschnitt bestanden und vor einigen Monaten hatte sie ihr Diplom für die Studiengänge Volksgeschichte und Literatur erhalten. Ginge es nach ihr, wäre sie in England geblieben und hätte die ihr angebotene Lehrerstelle auf dem Cambridge-Internat ohne weiteres Zögern angetreten. Es war ihr sehnlichster Wunsch gewesen, doch ihr Vater hatte es nicht erlaubt. Seine Vormundschaft und ihr Geburtsjahr standen der Verwirklichung ihrer Träume im Weg. Vorerst hatte sie sich damit abfinden müssen, doch es war nur noch etwas weniger als ein halbes Jahr. Nichts und niemand würde sie hier halten können, wenn sie erst einmal volljährig war. Sie hatte viele Pläne. Mit Mutters Erbschaft, die sie mit ihrem 21. Geburtstag erhalten würde und auf die ihr Vater keinen Zugriff hatte, konnte sie sich noch einige Semester für weitere Studiengänge leisten. Dann würde sie arbeiten gehen und das Leben nach ihren eigenen Vorstellungen gestalten.

Wenn sie sich die verheirateten Damen der Gesellschaft zuweilen ansah, kam ihr keine von ihnen wirklich glücklich vor und sie wollte nicht dasselbe Los ertragen müssen wie eine von ihnen. Sie konnte sich nicht vorstellen, Tag ein Tag aus, ständig das gleiche zu tun und nach einem Raster an Geboten und Vorschriften zu leben.

Elena hatte schon immer ihren eigenen Kopf und eigene Wünsche für ihr Leben gehabt. Tamara Sinclaire war der einzige Mensch gewesen, der sie dabei unterstützt und den unerbittlichen Vater vor vier Jahren dazu gebracht hatte, ihr nach der Schule das Studium in London zu ermöglichen. Ihre Mutter war der einzige Mensch, der sie in diesem Wirrwarr von gesellschaftlichen Pflichten und Ambitionen wirklich verstanden hatte. Der einzige Mensch der auch Daisy verstanden hatte. Elena verstand nur zu gut, wie ihre Schwester sich hier gefühlt haben musste. Wie sie sich nach einem Leben, frei von Konventionen und diesen lächerlichen Pflichten, nach wahrer Liebe gesehnt haben musste. Sie fühlte sich gefangen.

 

 

 

 

 

 

Es würde mir nicht schwerfallen dich zu lieben

 

 

 

 

 

 

Elena fuhr erschreckt zusammen, als jemand sie am Arm berührte. In Erwartung, dass es wieder Ian Vanderbilt sein würde, fuhr sie herum. Doch als sie das vertraute Gesicht erkannte, entspannte sie sich und seufzte erleichtert.

„Taddy… Gott sei Dank, du bist es.“

Das Lächeln des jungen Mannes neben ihr verschwand und seine Augenbrauen zogen sich besorgt zusammen. Er bemerkte sofort, dass etwas nicht in Ordnung war.

„Elena…“

Es bedurfte keine Worte, als er den Ausdruck in ihren Augen sah.

„Er hat doch nicht...!“

Wütend blickte er sich um.

„Dieser Mistkerl! Ich werde ihn umbringen.“

Zeitgleich entdeckten sie die hochgewachsene Gestalt des Vanderbilt-Erben, die in der Tür des Salons auftauchte und ihren Blick schweifen ließ. Unvermittelt griff Elena nach dem Arm des Mannes an ihrer Seite, der mit wutverzerrtem Gesichtsausdruck hinüber sah. Seine kräftigen Hände hatten sich zu Fäusten geballt und er schien nur wenige Augenblicke davon entfernt sich auf den Gegenüber zu stürzen.

„Taddy, bitte… Bitte, bring mich einfach weg von hier.“,

flüsterte Elena. Ihr schauderte, als Vanderbilt sie entdeckte und sein Blick dunkel wurde. Seine Augen waren voll von Skrupellosigkeit und Gewalt, sein Ausdruck war einzig und allein Härte und Gnadenlosigkeit. Ihre Stimme bewog ihren jungen Begleiter von seinem Plan zunächst einmal abzusehen und sie in Sicherheit zu bringen. Er nahm ihre Hand in die Seine und führte sie an seine Lippen, genau darauf bedacht, dass der Eintretende jede seiner Bewegungen bestens im Blick hatte.

„Keine Sorge, Liebling.“

Er schaute mit einem Lächeln auf sie herab und strich ihr über die Wange.

„Er soll es nur noch einmal wagen in deine Nähe zu kommen und ich werde ihm jeden seiner Knochen im Leib einzeln brechen… Vollkommen egal, ob ich damit einen fast schon nationalen Zwischenfall provozieren würde. Reicher Erbe hin oder her, auch er hat sich gefälligst Manieren zuzulegen.“

Elena starrte den Jungen einen Moment an, dann musste sie bei seinen Worten und dem drohenden Unterton in seiner Stimme unvermittelt lachen. Er schmunzelte.

„Na, wundervoll.“,

sagte er zufrieden und hakte sie bei sich unter.

„Das erste Problem hätten wir schon mal gelöst. Das schönste Mädchen der gesamten Abendgesellschaft trägt wieder ein bezauberndes Lächeln auf ihren Lippen.“

Elena schüttelte ihren Kopf.

„Du bist unmöglich, Theodor Dobbs.“

Der junge Mann lachte und beugte sich zu ihr herunter.

„Ich bin sehr vielseitig, Elena.“

Er sah mit einem spitzbübischen Grinsen auf sie herunter und ließ seine Augenbrauen spielen.

„Aber genau das ist der Grund, weshalb du mich liebst. Also werde ich rein gar nichts daran ändern!“

Als er sie aus dem Salon raus auf die Terrasse führte und von dort in den angrenzenden Park, hatte Elena den unliebsamen Vorfall und seinen Verursacher schon fast vergessen. Auch hatte sie nicht bemerkt, dass dieser die Beiden kein einziges Mal aus den Augen gelassen und sich bei den vertrauten Gesten sein Gesicht unzufrieden verzogen hatte.

An einer kleinen Baumgruppe im hinteren Teil des Parks machten sie bei einer Bank halt. Für eine ganze Weile sprach keiner ein Wort. Jeder ging seinen Gedanken nach. Schließlich legte Theodor seinen Arm auf die Rücklehne und drehte sich zu dem Mädchen.

„Das geht so nicht weiter, Elena.“,

sagte er leise und betrachtete sie mit einem warmen Blick, während sie den Kopf senkte und ihre Finger in dem Stoff ihres Kleides verbarg. Er legte seine Hand unter ihr Kinn und zwang sie ihn wieder anzusehen.

„Wie oft wird es dir noch gelingen ihm zu entwischen, bevor es zu dem Moment kommt, da er dir dazu keine Gelegenheit mehr geben wird?“

„Ich weiß ja.“, seufzte sie und versuchte ein Lächeln.

„Ich muss eben auf der Hut sein.“

Doch der junge Mann schüttelte den Kopf.

„Du weißt genauso gut wie ich, dass das allein nicht genug ist. Wir sprechen hier von Ian Vanderbilt. Er besitzt keinerlei Skrupel sich dir in aller Öffentlichkeit auf eine solch ungebührliche Weise zu nähern. Was glaubst du was passieren wird, sollte er dir irgendwo auflauern?“

Elena wandte den Blick ab und schluckte. Sie hatte dem jungen Mann nie erzählt, dass es bereits einmal dazu gekommen war.

„Ich würde es niemals soweit kommen lassen.“

Er lächelte.

„Das weiß ich wohl, Elena. Ich hege keinen Zweifel daran, dass du dich wehren wirst. Allerdings… wird er dir überlegen sein.“

Er nahm ihr Gesicht in seine Hände und beugte sich zu ihr.

„Dieser Mann ist gefährlich und zu allem fähig. Er ist unberechenbar und wird zu jedem Mittel greifen um zu bekommen was er will. Der Gedanke, dass du es bist, die sich in seinem Zielvisier befindet und ihm schutzlos ausgeliefert ist, bereitet mir schlaflose Nächte und die Vorstellung, dass du ihm je irgendwo allein begegnen könntest, wenn ich nicht in deiner Nähe bin um dich beschützen zu können...“

Elena musste bei seinem Worten lächeln.

„Taddy.“,

unterbrach sie ihn und griff nach seiner Hand.

„Bisher habe ich doch immer einen Ausweg finden können.“

„Das ist es ja was mir Sorgen macht. Lange wird er sich das nicht mehr gefallen lassen… Es gibt nur eine Möglichkeit ihm ein für allemal zu entkommen und dich in vor ihm in Sicherheit zu bringen.“

„Und die wäre?“

Elena hob eine Augenbraue und warf ihm einen amüsierten Blick zu. Doch ihr blonder Begleiter lachte nicht.

„Du musst heiraten und zwar bevor er auf diese absurde Idee kommen kann.“

Elena brauchte einen Moment um zu verstehen, was genau er ihr damit sagen wollte. Dann schüttelte sie mit einem Lachen ihren Kopf.

„Taddy, wir sprechen hier von Ian Vanderbilt. Er würde sein gediehenes Junggesellendasein niemals für eine Frau aufgeben.“

Sie wurde wieder ernst.

„Außerdem habe ich nicht vor mir meinen Lebensablauf von ihm diktieren zu lassen.“

„Und wenn du mich heiraten würdest?“

Elena hielt für einen Moment inne. Sie starrte ihn mit großen Augen verdutzt an, doch Theodor schien es entgegen seiner sonst so lebenslustigen Natur wirklich ernst zu meinen. Er griff nach ihrer Hand.

„Er würde es nicht wagen dich anzufassen, wenn du eine verheiratete Frau wärst, zumal er dazu keinerlei Recht besäße und im Falle eines Falles verantwortlich gemacht werden würde. Darüber hinaus wäre ich immer in deiner Nähe und könnte so auf dich aufpassen.“

Er schien sich ja wirklich ernsthafte Gedanken darüber gemacht zu haben. Elena suchte nach Worten.

„Taddy…“

„Du musst nicht sofort darauf antworten.“,

unterbrach er sie leise.

„Du weißt, wie viel du mir bedeutest. Ich würde alles für dich tun, Elena.“

Er lächelte leicht, während Elena ihre Sprach wiederfand.

„Du bist doch wirklich immer wieder für eine Überraschung gut, Theodor Dobbs.“

In ihren grünen Augen funkelte es, als sie den jungen Mann neben sich ansah.

„Ich habe heute Abend ja wirklich mit so einigem gerechnet, aber nicht, dass ausgerechnet du mir einen Heiratsantrag machen würdest.“

Der junge Mann verzog seine Lippen zu einem breiten Grinsen und fuhr sich ohne die Spur von Verlegenheit durch sein blondes Haar.

„Taddy, ich weiß deine Sorge um mich zu schätzen und dein aufopferndes Angebot ehrt mich wirklich sehr, aber ich könnte dir das niemals antun. Du bist ein wunderbarer Mann, mutig, liebevoll und warmherzig. Du verdienst es eines Tages deine große Liebe zu finden und glücklich zu werden. So ehrenvoll dein Verhalten ist, es wäre nicht gerecht und ich könnte es mir nicht verzeihen, wenn du für mich auf dein Glück verzichten würdest...“

Mit einem Seufzen zog er sie in seine Arme.

„Ich brauche nicht viel um glücklich zu sein, Elena. Es würde schon reichen dich jeden Tag an meiner Seite zu haben und zu wissen, dass es dir gut geht.“

Sie lachte und kuschelte sich an seine Brust.

„Das glaube ich dir nicht, Theo. Auf Dauer würdest du dich doch nach der wahren Liebe sehnen. Wir beide würden es.“

„Was ist schon wahre Liebe, Elena?“

Er schien einen Moment zu überlegen.

„Es würde mir nicht schwerfallen, dich zu lieben. Wenn du es mir erlauben würdest.“

Die junge Frau in seinem Arm richtete sich abrupt auf und sah zu ihm hoch.

„Wag es ja nicht, Theodor Dobbs! Ich würde todunglücklich werden, wenn ich dich als meinen Bruder und besten Freund verlieren würde.“

Der junge Mann musste lachen und zog sie wieder an sich.

„Den würdest du nie verlieren, Elena. Vielmehr würdest noch einen wunderbaren Ehemann hinzubekommen und hättest sie gleich alle zum Preis von Einem.“

Elena lächelte kurz.

„Glaubst du wirklich, dass ein so widerlicher Kerl wie Ian Vanderbilt es wert ist, dass wir uns vom ihm den Lauf der Dinge bestimmen lassen, ohne je erfahren zu haben, was es bedeutet wirklich zu lieben und geliebt zu werden?“

Sie schielte zu ihm hoch. "Ich weiß, dass du dir mehr wünschst als eine freundschaftliche Ehe."

Sie spielte mit den Knöpfen seines dunklen Jacketts.

„Ganz gleich, was du mir sagen wirst. Was ist mit Romantik, Leidenschaft...?“

Er blickte auf sie herunter und schmunzelte, während es in seinen blauen Augen nun neckisch aufblitzte.

„Sag bloß, du unterschätzt meine Fähigkeiten, dir die leidenschaftlichen Seite einer Ehe zu...“

„Theodor Dobbs! Also wirklich.“

Der junge Mann musste lachen, während Elena tadelnd den Kopf schüttelte.

„Ich liebe dich, Taddy... das weißt du, aber noch befinde ich mich nicht in derart großen Schwierigkeiten, als dass eine solche Lösung der Dinge unumgänglich wäre.“

Sie schwieg eine Weile und betrachtete ihn mit einem glücklichen Lächeln.

„Wenn wir nicht schon so lange befreundet wären und du nicht wie ein Bruder für mich wärst, kannst du dir sicher sein, Theodor Dobbs, dass ich sofort und ohne jegliches Zögern ja gesagt hätte. Es gäbe kein schöneres Leben für eine Frau, als eines an deiner Seite.“

Sie zog ihn zu sich herunter und drückte ihm einen Kuss auf die Wange.

„Ich weiß gar nicht, womit ich einen so wundervollen Menschen in meinem Leben überhaupt verdient habe.“

Elena konnte nicht verhindern, dass ihre Augen sich mit Tränen füllten, als sie zu ihm aufsah.

Theodor schüttelte lachend den Kopf.

„Elena...“

Er beugte sich zu ihr.

„Hör auf damit. Du machst mich ja noch ganz verlegen.“

„Lügner.“,

entgegnete sie jedoch und musste nun ebenfalls lachen.

„Du wirst nie verlegen, Taddy!“

Seine Lippen verzogen sich zu einem spitzbübischen Grinsen.

„Es gibt für alles ein erstes Mal, teure Elena.“

Er legte seinen Arm um sie und zog sie wieder an sich, während er sich zurücklehnte und in den Sternenhimmel aufsah. Elena schloss ihre Augen.

Sie hatte den vier Jahre älteren jungen Mann kennengelernt noch bevor sie in die Gesellschaft eingeführt worden war. Ihre Mutter war mit seiner Familie befreundet gewesen, bis ihrem Vater der Umgang nicht länger gefallen hatte.

Nachdem Theodor von dem Hochschulinstitut für Literatur zurückgekehrt war und als Reporter in Boston angefangen hatte, waren sie sich während ihres ersten Debüts nach den Jahren wieder begegnet. Sie hatte viel Zeit mit ihm verbracht, wodurch sich auch schnell eine enge Freundschaft entwickelt hatte. In dieser Welt der Gesellschaft voll von Richtlinien und Standarten in der sie sich stets verloren gefühlt hatte, war Taddy jemand gewesen, der ihr, abgesehen noch von ihrer Mutter, einen Halt geboten hatte. Als sie dann für vier Jahre nach England gegangen war, um die Londoner Universität zu besuchen, war Taddy von seinem Arbeitgeber als Korrespondent dorthin geschickt worden. Obgleich er nie etwas gesagt hatte, war Elena schon bald zu der Vermutung gelangt, dass er in dieser Entscheidung einiges mitgewirkt haben musste.

Sie war ihm mehr als dankbar für seine Umsicht und Fürsorge hinsichtlich ihrer selbst und konnte sich ein Leben ohne ihn gar nicht mehr vorstellen. Schon bald war er für sie der große Bruder, den sie nie gehabt hatte.

Es gab wohl einige Vertreter der amerikanischen Gesellschaft, die sich einen Anstoß an ihrer Freundschaft nahmen und es für vollkommen unschicklich hielten, dass zwei junge Leute sich derart nahestehen konnten ohne dem eine tiefere Bedeutung zuzumessen. Doch wenn es etwas gab, auf das der junge Reporter rein gar keinen Wert legte, war es das Gerede der Leute. Genauso wenig wie er sich von einem angesehenen und einflussreichen Mann, wie Vanderbilt es war, je einschüchtern lassen würde.

Andere junge Männer ließen augenblicklich von ihr ab, sobald der reiche Erbe auf der Bildfläche erschien und ihnen mit klaren Blicken andeutete sich von ihr zu entfernen. Nicht so Taddy. Selbst wenn Vanderbilt sie gerade zum Tanz auffordert hatte, besaß er die Courage dem Mann öffentlich die Stirn zu bieten und ihm das Mädchen aus den Armen zu nehmen.

Theodor Dobbs war ein lebensfroher junger Mann, der selten ein unglückliches Gesicht machte. Mit seinem aufgeweckten Gemüt und dem trockenen Humor war er ein erfrischendes Gegenstück zu der Bostoner Gesellschaft. Er sagte was er dachte und nahm bei seinen Konversationen nie ein Blatt vor den Mund. Es war ein Wagnis und jedes Mal eine Herausforderung sich auf eine Diskussion mit dem klugen Reporter einzulassen. Obgleich auch er eine gesellschaftliche Erziehung genossen hatte, hatte es bislang noch keiner geschafft ihn in die Kategorie des idealen Gentleman zu integrieren. Der junge Mann dachte im Traum nicht daran, sich irgendetwas von der Gesellschaft und ihren Lebensansichten vorschreiben zu lassen. Dementsprechend fielen auch seine Zeitungsartikel aus.

In der Gesellschaft galten seine Titelseiten als die unverfrorensten Dreistigkeiten überhaupt und dennoch waren sie beliebt und wurden von allen gelesen. Insgeheim bewunderten ihn die Leute für seine Furchtlosigkeit die Offensichtlichkeiten auch beim Namen zu nennen, wenn dies selbstverständlich jedoch keiner der angesehenen Herrschaften jemals zugeben würde.

Theodor machte sich nichts aus der Meinung Anderer. Er kam aus einer guten Familie, er war angesehen und wurde von allen respektiert. Der Redakteur hatte es irgendwann aufgegeben, den Jungen in seiner unverblümten Wortwahl bändigen zu wollen. Ein so sprühender Geist, könne niemals aufgehalten werden. Das war zumindest immer die Antwort des jungen Schriftstellers auf die Moralpredigten seines Vorgesetzten.

Schon als Elena ihn kennengelernt hatte, war sie fasziniert von dem Jungen gewesen. Das sie heute so war, hatte sie zu einem großen Teil ihm zu verdanken. Es war sein Verdienst, dass sie zu einer selbstbewussten und unabhängigen Frau herangewachsen war. Ihr blonder Freunde lehnte sein Kinn an ihre Stirn und riss sie aus ihren Gedanken.

„Ich werde es niemals dazukommen lassen, dass er dir etwas antut, Elena.“

Keine andere Wahl

 

 

 

 

 

„Mr. Vanderbilt ist soeben eingetroffen, Sir.“

Gabriel Sinclaire sah von seinen Unterlagen auf.

„Ich lasse bitten.“

Kurz darauf trat der hochgewachsene Mann in das Arbeitszimmer ein.

„Wirklich lobenswert, dass Sie Ihre Gäste zu keiner Zeit warten lassen, Mr. Sinclaire. Es ist mir stets eine Freude in ihr Haus zu kommen.“

Gabriel lächelte und erhob sich um seinen Gast mit einem Händedruck zu begrüßen.

„Mr. Vanderbilt. Die Freude ist ganz meinerseits.“

Er wies auf die Sesselgruppe am Fenster und winkte nach dem Butler, der sogleich herbei trat und zwei der Kristallgläser mit reifem Scotch füllte.

„Setzen Sie sich doch, bitte.“,

bat Sinclaire und reichte dem Mann eines der Gläser.

„Wie aufmerksam.“

Er lächelte und setzte sich in einen der gepolsterten Sessel.

„Was verschafft mir die Ehre Ihres Besuches, Mr. Vanderbilt?“

„Oh, ich habe mich gelangweilt. Seit heute Morgen nehme ich jeden nur möglichen Geschäftstermin an. Gerade komme ich von der Bank. Bei der Gelegenheit dachte ich mir zur Abwechslung gleich auch bei einem guten Freund vorbeizuschauen, zu etwas netter Gesellschaft.“

Er deutete ein Lächeln an.

„Ich bereite Ihnen doch etwa keine Unannehmlichkeiten mit meinem unangekündigten Besuch?“

Gabriel wehrte ab.

„Aber nein, Mr. Vanderbilt. Sie sind mir stets ein mehr als nur willkommener Gast.“

„Ihre Geschäfte laufen gut?“, 

erkundigte Vanderbilt sich und hob fragend die Augenbrauen.

„Oh ja, ja. Morgen erwarte ich eine neue Lieferung aus Übersee. Ich hoffe dieses Jahr endlich wieder schwarze Zahlen zu schreiben und nach langer Zeit eine zufriedenstellende Bilanz verzeichnen zu können.“

Ian verzog das Gesicht.

„Die Hoffnung hat noch nie zu eines Geschäftsmannes Erfolg beigetragen, Mr. Sinclaire. Nach all den Jahren habe ich gedacht, sie hätten wenigstens das gelernt. Ehrgeiz, Bestreben und Härte allein können einen triumphalen Durchbruch und bleibenden Erfolg sichern. Merken Sie sich meine Worte.“

Er hob den Zeigefinger, während Gabriel eifrig nickte.

„Gewiss doch, Mr. Vanderbilt.“

Er räusperte sich.

„Ich habe Ihnen eine Menge zu verdanken.“

Doch sein junger Gesprächspartner winkte ab.

„Lassen Sie uns heute einmal nicht über das Geschäft sprechen, Mr. Sinclaire. Wenn ich recht überlege, führt mich auch ein ganz anderer Grund zu Ihnen.“

Auf dem Gesicht des Mannes breitete sich ein merkwürdiges Lächeln aus.

„Es geht mir heute um etwas anderes. Nicht um etwas das ich schon habe, viel mehr etwas das mir fehlt.“

Gabriel verzog verständnislos das Gesicht.

„Ich fürchte, ich kann Ihnen nicht ganz folgen.“

„Sehen Sie, ich habe in meinem Leben alles erreicht, das man sich wünschen kann. Ich bin angesehen, erfolgreich und vermögend. Ich habe stets bekommen, was ich wollte.“,

erklärte Vanderbilt.

„Darüber hinaus bin ich auch immer bereit gewesen, wenn es denn die Notwendigkeit erforderte, einen entsprechenden Preis zu zahlen.“

Gabriel schien immer noch nicht recht zu verstehen, was sein Gegenüber sagen wollte.

„In der Vergangenheit bin ich bislang nicht bereit gewesen mein Junggesellendasein für eine lebenslange Ehe aufzugeben.“

Nun erhellten sich die Gesichtszüge seines Gegenübers.

„Sie gedenken sich zu vermählen?“

Vanderbilt verzog keine Miene. Allein seine Augen schienen eine Note dunkler zu werden, als er das Glas an die Lippen setzte und einen Schluck nahm.

„Ja, so wird es offiziell lauten, Mr. Sinclaire. Allerdings würde ich auch niemals einen Preis zahlen, wenn ich nicht absolut davon überzeugt wäre, dass er mehr als eine lohnende Investition ist, zumal mir Ihre Tochter in diesem Fall auch keine andere Wahl lässt.“

Gabriel horchte auf.

„Elena? Sie wollen um die Hand meiner Tochter anhalten?“

Auf dem Gesicht des Vaters breitete sich ein Lächeln aus. Ihm war unverhohlene Interesse des Geschäftsmannes nicht verborgen geblieben und mehr als zufrieden hatte er die Annäherungsversuche des Vanderbilt-Erben zur Kenntnis genommen.

Auf seine letzte Frage verzog der Erbe das Gesicht und gab einen verachtenden Laut von sich.

„Nennen Sie es wie Sie wollen, Mr. Sinclaire. Es ist allein die Wahrung meiner Interessen und Wünsche, die mich zu diesem Schritt bewegt.“

Wenn Ian Vanderbilt sich einmal entschlossen hätte zu heiraten, wäre seine Zukünftige sicher von stiller und zuückhaltender Natur, vorzugsweise blond, hübsch und zierlich. Eine Frau, mit der er sich in der Öffentlichkeit sehen lassen konnte, mehr nicht.

Elena entsprach in dieser Hinsicht ganz und gar nicht der Vorstellung seiner Ehefrau, doch er hatte einsehen müssen, dass er anders von ihr nicht bekommen würde, was er wollte.

Sinclaire schien diesen Aspekt seiner Sichtweise nie in Erwägung gezogen zu haben.

„Was meinen Sie damit?“

Vanderbilt maß ihn mit einem Blick zu, als wäre er schwer von Begriff.

„Was ich damit meine, ist, dass es sich hier um nichts weiter als ein weiteres Geschäft handelt, Mr. Sinclaire! Interessenwahrung. Eigennützige Zielverfolgung.“

Er lachte.

„Natürlich! Was haben Sie von dem Ganzen? Sie müssen endlich lernen alles im Leben aus der Perspektive eines Geschäftsmannes zu betrachten.“

Gabriels Augen wurden groß, als ihm allmählich bewusst wurde, worauf der junge Mann hinauswollte.

„Ich bin der Einzige, der es noch versteht Ihre Gläubiger in Schach zu halten und dafür zu sorgen, dass der Gerichtsvollzieher nicht irgendwann vor Ihrer Tür steht, um all Ihre unbeglichenen Forderungen geltend zu machen."

Er streckte seinen Zeigefinger aus.

"Das ist der Vorteil den Sie für sich brauchen.“

Mit einem genießerischen Gesichtsausdruck lehnte er sich in dem Sessel zurück.

„Und nun zu meinem Geschäft, Mr. Sinclaire. Sie werden dafür sorgen, dass Ihre Tochter mit mir vor den Traualtar tritt und meine Ehefrau wird. Ich für meinen Teil werde dafür sorgen, dass Ihre Schulden sich ein für alle Mal...“

Er schnippte mit den Fingern.

„...in Luft auflösen. Nebenbei erwähnt, würden sich natürlich durch eine Heirat Ihre Schulden bei mir erübrigen.“

Gabriel sprang auf.

„Ich bitte Sie, Mr. Vanderbilt!“,

rief er aus, sichtlich um Fassung bemüht. Er war ja kein Heiliger und die Anforderungen, die er hin und wieder an seine Tochter stellte, mochten in moralischer Hinsicht fragwürdig sein und doch würde er niemals so weit gehen und sein Kind wie eine Verkaufsware für ein gutes Geschäft zu verschachern.

Vanderbilt hingegen blieb vollkommen gelassen. Mit einem überheblichen Grinsen in seinem makellosen Gesicht überschlug er die Beine, während er ein Staubflusen von seinem Hosenbein strich.

„Sie wissen so gut wie ich, dass Sie keine andere Wahl haben, Mr. Sinclaire.“,

entgegnete er dann seelenruhig und nahm noch einen Schluck seines Getränks.

„Noch sorge ich dafür, dass von Ihren finanziellen Schwierigkeiten nichts nach außen dringt und Ihr Ansehen in der Gesellschaft gewahrt ist. Allerdings erwarte ich auch eine Gegenleistung. Mit Geld können Sie nicht dienen, mit Ihre Gütern wüsste ich beim besten Willen nichts anzufangen, aber...“

Wieder verzogen sich seine Lippen zu einem kalten Lächeln.

„Ihre Tochter würde all das wieder ausgleichen können. Und wie bereits gesagt, nach der Hochzeit werden Sie vollkommen schuldenfrei sein.“

„Aber...“

Gabriel versuchte zu protestieren.

„Sie haben doch nicht ernsthaft geglaubt, dass Sie es allein schaffen würden, Mr. Sinclaire!“,

schoss es laut von dem Erben zurück, verärgert darüber, dass der Mann immer noch die Dreistigkeit besaß ihm zu widersprechen.

„Nichts als Illusion! Utopische Wahnvorstellungen. Sie werden nicht mal mehr lange genug leben um so viel abzuarbeiten, dass Sie wieder auf eigenen Beinen stehen könnten. Sie werden untergehen, ganz gleich was Sie auch versuchen sollten.“

Vanderbilt maß ihn mit einem eisigen Blick.

„Mein Einfluss reicht weiter als Sie es sich vorstellen können. Ich bräuchte nur den kleinen Finger bewegen und Sie wären erledigt.“

Gabriel senkte den Blick und ließ sich langsam wieder zurück auf den Sessel sinken. Vanderbilt hatte Recht. Es würde ihm keine andere Wahl bleiben. Wie sehr er sich auch abmühen würde. Es würde allein Jahre dauern die Zinsen seiner Schuld zurückzuzahlen. Er würde niemals allein aus seiner misslichen Lage herauskommen. Vanderbilt würde diese unermessliche Summe begleichen können. Er hatte die Möglichkeiten und Mittel. Sein Unternehmen würde frei von Schulden sein, so dass er lastenfrei von vorn anfangen konnte. Alles würde sich verändern.

Vanderbilt beobachtete mit größter Zufriedenheit den Sinneswandel seines Gegenübers.

„Sie wären der größte Narr dieser Erde, wenn Sie ein so großzügiges nicht auf der Stelle annehmen würden.“

Gabriel sah auf.

„Ich hatte gedacht, Sie würden sie lieben.“,

wagte er noch leise einzuwenden. Vanderbilt brach bei seinen Worten in lautes Gelächter aus.

„Liebe!“,

rief er dann verächtlich.

„Ich halte die Liebe für ein ungeklärtes wissenschaftliches Phänomen. Also etwas mit dem man sich gar nicht erst befassen sollte. Diese romantischen Vorstellungen, Träume und Gefühlsduseleien sind nichts für einen Mann. Frauen ja! Frauen neigen dazu, sich einer solchen Illusion hinzugeben. Solange ich davon profitiere, soll es Ihnen ruhig vergönnt sein.“

Sein Mund verzog sich zu einem grausamen Lächeln.

„Verliebte Frauen sind leidenschaftlich und damit weiß ich durchaus etwas anzufangen.“

Er lachte.

„Die Ehen unserer Gesellschaft werden vor allem auf der Grundlage wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Ziele geschlossen, aber sicher nicht aus Liebe."

Mit einem höhnischen Ausdruck in den Augen erhob er sich aus dem Sessel.

„Das einzig wichtige für Sie sollte sein, dass Sie Ihre Schulden los sind, wenn ich Elena geheiratet habe und Sie daher zweifellos von einer solchen Verbindung profitieren, ausschließlich Gewinne daraus ziehen. Ich kann Ihnen in jedem Fall versichern, dass es ihrer Tochter an nichts bei mir fehlen wird, obgleich Sie das längst wissen.“

Gabriel sah ihm zu wie er an den kleinen Tisch trat und sein Glas nachfüllte.

„Ach übrigens...“

Vanderbilt drehte sich um.

„Dieser Reporter. Dobbs...“,

sagte er wie beiläufig.

„Blonder, hochgewachsener junger Kerl…“

Allein das unmerkliche Funkeln in seinen dunklen Augen ließ seine unterdrückte Wut erahnen.

„Er scheint sich wirklich außerordentlich mit Ihrer Tochter zu verstehen.“

Sinclaire überlegte einen Moment, doch dann schüttelte er den Kopf, als ihm klar wurde weshalb der junge Mann fragte.

„Nein, Mr. Vanderbilt. Die beiden sind bloß gute Freunde. Sie kennen sich seit sie Kinder sind.“

„Bloß gute Freunde?“

Der reiche Erbe hob misstrauisch eine Augenbraue.

„Mir erschien das weitaus inniger als eine bloße Freundschaft.“

Der Vater zuckte etwas verloren mit den Schultern. Er schien nicht wirklich zu wissen, wie er dieses Verhältnis erklären sollte, zumal Elena nie auf ihn gehört hatte, wenn er versucht hatte diese Freundschaft zu unterbinden.

„Ich kann mir kaum vorstellen, dass es ein so vertrautes Verhältnis zwischen einem Mann und einer Frau geben soll ohne tiefere Gefühle.“,

setzte der Erbe dann noch etwas verwirrt hinzu. Gabriel schüttelte den Kopf.

„Es ist aber so. Mr. Dobbs ist wie ein Bruder für meine Tochter. Wenn sich irgendwann etwas zwischen ihnen geändert haben sollte, würde ich das wissen. Sie brauchen sich keine Sorgen machen, Mr. Vanderbilt.“

Der Mann nickte zufrieden, leerte sein Glas in einem Zug und stellte es auf den Tisch, bevor er nach der Klingel griff und dem Butler läutete. Die Unterhaltung schien damit für beendet.

„Ich werde den Hochzeitstermin in zwei Wochen anberaumen.“,

erklärte er und ließ sich seinen Zylinderhut und den Spazierstock geben.

„Das Vergnügen, Ihre Tochter von den Neuigkeiten in Kenntnis zu setzen, werde ich ganz Ihnen als Vater überlassen.“

Mit diesen Worten tippte er sich an seinen Hut und verließ den Raum.

„Guten Tag, Mr. Sinclaire.“

Gabriel blieb etwas verloren zurück. Insgeheim wünschte er sich, die letzten Minuten wären ein schlechter Scherz gewesen. Nachdenklich senkte er den Blick auf die kupferfarbene Flüssigkeit in seinem Glas. Wie er das Blatt auch drehen und wenden mochte, es blieb ihm keine andere Möglichkeit.

Eine Tochter hatte er schon einmal verlieren müssen, als er versucht hatte über den Weg der Heirat seiner Kinder seine gesellschaftliche Position zu halten, doch hier war es etwas anderes.

Vielleicht hätte er sich bei Daisy anders entschieden, wenn sie nicht mit diesem elendigen Cowboy gegangen wäre und hätte sie nicht mit diesem Viscount verheiratet. Elena würde derartiges nicht tun! Schließlich konnte sie sich kaum beklagen.

Ian Vanderbilt war nicht dreißig Jahre älter und auch kein widerlicher Lustmolch, wie er sich an die damalige Wortwahl seiner Ältesten erinnerte. Er war ausgesprochen charmant, vermögend und gutaussehend. Er war der begehrteste Junggeselle der Bostoner Gesellschaft und die beste Partie, die ein junges Mädchen machen konnte. Elena konnte sich glücklich schätzen, dass er gerade sie haben wollte.

„James.“

Er winkte nach seinem Butler, der sogleich beflissen zu ihm trat.

„Sir?“

„Ich wünsche meine Tochter zu sehen.“

 

 

 

 

 

Haben Sie denn schon einmal über die Vorteile nachgedacht?

 

 

 

 

 

 

„Aber, Kindchen!“,

Miss Claudette Sutton legte ihre Stickarbeit beiseite und erhob sich für ihre beachtliche Körperfülle mit erstaunlicher Geschwindigkeit von dem Stuhl.

 „Was um alles in der Welt ist denn geschehen?!“

Totenbleich und mit vor Entsetzen geweiteten Augen war Elena in ihr Zimmer zurückgekommen. Wie erstarrt sank sie auf einen Stuhl, während ihre Gouvernante in heller Aufregung auf sie zugelaufen kam und sich neben ihr niederließ.

„Sie sehen ja aus, als hätten Sie den Teufel höchstpersönlich gesehen!“

Elena wandte ihren Blick auf ältere Dame, schien aber mehr durch sie hindurchzusehen.

Diese Art der Umschreibung traf es wohl ziemlich genau. Nur dass sie den Teufel nicht nur gesehen hatte, sondern, was noch viel schlimmer war, ihn heiraten sollte. In zwei Wochen!

Diese Erkenntnis, ließ ihre erloschenen Lebensgeister gleich wieder aufleben. Ihre Miene verfinsterte sich und ihre Erschütterung schlug um in grenzenlose Wut.

„Ich fasse es nicht, dass er tatsächlich zugestimmt hat!“

Sie erhob sich und begann energisch die Schritte von dem kleinen Tischchen bis zum Fenster stetig auf und ab zu wandern, während die Anstandsdame ihr mit den Blicken folgte.

„Wollen Sie mir denn nicht sagen, was…“

„Verheiraten will er mich!“,

fuhr Elena der Frau unwirsch dazwischen.

„Verheiraten… mit dem Teufel höchstpersönlich!“

Claudette blickte sie über die runden Gläser ihrer Nickelbrille an.

„Nur seines verdammten Geldes wegen schaut er erbarmungslos über alles andere und jeden hinweg!“,

redete das junge Mädchen sich weiter in Rage, während die Dame erschreckt nach Luft schnappte obgleich der rüden Ausdrucksweisen.

„Das Ansehen und den Luxus will er wahren, die gesellschaftliche Position darf unter keinen Umständen verloren gehen, die Schulden müssen doch irgendwie beglichen werden.“,

zählte sie die Gründe ihres Vaters auf, die er ihr noch vor wenigen Minuten in seinem Arbeitszimmer als Grundlage seiner Entscheidung vorgeführt hatte.

„Warum bitte muss ich nun für seine Fehler büßen?“,

rief sie aufgebracht und warf die Arme in die Luft.

„Mich interessieren sein Ansehen und vor allem sein Geld nicht! Es ist mir herzlich egal, ob ich nun in diesem protzigen Schloss oder einem einfachen Haus in der Stadt lebe! Vor zwanzig Jahren ist er schließlich auch nicht an diesen Umständen gestorben.“

„Aber, Miss Elena!“

Endlich kam ihre Erzieherin dazu etwas zu äußern.

„Sie können doch nicht so über ihren Herrn Vater sprechen!“

„Und ob ich das kann, Claudette!“

Das Mädchen schnaubte.

„Er kann auch nicht einfach so über mein Leben entscheiden, als wäre ich eine Sklavin!“

„Nicht Sklavin, mein Kind.“,

korrigierte sie die Frau.

„Aber er ist als Ihr Vater auch Ihr Vormund und kann daher sehr wohl über derartige Dinge entscheiden.“

„Claudette!“

Die Dame erhob und warf ihrem Schützling einen bedauernden Blick zu.

„Ich heiße es lange nicht für gut, doch es ist eine unumstößliche Tatsache und Regeln der heutigen Gesellschaft. Sie sind nicht volljährig.“

„Das ist nicht mehr lange der Fall!“,

versuchte Elena dagegen zu halten, doch sie war sich im klaren, dass es ihr nicht viel nützen würde. Sie würde nicht innerhalb der nächsten vierzehn Tage ihr einundzwanzigstes Lebensjahr erreichen und selbst dann würde es vermutlich nichts bringen. Ihr Vater fungierte nicht nur als ihr Vormund, sondern in erster Linie als ihr Vater.

Ihre entschlossener und unerschütterlicher Anschein fiel in sich zusammen und verzweifelt ließ sie sich auf die Kante ihres Bettes sinken, während ihre Tränen sich nun verselbstständigten und nicht mehr zurückzuhalten waren.

Ihre Gouvernante kam auf sie zu und zog sie mütterlich in ihre Arme.

„Ich will und werde diesen widerlichen Schuft nicht heiraten.“,

wiederholte sie ein ums andere Mal, während Miss Sutton ihr liebevoll über das braune Haar strich.

„Haben Sie denn schon einmal über die Vorteile nachgedacht, die Ihnen eine solche Verbindung einbringen würde?“,

fragte sie dann leise und Elena hielt kurz inne, dann riss sie den Kopf hoch und sah die Frau erschüttert an.

„Vorteile?!“,

rief sie entgeistert aus.

„Was kann es denn für Vorteile geben mit einem Mann wie Ian Vanderbilt verheiratet zu sein?!“

Claudette lächelte leicht und schien einen Moment zu überlegen wie sie ihre Antwort einleiten sollte.

„Für eine Frau ist es wichtig, dass Sie über einen Mann, ihren Ehemann, finanziell und auch sozial abgesichert wird. Ihre Aufgabe ist es ihm eine Stütze zu sein-“

„Um nicht zu sagen seine nächtlichen Übergriffe zu ertragen.“

Die Gouvernante warf ihr für ihre Worte einen tadelnden Blick zu, ehe sie ungerührt fortfuhr.

„… sich um die Dienerschaft im Haushalt zu kümmern, ihm Kinder, in erster Linie einen Erben zu schenken und auch sonst für ihn da zu sein. Eine Frau muss…“

„Das sind nicht wirklich Vorteile!“,

fuhr Elena unerbittlich dazwischen und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht.

„Ich höre die ganze Zeit nur das Wort ­muss!“

Sie sprang unvermittelt auf.

„Meine Güte! Wir leben doch nicht mehr im Mittelalter! Frauen können heute durchaus einen Beruf ausüben und…“

„Nicht die Frauen der Gesellschaft!“,

schnitt Claudette ihr streng das Wort ab. Allmählich schien sie kein Verständnis mehr für die Uneinsichtigkeit des Mädchen haben zu wollen.

„Die Frauen der Gesellschaft besuchen kein College und beschäftigen sich im Alltag auch nicht mit einer Berufstätigkeit. Ein Mädchen der oberen Gesellschaftsschicht debütiert, heiratet einen der angesehenen und reichen Edelmänner und ist danach ausschließlich für die Ehe und ihren Mann da. Dafür genießt sie großes Ansehen und die Vorzüge eines lukrativen Lebensstils.“

Elena gab einen ärgerlichen Laut von sich.

„Dann will ich eben keine Dame der Gesellschaft sein!“,

stieß sie wütend aus, was ihre Gouvernante trotz der ernsten Situation zum Lachen brachte.

„Tja mein Kind, dass liegt wohl nun nicht mehr im Bereich des Möglichen. Ihr Vater hat hart gekämpft um all das auf die Beine zu stellen.“

„Und anscheinend hätte er es besser sein lassen sollen, dann hätte er keine Berge an Schulden und müsste seine Tochter jetzt auch nicht veschachern wie ein Stück Vieh!“,

gab Elena herzlos zurück und verschränkte die Arme.

„Ich habe Träume. Eigene Vorstellungen vom Leben.“

Sie drehte sich wieder der Frau zu.

„Mir ist wohl bewusst, dass es mir in einer Ehe mit einem Geldhans von Vanderbilt an nichts fehlen wird. Ich werde in einem noch imposanteren Haus wohnen als diesem hier, werde den größten Luxus und das höchste Ansehen genießen, den man sich vorstellen kann und doch werde ich ein gefangener Vogel in einem goldenen Käfig sein!",

fasste sie zusammen.

„Und allein die Vorstellung jede Nacht das Bett mit diesem grausamen Mann teilen müssen!“

Sie hielt einen Moment inne und richtete ihren Blick dann fest auf ihre Gouvernante.

„Ich würde mehr verlieren als gewinnen. Jeder Mensch, der das erkannt hat würde diesen Fehltritt niemals mit einem Vorteil gleichstellen wollen.“

„Miss Elena.“,

begann Claudette mahnend.

„Jede andere junge Frau würde…“,

doch Elena unterbrach sie mit einem Lachen.

„Dann soll sie doch! Vanderbilt kann jede haben nur bin ich nicht jede! Zwar würde ich der jungen Dame mein herzliches Beileid aussprechen, doch ich würde mich ihr niemals in den Weg stellen. Soll er sich nehmen welche er will… aber nicht mich!“

Claudette sah sie lange an, dann neigte sie den Kopf.

„Denken Sie nicht einmal ein wenig an Ihren Herrn Vater?“

„Nein.“,

entgegnete Elena schlichtweg.

„Vater denkt in allem was er seiner Familie antut ausnahmslos an sich selbst, das hat er immer getan. Ob es in der Vergangenheit Mutter oder auch Daisy waren. Wie kann man sein Kind mit einem dreißig Jahre älteren Mann verheiraten wollen, würde man es wirklich lieben?! Der Grund allein, dass sie mit einer solchen Ehe ausgesorgt hätte ist bei Weitem nicht genug! Er war stets nur auf seinen eigenen Vorteil bedacht. Sie glauben doch nicht wirklich, dass er nur einen einzigen Gedanken an mich verschwendet hat als er dieser Verlobung zugestimmt hat! Er hat alles selbst beschlossen! Wir hatten niemals ein solches Leben gewollt. Uns ging es gut, wir waren glücklich, bis er auf die amerikanische Gesellschaft geschielt und seine Chance gewittert hat auch ein Teil ihrer werden zu können! Ihm ging es nie um seine Familie, Claudette.“

„Es ist nun mal das Recht eines Vaters. Damit müssen Sie sich abfinden.“

Die Dame sah das Mädchen an und schwieg für einen Moment.

„Wollen Sie sich wirklich derart auflehnen? Er wird alles verlieren.“

„Und hoffentlich kommt er ja vielleicht dadurch wieder zur Einsicht. Das ist nämlich das einzige, was längst überfällig ist!“

Die Gesellschafterin erhob sich und trat auf das Mädchen zu.

„Und doch wissen Sie, dass Sie keine andere Möglichkeit haben, als Ihrem Vater den Gehorsam zu leisten, der ihm als Ihr Vater zusteht.“

Sie strich ihr über die Wange.

„Es sind die heutigen Regeln, mein Kind, und an diese sollten Sie sich halten.“

Elena schluckte hart bei den Worten ihrer Gouvernante. Sie ballte ihre Hände zu Fäusten, als die Frau aus dem Zimmer trat und die Tür hinter ihr seicht ins Schloss fiel.

„Dann wird es wohl Zeit, dass sich jemand diesen absurden Regeln widersetzt.“,

murmelte sie entschlossen.

Es gab immer eine andere Möglichkeit und eine andere Wahl. Sie hatte zu viele Pläne, zu viele Dinge, die sie sich vom Leben erhoffte, als das sie sich durch eine solche Kleinigkeit davon würde abhalten lassen. Ihre Mutter hatte ihr immer eingeschärft, dass es wichtiger war, auf sein Herz zu hören, als irgendwelche Pflichten und Vorschriften einzuhalten, die mit dessen Sprache keineswegs vereinbar waren. Sie brauchte keinen Mann und schon gar keine unglückliche Ehe um sich in irgendeiner Weise abzusichern.

Ihr Vater konnte sich auf den Kopf stellen. Sie würde Ian Vanderbilt in keinem Fall heiraten!

 

Eine kleine Stadt in Colorado

 

 

 

 

 

Ärgerlich zog Elena die weißen Perlen aus ihren Haaren, löste die Bänder und ließ die Locken frei über ihre Schultern fallen.

In den letzten Tagen wurden, trotz ihres Protestes, emsige Hochzeitsvorbereitungen getroffen. Die Schneiderin war gekommen und hatte ihre Maße genommen, Stoffe ausgewählt und passenden Schmuck vorgeschlagen. Die Friseurin kam ebenfalls an jedem Tag. Schuhe wurden anprobiert, Spitze ausgesucht, Blumen festgelegt. Am Anfang hatte Elena zwar noch versucht sich zur Wehr zu setzen, doch man hatte schlichtweg darüber hinweggesehen, so dass sie es nach einigen Tagen aufgegeben und die Dinge stumm und ausdruckslos über sich ergehen ließ.

Niemand ahnte, dass sie in der Zwischenzeit aber fieberhaft nach einem Plan forschte, um doch einen rettenden Ausweg zu finden. Soviel in ihrer Macht stand, ehe sie nicht an die letzten Grenzen gegangen war, würde sie nicht aufgeben. Solange sich noch irgendwelche anderen Möglichkeiten ergaben, würde sie niemals zulassen, dass ihr Vater sie für seine Machtspiele benutzte, nur um seine derzeitige Stellung und seinen Reichtum nicht zu verlieren.

Ihr Blick fiel auf ihr Spiegelbild. Sah denn niemand wie blass sie geworden war? Fielen denn niemand die dunklen Ringe unter ihren Augen auf? Schien denn niemand verstehen zu wollen, wie sie sich fühlte?

Die Tränen stiegen ihr erneut in die Augen. Nächtelang hatte sie sich in den Schlaf geweint. Die Damen, die zur Gratulation der Verlobung wegen zu Besuch gekommen waren, tadelten sie allesamt, dass sie überhaupt nicht wie eine Braut strahle. Sie müsse sich glücklich schätzen. Nein, ausgerechnet Ian Vanderbilt würde sie ehelichen. Sie müsse doch verstehen, welch ein Privileg ihr da zuteil wurde. Wenn der Vater nicht mit anwesend gewesen wäre, hätte Elena nicht genickt und auch nicht gelächelt. Sie hätte sehr anschaulich in Worte gefasst, wie viel genau sie davon hielt.

Entschlossen wischte sie sich die Tränen von der Wange und erhob sich. Es wurde Zeit endlich einen Ausweg zu finden. Sie musste fort von hier und wenn sie auch nur wüsste wohin sie auf dieser weiten Welt fliehen könnte, wäre sie schon vor Tagen verschwunden. All die Verwandten, die sie kannte, waren schon längst da gewesen und hatten ihren herzlichen Glückwunsch ausgesprochen. Von dort würde sie sich keine Hilfe erhoffen können, jeder von ihnen hielt einen Sohn der Familie Vanderbilt für mehr als ausgesprochen vorteilhaft und sich gegen eine solche Verbindung auszusprechen mehr als töricht. Schließlich trugen sie allesamt ihren Gewinn daraus.

Elena kam sich schrecklich einsam vor. Mutter hätte sicher einen Ausweg gewusst.

Auf leisen Sohlen schlich sie aus ihrem Zimmer und ging in die Gemächer ihrer Mutter. Trotz ihres Todes waren die Räumlichkeiten noch immer so verblieben, wie ihre Mutter sie hinterlassen hatte und keiner im Haus wagte es die Zimmer der Herrin für eine andere zweckdienliche Verwendung freizustellen.

Elena schloss die Tür hinter sich. Sie kam oft her, denn hier hatte sie das Gefühl ihrer Mutter am nächsten zu sein. Alles schien so, als würde sie gleich durch die nächste Tür in das Zimmer treten, mit einem Buch in der Hand und einem gütigen Lächeln in ihrem Gesicht. Selbst der Duft ihres Fliederparfüms hing immer noch in der Luft. Elena hegte die Hoffnung, dass es sich vielleicht auf Verwandtschaftsseiten ihrer Mutter irgendjemand finden würde, der ihr helfen und sie unterstützen würde. Sie wusste von den vielen Erzählungen, dass die Eltern und Geschwister ihrer Mutter gute Menschen waren, jedoch weit entfernt in Europa lebten. Sie hatte auch bisher noch keinen von ihnen kennengelernt, doch selbst davon würde sie sich nicht abhalten lassen, denn weiter weg und unbekannter konnte es ihr im Moment gar nicht sein.

Unvermittelt wanderten die Gedanken zu ihrer Schwester. Daisy würde sie von allen Menschen auf dieser Welt am besten verstehen können und sich ihrer annehmen, bedingungslos. Doch sie hatte keine Vorstellung, wo sie ihre Schwester würde finden können und planlos in den wilden Westen zu fahren würde sich mitnichten als klug erweisen.

„Ach, Mama.“,

seufzte sie leise, sank auf eines der Sofas, vergrub das Gesicht in einem der Kissen und begann zu schluchzen.

„Ich will ja stark sein, so wie du es mich gelehrt hast, aber ich kann nicht mehr… Ich weiß einfach nicht wohin ich gehen könnte, um diesem Alptraum zu entfliehen.“

Wie sehnte sie sich doch nach den Armen der Mutter, nach ihrem Beistand und ihren liebevollen Worten. All das, was sie liebte und ihr wichtig war, hatte sie in ihrem Leben verlieren müssen. Jeder der Menschen, die sie je wirklich geliebt hatten, hatte sie verlassen und nun stand sie ganz allein da und wusste keinen Rat.

„Du bist zu früh gegangen. Du hast mich zu früh allein gelassen, Mama.“,

flüsterte sie und schüttelte den Kopf, während die Tränen ihr über die Wangen rannen. Ihr Blick fiel auf die Kommode am Fenster. Tamara Sinclaire hatte dort seit jeher ihre Post aufbewahrt. Sie hatte mit vielen Menschen regelmäßigen Briefkontakt gehalten, wie auch mit ihren Eltern und Geschwister. Es würde sich sicher ein Aufenthaltsort bestimmen lassen, an den sie einen Brief schicken und um Hilfe würde bitten können. Elena wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Mit neuer Entschlossenheit stand sie auf und trat auf den Schrank zu. Sie öffnete die oberste Schublade und entdeckte in der hintersten Ecke tatsächlich einen großen Stapel an Briefen, der ordentlich mit einem breiten roten Band zusammengebündelt waren. Aufgeregt zog Elena die Briefe hervor und ließ sich langsam auf den Teppich nieder, während sie begann die Schleife zu öffnen. Doch das was sie dann zu sehen bekam, ließ ihr den Atem stocken.

 

„Geliebte Mama,

 

Rob und ich sind endlich in Headland angekommen. Die Hälfte des Weges haben wir mit der Eisenbahn zurücklegen können. Ab Kansas musste wir uns allerdings einem Wagentreck anschließen mit dem es ungefähr noch eine Woche gedauert bis wir in Denver, Colorado ankamen. Von dort ist es lediglich noch eine Tagesreise bis nach Headland gewesen, die wir schon allein zurückgelegt haben, da der Wagentreck weiter in den Süden gereist ist.

Es ist wunderschön hier draußen und vollkommen anders als in Boston. Man befindet sich inmitten der Natur, fern ab jedem großstädtischen Treiben. Zwar ist es um einige Grade heißer und auch viel staubiger, als bei uns im Osten, doch es sei gesagt, dass mein neues Zuhause der allerschönste Ort ist, den es auf dieser Welt geben könnte! Traumhafte Sonnenaufgänge, sternenklare Nächte, sprudelnde Quellen und schimmernde Seen. Das Bild dieser unergründlichen Weiten vermag ich kaum in Worte zu fassen. Sie verlieren sich im Horizont und scheinen keinen Anfang und auch kein Ende zu finden. Die Sommer sind heiß und trocken, die Winter kalt und stürmisch. Dennoch ist es einzigartig hier draußen. Man hat das Gefühl, dem Himmel und der Natur nie näher gewesen zu sein. Man versteht erst was dieses Land in sich birgt, wenn man es mit eigenen Augen gesehen hat.

Der Begegnung mit meiner neuen Familie, habe ich im Gegensatz zu der neuen Landschaft und den Lebensumständen mit wohl weitaus mehr Bangen entgegengesehen.

Obgleich er ein wahrer Überredenskünstler ist, hat Robert es nicht geschafft, meine Sorge ganz verschwinden zu lassen. Schließlich bin ich alles andere, als das, was sich eine eingeschweißte Western-Familie für ihren ältesten Sohn vorstellt.

Ich bin eine Fremde und ein verwöhntes Stadtmädchen dazu. Weder verstehe ich etwas von der Führung eines eigenständigen Haushalts, noch von Kindererziehung. In nur allen erdenklichen Farben habe ich mir ausgemalt, was sie wohl von mir halten und denken werden. Kaum Schlaf habe ich bei all meiner Sorge gefunden. Im Nachhinein hat sich alles als vollkommen unnötig erwiesen. Ich hätte einfach gleich auf Robert hören sollen.

Der Empfang war herzlicher, als ich ihn mir je hätte vorstellen können. Sie haben mich freundlich und liebevoll willkommen geheißen. Ich konnte gar nicht anders, als sie in mein Herz zu schließen. Seine Eltern, Anthony und Jeanette, haben mir sofort zu Anfang das Gefühl einer Tochter gegeben, sowie auch seine Geschwister mich gleich als Familie aufgenommen haben.

Rob hat eine ältere Schwester, Anette, die bereits verheiratet ist und auch schon zwei Kinder hat. Ihr Mann, Colin Ryans, scheint zwar etwas zurückhaltend, doch ist er mir sehr sympathisch gewesen.

Seine jüngsten Geschwister sind der achtjährige Jamie und die kleine Melissa, die noch ein wenig jünger als Elena ist.

In den darauffolgenden Tagen haben wir uns vollauf mit den Vorbereitungen für die bevorstehende Hochzeit beschäftigt, weshalb ich dir auch jetzt erst schreibe. Die Trauung wird an diesem Wochenende in der kleinen Kirche hier im Ort stattfinden, die Feier mit den Freunden und Verwandten der Familie haben wir gedacht auf der Black-River-Ranch zu entrichten. Anette meinte, dass der Festsaal im Betty Clues-Hotel wohl auch eine Überlegung wert sei, doch Robert hätte um nichts in der Welt seinem Zuhause einen anderen Ort vorgezogen.

Tony hat ihm schon vor einem halben Jahr einen großen Teil seiner Landschaften übertragen, als Rob ihm von seinen Plänen berichtet hatte, eigenständig werden zu wollen. Bevor er zu mir nach Boston gekommen ist, hat er hier bereits alles vorbereitet. Er hat schon eine kleine Zucht von Rindern und zwei Männer, die für ihn auf unserer Black-River-Lodge arbeiten werden.

Noch stehen wir am Anfang und es wird sicher nicht alles ganz einfach werden, vor allem nicht für mich, doch ich darf meiner Zukunft glücklich und unbesorgt entgegensehen. Ich habe einen Mann, der mich von ganzem Herzen liebt und einen Ort, den ich nun mein Heim nennen darf. Der einzige Schatten, der mein Glück zu trüben vermag, ist die Sehnsucht nach dir und Elena. Auch Robert erkundigt sich immer wieder nach euch und bestellt dir seine herzlichsten Grüße. Allein durch diese Briefe fühle ich mich dir, trotz der weiten Entfernung nahe und danke dir schon jetzt für jedes liebende Wort, dass ich der Zukunft von dir erhalten werde. Ich denke jeden Tag an euch.

 

In Liebe,

Daislyn  

 

Es waren Daisys Briefe!

Elena konnte kaum glauben, was sie da in ihren Händen hielt. Mutter hatte die ganze Zeit einen Briefverkehr mit ihr gehalten und die ganze Zeit gewusst, wie es ihr ging und wo sie war, ohne dass sie etwas davon mitbekommen hatte. Es war die Erfüllung einer unausgesprochenen Bitte. Der Ratschlag ihrer Mutter, nach dem sie die ganze Zeit gesucht hatte.

Black Headland.

Diesen Namen trug ihre Rettung und sie würde keine weitere Sekunde vergeuden und auch nicht erst einen Brief schreiben, sondern sich gleich auf den Weg machen. Sicher würde sie noch einige Vorbereitungen treffen und auch Erkundigungen einholen müssen, doch sie würde zu Daisy gehen. Ihre Schwester war der Ausweg. Der Ausweg, der sie endlich vor diesem Alptraum würde retten können.

 Elena war gerade in ihrem Zimmer zurückgekommen und hatte die Briefe, von denen sie noch mehr gefunden hatte, sicher in eine ihrer Schubladen verstaut, als es an ihrer Tür klopfte. Rasch warf sie die Schublade zu, setzte sich auf das Sofa und schnappte sich ein Buch.

„Ja, bitte.“

Claudette steckte den Kopf ins Zimmer.

„Miss Elena?“

Sie blickte noch einen Moment konzentriert auf die Seiten ihrer Lektüre, dann hob sie desinteressiert den Blick.

„Claudette.“

„Ich habe etwas Tee für Sie vorbereiten lassen.“

Sie scheuchte das Dienstmädchen an sich vorbei, die geflissentlich das Tablett auf dem Tischchen abstellte und dann wieder das Zimmer verließ. Seufzend legte Elena das Buch zur Seite, während Claudette sich ihr gegenüber setzte und begann die zierlichen Tässchen mit der wohlriechenden braunen Flüssigkeit zu füllen.

„Claudette, eigentlich habe ich überhaupt…“

„Nein, nein, Kindchen! Das geht so nicht weiter!“,

unterbrach die mollige Dame sie jedoch und sah entrüstet auf.

„Ich kann das nicht länger mit ansehen. Seit Tagen spazieren Sie wie ein Gespenst durch die Gegend, von Ihnen sind ja nur noch Haut und Knochen übrig geblieben. Es wird Zeit, dass ihre Wangen etwas an Farbe gewinnen, Ihre Augen strahlen und Sie mal wieder ein Lächeln von sich geben.“

Elena maß die Gouvernante mit einem vielsagenden Blick, so dass diese etwas verlegen den Kopf senkte, doch sie antwortete ihrer Anstandsdame nicht, sondern griff stattdessen nach der Tageszeitung, die ebenfalls auf dem Silbertablett neben gelegt worden war.

Sie hatte keine Lust und auch kein Interesse sich Claudettes nicht zu unterbrechendes Gerede anzuhören, das sie stets bei den kleinen Teegesellschaften wie einen tosenden Wasserfall über sich ergehen lassen musste.

Wie erwartet begann diese auch schon gleich zu plappern und von dem neusten Klatsch und Tratsch zu berichten. Elena schaltete auf taub und vertiefte sich ganz und gar in die Zeitung.

Alles redete noch über den erst kürzlich beendeten Bürgerkrieg, Reformen, neue Wahlen. Die Politik schien wohl auf dem Vormarsch zu sein. Elena verstand zwar nicht viel von Politik, dass fiel eher in Taddys Bereich, doch sie war der Meinung, dass es längst an der Zeit war diese ständigen Reibereien at acta zu legen und sich wie zivilisierte Menschen zu benehmen, die doch mit einem gesunden Verstand gesegnet waren. Demnächst würde wohl ein angesehener Minister aus England zu Besuch kommen und in Spanien erwies sich die Thronfolge als äußerst umstritten. Man berichtete von den Unruhen in Mexico, letzte Woche sei wieder eine Postkutsche überfallen worden.

Um die Zeitung noch nicht zur Seite legen zu müssen, überflog Elena sogar den Anzeigenteil, der sie sonst nie interessierte. Die Chesters suchten ein Dienstmädchen, das Krankenhaus weitere Mitarbeiter und irgendwo im Westen brauchte man anscheinend einen neuen Schulmeister.

Sie wollte die Zeitung gerade mit einem Seufzen wieder zusammenfalten, als sie stutze. Ein Schulmeister im Westen? Schnell suchte sie die Anzeige, über die sie sich zunächst nicht sonderlich viele Gedanken gemacht hatte und ihr Herzschlag begann zu rasen, als sie diese im untersten Teil des Blattes wieder entdeckte und genauer in Augenschein nahm.

Den Schulmeister suchte man nirgendwo sonst als im Territorium von Colorado, Black Headland! Das war ja kaum zu glauben. Am liebsten hätte sie gejubelt und wäre wie ein kleines Kind im Zimmer umher gesprungen.

„Na, sehen Sie!“,

riss Claudette sie da aus ihren Gedanken.

„Es geht doch! Sie lächeln schon wieder.“

Elena warf ihrer Gouvernante einen Blick zu und bemühte sich wieder um ihren neutralen Gesichtsausdruck. Das Schlimmste wäre, wenn das geschulte Auge ihrer Gouvernante irgendetwas erahnen würde.

Die Frau lächelte und schielte auf die Zeitung in den Händen ihres Schützlings.

„Er hat die Verlobungsanzeige wirklich charmant formuliert, nicht?“

Verlobungsanzeige? Elena versuchte nicht überrascht zu wirken und nickte einfach um weitere Fragen zu vermeiden. Sie konnte sich nun beim besten Willen nicht über Ian Vanderbilt oder dieser leidige Verlobung unterhalten.

„Ich werde dann alles für die Schneiderin vorbereiten, ja?“

Elena sah auf.

„Die Schneiderin?!“,

fragte sie alarmiert und verzog missmutig das Gesicht.

„Aber ja! Sie hat sich für heute angemeldet. Sie wollte Ihnen doch den Entwurf Ihres Brautkleides vorführen.“

Das Mädchen unterdrückte ein genervtes Stöhnen und zwang sich zu einem knappen Lächeln.

„Sagen Sie den Termin ab.“,

entgegnete sie dann.

„Aber Miss Elena, das geht nicht.",

begann die dienstbeflissene Gesellschafterin auch gleich.

"Sie wissen doch, dass Ihr Vater darauf besteht, dass Sie sich…“

„Das ist mir durchaus bewusst.“,

unterbrach sie ihre Gouvernante und bemühte sich um einen festen Ton in ihrer Stimme.

„Ich bitte aber dennoch darum, dass Sie den Termin für heute Nachmittag absagen. Ich muss dringend in die Stadt, schließlich werde ich in einer Woche heiraten und hätte dafür auch noch persönlich etwas zu erledigen.“,

schwindelte sie und hoffte, dass damit endlich alles gesagt sein würde. Claudette hob fragend die Augenbrauen, doch bevor sie erneut widersprechen konnte, erklärte Elena mit Nachdruck:

„Es ist mein ausdrücklicher Wunsch, Miss Sutton. Mrs. Green kann gerne morgen früh kommen und mir ihren Entwurf vorstellen… Aber nicht heute und nicht jetzt!“

Endlich nickte die Gouvernante und verließ das Zimmer um die nötigen Vorkehrungen in die Wege zu leiten.

Elena richtete ihre ganze Aufmerksamkeit indes wieder auf die Anzeige. Das traf sich mehr als wunderbar.

Zwar wurde hier nach einem Schulmeister gefragt, doch sie wusste, dass es durchaus auch schon sehr viele Schulmeisterinnen gab. Lehrerin in Black Headland! Da würde sie ja gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen und der Wunsch von der Ausübung eines Berufs würde endlich in Erfüllung gehen.

Außerdem hätte sie sofort eine Aufgabe, der sie sich mit vollem Eifer widmen konnte und würde so auch niemanden zur Last fallen.

Die Anzeige war erst vor wenigen Tagen geschaltet worden und die Dringlichkeit des Anliegens wurde deutlich aufgezeigt, so dass sie keine Zeit verlieren würde.

Sie verzichtete darauf nach einem Dienstmädchen zu schellen, zog ihren Umhang, einen ihrer Hüte und ein Paar Handschuhe aus dem Schrank und machte sich ausgehfertig. Claudette wusste, dass sie in die Stadt wollte und sie würde niemanden mitnehmen, denn wenn sie anstatt irgendein Kaufhaus, das Telegrafenamt zu ihrem Ziel setzte, würde man zweifelsohne misstrauisch werden und das konnte sie bei der Ausführung ihres Rettungsplans wohl kaum riskieren.

Sie öffnete ihre Zimmertür und wollte gerade auf den Flur hinaustreten, als sie von zwei starken Armen blitzartig wieder zurückgeschoben wurde. Bevor sie aufschreien konnte, legte sich eine große Hand auf ihren Mund. Mit aufgerissenen Augen sah sie auf.

„Pscht!“

Ihr überraschender Gast schlug die Tür wieder zu, drehte den Schlüssel um und verharrte noch einen Moment, ehe er sie losließ.

„Taddy!“

Sie trat einen Schritt zurück, während es in ihren Augen blitzte.

„Bist du von allen guten Geistern verlassen! Du hast mir einen wahnsinnigen Schrecken eingejagt.“

Der junge Mann senkte schuldbewusst den Kopf.

„Tut mir leid, Elena. Das war nicht meine Absicht, aber ich musste dich endlich sehen.“

Er zuckte mit den Schultern und blickte sie eine Weile aufmerksam an, ehe er sagte:

„Ich... hab von der Verlobung gehört...“

Elenas Lächeln erlosch sogleich und ihre gerade noch glänzenden Augen nahmen ihren mittlerweile gewohnt trüben Ausdruck an. Wieder drohten ihr die Tränen in die Augen zu steigen.

„Elena...“

Mit einem Schritt war er bei ihr und zog sie fest an sich, während sie sich an ihn klammerte. Sein Erscheinen ließ all das an die Oberfläche steigen, was sie seit der letzten Woche tief in sich vergraben hatte. Und als seine Hand ihr sanft über den Rücken strich war es auch um ihre letzte Beherrschung geschehen. Sie verbarg das Gesicht an seiner Brust und begann hemmungslos zu schluchzen, während er sie fest mit seinen Armen umschlungen hielt.

Nach einiger Zeit beruhigte sie sich etwas.

„Du hast dir mächtig Zeit gelassen, Taddy.“

Sie schniefte, während der junge Mann leiste lachte.

„Ich wäre schon viel früher gekommen. Aber dein Vater hat mich nicht zu dir gelassen. Heute habe ich es nicht länger ausgehalten.“

Er schob sie zu der kleinen Sofagruppe.

„Wir müssen uns was einfallen lassen...und zwar schnell.“

Er warf ihr einen Blick zu und reichte ihr dann sein Taschentuch.

„Du hast nicht einmal mehr eine ganze Woche.“

Elena nickte.

„Das Beste wäre, wenn du erst einmal aus der Stadt verschwindest bis wir eine langfristige Lösung für das Problem gefunden haben. Was ist mit London?“

„Du meinst die Cunninghams.“

Theodor nickte.

„Sie würden dich sicher wieder bei sich aufnehmen. Du hast schließlich deine gesamte Studienzeit bei ihnen gewohnt.“

Doch Elena schüttelte den Kopf.

„Dort würden sie mich zuerst suchen.“

„Was ist mit den Verwandten deiner Mutter?“

„Ich hab eine noch bessere Idee.“

Der junge Mann sah auf.

„Ja?“

„Zuerst habe ich auch an Mutters Familie gedacht. Ich bin heute in ihr Zimmer gegangen um nach Briefen zu suchen. Mutter kommt ursprünglich aus Spanien, aber ich weiß nicht, ob sie immer noch dort wohnen. Dabei habe ich allerdings etwas viel besseres gefunden.“

Die junge Frau erhob sich und holte die Briefe aus ihrer Kommode.

„Was ist das?“

Sie lächelte.

„Das sind Daisys Briefe. Die ganzen 15 Jahre hatte sie Briefkontakt mit Mutter.“

„Aber...“

Taddys Augen weiteten sich.

„Das würde ja bedeuten...“

Elena nickte.

„Es wäre der sicherste Ort, den es auf dieser Welt geben könnte. Vater weiß nichts von den Briefen, genauso wenig wie von Daisys Aufenthaltsort. Er würde niemals auf den Gedanken kommen, dass ich zu ihr gefahren bin. Verstehst du, Taddy?“

Sie fasste unvermittelt nach seinem Arm.

„Es wäre meine Chance. Ich wäre in Sicherheit.“

Der Junge war, während sie sprach, immer ruhiger geworden.

„Du willst in den Westen?“

„Ja. Es ist eine kleine Stadt in Colorado. Black Headland.“

Sie seufzte leise.

„Ich hab keine andere Wahl... Die Wahrscheinlichkeit, dass sie mich ausgerechnet dort suchen würden ist viel geringer, als wenn ich nach London oder Spanien gehe.“

Er nahm ihre Hand in die seine.

„Ich weiß doch.“

Theodor versuchte zu lächeln.

„Dennoch behagt mir der Gedanke, dass du ganz allein in diese wilde Abgeschiedenheit reisen sollst, von der man nicht sicher weiß, auf welch einem zivilisierten Stand sie sich befindet, nicht besonders. Man hört schreckliche Geschichten von dort. Reisende werden oft überfallen und...“

Elena lachte.

„Taddy, ich bitte dich. Die Siedler die dort leben, kommen doch alle aus zivilisierten Städten... Außerdem kann ich mit der Eisenbahn reisen. Daisy hat in einem ihrer Briefe geschrieben, dass direkt im Nachbarort von Headland vor einigen Jahren die ersten Schienen verlegt worden sind.“

„Nachbarort? Du weißt schon, dass dieser nicht gerade 10 Kilometer entfernt liegen wird? Zwischen den Städten dort liegen meist mehrere Tage Reisen durch die Wildnis und einsame Steppen.“

Der junge Mann schien skeptisch.

„Weißt du denn ganz sicher, dass deine Schwester dort ist? Ich meine, es sind mittlerweile einige Jahre her...“

Elena zögerte.

„Ich muss es versuchen, Taddy.“

Sie straffte ihre Schultern.

„Und lieber reise ich vollkommen plan- und orientierungslos in den wilden Westen, als dass ich hierbleibe und Gefahr laufe in fünf Tagen mit einem gnadenlosen Tyrann den Bund fürs Leben einzugehen, weil man mir keine andere Wahl lassen... und mir auch niemand helfen wird...“

Sie schluckte.

„...wenn ich mir nicht selbst helfe.“

„Natürlich.“

Taddy senkte den Blick.

„Entschuldige bitte. Du hast ja Recht. Ich mache mir einfach nur Sorgen.“

Er seufzte und warf dann einen Blick auf ihre Kleidung.

„Ich nehme an, du wolltest gerade in die Stadt um alles zu organisieren?“

Sie nickte und der junge Mann schüttelte den Kopf.

„Das ist viel zu riskant. Wenn dich jemand sehen sollte, werden sie schnell dahinterkommen was du vorhast. Dein Vater wacht mit Argusaugen über dich, als würde er für die Sicherheit der Kronjuwelen von England garantieren müssen.“

„Aber...“

„Kein Aber.“,

unterbrach er sie entschieden.

„Ich werde mich darum kümmern. Gleich sofort werde ich zum Bahnhof gehen und mich über die Reise erkundigen und dir ein Ticket besorgen. Komm...“

Er half ihr auf.

„Fang bitte an deine Sachen zu packen. Heute Abend werde ich sie abholen und zu mir nehmen. Es muss alles vollkommen unverdächtig aussehen.“

Er schien einen Moment zu überlegen, während Elena ihren Koffer aus dem Schrank zog.

„Morgen früh treffen wir uns dann am Bahnhof.“

Sie nickte.

„Ich werde sagen, dass ich spazieren gehe.“

„Das ist gut. Achte aber bitte darauf, dass dir keiner folgt.“

„Natürlich.“

„Ich werde dort auf dich warten...“

Sie sahen sich an.

„Danke, Taddy.“,

sagte Elena leise und lächelte.

„Ich weiß nicht, was ich ohne dich tun würde.“

Er trat auf sie zu. Seine Lippen verzogen sich zu einem Grinsen.

„Das weiß ich ehrlich gesagt auch nicht, Elena.“

Er wurde wieder ernst.

„Ich habe dir versprochen, dass ich alles dafür tun werde, dass dieses Schwein dir nicht zu nahe kommen kann.“

Der junge Mann drückte kurz ihre Hand.

„Wie gesagt, ich werde mich um alles kümmern und heute Abend komme ich, um deine Sachen abzuholen.“

In dem Moment fiel ihr die Anzeige wieder ein.

„Ach, noch etwas.“

Sie ging zu dem Tisch und nahm die Zeitung, die immer noch auf dem Silbertablett lag in die Hand. Mit einem verlegenen Lächeln drehte sie sich zu ihm.

„Hier, schau mal.“

Sie wies auf den Anzeigenteil, während Theo nicht so recht zu verstehen schien, was sie ihm sagen wollte.

„Unten rechts.“,

fügte sie leise hinzu.

„Das ist nicht dein Ernst, oder?“,

begann er dann als er mit dem Lesen geendet hatte.

„Taddy...“,

Sie blickte ihn flehentlich an.

„Du weißt, wie lange ich schon davon träume endlich unterrichten zu können. Hier bietet sich die Gelegenheit... dazu noch genau in Headland. Der Zufall könnte größer nicht sein, also sehe ich es als mein Schicksal.“

Er verzog das Gesicht.

„Du weißt genau, wie wenig ich vom sogenannten Schicksal halte.“

Sie trat an ihn heran.

„Aber ich nicht. Bitte, Taddy.“,

entgegnete sie mit Nachdruck, während es in ihren Augen funkelte.

„Ich war gerade auch auf dem Weg zum Telegrafenamt... Wenn du also...“

Nun senkte sie den Blick und verschränkte die Finger ineinander. Mit einem entnervten Seufzen gab er nach.

„Na, schön. Was soll’s. Bewerben wir uns eben auch noch als Schulmeisterin in dieser unzivilisierten Wildnis um kleinen Frechdachsen das Lesen und Schreiben beizubringen.“

„Theodor Dobbs!“

Sie versetzte ihm einen freundschaftlichen Stoß.

„Ich sehe hier nur einen unzivilisierten Frechdachs!“

„Das nimmst du zurück.“

Mit einem Lachen zog er sie an sich, doch sie schüttelte lachend den Kopf.

„Wer auf eine solche Weise von meinen zukünftigen Schülern spricht, hat es anders nicht verdient.“

Es war das erste Mal seit dieser leidlichen Verlobung, dass sie wieder lachen konnte.

„Pass auf. Du wirst dich noch an meine Worte erinnern, Elena Sinclaire, wenn du dich verzweifelt und leider erfolglos um die Manieren der Kleinen bemühen wirst. Du hast keine Ahnung, wie anstrengend so etwas sein kann, wenn diese kleinen Biester dich an den Rand deines nervlichen Vermögens bringen werden.“

Sie warf ihm einen Blick zu.

„Was denn, verzweifelt und erfolglos?“

Provokativ hob sie die Augenbrauen.

„Mich bringt mich so schnell nichts mehr an den Rand meines nervlichen Vermögens seitdem ich Ihre Bekanntschaft gemacht habe.“

Wieder musste der junge Mann lachen.

„Das heißt also wir verschieben deine Reise bis du eine Rückantwort bekommen hast?“

Elena nickte. Sie wusste woran er dachte.

„Sie wird schon pünktlich ankommen und ich werde noch rechtzeitig abreisen können.“

Sie legte ihre Hände auf seine Brust.

„Bitte Taddy, tu mir den Gefallen und mach dir nicht so viele Sorgen. Wir haben einen Ausweg gefunden und gute Anhaltspunkte. Das ist es was zählt. Ansonsten belassen wir es bei unserem Plan, wie besprochen.“

Der hochgewachsene junge Mann nickte und seufzte noch einmal.

„Na, schön. Ich hoffe einfach nur, dass alles klappt.“

„Das wird es.“  

 

Sie werden mitnichten Ihre Freude an mir haben

 

 

 

 

 

 

 

 

Daisy erwachte mit einem Lächeln. Für eine Weile blieb sie regungslos liegen und genoss die warmen Sonnenstrahlen auf ihrem Gesicht, die unweigerlich den neuen Tag ankündigten.

Als sie sich streckte und auf den Rücken drehte, erinnerte sie der starke Arm um ihre Taille an ihren noch schlafenden Ehemann. Mit einem murmelnden Brummen protestierte er gegen ihre unerwartete Bewegung und verbarg seinen Kopf tiefer an ihrem Hals. Daisy lächelte und kuschelte sich an ihn. Ihre schlanken Finger verschränkte sie mit den seinen.

Sie konnte sich bisher an keinen Tag ihrer Ehe erinnern, an dem Robert sie nachts nicht in seinen Armen gehalten hatte. Daisy konnte sich nicht erklären, womit sie einen solch wunderbaren Ehemann verdient hatte. Jeden Wunsch las er ihr von den Augen und trug sie auf seinen Händen. Wer meinte, dass es sich dabei um eine undenkbare Märchenvorstellung der zwischenmenschlichen Beziehung handelte und es schon lange nicht mehr derartige Männer gebe, kannte ihren Robert Reed nicht. Er wurde nicht müde, ihr auf die kreativsten und unterschiedlichsten Arten zu zeigen, dass er sie liebte. Daisy war der festen Überzeugung, dass sie die glücklichste Frau auf der ganzen weiten Welt war.

Sie wurde von ihren Gedanken abgelenkt, als ihr Mann sie plötzlich begann am Hals zu küssen. Erst sanft, dann immer stürmischer. Mit einem Lachen versuchte sie ihn wegen seiner kratzenden Bartstoppeln von sich zu schieben, was ihn aber dazu bewog, sich von seiner liegenden Position auf seinen linken Ellenbogen zu stützen und sie, zwar immer noch mit einer verschlafenen Miene, von oben herab einer kritischen Musterung zu unterziehen.

„Na, aber Mrs. Reed...“,

begann er dann mit einem tadelnden Unterton.

„Sie werden sich doch Ihrem Ehemann nicht verweigern wollen?!“

Das darauffolgende Lächeln und schelmische Blitzen in seinen blauen Augen waren entwaffnend. Daisy fuhr mit ihrem Finger und einem funkelnden Blick über seine nackte Brust und hielt an seinem Hals inne.

„Wie könnte ich, Mr. Reed?“

Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, trafen seine Lippen auf die ihren und begehrend zog er seine Ehefrau an sich. Er knöpfte die wenigen Knöpfe ihres Nachthemds auf und wanderte von ihrem Mund tiefer an dem Hals entlang zu ihrem Dekolleté. Daisy genoss seine Liebkosungen, drängte sich verlangend an ihn und ließ zu, dass er ihr das Nachthemd von den Schultern schob.

„Du bist wunderschön, Daislyn Reed.“,

hauchte er an ihren Mund und küsste sie wieder.

„Ich liebe dich über alles.“

„Mmh…“

Daisy schloss die Augen und nickte verträumt, ehe sie wieder die Lippen ihres Mannes suchte und ihn zu sich zog. Robert entschied sich seine Liebeserklärungen vorerst nach hinten zu verschieben und sich ganz der wunderschönen Frau in seinen Armen zu widmen. Solange der Tag noch nicht richtig begonnen hatte würde das auch ohne jegliche Probleme möglich sein.

„Es ist nahezu herrlich einmal eine ungestörte Gelegenheit zu finden, um mit dir allein sein zu können.“

Robert hielt sie nach den innigen Minuten wieder fest und strich sanft über ihren Arm, den sie um seinen Bauch gelegt hatte. Er grinste.

„Manchmal erinnert es mich fast an unsere Hochzeitsnacht.“

Daisy lachte leise bei seinen Worten und entgegnete:

„Du meinst die Umstände.“

Er lachte.

„Genau. Meine überfürsorgliche Familie hat es uns wirklich nicht leicht gemacht zu Anfang. Zu allem Übel hatte ich es leider nicht geschafft unser Häuschen bis zur Hochzeit vollständig fertigzustellen.“

Daisy sah zu ihm hoch und musste lachen.

„Du hast mich mitten in der Nacht in den Pferdestall geschleppt.“

In den Augen ihres Mannes blitzte es.

„Ich konnte den Gedanken einfach nicht ertragen an diesem wundervollen Tag schlafen zu gehen ohne dich wirklich zu meiner Frau gemacht zu haben.“

Daisy drückte einen Kuss auf seine Brust und schmunzelte.

„Die hellhörigen Wände und meine lauschenden Eltern hätte ich wirklich nicht ertragen können. Das wäre ja fast wie im Mittelalter gewesen.“

Rob lachte wieder und zog sie näher zu sich.

„Unter einem Dach… mit vier weiteren Personen ungestört eine Hochzeitsnacht zu halten, ist ja wohl kaum zumutbar…“

Er strich mit seinen Fingern über ihren Rücken und führte ihre Hand an seine Lippen.

„Du warst so schon nervös genug.“

Daisy sah ihm in die Augen und rollte sich dann auf ihn.

„Das hatten wohl kaum die vier weiteren Personen zu verantworten.“,

flüsterte sie und ihr Ehemann grinste.

„Na, das will ich ja schwer hoffen, schließlich…“,

doch Daisy verschloss ihm den Mund mit einem

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: by Melinda Walters
Cover: Melinda Walters
Tag der Veröffentlichung: 03.06.2015
ISBN: 978-3-7438-9484-6

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /