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Das Osterhasen-Rätsel


Es war einmal ein kleiner Junge, und dass war ich, der fuhr vor vielen, vielen Jahren mit seinem Bruder und seinen Eltern..., nein, die Geschichte habe ich ganz falsch angefangen, erstens ist es kein Märchen, also darf man nicht mit „Es war einmal“ anfangen und zweitens bin ich nicht mit meinem Bruder und meinen Eltern gefahren, sondern es war eher umgekehrt.
Also noch mal von vorn:

Vor vielen, vielen Jahren, noch vor dem letzten großen Kriege, da fuhren meine Eltern mit meinem Bruder und mir zu Ostern nach Laggenbeck zur Tante Maria.
Wir fuhren natürlich nicht mit einem Auto wie heutzutage, sondern mit der Eisenbahn mit einer richtigen großen, qualmenden und zischenden Dampflokomotive davor.
Das war schon ein Abenteuer für sich, mit den ratternden alten Waggons mit Holzbänken und den Fenstern, die man mit langen Lederriemen auf- und zumachen konnte. Nur, wenn man sie aufmachte, dann kam oft von der Lokomotive Qualm und Gestank herein, so dass Mutter dafür sorgte, dass sie schnell wieder zugemacht wurden.
Wir hingen dann mit den Nasen an den Fensterscheiben, die davon auch nicht gerade durchsichtiger wurden und sahen Häuser, Bäume, Wälder und Berge an uns vorbeisausen.
Wenn ein Zug uns entgegenkam, dann gab es einen höllischen Lärm, wenn er vorbeifuhr und erkennen konnte man bei dem Tempo überhaupt nichts mehr.
Wir waren froh, als wir in Laggenbeck angekommen waren.

Aber irgendjemand hatte etwas falsch gemacht, entweder war das Dorf an der falschen Stelle gebaut worden, oder der Bahnhof. Mit anderen Worten, Dorf und Bahnhof lagen weit auseinander.
Allerdings, wenn man den Bahnhof im Dorf gebaut hätte, dann hätte das auch nichts genützt, denn wozu taugt schon ein Bahnhof ohne Gleise. Und wegen dem Dorf einen Haken mit den Gleisen zu schlagen wäre wohl zu teuer gekommen.
So mussten wir wohl oder übel den langen Weg zu Tante Maria zu Fuß gehen, mit Gepäck und auch noch bergauf.
Die Tante hatte ja nur eine Kuh, und mit der konnte sie uns wohl schlecht abholen. Na, das meiste Gepäck haben dann Vater und Mutter geschleppt.
Aber wir waren doch alle ganz schön fertig, als wir endlich da waren.
Die Tante wohnte auch noch am Ende des Dorfes in einem alten Kotten, aus Bruchsteinen gemauert, mit niedrigen kleinen Zimmern, einem Plumpsklo und einer richtigen Pumpe mit einem mächtigen Pumpenschwengel.
Das war natürlich was für uns und wir hätten am liebsten den ganzen Tag gepumpt.
Und dann die Betten erst, man versank richtig darin, es duftete darin nach Heu und Stroh, und in der Diele war die Kuh, ein paar Schweine und Hühner waren auch da.
Das Haus lag in einem großen alten Obstgarten, unter den Obstbäumen wuchs das schönste Gras und die Bäume waren die reinsten Kletterbäume.
Nun ist allerdings die Frage berechtigt, ich hätte sie auch schon früher erwartet, was dies alles mit dem Osterhasen-Rätsel zu tun hat.

Also, das ist so, Ihr erinnert euch, dass ich erzählt habe, dass wir zu Ostern hingefahren sind, genauer gesagt am Ostersonnabend, und am Ostersonntag soll ja bekanntlich der Osterhase kommen und den Kindern Ostereier und Anderes bringen.
Die große Frage war nur, gibt es überhaupt einen Osterhasen oder ist das auch nur so ein Erwachsenenmärchen wie der Weihnachtsmann, oder der Nikolaus, oder die Zwerge, oder die Trolle und Hexen, oder was es sonst noch gar nicht gibt, oder vielleicht doch gibt??
Erwachsene wissen auch nicht alles!


Am Ostersonntag waren wir natürlich schon sehr früh wach und nach dem Frühstück ging Vater dann mal nach draußen um die Lage zu peilen.
Bald kam er ganz aufgeregt wieder herein und sagte, er habe im Obstgarten was gesehen und wir sollten doch ganz schnell mal rauskommen.
Er vorneweg und wir nix wie hinterher.
An der Hausecke angekommen rief er „Schnell, schnell, ich sehe ihn!“
Als wir an der Ecke waren, sahen wir erst nichts, wir waren wohl nicht schnell genug gewesen, aber dann lag im Gras ein großes Osternest mit bunten Eiern drin. Vater war schon an der nächsten Ecke und rief, „Da ist er wieder!“ und wir wieder hin und wieder zu spät, aber wieder lag was im Gras, Zuckereier und so ging das noch ein paar Mal und immer kamen wir einen Augenblick zu spät.


Aber die Ostereier waren ja da und von den Hühnern konnten sie nicht sein, denn die legen keine bunten Eier und erst recht keine schon gekochten, und wo sollten die Schokoladenosterhasen denn hergekommen sein, wenn nicht vom Osterhasen?
Und außerdem haben wir ja einen absolut glaubwürdigen Zeugen, nämlich meinen Vater, der hat den Osterhasen an diesem denkwürdigen Ostersonntag nach eigener Aussage mehrfach gesehen, und es wird doch wohl niemand wagen, meinen Vater einen Lügner zu nennen.
Außerdem ist mein Vater schon lange gestorben, so dass er sich gegen einen solchen Vorwurf nicht mehr verteidigen kann, ebenso soll man Verstorbenen nichts Schlechtes nachsagen.
Also, ich bin der festen Überzeugung, dass damit das Osterhasen-Rätsel gelöst ist:

 

E s   g i b t   i h n ! ! !

Impressum

Bildmaterialien: M. Großmann / pixelio.de
Tag der Veröffentlichung: 22.03.2015

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Mein Großvater Berni hat mir damals, als ich noch sehr jung war, diese und viele andere Geschichten erzählt und aufgeschrieben. Ich freue mich diese nun mit euch teilen zu können. Für meinen lieben Opa, Bernis Enkeltochter

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