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Die falsche Freundin

 

Die falsche Freundin

Es war in der Stadtrandsiedlung, wo ich Carina kennen lernte. Kurz nach dem dritten Geburtstag unserer Tochter Lisa verwirklichten Olaf und ich unseren Traum vom eigenen Heim und zogen in ein schönes Reihenhaus in einem reinen Wohnviertel. Mein Mann verdiente schon seit einiger Zeit mit seinem Softwareunternehmen so gut, dass wir uns dies leisten konnte, obwohl ich meinen Job nach der Geburt unserer Tochter aufgegeben hatte.

Anfangs fühlte ich mich in der neuen Umgebung recht einsam. In der City, konnte ich immer, wenn ich unter Menschen sein wollte, mit meiner Kleinen ins Café gehen. Aber hier gab es außer dem Spielplatz nichts, wo Mütter mit ihren Kindern hingehen konnten.

Dort lernte ich dann auf einer Parkbank Carina kennen. Mir fiel sie sofort auf, weil sie außerordentlich hübsch war. Sie hatte ein engelhaftes Lächeln und war sehr geschmackvoll gekleidet. Nachdem unsere Kinder zusammen gespielt hatten, war sie es, die sich einfach neben mich setzte, mir die Hand und herzlich sagte: „Hallo ich bin die Carina.“

Es folgten gegenseitige Einladungen zu Kaffee und Kuchen. Ich war glücklich darüber endlich eine neue Frau kennen gelernt zu haben, die ein Kind im gleichen Alter hatte. Sie wohnte nur eine Straße von uns entfernt ebenfalls in der verkehrsberuhigten Zone. Dort konnten die Kinder noch auf der Straße Hüpfspiele spielten und mit ihren Fahrrädchen duch die Gegend kurven. Wir beide wurden richtig gute Freundinnen. Wir durchblätterten zusammen Modezeitschriften und probierten neue Stylingtipps aus. Carina trug am liebsten Schuhe mit Absatz, enge Jeans und schicke Designer-Oberteile, in denen sie wie ein Supermodell aussah. Ich vertraute ihrem Modegeschmack und war dankbar für ihre Anregungen, denn sie hatte ein gutes Auge dafür, was mir stand. Nur ihr Parfüm mochte ich nicht. Ich fand es zu süß und zu schwer und ich hatte den Eindruck, dass sie es literweise über sich goss.

Eigentlich hätte ich von Anfang an Carinas wahres Wesen erkennen können. Denn es gab viele Ungereimtheiten in dem, was sie mir von sich erzählte. Aber ich sah darüber hinweg, denn ich war so froh darüber jemanden gefunden zu haben, der Zeit für mich hatte. Es machte mir Spaß und tat mir gut, viel mit meiner neuen Freundin zu unternehmen. Wir schauten uns Liebesschnulzen an, tranken zusammen Rotwein und buken in der Adventszeit mit unseren Töchtern Plätzchen.

Ich war so froh nicht mehr den ganzen Tag allein mit meinem Kleinkind in der Wohnung zu hocken, dass ich die Augen lange Zeit vor der Tatsache verschloss, dass Carina mich offensichtlich belog. Darum bohrte ich auch nicht nach, als ich auf weitere Widersprüche in ihren Erzählungen stieß.

So erzählte sie einmal, dass sie eine Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau gemacht habe und in einem großen Kaufhaus gearbeitet habe. Ein anderes Mal erwähnte sie, dass sie gelernte Krankenschwester sei. Als ich dann erwiderte, dass sie dann wohl zwei Berufe gelernt habe, schaute sie mich ganz verwirrt und verlegen an. Eigentlich hätte ich da schon misstrauisch werden und mir die Frage stellen sollen, warum lügt sie. Aber ich wollte unsere Freundschaft nicht aufs Spiel setzen und sie nicht in mehr Verlegenheit bringen, deshalb vermied ich es von nun an in ihrer Gegenwart das Thema Beruf zu erwähnen. Ich glaubte, dass sie die Unwahrheit sagte, da sich mir unterlegen vorkam, da ich von Beruf Lehrerin war und studiert hatte. Schließlich dachte ich nicht mehr über dieses Ereignis nach.

Was mich dann aber wieder stutzig machte, war die teuere Kleidung, die sie in großen Mengen zu besitzen schien und der dicke Mercedes, den ihr Mann fuhr. Er arbeitete als Schlosser in einer Maschinenfabrik ganz in der Nähe und von seinem Gehalt konnten sie sich sicherlich nicht so kostspielige Dinge leisten. Die einzige logische Erklärung hierfür war, dass sie Geld geerbt hatten. Daher versuchte ich vorsichtig mehr über ihre Familie zu erfahren. Aber auch in diesen Erzählungen verwickelte sie sich in Widersprüche. Einmal sagte sie, sie würden in den Ferien ihre Eltern besuchen fahren, die ein schönes, großes Haus in einer anderen Stadt hätten. Eine Woche später erwähnte sie dann, dass ihre Eltern bei einem Autounfall ums Leben gekommen seien. Ich war ratlos, was sollte ich ihr glauben und was nicht. Warum log sie mich in solchen Kleinigkeiten an. Was verbarg sie vor mir?

Doch dann kam ich nicht mehr dazu mir über Carinas merkwürdiges Verhalten Gedanken zu machen, denn ich hatte weit größere Probleme mit Olaf. Er kam immer öfter erst gegen zwei Uhr nachts nach Hause. Wenn ich ihn daraufhin zur Rede stellte erklärte er gereizt: „Ich brauche einfach meinen Freiraum. Ich bin doch kein kleiner Schuljungen mehr, der über jeden Schritt, den er macht, Rechenschaft ablegen muss.“

Als ich versuchte mit Carina über mein Eheproblem zu reden sagte sie nur: „Was regst du dich so auf, er kommt doch immer wieder zu dir nach Hause zurück.“ „Aber ich glaube, dass er mich mit einer anderen Frau betrügt“, entgegnete ich entrüstet. Das schien sie aber nicht zu beeindrucken. Sie zuckte nur gleichgültig mit den Schultern und entgegnete: „So sind Männer nun mal, die brauchen ab und zu mal Abwechslung im Bett.“ Mehr hatte sie dazu nicht zu sagen.

Ihre Reaktion verletzte und enttäuschte mich sehr. Ich hatte mit mehr Anteilnahme von ihrer Seite gerechnet, wo ich sie doch für meine beste Freundin hielt.

Zum Glück war meine Schwester Gaby in dieser Hinsicht ganz anders. Sie hörte mir geduldig zu, als ich ihr mein Herz ausschüttete und kümmerte sich liebevoll um meine Tochter Lisa, wenn ich alleine sein wollte, um nachzudenken. Ich hatte schon immer gewusst, dass es ein Risiko war einen jüngeren Mann, der dazu noch gut aussah, zu heiraten. Vielleicht war es wirklich wahr, dass man einen so gut aussehenden Mann nicht für sich alleine haben konnte. Aber ich wollte ihn auf keinen Fall mit anderen Frauen teilen, dann ließ ich mich lieber scheiden.

Gaby brachte es schließlich auf den Punkt und sagte: „Wenn du herausfindest willst, ob er fremdgeht, kann ich dir helfen. Ich warte einfach abends in meinem Wagen auf der Straße gegenüber seinem Büro und folge ihm dann unauffällig, wie die Detektive das immer in den Krimis machen, nichts leichter als das.“ Ich stimmte ihr zu, denn ich wollte wissen, wo ich mit ihm dran war und ich dachte, dass ein Ende mit Schrecken besser sei als ein Schrecken ohne Ende. Ich war so froh, dass meine Schwester mich unterstütze. Wir hatten schon immer ein sehr enges und liebevolles Verhältnis zueinander, was unter Geschwistern nicht selbstverständlich ist.

Am nächsten Abend begann sie mit der Beschattung meines Ehemannes und beobachtete, wie er das Büro verließ. Aber er fuhr auf direktem Weg nach Hause. War alles nur falscher Alarm und er hatte doch kein Verhältnis. Ich schöpfte neue Hoffnung, dass meine Ehe noch zu retten sei.

Doch am nächsten Abend fühlte ich förmlich, dass meine Beziehung zu Olaf zu Ende war. Er kam, wie befürchtet, nicht nach Hause. Mein Herz klopfte wie verrückt und meine Finger zitterten so, dass ich einige Male von neuem wählen musste, als ich gegen zehn Uhr meine Schwester anrief. Sie berichtete, dass er von der Arbeit zunächst Richtung heimwärts gefahren sei, dann aber in einem Parkhaus am Stadtrand geparkt habe und von dort zu Fuß zum Meisenweg 10 gegangen sei. „Bist du sicher, Meisenweg 10, da wohnt doch Carina“, rief ich entsetzt. Tausend Gedanken schossen mir durch den Kopf. Vielleicht wollte er nur Carina und ihrem Mann bei einem Computerproblem helfen, versuchte ich mir zunächst noch selber etwas vorzumachen. Aber die Hoffnung, dass es sich nur um einen harmlosen Besuch bei einem befreundeten Ehepaar handelte schwand von Stunde zu Stunde.

Da ich wusste, dass es sinnlos war ins Bett zu gehen, weil ich sowieso nicht schlafen konnte, hatte ich es mir im Wohnzimmer vor dem Fernseher gemütlich gemacht und schaute mir einen Film nach dem anderen an. Aber heute konnte mich noch kein so spannender Krimi fesseln. Meine Gedanken kreisten immer nur um Olaf und Carina. Ich konnte mir schon vorstellen, dass er mich mit ihr betrog, denn sie war jung und attraktiv. Aber sie konnte doch jeden Mann, den sie wollte, haben. Warum musste sich diese falsche Schlange ausgerechnet an meinen heranmachen. Ich war furchtbar wütend auf die beiden und ich beschloss, mit Carina dieser Schlampe nie wieder ein Sterbenswörtchen zu wechseln und mich von Olaf zu trennen.

Schließlich hörte ich, wie er die Haustüre aufschloss. Wenig später betrat er das Wohnzimmer und eine Wolke von einem süßen schweren Duft wehte auf mich zu. „Noch auf um diese Zeit?“, fragte er erstaunt und lächelte fröhlich. „Das hat seinen guten Grund“, fauchte ich ihn wütend an. „Ich habe auf dich gewartet.“

„Nicht schon wieder“, Olaf verdrehte die Augen und seufzte: „Ich bin dir keine Rechenschaft schuldig. Ich bin erwachsen und kann nach Hause kommen, wann ich will.“

„Okay, dann war es das“, ich war plötzlich ganz ruhig, denn ich hatte nun den unmissverständlichen Beweis dafür, dass er mich betrog. Denn er roch selber genauso penetrant und süßlich wie Carina. Mir war klar, dass ich mit diesem Mann, nicht mehr länger unter einem Dach leben wollte. Auch wenn es mir schwer fiel erklärte ich entschieden: „Morgen ziehe ich mit Lisa zu meiner Schwester und reiche die Scheidung ein.“

„Das kannst du nicht machen“, mein Mann schaute mich ungläubig an. „Und ob ich das kann, ich weiß, dass du eine Affäre mit Carina hast, ich möchte nicht mit einem Mann zusammen sein, der fremd geht.“ „ Gott bist du spießig, ein Seitensprung ist doch kein Grund sich scheiden zu lassen. Bei vielen Paaren hat er sogar eine positive Wirkung auf die sexuelle Beziehung. Das habe ich neulich noch gelesen.“ „Das ist mir so was von egal, was du gelesen hast“, entgegnete ich wütend und holte mir mein Bettdecke aus dem Schlafzimmer, um mir im Wohnzimmer auf der Couch ein Bett zu machen. „Hab doch Verständnis für uns Männer“, bettelte Olaf, „wir sind anders, wir brauchen ab und zu ein Abenteuer und müssen uns die Hörner abstoßen.“

Ich wusste, dass es keinen Sinn mehr machte mit ihm zu diskutieren, denn was er auch sagen würde, es konnte an der Tatsache nichts mehr ändern, dass meine Liebe zu ihm nun endgültig und unwiderruflich gestorben war. Sie hatte sich sogar in Hass verwandelt. Denn er hatte mich doppelt betrogen, er hatte nicht nur unsere Beziehung zerstört, sondern auch noch die Freundschaft zu Carina, die mir wirklich viel bedeutete.

In dieser Nacht schlief ich auf der Couch. Am nächsten Morgen stand ich erst auf, als ich sicher war das Olaf schon die Wohnung verlassen hatte. Dann packte ich einen Koffer mit meinen und Lisas Sachen zusammen und verstaute ihn in unseren Golf. Ich erklärte meiner Tochter, dass wir für einige Zeit bei Tante Gaby Urlaub machen würden. Sie freute sich darüber. Sie liebte ihre Tante und spielte gerne mit deren jungem Kater Mikesch.

Auf dem Weg zu unserem Auto, sah ich einige Meter entfernt Hubert, Carinas Mann mit einer Tüte Brötchen nach Hause gehen. Es war eine Mischung aus Neugierde und Instinkt, die mich antrieb ihm zu winken und auf ihn zuzulaufen. Ich wollte wissen, ob er von Carinas Verhältnis mit Olaf wusste, und wie er dazu stand.

„Hallo wie geht es dir und Carina?“ fragte ich freundlich und beobachtete ihn dabei scharf aus den Augenwinkeln. „Danke der Nachfrage“, Hubert lächelte ein wenig verschlagen. „Mir geht es gut und Carina wird ab nächster Woche wieder sehr beschäftigt sein. Sie hat dann keine Zeit mehr für Kaffeekränzchen mit Freundinnen.“ Dabei schaute er mich etwas herablassend an. „Wieso?“ fragte ich ahnungslos. „Weil sie dann wieder arbeitet.“ „Was arbeitet sie denn? Hat sie eine Stelle als Verkäuferin?“ „Als Verkäuferin?“ Hubert lachte schallend. „Soll das ein Witz sein? Sie arbeitet wieder in der Oben-ohne-Bar. Das faule Leben hat jetzt ein Ende.“

Über diese Neuigkeiten war ich so verwundert, dass ich ihn nur mit großen Augen anstarrte und kein Wort herausbrachte. „Hat sie dir nicht gesagt, dass sie vor der Geburt von Silke schon einige Jahre dort gearbeitet hat. Sie hat damals fast das Dreifache von dem, was ich heimbringe, verdient.“ Ich starrte ihn ungläubig an und stotterte: „Aber muss sie nicht auch mit den Männern aufs Zimmer gehen, um viel zu verdienen?“„Ja klar, das muss sie schon“, erwiderte er unwirsch, „aber das ist doch okay, wenn es dafür viel Kohle gibt.“ Dann schrie er wütend: „Besser als es umsonst mit einem Nachbarn zu treiben. Dieses undankbare Stück. Wenn sie mich nicht getroffen hätte, dann würde sie jetzt sicher noch immer in einem winzigen Loch von Sozialwohnung hausen und von Hartz vier leben. Sie hat doch sonst nichts gelernt und außer mir hat sie keinen, der sich um sie kümmert. Ihre Eltern sind schon gestorben, als sie noch ganz klein war und dann ist sie im Heim aufgewachsen. Was sie ist und was sie hat, das hat sie alles nur mir zu verdanken.“

Ich war so erstaunt, dass es mir die Sprache verschlug. Jetzt verstand ich auch warum sich Carina bei ihren Erzählungen von der Vergangenheit so in Widersprüche verwickelt hatte.

Es wurde mir klar, dass sie sich aus ihrer Perspektive nicht vorstellen konnte, wie sehr sie mich mit ihrer Affäre mit Olaf verletzt hatte. Jetzt tat sie mir sogar ein wenig leid und ich war ihr nicht mehr böse. Aber mir war auch klar, dass ich ihr nicht mehr vertraute, und wir keine Freundinnen mehr sein konnten.

Olaf und ich haben inzwischen unser Kriegsbeil begraben und ein freundschaftliches Verhältnis zueinander entwickelt. Wir haben beide akzeptiert, dass unsere Ehe gescheitert ist. Deswegen haben wir uns im Einvernehmen getrennt und beide das Sorgerecht für Lisa erhalten. Er glaubt, dass er zu jung war, als wir heirateten. Er hatte oft das Gefühl durch unsere Ehe etwas zu verpassen. Als Single fühlt er sich jetzt wohler und geniest seine Freiheit. Lisa hat unsere Trennung gut verkraftet und verbringt oft ein Wochenende bei Olaf. Manchmal unternehmen wir sogar beide etwas gemeinsam mit unserer Tochter und haben viel Spaß dabei.

Unser Haus haben wir verkauft und von meinem Anteil habe ich mir eine schöne Etagenwohnung in der Nähe eines Parks gekauft. Dort ist auch ein sehr schöner Spielplatz auf dem Lisa nachmittags gerne spielt. Sie hat auch schon viele neue Freundinnen gefunden und fühlt sich sehr wohl in der neuen Umgebung. Ich arbeite wieder als Lehrerin. Die Arbeit macht mir Freude und ich habe auch schon nette neue Kontakte zu einigen Kolleginnen geknüpft. Ich denke, dass ich darunter sicher bald eine passable richtige Freundin finden werde.

 

 

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Tag der Veröffentlichung: 28.03.2013

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