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Das magische Amulett


Das magische Amulett


Prolog:

Ramor stand vor einer hohen Felswand.
Er hob die Hand und murmelte: „Renir“.
Die Wand glitt zur Seite.
Er betrat das Geheimversteck.
In den Fels war eine Höhle gemeißelt.
Verschiedene Gestalten, vor allem Gnome und Kobolde, schlichen umher.
Aber als sie Ramor erblickten fielen alle auf die Knie. Ramor hatte schwarzes Fell und große Hörner. Aus seinen Fingern ragten große Krallen.
Ramor schritt durch die Reihen ohne den Geschöpfen Beachtung zu schenken. Er bestieg den Thron, der aus schwarzem Marmor gemacht wurde.
„Leor!“ Seine Stimme klang, als ob man mit etwas Spitzem auf einer Steinplatte kratzte.
„J-Ja?“, fragte eine zaghafte Stimme. Ein kleiner Kobold kam aus der Reihe hervor.
„Habt ihr das Amulett?“
„Es...Ich...“
„Sag schon!“, brüllte Ramor.
„Ich...Nein.“
„Und warum nicht?!!“, donnerte Ramors Stimme.
„Ich...Es...Ich...Dieser Zwerg ist dafür verantwortlich!“ Anklagend zeigte er auf einen Zwerg, der in Ketten von einem Kobold bewacht wurde. „Er hatte das Amulett, aber als unsere Krieger ihn gefangen nahmen, hatte er das Amulett nicht mehr. Und Ihr wisst ja, dass nur die dafür Bestimmten es sehen können.“ Ramor sprang wütend auf. Seine Stimme bebte.
„Ich will, das ihr es findet, und müsst ihr ein ganzes Jahrhundert lang suchen!“


Erstes Kapitel: Das Amulett

Kevin spielte mit seinen Freunden Fußball.
Einer kickte ihm gerade den Ball zu. Kevin spurtete auf den Ball zu, dribbelte um einen Gegenspieler und schoss aufs Tor. Der Keeper sprang dem Ball entgegen, doch er konnte ihn nicht mehr halten. Der Ball landete im Tor.
Kevin war glücklich. „Ich bin der glücklichste Junge der Welt“, dachte er. Er hatte Freunde, er hatte eine Familie und er konnte super Fußball spielen.
In der Abenddämmerung machten sie sich auf den Weg nach Hause. Die Jungen alberten herum. Da stolperte Kevin über einen Gegenstand.
„He, vielleicht solltest du besser aufpassen, wo du hingehst!“, verspottete ihn der älteste Junge, dessen Namen er nicht kannte. „Worüber bist du denn gestolpert?“, fragte ein kleiner Junge, der ein paar Jahre jünger war als er. „Das ist es ja gerade. Da ist nichts!“, lachte der Erste wieder.
Doch Kevin sah etwas. Es schimmerte golden in der Abendsonne. Als er genauer hinsah, erkannte er, dass es ein Amulett war. „Da ist ein Amulett!“, rief er.
„Also ich sehe nichts. Vielleicht solltest du früher ins Bett gehen!“ Der Älteste und ein paar andere Jungs schüttelte sich vor lachen. Kevin hob das Amulett auf. Er sah es sich von allen Seiten an. Er wollte es behalten und verbarg es schnell unter seinem Hemd, damit es die anderen Jungen nicht sehen und ihm streitig machen konnten. Schließlich hatte er es zuerst gefunden. Doch noch Kevin wusste nicht, dass dieser Fund sein Leben für immer verändern sollte.


Am nächsten Morgen band Kevin das Amulett um. Nach dem Frühstück rannte er auf die Straße. Er lief in seinem Eifer gegen jemanden, stolperte und blieb stehen. „Entschuldigung!“, rief er, als er weiterlaufen wollte.
Der Mann drehte sich um.
Er sah Kevin direkt in die Augen und sagte: „Du hast da aber eine schöne Kette.“ „J-Ja, ich h-h-habe sie g-gefunden“, stotterte der Junge. Der Fremde war dem Neunjährigen unsympathisch. Kevin sah an dem Mann vorbei, suchte nach einer Fluchtmöglichkeit. Er wollte hier nicht bleiben, nicht in der Gegenwart des Mannes. Der Mann sah ihm lange in die Augen.
„Gib sie mir!“, flüsterte er plötzlich.
Kevin wollte fragen, warum, aber er konnte nicht.
Stattdessen öffnete er den Verschluss und nahm das Amulett in die Hand.
„Was mache ich da?“, fragte er sich.
Er konnte sich nicht wehren.
„Na los! Gib mir die Kette!“, flüsterte der Mann eindringlich.
Kevin kämpfte dagegen an, aber er konnte nicht.
Er machte einen Schritt auf den Mann zu.
Dann wusste er plötzlich, dass er es mit Magie zu tun hatte.
Er wollte sich wehren, doch der Mann streckte schon den Arm aus.
„Gut so. Jetzt gib sie mir.“
Kevin nahm all seine Kraft zusammen und ignorierte das verlangen, den Befehl auszuführen.
Es gelang ihm, in der Stellung zu verharren.
„Gib sie mir! Gib mir dieses Amulett!“ Die Stimme des Mannes klang wütend.
Er streckte die Hand danach aus.
Kevins Finger lösten sich langsam.
„Nein“, flüsterte er „Nein, sie gehört mir!“
Er wollte die Hand zurückziehen, doch der Drang wurde stärker.
Dem Mann riss der Geduldsfaden.
„Wie du willst!!!“, schrie er „Dann werde ich dir wohl wehtun müssen!“
„Warum ist hier niemand?“, dachte Kevin verzweifelt.
Der Mann sprang auf ihn zu. Er packte Kevin am Hals und drückte ihn gegen einen Baum.
„Er wird mich umbringen!“, dachte Kevin entsetzt, „Er wird mich erwürgen!“
Er strampelte und schlug um sich.
„Gib mir die Kette!“, brüllte der Mann zornig.
„Nein!“, keuchte Kevin, „Hilfe!!!“
Der Mann versuchte ihm die Kette zu entreißen.
„HILFE!!!“
In dem Moment schrie der Mann auf.
Er wich zurück.
Kevin fiel auf die Knie und rang nach Luft.
Als er aufsah, sah er, dass die Hand des Mannes, mit der er nach dem Amulett gegriffen hatte, rot angeschwollen und völlig verbrannt war.
Kevin starrte auf das Amulett. Er hatte immer noch Angst. Dann drehte er sich um und rannte so schnell er nur konnte In den Wald. Er wollte weg, so weit wie möglich.
Nach einiger Zeit wusste Kevin nicht mehr weiter.
„Wohin jetzt?“ Kevin lauschte.
Er bemerkte, dass der Mann ihn nicht verfolgte.
„Was war denn das?“, murmelte er vor sich hin. Er besah sich das Amulett von allen Seiten. Es glühte. Plötzlich merkte er eine Hand auf seiner Schulter.
Er schrie auf. Ruckartig drehte er sich um. „W-Wer sind Sie?“, stammelte er.
Ein Mann mit langen schwarzen Haaren sah ihn an. „Ich heiße Dreon.“ “Was wollen Sie von mir?“, fragt Kevin schüchtern. Dreon antwortete nicht. Er starrte die Kette an. Kevin griff danach. „Sie gehört mir“, sagte er.
„Ich weiß. Und deshalb bist du in größter Gefahr.“
Kevin hörte jetzt Schritte hinter sich. Er drehte sich um. Er erkannte den Mann, der ihn bedroht hatte. Kevin wich einen Schritt zurück. Dreon packte ihn am Arm.
„Komm mit!“, rief er. Kevin rannte los. Dreon rannte neben ihm her. „Wir müssen hier weg!“, schrie er. Er nahm Kevin an der Hand. Kevin rannte noch schneller.
Selbst wenn Dreon gefährlich war, im Moment half er ihm.
„Schneller, Kevin!“, befahl Dreon.
Nach einiger Zeit hatten sie den Mann abgehängt.
Dreon machte Feuer.
„Wer war das? Woher kennst du meinen Namen?
Warum verfolgt mich dieser Mann? Kennst du ihn? Ist er ein Zauberer? Ist es wegen dem Amulett?“ Fragen über Fragen sprudelten aus Kevin heraus.
„Jetzt mal langsam“, lachte Dreon „Woher ich deinen Namen kenne, wirst du schon noch früh genug erfahren. Das war einer von Ramors Helfern.
Sie benutzen alle Magie. Du musst dich vor ihnen in Acht nehmen. Sie wollen das magische Amulett. Es ist dir vielleicht schon aufgefallen, dass nur die das Amulett sehen können, die dafür bestimmt sind.“ Dreon machte eine lange Pause. „Du könntest die Rettung für uns alle sein, du könntest uns aber auch alle ins Verderben stürzen. Das Amulett hat magische Kräfte. Du auch, sonst könntest du es nicht sehen.
Versuch es mal! Sieh mir genau zu.“ Dreon hob die Hand und richtete sie auf einen Stein.
„Trejr!“, rief er. Der Stein zersprang. „Jetzt du“, wies er ihn an.
Kevin machte das Selbe. Er hob die Hand. „Trejr!“ Der Stein schien von innen zu explodieren. Die Splitter flogen nach allen Seiten.
„Du bist erstaunlich stark“, meinte Dreon.
„Leider weiß ich nicht ob das gut ist, oder schlecht.
Hier, “ Er reichte ihm ein Stück Fleisch. Kevin fragte nicht, woher er es hatte.
Er hatte schrecklichen Hunger.
Nachdem er es gegessen hatte, wies Dreon ihn an, zu schlafen.
Als Kevin am nächsten Morgen erwachte, war Dreon schon wach.
Erst jetzt konnte Kevin zwischen Dreons Haaren seine spitzen Ohren erkennen und fragte: „ Sag mal, bist du ein Elf?“
Dreon sah ihn verdutzt an, aber dann nickte er.
Nach einer Weile fragt Kevin: „ Woher kennst du denn jetzt meinen Namen?“
„Den kennt doch jeder.“
„Aber warum?“, fragte Kevin ungeduldig.
„Weißt du das nicht?“ Dreon sah ihn ungläubig an. Kevin schüttelte stumm den Kopf.
„Dann fange ich am besten von vorne an:

Vor langer, langer Zeit lebte eine Königin, die war so schön, dass die Engel im Himmel neidisch werden könnten. Ihr Name war Farea. Sie regierte ein großes Land: Das Sinderland. Die Einwohner, die Sinder, die noch heute als die besten Krieger des ganzen Universums gelten, waren ihr treu ergeben. Doch eines Tages, als Königin Farea das Land der Elfen besucht, starb sie unerwartet, als bei einem Bogenturnier ein Pfeil die Zielscheibe verfehlte und ins Publikum rauschte; Direkt auf Königin Farea. Seither haben die Sinder einen gewaltigen Hass auf die Elfen. Die verbündeten der Sinder, die Zwerge, versuchen ihnen nun zu helfen einen neuen König oder eine neue Königin zu finden. Das einzige, was die Suche erleichtern soll, ist dieses Amulett. Das versuchen Ramor und seine Leute zu verhindern: Sie wollen das Amulett und dich töten. Dann würden sie die Herrschaft an sich reißen und alle, die sich gegen sie auflehnen vernichten. Mithilfe des Amuletts. Die Legende sagt, dass jemand es finden würde, die Elfen, Zwerge und Sinder vereinigen und dann den wahren Herrscher oder die wahre Herrscherin finden würde. Und dieser jemand, der dem
Land den Frieden bringen soll, Kevin, der bist du.“


Zweites Kapitel: Der Amulettträger

„Das gibt’s doch nicht!“, rief Kevin aus.
„Dachte ich auch zuerst. Du erscheinst mir etwas jung für die Aufgabe. Deshalb müssen wir die Sinder finden.“
„Aber du bist doch ein Elf!“
„Daher darfst du keinem erzählen, was du weißt, verstanden?!“, beschwor Dreon Kevin.
„Ich verspreche es dir!“, sagte Kevin.

Am nächsten Tag sagte Dreon: „Komm mal her, Kevin, ich habe eine Überraschung! Selchem!“
Plötzlich standen zwei Pferde auf der Lichtung. Ein Schwarzes und ein Weißes. Kevin war erstaunt. Aber er freute sich, er wollte schon immer einmal reiten.
„Ab jetzt können wir reiten“, sagte Dreon lächelnd.
Kevin sprang auf das weiße Pferd. Nachdem Kevin von Dreon die Grundkenntnisse gelernt hatte, und er sich halbwegs elegant auf dem Pferd halten konnte, ritten sie los.
Sie galoppierten den ganzen Tag lang am Fluss entlang.
Am Abend rasteten sie unter einem Baum.
Dreon zeigte Kevin noch einen Zauberspruch: „Pass gut auf! Fjelter!“
Auf einmal schoss ein Wasserstrahl aus dem Boden.
„Jetzt du.“ „Fjelter!“ Ein kümmerlicher Wasserstrahl plätscherte aus dem Boden. Kevin sah fragend zu Dreon.
„Noch mal. Und jetzt konzentrier dich besser!“, befahl Dreon.
Kevin schloss die Augen. Er konzentrierte sich. „Fjelter!“
Diesmal schoss ein starker Strahl aus dem Boden.
„Gut gemacht“, lobte Dreon. Kevin war sehr stolz.
Vor dem Schlafen gehen fragte Kevin Dreon: „Woher weißt du so viel? Was hat es mit diesem Amulett auf sich? Ich kann einfach nicht glauben, dass ich die Sinder retten soll!“
„Du wirst dich bald daran gewöhnt haben, Kevin.“


„Du musst lernen, deine Kräfte zu beherrschen!“, erklärte Dreon Kevin am nächsten Tag.
„Entweder deine Kräfte sind zu schwach, oder sie sind zu stark. Noch kontrollieren deine Kräfte dich. Das muss sich ändern. Du sollst sie kontrollieren. Und dass lernst du jetzt.
Wenn ich jetzt sage, machst du dich bereit um im nächsten Moment einen Zauber zu wirken.“ Er sah ihn an. „Wir zählen auf dich. Du bist unsere einzige Chance.“ Kevin schluckte. So hatte er das noch nie gesehen. „Jetzt!“ Kevin reagierte schnell. Die Kraft strömte durch seinen Körper. „Gut gemacht. Jetzt lasse diesen Stein zerspringen!“
„Trejr!“ Der Stein zersprang. „Sehr gut. Jetzt müssen wir weiter.“


Drittes Kapitel: Zauberlehrling

„Du sagtest doch, er würde kommen!“
„Ja, das sagte ich.“ „Und wo bleibt er dann?“ Nervös schritt Armelean hin und her.
Wenn sich dieser Retter nicht bald blicken ließ, würde er wohl erst kommen, wenn es Ramor gelungen war, sie alle zu töten. „Ich weiß es nicht. Aber vielleicht ist er schon unterwegs.“
„Ich höre immer nur vielleicht, vielleicht, vielleicht! Wenn Ramor erst weiß, wohin Karean das Amulett gezaubert hat, wird es ihm ein Leichtes sein, es und seinen Besitzer zu finden!“
„Aber noch weiß ja nicht einmal Karean, wo es ist. Er sagte nur, es ist in der Nähe des dafür Bestimmten!“ Faleon blickte auf. Er wusste genau, was Armelean wollte. Der König der Zwerge erwartete viel von ihm, mehr, als er ohne die Hilfe des Amulettträgers ausrichten könnte. Der junge Drachenreiter beobachtete den Zwergenkönig unablässig und suchte in dessen Gesicht nach einem Anzeichen, das die Gedanken des Zwerges verrieten. Faleon hatte seine eigenen Befehle, die er befolgen musste. Das konnte er nicht ändern, und das wollte er auch nicht. Die Gefahren, die damit einhergehen würden, waren zu groß.
„Du musst jetzt los, bevor die Sinder merken, wo du geblieben bist, Faleon!“, sagte Armelean. „Es wäre nicht gut, wenn sie wüssten, dass du dich heimlich mit mir triffst!“ „Ich werde bald wiederkommen!“, versprach Faleon und stand auf. Er war die ganze Zeit vor Armelean auf dem Boden gekniet. Nun waren seine Beine eingeschlafen. Armelean sah ihn einen Moment ein wenig vorwurfsvoll, dann jedoch voller Hoffnung an. Faleon bemerkte den Blick des Königs und verzog das Gesicht. Vielleicht hielten die Zwerge, Sinder und Elfen es nicht für richtig, was er tat, doch er musste es tun. Einen Moment überlegte er sich, ob er vielleicht egoistisch war, doch er verwarf den Gedanken gleich wieder. „Ich komme wieder!“, sagte Faleon, als er sich auf seinen Drachen schwang, „Und dann wird er vielleicht schon da sein!“ Armeleans altes Gesicht durchzog etwas, das aussah wie Mitleid. „Das hoffe ich. Das hoffen wir alle.“


Dreon zündete ein Feuer an.
„So, jetzt möchte ich, dass du genau das machst, was ich tue. Deljetk!“
Ein brennender Ast flog in die Luft und erstarrte auf der Höhe seiner Hand. „Wejktia!“ Der Ast flog genau auf Kevin zu. Bevor dieser sich ducken konnte, rief Dreon: „Reledjek!“
Der Ast erstarrte in der Luft und Dreon ließ ihn langsam zu Boden sinken. „Jetzt du!“
Alles klappte perfekt. „Das hast du sehr gut gemacht. Ich bin stolz auf dich. Jetzt wiederholen wir alles, was wir bis jetzt gemacht haben. Erst sorgst du dafür, dass wir Wasser haben!“
„Fjelter!“ Das Wasser spritzte aus dem Boden.
„Jetzt lässt du diesen Stein auf mich zu fliegen und stoppst ihn wieder.“
„Im Ernst?“ „Ich habe vollstes Vertrauen in dich.“ Kevin blickte den Stein an und beschwor seine magischen Kräfte herauf. „Deljetk!“ „Gut. Mache weiter!“ „Wejktia!“ Der Stein flog los. „Reledjek!“ Der Stein blieb in der Luft stehen. So langsam wurde es schwierig, Kevin war durch die hohen Anforderungen angespannt. Er wollte Dreon nicht enttäuschen. „Jetzt lass ihn zerspringen!“, sagte der Elf, der jede von Kevins Handlungen zufrieden beobachtet hatte. Kevins Kräfte waren nicht zu stark und nicht zu schwach. Der Junge war perfekt für ihr vorhaben. „Trejr!“
„Sehr gut gemacht“, sagte Dreon, als sich Kevin erschöpft auf den Boden fallen ließ.
„Komm. Wir reiten weiter. Wenn wir Glück haben, kommen wir an, bevor es richtig dunkel ist. Es ist nicht mehr weit.“
Sie galoppierten so schnell ihre Pferde sie trugen. Als es schon beinahe Nacht war, sahen sie von weitem die Burg der Sinder. „Wir werden es nicht mehr schaffen. In ein paar Minuten werden die Stadttore geschlossen. Lass uns hier rasten.“


Viertes Kapitel: Ciara

Als die Sonne aufging wachte Kevin auf. „Beeil dich, wir gehen am besten gleich, sonst kommen wir in den großen Marktansturm.“ Sie stiegen auf die Pferde und galoppierten den Abhang hinunter. Vor dem Tor parierten sie ihre Pferde durch und ritten im Schritt auf die Wärter zu. „Wer seid ihr?“, fragte der Erste barsch. „Wir sind Dreon und Kevin.“ „Was wollt ihr hier?“, fragte der zweite Wächter. „Das ist schwer zu sagen. Kevin, zeig ihnen das Amulett.“ Kevin öffnete den Verschluss und zeigte ihnen das Amulett. Die Wächter sahen ihn ehrfurchtsvoll an und öffneten das Tor. „Ihr könnt passieren“, erlaubte der erste Wächter.
In der Stadt übernahm Dreon die Führung. Vor einem großen kunstvoll gebauten Haus hielt Dreon an und stieg vom Pferd. Er winkte Kevin, mitzukommen.


Sie betraten einen großen Raum.
Ein Mann kam aus einem Nebenraum.
„Entschuldigt, Sir, wir würden gerne mit Drebilon reden“, sagte Dreon. „Mit dem redet Ihr bereits“, erwiderte der Mann knapp. „Kevin, zeig ihm, was du gefunden hast.“ Drebilon hielt den Atem an, als Kevin das Amulett hervorzog. Er nahm es vorsichtig in die Hand, dann sagte er: „Folgt mir.“ Er führte sie durch einen langen Gang mit vielen Türen. Dann klopfte er an eine Tür. „Herein!“, rief eine fröhliche Stimme von innen. Drebilon öffnete die Tür. Er bedeutete Kevin, vorzugehen. Kevin sah in den Raum. Ein Junge, der an einem Tisch saß, lächelte ihn an. Er war höchstens fünfzehn. „Hi!“, sagte der Junge. „Das ist Faleon, Kevin“, sagte Drebilon. Als Faleon den Namen hörte, blickte er Kevin verwundert an. Er stand auf und ging auf Kevin zu. Kevin wusste nicht so recht, was er machen sollte. Deshalb starrte er Faleon einfach nur an. Dieser musste lächeln. Dreon stupste Kevin von hinten an. Kevin machte einen Schritt auf Faleon zu, dann noch einen. „Faleon, du erklärst Kevin alles, während ich seinem Begleiter alles zeige. Wie war Ihr Name doch gleich?“, fragte Drebilon verwirrt. „Dreon“, antwortete der Angesprochene. Dann verließen sie den Raum. Faleon hob Kevin die Hand hin und Kevin nahm sie zögernd an. „Ich bin Faleon, wie du sicher gehört hast!“, sagte der Junge vor Kevin. Dann legte Faleon Kevin den Arm um die Schulter und schob Kevin durch eine gut versteckte Tür. „Ich möchtet dir etwas zeigen. Oder besser gesagt, jemanden! Aber erschrick nicht!“, warnte Faleon ihn.
Der Raum war gut zwei Meter höher, als der Rest des Hauses. Und dann sah Kevin etwas, was ihm den Atem stocken ließ. Ein mindestens drei Meter großer, roter Drache saß vor ihm und sah ihn aus seinen schwarzen Augen an.
„Das ist Juster!“ Juster spie eine kleine Rauchwolke in Kevins Richtung und legte begrüßend den Kopf schief. „Er hat dir „Hallo“ gesagt!“, sagte Faleon. „Er kann sprechen?“, fragte Kevin und machte einen Schritt von Faleons Seite weg auf Juster zu. Er blieb stehen und beobachtete den Drachen vorsichtig. Er hatte keine Angst vor ihm, aber eine gehörige Portion Respekt. „Natürlich kann er das! Aber nur ich kann es hören, weil es mein Drache ist, außer wenn der Drache es bestimmten Personen erlaubt hat. Doch das kommt nur sehr, sehr selten vor und die meisten Drachen machen es nicht freiwillig. Es ist ein ganz besonderes Geschenk, das du von keinem Drachen erwarten kannst, also vergiss es am besten schnell wieder!“, sagte Faleon und trat neben Kevin und legte Juster eine Hand auf die Schnauze. Kevin konnte ein wohliges Grummeln in Justers Rachen hören und der Drache schloss die Augen.
Als er sie wieder öffnete, legte er wieder den rot geschuppten Kopf schief und starrte Faleon lange fragend an.
Dann nickte dieser und Kevin hatte das Gefühl, dass Freude in seinem Blick lag, in Justers jedoch konnte er nur unendliche Traurigkeit lesen. Er traute sich nicht nach dem Inhalt ihres kurzen Gespräches zu fragen, denn er hatte das Gefühl, gegen ihre Privatsphäre zu verstoßen, und schwieg daher. Er stand nur neben Faleon und wartete darauf, dass dieser wieder etwas sagte. Schließlich drehte sich der Junge zu ihm um. „Komm jetzt, ich muss dir noch etwas zeigen“, sagte er und ging dann mit schnellen Schritten voran und sie verließen den Raum.


In dem langen Gang nahm Faleon gleich die zweite Tür. Jetzt verschlug es Kevin endgültig die Sprache. vor ihm hüpften und flatterten in einem kleinen Zimmer fünf kleine Drachen, die so groß wie seine Faust waren. Ein Roter, zwei Blaue, ein Grüner und ein Goldener.
„Und? Welchen nimmst du?“, fragte Faleon gespannt. Kevin sah ihn fragend an. „Wie bitte?“, fragte Kevin überrascht. „Wusstest du nicht, dass der, der das Amulett besitzt, auch ein Drachenreiter ist?“ Kevin schüttelte den Kopf. „Jetzt weißt du’s. Also, such dir einen aus!“, drängte Faleon. Kevin sah alle genau an. Die meisten hatten jetzt erst bemerkt, dass jemand da war und kamen angeflogen.
„Der Goldene ist schön!“, sagte Kevin und beobachtete einen Jungdrachen, er ungestüm und etwas tollpatschig mit einem kleinen, blauen Babydrachen rangelte. „Das ist Ciara!“, sagte Faleon und das Drachenbaby horchte bei seinem Namen auf. Jetzt hatten auch die letzten beiden Drachen – Ciara und der kleine Blaue – bemerkt, dass da etwas Interessantes vor sich ging und die fünf Drachenbabys bildeten einen Kreis um die Besucher. Dabei musterten sie Kevin eingehend.
Kevin hatte das Gefühl, dass eine unglaubliche Intelligenz von ihnen ausgestrahlt wurde. Als würden sie jeden seiner Gedanken kennen und jede seiner Bewegungen vorausahnen können, noch bevor er sich selbst bewusst war, was er tun würde.
„Der Grüne ist Yasher, der Blaue Shurrin, der kleine Blaue ist Dunter, der Rote Xister.“ Faleon zeigte auf die einzelnen Drachen und drehte sich dann zu Kevin. „Alles Männchen, außer Ciara, dummerweise. Und mehr Drachen gibt es im ganzen Universum nicht. Außer zwei bei den Elfen. Aber das sind auch Männchen. Deshalb werden wir alle froh sein, wenn Ciara dich genau so mag, wie du sie. Drachen werden nämlich erst erwachsen, wenn sie einen Reiter gefunden haben. Ciara! Komm her, meine Süße!“, rief Faleon und streckte den Jungdrachen die Hand entgegen. Ciara löste sich aus dem Kreis, den die Drachenbabys um Kevin und Faleon gebildet hatten. Sie flatterte auf Faleons Hand und betrachtete ihn mit ihren großen, bernsteinfarbenen Drachenaugen. Faleon strich ihr kurz über den Kopf, was ihr ein Schnurren wie von einer Katze entlockte und setzte sie dann auf Kevins Hand ab, wo Ciara sich zweimal im Kreis drehte und sich dann hinlegte. Den Kopf auf die Vorderbeine gelegt beobachtete sie Kevin genau, als warte sie auf eine Reaktion auf ihre Anwesenheit. „Streichele sie. Dann werden wir sehen, ob sie dich auch mag!“, sagte Faleon und sah gebannt zu, wie Kevin seine Hand hob und sie dem Drachen näherte, der aufstand und den langen Hals der Hand des Jungen entgegenreckte.
Vorsichtig strich Kevin über Ciaras Rücken. Der Drache begann zu schnurren. „Das ist wohl Liebe auf den ersten Blick!“, lacht Faleon. „ Nimm sie mit. Ich muss dir noch etwas zeigen.“ Kevin war sich unsicher, was er mit dem kleinen Drachen tun sollte, der so verletzlich wirkte. In die Hosentasche konnte er Ciara wohl kaum stecken. Der Drache schien seine Unsicherheit zu merken und löste das Problem selbstständig, indem Ciara sich auf seinem Kopf niederließ.
Faleon führte Kevin in die Waffenkammer und gab ihm ein Schwert. „Hier, du musst dich verteidigen können.“ Dann gingen sie auf einen Rasenplatz. „Hier werde ich dir alles beibringen, was ich weiß. Ich zeige dir, wie du Schläge austeilst und abwehrst und ich zeige dir Zaubersprüche.“ Er führte Kevin in einen Turm. Eine Steile Wendeltreppe führte nach oben. „Da oben ist dein Zimmer.
Es ist extra für den Amulettträger eingerichtet. Keine Angst, du wirst bald auf Ciara reiten können, dann könnt ihr den Weg außen benutzen, durchs Fenster!“, sagte Faleon, als er sah, wie Kevin die steile Treppe anstarrte. Ciara räkelte sie jetzt in Kevins Haaren und grub ihre Krallen in seine Kopfhaut. „Au!“, sagte der Junge empört und holte den Jungdrachen von seinem Kopf.
„Wusstest du, dass Drachen reden können, sobald sie geritten werden können?“, fragte Faleon Kevin, während sie die Treppe hinaufstiegen. Als sie die Türe zu Kevins Zimmer öffneten, verschlug es Kevin zum dritten Mal an diesem Tag die Sprache: Dieses Zimmer war ungefähr doppelt so groß, wie Faleons Zimmer. In der Mitte lag ein kunstvoll gewebter Teppich, dünne goldene Vorhänge hingen an den großen Fenstern.
Das Bett war aus dunkelbraunem Holz und in die Seiten waren kunstvolle Verziehrungen eingeschnitzt.
In die Seite war ein Drache mit Pferdebeinen geritzt, dessen Beine der Wind umspielte.
„Wow!“ Kevin kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. „Es erzählt die gesamte Geschichte der Elfen, Zwerge und Sinder“, lächelte Faleon. Kevin ging zu dem großen Bett und ließ Ciara geistesabwesend auf die weiche Matratze fallen, um mit beiden Händen über das Holz zu streichen. Ciara fand das nicht so toll und sprang auf seine Schulter. Dort rutschte sie ab und krallte sich an Kevins T-Shirt fest. Das T-Shirt riss und Ciaras Krallen gruben sich tief in Kevins Arm. Dieser schrie erschrocken auf und wollte Ciara reflexartig von seiner Schulter wischen. Darauf hin krallte Ciara sich nur noch fester an Kevins Arm. Faleon packte Ciara von hinten und hob sie vorsichtig, damit sie Kevin nicht noch mehr verletzte, von seiner Schulter. Das Blut tropfte von Kevins Schulter auf den Teppich und das Bett. „Sie kratzt“, entschuldigte sich Faleon mit einem verlegenen Lächeln.


Fünftes Kapitel: Die Prophezeiung

Faleon heilte Kevins Schulter und sagte ihm, er solle schlafen gehen, weil sie Morgen mit dem Training anfangen wollten. Kevin hob Ciara auf sein Bett und streichelte sie. Es war toll ein Drachenreiter zu sein. Ciara rollte sich wie eine Katze zusammen und schnurrte. Er kraulte sie hinter dem Ohr. Vorhin war er noch ein normaler Junge, jetzt war er ein Drachenreiter. Ciara lenkte seine Aufmerksamkeit wieder auf sich, indem sie mit ihrer rauen Zunge über seinen Arm leckte. Er setzte sich auf und nahm Ciara auf den Arm. Er musste zu Dreon. Er musste ihn unbedingt noch etwas fragen. Er rannte die Treppe hinunter und zu Dreons Zimmer. „Ah, gut dass du da bist, Kevin!“, begrüßte Dreon ihn. „So, meine Zeit hier ist vorbei, die Elfen vermissen mich sicher schon. Du kommst jetzt ja alleine zurecht, oder? Sicher, sicher, und dann ist da ja auch noch Faleon, der hilft dir auch, und natürlich dein Drache Ciara. Du wirst bald sehen, dass das zwischen euch eine ganz besondere Freundschaft sein wird!
Na, dann auf Wiedersehen, Kevin. Ich bin sicher, du wirst noch viel Spaß haben.“ Einen Moment lang hatte Kevin das Gefühl, Sarkasmus in der Stimme des Elfen zu hören. Dreon lachte. Dann verschwand er in einer Rauchwolke. Kevin stand da wie betäubt. Dann rief er: „Warte! Ich muss dich doch noch etwas fragen. Woher kennst du meinen Namen? Bitte komm zurück!“ Aber Dreon blieb verschwunden.
Traurig schlich Kevin in sein Zimmer zurück und setzte sich aufs Bett. Erst jetzt merkte er, dass Ciara in seiner Hand eingeschlafen war. „Ich sollte jetzt auch schlafen“, dachte Kevin, „Sonst komme ich morgen zu spät zum Training.“


Kevin wachte auf und erschrak: Ciara war so groß wie eine Katze. Sie streckte sich und sprang auf Kevins Schulter. Instinktiv schloss er die Augen und wartete auf den Schmerz, den er gespürt hatte, als Ciara am Vortag ihre Krallen in seine Schulter geschlagen hatte, aber der Schmerz blieb aus, denn Ciara fand sofort halt und rieb sich an seinem Hals. Kevin zog sich an und rannte die Treppe hinunter. Er lief durch die Eingangshalle in den Hof und auf den Übungsplatz.
„Faleon, warum kennen alle meinen Namen?“, fragte Kevin als Erstes, nachdem er Juster einen kurzen Blick zugeworfen hatte und sich vergewissert hatte, dass der Drache gefrühstückt hatte und nicht hungrig war. „Weißt du das nicht?!“, fragte Faleon ungläubig. Kevin schüttelte den Kopf. „Komm mit“, sagte Faleon. Er ging zurück in den Palast. Er betrat einen Turm, der gegenüber von Kevins Turm lag. Auch hier kam eine steile Treppe zum Vorschein. Die Treppe schien gar nicht mehr aufzuhören. „Wohin gehen wir?“, fragte Kevin. Doch Faleon antwortete nicht. „Faleon, wohin gehen wir?“, fragt Kevin noch einmal. Der ältere Junge überhörte ihn einfach. Faleon öffnete eine Tür. Sie führte zu einem Raum, der einer Bücherei glich. Faleon ging durch die Reihen. Er schritt die Reihe dreimal ab, dann zog er ein verstaubtes, altes Buch aus einem Regal. Der Umschlag war abgegriffen und ausgeblichen. Auf dem Deckblatt war wieder ein Drache mit Pferdebeinen. Faleon schlug es auf und suchte eine Stelle. Dann gab er Kevin das Buch. Kevin hatte Mühe, die alte Schrift zu entziffern. Er las:


Der Retter wird kommen
Er wird siegen voll Ruhm
Den Tod und den Frieden bringen
Viel Gutes tun
Im Kampf den endgültigen Sieg erringen
Ein Schmuckstück, das nur wenige können sehen
Wird ihn zu erkennen geben
Sein Name ist Kevin
Einem Engel gleich
Wird er kommen und
Viel Gutes tun.


Das Ganze ging noch einige Zeilen, doch Faleon klappte das Buch zu. „Den Rest kannst du ein anderes Mal lesen. Aber jetzt weißt du, warum wir so große Hoffnungen in dich setzen.“
Er führte Kevin zurück auf den Trainingsplatz und übte mit ihm, wie man Zauber abblockt. „Das kann im Kampf sehr hilfreich sein, wenn du von einem anderen Magier angegriffen wirst. Und das wird dir unweigerlich passieren!“, sagte Faleon, ohne seinen Worten große Bedeutung zu schenken. Er schien es für völlig normal zu halten, dass Kevin plötzlich ein Drachenreiter war und von einem anderen Magier angegriffen werden konnte. Kevin bemerkte, dass Faleon ein wenig traurig aussah, als hätte er ähnliches selber erlebt.
„Wahrscheinlich wurde er genauso wie ich einfach aus seinem Leben herausgerissen und vor einen Aufgabe gestellt, der er nicht gewachsen ist“, dachte Kevin.
Er fing den nächsten Zauber ab, während sein Blick kurz zu Ciara und Juster hinüber glitt, die auf dem Rasen miteinander tollten. Mit einem sanften, aber starken Prankenhieb warf Juster Ciara auf den Rücken und stemmte sie auf den Boden, als sie aufstehen wollte. Der kleine Drache biss spielerisch in die Tatze des riesigen Drachens und versuchte zwischen den scharfen, gebogenen Krallen hervorzukriechen, ohne sich zu verletzen. Ciara sah zu Kevin und es schien, als würde sie lächeln. Mit einem zufriedenen Grunzen, zog sie sich unter Justers Pfoten hervor und sprang das Bein des Drachen an.
Juster ging bei ihrem Spiel so behutsam und vorsichtig vor, als würde er mit einem neugeborenen Baby spielen. Dann leckte er Ciara zärtlich über den Kopf.
Kevin blockte den nächsten Zauber Faleons ohne großen Aufwand ab und warf ihn zurück. Faleon fing den Zauber ab. „Gut gemacht!“, lobte er Kevin, lächelte jedoch dabei nicht. Er schoss den Zauber wieder auf Kevin zu und sie übten weiter.
Nach dem Training rannte Kevin zurück in die Bibliothek. Er zog das Buch aus dem Regal. Er musste unbedingt mehr über die Prophezeiung herausfinden. Er erhoffte sich auch einige verschlüsselte Tipps zu finden, wie er die Sinder und Elfen retten könnte.


Die Zeit ist gekommen
Nur er kann sie stoppen
Das Böse ist nah
Bald wird es klar
Doch dann ist alles zu spät
Der Streit ist gesät
Ihm folgen Tod und Verderben
Doch der Retter wird seine Nachfolger vererben
Was er nicht hat geschafft
Aus eigener Kraft
Mit größerem Geschick
Kevin der Zweite ihm begegnen wird.


Sechstes Kapitel: Das Geheimnis

Kevin klappte das Buch zu. „Ich muss Faleon finden!“, schoss es ihm durch den Kopf.
Er rannte in die Eingangshalle und den Gang entlang. Dann stürmte er in Faleons Zimmer.
„Faleon! Faleon!“, rief er.
„Hat man dir nicht beigebracht, zu klopfen?“, fragte Juster, den Kevin aus dem Schlaf geschreckt hatte. „’Tschuldigung“, murmelte Kevin. „Weißt du, wo Faleon ist?“ „Der ist auf dem Übungsplatz. Jetzt lass mich schlafen.“ Kevin flitzte aus dem Zimmer und stieß mit Faleon zusammen. „Hoppla!“, rief dieser.
„Kann ich mit dir reden?“, fragte Kevin außer Atem. „Klar, komm rein!“ Dann erzählte Kevin, was in der Prophezeiung von dem Erben stand. Faleon antwortete: „Naja...Wie soll sagen...Es ist so...DU bist der Erbe.“ „Aber wer ist dann der andere Kevin?“, fragte Kevin. „Weißt du das denn auch nicht?“, fragte Juster, der sich neben ihnen niederließ, „Kevin der erst war dein Vater.“ Kevin starrte Juster an. „A-Aber was hat er nicht aus eigener Kraft geschafft?“, stotterte er. Faleon beugte sich zu ihm vor:

„Vor langer Zeit, zwei Jahre, nachdem Königin Farea gestorben war, fand ein Junge das Amulett. Die Zwerge, hatten es mit einem Zauber belegt und dafür gesorgt, dass nur ein von dem Streit vollkommen unabhängiges Menschenkind aus dem nördlichen Bereich hinter der Zeitgrenze, die unsere Länder trennt, das Amulett finden konnte. Der Junge, der dein Vater war, wurde von den Zwergen hierher gebracht. Aber als er Ramor das erst mal im Kampf begegnete, sagte dieser, dass er nur ihm das Amulett geben und auf seine Seite kommen müsse, damit das Blutbad ein Ende hatte. Dein Vater hatte Ramor gehasst, aber noch mehr hasste er den Kampf; er gab Ramor das Amulett und stellte sich auf seine Seite. Doch dann begann das richtige Blutvergießen erst. Ramor tötete alles und jeden. Ramor belegte deinen Vater mit einem Fluch: Er würde niemandem davon erzählen und nie wieder zaubern können. Dein Vater entkam mithilfe eines Drachen. Davon wirst du in einer anderen Unterrichtsstunde noch mehr erfahren. Das Amulett wurde von Karean, einem der mutigsten der Zwerge gerettet.
Ramor hat es allerdings wieder in die Finger bekommen – dachten wir. Doch Karean hat es in deine Richtung geschickt; mit der Erinnerung an deinen Vater ist es ihm gelungen.
Und dann hat Dreon dich hierher gebracht. Dein Vater, Kevin, hat es nicht aus eigener Kraft geschafft, gegen Ramor zu kämpfen, sondern hat sich von seiner Macht mitreißen lassen.
Aber du hast schon einmal gegen einen Mitspieler Ramors gekämpft – und gewonnen. Das hätte dein Vater niemals geschafft.
Übrigens“, fügte Faleon hinzu, „Morgen bringe ich dich zu den Zwergen; Die sind ab jetzt für dich verantwortlich.“

Am frühen Morgen wachte Kevin auf. Erst jetzt viel ihm ein, dass Juster gestern mit ihm gesprochen hatte. Mit ihm! Doch jetzt konnte er Justers Anwesenheit nicht mehr so spüren, wie er es gestern für wenige Sekunden getan hatte. War Juster einfach nur erschrocken und überrascht gewesen und hatte deshalb diesen kurzen Moment des Vertrauens zugelassen, oder steckte etwas anderes dahinter?
Kevin stieg aus dem Bett und zog sich an.
Ciara war nun so groß wie ein Pony. Kevin streichelte sie über die harten Schuppen, dann lief er, von Ciara gefolgt, die Treppe runter. Ciara hatte Probleme mit ihren Flügeln. Immer wieder schlug sie mit ihnen an den Wänden an.
„Wie ich sehe, ist Ciara nun soweit!“, rief Faleon, als Kevin und Ciara auf dem Rasen ankamen.
„Bereit für was?“, fragte Kevin verwirrt. „Na, bereit zum fliegen!“, schmunzelte Faleon und packte Kevin an den Hüften. Schnell warf er Kevin auf den Drachen. Verwirrt griff der Junge nach Ciaras Rückenzacken, als sie die Flügel ausbreitete. Faleon lachte und stieg auf Juster.
„Los geht’s!“, rief Ciara. Es war schön, ihre Stimme zu hören. Und auch der Flug war toll. Juster und Ciara flogen nebeneinander her und Faleon gab Kevin Anweisungen. Nach einiger Zeit landete Ciara tollpatschig, aber dennoch sanft auf dam Boden.
„Komm, jetzt fliegen wir zu den Zwergen. Wenn wir uns beeilen, sind wir da, bevor es dunkel wird“, meinte Faleon. Er holte einen Beutel mit Verpflegung, Feuerholz und warmen Klamotten, dann kletterte er zurück auf Justers rot geschuppten Rücken. Er warf Kevin eine warme Jacke zu, die ihn vor dem kalten Wind schützte. Ciara und Juster stiegen beinahe lautlos wieder in die Lüfte und Kevin und Faleon hielten sich an den Zacken ihres Drachen fest, um nicht herunterzufallen.
Sie flogen eine Weile nebeneinander her, bis sich Ciara zu Wort meldete: „Ich habe Hunger. Da unten grasen ein paar lecker aussehende Antilopen. Na, Kevin, hast du Lust, mir beim Jagen zuzusehen?“ Und ohne die Antwort ihres Reiters abzuwarten schoss Ciara im Sturzflug auf die Antilopen nieder. Kevin schrie erschrocken auf und klammerte sich an Ciaras Hals fest. Sein Schrei hatte die Antilopen aufgeschreckt und nun liefen die Tiere voller Panik davon. Ciara brüllte kurz vor Freude über die neue Herausforderung, denn legte sie die Flügel an und ließ sich noch ein Stück weiter nach unten absacken, während Kevins Magen Purzelbäume schlug. Der Drache flog zuerst über den Antilopen und ließ sich dann auf sie fallen.
Danach machte sie sich über sie her.
Juster kam und Ciara machte dem älteren Drachen Platz. Mit offenkundiger Autorität fraß Juster zuerst, dann kam Ciara an die Reihe.
„Wusstest du, dass Drachen dreihundert Kilo Fleisch auf einmal fressen können und dann drei Monate nichts mehr brauchen?“, belehrte Faleon Kevin.
Als Ciara und Juster aufgegessen hatten, saßen Kevin und Faleon auf. Sie flogen lange Zeit. Erst als es dunkel war, beschlossen sie zu rasten. Ciara landete auf dem Boden und ließ Kevin absteigen. Faleon zündete ein Feuer an und sie gingen jagen.
Sie erlegten einen Hasen und rösteten ihn auf dem Feuer.
Nach dem Essen ging Kevin Holz sammeln. Er wagte sich weit in den Wald vor, um besser nachdenken zu können. Er genoss sein neues Leben, doch er wüsste gern, wie es seiner Familie ging und ob sie ihn vermissten. Seine Geschwister würden ihn mit Sicherheit vermissen. Seine Eltern auch, doch wahrscheinlich hatten sie alle Hände voll zu tun, sich um seine jüngeren Geschwister zu kümmern. Sie würden ihn nicht suchen. Und vielleicht war das auch besser so.
Plötzlich stand der Mann vor ihnen, der Kevin bedroht hatte, als er das Amulett gefunden hatte. Kevin wich zurück. „Faleon!“, flüsterte er panisch.
„Faleon!“, rief Kevin, diesmal lauter. Der Mann stürzte sich auf ihn und wollte ihm die Kette vom Hals reißen. „Faleon!“, schrie Kevin aus vollem Hals. Faleon kam aus dem Gebüsch gesprungen. „Testea Amicate!“, rief er Der Mann ließ Kevin los und stolperte rückwärts.
Dann begann er sich aufzulösen. Faleon kam zu Kevin gerannt. „Ist alles okay?!“, rief er schon von Weitem. „J-Ja, danke.“ „Wir müssen sofort hier weg! Ramor weiß, dass wir zu den Zwergen wollen! Er wird versuchen, uns aufzuhalten! Komm mit!“ Sie rannten zu den Drachen zurück und sprangen auf ihre Rücken.
Schweigend flogen sie, so schnell ihre Drachen es konnten. Als es Abend wurde, sahen sie von Weitem die Türme der Zwergenstadt. „Komm wir schaffen das noch, wenn wir uns beeilen!“, rief Faleon Kevin gegen den Wind zu. Kevin legte sich dichter auf Ciaras Hals. Er griff nach ihren Rückenzacken.


Siebtes Kapitel: Die Zwerge

Es war mitten in der Nacht, als sie die Stadt erreichten. Sie eilten in Richtung Palast. Die große Holztür schwang auf. Sie standen in einem großen Raum, der der Eingangshalle der Sinder ähnelte. Ein Mann, der Faleon bis zu Hüfte reichte, kam auf sie zu.
„Faleon, ein Glück, dass du da bist! Juster hat mir eine Nachricht geschickt! Dem Himmel sei dank, Kevin, wenn dir etwas passiert wäre! Kommt erst einmal beide herein!“ „Danke, Armelean“, sagte Faleon mit offenkundiger Autorität. Man sah, dass er den Zwerg respektierte. „Kevin, meine Diener werden dir dein Zimmer zeigen. Ciara kannst du mitnehmen, die Treppe ist breit genug.“ Der Zwerg wandte sich wieder zu Faleon „Ich habe dir ja gesagt, es ist gefährlich, nachts durch den Wald zu reisen. Ihr hättet ohne Pause hierherkommen sollen!“ Faleon wandte sich von Armelean ab, sobald es möglich war, ohne den Zwergenherrscher zu beleidigen und folgte Kevin in sein Zimmer.
Ciara flog die Treppe hoch und stoppte vor der Tür.
Kevin öffnete sie. Dieses Zimmer übertraf alles was er bisher gesehen hatte. Das Zimmer bei den Sindern war groß, dieses war größer. Die Vorhänge waren aus goldenem Samt. Das Bett war aus dunklem Holz und wie bei den Sindern waren kunstvolle Verzierungen eingeritzt. Auch hier fand Kevin den Drachen mit den Pferdebeinen. „Faleon, was ist das?“, fragte er diesen.
„Das siehst du doch. Das ist ein Bett!“, sagte Faleon. Man sah ihm an, dass er Kevin nichts über die Gravur erzählen wollte. Auch Kevin merkte das. „Aber ich meine doch den Drachen mit den seltsamen Beinen!“, bohrte Kevin weiter. „Ach so, das ist... Na ja... Ähm... Es... Es ist...“ „Nun sag schon! Du hast doch gesagt, das Bett der Sinder erzählt die ganze Geschichte der Elfen und so weiter!“ „Ja! Das Bett der Sinder! Dazu könnte ich dir eine Menge erzählen…“, versuchte Faleon einzulenken. „Ich bin nicht so doof wie du denkst, Faleon. Denkst du vielleicht, ich hätte nicht schon lange gemerkt, dass dies dasselbe Bett wie bei den Sindern ist? Was verheimlichst du mir? Ich bin ein Drachenreiter, genau wie du! Und noch dazu bin ich der Amulettträger! Ich muss alles wissen, wenn ich eine Lösung für die ganzen Probleme finden will! Ich will eine Antwort auf meine Frage! Das Zeichen muss etwas bedeuten! Ich habe es schon dreimal gesehen: Auf dem Bett der Sinder, auf dem Buch, das du mir gezeigt hast und nun hier, bei den Zwergen!“ Kevin wollte weiterreden, doch Faleon unterbrach ihn: „Bist du sicher, das du es nicht schon vier mal gesehen hast?“ Kevin wurde stutzig. Da dämmerte es ihm. „Das Amulett!“ Er zog es heraus und besah es sich genau. Ein Drache mit Pferdebeinen! Und erst jetzt sah er, dass am Rand entlang etwas eingraviert war. „Sim Rejkvar Ludass Sinfert Lissudu Jenerder. Rejkvar Iumminet. Kimfer Lunton Tassit.“, entzifferte er.
„Was heißt das?“, fragte Kevin. „Das musst du selbst herausfinden. Aber einen Tipp gebe ich dir. Die Bücherei ist in der Eingangshalle die erste Tür links!“, sagte Faleon zwinkernd. Kevin stürmte los. Er rannte durch die Eingangshalle, öffnete eine Tür und flehte innerlich, nicht schon wieder eine Treppe vorzufinden. Sein Wunsch wurde erfüllt. Ein großer Raum mit vielen Bücherregalen kam zum Vorschein. „Wo um Himmels willen soll ich denn da anfangen?“, fragte Kevin halblaut. „Wenn du dem Rätsel auf die Spur kommen willst, solltest du da hinten anfangen!“, riet ihm ein kleiner Zwerg.
„Wieso sagen Sie mir das? Ich dachte mir darf keiner helfen?“, fragte Kevin sichtlich verwirrt. „Ich helfe dir auch nicht, aber da hinten stehen die Bücher den alten Sprachen“, antwortete der Zwerg. Kevin bedankte sich und lief in die angezeigte Richtung.
Er nahm das erstbeste Buch heraus und las die ersten Sätze. Fehlanzeige! Dieses Buch war vollkommen in einer für Kevin unbekannten Sprache geschrieben.
Er ging alle Bücher der Reihe nach durch.
Kevin schreckte erst auf, als Faleon vor ihm stand. „Kevin, willst du nicht ins Bett? Es ist schon fast Morgen!“ Traurig setzte Kevin sich auf. „Ich habe nichts gefunden“, sagte er und gähnte. „Das dauert schon eine Weile, aber wir haben ja Zeit!“, tröstete Faleon ihn. Dabei stieß er so, dass nur Kevin es merken konnte ein Buch an. Es fiel aus dem Regal. „Oh, warte, ich werde das Buch schnell aufheben!“ Er bückte sich und blätterte in dem Buch herum. „Dieses Buch ist wirklich sehr interessant. Du solltest es dir bei Gelegenheit ansehen!“, sagte er. Fast unmerkbar machte Faleon einen Knick in eine Seite. Dann lächelte er Kevin zu. Dieser lächelte zurück. „ Merk dir das Versteck. Aber keiner darf etwas davon erfahren.“ Faleon beugte sich zu Kevin herab. „Aber wie ich weiß, bist du gut im Geheimnisse aufbewahren. Ich sage nur „Dreon“.“ „Du weißt, dass er ein Elf ist?“, fragte Kevin. Faleon nickte und streckte sich. „Na los, lass uns schlafen gehen. Wir haben nur noch wenige Stunden Zeit, um uns auszuruhen, und morgen wartet ein langer und harter Tag auf uns zwei!“


Am nächsten Morgen lief Kevin in die Bücherei. Er hatte sich am Tag davor die Reihe der Bücherregale gemerkt und die Schritte gezählt, die er benötigt hatte, um zurück zur Tür zu kommen, daher fiel es ihm leicht, das Buch wiederzufinden. Er öffnete das Buch. Viele Wörter standen auf einer Seite, auf der anderen die Übersetzung. Endlich sah er ein Wort, das ihm bekannt vorkam: Rejkvar – Retter, Retterin. Bald fand er noch zwei weitere Wörter: Sim – Dies, Das, Jenes, und Ludass – wird, werden.
Er blätterte weiter und fand bald alle Wörter, oder er konnte sie sich aus dem Sinnzusammenhang zusammenreimen. Bald hatte er den ersten Satz: Dies wird den Retter zu erkennen geben. Der zweite Satz lautete: Der Retter kommt. Nur den dritten Satz konnte er nicht entschlüsseln. Er nahm ein anderes Buch heraus. Er erhoffte sich dort einen Hinweis. Aber wieder fand er nichts. Dann sah er ein Buch auf dem Stand: Kimfer Lunton Tassit – Er wird uns retten.
Er blätterte darin herum und sah den Drachen mit den Pferdebeinen. Darunter stand:
Dies ist das gefährlichste Tier, das je die Erde beherrschte. Es ist uralt, und unbesiegbar. Es gibt nur ein einziges Exemplar. Es wurde von dem Herrscher der Dunkelheit gezähmt und...

Dann schien eine Seite zu fehlen. Jemand musste sie absichtlich herausgerissen haben. Um ihn daran zu hindern, ein lang gehütetes Geheimnis zu lüften?
„Wer ist denn der Herrscher der Dunkelheit?“, fragte Kevin halblaut. Ein Zwerg kam um die Ecke. „Weißt du dass denn nicht? Das ist R...“ Er hielt sich die Hand vor den Mund, als hätte er schon zu viel gesagt und verschwand. Doch der Anfangsbuchstabe reichte Kevin: Ramor!


Siebtes Kapitel: Feindliche Truppen

Da stupste ihn etwas sanft an. Ciara! Die hätte er beinahe vergessen! Sie war nun so groß wie ein Auto.
„Lass uns einen Rundflug machen!“, schlug sie vor.
Der Wind peitschte Kevin ins Gesicht, als Ciara in die Höhe flog. „Ciara, was weißt du über Ramor?“, fragte Kevin sie. „Er ist böse. Und seine Haut ist von schwarzem Fell bedeckt.“ „Mehr nicht?“ „I-Ich habe Angst vor ihm. Und vor dem Dämon.“ „Dem Dämon?“ „Es ist das Tier, das er gezähmt hat. Der Dämon ist gefährlich. Er kann seine Gestalt verändern. Daher ist er als Drache mit Pferdebeinen gemalt. Ihr Menschen braucht etwas, vor dem ihr Angst haben könnt, aber wenn es keine Gestalt hat, müsst ihr euch eine ausdenken. Meistens ist er ein Drache, aber er ist so schnell wie der Wind. Daher der Wind, der seine Beine umspielt. Die Pferdebeine sind das Zeichen für Geschick und Wendigkeit.“ Sie machte eine kleine Pause.
„Lass uns landen.“ Ciara legte die Flügel an und schwebte einige Zentimeter über dem Boden. Dann setzte sie sanft auf.
Faleon kam vom Palast angelaufen. „Kevin!!! KEVIN!!!“ Er schien sehr aufgeregt. Er fuchtelte wild mit den Armen. „KEVIN!!!“ „Faleon, was ist los?“ Kevin hatte kein gutes Gefühl. „Unsere Späher haben eine feindliche Truppe westlich von uns ausgemacht! Sie werden in weniger als drei Tagen hier sein! Wir haben die Elfen um Verstärkung gebeten. Sie werden allerdings erst in fünf Tagen hier sein! Bis dahin müssen wir durchhalten!“ „Glaubst du, dass Ramor dahinter steckt?“ „Ganz bestimmt! Also komm mit, wir müssen uns für den Kampf fertig machen.“
Kevin und Faleon trainierten zwei Tage lang.
Dann erhielten sie die Nachricht, dass die Truppe sich nach Norden gewendet hat. Nun schienen sie die kleinen Städte anzugreifen, die zwischen den Sindern und den Zwergen lagen. „Juster, du wirst Drebilon eine Nachricht senden. Sie sollen Gruppen von jeweils fünfzehn Mann in Richtung Norden schicken. Sie sollen die Dörfer in der Gegend verteidigen.
Weißt du, Drachen können über ihre Gedanken Nachrichten senden“, erklärte Faleon. „Wir werden nun zurück in die Stadt gehen.“
Kevin rieb sich die dunkelbraunen Locken aus dem Gesicht. Die Angst vor einem Angriff breitete sich in ihm aus. „Du, Faleon, bin ich denn schon stark genug, um im Notfall die Sinder zu schützen?“, fragte er. Faleon lachte. „Du brauchst keine Angst zu haben! Ich helfe dir!“, versprach er. Kevin war noch immer beunruhigt. „Komm schon!“, sagte Faleon, „Kein Grund zur Sorge! Wer weiß, vielleicht müssen wir nicht einmal kämpfen!“, sagte Faleon mit einem Lächeln. „Aber jetzt müssen wir uns wirklich beeilen! Es gibt gleich Abendessen!“, erinnerte Faleon ihn. Kevin sprang neben ihm her. Plötzlich hatte er überhaupt keine Angst mehr.


Achtes Kapitel: Erste Zweifel

Neun Tage danach erhielten sie durch einen Boten die Nachricht, dass die Truppe vernichtet war.
„Was werden wir jetzt tun?“, fragte Kevin. „Ich würde sagen, du fängst an, dir Gedanken darüber zu machen, wer der neue Herrscher der Sinder wird. Und wie du die Elfen und die Sinder vereinen kannst“, schlug Faleon vor. Faleon sah Kevin an. „Jetzt zeig, was du kannst.“ Kevin ging in sein Zimmer. Wer könnte der beste Herrscher der Sinder sein?
„Wie wäre es mit Faleon?“, schlug Kevin vor. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass er das annehmen würde“, zweifelte Ciara. Kevin dachte nach. „Du hast recht. Dafür ist er zu bescheiden, und ich glaube nicht, dass er eine so große Aufgabe annehmen würde.“ Er schwieg und dachte nach.
„Drebilon?“ Ciara schüttelte den gewaltigen Kopf und begann, unruhig auf und abzulaufen. „Den kennen wir nicht gut genug.“ Ciara legte sich hin und streckte alle Viere von sich.
„Wer dann? Sicher muss es einer der Sinder oder ein anderer Mensch sein. Ein Elf währe seltsam als Anführer eines anderen Volkes.“ Kevin dachte nach, während Ciara wieder aufstand und durch den Raum tigerte. „Ich kenne niemanden Anderen, der in Frage käme.“ Kevin bezweifelte, dass er der Richtige war. Ciara schien das zu merken. „Das Amulett irrt sich nie!“, sagte sie zuversichtlich. „Und ich mich auch nicht!“, fügte sie hinzu. Kevin machte sich Sorgen. Er begann auf und ab zu gehen. Ciara grummelte und wälzte sich auf dem Boden hin und her. Kevin drehte sich um. „Was hast du denn, Ciara?“, fragte er besorgt. „Du bist heute so unruhig!“ Ciara hatte sich flach auf den Boden gelegt.
„Bauchweh!“, klagte der Drache. „Ich hole Faleon! Der kann dir sicher helfen“, meinte Kevin. „Vielleicht hast du dich überfressen!“ Er hörte Ciara noch verächtlich schnauben. „Ein Drache überfrisst sich nicht!“, rief sie ihm nach, als er aus dem Zimmer ging.
Kevin lief nachdenklich die Treppe runter. Da kam ihm Faleon entgegen. „Kevin, ich muss dir etwas sagen!“, sagte Faleon. „Ich dir zuerst! Ciara hat ganz arg Bauchweh! Kannst du ihr helfen?“ „Ich weiß, dass sie Bauchweh hat. Das ist mein zweiter Punkt. Ich möchte nur sichergehen. Lass uns ins Zimmer gehen.“ Im Zimmer sah Faleon sich Ciaras Bauch an.
„Wusste ich es!“, rief er freudig. „Kevin, Ciara wird ein Baby bekommen!“ „Ein Baby? Du meinst, ein richtiges, kleines Drachenbaby, so wie Ciara eins war?“, wollte Kevin wissen. Faleon nickte. „Aber von wem?“, überlegte Kevin. „Weißt du das wirklich nicht? Von Juster! Hast du nicht gesehen, wie sehr sie sich mögen?“, wollte Faleon wissen. Kevin gab ihm keine Antwort, sondern lachte glücklich los. „Ciara, das ist ja wundervoll!“ Er umarmte sie übermütig. Ciara ließ sich nach hinten auf den Boden fallen und legte wie ein Löwe ihre Pranke um Kevin, während der Junge sie drückte.
„He, Kevin, Punkt Nummer 1! Na ja, der ist jetzt ja wohl auf Nummer 2 gerutscht!“, murmelte er. Kevin drehte sich um. „Was denn?“, fragte er verwirrt. Er konnte sich gar nicht mehr daran erinnern, dass Faleon dagewesen war und wurde sich seiner Anwesenheit erst jetzt wieder bewusst. „Wir bekommen von den Elfen ein Elfenmädchen geschickt. Wir sollen sie ausbilden.“
„Cool!!!“, schrie Kevin begeistert. Ciara war plötzlich wieder Nebensache. „Sie müsste noch heute ankommen. Lass uns ihr entgegen fliegen“, schlug Faleon vor. „Kann Ciara denn fliegen?“, fragte Kevin besorgt und sah auf Ciara herab. Faleon nickte. „Sie ist noch nicht lange trächtig. Ein bisschen Bewegung wird ihr wahrscheinlich sowieso gut tun!“, sagte Faleon und tätschelte Ciaras Bauch. Ciara legte den Kopf schief und zog die Lefzen hoch, als sie Faleon spielerisch anknurrte. Dann stand sie auf und Ciara und Kevin rannten gefolgt von Faleon die Treppe runter.
Noch bevor sie ihre Drachen besteigen konnten sahen sie ein Mädchen, das in etwa so alt war wie Kevin.
Sie hatte schulterlange, nachtschwarze, leicht gelockte Haare, die ihr schmales Gesicht betonten.
Sie hatte es auf der einen Seite hinter die Ohren gestrichen, so dass man die spitzen Ohren gut erkennen konnte. Ihre Augen glänzten verführerisch, ihre Augenbrauen waren buschig und die Wimpern lang. Sie rannte und kam direkt vor Kevin zu stehen.
Ihre Augen waren grün und Kevin meinte, nie schönere Augen gesehen hatte. Jetzt lächelte sie den Neunjährigen an und verneigte sich vor ihm. „Guten Tag, Amulettträger.“ Dann streichelte sie die Drachen über die Nüstern und grüßte zuletzt Faleon, indem sie sich auf die Zehenspitzen stellte und ihm einen Kuss gab. Kevin hätte jetzt alles darum gegeben, an seiner Stelle zu sein.
„Mein Name ist Alanis.“ Eine Weile lang sagte keiner der drei etwas. Faleon stupste Kevin an. „Du musst etwas sagen!“, wisperte er Kevin zu. „Was denn?“, fragte der Junge verwirrt. Faleon spürte, wie peinlich ihm das alles war. „Lass uns gehen, Alanis muss sich ausruhen“, schlug er deshalb vor. „Gute Idee“, sagte Kevin und senke den Blick. Auf dem Weg zurück ins Zwergenschloss fragte Kevin: „Welchen Drachen wird Alanis bekommen? Bekommen sie überhaupt einen?“ „Ja, das wird sie. Wenn möglich Ciaras Baby, wenn die Chemie zwischen ihnen stimmt, dann müssen wir nicht zurück zu den Sindern fliegen. Das würde erheblich Zeit sparen.“
Kevin erschrak. Wenn Alanis Ciaras Baby bekommen würde, würde es dann auch so schnell wachsen, wie Ciara? Wäre er dann nicht wichtig für das kleine Drachenbaby? Für Ciaras Baby? Und wie wäre es für Ciara, wenn man ihr ihr Baby wegnehmen würde? Kevin fragte sich, ob Ciara auch nur kurz bei ihren Eltern gewesen war und wie das für sie gewesen war. Würde sie traurig darüber sein, dass sie nur so wenig Zeit mit ihrem Baby verbringen konnte, bevor es erwachsen wurde? Kevin wollte nicht, dass Ciara traurig war. Es machte ihn auf traurig. Würde es etwa alles verändern?


Neuntes Kapitel: Phönix & Pegasus

Am nächsten Morgen wachte Kevin sehr früh auf. „Kevin“, schoss Ciaras Stimme durch seinen Kopf.
„Komm langsam, sonst erschreckst du sie!“ Kevin lief in die Ecke, in der Ciara am liebsten lag. Dort lagen eng an Ciara geschmiegt ein roter und ein blauer Drache. Sie waren ungefähr so groß wie Ciara damals.
Der Rote war etwas kleiner als der Blaue. „Das sind Phönix und Pegasus!“, sagte Ciara stolz. „Ich hole Faleon!“, flüsterte Kevin. Er rannte die Treppe runter, so schnell, wie er sie noch nie gerannt war.
Eine Mischung aus Angst um Ciara, Phönix und Pegasus, Freude und – Kevin wusste selbst nicht warum – Eifersucht stieg in ihm hoch. Plötzlich war er traurig. Dann lachte er vor Freude. Dann hatte er Angst. Dann war er wütend. Er kostete ihn viel Selbstbeherrschung, um nicht vor Wut zu schreien. Wieder war er traurig. Er stoppte vor der Tür von Faleons Zimmer. Er zögerte. Dann öffnete er die Tür. „Kevin, was ist denn los?“
„Ich muss ziemlich verwirrt aussehen!“, wurde Kevin plötzlich klar. „Ciara... Die Babys... Ciara!“ Jetzt konnte Kevin die Tränen nicht mehr zurückhalten. Er begann hemmungslos zu weinen. „Ist ja alles okay!“, versuchte Faleon ihn zu beruhigen. Er nahm Kevin an der Hand und zog ihn Richtung Tür. „Wir kümmern uns jetzt erst mal um Ciara. Du hast doch gesagt, sie hat zwei Babys bekommen, oder? Weißt du wie sie heißen?“, versuchte Faleon Kevin auf andere Gedanken zu bringen. „Phönix und Pegasus.“ „Also zwei Männchen.“
Eine Weile lang sagten sie gar nichts mehr. Faleon war tief in Gedanken versunken. Ciara hatte Babys bekommen. Zwei Männchen. Kein Weibchen. Kein Weibchen. Nur Zwei Männchen. Es war alles umsonst gewesen. Kein Weibchen. „Kein Weibchen“, murmelte Faleon kraftlos, als hätte er es erst jetzt verstanden.
Kevin öffnete die Tür und sie traten ein. Faleon sah die Kinder an und ein sanfter, glücklicher Zug legte sich auf sein Gesicht. „Wow. Einfach nur „wow“! Ich hatte fast vergessen, wie süß neugeborene Drachen sind!“, lächelte Faleon. Dann ging er zu den Drachen „Wehe, du tust meinen Babys weh!“, fauchte Ciara warnend. „Keine Angst, ich sehe sie mir nur mal genauer an.“ Faleon nahm den blauen Drachen hoch. „Ist das Phönix oder Pegasus?“, fragte Faleon Ciara. „Pegasus.“ Sagte Ciara, während sie eine Pranke schützend um den kleinen Phönix legte, und ihn an ihre Flanke zog.
Faleon sah sich die Flügel an. Dann prüfte er die Krallen an den Vorderpfoten, danach die an den Hinterpfoten. Zum Schluss die Augen, die Zähne, die Ohren und die Nüstern. Kevin sah ihm dabei genau zu. „Warum schaust du in seine Ohren?“, fragte Kevin. „Um zu prüfen, ob etwas drinnen steckt oder sie vielleicht entzündet sind.“ „Und warum in die Nase?“ „Das heißt Nüstern. Sie können verstopft sein, wenn der Drache Schnupfen hat. Das kann schon bei so kleinen Neugeborenen der Fall sein und das ist dann sehr gefährlich für sie.“
So ging es einige Zeit und Faleon untersuchte auch Phönix. Gerade als er fertig war öffnete sich die Tür. „Was macht ihr denn für einen Krach?“, fragte Alanis „Das hört ja ein tauber Drache ohne Ohren.“ Ihr Blick fiel auf die drei Drachen. „Sind die süß!“, quietschte sie und lief auf die Babys zu. Sie hob Phönix vom Boden. Ciara knurrte warnend. Es war nur ein leises Knurren, doch Kevin bekam eine Gänsehaut. Alanis lachte laut auf, als Phönix wild mit dem Schwanz schlug.
Der junge Drache schlug spielerisch mit den Pfoten und schnurrte. „Ich glaube, ich weiß, wer zu dir passt, Alanis!“, lachte Faleon. „Ich auch!“, jubelte Alanis. Sie ließ sich mit wehenden Haaren rückwärts auf Kevins Bett fallen, den kleinen Drachen fest in den Armen. „Dann werden wir Pegasus noch heute zu den Sindern bringen“, beschloss Faleon. „Aber was ist mit Alanis?!“ Kevin Stimmer klang schriller als er eigentlich wollte. „Alanis wird hier bleiben müssen. Sie kann sich bei den Sindern sowieso nicht sehen lassen. Wir brechen sofort auf, Kevin!“, befahl Faleon. Er nahm Pegasus unter den Arm und Kevin ging hinter ihm die Treppe herunter, gefolgt von Ciara.
„Ciara, bist du nicht traurig wegen Phönix und Pegasus?“, wollte Kevin wissen, als er im Hof auf Ciaras Rücken sprang. „Nein. Wir Drachen sind das seit Jahrhunderten gewohnt, dass wir Junge bekommen, die uns dann weggenommen werden, um einen Reiter zu bekommen und zu kämpfen. Alles andere wäre nicht richtig“, tröstete Ciara ihn, als sie sah, wie sehr Kevin sich wünschte, Phönix oder Pegasus behalten zu können.
„Halt dich fest, Kevin!“ Ciara schoss beinahe senkrecht in die Höhe. Einen Moment lang gab es für Kevin nur noch ihn und Ciara. Er spürte den kalten Wind nicht, der ihm ins Gesicht blies. Er spürte nicht mehr die Wut, die Eifersucht die Angst und die Traurigkeit, die er vor so kurzer Zeit noch empfunden hatte. Es gab nur ihn und Ciara.
Nicht Alanis, nicht Faleon, nicht die Sinder, nicht seine Aufgabe, alle zu retten, auch nicht Ramor und seine Krieger, alles spielte im Moment keine Rolle. Kevin lehnte sich dicht über Ciara. Er war so glücklich. Pegasus schlug schnell mit den Flügeln, um mit ihnen mithalten zu können. Schließlich gab er auf und biss in die Schwanzspitze seines Vaters. Faleon lehnte sich nach hinten und zog Pegasus nach vorne. Er schützte ihn mit seinen Armen gegen den Wind, der eine beißende Kälte mit sich brachte.
Dann tauchten Faleon und Juster neben Kevin und Ciara auf. „Ist jetzt alles wieder okay?!!“, schrie ihm Faleon zu. Kevin nickte. Jetzt war wieder alles okay.
Am Abend stiegen sie von den Drachen. „Möchtest du Feuerholz holen?“, fragte Faleon Kevin. Kevin nickte. Er war stolz, dass Faleon ihm so vertraute. Kevin hüpfte pfeifend durch den Wald. Er genoss das Leben. Er dachte an Ciara. „Wenn ich das den Jungs aus meiner Klasse erzählen würde! Die würden mir kein Wort glauben!“

Faleon saß im Lager und schürte das Feuer, als Kevin auftauchte. Kevin legte das Holz auf die Seite und stocherte mit einem Stock in den Flammen. Es war kalt geworden. Er hatte schrecklichen Hunger.
Als Faleon das Fleisch auf die Stöcke steckte, war es schon stockdunkel, nur der Schein des Feuers erhellte die Lichtung. „Warum machst du nicht mit Magie das Essen?“, fragte Kevin. Faleon lachte. „Das würde nicht besonders gut schmecken!“, lachte er. Kevin überlegte. „Wozu braucht man dann die Magie, wenn man sich damit nicht einmal etwas zu Essen machen kann?“, fragte er. „Du musst dich im Kampf verteidigen!“, erklärte Faleon ihm. „Und wann lerne ich das?“, fragte Kevin weiter. „Das ist eine Fähigkeit, die man keinem unerfahrenem Reiter beibringt!“, meinte Faleon nach kurzem Überlegen.
Bald darauf war das Fleisch gar. „Hier!“ Faleon reichte ihm ein Stück Hase. Dann biss er einmal von seinem Fleisch ab. „Schmeckt gut!“, stellte er fest. „Viel besser als mit Magie gebraten!“, fügte er dann hinzu. Auch Kevin verschlang gierig sein Stück.
Dann legte er sich hin. Kurz bevor ein einschlief, dachte er noch an seine Familie. Ob sie sich sehr große Sorgen um ihn machten? Kevin war es nicht ganz wohl bei dem Gedanken. Er wollte sie irgendwie wissen lassen, dass es ihm gut ginge und er nahm sich vor, sie so bald wie möglich zu besuchen.


Zehntes Kapitel: Ramors Plan

Ramor stand in seiner schwarzen Höhle. „Sie sind auf dem Weg zu den Sindern! Sie sind auf dem Weg zu den Sindern!“, schrie Leor ihm entgegen. Ramor drehte sich zu ihm um. Seine schwarzen, ausdruckslosen Augen starrten den Kobold an. Dieser wich ein Stück zurück. „Ich habe euch gesagt, ihr sollt den Jungen und den Elfen aufhalten; ihr habt versagt“, sagte Ramor mit ruhiger Stimme. „Ich habe euch gesagt ihr sollt den Jungen und den Reiter aufhalten; ihr habt versagt. Was sollte ich deiner Meinung nach tun?“ Der Kobold wich noch ein Stück zurück. Er blieb still. „Muss ich mich denn um alles selbst kümmern?!!“, brüllte Ramor wütend. Er stieß den Kobold auf die Seite. „Diesmal wird der Junge sterben!!!“, schrie er. Er zog sein Schwert. Dann schritt er aus dem Raum.


„Lass uns hier unser Lager aufschlagen“, schlug Faleon vor. Es war ein schattiger Platz im Wald, ein Fluss verlief in der Nähe des Lagerplatzes und an den Seiten der Lichtung wuchsen Johannesbeerenbüsche.
Faleon entfachte ein Feuer und begann dann ein paar Johannisbeeren zu sammeln. Kevin holte gerade etwas Fleisch aus dem Rucksack, um es an Ciara zu verfüttern, als Faleon aufschrie. „Was ist?!“, rief Kevin erschrocken. „Ich hab mich gestochen. Verflixt! Ich muss die Wunde auswaschen. Kannst du neues Holz holen?“, wandte er sich an Kevin. Kevin nickte. Dann gingen sie – Faleon zum Fluss und Kevin tiefer in den Wald. Er ging am Fluss entlang. Da sah er den Schein eines Lagerfeuers. Er lief in die Richtung, aus der Schein kam. Dann sah jemanden. Dieser schien Kevin noch nicht bemerkt zu haben, also hatte dieser die Gelegenheit, den Fremden ungeniert zu betrachten: Er saß zwar mit dem Rücken zu Kevin, aber er konnte trotzdem spüren, dass der Fremde von weit weg kam.
Er hatte schwarze Kleidung an, eine Kapuze verdeckte den Kopf.
Kevin sah ihn genauer an. Am Rücken war ein kleiner Riss in der Kleidung. Aber auch unter ihr war schwarze Wolle. Kevin verzog das Gesicht. Wem würde es schon gefallen, sich ganz in schwarz zu kleiden? Kevin sicher nicht. Er sah genauer hin und lehnte sich etwas vor. Plötzlich erkannte er, dass es Fell war. Ramor!
Kevin stolperte einen Schritt zurück in die Dunkelheit, die inzwischen hereingebrochen war. Ramor drehte sich um. Seine schwarzen Augen fesselten Kevin: Er konnte sich nicht mehr bewegen! Er versuchte die Augen abzuwenden; keine Chance! Er war wie eingefroren. Dann begann Ramor zu sprechen: „Stehst du schon lange da, Kevin?“ Seine Stimmen jagte Kevin einen Angstschauer über den Rücken. Ramor erhob sich langsam. Er kam bedrohlich näher. Als er die Angst in Kevins Gesicht sah, lachte er heiser. Dann löste er mit einer Handbewegung urplötzlich Kevins Starre. Kevin fiel ins Gras. Ramor packte Kevin aber schon wieder am T-Shirt. „Das ist meines!“ Ramor riss Kevin das Amulett vom Hals. Dann stieß er ihn zu Boden. Er lachte. Er hob das Amulett ein Stück vor sich weg. Er schien sehr zufrieden zu sein. Dann legte er es sich um den Hals. „Und nun zu dir!“ Ramor nahm sein Schwert. „Das Amulett gehört mir! Ich habe es gefunden!!!“, schrie Kevin ihn an. Er wusste, dass er nur überleben würde, wenn es ihm gelänge, zu fliehen.
„Was hast du damit vor?!“, wollte Kevin mit schriller Stimme wissen.
„Oh, als Erstes wird es mir sein Geheimnis verraten!“ „Es gibt kein Geheimnis!“, schrie Kevin.
„Ach? Ich hörte da aber ganz andere Dinge. Oder hat dir dein Freund davon auch nichts erzählt?“, höhnte Ramor. „Faleon?“ „Oh ja, er hat dir also nichts erzählt? Na dann werde ich dich mal aufklären. Vor einunddreißig Jahren, als dein Vater zwölf Jahre alt war, wurde er von den Elfen, den Zwergen und Sindern ausgebildet, um die Welt zu retten!“ Ramor lachte hohl. „Na ja, jedenfalls hat dieser Dummkopf sich von mir einreden lassen, das alles besser werden würde, wenn er mir das Amulett gäbe. Das tat er auch und stellte sich auf meine Seite. Ich hielt den Dummkopf gefangen, bis er ein erwachsener Mann war, dann entkam er. Er ging zurück in seine Heimat und dachte, alles wäre in Ordnung. Er wusste ja auch nichts von der Prophezeiung. Und dann wurdest du geboren! Eine kleine Nervensäge, mehr nicht! Und dann wurdest du älter. Ich wusste, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis du alt genug warst, um die Aufgabe zu erfüllen, die dein Vater begann. Ich schickte jemanden, um dich zu beobachten. Aber dann stahl dieser vermaledeite Zwerg Karean das Amulett und schickte es zu dir. Du warst zu jung und bist es auch jetzt noch, um die Kraft dieses wertvollen Schatzes zu gebrauchen. Du bist ein Dummkopf, wie dein Vater!“ Ramor sah Kevin wütend an. „Die Zwerge haben das Amulett mit einem Zauber belegt: Es soll seinem Besitzer Macht und Kraft geben. Und die habe ich jetzt!“
„Wo bleibt nur Faleon? Dem muss doch aufgefallen sein, dass ich weg bin!“, dachte Kevin voller Verzweiflung. „Aber warum kannst du das Amulett sehen?“, fragte Kevin. „Das fragst du noch, du Knirps? Ich lasse mich doch von einem lächerlichen Schutzzauber nicht aufhalten! Ich bin der mächtigste Zauberer im ganzen Universum!“ Ramor machte eine kurze Pause. Kevin merkte erst jetzt, dass er die ganze Zeit hätte weglaufen können. „Nein! Noch nicht!“, schoss es Kevin durch den Kopf, als der daran dachte, jetzt schnell aufzuspringen und wegzulaufen. Er musste mehr wissen. Er wollte mehr wissen. Hier ging es nicht nur um ihn. Es ging hier um seinen Vater. Was genau war damals passiert? „Von wem wurde das Amulett erschaffen?“, wollte Kevin wissen. Aber Ramor antwortet nicht. Er starrte ihn nur wütend an. „Der Einzige, der meinem endgültigen Sieg noch im Wege steht, bist du. Und jetzt sollen die Sinder, Elfen, Zwerge und alle Geschöpfe, die bis jetzt so viel von dir gehalten haben sehen, wie ihr großer Held und Retter durch ein einfaches Schwert stirbt!!!“, brüllte Ramor in den Himmel empor. „Wenn Faleon das jetzt nicht gehört hat, muss er aber taub sein!“, dachte Kevin. Da kam schon Ramors Schwert auf ihn herabgesaust.


Elftes Kapitel: Die letzte Rettung

Schnell duckte er sich weg. Ramor sprang auf ihn zu. Schon wieder schlug das Schwert dicht neben Kevin in den Boden. „Ciara!!!“, schrie Kevin so laut er konnte. „Ciara!!! WO STECKST DU?!!“ Wieder musste er schnell ausweichen. „Kevin!!!“ Ciara landete mit einem dumpfen Aufschlag neben Kevin. Als sie Ramor erblickte, merkte Kevin, dass ihre goldenen Augen rot aufblitzten. Als Ramor wieder zustieß, öffnete Ciara ihr riesiges Maul und spie Feuer. Einen Moment lang sah es aus, als wollte Ramor sich zurückziehen, aber dann zückte er urplötzlich sein Messer und warf es auf Kevin. Ciara wehrte es mit ihrem gepanzerten Schwanz ab und stellte sich auf die Hinterbeine. Sie schlug mit ihren Vorderpfoten nach Ramor. Ramor lachte. „Wir sehen uns wohl wieder, Drachenreiter! Ich habe nun, was ich will!“ Dann war er verschwunden.
„Kevin, was meint er?“, wollte Ciara wissen. „Er...Er hat das Amulett!“
„Das müssen wir Faleon sagen!“, rief Ciara. Kevin sprang auf Ciaras Rücken. Ciara schlug einmal kräftig mit den Flügeln und hob ab. Als sie im Lager landeten sahen sie, dass Faleon verschwunden war. Kevin fand einen Zettel, auf den etwas hektisch gekritzelt war: „Djemak Denlak Ramor! Emsjas Rasmon Jaram, wetdknam Linernatque. Sin Rasmon esde: Necetac morlefed nac Sinem Leros Linernatque, iac nac Sjihfre fulrds. Wegebatud nuac Rasmon Seiilne Enjuran yi Ciara lemnekjex!“ Im selben Moment hörte er ein Geräusch. Er hob instinktiv sein Schwert vom Boden auf und machte sich darauf gefasst, jeden Moment angegriffen zu werden. Aber – falscher Alarm! Pegasus kam halb flatternd, halb kriechend auf sie zu. an seinem Hals war etwas Schweres befestigt, das ihn daran hinderte, zu fliegen. „Was hast du da?“, wollte Kevin wissen. Er erkannte es schon von Weitem. „Das Buch! Ich fange gleich an Faleons Nachricht zu übersetzen!“ Gegen Sonnenaufgang war er fertig. Er stellte Ciara zur Rede: „Was hast du mir verschwiegen?“ Ciara sah ihn schuldbewusst an. Dennoch tat sie, als hätte sie keine Ahnung, wovon er sprach. „Was denn?“, fragte sie mit Unschuldsmiene.
„Der letzte Satz heißt: „Ciara weiß alles andere!“ Also, was ist?“ „Was steht da überhaupt?“, gab sie zurück.
Kevin las vor: „Ramor hat mich! Ihr müsst ein Rätsel lösen, um sein Versteck zu finden. Das Rätsel lautet: Finde die Höcker des Kamels, durchquere den Wald des Schreckens. Löse die Mutprobe und nimm das erste Geschenk, das man dir als Dank bietet.
Dieses Rätsel konnte noch niemand lösen. Alles weitere weiß Ciara! Also, was weißt du Ciara?“, wollte Kevin nun endlich wissen.
Ciara senkte den Kopf. „Ich durfte es dir nicht früher erzählen. Ohne das Amulett kannst du nicht mehr zaubern. Es gibt drei Wächter. Dem ersten Wächter musst du dieses geheimnisvolle Etwas zeigen. Dem Zweiten musst du das Haar eines Dämons geben. Dem Dritten das Zeichen der Eifersucht. Lass uns jetzt aber Alanis rufen. Alleine haben wir keine Chance.“
Als Alanis ankam, dauerte es eine Weile, bis sie Alanis die Lage der Tatsachen erklärt hatten. „Worauf warten wir dann noch“, rief sie, als sie alles verstanden hatte. Kevin sprang auf Ciara, Alanis setzte sich hinter ihn und Pegasus flatterte neben ihnen her. „Ich weiß, wo wir einen Dämonen finden können!“, rief Alanis „Im alten Wald!“ „Na dann müssen wir ihn ja nur fragen, ob er uns ein Haar gibt!“ „Du Dummerchen!“, lachte Alanis „Dämonen hassen alles Lebendige. Du musst ihn töten, um ein Haar zu bekommen. Und das könnte schwer werden. Dämonen sind die stärksten Wesen, die es gibt. Dieser Dämon hat die Gestalt eines riesigen Bären. Wenn er sich auf die Hinterbeine stellt, ist er größer als der höchste Baum des Waldes!“, belehrte Alanis ihn. „Das ist mir egal! Ich muss Faleon finden! Er ist mein Freund! Er verlässt sich auf mich!“
Alanis sah ihm tief in die Augen. „Ich helfe dir. Versprochen!“, flüsterte sie.


Zwölftes Kapitel: Dämonenjagd

Nach einigen Stunden landeten sie vor einem großen Wald. „Hier ist es. Hier wohnt der Dämon!“ Kevin sah Alanis verunsichert an. „Na dann?“ Er klang verunsichert. Alanis straffte die Schultern. „Na dann!“ Dann gingen sie in den Wald. Ciara wartete am Waldeingang. Augenblicklich war es dunkel. Es war, als raunten die Bäume ihnen Warnungen zu. „Lauft!“, „Flieht, solange ihr noch könnt!“, „Gefahr!“, schienen sie zu flüstern.
Nur zu gerne währe Kevin ihren Warnungen gefolgt. „Das ist Selbstmord!“, schrie eine Stimme in seinem Kopf. „Ja! Und es wäre Verrat, einem Freund in der Not nicht zu helfen!“, rief eine andere Stimme in seinem Kopf. „Wenn du da rein gehst, wirst du vielleicht nie wieder herauskommen!“, rief die Stimme wieder. Aber auch die zweite Stimme hatte schon ein passendes Gegenargument: „Wenn du Faleon im Stich lässt, wie willst du dann je wieder in den Spiegel sehen können?“
Aber Kevin kämpfte sich tapfer weiter. Mit einem Mal hörten sie ein Furcht erregendes Brüllen. Kevin hatte das Gefühl, sein Kopf würde zerspringen, so laut war es, obwohl er die Hände auf die Ohren presste. Aber die Stille danach war noch schlimmer. „Das war er!“ Alanis war die Angst ins Gesicht geschrieben. „Das war der Dämon!“ Im selben Moment hörten sie ein Knacken. Etwas raschelte im Gebüsch. Die Kinder fuhren herum. Wieder das Knacken, dann begann eine große, starke Eiche zu wackeln. „Weg hier!!!“, brüllte Kevin aus Leibeskräften, als die Eiche auf einmal umstürzte. Alanis und Kevin stürzten sich ins Gebüsch. Kevin stolperte und fiel hin. Er rappelte sich auf und machte noch ein paar große Sprünge, dann war auch er in Sicherheit. Keine Sekunde zu früh: Dort, wo die Zwei gerade noch gestanden hatten, lag jetzt der riesige Baum. Wieder das Brüllen; diesmal ganz nah. Kevin lag auf dem Boden und hielt sich die Ohren zu. Plötzlich stand der Bär neben ihm.


Dreizehntes Kapitel: Das Haar

Kevin hätte den Bären berühren können, hätte er gewollt. Alanis hatte nicht übertrieben. Der Bär war riesengroß. Kevin überlegte gerade, ob er ihm nicht jetzt einfach ein Büschel Haare ausreißen sollte, als der Bär die Schnauze hob und sie witterte.
Einen Moment lang stockte Kevin der Atem. Der Bär stand vor Kevin und der Junge starrte dem Dämon in die Augen. Sie waren blutunterlaufen, voller Hass. Der Bär starrte zurück. Es war völlig still.
Dann schrie Kevin los. Der Bär stellte sich auf die Hinterbeine und brüllte, Alanis sprang auf und packte Kevin. Sie rannte noch tiefer in den Wald. „Wir haben keine Chance! Wir können nicht weiter rennen, der Bär ist schneller! Aber wir können auch nicht schwimmen, der Bär wäre schneller. Wir müssen uns etwas einfallen lassen!“, schrie Alanis verzweifelt.
Kevin sah über seine Schulter. Der Bär war nur ein paar Meter entfernt. Und er sah seine Augen. Der blanke Hass. Der Bär hatte seine Beute gefunden; Und die waren sie. Kevin sah wieder nach vorne. „Da!“ Kevin zeigte auf eine Felsspalte in einer Felswand. „Rein da!“ Kevin fiel auf alle Viere und kroch in die Ritze. Alanis war direkt hinter ihm. Aber... „Wir können nicht weiter! Der Spalt ist zu klein!“ Kevin drückte sich mit dem Rücken gegen die Felswand.
Die Tatze des Bären fuhr in die Ritze. Die Beiden stoben auseinander. „Wir sitzen fest!“, rief Alanis. Das große Auge des Bären erschien in der Öffnung. Dann begann der Bär mit seinen Pfoten die Erde weg zuschieben. „Er gräbt uns wie Ameisen aus!“, kreischte Alanis ängstlich. Die Elfe quetschte sich so weit wie möglich nach hinten in die Felsspalte hinein. „Ich bin aber keine Ameise!“, schrie Kevin wütend. Er packte das Messer und als die Pfote wieder erschien, stieß er zu. Aber es machte dem Bären nichts aus.
„Du kannst ihn so nicht töten! Es hat noch nie jemand einen Dämonen getötet!“, rief Alanis. Kevin starrte sie an. „Also, ich fasse jetzt mal zusammen: Ich soll einen Dämonen besiegen, das hat aber noch niemand geschafft, ich soll ein Rätsel lösen, das noch niemand lösen konnte und ein Versteck finden, das noch nie jemand finden konnte!“ Kevin stieß wieder zu. „Warum ich?!! Warum stecke ich hier jetzt fest?!! Warum?!! Warum musste ich dieses Amulett finden?!! WARUM???“ Kevin war wütend.
Als der Bär das nächste Mal in die Lücke guckte, stieß Kevin ihm das Messer ins Auge. Der Bär heulte auf und wich zurück. „Raus jetzt!“, wies Alanis Kevin an. Sie rannten an dem Bären vorbei. Plötzlich sah Alanis Kevin durchdringend an. „Bist du schon einmal auf einem Bären geritten?“, fragte sie ihn. Kevin war verwirrt. Alanis packte ihn und sie kletterten auf den nächsten Baum. „Spring!“, rief sie. Dann sprangen sie auf den Bären, der gerade den Baum erklimmen wollte. Der Bär erschrak. Kevin riss ihm ein Haar aus. Dann stieß er ihm das Messer in den Nacken.
Der Bär brüllte noch einmal, dann fiel er um und bewegte sich nicht mehr. „D-Du hast einen Dämon getötet!“ Alanis strahlte Kevin an. Dann packte sie ihn an den Schultern und drückte ihm einen Kuss auf die Stirn. Kevin wurde rot und wandte sich ab. „L-Lass uns gehen!“, stammelte er verlegen. Sie gingen aus dem Wald und zeigten Ciara das Haar des Dämon. Kevin verpackte es in seiner Tasche und dann stiegen die zwei Kinder wieder auf Ciara.
„Was brauchen wir als Nächstes?“, wollte Ciara wissen. „Das Zeichen der Eifersucht. Was könnte das sein?“, fragte Alanis. Sie grübelten lange. Dann fiel Ciara etwas ein. „Kevin, ich weiß es! Pegasus! Du warst eifersüchtig auf die Beiden!“ Kevin war sich nicht sicher. Aber die Erklärung leuchtete allen ein. „Gut. Wo sind die Höcker des Kamels?“, wollte Kevin wissen. „Vielleicht zwei Berge. Also müssen wir ins Gebirge!“, meinte Alanis.
„Los, Ciara!“, spornte Kevin sie an.


Vierzehntes Kapitel: Der Wald des Schreckens

„Wo könnte ein großes Gebirge sein?“, fragte Kevin Alanis. „Ich kenne nur das Abor-Gebirge!“ „Wo ist das?“, wollte Ciara wissen. „Einfach immer nach Nord-Westen!“
Als sie rasteten und Alanis ein Feuer machte, sah Kevin etwas, das ihn stutzen ließ: Nicht weit von dem Platz war ein Wald. Aber davor war ein Felsblock, der wie ein Kamelkopf und zwei Höcker aussah. Kevin war unschlüssig. War dies etwa der Felsen? Er machte die beiden Anderen darauf aufmerksam. „Das wäre möglich!“, meinte Alanis. „Lass uns den Wald erkunden. Von dem bisschen Holz werden wir auch nicht die ganze Nacht ein Feuer unterhalten können.“
Sie gingen in den Wald und merkten bald, dass es der gesuchte Wald war, denn er hatte den Namen „der Wald des Schreckens“ sehr wohl verdient. Zuerst wurden sie von einem Schwarm Fledermäuse attackiert. Dann wurden sie von einem Wildschwein angegriffen, das gerade mit seinen Frischlingen nach Wurzeln und Pilzen wühlte. Dann sprang sie etwas an, das aussah wie eine Katze mit Fischschwanz. „Lass uns umkehren!“, schlug Kevin vor, als sie sich von ihrem Schrecken erholt hatten. „Noch nicht!“, widersprach Alanis. Aber auch sie sollte bald ihre Meinung ändern. Mit einem Mal setzte ein gewaltiger Regen ein. Die Kinder duckten sich schutzsuchend unter einen Felsvorsprung. Doch dieser hielt nicht lang. Der Regen lockerte Erde und sie tropfte auf Kevins Nase. „Weg hier!“, schrie Alanis mit einem Mal und stieß ihn unter dem Vorsprung hervor. Kevin wollte sie gerade anschreien, weil er wegen ihr in eine Schlammpfütze gefallen war, als der Felsen herunterstürzte. „Danke!“, sagte er stattdessen. So plötzlich, wie der Regen eingesetzt hatte setzte er auch wieder aus.
„Jetzt gehen wir aber!“ Kevin und Alanis rannten so lange, bis sie ein helles Licht sahen. „Das ist sicher der Waldrand!“, hoffte Kevin. Doch er täuschte sich gewaltig. Sie stolperten auf eine Lichtung. „Wo sind wir?“, fragte Kevin laut. Alanis ging in die Hocke. „Fußspuren!“ „Sind wir im Kreis gelaufen?“, fragte Kevin. Alanis schüttelte den Kopf. „Nicht von uns!“ „Heißt das es ist außer uns noch jemand da?“ „Anscheinend!“ Kevin sah ins Gebüsch. Hatte sich da gerade etwas bewegt? „Nein, nein, nein! Jetzt einfach einen kühlen Kopf behalten!“ Es raschelte im Blätterdach. Dann im Farnkraut. Wieder in den Blättern. Ein Ast knackste laut. Kevin schrie auf. Auf einem Zweig in einem Baum stand eine kleine Kreatur. „Was ist das?“, flüsterte er. „Das ist ein Wu!“, rief Alanis. „Und da sind noch mehr Wus!“ Kevin zeigte auf den Zweig.
Die Wus hatten zwei Arme und Beine. Jeder war in zwei Farben gesteift.
Der Erste quiekte etwas. „Sie sagen, sie können uns den Weg aus dem Wald zeigen!“, sagte Alanis. „Können wir ihnen denn trauen?“, fragte Kevin misstrauisch. „Klar. Was willst du denn Anderes machen?“, fragte Alanis. „I-Ich weiß nicht.“ „Also, worauf wartest du noch?“ Alanis stapfte ihnen hinterher. Kevin rannte ihr nach. Es war schwierig für ihn mit Alanis Schritt zu halten, schließlich war er nicht im Wald aufgewachsen, wie die Elfen. Er stolperte oft und seine Hose wurde von Dornen zerkratzt. Nach langer Zeit hatten sie es endlich geschafft. „Ciara!“, rief Kevin überglücklich. „Ich bin mir jetzt ganz sicher, dass dies der Wald des Schreckens ist!“ „Lasst uns weiterziehen. Dieser Wald ist mir nicht geheuer!“, schlug Kevin vor. Sie saßen auf und flogen los.
Auf einmal begann Ciara zu schwanken und Kevin und Alanis fielen von ihrem Rücken – direkt über dem Wald.


Fünfzehntes Kapitel: Der Bär

Sie brachen durch die Zweige der Bäume und landeten auf dem harten Boden. Alanis stand auf und wischte sich den Staub von den Kleidern. „Was war das denn?“, fragte sie wütend, als auch Kevin aufgestanden war. Im selben Moment schoss ein Speer direkt an Kevins Ohr vorbei. Alanis schmiss sich auf den Boden und riss ihn mit sich. Als Kevin aufblickte, sah er gerade noch ein Mädchen, das zwischen den Büschen verschwand. Alanis sprang auf. Sie rannte ihr hinterher. Bevor Kevin ihr folgen konnte, war auch sie verschwunden.
„Alanis! Komm zurück!“ Kevin lauschte. Nun war er allein. Ohne das Amulett. Ohne sein Schwert. Ohne sein Messer. Ohne Ciara. Kevin bekam Angst. Um nicht tatenlos zu warten, wer, wann und ob ihn jemand finden würde, sprang er Alanis hinterher ins Unterholz. Er jagte ihr hinterher; ihre Spur war kaum zu übersehen. „Komm zurück!“, schrie er noch mal. „Alanis!!!“ Etwas knackte im Gebüsch. „Alanis?“ Kevin kam näher. Aber das war nicht Alanis. Es war braunes Fell, Alanis hatte schwarze Haare. Kevin wich zurück. Ein Bär! Kevin wollte sich umdrehen und davonrennen, aber er konnte nicht. Das war auch gut so, aber das kam ihm erst im Nachhinein.
Der Braunbär kam aus seinem Busch gekrochen. „Kevin!“ Er hörte von weitem Alanis rufen. „Alanis!“ Der Bär stellte sich auf die Hinterbeine.
„Ich bin nicht deine Beute!!!“, brüllte Kevin den Bären an.
Der Bär hielt inne. Aber dann schlug er nur noch wütender mit den Tatzen.
„Kevin!!!“, Alanis brach aus dem Unterholz. Aber im selben Moment, schlug der Bär mit seiner riesigen Pranke und traf Kevin. Dieser wurde gegen einen Baum geschleudert und blieb dort liegen. Der Bär drehte sich mit unglaublicher Wendigkeit Alanis zu. Kevin wollte aufspringen und ihr helfen, aber als er sich aufrichtete hielt ihn ein unglaublicher Schmerz zurück.
Der Bär war inzwischen einen Schritt auf Alanis zugetappt. Er holte aus, kam aber nicht weit, denn ein Pfeil bohrte sich in seine Schulter. Ein zweiter Pfeil sauste vorbei und traf den Bären. Der Bär fiel auf den Boden und bewegte sich nicht mehr. Alanis rannte zu Kevin und wollte ihm aufhelfen.
„Bloß nicht!“, rief das Mädchen, dass sie schon bei ihrer Ankunft gesehen hatten. „Sieh dir doch nur mal sein Bein an!“ Alanis wurde blass. „Was denn?“, erkundigte sich Kevin. Er sah zu seinem linken Bein – wenn man es noch Bein nennen konnte. Die Haut war aufgerissen und es blutete. An einer Stelle stand der Knochen ein Stück hervor. Kevin wurde schlecht, er hatte das Gefühl, alles würde sich drehen. Dann wurde ihm schwarz vor Augen.


Sechzehntes Kapitel: Victoria

Kevin wachte auf. Sein Bein pochte. Er öffnete die Augen. Alanis unterhielt sich aufgeregt mit dem fremden Mädchen. Kevin konnte nichts verstehen.
Als die beiden Mädchen merkten, dass er wach war, wurden sie still. Alanis kam zu ihm. „Geht es dir besser?“, fragte sie. „Ja. Was ist mit meinem Bein?“, fragte Kevin. „Das hat Victoria geflickt. Sie kennt sich mit so was aus.“ Als die Zwei seinen fragenden Blick sahen, sagte das fremde Mädchen: „Ich bin Victoria! Hier! Iss!“ Victoria hielt ihm ein Blatt uunter die Nase.
Kevin nahm es und stecke es in den Mund. Das Blatt schmeckte bitter. Kevin wollte es ausspucken. „Denk gar nicht erst dran! Das brauchst du um gesund zu werden!“, sagte Victoria. Gehorsam schluckte Kevin. Es ging ihm tatsächlich schon nach einigen Minuten besser.


„Wir müssen Ciara suchen!“, sagte Kevin, als er dachte mit Alanis allein zu sein. „Wer auch immer Ciara ist, ich lasse euch nicht alleine gehen! Ohne mich wärt ihr schon beide tot!“, erinnerte sie Victoria. Kevin und Alanis wechselten besorgte Blicke. Sie wussten, was auf dem Spiel stand. „Na gut, komm mit!“, meinte Alanis. „Waaaas?“ Kevin sah sie an, als wäre sie verrückt geworden. Die Mädchen halfen Kevin auf. Dann stützten sie ihn und gingen Richtung Waldrand. „Seid ihr sicher, dass das der richtige Weg ist?“, fragte Kevin sie.
„Klar!“, meinte Victoria, fügte dann aber ein unsicheres „Vielleicht?“ hinzu. Kevin ließ sich ins Gras fallen. „Wir kommen hier nie raus!“, schniefte er. Plötzlich krachte und knackte es, Zweige, Äste und Laub rieselten auf die Kinder herunter und Ciara stand vor ihnen. Sie hatte ein Loch ins Blätterdach gebrochen. „Cool! Ein Drache!!! Gehört der euch?“, wollte Victoria wissen. „Das ist Meiner“, sagte Kevin „Sie heißt Ciara.“ Dann wandte er sich an Ciara und hielt sich an ihrem Hals fest. „Gut, dass du da bist!“, flüsterte er, so, dass nur sie es hören konnte. Dann schwang er sich auf ihren Rücken und half Alanis und Victoria hoch. „Los Ciara! Wir haben eine Prophezeiung zu erfüllen!“ Ciara schlug mit den Flügeln, dass der trockene Boden staubte. Dann erklärten Kevin und Alanis die ganze Geschichte. „Aber jetzt müssen wir über den Wald fliegen.“

„Was glaubt ihr, was die Mutprobe sein wird?“, wollte Kevin wissen. „Keine Ahnung“, sagten Alanis und Victoria wie aus einem Mund. Sie sahen sich an und lachten. „Wie viel Vorrat haben wir noch?“, fragte Kevin. Alanis öffnete einen Fellbeutel und sah hinein. Vicy sah ihr über die Schulter. „Keinen!“, sagten sie wieder beide und brachen danach wieder in Gelächter aus. „Wir müssen landen. Ich habe da vorne ein Dorf gesehen. Dort gibt es sicher was für uns arme hungrige Kinder.“, lachte Alanis, als sich die Mädchen beruhigt hatten. Ciara landete sanft auf dem Boden. Victoria sprang behände von Ciaras Rücken. Alanis folgte ihr. „Kommst du?“, wollte Vicy wissen. „Wie denn?“, sagte Kevin und deutete auf sein Bein. Vicy und Alanis verdrehten die Augen. Dann lachten sie wieder beide los. Diesmal verdrehte Kevin die Augen.
Alanis und Victoria stützten ihn.


Siebzehntes Kapitel: Das Dorf

Nach einiger Zeit kamen sie ins Dorf. Kevin wäre vor Schreck stehen geblieben, wenn ihn die Mädchen nicht vor Entsetzen losgelassen hätten. So aber fiel er auf den Boden. Er richtete sich auf, um noch einmal dieses schreckliche Bild zu sehen: Die Türen der Häuser standen sperrangelweit offen oder waren ganz aus den Angeln gerissen. Einige Fenster waren zerschlagen, ein paar Häuser brannten. Überall standen und saßen weinende Kinder. Aber es waren keine Erwachsenen zu sehen.
„Oh Gott!“, entfuhr es Victoria. „Was machen wir nur?“ Inzwischen hatten ein paar Kinder sie entdeckt und sahen sie hoffnungsvoll an. Kevin bemerkte, dass fast alle Kinder um einiges jünger waren, als sie. Alanis stürzte zu einem Mädchen und redete eindringlich auf sie ein. Victoria rannte zu einem Jungen und versuchte ihn zu trösten. „He, ihr könnt mich hier doch nicht liegen lassen!“, protestierte Kevin.
Ein paar Kinder sahen Kevin misstrauisch an. Kevin blieb reglos sitzen. Dann rief Alanis: „Kommt alle her, wir werden euch helfen!“ „Und was ist mit mir?!“
Alanis kam genervt angerannt und zog Kevin auf die Beine. Dann zog sie ihn hinter sich her. „Au! Pass doch auf! Nicht so schnell, ich komm nicht mit!“, stöhnte Kevin. Dann erzählten ihm Alanis und Vicy abwechselnd, dass scheinbar ein paar maskierte Männer ins Dorf eingebrochen waren und alle Erwachsenen und ältere Kinder getötet hatten. „Wir können die Kinder nicht hier lassen, aber auch nicht riskieren, dass sie Ciara sehen!“; flüsterte Kevin. „Wir nehmen Pferde!“, meinte Alanis. „Und woher?“, fragte Kevin sie. Sie kicherte. „Lass mich nur machen.“ Dann wandte sie sich an die Kinder. „He, hat jemand von euch Pferde? Wir bräuchten, ähm, eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben plus uns drei... Wir bräuchten zehn Pferde!“ „Wir haben zwei!“, sagte ein Junge. „Wir haben auch noch eins!“, meldete sich ein Mädchen. „Wir haben auch welche!“ „Wir auch!“ Bald hatten sie zehn Pferde beisammen. „Okay! Alle aufsteigen!“, befahl Alanis und schwang sich auf ihr Pferd. „Sehr lustig!“, bemerkte Kevin mit einem Blick auf sein Bein. Alanis schwang sich wieder herunter und half Kevin auf das Pferd. Dann stieg auch sie wieder auf. „Auf geht’s!“, rief sie und drückte ihrem Pferd die Beine in die Flanken. Kevin tat – so gut es eben ging – das Gleiche. Kevin schickte Ciara eine Nachricht, und bat sie, sie im Auge zu behalten. Dann kam ihm ein Gedanke. „Alanis!“, rief er und trabte an der Gruppe vorbei. „Was denn?“, fragte sie ihn. „Warum hast du mein Bein nicht sofort geheilt?“, wollte Kevin wissen. „Kluger Junge! Wird sofort gemacht!“, sagte sie und murmelte einen Zauberspruch. Dann sagten alle Kinder ihren Namen. Kevin staunte über die ausgefallenen Namen, es fiel ihm aber nicht schwer, sie zu behalten, denn Alanis sang sie die ganze Zeit vor sich hin: „Tairo, Lima, Jahle, Kaila, Lirna, Kilana, Sero.“

„Hier müssen wir Rast machen!“, sagte Alanis. Sie banden die Pferde an einen Baum und legten sich ins Gras. Alanis machte ein Feuer. „Wir haben nichts zu Essen. Wir müssen jagen!“, sagte Kevin. Er nahm sein Messer, Vicy ihren Bogen und Alanis wollte bei den Kindern bleiben. Victoria und Kevin gingen weiter in den Wald hinein. „Bleib stehen!“, murmelte Victoria und spannte ihren Bogen. „Du stehst in meiner Schussbahn, geh beiseite!“, brummte sie. Kevin tat gehorsam einen Schritt auf die Seite. Vicy zielte, dann schoss der Pfeil davon. Ein prächtiger Hirsch sprang hoch und fiel getroffen auf den Boden. „Los, das reicht fürs Erste!“, meinte Vicy und lief dort hin, wo der Pfeil den Hirsch getroffen hatte. Sie packte ihn an den Hinterhufen und schleifte ihn hinter sich durchs Farnkraut. Kevin ging ihr hinterher. Plötzlich schlang sich etwas um seinen Fuß und riss ihn in die Höhe. Er war in eine Schlinge getreten. Victoria wandte sich ihm zu: „Wenn du sowieso nur rumhängst, kannst du mir auch helfen!“ Sie packte ihr Messer mit zwei Fingern an der Schneide, zielte, warf und traf das Seil. Kevin schlug auf dem Boden auf. „Das hättest du aber auch weniger schmerzhaft machen können!“, maulte er, während er sich den Kopf rieb. „Hilfst du mir jetzt oder nicht?“, überging Vicy seine Meckerei. Kevin packte die Vorderläufe und so zogen sie den Hirsch zu zweit Richtung Lager.
Im Lager begannen sie den Hirsch zu zerlegen. Sie versuchten, so viel wie möglich zu verwerten. Sie schabten das Fleisch vom Fell und sammelten in einer großen Schüssel. Vicy rieb anschließend das Fell mit Tierfett ein, damit es geschmeidig blieb und nicht verweste. Dann brieten sie das Fleisch über dem Feuer.
Kevin schlang seinen Streifen Fleisch gierig herunter, dann einen Zweiten und einen Dritten. Dann legte er sich hin. Alanis und Victoria redeten und kicherten noch lange Zeit. Aber Kevin
ließ sich nicht stören und schlief ein.


Achtzehntes Kapitel: Im Galopp durchs Leben

Er wurde von einem Geräusch geweckt.
Es war mitten in der Nacht und noch stockdunkel, so dass er kaum etwas sehen konnte. Als er gerade wieder am Einschlafen war, war da wieder dieses Geräusch.
Es war, als wenn jemand einen Knoten lösen würden. Kevin fuhr aus dem Halbschlaf. Die Pferde! Kevin wollte aufspringen. In dem Moment raste sein Pferd in Panik an ihm vorbei; Dort, wo gerade noch Kevins Kopf gewesen war, donnerten die Hufe auf den Boden. Kevin sprang auf die Beine. Ein weiteres Pferd schoss an ihm vorbei. Kevin bekam es am Seil zu Fassen, das noch um dessen Hals baumelte. „Bleib stehen!“, schrie Kevin, als er von der gewaltigen Kraft nach vorne gerissen wurde.
Er wurde über den steinigen Erdboden gezogen. „Stopp!!!“ Kevins Geschrei weckte die Anderen. „Kevin, lass los!“, rief ihm Victoria zu. Kevin ließ das Seil los. Er hatte eine Schürfwunde auf der Wange.
„Das heißt dann wohl, wir müssen zu Fuß weiter!“, sagte Alanis. „Wo kommst du her?“, wollte Kevin wissen. Er war sich sicher, dass sie die ganze Zeit nicht da gewesen war. Alanis sah ihn überrascht an. „Ich war die ganze Zeit da!“, sagte sie.
„Nein! Du bist weg gewesen!“, protestierte Kevin. „Das kommt vom Sturz! Du hast dir wahrscheinlich den Kopf gestoßen!“, meinte Alanis. Dann winkte sie Vicy und Kevin, damit sie ihr folgten.
„Ich habe eine Idee. Kevin und ich verwandeln uns in Pferde. Dann könnt ihr auf uns reiten!“ Bevor Kevin oder Victoria widersprechen konnten, hatte Alanis einen Zauber gemurmelt und Kevin und sich in Pferde verwandelt. Kevin warf unruhig mit dem Kopf. Wie ungewohnt das war! Er konnte sich nicht mehr mit den Händen kratzen, dafür konnte er die Fliegen mit seinem Schwanz verscheuchen. Er wieherte überrascht auf, als er den nächsten Vorteil eines Pferdes entdeckte: Er konnte jetzt beinahe dreihundertsechzig Grad um sich herum sehen!
Übermütig stampfte er mit den Hufen auf. Er konnte es gar nicht erwarten, erst einmal richtig loszustürmen. „Gut siehst du aus!“, schnaubte Alanis. Kevin sie sich genau an. Ihr Fell war schwarz, genauso ihre Mähne und der Schweif. Auf ihrer Stirn saß ein großer weißer Stern. „Du auch!“, wieherte Kevin zurück. Plötzlich packte jemand ohne Vorwarnung seine Mähne und schwang sich auf Kevins Rücken.
Panisch stieg er mit den Vorderbeinen in die Luft und galoppierte los. Seine Mähne flog und er war über seine eigene Kraft überrascht. Langsam genoss er das Gefühl, völlig frei über die grasbedeckte, mondscheinüberflutete Ebene zu fliegen. Er fiel in einen rhythmischen Galopp. Er sah zu Alanis, die mühelos neben ihm hergaloppierte. „He! Könnt ihr nicht mehr?! Los geht’s!“, rief Victoria von Kevins Rücken. „Kein Problem!“, wieherte Kevin zurück. Er senkte den Kopf leicht und rannte dann, so schnell er konnte. Seine Galoppsprünge wurden immer länger und schneller, das Gras flog unter seinen Hufen davon und seine Mähne wehte im Wind.
Eine Weile lang rannten sie so über die Ebene: Neben ihm Alanis, deren schwarzes Fell im Mondschein glitzerte, auf seinem Rücken Victoria, die sich weit nach vorne gelehnt hatte und ihm die Zügel freigegeben hatte, damit er seinen Kopf so weit runter nehmen konnte, wie er es brauchte um das Tempo zu halten. Alanis wurde langsamer und auch Kevin merkte, dass seine Kräfte nachließen. Ruckartig blieb er stehen, so dass Vicy fast über seinen Hals gepurzelt wäre. Kevin senkte den Kopf und zupfte ein paar Grashalme. Dann trank er aus dem kleinen Bach, der direkt neben ihnen verlief. Als er aufblickte und sein Spiegelbild sah, erschrak er fast: Aus dem Wasser blickte ihn ein wunderschöner, junger Hengst an. Die schwarze Mähne hing ihm ins Gesicht, das goldbraune Fell glänzte. Aber das war wirklich er. Er blähte die Nüstern: Sein Gegenüber im Wasser tat das Selbe. Vorsichtig stapfte er mit den Vorderhufen ins Wasser und sah zu, wie sich kleine Kreise im Wasser bildeten. Er steckte die Nase wieder ins Wasser und trank.
Belustigt sah er zu, wie Alanis erst die Nase rümpfte, dann aber auch gierig trank. Victoria war von Kevins Rücken gestiegen. Als Kevin seine Schnauze aus dem Wasser nahm und hineinpustete, sprang ihm plötzlich etwas entgegen. Kevin stieg und wirbelte mit den Hufen. Als er bemerkte, dass es nur ein Frosch war, kam er sich ganz schön doof vor. Um zu zeigen, dass er sich nicht nur erschrecken konnte, sondern auch jemand Anderen erschrecken konnte machte er einen Satz auf den Frosch zu, kam vor ihm mit schlitternden Hufen zu stehen und stieg wieder. Um das ganze noch etwas actionvoller zu machen, machte er auf seinen Hinterbeinen noch einen Satz nach vorne und als er mit seinen Beinen wieder aufkam machte er mit hocherhobenem Kopf ein paar Galoppsprünge und sprang über einen am Boden liegenden Baumstamm. Der Frosch ignorierte den jungen Hengst und hüpfte quakend an Kevin vorbei zurück in den kleinen Bach. Vicy lachte und Alanis schnaubte.
„He, ihr findet das hier ja wahrscheinlich ganz toll, aber wir müssen zu den Kindern zurück!“, erinnerte Victoria sie. Kevin bemerkte erst jetzt, dass die Sonne aufgegangen war. Victoria saß wieder auf und legte vorsichtig ihre Beine an Kevins Flanken. Kevin war darauf vorbereitet und sprang freudig los.
Am Lager angekommen erklärte Vicy den Kindern, dass Kevin und Alanis schnell weggemusst hätten, sie selbst aber zwei Pferde gefangen hatte und sie nun also ihre Reise fortsetzen könnten. „Die trägt aber ganz schön dick auf!“, gab Alanis Kevin zu verstehen.
Victoria stieg wieder auf Kevins Rücken.
„Auf die Pferde! Wir müssen weiter!“, befahl Victoria.


Es war Abend als sie ein Dorf erreichten. „Hier werden wir euch abgeben, okay? Wir müssen weiter“, sagte Vicy. Dann ließ sie Alanis und Kevin eine Zeit lang alleine. Als sie wiederkam, sagte sie: „Schaut mal, was ich habe!“ Dabei schwenkte sie ein Messer in dessen Griff etwas eingeritzt wurde. Der Drache mit Pferdebeinen. In dem Moment hatte Kevin das Gefühl geblendet zu werden. Er musste die Augen schließen. Als er die Augen öffnete, hatte sich alles verändert:
Ciara stand vor ihm, er saß auf dem Boden und suchte vergeblich seine Hufe, die ihn so weit getragen hatten, aber vor allem war am Fuße des Abhangs, auf dem sie plötzlich standen, ein großer Fels. „Das ist es!“, flüsterte Kevin ehrfurchtsvoll, „Das ist Ramors Geheimversteck!“


Neunzehntes Kapitel: Saira

Kevin wollte losstürmen, um Faleon zu befreien, aber Alanis hielt ihn zurück.
„Warte! Ramor ist stärker als du denkst! Wir sind jetzt alle müde. Lass uns bis Morgen warten!“ Alanis ließ keinen Widerspruch zu. Widerwillig gab Kevin nach.
Alanis machte Feuer, Vicy holte das Fleisch hervor, das sie noch vom Vortag hatten und Kevin langweilte sich. Er hatte mitbekommen, dass Ciara wieder Bauchweh zu haben schien. Außerdem war sie unruhig und still. Sie schien bedrückt und traurig. Kevin stand auf. Ciara war wieder aufgestanden, hatte sich zweimal um sich selbst gedreht und mit einem „Hummpf“ wieder niedergelassen. Vorsichtig legte er ihr die Hand auf den Flügel. „Ciara. Was ist?“, fragte er leise. Der Mond war aufgegangen. Ein kalter Wind wehte. Kevin bekam eine Gänsehaut. „Wollen wir einen kleinen Rundflug machen?“, fragte er vorsichtig. Ciara regte sich nicht. Sie hatte ihren Kopf auf die Vorderpfoten gelegt. „Ciara?“
Sie hob den Kopf und stand auf. „Worauf warten wir noch?“, fragte sie und sah ihn erwartungsvoll an. Kevin lächelte. Ciara senkte den Kopf. Kevin ergriff ihre Rückenzacken und rutschte auf ihren Rücken, denn Ciara war sehr gewachsen. Der Drache schlug mit den Flügeln und erhob sich in die Lüfte. „Ich hab dich lieb!“, sagte Kevin. „Ich dich auch.“ Dann umarmte Kevin Ciaras Hals und schlief ein.
In der Nacht wachte Kevin wieder auf. „Das ist jetzt mindestens die dritte Nacht, die ich nicht durchschlafe!“, dachte Kevin gestresst. Er gähnte. Er wollte sich gerade auf die andere Seite drehen und weiterschlafen, als er Ciaras Stimme hörte. „Kevin? Bist du wach?“ „Jetzt ja!“ „Komm her!“, bat Ciara. Kevin schlich zu seinem Drachen. Ein kleines, schwarzes Drachenbaby lag bei Ciara. Pegasus, der aus dem Nichts aufgetaucht war, begutachtete seine Schwester. Kevin schämte sich ein wenig, dass er nie an ihn gedacht hatte. „Aber“, dachte er, „Schließlich bin ich ja nicht sein Reiter!“
„Das ist Saira!“, sagte Ciara stolz. „Ist sie nicht wunderschön?“, fragte Ciara. „Dein Drache hat recht!“, sagte Alanis, die plötzlich hinter ihm stand. „Ja, sie ist... He, Moment! Wie kommt es, dass du sie verstehen kannst?“, wollte Kevin von ihr wissen. Alanis sah ihn erschrocken an. Ihre Augen verengten sich zu Schlitzen. Dann packte sie Kevin plötzlich am Arm und warf ihn zu Boden.


Zwanzigstes Kapitel: Der Verrat

Sie riss ihr Schwert vom Gürtel und drückte es ihm an die Brust. „Wenn du dich bewegst, steche ich zu!“, zischte sie. „Alanis, was machst du da?“, fragte Vicy. Aber auch sie fand sich kurz darauf auf dem Boden neben Kevin wieder. „He, bleib ruhig, Alanis!“, sagte Kevin, während er das Schwert auf die Seite schob. Aber Alanis drückte ihn wieder zurück. „Okay, okay!“, sagte Kevin schnell. „Hab schon verstanden.“ Ciara stand neben ihm und beobachtete die ganze Szene. „Ciara, warum machst du nichts?“, fragte Kevin sie verzweifelt. „Ich... kann nicht!“ „Aber...!“ Kevin sah sie ungläubig an. „Ciara! Das... Das glaub ich nicht! Nein! Nein, Ciara, bitte! Ich bitte dich!“ Kevin rannen die Tränen die Wangen herunter. Ciara senkte den Kopf. „Sie wird dir nicht helfen! Sie hat alles von Anfang an gewusst!“
Kevin sah verzweifelt von Ciara zu Alanis und wieder zurück. Er wusste nicht, von wem er enttäuschter war. „Ciara! Bitte! Sag mir, dass das nicht stimmt! Sag mir, dass sie gelogen hat! Bitte!“, flehte Kevin. Ciara hob den Kopf und blickte ihn traurig an. „Alanis! Ich dachte, wir wären Freunde!“ Kevins Trauer mischte sich mit Wut.
„Du hast hier keine Freunde! Alle, die Elfen, Sinder, Zwerge und Ramor, sie sind alle gegen dich!“ Alanis lachte. „A-Aber die Prophezeiung! Sie sagt doch...!“ „Prophezeiungen kann man fälschen!“, unterbrach die Elfe Kevin. Kevin konnte es nicht fassen. „Ihr habt mir Lügen erzählt, Prophezeiungen gefälscht und das alles nur, weil... Warum eigentlich?“ Kevin schrie und zitterte vor Angst und Wut. Seine Freunde, denen er vertraut hatte... Er konnte es immer noch nicht fassen. „Nur ein Menschenkind kann dem magischen Amulett seine wahre Kraft geben. Dein Vater war zu schwach. Da hatte Faleon die Idee...“ „Faleon auch?!“ Kevin war verzweifelt. Alanis lachte. „Du hast es, ohne es zu wissen, getan. Während du es bei dir getragen hast, hat es die Energie, die du normalerweise an dein Umfeld abgibst, gespeichert. Jetzt brauchen wir dich nicht mehr. Du wärst nur eine Gefahr für uns. Wir hätten dich schon früher getötet, aber Karean, dieser vermaledeite Zwerg, war der beste Freund deines Vaters. Er wollte keinen Verrat an dir und so auch an deinem Vater begehen. Karean wollte dafür sorgen, dass das Amulett dich nie erreicht. Also wollte er es zu deinem Vater schicken. Doch du hast es gefunden. Was für ein Schlag des Schicksals!“ Alanis lachte wieder. „Aber Alanis! Du kannst uns doch nicht einfach töten!“, rief Vicy verzweifelt. „Ich nicht. Das wird Ramor erledigen. Steht auf!“, befahl Alanis ihnen.
Plötzlich holte Ciara Luft und stieß eine gewaltige Stichflamme aus, die in kurzer Zeit die trockenen Sträucher in Brand setzte. Kevin wurde gepackt und auf die Füße gerissen. Alanis lachte grimmig und hob das Schwert, um ihn zu töten. Plötzlich war Ciara da. Sie holte mit der Pranke aus und traf Alanis ins Gesicht. Sie schrie überrascht auf und wich zurück. Der Rauch brannte Kevin im Gesicht, während Ciara mit den Flügen schlug um Alanis’ Schwert zu entkommen. Sie packte mit ihrer Vorderpranke Kevins T-Shirt und zog ihn hoch. Dann senkte sie den Kopf und hob Victoria vorsichtig mit den Zähnen fest. Dann flog sie davon.
Alanis sah von unten wütend zu ihnen hoch. Sie sah nicht mehr so aus, wie die Alanis, in die Kevin sich damals verliebt hatte. Diese Alanis, die jetzt zu ihm hochsah, hatte von der Stirn bis zur rechten Wange drei lange und blutige Schnitte von Ciaras Krallen, ihre Augen waren nicht mehr die grünen, lachenden Augen, von der Elfe, die Kevin bei den Zwergen kennen gelernt hatte, es waren kalte, graue und tote Augen, die hasserfüllt zu ihnen hinaufstarrten, wie die eines Dämonen. Die Flammen züngelten um Alanis herum, griffen nach ihren Kleidern und ihren Haaren. Aber Alanis schrie wütend und befreite sich mit einer Handbewegung und einem Zauber von ihnen.
Kevin ertappte sich dabei, dass er weinte.
Schnell wischte er sich die Tränen weg. Sein T-Shirt begann einzureißen. Kevin hielt sich an Ciaras Bein fest, Ciara gab sein Shirt frei. Die Sonne blendete ihn, als Kevin zu Victoria hochsah. Ciara holte mit ihrem Kopf aus und warf Victoria hoch in die Luft. Vicy landete sicher auf Ciaras Rücken. Dann warf Ciara Kevin mit ihrer Pfote, wie einen Ball, in die Luft. Kevin landete bei Victoria auf Ciaras Rücken, reagierte aber nicht so schnell, wie Vicy und rutschte von Ciaras Rücken. Er griff nach Vicys Hand und Victoria zog ihn hoch. Ciara beugte ihren langen Hals nach hinten und stupste Kevin sanft an. „Ich wollte dich nie verletzen!“, schwor Ciara Kevin. In dem Moment tauchte der kleine Pegasus auf. „Pegasus!“ Pegasus setzte sich auf den Rücken seiner Mutter und begann seine Flügel zu putzen. Plötzlich wurde Kevin blass. „Ciara! Dreh um! Schnell! Saira ist noch da unten!“, schrie er panisch.
„Nein, ist sie nicht!“ Vicys Stimme beruhigte Kevin ein wenig, er wusste nicht warum. „Hier ist sie!“ Vicy nahm den kleinen Drachen aus einem Tuch. „Sie ist so süß!“, quiekte sie, nachdem Saira ihr über das ganze Gesicht geschleckt hatte. Kevin und Ciara warfen sich viel sagende Blicke zu. „Jetzt, wo Faleon sie nicht trainieren kann, müssen wir das wohl übernehmen“, sagte Ciara und stupste Kevin liebevoll an. Kevin hielt sich an ihren Hörnern fest und Ciara zog ihn zu sich nach vorne. „Wohin fliegen wir eigentlich?“, fragte Kevin. „Weit, weit weg, wo Ramor uns nie findet!“
Nach einigen Stunden landete Ciara unter einigen Bäumen. „Ihr müsst ohne mich weiter.“ Ciara blinzelte traurig mit ihren bernsteinfarbenen Augen. „Aber...! Ciara!“ Kevin erstarrte. „Was denn?“, fragte Victoria. „Es tut mir leid. Während ich bei euch bin, werden sie euch finden.“ „Wirklich?“, fragte Kevin bestürzt. „Geht es nicht anders?“ „Halloho?“ Vicy wedelte mit ihren Händen. „Was hat sie gesagt?“ Vicy stellte sich demonstrativ vor Kevin. „Sie hat gesagt, dass uns Ramor finden wird, wenn sie bei uns bleibt.“ Victoria wurde blass. „Aber Ciara, du kannst uns doch nicht ohne Schutz zurücklassen?!“, rief sie entsetzt. „Es geht nicht anders!“ „Verstehe.“ Kevin sah sie traurig an. Ciara legte ihren Kopf auf Kevins Schulter. Kevin legte seine Arme um ihn. Wie lang würden sie sich nicht sehen? Monate? Jahre? Nie wieder? Bei diesem Gedanken kamen ihm die Tränen. Ciara zog vorsichtig ihren Kopf zurück. Kevin ließ sie los. „Alles Gute!“, wünschte Ciara. Dann wandte sie sich zu Victoria. „Pass gut auf Saira auf!“, bat Ciara und pustete ihr durch die großen Nüstern vorsichtig die Haarsträhnen aus dem Gesicht. „Sie sagt, du sollst auf Saira aufpassen“, übersetzte Kevin und wischte sich über die Augen, um die Tränen wegzuwischen.
Ciara schleckte Saira über die Schnauze und schlug dann vorsichtig mit den Flügeln, um nicht zu viel Staub aufzuwirbeln. Saira strampelte und kratzte. Victoria ließ sie erschrocken los. Saira rannte los und sprang in die Luft. Sie schnappte nach Ciaras Flügeln; Sie wollte mitkommen, wollte aber nicht weg von ihrer Reiterin: Vicy. Als Ciara nicht landete, stieß sie ein lang gezogenes, trauriges Maunzen aus.
Ihre schwarzen Augen füllten sich mit kleinen Drachentränen. Wieder rief sie nach ihrer Mutter. „Saira!“ Vicy nahm sie vorsichtig auf den Arm. Ciara war nur noch ein kleiner Punkt in der Ferne. Saira schrie immer noch wie am Spieß. Als Ciara in den Wolken verschwunden war, hörte sie urplötzlich auf und verkroch sie in Vicys Arm. Dort grummelte sie etwas. Dann hob sie den Kopf: Sie hatte einen Schmetterling erspäht. Glücklich sprang sie von Victorias Arm und hüpfte dem Schmetterling hinterher. „Jetzt scheint es ihr ja wieder gut zu gehen!“, hoffte Kevin. Nach einer langen Pause fragte Vicy ihn: „Ich bin jetzt ihre Reiterin, oder?“ „Ja, ich glaub schon.“ Kevin sah sie an. Bis jetzt war er immer der Drachenreiter gewesen. Phönix war ja selten dabei gewesen. „Phönix!“, rief er. Jetzt gab es auf Ramors Seite zwei Drachenreiter und viele Drachenbabys. Er war ein Drachenreiter und Victoria auch. Also waren auf beiden Seiten gleichviel Reiter. Allerdings hatte Ramor eine unglaublich große Armee. „Was ist mit Phönix?“, fragte Vicy ihn. „Wir dürfen nicht vergessen, dass Alanis jetzt auch ein Drachenreiter ist.“ Das Mädchen dachte lange nach. Dann sagte sie: „Nicht, wenn wir das verhindern können!“ Dann erzählte sie Kevin ihren Plan.


Einundzwanzigstes Kapitel: Es kann nur besser werden

Am nächsten Morgen weckte Victoria Kevin, noch bevor die Sonne aufgegangen war. „Also, was machen wir jetzt? Wir können nicht fliegen, wir können nicht reiten. Wir können nur rennen!“, meinte Victoria. Kevin erstarrte. „Weißt du eigentlich, wo wir sind?“, fragte er sie skeptisch. Victoria schüttelte den Kopf. „Eben! Das ist es ja gerade!“, brüllte er. Er war aufgesprungen und lief auf und ab. „Wir haben keine Ahnung, wo wir sind. Wir können nur hier warten, bis man uns findet, oder loslaufen und hoffen, das man uns NICHT findet!“ Vicy lachte ihn an. „Also, ich finde die zweite Variante besser!“ Sie packte ihn an der Hand und lief los. Sie hatten kein Feuer gemacht und hatten einfach auf dem Boden geschlafen, sie hatten keinerlei Proviant oder anderes Gepäck; Sie waren hilflos, Kevin hatte nur sein Schwert und das Messer, Victoria hatte nur ihren Bogen. Also mussten sie nichts mitnehmen und keine Spuren verwischen.
Es war eine seltsame Umgebung, durch die sie da rannten: Eine richtige Savanne. Das trockene Gras und die Dornen zerrissen ihnen die Hose und zerschnitten ihnen die Beine. Victoria schien das nichts auszumachen, jedenfalls rannte sie durchs Gras, dass ihre braunen langen Haare im Wind wehten. Die wenigen Bäume spendeten kaum Schatten. Es war sehr heiß und bald schwitzten sie Beide, aber sie rannten weiter, immer weiter, Hand in Hand. Und plötzlich wünschte Kevin sich, dass Victoria ihn nie wieder loslassen würde.


Sie waren den ganzen Tag gerannt und hatten nur ein paar Mal kurz angehalten, um zu trinken.
Das machte sich jetzt bemerkbar: Kevin konnte sich kaum noch auf den Beinen halten, seine Füße taten weh und er hatte Seitenstechen. Kevin lehnte sich erschöpft an einen Felsen. Der Felsen war von der Sonne, der er den ganzen Tag ausgesetzt war, ganz heiß. Auf einem Baum in der Nähe hatte ein Geierpärchen sein Nest gebaut und zwei Eier gelegt. „Pass mal auf!“ Vicy kletterte auf den Baum und stahl den Geiern ein Ei.
„Das war aber ganz schön gemein!“, meinte Kevin, als Victoria nach einer kleinen Machtprobe mit den Geiern, die sie gewonnen hatte, wieder auf dem Boden neben ihm saß. „Wir haben nur geteilt!“ Sie schlug das Ei auf dem Felsen auf. „Jetzt haben wir Spiegelei!“, lachte sie. Es bildete sich wirklich eine braune Kruste auf dem Ei und schmeckte gar nicht so schlecht. Aber die Kinder hatten auch nach dem Ei Hunger. „Ich geh jagen. Dann haben wir zu essen und vielleicht kann ich aus dem Fell eine Tasche machen“, schlug Vicy vor. „Gut.“
Victoria stand auf und nahm ihren Bogen. Kevin saß auf dem trockenen Boden und wartete. Er hatte sein Messer genommen und damit Zeichnungen in die Erde geritzt. Die Stunden vergingen und die Sonne tauchte die Savanne um Kevin herum in ein rot-goldenes Licht.
Plötzlich hörte er Vicy schreien. Er sprang auf. Vicy rannte auf ihn zu, den Bogen hatte sie in ihrer Hand, hinter ihr rannte eine Löwin her. „Lauf!!! LAUF!!!“, schrie Victoria. Kevin ließ sein Messer fallen und drehte sich um. Er kletterte so schnell er konnte den Felsen hoch. Das Schwert hinderte ihn nur und er schnallte es ab. Endlich war er oben angekommen. Er zog Vicy hoch. Auch sie hatte in der Eile ihren Bogen fallen lassen.
Der Felsen war nicht hoch, wenn Kevin seine Beine hängen ließ, würde die Löwin, die immer noch lauernd unten am Felsen hin und her lief, drankommen. „Kevin!“, Panisch griff Victoria nach seiner Hand. Die Löwin sprang an dem Felsen hoch, um an sie ranzukommen. Kevin und Vicy zuckten zusammen. „Was sollen wir bloß machen?!“, fragte Vicy ängstlich. Die Löwin hatte sich hingelegt und beobachtete sie aus den Augenwinkeln. „Gib mir deinen Gürtel!“, befahl Kevin. Victoria sah ihn verunsichert an. Dann schnallte sie ihren Gürtel ab. Kevin ließ das Gürtelende auf den Boden hängen und begann damit nach seinem Gürtel zu angeln, an dem sein Schwert hing. Schließlich verhakte sich die Schnalle von Vicys Gürtel in der von Kevins Gürtel. Die Löwin beobachtete das alles misstrauisch; Sie war aufgestanden. Vorsichtig zog Kevin den Gürtel zu sich. Das Schwert rutschte vom Gürtel und blieb am Fuße des Felsen liegen. Kevin gab Victoria ihren Gürtel zurück. „Ich hab’s versucht“, sagte er kleinlaut. Vor Wut packte Kevin einen Stein und warf ihn nach der Raubkatze. Der Stein traf die Löwin am Kopf. Erschrocken wich sie zurück. Victoria und Kevin sahen sich an.
„Das ist es!“, rief Victoria glücklich. Sie nahm einen weiteren Stein und warf ihn. Er traf das Tier an der Pfote. Schon kam der nächste Stein geflogen. Er landete im Sand. Der Staub wirbelte auf. Fauchend schlug die Löwin nach dem Staub.
Als der nächste Stein sie wieder am Kopf traf, floh sie. Kevin rutschte vom Felsen. Plötzlich stutzte er. „Sag mal, wo sind Saira und Pegasus?“, wandte er sich an Vicy. In dem Moment erinnerte er sich. Saira und Pegasus waren kurz nach Victoria weggeflogen. „Wir sollten hier warten, damit sie uns wieder finden!“, meinte Vicy.
Sie sammelten trockenes Gras und Holz. Dann machten sie ein kleines Feuer.
„Was sollen wir denn Essen?“, fragte Kevin. „Keine Ahnung!“ Vicy sah sich um. Hier gab es keine essbaren Pflanzen, nicht einmal ein paar Beeren. In dem Moment landeten Saira und Pegasus neben dem Feuer. In der untergehenden Sonne glitzerten ihre Schuppen besonders schön. Sie schienen satt und voll gefressen. Kevin wusste auch sofort, warum. Saira legte ein großes Stück Fleisch vor ihrer Reiterin ab.
An ein wenig Fell, das noch an dem Fleisch hing, konnte Kevin erkennen, dass es Gnu war. „Danke, Saira.“ Vicy streichelte Saira dankbar über den Kopf. Es war nicht viel Fleisch, aber es schmeckte gut. Kevin wollte sich gerade schlafen legen, als Vicy ihn hochzog. „Du willst doch nicht etwa schlafen?“, fragte sie empört. „Jetzt geht’s weiter!“ Sie trat das Feuer aus und nahm Saira unter den Arm. Pegasus flatterte neben ihnen her. Saira strampelte und Vicy setzte sie auf den Boden. Saira breitete die Flügel aus und flog ihrem Bruder nach. Obwohl Saira jünger war als Pegasus, war sie jetzt schon um einiges größer. Vicy packte Kevin wieder an der Hand und zog ihn hinter sich her.


„Wir dachten schon, wir würden gar nichts mehr von dir hören!“ Ramor sah Faleon fest in die Augen. „Ich bin gekommen, so schnell ich konnte.“ Das lockige, schwarze Haar hing Faleon in die Stirn, während er vor Ramor kniete. „Steh auf!“, befahl Ramor. Faleon erhob sich und schritt die schwarzen, niedrigen Stufen auf Ramors Thron zu. „Nun, ich sehe, du bist gewachsen“, stellte Ramor fest. Faleon lächelte kalt. Er wusste was jetzt kommen würde. Darauf hatte er die ganze Zeit gewartet. Er lächelte wieder, seine grauen Augen blickten zu Ramor. Faleon hatte seinen Mut jetzt lange genug unter Beweis gestellt. Er hatte dafür gesorgt, dass Kevin lange genug überlebte, um das Amulett aufzuladen, aber nicht zu stark wurde, jetzt kam seine wahre Aufgabe. Ramor hatte nun das Amulett, doch Kevin war geflohen. Er war eine Gefahr für sie.
Ramor stand auf und legte Faleon die Hand auf die Schulter. „Hiermit gebe ich dir, Faleon, folgenden Auftrag: Finde den Amulettträger und töte ihn!“


Kevin saß neben Vicy. Den halben Tag waren sie durch die Savanne gelaufen. Am Mittag hatte Vicy gemeint, sie würden in die falsche Richtung laufen, weil sie in der Ferne den Fluss Maokoh gesehen hatten. Also hatten sie sich in die entgegen gesetzte Richtung gewand. Kevin hatte sich oft umgesehen. Weit weg hatte er gemeinte, den großen Felsen sehen zu können. „Lass uns zum Felsen zurück gehen und dort unser Lager wieder aufschlagen!“, schlug er deshalb vor. Vicy hatte dagegen nichts einzuwenden und so kam es, dass sie nun hier saßen. Das Feuer prasselte; Vicy hatte es gerade erst entfacht. Plötzlich glaubte Kevin etwas gehört zu haben. „Was war das?“ Kevin lauschte und auch Saira hob unruhig ihren Kopf von der Pfote und schnupperte. Vicy griff zu ihrem Bogen. „Steck den Bogen weg, mit dem Ding hast du keine Chance gegen mich!“, sagte Alanis, die sich hinter dem Felsen versteckt hatte. In ihren langen Haaren klebte noch immer Blut, ihre Augen funkelten böse. „Alanis?“, rief Kevin überrascht. Erst da merkte Kevin, dass die Elfe nicht allein war. Kevin stockte der Atem. „Faleon?!“
Faleon stand neben Alanis. Seine dunklen Augen ließen Kevin erstarren. Das Lachen in Faleons Augen war verschwunden. Was Kevin darin sah, war Hass.
Faleon lachte. „Na? Überrascht?“ Vicy, die hinter ihm saß und sich bis jetzt nicht gerührt hatte sprang nur auf und schoss einen Pfeil ab. Doch Faleon lenkt ihn mit einer Handbewegung wie ein kleines Stöckchen auf die Seite. „Deine Pfeile können uns nichts anhaben, meine kleine Freundin!“, spottete Alanis. „ICH BIN NICHT DEINE FREUNDIN!!!“, brüllte Vicy so aufgebracht, wie Kevin sie noch nie erlebt hatte. „Ach ja? Was bist du denn dann?“, fragte Alanis lachend. Vicy senkte den Blick. Sie wusste genau worauf Alanis hinauswollte. „Ah, du hast es ihm also nicht gesagt!“, lächelte Faleon. „Kluges Mädchen! Warum sollte er dann auch noch etwas mit dir zu tun haben wollen? Warum sollte er dir dann noch vertrauen?“ Kevin sah Vicy auffordernd an. „Was meint er?“, fragte er. „Na los, sag’s ihm! Oder sollen wir’s ihm sagen?“, stichelte Alanis. Entsetzt schüttelte Vicy den Kopf.
„Es... Ich... Ich wollte es dir nicht früher sagen, weil... weil...“, stammelte Vicy. „Spuck’s aus!“ Kevin verdrehte genervt die Augen „Nach allem, was jetzt passiert ist, kann mich gar nichts mehr schocken!“, versicherte Kevin „Na ja... Ich...Ich bin ein Halbelf.“ Kevin riss erstaunt den Mund auf. „Ich habe die Eigenschaften eines Elfen und das Aussehen eines Menschen!“, erklärte Victoria weiter. Man sah Alanis an, dass sie die Geduld verlor. „Also... Meine Mutter ist ein Mensch und mein Vater, Dreon, ist ein...“ „Dreon ist dein Vater?“, rief Kevin überrascht aus. „Ja!“, keifte Alanis, der das alles viel zu lange dauerte. „Und ich bin ihre Halbschwester!


Zweiundzwanzigstes Kapitel: Die Falle

Mit gezücktem Schwert rannte Alanis auf Kevin und Vicy zu, gefolgt von Faleon. Kevin duckte sich, um Faleons Schwert zu entgehen. Alanis hatte sich auf Vicy gestürzt. Kevin stolperte ein paar Schritte zurück. Bevor er sein Schwert herausreißen konnte schlug Faleon wieder zu. Kevin warf sich auf den Boden. Er lag auf dem Bauch und nachdem Kevin sich auf den Rücken gedreht hatte, merkte er, dass Faleon sein Schwert mit der Schneide an Kevins Hals gelegt hatte. Kevin wollte sein Messer packen, doch er lag darauf. Es gab kein Entrinnen. Doch plötzlich wurde sein Angreifer von hinten gepackt und Kevin sprang auf die Füße. Vicy hatte Faleon den Arm auf den Rücken gedreht und zurückgerissen. Das Knacken, das nun ertönte, als Faleons Handgelenk brach und Faleons Schrei ließen Kevin das Blut in den Adern gefrieren. „Weg hier!“, schrie Vicy. Doch Alanis vertrat ihnen den Fluchtweg. „Wohin des Weges? Wir sind doch noch gar nicht fertig hier!“, sagte sie hämisch grinsend und ließ das Schwert auf Kevin herabsausen. Im letzten Moment riss Vicy ihn weg. Alanis warf ihr Schwert weg und schrie: „Periculamus!“ Ein roter Blitz zuckte an Kevin vorbei und fuhr in den Boden. Dort bildete sich ein klaffender Riss. Kevin rannte los. Er rannte, ohne zu wissen, wohin. Er wusste nur, dass Alanis ihm folgte und er hörte Vicy hinter sich laufen. Er hatte ein wahnsinniges Tempo drauf. Seine Angst trieb ihn immer weiter voran und ließ ihn immer schneller werden. Plötzlich merkte er, dass Vicy weg war. Als er sich nach ihr umsah verlor er plötzlich den Boden unter den Füßen. Er strampelte mit Armen und Beinen. Dann klatschte er ins Wasser.

Es versetzte ihm erst einmal einen Schock, denn – obwohl es Sommer war, – das Wasser war eiskalt. Dann schoss ihm ein Gedanke durch den Kopf: Es gab hier nirgends einen Fluss. Der Maokoh war fast eine Tagesreise entfernt. Dennoch wusste Kevin, dass es der Fluss war. Sicher hatte Alanis Magie eingesetzt. Als nächstes viel ihm auf, dass seine Lunge zu platzen schien. Er strampelte wild mit den Armen und kämpfte sich an die Wasseroberfläche. Er atmete tief ein. Aber wenn Alanis dachte, er würde ertrinken, hatte sie sich geirrt. Kevin war ein guter Schwimmer und hatte keine Angst, zu ertrinken. Dennoch machte ihm die Strömen zu schaffen. Wieder wurde er nach unten gezogen. Er schwamm mit Armen und Beinen schlagen an die Luft. Seine braunen Haare hingen ihm in die Stirn und das Dreckwasser tropfte ihm in die Augen. Kevin wurde von der Strömung hin und her geworfen, sodass er keine Zeit hatte, nach Vicy Ausschau zu halten. Mit einem Ruck schleuderte der Fluss ihn gegen einen tief hängenden Ast. Kevin versuchte sich daran festzuhalten, rutschte aber mit seinen nassen und vor Kälte steif gefrorenen Händen ab. Von der Schläfe lief ihm Blut in die Augen und ließ ihn dadurch noch schlechter sehen. Kevin wurde wieder unter Wasser gerissen. Als er wieder auftauchte, sah er Vicy neben dem Fluss her rennen. „Vicy! Hilf mir!“ Bevor Vicy antworten konnte, wurde Kevin von der Strömung wieder nach unten gezogen.

Vicy rannte. Sie musste Kevin unbedingt helfen. Sie band das Seil, das sie immer bei sich trug, von ihrem Gürtel los. Sie hatte schon viele Tiere mit dem Lasso gefangen, wenn ihr die Pfeile einmal ausgegangen waren und sie nicht dazu gekommen war, neue zu machen, aber das andere Ufer war weiter weg, wie die Tiere, die sie gefangen hatte.
Vicy konnte auf der anderen Seite einen Stein sehen, der so groß war wie ihr Kopf. Sie blieb stehen und begann das Lasso zu schwingen. Der erste Wurf ging daneben, ebenso der Zweite und Dritte.
Beim vierten Wurf verfing sich das Lasso auf der anderen Seite. Sie zog daran und holte es zurück. Erst beim fünften Wurf traf sie den Stein und zog das Seil fest. Von der Strömung wurde Kevin genau darauf zu getrieben. „Halt dich fest!!!“, schrie Vicy ihm über das tosen des Flusses zu.
Sie sah, wie Kevin wieder unter Wasser gezogen wurde.

Kevin strampelte mit den Beinen um nach oben zu gelangen. Er musste das Seil zu fassen bekommen. Kevin streckte den Kopf aus dem Wasser. Da war das Seil. Er streckte seine Hand danach aus. Das Seil war dünn und schnitt ihm in die Haut, als er es packte.
Er zog sich halb aus dem Wasser. Doch da sah er etwas, was ihm einen gewaltigen Schrecken einjagte. Das Seil begann zu reißen.

Auch Vicy hatte es begriffen: Das Seil war alt und würde Kevin nicht mehr lange aushalten. Sie musste etwas unternehmen. Aber was?

Kevin zog sich am Seil nach vorne, vorsichtig, immer in Richtung Ufer. Da war es aber auch schon geschehen: Das Seil riss in der Mitte durch, Kevin fiel ins Wasser zurück.

Vicy ließ das Seil los und rannte so schnell sie konnte Kevin hinterher. Vielleicht würde ja ein Baum kommen, an dem Kevin sich festhalten konnte.
Doch es kam kein Baum.
Etwas Anderes zog Vicys Aufmerksamkeit auf sich: Dort hinten begann das Wasser zu schäumen. Vicy wusste, was das hieß: Dort, wo der Narakon in den Maokoh mündete, gab es einen Wasserfall.
Aber konnten sie wirklich so weit gekommen sein? Allerdings war hier Magie im Spiel gewesen. Alanis hatte sie genau auf den Fluss zugehetzt, um sie ertrinken zu lassen. Könnte es da nicht leicht sein, dass sie genau an diese Stelle gejagt hatte? Vicy verscheuchte den Gedanken. Jetzt musste sie Kevin helfen.


Dreiundzwanzigstes Kapitel: Der Wasserfall

Kevin versuchte weiterhin, sich über Wasser zu halten. Allerdings spürte er, dass seine Kraft nachließ. Und was schäumte dahinten so? Kevin wusste es sofort: Ein Wasserfall. Da sah er, dass Vicy ihm seine Hand entgegen streckte. Er schwamm mit der letzten Kraft, die er noch hatte, zu ihr und packte Victorias Hand.

Vicy stemmte sich gegen eine Wurzel. Sie musste Kevin da rausziehen. Der Boden war rutschig. Plötzlich verlor sie den Halt und stürzte Kopfüber zu Kevin in das eiskalte Wasser.

„Und was machen wir jetzt?“, fragte Kevin. „Ich weiß nicht!“ Kevin schwappte das Wasser in den Mund. „Wenn jetzt doch nur Ciara da wäre!“

Vicy ging unter.

Kevin zog sie hoch. Plötzlich war das Wasser einfach weg. „Der Wasserfall!“, schoss es Kevin durch den Kopf. Kevin und Vicy fielen. Plötzlich fielen sie auf etwas Hartes, Schuppiges. „Ciara?“ Kevin hielt sich an den Schuppen fest. Erst jetzt bemerkte er, dass der Drache kleiner war wie Ciara und schwarze Schuppen hatte. Saira! Victoria hatte sich bereits auf den Rücken des jungen Drachen geschwungen, der nun die Größe eines Ponys erreicht hatte. „Wo kommst du denn her?“, fragte Vicy zärtlich und kraulte sie zwischen den Flügeln.
Eine Weile war es still. „Echt?“, fragte Vicy erstaunt. Kevin fühlte sich plötzlich sehr einsam. Sonst war immer Vicy diejenige gewesen, die nichts verstanden hatte, nun war es anders rum. Kevin bemerkte das pochen in seinem Kopf erst wieder, als das Blut auf Sairas Schuppen tropfte.
„Saira, wir müssen zu den Sindern!“, sagte Vicy. „Nein!“, widersprach Kevin. „Wir brauchen das Amulett! Die Sinder sind zu stark!“ Vicy gab den befehl an Saira weiter. „Aber“, gab Vicy zu bedenken, „wäre es nicht besser, wenn wir erst einmal nichts mehr machen? Tot stellen, meine ich. Wir sind sicherer, wenn Ramor denkt, wir wären tot!“ Kevin überlegte.
Ramor war hinter dem Amulett her. Das hatte er jetzt. Nun wollte er noch ihn töten, um sich die Herrschaft zu sichern. Es würde nichts ändern, wenn sie sich jetzt ein Jahr, oder auch zwei versteckt hielten. Also nickte Kevin. „Okay, aber dann starten wir einen Überraschungsangriff und holen uns das Amulett zurück!“ Auch Vicy nickte. Dann ließ sie Saira lande. „Wir sind zu nah am Elfenwald!“, protestierte Kevin. Vicy sah ihn an, als spräche sie mit einem Kleinkind. „Kevin, sieh dich mal an!“ Kevin sah an sich herunter. Sein T-Shirt war mit Blutflecken übersät, seine Jeans hing in fetzen an ihm herunter. Dann sah er Vicy an: Ihre Beinkleider waren zerrissen, ihr Hemd war verfleckt und vor allem waren sie Beide klitschnass. „Und was willst du machen?“, fragte Kevin. Vicy packte sein Kinn und drehte es nach Osten. „Siehst du die Stadt? Das ist Denam! Dort kaufen wir uns neue Kleider!“ Dann schob sie ihn in die Richtung. Es dauerte nicht lang, dann hatten sie die Stadt erreicht. In das erstbeste Kleidergeschäft gingen sie rein. Kevin blieb am Eingang stehen. Er sah zu, wie Vicy sich mit einem Verkäufer unterhielt. Dann kam der Verkäufer auf ihn zu. „Wenn Ihr mir bitte folgen würdet, Sir.“ Dann führte er Kevin in einen umkleidekabineähnlichen Raum. Dort gab er ihm ein Handtuch, Beinkleider aus festem Hirschleder, ein Wams aus Biberfell und ein dünnes Hemd aus blauer Seide. Dann verließ der Verkäufer kurz den Raum, nur um mit einem Umhang aus Fuchsfell und dicken Stiefeln aus Walhaut zurückzukommen. Dann half er Kevin beim Ankleiden. Als Kevin die Kabine verließ wartete Vicy schon draußen. Auch sie hatte Beinkleidung aus Hirschfell, ihr Hemd war aus dichter, roter Seide, die Schuhe aus Fuchsfell, ihr Umhang aus Rentierhaut. „Na, gefällt’s dir?“, fragte sie. Kevin nickte. Dann starrte Kevin sie kurz an. „Was ist?“, fragte Vicy, die dem Verkäufer gerade ein Geldstück in die Hand drückte. „Ich bin ein Mensch. Aus dem Norden. Dort ziehen wir uns anders an. Eigentlich sollte ich in Jeans und Sweatshirt rumlaufen, und in Turnschuhen und nicht in… Was ist das eigentlich?!“, wollte Kevin wissen und zeigte auf seine Schuhe. „Walhaut“, antwortete Vicy. „Ja, genau, und nicht in Schuhen aus… Waaas?!“ Kevin schrie angeekelt auf. „Das ist Walhaut!“, sagte Vicy noch einmal und zog ihn aus dem Laden. Sie hätte nie gedacht, dass sich die Menschen im Norden so sehr von den Elfen, Sindern und Menschen aus den Südstädten unterschieden.
„Also, komm. Übrigens, ab jetzt gehen wir zu Fuß weiter! Eine Tagesreise von hier ist ein großer Wald, dort werden wir bleiben“, erklärte Victoria Kevin. Dann liefen sie los. Saira und Pegasus flogen über ihnen in den Wolken. „Warum fliegen wir nicht?“, fragte Kevin verwirrt. „Weil es komisch wäre, wenn zuerst zwei Kinder auftauchen, für viel Geld Kleider kaufen und danach spurlos verschwunden sind!“ Bei den Wörtern „spurlos verschwunden“ fiel Kevin ein, dass er kein einziges Mal an seine Familie gedacht hatte.
Er vermisste sie. Er vermisste seinen Vater, seine Mutter und seine Geschwister Leila, Lily und Elijah. Wie sollte er jemals wieder zurückkommen? Was würden sie denken? Er wurde abrupt aus seinen Gedanken gerissen, als er über eine Wurzel stolperte. „Du solltest aufpassen wo du hinläufst“, sagte Vicy ausdruckslos, während sie ihm aufhalf. Sie wusste genau, woran Kevin gedacht hatte. Sie dachte oft genug an ihre eigene Familie.


Am Abend hatten sie den Wald erreicht. Es begann zu regnen und sie hatten noch keine Höhle gefunden. Aber sie fanden einen kleinen Graben, der ungefähr einen Meter breit war. Also sammelten sie große Äste und legten sie über den Graben, dann legten sie leichtere Äste auf die großen, so dass ein Netz entstand. Die Löcher füllten sie mit Tannenzweigen und Laub. Bis sie das alles so vergrößert hatten, dass sie zu zweit darunter liegen konnte, waren sie vollkommen nass.
Kevin ärgerte sich. „Gerade bin ich aus den nassen Klamotten raus gekommen und bin trocken, da bin ich schon wieder nass!“ Dann legten sie sich auf das nasse Laub, das sie unter ihrer Höhle zusammengescharrt hatten und schliefen ein.


Am nächsten Morgen hatte der Regen aufgehört. Es tropfte nur noch von den Ästen. Kevin steckte sich. Victoria war schon wach. Sie hielt ihm ein Stück Rinde unter die Nase, auf der ein hellgelber Klecks war, der aussah wie Farbe. „Hier! Reib dir damit die Haare ein! Ich hoffe du magst blond!“, sagte sie. Dann nahm sie von einem anderen Rindenstück ein bisschen Farbe und fing an, es gleichmäßig in ihre Haare einzureiben. Kevin stellte sich ziemlich ungeschickt an.
Victoria lachte. „Lass mich das machen!“ Dann rieb sie Kevin die Farbe in die Haare. Als sie fertig war, sah sie Kevin von allen Seiten an. „Gut! Das sieht echt aus!“, stellte sie stolz fest. Dann rieb sie das Zeug auch in ihre Haare. Es dauerte länger, denn Victoria hatte längere Haare. Aber mit der Zeit nahmen dunkelblonden ihre Haare einen rotblonden Farbton an. Vicy betrachtete ihre Haare im Wasser. „Eigentlich hatte ich es mir anders vorgestellt, aber egal.“ Auch Kevin sah sein Spiegelbild an. Seine braunen Haare waren dunkelblond geworden. „Gar nicht übel!“, meinte er Schulter zuckend. „Etwas fehlt aber noch!“, rief Vicy. Dann nahm sie ein Tuch und verband Kevin die Augen. Er setzte sich auf einen Baumstumpf. Kevin hatte keinen blassen Schimmer, was Victoria vorhatte. Die Zeit verging langsam. Endlich sagte Vicy: „Fertig!“ Sie nahm Kevin das Tuch von den Augen. Wieder sah Kevin ins Wasser. Zuerst erkannte er den Jungen kaum, der ihn da ansah. Bis jetzt hingen Kevin die Haare immer in die Stirn und waren ungleich lang gewesen. Nun hatte Kevin einen kurzen Pony, die blonden Haare waren kürzer und waren stärker gelockt.
Dann versuchte Vicy aus Gräsern ein Band zu flechten, das sie sich um den Kopf binden konnte. Immer wieder riss es, bis sich schließlich aufgab und ihre Haare in ihr Gesicht fallen ließ. „Vielleicht sollte ich mir auch so eine Frisur zulegen!“, meinte sie etwas neidisch, als Kevin sich die kurzen Haare hinter die Ohren strich. Die Kinder waren nun kaum wieder zu erkennen.
Vicy ging jagen und Kevin legte sich noch einmal hin. Er hatte lange nicht mehr gut geschlafen.


Er wachte erst wieder auf, als Vicy von der Jagd zurückkam. Sie entfachte ein Feuer und zerlegte einen Hasen, den sie dann auf dem Feuer briet.
Kevin nagte das Fleisch von den Knochen und aß auch viel vom Speck des Hasen, der ihm am Besten schmeckte. Danach gingen sie die Umgebung erforschen. Sie sprangen über Äste und stolperten plötzlich über eine Wurzel, kullerten einen Hang hinunter, landeten im Laub und lachten.
In dem Moment landete Saira neben ihnen, gefolgt von Pegasus und – was Kevins Herz höher schlagen ließ – von Ciara. „Ciara!“ Kevin stand auf und umarmte den langen Hals des Drachen. „Hallo, Kleiner!” „Ich dachte schon, ich sehe dich nie wieder!“, flüsterte Kevin. Kevin ließ sie los und trat einen Schritt zurück. Ciara beugte den Hals herunter. „Sieh mal, was ich für dich habe!“, sagte sie und öffnete das große Maul. Kevin klappte vor Staunen den Mund auf. Ciara spuckte das Amulett aus. Kevin hob es auf und legte es sich um. „Wie hast du das nur geschafft?“, wollte Kevin wissen. „Das ist eine lange Geschichte. Oder besser gesagt, eine lange Lüge. Ich muss wieder gehen. Sonst finden sie euch.“ Damit schwang sie sich in die Luft und war bald nicht mehr zu sehen. Vicy hatte die ganze Zeit daneben gestanden und Saira gestreichelt. Kevin drehte sich zu ihr. „Lass uns zurückgehen!“, schlug er vor. Vicy nickt.


Vierundzwanzigstes Kapitel: Ramor

Kevin rannte durch den Wald. Heute war der Tag!
Drei Jahre waren vergangen, so lange hatten sie sich versteckt. Das Amulett baumelte um seinen Hals. Drei Jahre hatte er auf diesen Tag gewartet. Hinter ihm rannte Vicy. Kevin und Vicy kannten sich jetzt hier aus. Sie hatten keine Probleme, den Weg zu finden, obwohl es noch stockdunkel war. An dem verabredeten Platz warteten Saira und Ciara. Saira und Ciara waren nun gleich groß. „Seid ihr bereit?“, fragte Ciara. „Und ob wir das sind!“, rief Kevin. Seine Haare hatten den blonden Farbton verloren und auch Victorias Haare hatten wieder denselben hellbraunen Farbton angenommen. Kevin schwang sich auf Ciaras Rücken. Heute war der Tag! Heute war der Tag der Tage! Heute würden sie Ramor finden und töten. Kevin schielte zu Victoria, die lächelte zurück. „Los geht’s!“ Ciara hob ab und Saira folgte ihr.
Drei Jahre waren vergangen. Sie waren stärker, schneller, älter, größer und mächtiger geworden. Nun war es an der Zeit, Ramor zu töten, damit sie endlich nicht mehr fliehen mussten, damit dies endlich ein freies Land war und die Einwohner den König bekamen, den sie verdienten.
Lange hatten Vicy und Kevin überlegt, einfach das Land zu verlassen, aber Ramor wäre ihnen sicher gefolgt. Dann hatten sie beschlossen, dass Kevin, der Amulettträger, der König seien sollte. Die Zwerge, Sinder und die Elfen waren dem König zur Treue verpflichtet. Kevin erhoffte sich so endlich Frieden in dem Land. Und vielleicht könnte er seine Familie besuchen. Aber zuerst mussten sie Ramor töten. Das war ihre Aufgabe.


Kevin war auf Ciaras Rücken eingeschlafen.

Kevin läuft durch einen dunklen Wald. Auf einer Lichtung sieht er eine schwarz gekleidete Person. „Ramor!“ Die Person dreht sich zu ihm um. Mit erhobenem Schwert springt Kevin auf Ramor zu und sticht das Schwert in Ramors Leib. Doch dieser lacht nur. „Du hast keine Chance! Ich bin nicht durch Schwertklingen besiegbar!“ Kevin wirft das Schwert weg. „Periculamus!“ Mit einer lässigen Handbewegung wehrt Ramor den Zauber ab. „Gib auf! Du kannst mich nicht besiegen!“ Ramor lacht und ergreift sein Schwert. Kevin will sich umdrehen, doch da steht Faleon. Kevin ist umzingelt. Plötzlich steht Vicy neben ihm. Sie ist mit ihm gefangen. Kevin packt sein Schwert und geht auf Faleon los. Doch Faleon wehrt alle Hiebe ab. „Gib auf!“, zischt er. „Gib auf!“ Gib auf! Gib auf! GIB AUF!

Kevin wachte mit einem Schrei auf.
„Was ist, Kleiner?“, fragte Ciara besorgt. Kevin erzählte ihnen von dem Traum. Keiner wusste einen Rat. „Ich bin mir sicher, Ramor weiß, dass wir auf dem Weg sind!“, befürchtete Victoria.
Da sahen sie auch schon den großen Felsen.
„Da ist das Versteck.“ Kevin überlegte. Sie konnten ja nicht hingehen und sagen: „Hallo, ich bin Kevin, der Amulettträger, ich bin gekommen um Ramor zu töten!“ Schließlich war in dem Rätsel von drei Wächtern die Rede. Als er den Anderen seine Bedenken schilderte, meinte Vicy: „Abwarten! Erst mal landen wir. Dann können wir immer noch nachdenken!“ Sie landeten und Kevin rutschte von Ciaras Rücken, Vicy kletterte von Sairas Rücken. Sie umrundeten den Felsen. Keine Wächter weit und breit. „Na toll! Wie soll man denen denn die Sachen geben, wenn die gerade Mittagspause machen?“, fragte Vicy genervt. „Ich glaube nicht, dass die Mittagspause machen!“, meinte Kevin.
Er ging an eine Stelle, an der der Drache mit Pferdebeinen eingeritzt war. Plötzlich hatte er keine Kontrolle mehr über sich. Er legte die Hand auf den Drachen und sagte: „Renir!“ Die Wand glitt auf die Seite. Kevin zog überrascht seine Hand weg.
„Wie hast du das denn gemacht?“, fragte Ciara. „Ich war das nicht! Ich meine, das war irgendwie nicht wirklich ich!“ „Los, rein jetzt!“, drängte Vicy.
Das Geheimversteck war aus schwarzem Marmor. Kevin hatte eigentlich gehofft, in etwas wie einen Vorraum zu treten. Aber die Höhle bestand aus nur einem Raum. In einigen Metern Entfernung stand der schwarze Thron, auf ihm saß Ramor. „Ihr habt euch aber Zeit gelassen!“ Krachend verschloss sich die Felswand von alleine.
Kevin und Victoria fuhren herum. Die Augen der beiden Drachen funkelten. Kevin drehte sich zu Ramor. Ramor war aufgestanden und schritt nun langsam und bedrohlich auf Kevin zu.
Aus dem Schatten lösten sich weitere Gestalten: Kobolde und Gnome versperrten ihnen den Rückweg. Neben Ramor lösten sich plötzlich zwei weitere Gestalten: Alanis rechts von Ramor, Faleon links von ihm. Faleon trug eine schwarze Krone aus Stein. Es war deutlich zu erkennen, dass er in der Rangliste vor Alanis kam und dass Ramor ihn bevorzugte.
Ramor war nur noch wenige Schritte von ihnen entfernt. Kevin und Victoria rührten sich nicht. Dann nahm Kevin sein Schwert und machte einen Schritt auf Ramor zu, dann noch einen Schritt. Vor Ramor blieb er stehen. „Hiermit vordere ich dich zum Duell!“, erklärte er.


Fünfundzwanzigstes Kapitel: Das Duell

Faleon und Alanis brachen in schallendes Gelächter aus, das von den kahlen Wänden zurückgeworfen wurde. Ramor winke mit der Hand.
Die beiden verstummten. „Wie du willst.“ Mehr nicht? Kein verhöhnen oder verlachen? Kevin verbarg sein Staunen Ramor nahm sein Schwert. Ciara und Saira wechselten besorgte Blicke. Kevin aber hatte keine Angst.
Ramor hatte ihm mit dem Traum einen wertvollen Tipp gegeben. Faleon trat vor. „Auf mein Zeichen geht es los!“, sagte er. Ramor und Kevin standen sich gegenüber.
„Los!“ Ramor sprang auf Kevin zu und die Schläge hagelten nur so auf ihn hernieder, er parierte sie jedoch alle. Das Training mit Vicy hatte gewirkt. Er war stärker, schneller als je zuvor. Dann setzte er zum Gegenangriff an.
Er nahm sein Schwert in die linke Hand und rief: „Deljetk!“ Ein Stein erhob sich. „Reledjek!“ Der Stein flog auf Ramor zu, doch dieser wehrte ihn ab. „Periculamus!“
Auch diesen Zauber wehrte Ramor ab. Nun war Ramor wieder am Zug. Auch er setzte Magie ein.
„Serimnam feristalic!“ Kevin hatte noch einen Abwehrzauber gelernt. „Deret!“ Der Zauber von Ramor prallte ab. Kevin musste lachen. Das Amulett gab ihm die Fähigkeit, neue Zauber zu lernen, die er noch nicht kannte. „Ferlem!“ Ramor schob den Zauber wie eine lästige Fliege zu Seite. „Du kannst mich mit Magie nicht besiegen!“ „Ich weiß!“, rief Kevin.
Ramor packte sein Schwert mit beiden Händen und stürmte auf den dreizehnjährigen Jungen zu. Kevin wehrte die Schläge ab. Dann setzte er zu seiner Taktik an.
Er wusste nicht, ob es funktionieren würde, ob er dazu in der Lage war und ob es überhaupt möglich war, so etwas zu tun, doch er musste es versuchen.
Er hob das Schwert, ließ alle Energie, die er aufbringen konnte, in das Schwert laufen, schrie: „Periculamus!“ und stieß zu. Das Schwert bohrte sich tief durch die schwarze Kleidung, durch Ramors tiefschwarzes Fell und dann ins Fleisch. Kevin stieß das Schwert bis zum Heft in Ramors Leib. Es hatte funktioniert. Lautlos sank Ramor zu Boden.


Sechsundzwanzigstes Kapitel: Der Dämon

Plötzlich ertönte ein unglaubliches Gebrüll. Der Drache mit den Pferdebeinen! Kevin musste es laut gesagt haben, denn Faleon sagte: „Lernst du denn niemals dazu?! Das ist kein Drache mit Pferdebeinen, du Dummkopf! Das ist ein...“ Der Rest des Satzes ging in einem schrecklichen Chaos unter.
Der Drache mit Pferdebeinen hatte die auf Stoff gezeichnete Karte hinter Ramors Thron zerrissen, hinter der er eingesperrt war.
Nun, da Ramor tot war, konnte er den Drachen auch nicht mehr beeinflussen. Der Dämon sprang durch die Fetzen der Karte, die im Wind wehten. Kevin staunte. Aber dann viel ihm ein, was Ciara gesagt hatte: „Der Dämon hat keine feste Gestalt.“ Ja, denn der Dämon hatte im Moment die Gestalt eines riesigen Tigers. Seine Augen glühten rot vor Freude über die neugewonnene Freiheit, nach den vielen tausend Jahren, die er unter Ramors Einfluss gestanden hatte. Er fauchte und schlug mit den Krallen. Er würde sich sicher nicht so schnell wieder unter Kontrolle bringen lassen.
Kevin wich zurück und sprang auf Ciara. Auch Vicy kletterte auf Sairas Rücken. Die Drachen stiegen in die Luft um sich und ihre Reiter vorläufig in Sicherheit zu bringen. Als der Dämon sah, dass dort frisches Fleisch auf ihn wartete, verwandelte er sich in einen Drachen, der größer war als Ciara. Plötzlich schrieen ein paar Kobolde etwas, dann noch mehr Kobolde und die Gnome stimmten in ihr Geschrei mit ein.
Schließlich brachen alle in Panik aus, doch in der Luft konnte Kevin nichts verstehen.
„Kevin! Vorsicht!“, schrie Victoria. Jetzt wusste Kevin auch, warum alle schrieen: Das Versteck begann einzustürzen. Die großen Felsen fielen auf den Boden und wenn sie nicht aufpassten, wurden sie von ihnen erschlagen.
Plötzlich tauchten Juster, Phönix und der Dämon vor ihnen auf. Die Reiter zogen ihre Schwerter. Vicy schnappte ihren Bogen. „Halt mir den Rücken frei!“, schrie das Mädchen Kevin zu. Kevin sah sie auf den Dämonen zielen.
Plötzlich krachte Phönix in Ciaras linke Seite rein. Kevin hielt sich an Ciaras Rückenzacken fest, um nicht runter zufallen. Kevin sah zu Victoria. Juster und Faleon flogen genau auf sie zu. Fauchend hüllte Ciara sie in ein Flammenmeer ein. Doch Faleon wehrte die Flammen geschickt ab.
Mehr Felsbrocken fielen auf sie.
Das Dach hatte sich schon fast aufgelöst. Kevin sah nach oben und schützte seine Augen mit der Hand vor dem herabfallenden Staub. Er sah in den Himmel, der von dunklen Wolken überzogen war.
Nun drohte ihnen keine Gefahr mehr von den Felsen. Phönix rammte Ciara seine Hörner in den Bauch. Ciara wankte unsicher. Phönix nutzte den Moment, um ihr mit dem Schwanz einen Schlag zu versetzen. Es war kalt so hoch oben in der Luft und Kevin konnte kaum Atmen. Daher konnte er sich und Ciara nicht so intensiv schützen.
Wieder rammte Phönix Ciara so stark, dass diese laut fauchte. „Runter!“, rief Kevin. Ciara verstand sofort. Sie flog im Sturzflug nach unten und tauchte unter Faleon und Juster durch. Kevin schlug mit dem Schwert nach Justers Kopf. Fauchend wich Juster zurück. Kevin drehte sich auf Ciaras Rücken um und sah zu Vicy. Sie schoss immer noch einen Pfeil nach dem Anderen auf den Dämon ab. Unsanft wurde Kevin nach vorne gerissen, als Phönix Feuer speiend auf sein zugeflogen kam. Die Flammen hüllten sie ein, und obwohl Kevin schnell einen Abwehrzauber murmelte, wurde es unerträglich heiß. Hinter sich hörte Kevin den Dämon brüllen und drehte sich um: Victoria hatte den Dämon außer Gefecht gesetzt, indem sie einen Pfeil in das einzige bei Dämonen verwundbare Körperteil geschossen hatte: Das Auge. Victoria flog mit Saira an Kevins Seite. Ciara wich Phönix aus, der sie wieder rammen wollte.
Seite an Seite starteten Kevin und Victoria einen Angriff. Kevin flog auf Phönix zu und lieferte sich mit Alanis einen heftigen Schlagabtausch.
Neben ihnen klirrten die Schwerter von Victoria und Faleon.
Phönix wich zurück und Kevin schlug ins Leere. Ciara schlug mit den Krallen nach Phönix und riss ihm eine Schuppe am Hals aus. Phönix kreischte laut und schlug zurück, erwischte Ciara aber nicht. Juster hatte von Vicy abgelassen und flog auf Kevin zu.
Saira steuerte auf Alanis und Phönix zu. Saira krachte in Phönix hinein und verbiss sich im Bein ihres Bruders. Phönix schrie und strampelte.
Juster umkreiste Ciara. „Wiferte diesan!“, rief Faleon, Kevin duckte sich unter dem Blitz hindurch und Ciara raste auf Juster zu. Bevor Kevin einen Zauber sagen konnte, hatte Juster Ciara am Hals gepackt und schleuderte sie herum. Ciara schrie und fauchte, Kevin hämmerte mit dem Schwert auf Justers Kopf ein, dem das reichlich wenig machte, da seine roten Schuppen ihn schützten. Kevin trat auf Justers Kopf, er tat alles, damit der rote Drache Ciara losließ. „Lass sie los! Lass sie los!!!“
Von links kam Victoria auf Saira angeflogen um ihnen zu helfen. Saira biss tief in Justers rechten Flügeln. Überrascht ließ Juster los und ging auf Saira los. „Ciara, ist alles okay?“ Zwischen ihren Schuppen waren tiefe Bissspuren von Justers Zähnen und Ciara blutete. „Lecheil!“, sagte Kevin und legte vorsichtig die Hand auf die Wunde.
Doch bevor Kevin die Wunde ganz geheilt hatte, kam Phönix angeflogen und schlug Kevin mit einer schnellen Bewegung seines Schwanzes von Ciaras Rücken.
Ciara schlug mit der Pfote nach Phönix und zischte wütend. Dann flog der goldene Drache im Sturzflug hinter Kevin her. Der kalte Wind wehte Kevin ins Gesicht und er verfing sich in seinem Umhang. Plötzlich tauchte Ciara unter ihm auf, Kevin landete auf ihrem Rücken und setzte sich bequem hin. Dann lehnt er sich dicht auf Ciaras Hals, damit er nicht so schnell wieder abgeworfen wurde.
Kevin sah, dass Vicy ihren Bogen wieder gezückt hatte und auf ihre Halbschwerster zielte. Natürlich würde Alanis den Pfeil auf die Seite fegen wie ein Stöckchen, aber Kevin hatte Zeit, Ciaras Wunde zu heilen.
Ciara zuckte kurz, als Kevin seine Hand auf die Wunde legte, hielt dann jedoch still. Als die Wund verheilt war, schoss er auf Faleon zu, der einen halben Meter unter ihnen auf Juster saß und an Alanis Seite gegen Vicy kämpfte. Ciara blieb direkt über den Beiden in der Luft stehen und Kevin stand auf. Er hielt mit den Armen das Gleichgewicht. Dann sprang er auf Juster. Dieser begann um sich zu schlagen, als er den fremden Reiter auf seinem Rücken spürte. Kevin war auf Justers Schwanz gelandet und hielt sich fest. Faleon war aufgestanden und balancierte auf Kevin zu. Ohne das Faleon etwas merkte flog Ciara auf ihn zu. Als Faleon sie bemerkte, war es schon zu spät. Ciara hatte ihn bereits von Justers Rücken gestoßen. Juster flog natürlich sofort hinterher um seinen Reiter zu retten. Kevin sprang wieder auf Ciaras Rücken.
Dann gingen sie zusammen mit Vicy und Saira auf Alanis los. Saira packte Phönix am Flügel. Phönix drehte und wand sich um an Saira heranzukommen, Ciara packte Alanis mit ihren Zähnen im Rücken und schleuderte sie hin und her. Alains schrie und Phönix schrie noch lauter. Plötzlich wurde Ciara nach hinten gerissen. Der Drache ließ Alanis los und drehte sich zu Juster um, der sie am Schwanz gepackt hatte.
Wütend fauchen biss sie ihm in den Hals, wie er es vorher bei ihr gemacht hatte. Kevin hob sein Schwert und ließ es auf Faleon niedersausen.
Faleon parierte den Hieb. Gerade als er zurückschlagen wollte wurden er und Kevin auseinander gerissen. Ciara hatte Justers Hals losgelassen und ihm stattdessen kräftig in den Bauch gebissen. Hinter sich hörte Kevin einen Schrei.


Siebenundzwanzigstes Kapitel: Alanis’ Flucht

Vicy hatte Phönix ihr Messer ins Auge gestochen, als dieser Saira gebissen hatte. Auch Faleon hatte in die Richtung gesehen und war abgelenkt. Den Vorteil nutzte Kevin und schlitzte Faleon von der Schulter bis zur Hüfte auf. Juster schrie vor Wut und schlug noch einmal nach Ciara, bevor er mit seinem Reiter tot zu Boden stürzte.
Ciara schoss nach vorne auf Alanis zu. Sie schlug stark mit dem Schwanz und traf Phönix am Bauch, Phönix knurrte und packte Sairas Hals. Ciara schlug wieder nach Phönix. Phönix ließ Saira los und schlug nach Ciara.
Victoria und Kevin hatten einen Vorteil: Sie waren in der Überzahl. Doch Alanis dachte gar nicht daran, aufzugeben. Sie lenkte Phönix, der auf dem rechten Auge nicht mehr sah, weg von Victoria und Kevin und floh. Victoria wollte hinterher, doch Kevin gab ihr zu bedenke, dass sie und die Drachen geschwächt waren. „Ja und? Noch ist auch sie geschwächt!“, protestierte Victoria. Kevin schüttelte den Kopf. Um das Thema zu wechseln, fragte er: „Sag mal, wo ist Pegasus?“ „Keine Ahnung!“, sagte Vicy. Gerade da schoss ein kleiner blauer Blitz an ihnen vorbei. „Pegasus! Komm her!“, lockte Kevin. Aber Pegasus dachte gar nicht daran, zu Kevin zu kommen. „Komm, mein Süßer!“, rief Kevin noch einmal.
Pegasus landete auf Victorias Schulter und begann dort seine Krallen zu putzen. Victoria musste lachen und auch Kevin konnte sich ein lächeln nicht verkneifen. „Und was machen wir jetzt?“, fragte Vicy. „Wir gehen zu den Sindern und sagen ihnen, dass ihr Herr und Meister gestorben ist“, sagte Kevin ohne zu zögern. Also sprangen die zwei wieder auf ihre Drachen.


Der Ritt war lange. Sie flogen wieder über den Wald des Schreckens, an der Hauptstadt Sobekkat vorbei und über den Zwergenwald.
Dann sahen sie die hohen Türme der Sinderhauptstadt. Kevin stieg erst von Ciara, als sie zu den Wächtern kamen.
Er zeigte ihnen das Amulett und ohne ihre Reaktion abzuwarten ging er gefolgt von Vicy und den Drachen vorbei. In der Stadt ging er sofort auf den Palast zu, ohne sich um die neugierigen Blicke der Sinder zu kümmern. Er öffnete die große schwere Holztür.
Es war wie damals, als er als kleiner neunjähriger Junge zum ersten Mal diese Halle betrat. Vor ihm stand ein Mann, und obwohl dessen Haare schon leicht grau geworden waren, erkannte er ihn sofort. „Drebilon.“ Kevin sah ihm in die Augen.
„Ramor ist tot“, sagte er. Drebilons Augen weiteten sich vor Freude. „Aber... Wie... Wie hast du das geschafft? Du... Du bist ein Held!“ Drebilon umarmte Kevin, sodass dieser nach Luft schnappen musste. Kevin war verwirrt. Alanis hatte doch gesagt, dass die Sinder auch auf Ramors Seite waren. Als er Drebilon das sagte, erwiderte dieser: „Ja, ja, Faleon und Alanis. Würdest du in mein Büro kommen, damit ich dir alles erklären kann?“ Kevin sah misstrauisch zu Ciara. Doch Ciara beugte ihren langen Hals und stupste Kevin zärtlich an. „Geh schon. Du kannst ihm vertrauen. Nicht alles, was Alanis gesagt hatte, ist wahr.“ Kevin folgte Drebilon, drehte sich jedoch noch einmal nach Ciara um. Kevin sah Ciara an, Ciara sah Kevin an und sie fühlten beide, dass nun alles anders war. Sie hatten getötet.
Sie waren schuld daran, dass Faleon gestorben war. Kevin hatte ihn getötet, einem Menschen, der noch dazu kurze Zeit sein Freund gewesen war.
Und er hatte Ramor getötet. Es war nötig gewesen, doch trotzdem war es falsch. „Es gehört sich nicht, dass Menschen einander töten!“, dachte der Junge. Mit einem Mal fühlte Kevin ein vollkommen neues Gefühl.
Eine Mischung aus Trauer und Verzweiflung. Kevin machte einen Schritt weiter hinter Drebilon her.
„Alles wird gut. In dieser Welt sind auch andere Kräfte am Werk, nicht nur die Macht des Bösen!“, sagte Ciara und gab ihm Kraft. „Vertrau mir. Alles wird gut!“
Ciara brachte mit Victoria Pegasus zu den anderen Drachenbabys, während Kevin sich lange mit Drebilon unterhielt. „Weißt du... Alles begann damit, dass Faleon und Alanis meinten, es wäre schlau, sich Ramor anzuschließen. Dann kamen die Jahre, wo Königin Farea unerwartet an einer Krankheit starb. Da kamen uns Zweifel, ob es nicht vielleicht Ramors Schuld war, weil dieser ganz allein herrschen wollte. Doch da war es zu spät. Ramor hatte sich in den Kopf gesetzt, das magische Amulett zu besitzen. Er wusste, dass vorher ein Mensch das Amulett lange Zeit bei sich tragen muss. Also fälschten sie die Prophezeiung und behaupteten, es gäbe einen Streit zwischen Elfen und Sindern.
Alanis und Faleon waren bei Ramor sehr beliebt, weil sie die Elfen, Zwerge und Sinder unter seine Herrschaft gestellt hatten. Sie wollten ihren Rang nicht verlieren und drohten uns. Also haben wir gehorcht.
Dann hatte Ramor gemerkt, dass dein Vater nicht der Richtige war. Dreon versteckte sich dort, wo dein Vater mit seiner Familie lebte. Er meinte, weil dort seltsame Dinge passierten, würde dort der Richtige sein. Karean stahl das Amulett. Die Zwerge belegten es mit einem Zauber, sozusagen einem Hilferuf an deinen Vater und wollten es deinem Vater schicken. Dann hast du es gefunden. Faleon, Alanis und Dreon haben dich nur aus einem Grund beschützt: Damit du dich in Sicherheit fühlst, ihnen vertraust und lange genug überlebst, um das Amulett aufzuladen.“ Kevin war ganz schön erstaunt. Dann erzählte er wie er Faleon und Ramor getötet hatte und Victoria den Dämonen. Er erzählte auch, dass Victoria meinte, er sollte der neue König sein, dass er aber, wenn er genau darüber nachdachte, kein König seine wollte. Und es nur jemand sein sollte, der aus ganzen Herzen dazu bereit war, alles für die Sicherheit der Sinder zu geben. Daher schlug er Victoria als Königin vor. Drebilon hatte sich alles genau angehört und nickte nun. „Ja, das Mädchen erscheint mir sehr tapfer und stark. Wir werden sie fragten und dann die Krönungszeremonie vorbereiten.“ Damit stand er auf und führte Kevin zur Türe. „Du kannst in deinem alten Zimmer schlafen.
Die junge Prinzessin wird in Königin Fareas Zimmer schlafen.“ Dann stand Kevin wieder in der Eingangshalle. Er schlich die Treppe zu seinem Zimmer hoch. Dort ließ er sich auf sein Bett fallen. Wie viel Zeit war vergangen zwischen dem Letzten und diesem Besuch bei den Sindern. Wie viel hatte sich verändert.
Als er die Augen schloss, sah er die kleine Ciara, so groß wie seine Faust, wie sie schnurrend neben ihm lag.
Doch wenn er an den vergangenen Tag dachte, sah er die große, starke Ciara, vor Wut brüllend und um sich schlagend.
Als er die Augen öffnete, sah er, dass Ciara neben ihm stand. „Wie bist du denn hier rein gekommen?“, wollte er wissen.
„Durchs Fenster!“, sagte sie. „Lass uns noch ein bisschen fliegen!“, schlug Kevin vor. „Bist du heute noch nicht genug geflogen?“, fragte Ciara erstaunt. „Nein!“, lachte Kevin und schwang sich auf ihren Rücken. Ciara rannte auf das Fenster zu und sprang in die Luft.
Sie breitete ihre Flügel aus und schlug kräftig damit. Sie flogen einige Stunden, dann wurde es Kevin zu kalt. Ciara brachte ihn zurück in sein Zimmer. In dem Moment rannte Vicy in sein Zimmer. „Kevin! Gerade eben war Drebilon bei mir und hat mich gefragt, ob ich die neue Königin der Sinder werden möchte!“, rief sie aufgeregt. „Und was hast du gesagt?“, fragte Kevin sie ebenso aufgeregt. „Ich habe natürlich abgelehnt. DU solltest doch der König werden!“
Kevin fuhr herum. „Du hast was?!“, fragte er entsetzt. Victoria lachte schallend los.
Kevin verstand gar nichts mehr. „Du hättest dein Gesicht sehen sollen!“ Vicy beruhigte sich wieder. „Natürlich habe ich ja gesagt! Drebilon hat mir gesagte, dass du mich vorgeschlagen hast! Das war total süß von dir!“ Sie setzte sich neben ihn aufs Bett und umarmte ihn. Als sie ihn losließ sagte sie: „Das wollte ich eigentlich schon viel früher machen!“ Kevin lächelte. Einen Moment zögerte er. Aber dann lehnte er sich fest entschlossen zu ihr rüber und küsste sie. Kurz hatte er Angst, Victoria würde ihn wegstoßen, doch dann erwiderte sie seinen Kuss. Als er sich endlich wieder von ihr losreißen konnte wollte er etwas sagen, doch Vicy kam ihm zuvor: „Wow.“ „Ja. Wow. Ich wollte das eigentlich auch schon viel früher machen“, sagte Kevin. „Dann mach’s doch gleich noch mal!“, schlug Victoria vor. Aber bevor er sich bewegen konnte, spürte er schon wieder ihre Lippen auf seinen.


Achtundzwanzigstes Kapitel: Königin Victoria

Gleich am nächsten Tag wurde Victoria gekrönt. sie sah wunderschön aus, in dem roten Kleid, auf dem goldene Verziehrungen aufgestickt waren. Mit der goldenen Krone sah sie noch schöner aus, wie sie sowieso schon war. Nach der Krönung gratulierte Kevin Victoria und ging dann zu Ciara.
„Na, Lust auf einen kleinen Rundflug?“, fragte Ciara. „Bist du in den letzten Tagen nicht genug geflogen?“, fragte Kevin lachend. „Nein!“, erwiderte Ciara und warf Kevin auf ihren Rücken. Dann erhob sie sich in die Luft. Nach dem anstrengenden Morgen und weil Kevin sehr früh aufgestanden war, war er jetzt noch sehr müde. „Ruh dich ruhig aus mein Kleiner!“, erlaubte Ciara. Kevin legte seine Arme um Ciaras golden glitzernden Hals. Bevor er einschlief, hatte er das Gefühl, dass dies erst der Anfang eines großen Abenteuers war.


Am nächsten Tag schickte Victoria ihn mit einer Nachricht zu den Elfen: Er sollte ihnen berichten, was vorgefallen war. Zuerst wollte sie ihm Begleiter mitgeben, die ihm im Notfall helfen konnten, doch Kevin hatte abgelehnt. „Ohne sie bin ich schneller“, hatte er gemeint. Nun saß er mit wehenden Haaren auf Ciaras Rücken. Seit ein paar Stunden waren sie schon unterwegs. Sie flogen über den Zwergenwald, unter ihnen war der Fluss Arkuht. Kevin hatte seine Wange dicht an Ciaras Hals geschmiegt. Es war genau drei Jahre und einen Monat her, als er noch zu Hause in Narel dachte, er sei der glücklichste Junge der Welt, so lange war es her, dass er das Amulett gefunden hatte. Und nun hatte sich alles verändert. Kevin sah in sein Spiegelbild. Ciara war ein wenig tiefer geflogen und berührte nun mit den Krallen die Oberfläche des Flusses. Kevin lachte, als das Wasser ihm ins Gesicht spritzte. Wie hatte er sich nur jemals so irren können. Ciara flog so ruhig und gleichmäßig, dass Kevin es noch einmal wagte, auf ihren Rücken zustehen. Aus dem Wasser lachte ihn sein Spiegelbild an. Einen Moment schloss Kevin die Augen, um diesen Augenblick zu genießen, doch Ciara hatte andere Pläne. Als sie sah, dass Kevin nicht mehr bei der Sache war, schwenkte sie plötzlich nach links. Kevin verlor das Gleichgewicht und platschte ins Wasser. Ciara streckte die Vorderpranken aus und landete wie ein Schwan auf dem Wasser. Dann tauchte sie ihren Kopf unter und zog Kevin zurück an die Wasseroberfläche. „Du hättest mich den Augenblick ruhig mal genießen lassen können!“, murrte Kevin. Ciara knurrte empört und tauchte Kevin noch einmal unter. „Hat dich das jetzt abgekühlt?“, fragte Ciara lachend, nachdem sich Kevin auf ihrem Rücken vor weiteren Tunkattacken in Sicherheit gebracht hatte. Kevin sah sie böse an, musste dann aber lachen, weil ihre bernsteinfarbenen Augen den Blick erwiderten. Dann breitete Ciara ihre Flügel aus und schwang sich wieder in den Himmel. Von ihren Flügeln regneten die Wassertropfen auf Kevin herab.
Sie flogen über die Cardetsteppe, dort, wo sie gegen Alanis und Faleon gekämpft hatten, über den Fluss Maokoh und über den Fluss Anha. Kevin genoss den Flug. Natürlich, er konnte Victoria und auch die anderen Sinder gut leiden, aber er war so lange nicht mehr mit Ciara allein gewesen.
Kevin konnte von weitem schon den Elfenwald sehen.
„Mach langsam, Ciara!“, sagte Kevin. Am Waldrand landete Ciara. Dann lief sie durch den Wald. Kevin wusste nicht wo sie hinmussten, doch das Amulett schien ihn zu führen. Bald sahen sie eine Lichtung, die so groß war, wie das Sinderland. Kevin staunte. Über ihnen waren Blätter, doch nirgendwo standen auf der Lichtung Bäume. Die Elfen ließen ihre Arbeit liegen und bildeten links und rechts von ihnen eine Reihe. Ciara marschierte durch die Mitte der Reihen. Kevin sah nach rechts und links. Überall mehr oder weniger verängstigte Gesichter. Kevins Mund klappte vor erstaunen auf. Er hatte noch nie so viele Elfen auf einem fleck gesehen. Überall ragten die Köpfe mit den langen schwarzen Haaren auf, sogar die Männer trugen lange Haare. Kevin kam sich ziemlich seltsam vor, als der einzige mit hellen Haaren. „Wir würden gerne mit eurem König oder eurer Königin sprechen!“, sagte Kevin mit fester Stimme. Die Elfen hielten den Atem an.
„Du hast nach mir gerufen?“, fragte Alanis.


Neunundzwanzigstes Kapitel: Die Gastfreundschaft der Elfen


Kevin erstarrte. Bevor er sich rühren konnte befahl Alanis: „Packt ihn!“ Aus den Reihen traten vier hoch gewachsene Elfen hervor, packten Kevin an den Armen und zogen ihn von Ciaras Rücken, bevor der Drache reagieren konnte. Dann zerrten sie ihn vor Alanis.
Ciara wagten sie nicht anzufassen, aber als sie ihrem Reiter zu Hilfe kommen wollte, fauchte Phönix drohend und die Elfen trieben sie mit ihren Schwertern und Speeren zurück.
„So sieht man sich wieder!“, lachte Alanis, als die Elfen Kevin vor ihr auf den Boden gestoßen hatten. An ein Entkommen war nicht zu denken: Eine Hälfte der Elfen hatten einen dichten Kreis um Kevin und ihre Königin gebildet, der Rest hielt Ciara in Schach. Kevin rappelte sich auf. Alanis sollte nur nicht denken, er gäbe auf.
Innerlich tobte er vor Wut. Was hatte er eigentlich erwartet? Dass die Elfen ihn aufnehmen würden, wie einen alten Freund? Sie standen immer noch unter Alanis’ Herrschaft. Die Elfe lachte immer noch. Dann winkte sie den vier Elfen, die Kevin schon von Ciaras Rücken gezogen hatten. Diese packten ihn und fesselten im die Hände auf dem Rücken. Alanis schwang sich mit wehendem Umhang auf Phönix’ Rücken.
Dann hob Phönix ab und war bald aus Kevins Blickfeld verschwunden. Die Elfen zerrten Kevin in ein Zelt aus buntem Stoff. Dort fesselten sie ihn an einen Holzstab, der das Zelt wie ein Tippe in der Mitte zusammenhielt. „Drink das!“, befahl einer der Wächter. Natürlich dachte Kevin nicht ihm geringsten daran, das Wasser zu trinken, noch dazu, wo es eine seltsame Farbe hatte. Kevin presste stur seine Lippen aufeinander. „Drink das!“, wiederholte der Elf langsam. Damit sah er ihm tief in die Augen. Kevin spürte wieder diese Kraft, die von seinem Körper Besitz ergriff. Er wandte seinen Kopf ab. Unsanft packte der Elf ihn am Kinn und drehte Kevins Gesicht wieder in seine Richtung. „Drink!“, befahl er wütend. Kevin wünschte sich, er hätte Victorias Angebot, ein paar Beschützer mitzunehmen, angenommen.
Doch jetzt war es zu spät. Jetzt musste er es allein schaffen. Er schüttelte mit zusammengepressten Lippen den Kopf. Der Elf winkte seinen Begleitern.
Der eine packte Kevins Kopf und riss ihn nach hinten, der andere packte seine Kiefer und zog sie auseinander, der Dritte goss Kevin das Zeug in den Mund. Der Letzte hatte den angenehmsten Job: Er lehnte daneben und passte auf, dass Kevin alles nicht wieder ausspuckte. Kevin hustete und spuckte, aber die Elfen schafften es, ihm den gesamten Inhalt des Bechers einzuflößen.
„Warum denn nicht gleich so!“, knurrte der erste Elf wütend. „Also. Du bist der Amulettträger, stimmt’s?“, fragte er. Kevin nickte. Warum tat er das? Er konnte sich nicht wie bei der Magie dagegen wehren. Deshalb hatten die Elfen ihm das Zeug wahrscheinlich auch gegeben!
„Warum habt ihr das gemacht? Was soll das?“, wollte Kevin wissen. Kurz darauf klatschte eine Ohrfeige auf seine Wange. „Hier stellen wir die Fragen!“ Der Elf sah ihn an.
„So. Wo ist das Amulett?“, fragte er dann. Kevin hatte es unter seinem Hemd versteckt. Er rechnete damit, dass er es gleich sagen würde, doch aus seinem Mund kam kein Ton. Der Elf beugte sich zu ihm herunter.
„Hör mal, Junge. Es geht auf die harte Tour und auf die Weiche. Das ist die weiche Tour. Aber das kann sich ganz schnell ändern!“, drohte er. „Wo ist das Amulett?“, wiederholte er.
Kevin blieb stumm. „Er muss es bei sich tragen! Es schützt sich, indem es dafür sorgt, dass er die Fragen nicht beantworten muss!“, erklärte einer der Elfen.
„Verflixt!“, dachte Kevin. „Wenn sie auf die Idee kommen, mir das Hemd auszuziehen, bin ich verloren. Oh, Victoria, wo steckst du bloß, wenn ich dich brauche?“ In den letzten drei Jahren hatte Kevin sich daran gewöhnt, dass Victoria immer bei ihm war.
„Wir lassen ihn die Nacht über hier! Vielleicht überlegt er es sich ja noch anders!“, meinte der Elf, der Kevins Kopf gehalten hatte. „Wie du meinst, Yarus!“ Dann banden die Elfen ihm ein Tuch um den Mund und verließen das Zelt.
Yarus kam noch einmal zurück. „Überleg dir genau, was du daraus machst!“, riet er Kevin. Eins wusste Kevin genau: Nämlich, dass kein Laut über seine Lippen kommen würde. Yarus verließ das Zelt.


Dreißigstes Kapitel: Der Fluss

Kevin tastete mit seinen Händen den Boden ab. Aber er konnte nirgends einen scharfen Stein entdecken, mit dem er seine Fesseln durchschneiden konnte. auf an sein Messer kam er nicht ran. Die Elfen hatten ganze Arbeit geleistet. Langsam begannen Kevins Beine einzuschlafen. Im Zelt war es kalt und stockdunkel, er konnte kaum etwas sehen. „Warum war ich nur so blöd? Ich hätte es mir doch denken können!“, dachte Kevin wütend. Am liebsten hätte er vor Wut geschrieen, aber er brachte wegen dem Tuch keinen Ton heraus. Er versuchte sich anders hinzusetzen, doch es war unmöglich. Kevin zerrte an seinen Fesseln.
Er hatte sich noch nie so nach Victoria und Ciara gesehnt. Da kam ihm ein Gedanke: Das Amulett schützte sich doch dadurch, dass er nicht dem Zwang unterlegen war, die Fragen darüber zu beantworten. Warum sollte es ihm dann nicht aus dieser Situation befreien? Kevin versuchte die Gedanken an das Amulett zu richten. Doch in dem Moment stürmten die Elfen herein. „Du weißt, wo das Amulett ist! Du hast daran gedacht! Es ist unter deinem Hemd!“, sagte der erste Elf, der der Anführer zu sein schien. Kevin erstarrte. Wie hatten sie das nur herausgefunden?
Der Elf kam auf ihn zu und drückte Kevins Nacken nach vorne, um ihm das Amulett abzuschnallen. Plötzlich schrie er auf. Das Amulett fiel neben Kevin zu Boden. Der Junge versuchte, es zu erwischen, doch einer der Elfen kickte es mit der Fußspitze auf die Seite.
„Es hat mir die Hand verbrannt!“, schrie der Elf, der nach dem Amulett gegriffen hatte. Kevin lächelte zufrieden. Einer der Elfen wickelte das Amulett in ein Tuch und hob es auf. „Jetzt hab ihr das Amulett, jetzt könnt ihr mich ja laufen lassen!“, meinte Kevin hoffnungsvoll. Yarus lachte. „Oh nein, du bleibst erst mal hier!“ „Vielleicht haben wir ja noch ein paar Fragen an dich!“, fügte ein anderer hinzu. Damit verließen sie das Zelt. Kevin sah ihnen nach. Plötzlich liefen ihm die heißen Tränen über die Wangen. Es tat schrecklich gut zu weinen.
In den Moment, hörte Kevin Ciaras Stimme in seinem Kopf: „Kevin! Halt durch, ich habe Saira eine Nachricht geschickt. Halt durch! Halt durch...!“ Die Stimme verschwamm und wurde leiser. Kevin konzentrierte sich, um mehr zu verstehen. Aber er konnte nichts verstehen. Langsam fielen ihm die Augen zu.

Am nächsten Morgen wurde er unsanft geweckt. Alanis stand vor ihm. „Gut, dass du da bist! Kannst du mir mal sagen, was das soll?“, fing Kevin an. „Ramor ist tot und für euch bin ich nutzlos!“ Alanis lachte. „Genau das habe ich auch gerade gedacht!“
Dann winkte sie Ihren Wachen zu. „Entsorgt ihn! Ihr wisst schon, wie ich meine!“ Die Elfen packten Kevin am Arm.
Sie schubsten ihn vor sich her durch den Wald. Vor einem großen Fluss, der – soviel Kevin wusste – in keiner Landkarte eingezeichnet war, blieben sie stehen. Kevin war immer noch an den Handgelenken gefesselt. Er wollte sich umdrehen, doch die Elfen gaben ihm einen Stoß und er fiel ins Wasser. Prustend kam er an die Oberfläche zurück.
Verzweifelt versuchte Kevin sich über Wasser zu halten. Aber er wurde wieder zurückgezogen. Er strampelte mit den Füßen. Plötzlich berührte er mit seinen Füßen etwas. Kies! Er berührte mit seinen Füßen den Boden! Mit einem Blick über die Schulter stellte er fest, dass die Elfen weg waren. Er hielt sich an einem Ast fest und kletterte vorsichtig ans Ufer.
Da seine Hände noch zusammengebunden waren, war es schwer. Doch bald hatte er es geschafft. An einem Scharfen Stein zerschnitt er seine Fesseln. Er wollte gerade Ciara rufen, als vor ihm eine Gestalt aus dem Schatten der Bäume trat. „Du bist hartnäckig!“, sagte Alanis. „Los, fesselt ihn. Wir werden dich wohl anders loswerden müssen!“


Einunddreißigstes Kapitel: Drachenreiter

Kevin war schrecklich wütend. Wieder saß er hier, gefesselt und den alten, stinkenden Lappen um den Mund gebunden. „Kevin! Gib nicht auf! Vicy wird kommen! Sie ist schon unterwegs!“, hörte er Ciaras Stimme. Aber auch das machte Kevin keinen Mut. Der Weg zwischen Sinderland und Elfenwald war lang; Es würde Tage dauern, bis sie da waren. Und bei einer Sache war er sich ganz sicher: Er würde es hier nicht noch länger aushalten!

Irgendwann war Kevin eingeschlafen. Er wusste nicht wann und warum, denn er war kein bisschen müde gewesen. Er erwachte von großem Geschrei, Metall schlug auf Metall, und ein Drache fauchte.
Kevin wollte sich umdrehen und zum Zelteingang gucken. Aber er war zu fest gefesselt. Plötzlich legte sich eine Hand auf seine Schulter. „Ich bin’s!“, sagte eine vertraute Stimme.
Die Stimme gehörte Vicy, der Victoria, die er innerhalb der letzten drei Jahre wie seine Schwester und noch mehr geliebt hatte. Als sie den Lumpen um seinen Mund gelöst hatte viel Kevin ihr in die Arme.
So lange hatte er auf diesen Augenblick gewartet. Es waren eigentlich nur wenige Tage gewesen, doch Kevin kamen sie wie viele Jahre vor. „Oh, Vicy!“, schluchzte Kevin.
Er kam sich vor wie ein kleines Kind, doch warum sollten Jungs nicht auch weinen dürfen? Vicy drückte Kevin eng an sich und gab ihm einen kurzen Kuss. Dann nahm sie ihn an der Hand und zog ihn aus dem Zelt. Um sie herum kämpften Elfen gegen Sinder, doch Kevin hatte nur Augen für Ciara: Auf ihren goldenen Schuppen glänzte eine silberne Rüstung. Als sie Kevin sah, sprang sie mit einem großen Sprung auf ihn zu. „Ich hab dich so vermisst!“, sagte sie, während sie ihren Kopf auf Kevins Schulter legte. Dann schwang sich Kevin auf Ciaras Rücken und setzte sich zwischen zwei Rückenzacken und hielt sich an der Vorderen fest. „Bist du bereit?“, fragte Victoria. „Und wie!“, rief Kevin. Er riss sein Schwert aus der Scheide; Es funkelte in der Sonne. Doch in dem Moment zerriss ein ohrenbetäubendes Fauchen das Klirren der Schwerter. Mitten durch das kunstvoll mit Magie gemachtes Blätterdach schoss ein weiterer Drache:
Seine Schuppen waren himmelblau. Auf seinem Rücken saß Dreon. „Ich wusste gar nicht, dass ihr noch einen Drachenreiter habt!“, schrie Kevin Alanis zu. „Offenbar warst du bis jetzt zu feige um dich zu zeigen!“ Alanis lachte. „Du irrst dich ganz gewaltig!“, schrie sie. „Sieh mal hinter dich!“ Kevin wurde ganz schwindelig vor Schreck.
Es hatte alles nichts gebracht! Faleon war tot, doch an seine Stelle waren zwei weitere Reiter getreten. Hinter Kevin stand ein Drache, dessen Schuppen in einem zarten dunkellila glänzten. Sein Reiter war ein Elf in Kevins Alter; Vielleicht ein oder zwei Jahre älter. „Darf ich vorstellen?! Mein Vater Dreon auf Shiran und das ist Colrim auf Mayder!“, lachte Alanis spöttisch. „Sieht so aus, als hättet ihr den kürzeren gezogen!“, schrie Colrim und Mayder rannte auf Ciara und Saira zu. Dreon und Alanis lenkten ihre Drachen dazu.
„Ich bin schwer enttäuscht von dir, Tochter!“, rief Dreon. „Du hättest bei uns bleiben sollen, dann wären wir jetzt nicht gezwungen dich zu töten!“ Damit stiegen alle Drachen wie auf Kommando in die Luft und Phönix, Mayder und Shiran umkreisten Saira und Ciara. Saira kreischte auf als Mayder in ihren Flügel biss und Phönix von der anderen Seite gegen sie drückte, so dass sie nicht wegfliegen konnte.
Kevin wollte ihr zu Hilfe kommen, doch Dreon versperrte ihm den Weg. Ciara rammte Shiran, doch Shiran hielt dagegen. Mit einem gewaltigen Hieb ihrer Pranke schleuderte Ciara Shiran auf die Seite und krachte mit aller Kraft in Mayder hinein. Mayder schrie vor Schmerz, als Saira die Gelegenheit nutzte, um ihm die Zähne in die glänzende Rüstung am Hals zu schlagen. Als Phönix auf Kevin zukam, warf er sich auf die Seite und Ciara drehte sich mit ihm, sodass er kurz auf dem Kopf stand. Shiran rammte Saira, und Saira ließ Mayder los um sich gegen den neuen Angreifer zu wehren. Kevin steuerte wieder auf Phönix zu. Ciara biss Phönix in den Schwanz. Phönix wirbelte herum und schoss mit seiner Kralle haarscharf an Kevins Kopf vorbei. Als er wieder zum Schlag ansetzte schlug Ciara mit ihrer Pfote zurück. Die Klauen der Drachen verhakten sich kurz ineinander, dann riss Ciara sich los, flog knurrend über Phönix und stieß von oben mit weit aufgerissenem Maul auf ihn herab, ihre scharfen Zähne blitzten kurz auf, bevor sie sich tief durch Schuppen, Muskeln und Sehnen in Phönix’ Rücken bohrten.
Phönix versuchte sich loszureißen, strampelte und schlug mit dem Schwanz um sich, traf Ciara jedoch nicht. Mayder packte Ciaras Schwanz und wollte sie zurückziehen, doch Ciara schüttelte ihn wie eine lästige Fliege ab. Phönix’ blutete inzwischen sehr stark aus dem Rücken, Ciara schien in eine Art Blutrausch verfallen zu sein, den sie biss immer noch fester zu.
Plötzlich schlug Shiran seine Hörner tief in Kevins Arm. Kevin schrie auf, Ciara riss ihre Zähne aus Phönix’ Rücken der quietschend das Weite suchte.
Vicy lenkte Saira zu Kevin und Ciara, während Mayder sie wütend knurrend verfolgte. Victoria sprang auf, stürzte sich auf ihren Vater und riss in von Shirans Rücken. Shiran riss seine Hörner aus Kevins Arm und packte seinen Reiter am Hemd während Saira Victoria rettete. Kevin fasste an seinen blutigen Arm. Er zitterte. Sein Arm pochte.
„Tut’s sehr weh?“, fragte Ciara mitfühlend. Kevin nickte. „Mein armer Kleiner.“ Kevin wollte die Wunde heilen, doch es tat sich nichts. Er konnte auch nicht noch einen Versuch unternehmen, denn Phönix hatte sich wieder erholt und raste in gefährlich hohem Tempo auf sie zu. Er wollte sie wieder rammen, das sah man.
„Habt ihr nichts besseres drauf?“, fragte Kevin spöttisch. „Nevel!“, schrie Alanis. Der Zauber schoss an ihnen vorbei. Da sah Kevin an Alanis’ Hals etwas aufblitzen. Das Amulett! Ciara schoss nach vorne und Kevin streckte seine gesunde Hand danach aus. Er bekam es zu fassen und riss es von Alanis’ Hals. „Das hilft dir jetzt auch nicht mehr!“, schrie Alanis. Shiran kam von hinten auf Kevin zugeschossen.
Er sah, dass eins der bläulichen Hörner abgebrochen war. Kevin wusste genau, dass es vermutlich passiert war, als Shiran seine Hörner in Kevins Arm gerammt hatte. Also musste es noch in Kevins Arm stecken... Kevin wollte es gar nicht so genau wissen. Victoria flog neben ihn. Seite an Seite jagten sie auf Shiran, Mayder und Phönix zu. Colrim schlug zweimal mit seinem Schwert nach Kevin.
Doch er verfehlte ihn. Plötzlich schlug Mayder mit beiden Vorderpfoten nach Kevin. Ciara riss ihre Pfoten hoch um Kevin zu schützen und Mayders Krallen rutschten an ihren Schuppen ab. Plötzlich umhüllte alle ein gewaltiger Feuerball. Phönix war zwar auf einem Auge blind, doch im Feuerspucken war er unschlagbar.
Kevin hob schützend die Arme und ließ die Flammen an seinem Schutzschild abprallen, dass er um sich gezogen hatte. Um Shiran und Dreon stand es nicht so gut. Zwar hatten auch sie sich mit einem Schutzzauber gegen Feuer gerüstet, doch Dreons Kraft ließ merkbar nach. Phönix schloss den Mund und erstickte den Feuerstrahl.
Wie auf Kommando herrschte Angriffsstille, als währen alle so geschockt. Vicy nutzte den Moment, und packte Shirans Horn, das in Kevins Arm steckte und zog es heraus. Kevin schrie überrascht auf. „Spinnst du?!“, brüllte er und hielt sich den verletzten Arm. In dem Moment kamen auch Mayder und Colrim zu sich. Colrim ließ sein Schwert auf Victoria und Kevin niedersausen, doch Vicy parierte den Schlag im letzten Moment.
Dann ging der Kampf weiter. Von beiden Seiten wurden Kevin und Vicy bestürmt. Kevin hatte gerade noch Zeit, seine Wunde zu heilen, bevor Phönix ihn auch schon von Ciara schubsen wollte. Ciara tauchte unter Phönix’ Schwanz weg und biss ihm ins Bein. Als Shiran das mitbekam biss er in Ciaras Hals, um sie dazu zu bringen, Phönix loszulassen.
Ciara strampelte, doch als Shiran sie nicht losließ, lies sie Phönix los und stürzte sich auf den blauen Drachen. Kevin wollte Dreon mit einem Zauber außer Gefecht setzen, doch Dreon blockte den Zauber ab.
Kevin schielte zu Vicy. Mayders lilafarbene Schuppen glänzten, als er nach Saira schnappte und sie am Bauch zu fassen bekam. Saira knurrte und fauchte, doch Mayder scherte sich nicht um sie. Kevin setzte zu seiner altbewährten Finte an. Ciara blieb über Colrim und Mader in der Luft stehen und Kevin stürzte sich über Colrim von ihrem Rücken.
Leider hatte Colrim bemerkt, was vor sich ging und Mayder war ein Stück nach vorne geflogen. Kevin bekam gerade noch Maders Schwanz zu fassen, doch Mayder drehte sich zu ihm und wollte ihn abschütteln.
Ciara wollte ihm helfen, doch Phönix stieß sie zurück und knurrte sie drohend an. Ciara wollte Kevin zu Hilfe eilen, doch auch Shiran, der Saira losgelassen hatte, versperrt ihr den Weg. Panik stieg in ihr auf, als sie merkte, dass sie Kevin nicht helfen konnte.


Zweiunddreißigstes Kapitel: Die Entscheidung

Ciara fauchte und drohte den zwei Drachen mit der Kralle. „Haut ab!“, fauchte sie. „Bleib uns vom Leib!“, knurrte Shiran. Mit einer Mischung aus Wut und Angst holte Ciara tief Luft und ließ einen Feuerstrahl aus ihrer Kehle dringen.
Die Drachen und ihre Reiter wichen zurück und Ciara schoss durch die Lücke die sich aufgetan hatte. Mit einem Hieb ihrer Kralle warf sie Colrim von Mayders Rücken und Mayder flog hinter ihm her, ohne sich um Kevin zu kümmern. Kevin ließ Mayders Schwanz los und Ciara fing ihn auf.
„Danke!“, keuchte Kevin. Die Drachen hatten Kevin und Ciara umzingelt und Kevin fragte sich, wo Vicy war. Dreon, Alanis und Colrim schienen dasselbe zu denken, denn sie sahen sich nach ihr um. Plötzlich schoss wie ein schwarzer Blitz Saira an Kevin vorbei und verbiss sich mit einem lauten Knurren in Shirans Vorderbein.
Shiran tobte vor Wut. Saira schüttelte den Kopf, um Shiran unter Kontrolle zu bringen.
Ciara wurde plötzlich von Mayder am Hals gepackt. Kevin ließ sein Schwert auf die lila Schuppen des Drachen sausen, Ciara wandte sich in Mayders Fängen, um frei zu kommen.
Plötzlich schrie Mader auf und drehte sich um. Saira hatte Shiran losgelassen und Mayder mit aller Kraft die Schwanzspitze abgebissen. Kevin nutzte den Moment und schrie: „Ferlem!“ Der Zauber wurde von Colrim abgefangen und zurückgeworfen. Kevin duckte sich.
Der Wind wehte ihm die Haare ins Gesicht. Langsam ließen seine Kräfte nach, er brauchte eine Pause. Kevin merkte, dass es auch den Elfen so ging: Sie wehrten sie Zaubersprüche langsamer ab. Victoria konnte ihr Schwert nicht mehr so leicht heben. Kevin fühlte sich, als würde er jeden Moment von Ciaras Rücken fallen. Kevin schloss für einen kurzen Moment die Augen. Als er sie öffnete schoss Saira auf ihn zu. „Rückzug!!!“, brüllte Vicy aus Leibeskräften. Kevin hielt nicht viel von aufgeben, doch in dem Moment war er froh. Ciara schoss mit eingezogenem Kopf durchs Geäst Richtung Waldboden, landete aber nicht, sondern flog mit eng angelegten Flügeln durch die Bäume. „Was machst du?!“, fragte Kevin verwirrt.
Ein Ast klatschte ihm ins Gesicht und hinterließ einen blutigen Streifen. „Dir das Leben retten!“, antwortete Ciara. Kevin legte sich dicht auf ihren Rücken um vor den Ästen geschützt zu sein. Hinter sich hörte Kevin Vicy etwas rufen.
„Ich versteh dich nicht!“, schrie er. Saira flog nun direkt neben ihn. „Was machst du denn da?!“, brüllte Vicy. „Ich mache gar nichts!“, brüllte Kevin zurück. Er richtete sich wieder leicht auf und duckte sich aber sofort wieder, als direkt vor ihm ein Ast auftauchte. „Pass auf die Äste auf!“, warnte Kevin Victoria. Plötzlich schoss Ciara aus dem Wald heraus. Sie gewannen mit jeder Sekunde wieder an Höhe. Unter sich sah Kevin die Soldaten der Sinder.
Dann tauchte Ciara durch eine Wolke und die Krieger waren verschwunden. Saira grummelte etwas und Vicy lachte. „Was hat sie gesagt?“, fragte Kevin. „Wir haben sie aber ganz schön fertig gemacht!“ Wieder lachte Vicy. „Du meinst wohl, ICH habe sie fertig gemacht!“, sagte Kevin ironisch. Vicy lachte. „Du willst doch wohl nicht etwa behaupten, du bist besser als ich!?“ „Und ob!“, sagte Kevin. „Auf keinen Fall!“
„Ich bin ein Junge! Jungen sind immer besser als Mädchen!“, prahlte Kevin. Victoria lachte spöttisch. Sie war da ganz anderer Meinung. „Wollen wir wetten?“, fragte Kevin. „Meinetwegen!“ Vicy stand auf und balancierte auf Sairas Rücken hin und her. Auch Kevin stand auf.
„Der, der als Erster runter fällt, hat verloren!“, rief Vicy und zog ihr Schwert. Kevin belegte die Schwerter mit einem Zauber, dass sie stumpf waren und Kevin und Victoria sich nicht verletzen konnten.
„Auf die Plätze!“, zählte Vicy. Kevin ging leicht in die Knie. „Und los!“ Vicy sprang auf Ciara und stieß Kevin mit einem Schlag von Ciaras Rücken. Vicy und Ciara lachten. Dann hüpfte Victoria von Ciaras Rücken hinter Kevin her. „Du willst doch nicht etwa schon aufgeben?!!“, schrie sie ihm zu. Kevin musste von ihren Lippen ablesen, da er sie sonst nicht verstanden hätte. Seine Finger waren taub vor Kälte, als Vicy ihn packte und durch die Luft schubste.
Kevin wollte nach ihr greifen und sie auch stoßen, doch Victoria schlug seine Hände weg und lachte. Die beiden zappelten in der Luft, jeder versuchte, den anderen festzuhalten, doch keinem gelang es.
Mit einem harten Aufprall landeten die beiden Kinder auf dem Rücken ihrer Drachen. „Na, wer sagt’s denn, ich hab gewonnen!“, triumphierte Victoria. „Das gilt nicht!“, protestierte Kevin. „Du hast geschummelt!“ Vicy sah ihn unschuldig an. „Niemand hat gesagt, dass wir fair kämpfen! Bei einem Kampf geht es niemals fair zu!“, verteidigte Vicy sich. Kevin musterte sie und sah sie durchdringen an. „Das bleibt unter uns, verstanden?!“, giftete er sie an. „He, bleib locker!“, beruhigte sie ihn und gab ihm einen langen Kuss. Im selben Moment flog Ciara eine scharfe Kurve in die entgegen gesetzte Richtung und Kevin schaffte es nur noch knapp, sich an ihrer Rückenzacke festzuhalten. „Ciara! Was soll das!?“ „Fast hätte ich euch nicht von einander wegbekommen!“, sagte sie seelenruhig. „Du bist ja richtig wütend“, stellte sie fest. „Und wie!“, schrie Kevin. „Ganz ruhig. Dieses ewige Rumgeschlabbere ist doch ekelhaft!“, meinte Ciara. „Halt dich da raus! HALT DICH DA RAUS!“, schrie Kevin aufgebracht.
Er bebte vor Zorn. Und um Ciara zu ärgern winkte er Victoria heran und sprang auf Sairas Rücken, nur um Victoria dort innig zu küssen.
Dabei ließ er Ciara keinen Moment lang aus den Augen. Plötzlich raste Ciara auf ihn zu und umschloss ihn mit ihrer Pfote. „Das war nicht nett!“, meinte Ciara gelassen.
Kevin strampelte und schimpfte wie ein Rohrspatz. „Ciara, du bist unmöglich! Bring mich sofort zurück! Lass mich los!“ Ciara schleckte ihm mit ihrer rauen Zunge übers Gesicht. Kevin wischte sich das Gesicht am Ärmel seines Hemdes ab. „Ciara, du bist so gemein!“ „Ich weiß!“, sagte Ciara.
Da musste Kevin lachen. Auch Vicy lachte und Ciara lachte am lautesten.
„Weißt du, Kevin, wenn du dich an ein Mädchen oder später an eine Frau bindest, bin auch ich damit in sie gebunden. Wir sind ein Lebewesen in zwei Hüllen. Also denke genau nach, bevor du jemals wieder ein Mädchen küsst!“, belehrte Ciara ihn. Kevin überlegte und beugte sich dann zu Vicy herüber und küsste sie noch einmal.
„He, hast du nicht gehört? Du sollst nachdenken!“, rief Ciara empört. „Ja, und das habe ich auch!“, sagte Kevin.


Dreiunddreißigstes Kapitel: Endlich vereint

Der Flug dauerte zwei Tage. Vicy und Kevin schliefen auf ihren Drachen, damit sie schneller waren.
Unter ihnen waren immer die Sinder. Kevin war überrascht, wie schnell die Reiter waren.
Sie waren bereits über dem Zwergenwald. Kevin ließ sich von dem kalten Wind die Haare aus dem Gesicht pusten, als ihn plötzlich ein Ruck von Ciaras Rücken beförderte. „Was soll das?!“, schrie Kevin Victoria an, die mit weit ausgebreiteten Armen neben ihm segelte.
Victoria lachte. „Ist lustig!“, jauchzte sie. „Im Kampf musst du das können!“, lachte Vicy. „Und selbst wenn du es jetzt nicht schaffst“, sagte Vicy gleichgültig, „Die Bäume bremsen deinen Fall!“ Kevin und Vicy landeten auf ihren Drachen. Dann lachten sie beide los. „Wetten, das kannst du nicht!“, meinte Victoria und sprang auf die Füße. Vorsichtig balancierte sie auf Sairas Rücken Richtung Sairas Schwanz.
Dort setzte sie sich hin, ließ sich seitlich wegkippen und hielt Sairas Schwanz mit den Füßen fest umschlossen. „Und ob ich das kann!“, rief Kevin.
Er kletterte auf Ciaras Rücken nach hinten, umschloss ihren Schwanz mit den Beinen und baumelte in der Luft. Ciara jedoch fand das Spiel noch nicht actionreich genug, also begann sie heftig mit dem Schwanz zu wedeln und schleuderte Kevin hin und her.
„Uaaah!“, kreischte er und setzte sich schnell wieder aufrecht hin.
In dem Moment legte Ciara die Flügel an und stürzte sich in den Fluss unter ihnen. Kevin war so erstaunt, dass er ihren Schwanz losließ und hinter ihr in den Fluss fiel. Danach hörte er Saira in den Fluss platschen, dann Vicy.
Als Vicy auftauchte, tauchte Kevin ab, tauchte unter Wasser auf sie zu, stieß sich hinter ihr aus dem Wasser und riss sie mit sich wieder ins Wasser zurück. Vicy hustete und spritzte Kevin Wasser ins Gesicht. Kevin spritzte zurück und bald sahen sich die Drachen gezwungen, mitzumachen und schlugen heftig mit den Flügeln.
Kevin rettet sich auf Ciaras Rücken und spritzte mit den Füßen im Wasser.
„Los, gehen wir weiter!“, schlug Victoria vor. Kevin zuckte die Schultern. Ciara schlug mit den Flügeln und bespritzte Kevin mit unzähligen kleinen Wassertropfen.
„Iiihh!“, rief Kevin. „Stell dich nicht so an!“, rief Ciara, „Du bist doch sowieso klitschnass!“
Dann packte sie ihn am Hemd, warf ihn hoch in die Luft und pustete ihn mit ihrem heißen Atem an. Dann fing sie ihn mit dem Maul und ließ ihn zurück auf ihren Rücken plumpsen. „Jetzt trocken genug?“, fragte sie belustigt. Tatsächlich war Kevin durch ihren heißen Feueratem trocken.
„Ciara, Saira, könnt ihr Vicy und mich dort unten absetzten?“, fragte Kevin. Vicy war verwirrt. „Wieso?“, fragte sie ihn. „Wirst du schon noch sehen!“, antwortete er knapp. Unten rief er: „Selchem negra!“ Er hatte inzwischen herausbekommen, wie Alanis ihn und sie damals in Pferde verwandelt hatte. Und tatsächlich: Er war wieder der braune Hengst. „Spring auf!“, schnaubte Kevin. Das ließ Vicy sich nicht zweimal sagen.
Ciara und Saira waren zwar etwas beleidigt, aber das verging bald. Kevin galoppierte los. Vicy duckte sich über seinen Hals, um den Ästen zu entgehen.
Auf dem Boden lag plötzlich ein breiter Baumstamm. Kevin verkürzte seine Galoppsprünge und sprang perfekt ab. Seine Mähne wehte, seine Hufe donnerten auf dem Boden und Kevin wieherte vor Freude.
Sie fanden die Soldaten wieder und Kevin zeigte den anderen Pferden, wie schnell er war. Die wieherten anerkennend. Im Slalom galoppierte Kevin durch die Bäume. Als sie aus dem Wald heraus galoppierten, machte Kevin einen perfekten Stopp, schlitterte noch ein paar Sekunden, warf seinen Kopf in die Luft und schlug mit den Vorderhufen.
Vicy rutschte auf seinem Rücken hin und her, Kevin galoppierte wieder los und Victoria fiel von seinem Rücken.
Fröhlich trabte Kevin mit schlackernden Zügeln und hoch aufgestelltem Schweif zu ihr. Dort beugte er sich zu ihr herunter und schnaubte. „Wer ist nun der Bessere?“, wollte er wissen. Ohne ein Wort schnappte Vicy seine Mähne, zog sich daran auf seinen Rücken und legte die Beine an. Kevin stieg wieder und lief los.
Über ihm konnte er Saira und Ciara sehen. Er wieherte ihnen zu. Mit hocherhobenem Kopf galoppierte er über die Ebene. „Kevin, warte!“, rief Vicy. Kevin blieb abrupt stehen. Vicy fiel über seinen Kopf ins Gras.
„He, so hab ich das nicht gemeint!“, rief sie empört. Kevin schnaubte und verwandelte sich wieder in einen Menschen. „Was ist denn?“, fragte Kevin. „Lass uns lieber wieder fliegen!“, schlug Vicy vor, „Das dauert sonst so lang! Und es ist um einiges ungefährlicher und bequemer!“, fügte sie hinzu, während sie den Dreck von ihrer Hose klopfte.
Sie winkten die Drachen heran und sprangen auf. Die Drachen hoben ab und flogen weiter Richtung Fanorum, die Hauptstadt der Sinder. Als sie die Stadttore erreichten winkte Vicy den Wächtern kurz zu und segelte über das Tor.
Im Hof landeten sie. „Komm, ich bin hundemüde!“, sagte Victoria und streckte sich. Dann rannten sie ins Schloss. Kevin ging schnurstracks in sein Zimmer und schmiss sich aufs Bett. „Ich werde sicher tagelang schlafen!“, dachte er und schloss die Augen.


Vierunddreißigstes Kapitel: Der Kampf

Doch schon am nächsten Tag wachte Kevin von einem Geräusch auf. Zuerst dachte Kevin, er hätte geträumt. Doch da durchschnitt der Ton wieder die Luft. Es war der Ton aus einem Jagdhorn.
Kevin wusste, was das zu bedeuten hatte. „Ciara! Wo bist du? Komm her, wir werden gebraucht! Jemand greift uns an!“
Kevin fiel aus dem Bett, die Decke schlang sich fest um ihn und fesselte ihn.
Schnell strampelte er sich frei. Er rannte die Treppe runter in die Waffenkammer. Dabei stolperte er dreimal und wäre fast die Treppe hinuntergefallen. Er riss die Tür zur Waffenkammer auf und stürmte hinein.
Dort lagen sein Schwert, sein Helm, die Handschuhe, das Kettenhemd und der Rest der Rüstung. Die Rüstung hatte der Hofschmied extra für ihn angefertigt. Er war es auch gewesen, der Ciaras Rüstung geschmiedet hatte.
Kevin schlüpfte ins Kettenhemd, verfing sich im Brustpanzer, setzte den Helm auf, zog die Stiefel an und zu Letzt die Handschuhe.
Dann nahm er sein Schwert in die eine Hand, einen Schild in die Andere. Danach rannte er in den Hof, wo Ciara in einer glänzenden Rüstung wartete. „Ich hoffe, du bist bereit?!“, fragte Ciara, als Kevin sich an der Rückenzacke festhielt und sich auf den Rücken des goldenen Drachen zog.
Kevin atmete tief durch. „Ja, ich bin bereit.“ Ciara richtete sich auf. Dann hob Kevin das Schwert und Ciara schnellte in die Luft. Über ihnen warteten schon Saira und Vicy. Wie Ciara hatte auch Saira eine Rüstung an.
Victoria trug in der einen Hand ein Schwert, in der anderen Hand, wie Kevin einen Schild, zusätzlich hatte sie aber noch einen Speer. Sie sah Kevin an. Ohne ein Wort zu sagen. Sie sah ihn einfach nur an.
Nur dieser eine Blick.
Sie verstanden sich auch ohne Worte. Es war ihnen beide längst klar gewesen, noch bevor sie das Wappen der Elfen sahen, dass nur sie ihre Angreifer sein konnten.
Kevin suchte den Himmel nach Phönix, Mayder und Shiran ab. „Ich kann Alanis, Dreon und Colrim nicht sehen...“, sagte Kevin. Ciara stieß auf den Boden zu und versenkte den trockenen Boden in einem Flammenmeer.
Unter ihnen trafen die feindlichen Fronten aufeinander.
In dem Moment entdeckte Kevin sie: Die roten Schuppen von Phönix sah sie zuerst aus den Wolken auftauchen, dann die lila glänzenden Schuppen von Mayder, zum Schluss konnte er auch Shiran.
Kevin wollte ihnen irgendetwas Wütendes und Beleidigendes entgegen schreien, doch ihm fiel nichts Passendes ein. Ciara bemerkte das und musste lachen, was sich in ihrer jetzigen Lage äußerst unpassend und albern anhörte.
Alanis und die anderen Reiter hatten alle schon ihre Schwerter gezückt, Kevin und Vicy taten es ihnen gleich. Wie auf ein unsichtbares Signal ging der Kampf los. Mayder schoss auf Saira zu, doch die wich aus.
Kevin schlug nach Dreon, Dreon parierte den Schlag und schlug noch kräftiger zurück. Kevin duckte sich darunter weg und Ciara ließ sich nach unten sinken. Mit einem Mal hatte Kevin eine Idee. Er rutschte so schnell wie nur möglich auf Ciaras Schwanzspitze, klammerte sich mit den Beinen fest ließ sich kopfüber herunter fallen, drehte sich im Flug und landete auf beiden Beinen auf Phönix’ Rücken.
Kevin war erstaunt. Dass es so gut gelingen würde, hätte er nicht gedacht. Er packte sein Schwert und torkelte auf Alanis zu. Die hatte noch nichts bemerkt, doch als Kevin sein Schwert hob, drehte sie sich um, grinste ihn an und schlug ihm das Schwert aus der Hand.
Kevin stand da, wehrlos, hatte keinerlei Waffen. In dem Moment kam Vicy angebraust und warf ihm ihren Speer zu. Bevor Alanis sich bewegen konnte, rammte Kevin ihr den Speer zwischen die Rippen. Alanis sah ihn erstaunt an und kippte dann von Phönix’ Rücken. Phönix drehte sich um und schlug nach Kevin. Seine Krallen erwischten Kevin am Brustpanzer. Der Brustpanzer wurde von Phönix’ scharfen Krallen aufgeschlitzt und sie drangen durch Kevins Haut.
Kevin taumelte zurück, in dem Moment stürzte Phönix leblos zu Boden. Kevin spürte nur noch leicht und benommen, dass er fiel und von Ciara aufgefangen wurde, die bald darauf landete und ihn auf den Boden legte. „Kevin!“, hörte er Vicy schreien.
Er spürte das Beben, als Saira neben ihm auf dem Boden landete. Dann näherten sich schnelle Schritte und Vicys Gesicht tauchte über ihm auf. Daraufhin wurde ihm schwarz vor Augen.


Fünfunddreißigstes Kapitel: Alles umsonst

„Kevin?“, flüsterte Vicy. Langsam öffnete er die Augen. Er lag in seinem Bett bei den Sindern. Er merkte, dass Vicy sich auf sein Bett setzte. „Was ist passiert? Wer hat den Kampf gewonnen?“, fragte Kevin schwach. „Als die Elfen merkten, dass ihre Königin getötet wurde, sind sie kopflos durch die Gegend gerannt, die meisten sind geflohen, ein paar wenige haben wir gefangen genommen, um mehr über Alanis’ und Phönix’ Pläne mit den Elfen herauszufinden.
Drebilon meint, sie ständen höchstwahrscheinlich unter einem Zauber, der sie dazu zwingen würde, Alanis zu gehorchen. Das glaube ich auch, denn Elfen sind von Natur aus eher scheu und zurückhaltend und ziehen nicht von allein in den Kampf. Was nicht bedeutet, dass sie Engeln gleichen. Sie können durchaus sehr gefährliche Gegner sein!“, fügte Victoria hinzu. Doch dann verstummte sie. „Wie geht es dir?“, fragte sie vorsichtig. „ Du hast uns ganz schön erschreckt! Drebilon meinte, die Heiler hätten ganze Arbeit geleistet und wir müssten uns keine ernsthaften Sorgen machen.“ Sie lachte, dann gab sie ihm einen kleinen Kuss. Das war auch das Letzte, was er mitbekam, denn plötzlich war er hundemüde und schlief beinahe auf der Stelle ein.


Erst am nächsten Tag erzählte Victoria ihm das beunruhigende an der ganzen Geschichte: „Man hat Alanis’ Leiche nirgends gefunden!“ Sie senkte die Stimme.
„Auch Phönix nicht. Sie sind wie... wie...“ Sie suchte nach den richtigen Worten. „Wie weggeblasen. Obwohl es dieses Wort nicht richtig trifft.“
Auch Kevin war beunruhigt. „Was soll das bedeuten?“, fragte er. Vicy flüsterte nur noch. „Ich... Ich weiß es nicht! Sie scheinen nicht richtig gestorben zu sein.“ „Soll das heißen, es könnte sein, dass alles umsonst war?!“, rief Kevin. Vicy nickte bedrückt. „Aber wie ist das möglich?! Der Speer ist durch Alanis durchgedrungen! Sie muss tot sein!“, sagte Kevin laut. „Psst! Es könnte sein, dass... ihr Körper gestorben ist, aber ihr Geist, ihre Seele weiterlebt!“
Kevin war stocksauer. War jetzt etwa alles umsonst? Hatte er einen Geist, einen Dämonen erschaffen? Ein Lebewesen, das nur noch ein Schatten seiner selbst war? Kevin schüttelte es bei dem Gedanken daran. „Aber... ist das denn möglich?“, fragte er. Vicy nickte. „Das kann manchmal passieren.“ Kevin schluckte. „Kann man so einen Geist besiegen?“, fragte er hoffnungsvoll. Vicy schüttelte den Kopf.
Kevin verließ aller Mut. Doch dann zögerte Vicy. „Doch, aber... aber das ist fast unmöglich. Es geht nur, wenn... Also... Du musst das Herz des Geistes finden und es durchstechen. Aber... das ist nicht so einfach. Nach dem Tod verlässt das Herz den Körper, wenn man es vorher mit bestimmten Zaubern belegt hat. Alanis’ Herz kann überall sein. Vielleicht weiß nicht einmal sie selbst, wo es ist. Und selbst wenn sie es weiß, würde sie es uns sicher nicht sagen.“
Vicy zögerte wieder. „Obwohl... Ich bin mir sicher, dass sie es mit Hilfe von Zauberei aufspüren kann und es dann bei sich trägt, um es zu schützen. Sie wird etwas so Wertvolles wohl kaum jemand Anderem anvertrauen. Es gibt immer Verräter“, fügte Vicy hinzu. Das brachte Kevin auf einen Gedanken. „Warum sollten nicht wir diese Verräter sein?“, fragte er. Er holte das Amulett heraus und rief: „Elreen negra!“ Es kribbelte in Kevins ganzem Körper, so wie wenn er sich in ein Pferd verwandelte, dann war auch schon wieder alles normal.
„Hat es gewirkt?“, fragte Vicy. Sie stelle sich vor ihn. Kevin musterte sie. Sie hatte schwarze, glatte Haare, die ihr bis zu Ellenbogen reichten und von einem aus Efeu und Binsen geflochtenem Band aus ihrem Gesicht gehalten wurden, hellgrüne Augen und lange Wimpern. Kevin erkannte sie kaum wieder. Sie hatte große Ähnlichkeit mit Alanis, als Kevin sie kennen gelernt hatte.
Vicy befühlte ihre spitzten Ohren. Dann kicherte sie. „Du siehst lustig aus!“, sagte sie. Kevin und Victoria besahen sich in dem großen Spiegel in Kevins Zimmer. Auch Kevin gingen die die schwarzen Haare bis zum Ellenbogen. Seine Augen waren smaragdgrün. „Und was hast du vor?“, fragte Victoria ihn. „Wir werden uns unter die Elfen mischen. Alanis wird sie sicher wieder unter ihre Herrschaft gebracht haben. Dort werden wir versuchen, herauszubekommen, wo ihr Herz ist und es zerstören“, erklärte Kevin. Er rannte ans Fenster und rief nach Ciara und Saira. Dann erklärte er ihnen ihren Plan. Danach sprangen Kevin und Victoria aus dem Fenster auf die Rücken ihrer Drachen und flogen los. Kevin hatte so dass Gefühl, dass dies eine ganz andere Reise werden sollte, wie er sie gewohnt war.


Sechsunddreißigstes Kapitel: Bei den Elfen

Der Wind peitschte ihnen ins Gesicht.
Ciara segelte über die weite Ebene auf den Zwergenwald zu. Hinter ihnen glühte die untergehende Sonne und tauchte das Land, das Kevin seit seiner Geburt kannte, in ein ganz anderes Licht.
Ciara schoss steil nach unten und schnellte plötzlich senkrecht in die Höhe. Währendessen drehte sie sich halb um die eigene Achse, in Richtung der untergehenden Sonne. Ihre Schuppen strahlten, die Sonne blendete Kevin.
Der Sonnenuntergang war wunderschön, aber zugleich weckte er in Kevin ungute Gefühle. Die Sonne strahlte blutrot. Sie erinnerte ihn an Kampf, Tod und Elend, doch zugleich ging mit ihr ein trauriger Tag unter, ein neuer Anfang, ein neues Leben würde nach der Dunkelheit mit ihr erwachen.
„Fühlst du das Selbe wie ich?“, fragte Ciara. „Ja.“ Kevin war sich ganz sicher, dass alles gut werden würde. Er hatte Ciara an seiner Seite, Victoria und Saira.
Da ließ Ciara sich rückwärts nach hinten fallen, drehte dabei einen Salto und flog nach vorne.
Die schwarzen Haare hingen Kevin ins Gesicht, als Ciara durch eine Wolke tauchte, gefolgt von Saira. Es wurde mit jeder Sekunde merkbar dunkler. Kevin lehnte sich gegen Ciaras Rückenzacken. Er gähnte und ließ seine Hand liebevoll über Ciaras goldene, glänzende Schuppen gleiten.
Er war schrecklich müde. Er sah zu Vicy. Sie war auch eingeschlafen. Er gähnte wieder und schlief ein.


Der blähte die Vorhänge des Zeltes auf. Das hätte nie passieren dürfen! Aber es war passiert. Dafür würde sie ihn umbringen. Genau das würde sie tun. Nun war sie unsterblich. Der einzige Weg, durch den sie verwundbar wäre, der einzige Gegenstand, lag hier in ihrer Hand. Das rötlich schimmernde Etwas pulsierte im Takt ihrer Atemzüge. Er würde es nie bekommen. Amulett hin oder her. Sie musste ihr Herz gut verstecken. Sie öffnete eine Truhe, eine kleine mit Gold verzierte Schatulle doch sie waren ihr nicht sicher genug. Da kam ihr die Idee. Sie murmelte einen Zauber. Von nun an musste sie sehr vorsichtig sein. Sie hatte Leben gegen die Unsterblichkeit eingetauscht. Das war es wert. „Und die Rache wird es auch wert sein!“, dachte Alanis.


Kevin wachte von einem sanften Ruck auf. „Aufwachen, Kevin! Ihr müsst jetzt ohne uns weiter“, sagte Ciara und stupste ihn an.
Kevin rutschte immer noch verschlafen von ihrem Rücken. Dann gingen sie in den Wald. Das Amulett hatten sie vorsorglich bei Ciara und Saira gelassen. Nach einer Stunde kamen sie im Elfenlager an. Sofort empfing sie ein großer Elf.
„Da seid ihr ja! Und wo ist eure Beute? Die anderen Jäger sind schon längst zurück!“, rief er. Vicy legte vorsichtig zwei Finger an die Stirn, dann verbeugte sie sich. Weil Kevin nichts anderes einfiel tat er das Gleiche.
„Entschuldigt, Meister. Heute war uns das Jagdglück wohl nicht hold.“ Sie stieß Kevin leicht in die Rippen und dieser nickte zustimmend. Dann schob sie ihn an dem Elf vorbei und sagte leise zu Kevin: „Mach einfach das Selbe wie ich!“
Dann schritt sie auf ein Zelt zu. Sie schubste ihn hinein. Dann ließ sie sich auf ein Federbett fallen.
„Also, in ungefähr einer Stunde gibt es Abendessen, danach gehen wir hierher zurück und legen uns hin. Sobald alle schlafen, was nicht sehr lang dauern wird, schleichen wir uns hinaus und durchsuchen Alanis’ Zelt. Das heißt, ich werde das machen. Du wirst Wache halten. Verstanden?“, fragte sie und zog eine Augenbraue hoch. Kevin nickte.
Dann verließen sie das Zelt und halfen bei der Zubereitung des Abendmahls. Nachdem Kevin einen halben Hasen allein gegessen hatte, ging er in das Zelt und wartete auf Vicy, die länger brauchte.
Als es dunkel war und alle Feuer erloschen waren, schlichen Vicy und Kevin aus dem Zelt und tappten auf Zehenspitzen zu Alanis’ Zelt. Vicy schlich hinein, Kevin wartete draußen. Nach einer viertel Stunde kam Vicy heraus.
Sie schüttelte den Kopf. „Nichts!“ Vorsichtig schlichen die zwei zurück zu ihrem eigenen Zelt. Plötzlich stieß Kevin einen Haufen Töpfe um. Im selben Moment tauchte Alanis vor ihnen auf. Oder eher gesagt, ihre Umrisse. Wie aus Rauch stand sie vor ihnen. „Wusste ich doch, dass ich etwas gehört hatte! Was fällt euch beiden ein, euch bei Nacht hier herumzutreiben? Geht wieder in eure Betten!“, befahl sie in barschem Ton. Vicy nickte. „Ja, Eure Hoheit.“ Dann gingen sie zurück in ihr Zelt. „Wir hatten wahnsinnig Glück, dass sie uns nicht erkannt hat!“, sagte Vicy. „Einen Moment hatte ich echt Angst! Wir sollten jetzt aber echt schlafen!“ Sie sprangen in ihre Betten. Lange konnten sie nicht schlafen, doch dann siegte ihre Müdigkeit.


Siebenunddreißigstes Kapitel: Unterricht

Am nächsten Tag wurde Kevin von Vicy geweckt. „Sei still, zieh dich an und folge mir!“, flüsterte sie.
Kevin stellte keine Fragen. Vicy nahm ihren Bogen von der Wand und schlich raus in die Dämmerung. „Los, wir sind schon spät dran!“, sagte sie leise. „Wofür? Es ist doch noch nicht mal richtig hell!“ Vicy sah ihn an.
„Gestern hat der Elf gedacht, wir wären Jäger, also werden wir uns auch weiterhin wie welche benehmen!“, erklärte sie ihm, ihren Plan. Sie streckte ihm einen Bogen hin. „Da! Ich habe gestern Abend noch mit einem der Elfen geredet und behauptet, dein Bogen wäre kaputt gegangen. Er war zwar etwas erstaunt, aber jetzt hast du so einen Bogen wie ich; Direkt von den Elfen, aus dem besten Holz der ganzen Welt!“, sagte sie und strich vorsichtig über das dunkelbraune Holz. „Wer hatte deinen Bogen gemacht?“, wollte Kevin wissen. „Dreon hat ihn als ich sechs Jahre alt war für mich machen lassen. Kurz danach bin ich auch weggerannt und in den „Wald des Schreckens“ geflohen. Dort habe ich drei Jahre gelebt, dann seid ihr gekommen.
Ich habe Alanis sofort erkannt. Ich hatte Angst, sie würde mich erkennen und zurückholen, vor allem war ich wahnsinnig sauer auf sie, weil sie mich immer vor den anderen Elfen schlecht gemachte hatte, weil ich nur einen Halbelfe war! Leider hab ich sie nicht mit dem Speer getroffen. Im Speerwerfen bin ich echt eine Niete!“, beendete Vicy ihre Erzählung.
Ein Rudel Hirsche tauchte vor ihnen auf. Sie sprangen langsam und aufmerksam durchs Unterholz.
Kevin wollte den Bogen spannen, doch Victoria hielt ihn zurück. „Wie oft hast du das schon gemacht?“, fragte sie ihn. „Noch nie!“, gab Kevin zu. „Dann schau mir jetzt genau zu!“, flüsterte Vicy. Vicy spannte den Bogen. Einer der Hirsche hob den Kopf und sah in ihre Richtung. „Nicht bewegen!“, wisperte Victoria, ohne die Lippen groß zu bewegen. Der Hirsch starrte sie an, dann senkte er langsam den Kopf und begann mit den Hufen im Erdreich zu wühlen. Victoria zielte auf den Hirsch, schoss, traf und sagte: „Jetzt haben wir schon einen Hirsch. Jetzt kann ich dir das Schießen beibringen!“ Sie zeigte auf einen Baum. „So. Du stellst dich breitbeinig hin, so seitlich. Dann hebst du den Arm und ziehst den Ellenbogen nach außen. Gut. Dann lässt du die Sehne los!“ Der Pfeil schwirrte davon und schlug in den Baum. „Jetzt du!“, sagte Vicy.
Kevin brauchte sechs Versuche, bis der Pfeil den Baum traf. „Gut gemacht!“, lobte Victoria ihn. Sie nahm ihren Bogen und sprintete los. „He? Was soll das? Üben wir nicht noch ein bisschen?“, rief Kevin. „Quatsch!“, lachte Vicy. „Wer bis zum Abend die meisten Tiere erlegt hat, hat gewonnen!“, rief sie ihm über die Schulter zu. „Das ist gemein, du bist doch viel besser als ich!“, rief Kevin ihr zu. Doch sie hörte ihn nicht. „Ich kann doch noch nicht einmal Spuren lesen!“, rief Kevin ihr nach, doch sie war verschwunden. Kevin nahm seinen Bogen in die Hand und tappte unsicher los.
Nach langer Zeit sah er einen groß gewachsenen Hirsch. Er war wunderschön und graste friedlich auf einer Lichtung. Er hatte ein großes Geweih, die Beine waren muskulös, alles in allem: Er war ein Prachthirsch. Kevin spannte den Bogen und zielte. „Wenn ich den treffe...! Vicy wird Augen machen!“, dachte er. Er ließ die Sehne los. Der Pfeil flog auf den Hirsch zu. Auf einmal machte es klack! Der Pfeil wurde von einem zweiten Pfeil durchbohr und in einen Baum geschlagen.
Kevin sah Vicy. „Spinnst du?!“, flüsterte sie. „Das ist der Waldgott! Die Elfen hätten dich umgebracht, wenn du ihnen diesen Hirsch gebracht hättest! Du bist wahrscheinlich der einzige Nichtelf, der ihn jemals zu Gesicht bekommen hat!“ Vicy schlich leise auf Kevin zu.
„Leise! Wir dürfen ihn nicht wütend machen!“ Kevin und Vicy schlichen leise von der Lichtung. Hinter ihnen graste friedlich der Hirsch. Sie gingen zurück ins Elfenlager. Vicy hatte einen Hirsch geschossen, den sie dort einem großen Elf übergaben. Dann zogen sie sich in ihr Zelt zurück.
„Vor dem Abendessen haben wir noch etwas Zeit! Lass uns noch einmal in Alanis’ Zelt gehen!“, schlug Vicy vor. Auf Zehenspitzen schlichen die Beiden in das Zelt. Alanis war weg. Auf einmal entdeckte Kevin eine kleine, aus Holz gefertigte Schatulle, die mit einem dicken, eisernen Schloss verschlossen war.
Er machte Victoria darauf aufmerksam. Sie nickte und leise schlichen sie zu ihr hin. Mit einem Zauber öffnete Kevin das Schloss und hob den Deckel. In dem Moment räusperte sich jemand hinter ihm. „Wusste ich es doch, dass ihr das seid! Einen einfachen Elfen könnt ihr vielleicht täuschen, aber mich nicht, Kevin und Victoria!“, sagte Alanis.


Achtunddreißigstes Kapitel: Alanis’ Herz

Alanis zog ihr Schwert und ging auf die beiden los. Kevin und Vicy warfen sich viel sagende Blicke zu. Kevin stürmte rechts an Alanis vorbei, Vicy, mit der Schatulle in der Hand, links vorbei.
Alanis lachte böse und kalt.
„Ihr glaubt doch nicht ernsthaft, dass ich etwas so wertvolles wie mein Herz, in eine so mickrige Schachtel stecke!“, rief sie. Vicy ließ die Schatulle fallen. Auch wenn Alanis gelogen hatte und ihr Herz darin war, jetzt zählte nur ihr eigenes Leben. Sie rannten aus dem Zelt. Doch draußen wurden sie schon von den Elfen empfangen. Sie hatten das Zelt restlos umzingelt.
Mit aller Kraft, die Kevin aufbringen konnte, schlug er sich mit seinem Schwert den Weg frei. „CIARA! HILFE!!!“ Kaum war Kevins Schrei verklungen, preschte Ciara durch die Bäume auf sie zu. Sie packte Kevin mit der Pfote und riss ihn vom Boden. „Wo ist Saira?!“, schrie Kevin.
„Wir können jetzt nicht an Saira denken!“, schrie Ciara zurück. „Was ist mit Vicy?! Wir können sie nicht hier lassen!“, rief Kevin. „Sie werden Vicy nichts tun! Sie sind nur hinter dir her!“, schrie Ciara. „Lass mich runter! Wir können Vicy nicht hier lassen! Sie braucht uns! Lass mich runter! Bitte!“, bat Kevin. Warum wollte Ciara Vicy nicht helfen? „Lass mich los!“ Kevin strampelte und zappelte, fest entschlossen, Victoria nicht hier zulassen. „Ciara, lass mich los!“ „Nein!“, rief Ciara entschlossen. „Wir müssen Alanis dazu bewegen, uns zu verfolgen!“, schrie Ciara. Die Elfen schossen mit Pfeilen nach ihnen, Vicy kämpfte immer noch verbissen. „Hör auf damit! Sofort!“, brüllte Kevin. Er befreite sich aus Ciaras Pfote. Doch gleich verlor er das Gleichgewicht. Ciara fing ihn mit dem Schwanz auf. „Sei nicht albern! Halt dich fest!“, befahl Ciara. „Ciara! Kehr um!“, brüllte Kevin noch einmal.
„So ein dummer Junge!“, fluchte Ciara laut. Kevin strampelte und schlug um sich. „Du lässt mir keine andere Wahl!“ Damit ließ sie ihn auf den Boden fallen. Wie hungrige Hunde stürzten die Elfen sich auf ihn. Kevin sprang auf die Füße. Er wollte sein Schwert packen, doch in dem Moment landete Ciara neben ihm und versenkte das ganze Lager in ein Flammenmeer.
Alanis rannte durch das Feuer. Das hätte Kevin beinahe vergessen. Sie war unbesiegbar. Obwohl Alanis aussah wie aus Rauch gemacht, konnte man die Narben, die Ciaras Krallen vor drei Jahren in ihrem Gesicht hinterlassen hatten, gut erkennen. Im selben Moment flog Phönix neben sie.
Der Drache sah aus, als wäre er nur aus Rauchschwaden, genauso sah auch seine Reiterin aus. Trotzdem konnte man einen rötlichen Schimmer entdecken.
Alanis sprang auf Phönix’ Rücken. An seinem Rücken war eine kleine lederne Tasche befestigt. „Da muss Alanis’ Herz drinnen sein!“, dachte Kevin. Er zog sich auf Ciaras Rücken. In dem Moment kam auch Saira. Vicy sprang auf und die drei Drachen schossen in die Luft. Auch Colrim und Dreon ließen nicht lange auf sich warten.
Die fünf Drachen umkreisten sich. „Ich muss an ihre Tasche herankommen!“, sagte Kevin leise zu Ciara. „Kannst du ja mal versuchen!“, sagte Ciara zu ihm und schoss nach vorne auf Phönix zu. Sie schlug nach seinem verbliebenen Auge. Phönix wich fauchend zurück, sodass Kevin keine Zeit hatte den Beutel zu ergreifen. Phönix und Ciara lieferten sich einen Zweikampf, dann schoss Kevin einen Zauber auf Alanis ab, den sie aber abwehrte.
Vicy kämpfte derweil mit Mayder und Colrim, Shiran und Dreon. Mayder versuchte einen Angriff auf sie zu starten, doch Saira rammte ihn mit aller Kraft.
Kevin schlug mit dem Schwert auf Phönix’ Kopf, als dieser Ciara kratzte. Phönix knurrte ihn an. „Er hat gesagt, du sollst deine Pfoten von ihm lassen!“, schrie ihn Alanis an. „Na denen werden wir’s zeigen!“, rief Ciara.
„Ciara hat gesagt, wir werden euch platt walzen wie Ameisen!“, rief Kevin zurück. „Wie denn, bitteschön?!“, fragte Alanis lachend. „So zum Beispiel!“, rief Kevin und sprang von Ciara und wollte auf Phönix’ Rücken springen, fiel jedoch hindurch, da der ja nur noch ein Schatten war. Trotzdem war Alanis überrascht, Kevin nutzte seinen Vorteil und griff nach dem Beutel. Alanis reagierte blitzschnell. Sie packte ihn am Handgelenk und stieß ihn mit unmenschlicher Kraft von Phönix’ Rücken.
Ciara wollte hinterher, doch Phönix biss sie in den Hals. Ciara schrie und fauchte, sie strampelte und knurrte drohend, doch Phönix hielt sie mit aller Kraft fest. Auf einmal stemmte Ciara ihre Hinterpfoten auf einen unsichtbaren Boden und schleuderte Phönix über sich. Phönix musste sie loslassen und Ciara raste Kevin hinterher. Kurz vor dem Blätterdach über dem Elfenlager fing sie ihn auf. „Wir müssen näher an sie heran!“, rief Kevin. „Lass es uns versuchen!“, rief Ciara. Sie stieß von oben auf Phönix herab. Alanis wehrte ihren Angriff ab und setzte zum Gegenschlag an. Sie packte ihr Schwert mit beiden Händen, schlug von oben mit aller Kraft auf Kevin. Kevin wehrte den Schlag ab, dann schloss er die Augen und dachte nach. So würde es nicht gehen. Er hob den Bogen und wandte seine neu erlernte Kunst an. Er legte vorsichtig einen Pfeil ein, spannte die Sehne und ließ den Pfeil lossirren. Der Pfeil flog auf Alanis zu und ohne Schaden anzurichten durch sie hindurch. „Das heißt also unbesiegbar!“, dachte Kevin und wurde fast ein bisschen wütend, dass er da nicht schon früher dran gedacht hatte. „Gib nicht auf, mein Kleiner! Ich glaube an dich! Victoria glaubt an dich! Und Saira auch! Das weiß ich genau. Du kannst das schaffen!“
Kevin drehte sich um. Er sah das Mädchen, das inzwischen schon beinahe seine Schwester war, aber er liebte sie noch mehr wie eine Schwester. Er sah den schwarzen Drachen, den er schon als das kleine, schwarze, tollpatschige Drachenbaby gekannt hatte. Und er sah die goldene Schwanzspitze des Drachen, seines Drachen, den er über alles liebte, der nun ein Teil von ihm war, ja, und er war ein Teil von Ciara. Sie alle glaubten fest an ihn.
Kevin wusste es genau. Und keiner konnte ihm etwas anderes erzählen. Also musste er sie jetzt verteidigen, diesen Kampf beenden, sich retten, und alle Anderen auch. „Ich weiß, was zu tun ist!“ Er blockte den nächsten Zauber von Alanis ab und packte sein Schwert. Ciara raste auf Phönix zu und schlug nach ihm. Phönix wich instinktiv zurück. Er hatte wohl vergessen, dass er unbesiegbar war. Er war nicht mehr der Phönix, den Kevin, in Ciaras Armen liegend, kennen gelernt hatte. Er war nicht mehr der kleine Phönix, der im Kampf mit Ramor zitternd und bettelnd zwischen Ciaras Zähnen gelegen hatte. Nein, Phönix bettelte jetzt nicht mehr um sein Leben. Er war wütend, er wollte seine Reiterin beschützen.
Er beschützte sie nicht mit seiner Angst, sondern mit seiner Wut. Er kannte keine Angst mehr, keine Freude, nur noch Wut und Aggression, wie seine Reiterin. Er war kein Lebewesen mehr. Er war ein Schatten, ein Geist, ein Dämon. Und, Kevin wusste nicht warum, er tat Kevin so wahnsinnig leid.
Ciara schoss durch Phönix hindurch. und Kevin wollte den Lederbeutel packen, doch Alanis war schneller. „Es wird dir nie gelingen!“, rief sie. „Kevin!!!“, schrie Vicy von hinten. Mayder raste auf ihn zu. Kevin schlug ihn mit der Breitseite des Schwertes kräftig auf den Kopf. Mayder wich zurück und Ciara tauchte unter ihm durch. Kevin schlug ihm das Schwert in den ungepanzerten Bauch.
Mayder schrie auf und stürzte zu Boden. Colrim starrte Kevin hasserfüllt an und sprang von seinem toten Drachen um ihn zu rächen, doch in dem Moment fiel er leblos zur Erde. „Es muss schrecklich erst die eine Hälfte seiner Seele sterben zu spüren und dann die Andere“, dachte Kevin traurig. Er hasste es, zu töten.
Als er fünf Jahre alt war, war er einmal versehentlich auf eine Eidechse getreten. Schon das fand er schrecklich. Und nun war es zu seiner Aufgabe geworden, zu töten. Kevin blieb keine Zeit für weitere Überlegungen, denn Alanis kam von oben auf ihn zugestürmt. Ohne zu zögern packte Kevin das Schwert und stach es mit aller Gewalt in die Ledertasche.


Neununddreißigstes Kapitel: Alles Vorbei?

Einen Moment starrte Alanis ihn nur fassungslos aus ihren toten Augen an, dann zerfielen erst langsam ihre Hände zu Staub, danach ihr gesamter Körper und zum Schluss Phönix.
Dreon hatte das Ganze mit angesehen und flüsterte dann: „Es ist noch lange nicht vorbei, hörst du, Amulettträger?!“ Kevin saß auf Ciaras Rücken und sagte nichts. Es musste so sein. Es würde sich immer jemand gegen die Sinder auflehnen. Es würde immer jemanden geben, von dem das Böse besitz ergriffen hatte.
Doch es war seine Aufgabe, die Sinder und vor allem Vicy zu schützen. Er durfte Dreon nicht entkommen lassen. Dieser hatte inzwischen Shiran umgedreht und suchte das Weite. „Lassen wir ihn nicht entkommen!“, flüsterte Kevin Ciara zu. Ciara nickte zustimmend und schoss einen Feuerstrahl in die Luft. Dann schlug sie kräftig mit den Flügeln. Doch Dreon war schon verschwunden.
„Wenn er weg ist, ist es doch auch gut!“, meinte Ciara und landete, um dort ausgiebig ihre Pfoten zu lecken. „Ich muss die Elfen überzeugen, mit uns zu kommen!“, rief Kevin und wollte davonrennen. „Du gehst nirgendwo hin!“, sagte Ciara und klatschte ihre Pranke auf Kevin. Kevin versuchte darunter hervor zu krabbeln. „Was soll das?“, wollte Kevin wissen. „Immer wenn ich dich aus den Augen lasse, bist du in Schwierigkeiten. Ich denke nur an deine erste Begegnung mit Vicy, oder an den Bärendämon, oder, jetzt gerade eben, oder...“ Ciara sah Kevin an. „Was willst du machen? Mich an deinen Rücken binden?!“, fragte Kevin sie. „Keine schlechte Idee!“, knurrte Ciara. „Lass mich los!“, befahl Kevin. „Warum?“, fragte Ciara. Kevin hob ihre Pranke an um ihr in die Augen zu sehen. Plötzlich musste er lachen. „Komm!“, sagte Ciara, stand auf und packte Kevin mit dem Maul am Hemdkragen.
Kevin und Vicy boten den Elfen an, sich ihnen als Verbündete anzuschließen. Viele stimmten zu und nach einigen Verhandlungen stimmten schließlich alle zu. Kevin verwandelte sich und Vicy zurück in Menschen. Dann stiegen sie auf ihre Drachen. „Ich freue mich auf zu Hause!“, sagte Kevin als Ciara abhob. „Wie meinst du „Zu Hause“?“, fragte Vicy. Da fiel es Kevin erst wieder ein. Seine Familie! Seine Geschwister, seine Mutter und sein Vater! Er sah Vicy an. „Ich muss nach Hause!“, sagte er. Ciara schoss an Saira vorbei. „Ich werde bald wiederkommen!“, rief Kevin Victoria zu. „Ciara! Nach Narel, und zwar schnell!“, befahl er dann.


Vierzigstes Kapitel: Endlich zu Hause

Der Flug dauerte nur vier Tage, aber sie kamen Kevin vor wie Jahre. Als er endlich vor dem Haus stand, das so viele Jahre sein zu Hause gewesen war, hielt er es nicht mehr aus. „Mum! Dad! Wo seid ihr?“ Jemand lief die Treppe hinunter. „Kevin? Bist du das wirklich?“ Seine Mutter stand vor ihm.
Seine Geschwister kamen die Treppe heruntergetrampelt, dann sein Vater. Er umarmte sie alle, dann erzählte er ihnen die Geschichte, die er erlebt hatte. Er zeigte ihnen auch Ciara und seine Geschwister durften auf ihr reiten. „Ich muss leider wieder los. Ich werde aber bald wiederkommen!“, versprach Kevin. Und er hatte es wirklich ganz fest vor.
Plötzlich merkte Kevin, dass ihm schlecht wurde. Dann hörte er Victorias Gedanken in seinem Kopf. „Kevin! Komm sofort hierher zurück! Egal, was du durchstochen hast, es war nicht Alanis’ Herz! Alanis lebt! Sie greift uns mit einer Armee aus irgendwelchen Geschöpfen an! HILFE!“ Dann verblasste ihre Stimme. Kevin war schreckensbleich. Er sprang auf Ciaras Rücken, stieß ihr wie einem Pferd die Hacken in die Seite. „Flieg, Ciara! Schnell!“, schrie er. Ciara sprang in die Luft. Sie breitete ihre goldenen Flügel aus und schlug kräftig damit. „Wohin?!“, fragte sie. „Zu den Sindern!“, rief Kevin. Ciara flog so schnell, wie noch nie.
Sie hatten Rückenwind und waren dadurch auch schneller. „Was ist denn überhaupt los?“, wollte Ciara wissen. „Ciara, das ist so verwirrend! Alanis ist gestorben, aber dann war sie ein Geist und ich habe ihr Herz durchbohrt, aber das war nicht ihr Herz, denn sie lebt immer noch.“ „Das bedeutet, dass ihr Herz noch irgendwo sein muss!“, schlussfolgerte Ciara. Kevin nickte. Da hatte er die Idee. „Ciara, kann man eigentlich Gegenstände in etwas Anderes verwandeln?“ Ciara dachte nach.
„Du meinst, sie hat vielleicht...?“ Kevin nickte wieder. „Ich bin mir sogar sehr sicher!“ „Aber was könnte das sein?“, überlegte Ciara. Wieder hatte Kevin die passende Antwort. „Ist dir die Kette an ihrem Hals aufgefallen, die, mit dem grünen Smaragd?“, fragte Kevin sie. Ciara schüttelte den Kopf. „Die hat sie erst, seit sie gestorben ist“, erklärte Kevin ihr. Ciara stutzte. „Bist du dir da ganz, sicher?“, fragte sie nach. Kevin nickte. „Ganz, ganz sicher!“ „Alanis hat uns in letzter Zeit viele Fallen gestellt!“, erinnerte Ciara ihn. „Warum sollte das nicht auch eine Falle sein?“ Kevin überlegte. „Das kann ich dir nicht sagen. Aber eines weiß ich: Wir müssen es versuchen!“


Einundvierzigstes Kapitel: Angriff!

Schon von weitem sahen sie, dass die Angreifer den Sindern an Zahl und Waffen weit überlegen waren. Alanis konnte er nirgends sehen, dafür Dreon und Shiran. „Aha, die Frau Königin verkriecht sich in ihrem Elfennest!“, unkte Ciara.
Dann setzte Ciara zum Sturzflug an und stieß ein gewaltiges Flammenmehr auf die feindliche Armee. Kevin schlug mit seinem Schwert links und rechts auf die Elfen ein. Ciara stieg wieder ein Stück in die Höhe.
Dreon hatte sie erblickt.
Shiran sah ihnen entgegen. Einen Moment sagte niemand etwas und keiner der vier rührte sich. Dann öffnete Shiran den Mund und brüllte seinen Zorn heraus. Daraufhin breitete er die Flügel zu ihrer ganzen Größe aus und griff sie an. Kevin stach mit dem Schwert nach seiner Schnauze. Dreon schlug mit dem Speer nach Kevin, der Speer zersplitterte an Kevins Schwert. Wieder schlug der Elf mit dem Speerstumpf, Kevin wich ihm aus und riss das Schwert hoch, um Dreons nächsten Schlag abzuwehren.
Er schrie einen Zauber und duckte sich vor Dreons Schwert. Ciara ließ einen knurrenden Laut aus ihrer Kehle dringen und schnappte nach Shiran. Die Drachen prallten ineinander, Kevin und Dreon lieferten sich kurz einen heftigen Zweikampf. Dann ließen die Drachen voneinander ab und Ciara wich Shirans Kralle aus, die durch die Luft sauste.
Dunkle Wolken waren aufgezogen. Langsam fiel der erste Regentropfen, dann wurden es immer mehr, bis es in Strömen regnete. Kevin klammerte sich an Ciaras Zacken fest, um nicht von ihrem Rücken zu rutschen. Der Wind wehte ihn beinahe weg. Aber wo war Vicy?


Zweiundvierzigstes Kapitel: Wo ist Vicy?

Vicy zitterte vor Kälte und Angst am ganzen Körper. Wenn diese Geschöpfe sie jetzt finden würden, wäre alles aus. Dicht an die Wand gepresst schlich Vicy sich durch die Eingangshalle. Wo war nur Kevin, wenn man ihn brauchte? Sie stieß sich von der Wand weg und floh in den Schatten der nächsten Wand. Wie konnte sie nur entkommen? Sie konnte unmöglich durch die Tür spazieren, die Kreaturen würden sicher jeden Ausgang bewachen. Warum hatte sie Saira nur weggelassen. Saira hätte nie zum jagen in den Zwergenwald gehen dürfen. Jetzt war sie zu weit weg, um Vicy hier zu helfen.
Sie hörte Schritte auf dem kalten Boden. In ihrer Zeit als Elfe hatte sie einiges gelernt, aber vor allem, sich zu tarnen. Sie strich leise an der Wand entlang, ohne ein Geräusch zu machen. Wie ein Windhauch schlüpfte sie durch die Tür in Faleons ehemaliges Zimmer. Hinter sich schloss sie die Tür. Vicy sah sich um.
Ihr viel das Bett auf. Darunter könnte man sich sicher gut verstecken! Schnell sprang sie darauf zu.
Sie hörte hinter sich jemanden rufen. Dann eilten Schritte in verschiedene Richtungen davon. Sie hatten sich vermutlich aufgeteilt.
Vicy hatte sich gerade unter dem Bett versteckt und blickte zur Tür, als diese auch schon aufging. „Durchsucht den Raum!“, befahl jemand mit zischender Stimme.
So leise wie möglich rutschte Vicy auf dem Boden weiter unter das Bett. Sie war sich sicher, dass die Kreaturen als erstes unter dem Bett nachsehen würden. Wie hatte sie nur so dumm sein können! Jemand kam auf sie zu. Die Bettdecke wurde leicht angehoben, sodass man darunter gucken konnte. Jeden Moment würde sie entdeckt werden. Jeden Moment würde das Gesicht eines dieser Kerle vor ihr auftauchen. Vicy robbte langsam zurück. Eine knochige, halb vermoderte Hand stützte sich auf dem Boden ab. Die Finger waren dünn, sie waren nur an manchen Stellen noch von ein paar Fetzen Haut bedeckt. Vicys Herz raste. Sie musste etwas tun. Irgendetwas. Langsam erschien ein Gesicht unter dem Bett. Vicy riss den Mund zu einem Schrei auf, der jedoch in ihrer Kehle stecken blieb. Wie in Zeitlupe sah sie, dass sich die Fratze vor ihr zu einem triumphierenden Grinsen verzog.
„Das Versteckspiel ist beendet! Und ich habe gewonnen!“ Dann packte die knochige Hand Vicys Hemd und zog sie mit einer unmenschlichen Kraft unter dem Bett hervor. Das verwesende Gesicht lachte sie an. Die Kleidung hing in Fetzen an dem Wesen herunter, an den Armen und Beinen sah man zum Teil nur Knochen und Sehnen, manchmal auch ein Stück verschimmelte Haut. Vicy wollte nur noch Schreien. Sie hatte Angst, wie noch nie in ihrem Leben.
Auf einmal biss sie dem Wesen in die verfaulte Hand. Dieses ließ sie los. „Sie hat mich gebissen!“, fluchte es. Vicy prallte auf den Boden, sprang auf die Füße und floh aus dem Zimmer. Sie rannte durch die Halle auf die Tür zu. Sie sah die Tür vor sich, sie wollte danach greifen, doch jemand packte sie von hinten.
Sie strampelte und wandte sich. Sie drehte sich um. Das Monster packte sie mit beiden Händen und schüttelte sie. „Dass du mir ja nicht noch mal abhaust! Das war genug Sport für meine alten Knochen! Die sind schließlich über fünfhundert Jahre alt!“ Angeekelt verzog Vicy das Gesicht.
Inzwischen hatten auch die anderen Leichen aufgeholt. Vicy trat der Kreatur in die Rippen. Eine Rippe ging dabei zu Bruch. „Das war nicht nett!“, sagte es, während es die Rippe an seinen ursprünglichen Platz rückte. Vicy nutzte die Gelegenheit und riss sich los. Sie rannte die Treppe hoch in Kevins Zimmer.
Sie knallte die Tür hinter sich ins Schloss und lehnte sich keuchend dagegen. Sie musste die Tür mit irgendetwas verbarrikadieren.
Das Bett war zu schwer, das musste sie schließlich einsehen, ebenso der Schrank. Sie schob den Tisch vor die Tür und klemmte die Stühle dahinter. Aber lange würden die nicht halten. Vicy hatte keine Chance. Sie stürzte ans Fenster. Sie war hoch oben, aber es war die einzige Möglichkeit. Außerdem war zwei Meter unter ihr das Dach der Eingangshalle. Sie setzte sich auf das Fenstersims und warf einen Blick über die Schulter.
Das Holz der Tür splitterte, als sich das Geschöpf dagegen warf. Vorsichtig ließ Vicy sich vom Fensterbrett gleiten und landete auf dem Dach. Sie ging in die Knie um den Sprung abzufedern. Dann balancierte sie langsam über das Dach wie über Sairas Rücken. Hinter ihr landeten die Halbtoten auf dem Dach.
Viel zu schnell war Vicy auch schon am Ende des Daches angekommen.
Nur war es hier noch immer sehr hoch. Sie konnte nicht springen. In der Ferne glaubte sie Ciaras goldene Schuppen zu erkennen. Sie wedelte heftig mit den Armen. „Kevin!!! Hilfe! Hier bin ich!!!“, schrie sie. Doch er schien sie nicht zu hören.


Dreiundvierzigstes Kapitel: Die Solektho

Kevin drehte sich um. War das nicht Vicy, die dort auf dem Dach stand? Kevin war sich ganz sicher.
Er wendete Ciara und flog auf das Dach zu. Tatsächlich: Dort stand sie. „Was sind das für grauenhafte Wesen?!“, fragte sie ihn, als sie auf Ciaras Rücken sprang. „Man nennt sie Solektho“, sagte Ciara. Kevin gab es an Vicy weiter. „Wir müssen etwas unternehmen!“, rief Vicy. „Kevin, ich brauche ein Pferd!“ „Nichts lieber als das!“, lächelte Kevin. Ciara landete und er verwandelte sich augenblicklich in ein Pferd. „Steig auf!“, schnaubte er. Vicy sprang von Ciaras Rücken direkt auf Kevins. „Ciara, du wirst über uns fliegen und uns helfen!“, befahl Kevin. „Natürlich!“, sagte Ciara. Dann galoppierte Kevin los. Er preschte mit hocherhobenem Schweif auf die ersten Solektho zu und trampelte sie nieder. Wie ein geölter Blitz schoss er durch die Reihen, Ciara flog über ihnen und stieß ab und zu herab um alles um sie herum in Brand zu setzen.
Dreon und Shiran kämpften gegen die Sinder. Schnell wie der Wind galoppierte Kevin durch die Menge auf Dreon und den blauen Drachen zu. Er wieherte Ciara entgegen. „Kümmere dich um Shiran!“ „Mit Vergnügen!“, antwortete sie.
Sie öffnete ihr Maul und ließ einen Feuerstrahl herausschießen. Dann raste sie auf Shiran zu und biss ihm in die Seite. Shiran wich nach hinten und schnappte nach Ciara. Eine Weile bissen die Drachen sich gegenseitig und schlugen mit den Krallen nacheinander. Dann wich Ciara Shiran aus und rammte ihn. Shiran knurrte tief. Dann riss er sein Maul auf und vergrub die Zähne in Ciaras Fleisch. Ciara zuckte zusammen und trat gegen Shirans Kopf. Shiran wirkte kurz benommen und Ciara nutzte diese Situation um sich loszureißen.
Inzwischen waren Kevin und Vicy unter ihnen angekommen. Kevin stieg und ließ seine Hufe wirbeln, als einer der Solektho mit dem Schwert nach Victoria schlug. Plötzlich wurde Victoria von seinem Rücken gerissen. „Kevin!!!“ Kevin wirbelte herum und wollte ihr helfen, doch die Solektho versperrten ihm den Weg. Sie drängten ihn zurück. Kevin senkte den Kopf und schlug sich durch die Menge, um Vicy zu helfen.
Vicy trat nach dem Solektho, der sie festhielt. Sie erwischte ihn nicht und traf ins Leere. Der Solektho lachte. Vicy riss dem nächst besten Solektho einen Arm aus und schlug damit auf ihren Angreifer ein. Der zuckte mit jedem Schlag zusammen, ließ sie aber nicht los.
Da preschte Kevin an ihr vorbei, auf den Solektho zu. Er schlug mit den Hufen nach ihm und der Solektho ließ Victoria los. „Gib mir meinen Arm wieder!“, fauchte der Solektho, dem Vicy den Arm geklaut hatte. „Gerne!“, sagte sei und schlug dem Solektho damit auf den Kopf. Vicy nahm Anlauf und stemmte sich mit den Händen auf Kevins Rücken. Sie schwang ein Bein auf die andere Seite, dann griff sie in seine schwarze Mähne und Kevin rannte los.
Plötzlich stellte sich ihm ein Solektho in den Weg. Kevin versuchte auszuweichen und rutschte auf dem schlammigen Boden aus. Er versuchte sein Gleichgewicht wieder zu finden, doch die Solektho stürmten von allen Seiten auf sie zu und Kevin hatte weder Platz noch Zeit, wieder auf die Beine zu kommen. Er schlug sich das hintere Knie auf und überschlug sich einmal. Vicy fiel neben ihm in den Schlamm. Kevin trat mit den Beinen nach den Angreifern. Einer von ihnen verlor seinen Arm. Ein anderer bekam einen Huf gegen den Kopf, so dass dieser weggeschleudert wurde. „Könnt ihr nicht aufpassen, wo ihr hinlauft?!“, schimpfte der Kopf mit seinen Beinen. Kevin biss dem nächsten Solektho ins Bein. Von oben stieß Ciara herab um ihnen zu helfen. Die Solektho wichen zurück, als Ciara auf dem Boden landete. Kevin hatte wieder Platz um aufzustehen und rappelte sich auf. Vicy kletterte schnell auf seinen feuchten, schlammbespritzten Rücken.
Die Sinder waren inzwischen zurückgedrängt worden. Die Solektho gewannen die Oberhand. Kevin wieherte verzweifelt und galoppierte los. Wo Ciara auftauchte flohen die Feinde nach allen Seiten. Wie ein wütender Tiger schlug sie nach allem, was ihr in den Weg kam. Kevin schlug mit dem Kopf und biss und trat nach allen Seiten. Kevin sprang über einen auf dem Boden liegenden Solektho und stieg wieder. Seine Mähne wehte im Wind und schien den Sindern neues Selbstvertrauen zu geben, denn sie kämpften wie besessen. Kevin warf den Kopf gen Himmel und wieherte. Dann rannte er weiter durch den Regen, der den Boden immer rutschiger machte.
Vicy hielt sich nur nach mit viel Mühe auf Kevins Rücken. Die Mähne klebte ihm am schweißnassen Fell, der Regen tropfte von seinem Schweif. Tapfer rannte Kevin weiter. Langsam schienen die Solektho zurückzuweichen. „Ich habe das Gefühl, ich wäre in einem Gruselmärchen!“, wieherte Kevin. „Da täuschst du dich, so leid mir das tut!“, sagte Ciara. Sie spuckte wieder eine Flamme und versenkte das Gebiet in Flammen. Auch Vicy hatte Kevins Worte gehört. „Vielleicht solltest du auch anfangen, an Märchen zu glauben. Du bist mitten in einem drin!“
Kevin schlug mit seinem Kopf einen Solektho aus dem Weg und Vicy trat einem weiteren in die Brust, woraufhin sechs seiner verfaulten Rippen brachen. Von Dreon fehlte jede Spur. „Er scheint nach Hause gegangen zu sein“, sagte Ciara amüsiert. „Hat wohl Angst bekommen!“ Wieder stieß sie von oben herab und lies ihre Krallen durch die Luft sausen. Weiter vorne kämpfte Drebilon gegen fünf Solektho gleichzeitig. Kevin senkte den Kopf und galoppierte auf sie zu. Es war riskant, was er vorhatte, aber es könnte funktionieren. Drebilon stand mit dem Rücken an einem umgestürzten Baum. Kevin galoppierte auf den Baum zu. Jetzt musste alles klappen.
Jetzt durfte nichts, aber auch gar nichts schief gehen.
Er zitterte ein bisschen vor Aufregung. Er spürte jeden seiner Galoppsprünge. Der Baum war jetzt noch drei Galoppsprünge entfernt, zwei, ein Sprung noch... Kevin spannte seine Muskeln an. Er musste so hoch springen wie noch nie. Er hob die Vorderhufe, stieß sich hoch in die Luft, sprang über den Baum und über Drebilon, Kevins Hufe steiften fast Drebilons Kopf, dann setzte Kevin zu einer perfekten Landung an. Er stieß mit den Hufen die Solektho um und landete auf ihnen. Überrascht von dem guten Sprung, aber auch stolz auf sich trabte er mit hocherhobenem Kopf um Drebilon herum. „Danke!“, keuchte dieser nur. „Nichts zu danken!“, sagte Vicy.
Der Kampf neigte sich eindeutig dem Ende: Die Solektho flohen.
Als auch der Letzte verschwunden war, zeigte Kevin eindeutig, dass keiner es mit ihnen aufnehmen konnte: Er stieg mit wehender Mähne, ließ die Hufe wirbeln, schlug kräftig mit dem Schweif und wieherte so laut er konnte ihren Sieg in den Himmel.
Jeder sollte es hören. Dann jagte er zu Ciara zurück. „Wir haben gewonnen!“, jubelte Vicy. Kevin verwandelte sich zurück in einen Menschen. „Hast du etwas Anderes erwartet?“, fragte er.


Vierundvierzigstes Kapitel: Der Plan

Kevin wachte auf. Er streckte sich und erinnerte sich an den vergangenen Tag. Am Abend hatten sie noch sehr lange ihren Sieg gefeiert. Dann war er erst weit nach Mitternacht zum einschlafen gekommen. Kevin sah aus dem Fenster. Es war sicher schon Mittag, die Sonne stand hoch am Himmel. Sein Magen knurrte. Verschlafen tappte er die Treppe runter, nahm in der Eingangshalle die vierte Tür rechts und tappte in die Küche. Die Köche waren nirgends zu sehen, ebenso wenig der Küchenjunge Marto, der immer etwas zu Essen hatte.
Also beschloss Kevin, sich selbst etwas zu machen. Er hatte noch nie an einem Herd gestanden. Aber er hatte oft seiner Mutter zugesehen. Erst machte er Feuer. Dann durchsuchte er die Schränke nach etwas Essbarem. Er fand eine Menge. Ein halbes Hähnchen von gestern, ein Wildschwein und noch eine Menge anderer Reste. Da er sich nicht sicher war, ob die Sachen noch gebraucht wurden, nahm Kevin einfach ein Ei und schlug es in die Pfanne. Spiegelei würde er ja wohl hinbekommen. Kurz darauf kam Vicy im Schlafanzug in die Küche. „Hast du auch verschlafen?“, fragte sie. Kevin nickte. „Ich bin erst gerade eben in die Küche gegangen. Und dann hab ich die Köche nicht gefunden. Und Marto ist auch weg.“ „Ja.“ Vicy nickte. „Ich hab ihnen heute freigegeben. Hast du noch ein Ei?“, fragte sie dann, als sie die Pfanne sah. Sie durchsuchten die Schränke. Währenddessen verbrannte das Spiegelei. Vicy lachte. „Na, soviel ich weiß, ist in nächster Zeit kein besonderer Anlass. Ich glaube, das Wildschwein reicht für uns!“ Dann zogen sie es aus dem Schrank auf den Boden, setzten sich drum herum und nagten die Knochen ab.
Kurz danach waren Beide satt. „Das dürfen wir aber keinem erzählen!“, lachte Vicy. „Ich glaube kaum, dass das funktioniert. Wie willst du den Köchen erklären, dass plötzlich ein ganzes Wildschwein verschwunden ist?“, fragte Kevin. Dann lachten beide. Die Knochen warfen sie, wie alle anderen Abfälle, aus dem Fenster. „So, jetzt ist die Küche wieder sauber!“, sagte Vicy, die den Boden betrachtete. Das Fett hatten sie aufgewischt, die Knochen entsorgt, die Pfanne ausgespült... Was konnte man mehr von ihnen erwarten?
Die Kinder verließen die Küche und Vicy ging wieder in ihr Zimmer, um noch ein bisschen zu schlafen, Kevin schwang sich auf Ciaras Rücken. „Bist du müde?“, fragte Ciara. Kevin nickte. „Ruh dich ruhig aus, ich lass dich nicht fallen.“
Kevin legte sich zwar hin, doch er wusste, dass er nicht einschlafen könnte. Er musste nachdenken. Es gab nur zwei Möglichkeiten, wo Alanis sich verstecken konnte: Erstens, im Elfenwald. Dort hätten die Elfen sie aber längst aufgespürt. Also blieb nur Möglichkeit zwei: Sobekkat, die Hauptstadt.
Die Stadt war von einer großen Mauer umgeben und so gegen jeden Angriff geschützt. Auf der Mauer waren immer mindesten hundert Bogenschützen, also konnten sie auch nicht einfach die Mauer durchbrechen. Ein einzelner musste hineinschleichen und von innen das Tor öffnen.
Kevins Augen blitzten. Soeben hatte er einen waghalsigen Plan gefasst.


Fünfundvierzigstes Kapitel: Ful’caestas ven

Er beschloss, Vicy sofort zu wecken. Ciara setzte ihn im Hof ab und Kevin rannte in Vicys Zimmer.
„Vicy!“
Vicy schreckte aus dem Schlaf.
„Alarm! Angriff! Alle an die Waffen! Wer greift uns denn an?“, fragte sie verwirrt, als sie Kevin sah.
Kevin lachte. „Niemand.“
„Warum schreist du dann so?“, fragte Vicy.
„Ich hab nicht geschrieen, ich hab gerufen!“, meinte Kevin.
„Du hast eindeutig geschrieen.“ Vicy gab nicht nach.
„Ich hab gerufen!“
„Nein, geschrieen.“
„Gerufen!“
„Geschrieen“, sagte Vicy.
„Gerufen!“
„Jetzt schreist du aber“, stellte Vicy zufrieden fest.
„Ich hab...!“ Kevin zögerte. Dann stellte er fest, das Vicy ihn reingelegt hatte. „Du...!“ Er stürzte sich mit einem Schrei auf sie. Vicy stolperte rückwärts, und stürzte zu Boden.
Kevin boxte sie in die Schulter. Vicy rollte sich auf Kevin. „Ich bin einfach stärker! Ich bin schließlich eine Halbelfe!“, kommentierte sie.
„Also. Was wolltest du?“, fragte sie Kevin. „Ich weiß wo Alanis sich versteckt!“ Vicy bekam große Augen. „Wirklich?“, fragte sie gespannt. Kevin nickte. „Wirklich! Und ich weiß, wo ihr Herz ist!“ Vicy sah ihn prüfend an. „Wirklich?“, fragte sie wieder. „Wirklich!“, nickte Kevin. Dann erzählte er Vicy seinen Plan.
Als er geendet hatte, sagte Vicy: „Ich weiß nicht, ob das nicht zu riskant ist! Aber versuchen können wir es!“ Vicy rannte in Drebilons Büro nebenan und befahl, er solle sofort die Truppen bereit machen. Kevin schwang sich auf Ciaras Rücken. „Mach dich zum Angriff bereit!“, flüsterte er.
Dann breitete Ciara ihre großen Flügel aus. Sie rannte ein Stück. „Und wie findest du es da oben?“, fragte sie. „Ganz schön schaukelig!“, sagte Kevin, der sich an ihrer Rückenzacke festhielt. „Die Technik können wir bei Bodenkämpfen anwenden, oder im Wald, wenn wir nicht fliegen können!“ Dann schwang sie sich in den Himmel und legte sich tief in eine Linkskurve. „Los! Kannst du nicht schneller?!“, schrie Kevin. Er fühlte sich vollkommen frei.
Der Wind pustete ihm ins Gesicht. Hinter ihnen flog Saira, doch sie zählte im Moment nicht. Kevin wusste, dass nicht alle Drachenreiter diesen Moment erlebten. Es war bei Drachen und Reitern normal, dass sie sich eng verbunden fühlten, doch wenn sie alle Gefühle, alle Gedanken teilten, miteinander Höhen und Tiefen im Leben erlebt hatten, nur dann waren sie wirklich wie Eins. Und genau diesen Moment erlebten Kevin und Ciara gerade. Kevin hörte in dem Moment ganz klar nur noch ein einziges Geräusch: Das klopfen ihres gemeinsamen Herzens. „ Ful’caestas ven!“, rief Kevin. Das Amulett hatte ihm diesen Zauber plötzlich in die Gedanken geschoben. Es war wie im Kampf mit Ramor. Er konnte an nichts außer diesen Zauber denken, also hatte er den Zauber verwendet. Plötzlich veränderte sich sein Blickfeld, seine Gefühle, alles war plötzlich anders. Da merkte er, dass er nun dieselben Dinge sah wie Ciara und die Dinge auch genauso sah. Seine Gefühle waren zwar die Selben geblieben, doch er nahm sie anders war. Nun trennte Ciara und ihn nichts mehr. Nun waren sie wirklich Drache und Reiter.
Kevin spürte nichts anderes mehr. Nur noch dieses eine Gefühl, bei dem er sich nicht sicher war, ob er jemals wieder so etwas fühlen würde, ob jemals ein Anderer so etwas gefühlt hatte oder fühlen würde.
Es gab nichts Anderes mehr, nur ihn und Ciara. Seine Augen hatten sich verändert, das merkte er jetzt. Langsam ließ das Gefühl nach. Kevin war traurig, doch er war sich sicher, dass dies nicht das einzige Mal bleiben würde, bei dem er mit Ciara Eins war.
Sie überquerten den Zwergenwald. Als der Fluss Arkuht direkt unter ihnen war, flog Ciara so tief, dass sie sich in dem Wasser spiegeln konnten. Kevin erstarrte. Seine Augen waren bersteinfarben geworden, wie die von Ciara. „Hast du das gewusst?“, fragte Kevin Ciara. Ciara nickte. „Seit drei Jahren warte ich auf diesen Tag!“, sagte sie stolz. „Und endlich haben wir es geschafft!“ Kevin sah noch einmal zurück ins Wasser. Er konnte sich noch daran erinnern, als er die hellbraunen gelockten Haare hatte.
Wie sehr hatte er sich seither verändert. Seine Haare waren Kinnlang und dunkelbraun, an den Enden leicht gewellt, seine Kleidungsstücke waren auch neu und nicht mehr dieselben, die er drei Jahre lang tragen musste, morgens, mittags, abends. Es war schrecklich gewesen. Jetzt hatte er neue Sachen, die ihm perfekt passten. Ganz besonders stolz war er auf seinen Umhang aus Hirschleder. Er war so schön weich und warm. Der Kevin, der ihn jetzt aus dem Wasser anschaute hatte kaum Ähnlichkeit mit dem neunjährigen Kind mit den dreckigen, braunen Haaren. Kevin war jetzt dreizehn. Er war fast erwachsen. Und das sah man ihm an.
Er hatte Muskeln bekommen und breite Schultern. Und Kevin war stolz. Stolz auf sich, stolz auf Ciara, aber vor allem war er stolz auf seine neuen Augen. Er konnte sich gar nicht satt sehen. Das gold passte perfekt zu seinen Haaren.
Erst jetzt fiel Kevin auf, dass das ziemlich eingebildet klang. „Das darf bloß Vicy nicht hören!“, dachte er bei sich. „Du siehst etwas schmutzig aus!“, sagte Ciara. „Ja, das bin ich tats...“ Weiter kam er nicht. Ciara schmiss ihn kopfüber ins Wasser. „Das ist jetzt schon das dritte mal hintereinander, dass ich das mache und du wirst einfach nicht schlauer!“, lachte Ciara. Kevin sah sie an. Er war wunschlos glücklich. Ciara und er ergänzten sich perfekt, doch sie hatten auch Gemeinsamkeiten: Es viel beiden schwer, nichts anzustellen. Ciara war eher ruhig, aber auch verspielt, sie unterstützte Kevin wo sie konnte, doch sie holte ihn auch oft auf den Boden der Tatsachen zurück, was ihm, wie sie meinte, sehr gut tat.
Kevin war abenteuerlustig und dachte manchmal nicht an ein Risiko, oft war er sich der Folgen seiner Taten nicht bewusst.
Das alles merkten beide aber auch erst jetzt. Erst jetzt merkten beide, dass sie ohne einander nur noch die Hälfte wären.
„Was einem alles auffällt, wenn man merkt, dass es hätte schlimmer kommen können!“, sagte Ciara.
Saira und Vicy hatten aufgeholt. Kevin musste Vicy in die Augen sehen. Er konnte sich nicht vorstellen, wie sie mit schwarzen Augen aussehen würde. Erst jetzt fiel ihm auf, dass er der erste Drachenreiter war, den er je gesehen hatte, der mit seinem Drachen Eins geworden war. Alle Reiter taten Kevin in dem Moment leid.
Er schwamm mit großen Zügen auf Ciara zu. Ciara sprang ins Wasser und wirbelte eine Menge Schlamm auf. Der Schlamm spritzte Kevin ins Gesicht und bald war er von oben bis unten mit Schlamm beschmutzt. „So. Jetzt bist du wieder sauber!“, stellte Ciara fest. Kevin sah sie an. „Das glaubst du doch nicht etwa wirklich?!“, fuhr er sie an. Ciara betrachtete ihn. „Stimmt, etwas fehlt noch!“, sagte sie. Dann nahm sie ihre Pranke und tauchte Kevin ein weiteres Mal in den Schlamm. Dann zog sie ihn wieder hoch. „Jetzt bist du richtig schön sauber!“, sagte sie belustigt. „Vorher war ich sauberer! Und jetzt mach mich trocken und sauber!“, befahl Kevin. Ciara nahm ihn mit dem Maul auf und hob ihn am Hemd hoch. Dann flog sie in die Höhe. „Ciara, mach keinen Unsinn!“, sagte Kevin, dem der Schlamm ins Auge lief. Er rutschte ein bisschen aus dem nassen Hemd. „Ciara! Ich rutsche ab!“ Ciara ließ Kevins Hemd los. Kevin fiel wieder ins Wasser, das sich inzwischen beruhigt hatte. Auch der Schlamm hatte sich gelegt. Als Kevin auftauchte, war er tatsächlich sauber. Ciara lachte. „Das war nicht lustig!“, sagte Kevin ernst, während er sich die nassen Haare aus dem Gesicht strich.
Ciara schnappte ihn am Hosenbein und schmiss ihn in die Luft. Kevin drehte sich einmal rückwärts und wurde dann von Ciaras Maul wieder aufgefangen. „Das war lustig!“, meinte der Drache. Kevin sah ihr genau in die Augen. „Ciara. Ich habe keine Schuppen, mir ist kalt. Also mach mich trocken!“ Ciara warf ihn in die Luft und pustete ihm ihren heißen Atem ins Gesicht. Kevins Kleider trockneten und schließlich auch seinen Haare. „Zufrieden?“, fragte Ciara, als er auf ihrem Rücken gelandete war. Dann breitete sie die Flügel aus. „Ich warne dich! Wenn ich jetzt wieder nass werde, kannst du was erleben!“, drohte Kevin. Traurig legte Ciara die Flügel wieder an und trocknete sie. „Danke schön!“, sagte Kevin ironisch, als Ciara gleich darauf hin mit einem senkrechten Start in den Himmel schoss und Kevin dabei wieder ins Wasser fiel. Ciara hob ihn mit der Kralle auf und warf ihn auf ihren Rücken. Dabei sah sie ihn an und ihre Augen sagten ganz eindeutig: „Siehst du, ich bin doch die Stärkere!“
Ciara segelte über den Wald. Unter ihnen waren nur dichte Bäume. Kevin sah nach unten. Ab und zu flogen ein paar Vögel davon, doch sonst erkannte man kaum etwas. Er schmiegte sich eng an Ciara.
Eigentlich war es ziemlich wackelig da oben. Und jetzt, wo Kevin größer geworden war, war es auf einmal unbequem. „Ich bräuchte einen Sattel!“, dachte Kevin. Er hatte einmal einen unfertigen bei den Elfen gesehen. „Vielleicht können die Elfen einen Sattel machen“, vermutete Kevin. „Sicher werden die Elfen mir und Vicy einen machen!“ Kevin gab den Gedanken an Ciara weiter. Ciara erklärte es Saira, Saira Vicy. „Okay!“, schrie Vicy. „Wir drehen den Kurs! Ab jetzt fliegen wir nach Süden!“ Kevin war sich sicher, im Sattel wendiger und geschickter zu sein. Ciara legte sich nach rechts und flog auf den Elfenwald zu. Kevin begutachtete die Umgebung. Bis jetzt hatte er meistens geschlafen, wenn sie hier entlang geflogen waren. Er sah zwischen Ciaras goldenen Flügeln die Cardetsteppe und den Fluss Maokoh, er sah viele Dinge, die schöne, traurige oder spannende Erinnerungen in ihm weckten.
Er kuschelte sich an Ciaras Schuppen. „Weißt du wie lange es dauert, so einen Sattel zu machen?“, fragte Kevin. „So ein, zwei Monate, wenn die Elfen sich beeilen. Ein normaler Mensch würde Jahre brauchen. Außerdem geht es nur, wenn Reiter und Drache schon den Ful’caestas ven benutzt haben“, erinnerte sich Ciara.
„Also wird Vicy gar keinen Sattel bekommen?“, fragte Kevin. Ciara schüttelte ihren Kopf. Kevin wusste nicht, wie seine Freundin darauf reagieren würde. „Vicy weiß das“, sagte Ciara, als er seine Bedenken geäußert hatte. „Und sie ist trotzdem mitgekommen?“, fragte Kevin erstaunt. Wieder nickte Ciara. „Sie hat es für dich getan!“ Der Elfenwald tauchte unter ihnen auf. Ciara landete und trabte durch die Bäume. Kevin stellte sich vor, wie bequem es sein würde, wenn er erst einen Sattel hatte.
Ciara kam schnell vorwärts. Bald war das Elfenlager in Sicht gekommen. Die Elfen kamen und begrüßten Kevin und Vicy. Kevin rutschte von Ciaras Rücken und redete mit einem Elfen: „Wir, also ich meine, Ciara und ich... Wir wollen gerne einen Sattel... Vielleicht.... Naja... wenn möglich...!“ Kevin war ein bisschen rot geworden. Der Elf sah ihm in die Augen, dann nickte er. „Ihr könnt hier bleiben, wenn ihr wollt. Es wir einen Monat dauern, vielleicht etwas mehr.
Außerdem müssen wir den Sattel oft anpassen“, erklärte der Elf.
Kevin nickte. „Ja, wir bleiben.“ Damit war die Sache geklärt.


Sechsundvierzigstes Kapitel: Der neue Sattel

Zuerst wurde Ciaras Bauchumfang gemessen, dann noch ein paar andere Maßeinheiten ausgerechnet. Dann gingen Kevin und Vicy in ein für sie vorbereitetes Zelt. Es war Brauch, dass der Reiter den Sattel nicht sehen durfte, bis er ganz fertig war. Und auch dann durfte er ihn erst sehen, wenn er das erste Mal auf ihm saß. Kevin war aufgeregt.
Aber es würde noch lange dauern. Doch er war sich sicher, dass die Zeit bei den Elfen schnell vorbei gehen würde. Der Wald war groß und unerforscht, man konnte jede Menge Abenteuer erleben.
Kevin nahm seinen Bogen. Dann rannten er und Vicy aus dem Zelt. Es wehte ein leichter Wind durch die Bäume hindurch. Kevin sprang über ein paar Äste, die der Wind abgebrochen hatte. Dann kletterte er einen steinigen Abhang hoch. Oben angekommen wartete er auf Vicy. „Na los!“, keuchte er außer Atem.
„Wer zuerst da vorne ist!“
Damit zeigte er auf eine alte Eiche. Gleichzeitig rannten sie den Hang hinunter und durch das kniehohe Laub, beide stürzten und kullerten den Abhang hinunter, sie standen gleichzeitig auf und kamen gleichzeitig an dem Stamm an.
Sie ließen sich gegen den Baum fallen und Kevin rieb sein Handgelenk auf, das er gefallen war. „Alles okay?“, fragte Vicy. „Ja, geht schon.“ Kevin stieß sich vom Baum weg und rief: „Fang mich!“ Vicy rannte ihm hinterher. „Gleich hab ich dich!“, schrie sie. Kevin sah vor sich einen kleinen Felsvorsprung.
Er raste darauf zu, sprang... Und fiel tiefer als er gedacht hatte. Das Laub federte seinen Sprung ab. Hinter ihm landete Vicy im Laub. Lachend hielt sie Kevin am Knöchel fest. „Hab dich!“ Kevin half ihr auf die Füße. Dann erkundeten sie gemeinsam den Wald.
Gegen Abend kamen sie wieder zurück ins Lager. Dann gab es essen und danach gingen sie schlafen, denn sie waren total müde.

So ging das vier Wochen. Kevin und Vicy verschwanden in den Wald und kamen erst spät abends zurück.
An einem sonnigen Morgen meldete ein Elf, dass der Sattel fertig war. Die Elfen schnallten ihn Ciara um. „Er ist wirklich schön!“, sagte Ciara. Dann wurde Kevin mit verbundenen Augen auf ihren Rücken gehoben. Der Sattel war weich und aus zartem Leder. Kevins Hände suchten nach Halt. Er fand eine kleine, lederne Schlaufe, an der er sich festhielt.
Dann merkte er, dass Ciara ein kurzes Stück durch den Wald lief. Im Sattel wackelte es kaum noch.
Dann nahm ihm ein Elf die Augenbinde ab. Ciara stand vor einem tiefen Abgrund. „Halt dich fest!“, rief sie und sprang nach vorne. Kevin riss den Mund auf und wollte schreien, doch er vertraute Ciara, die durch die Schlucht sauste, als hätte sie nie etwas Anderes gemacht. „Alles okay?!“, fragte Ciara.
Kevin nickte.
„Dann pass mal auf!“, rief Ciara und drehte sich einmal um sich selbst. Kevin stand kurz auf dem Kopf, doch im Sattel wurde er kaum von der Schwerkraft nach unten gezogen. Kevin stand mit den Beinen fest in den Steigbügeln. Seine braunen Haare wehten im Wind.
„Halt dich gut fest!“, sagte Ciara während sie senkrecht aus der Schlucht schoss. „Im Sattel macht es doch viel mehr Spaß, oder?!“, fragte Ciara. „Und ob!“, schrie Kevin zurück.
Unter ihnen sah Kevin die Elfen und Vicy. Kevin hielt sich weiter an dem Lederband fest, während Ciara dicht über den Boden flog. Dann stieß sie sich mit einem Fuß vom Boden ab hoch in die Luft. Ohne Sattel hätte der Stoß Kevin von Ciaras Rücken befördert, doch so merkte er kaum etwas.
Kevin konnte auch nicht mehr durch einen Schwerthieb von Ciara geworfen werden.
Was Kevin auch auffiel war, dass, seit er den Ful’caestas ven benutzt hatte, er viel schneller reagieren konnte. Ciara schoss in die Luft durch das Blätterdach. Kevin saß sicher im Sattel. Nichts konnte ihm mehr etwas anhaben. Er war schneller und geschickter als seine Feinde und es war nur noch eine Frage der Zeit, bis er Alanis erwischen würde.


Siebenundvierzigstes Kapitel: Der Streit

„Gibt es noch irgendetwas, was du mir verschwiegen hast?“, fragte Kevin, als er sich in den Steigbügeln aufrichtete und an Ciaras Hals vorbeischaute. „Als deine Zähnbürste verschwunden war... Die hatte ich! Ich hab sie als Zahnstocher benutzt!“, gab Ciara zu. „Ich hatte schon so eine Vermutung!“, lachte Kevin.
„Sonst nach was?“, fragte Kevin. Ciara schüttelte den Kopf. In dem Moment legte sich Ciara in eine rasante Linkskurze. Kevin wurde nur durch den Sattel auf ihrem Rücken gehalten. „Lass das!“, schrie Kevin, als Ciara das ganze wiederholte. „Nein! Wir werden verfolgt!“
Ciara legte die Flügel dicht an den Körper und sauste so schnell wie noch nie durch den Wald. „Ahhhhh!“ Kevin versuchte verzweifelt sich im Sattel zu halten. Der Drache schoss einen Abhang hinab auf eine Lichtung zu. Auf der Lichtung stieg sie in die Höhe und flog aus dem Wald heraus. Wer auch immer es war, sie hatten sie oder ihn abgehängt. Kevin sah an Ciaras Hals vorbei und beobachtete die Umgebung. Er konnte niemanden sehen.
Plötzlich schoss vor ihnen aus dem Wald ein Drache. Es war kein gewöhnlicher Drache: Er war aus Nebel. Es war Phönix. Auf ihm saß Alanis. „Na, wie ich sehe hast du deinen Ful’caestas ven gehabt!“, rief Alanis, als sie den Sattel sah. „Du hast keine Chance! Ich bin stärker!“, brüllte Kevin und schoss auf sie zu. Alanis wich ihm lachend aus. Kevin sah die Kette um ihren Hals baumeln. „Ich muss da ran!“, wisperte er. „Wie du willst!“, rief Ciara. Sie sprang mit angelegten Flügeln auf Phönix zu. Kevin hielt sich nur mit Mühe im Sattel. Ciara wich zurück. Phönix prallte gegen Ciaras Flanken. Kevin schlug nach Alanis.
Plötzlich fauchte der rote Drache auf und schlug nach Kevin. Kevin fing sich und schlug nach Alanis’ Kette.
Phönix stieß Kevin beinahe aus dem Sattel. „Du kannst mich nicht von ihrem Rücken werfen!“, rief Kevin. Der rote Drache schlug mit dem Kopf und traf Kevin an der Schulter. Kevin wurde zur Seite geschleudert und musste sich mit beiden Händen am Sattel festhalten. Mit einem Bein rutschte er über Ciaras Rücken und musste sich an das weiche Leder klammern, um nicht runterzufallen. Alanis’ Schwert schlug gegen den Sattel, wo Kevin gerade noch seine Hand gehabt hatte.
Schnell zog Kevin sich in den Sattel und setzte sich zurecht. Ciara wollte Vicy rufen, doch Kevins Stolz war großer als die Angst. Er wollte Alanis besiegen. Schließlich war er kein Kind mehr. Er war stärker als Alanis.
Der Junge richtete sich in den Steigbügeln auf und stellte sich dann auf den Sattel. Als Phönix Schwanz nach ihm schlug, sprang Kevin hoch. Phönix schlug ins Leere. Ciara wollte in Phönix’ Flanken beißen, doch ihre Zähne durchtrennen nur den Nebel.
Die Drachen stiegen höher. Ciara wich Phönix’ Schwanz aus, Alanis schlug mit dem Schwert nach Kevin. Kevins Schwert prallte hart auf das von Alanis. Langsam umkreisten sich die Drachen. Kevin hielt das Schwert mit beiden Händen, er schwitzte, Alanis beobachtete ihn aufmerksam.
Dann ging Phönix auf Ciara los, die beiden Drachen fauchten einander an, Kevin schlug nach der smaragdgrünen Kette. Alanis schien bemerkt zu haben, dass Kevin ihr gewachsen war oder sogar noch stärker war, denn plötzlich tauchten sie und Phönix in den Wald zurück. Ciara gab ihr Bestes, um Phönix einzuholen, doch mit einem Schatten konnte es selbst ein Drache wie Ciara nicht aufnehmen.
„Wenn wir in Sobekkat sind, kann sie uns nicht mehr entkommen.“ Kevin steckte sein Schwert zurück in den Gürtel.
Unter ihnen kamen Vicy und ein paar weitere Elfen zum Vorschein. „Was ist passiert?“, wollte Vicy wissen. „Alanis“, erwiderte Kevin nur knapp. Vicy hielt den Atem an. „Was ist los? Wo ist sie? Ist dir etwas passiert?!“, fragte Vicy beunruhigt. „Sie ist weg! Es geht mir gut!“, fuhr Kevin sie an.
Er war wütend. Warum machte sie sich solche Sorgen? Er war stärker als sie oder Alanis. Er und Ciara konnten es mit jedem Gegner auch allein aufnehmen! Er war jetzt schließlich dreizehn Jahre alt und außerdem ein richtiger Drachenreiter!
Vicy zuckte zurück und sah ihn einen Moment lang an. Kevin war es mit einem mal furchtbar peinlich. Er verstand selbst nicht, warum er Victoria so angeschrieen hatte. Er wollte schon etwas Entschuldigendes sagen, doch Vicy drehte sich um und rannte davon. „Vicy!“, rief Kevin ihr nach. Er rannte ihr hinterher. „Kevin!“ Ciara sprang ihm hinterher.
„Lasst mich doch alle einfach mal in Ruhe!“, schrie Kevin. Im nächsten Moment hätte er sich dafür ohrfeigen können. Was war nur los mit ihm? Ciara sah ihn an und verschwand dann wütend in die entgegen gesetzte Richtung.
Kevin wollte ihr hinterherlaufen, aber auch Vicy zurückholen. Einen Moment lang war er hin und her gerissen. Dann drehte er sich um und lief noch tiefer in den Wald. Er wollte weg, weit weg von allem was passiert war, er wollte kein Drachenreiter sein, er wünschte sich er hätte Vicy und Alanis nie getroffen, er wollte nach Hause und sein Leben von vorne beginnen. Er knickte mit dem Fuß um und fiel einen Abhang hinunter. Das feuchte Laub klebte an seinen Händen, er zerriss sich die Handflächen an einem großen Dornenbusch. Er wollte hier weg. Er musste hier weg. Warum hatte nur er dieses Amulett gefunden? Er rutschte auf dem Laub aus und blieb reglos liegen.
Er musste das Amulett loswerden. Er hasste es. Er hasste es dafür, dass es ihn aus seinem normalen, wunderbaren Leben gerissen hatte und ihn plötzlich als Drachenreiter vor eine Mission gestellt hatte, der er nicht gewachsen war. Er fühlte sich vollkommen hilflos. Wenn ihn Alanis jetzt gefunden hätte... Es war ihm egal. Egal. Egal. „Es ist mir egal!“, schluchzte er. Kevin warf sich ins Laub. Eine Weile konnte er sich nicht mehr bewegen, er konnte nur noch schluchzen. Dann fuhr er hoch. Alanis war noch irgendwo in der Nähe, das wusste er genau. Und Vicy irrte hier allein herum! Ohne Saira! Vicy war hilflos, Kevin musste zu ihr. Er musste ihr helfen. Er sprang auf und rannte in die Richtung, in die Vicy verschwunden war.
Alle Wut war wie weggeblasen. Nur noch ein Gefühl mischte sich mit dem Schmerz, der mit jedem Schritt in seinen verknacksten Fuß schoss. Er hatte Angst. Angst um Vicy, Angst um Ciara, die auch allein war. Alanis und Phönix waren zu zweit. Sie waren Drache und Reiter. Kevin, Vicy, Saira und Ciara waren zusammen stark, doch allein waren sie hilflos und schutzlos. Kevin musste Vicy unbedingt finden.
Ein paar mal stolperte er. Aber jedes Mal stand er sofort wieder auf ohne sich um den Schmerz zu kümmern. Plötzlich fiel ihm etwas ein. „Ful’caestas ven!“, rief er. Sein Blickfeld veränderte sich. Wenn Alanis irgendwo in der Nähe war würde er sie spüren.
Alanis spürte er nicht, aber ein anderes, unbekanntes Wesen machte ihm Angst. Er wusste nicht, ob es gut oder schlecht war, doch er spürte die Anwesenheit eines Wesens, das älter war, als das Volk der Elfen, älter als die Welt selbst.
Eine Zeit lang spielte er mit dem Gedanken, Ciara zu rufen, doch er schämte sich vor ihr, weil er so grob zu ihr gewesen war.
Mit einem Mal stand ein gewaltiger Hirsch vor Kevin. „Der Waldgott!“, dachte Kevin. Der Hirsch senkte den Kopf. Das war also das Wesen gewesen, welches er gespürt hatte. Kevin hegte keine Zweifel daran, dass der Waldgott älter war als die Elfen. Der Hirsch schnüffelte auf dem Boden herum. Er scharrte mit den Vorderhufen, knabberte gemächlich an einem Grashalm und sah dann wieder Kevin an. Der Blick des Gottes war so mächtig und so intensiv, dass Kevin zu zittern begann und den tränenverschleierten Blick abwenden musste.
„Deine Freunde sind in großer Gefahr“, sprach das Tier mit seltsam menschlicher Stimme.
Es war weder eine Feststellung, noch eine Frage. Kevin nickte und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Der Blick des Hirschen musterte ihn. „Steig auf!“
Bevor Kevin sich rühren konnte hatte der Hirsch ihn mit der Schnauze auf seinen Rücken gehoben und galoppierte los.
Anfangs stellte Kevin sich sehr ungeschickt an, doch mit der Zeit fand er den Rhythmus des anmutigen Tieres.
„Wie heißt du?“, fragte der Waldgott ihn. „Kevin!“, rief er und versuchte sich im Fell des Hirschen festzuhalten. „Halt dich an meinem Geweih fest, Kevin! Es könnte holprig werden!“, sagte der Hirsch und sprang in einem halsbrecherischen Tempo durch das Gehölz. Kevin wusste nicht, wie lange er auf dem Tier saß, doch plötzlich stoppte der Waldgott abrupt. „Wir sind da. Deinen Freunden geht es gut, aber ich wollte wissen, wie weit du für sie gehst. Jetzt habe ich noch ein Geschenk für dich!“, sagte der Hirsch.
Dann neigte er den Kopf und Kevin stieg ab. „Brich von meinem Geweih ein kleines Ende ab.“ Zögernd ging Kevin auf ihn zu und brach vorsichtig ein kleines Stück ab. „Hat dir das nicht wehgetan?“, fragte er vorsichtig. „Nur ein bisschen!“, antwortete der Gott. „So. Nun pass gut auf. Wenn du wirklich in Schwierigkeiten bist, dann nimm dieses Stück von meinem Geweih in deine Hände und rufe: Shurt’rin gal dean warr! Ich werde dir dann sofort zu Hilfe eilen. Doch pass auf, es funktioniert nur ein einziges Mal!“ Damit verschwand das Tier in einem blendenden Lichtblitz. Kevin wiederholte die Worte leise. Dabei achtete er darauf das Geweih nicht zu berühren um den Waldgott nicht gleich zu rufen.
Dann ging er zaghaft ein paar Schritte nach vorne. Mit einem Mal stand er im Elfenlager. „Kevin!“ Vicy und Ciara rannten gleichzeitig auf ihn zu. „Es tut mir leid“, sagte Kevin nur, während er die beiden umarmte. „Macht nichts!“, sagte Ciara. Dann sprang Kevin in den Sattel. Saira stapfte auf die Lichtung. Doch Kevin wollte mit Ciara allein sein. Deshalb wisperte er: „Flieg los!“ Und schon erhob sich Ciara in die Luft. Über dem Wald erzählte Kevin Ciara von dem Waldgott.
Seine Hände waren taub von der Kälte, doch es machte ihm nichts aus. „Was hältst du davon?“, fragte er Ciara. Ciara runzelte die Stirn. „Ich weiß nicht!“, antwortete sie schließlich. „Ich glaube, wir können ihm vertrauen. Schließlich ist er der Waldgott!“, meinte Kevin. Ciara flog vorsichtig nach unten und landete. Kevin stieg ab. Der Flug hatte ihm gut getan. Er dachte nach. „Ciara, wann sollen wir hier wieder los?“, fragte Kevin sie. „Also mir gefällt es hier!“, sagte Ciara zufrieden. „Das war ja klar, so wie dich die Elfen verehren. Oh, Drache, wünscht Ihr noch etwas? Oh, Silberklaue, braucht Ihr etwas? Etwas anderes sagen die in deiner Gegenwart doch gar nicht mehr! Silberklaue hier, Prinzessin da. Und das gefällt dir!“ Kevin sah sie prüfend an. „Und dann jeden Abend das ganze Fleisch, das sie euch geben. Die müssen dazu ja den halben Wald abschlachten!“ „Bist du etwa eifersüchtig?“, fragte Ciara ihn. „Quatsch. Aber schau doch mal an dir runter! Du bist fett geworden!“ Ciara sah prüfend ihren Bauch an. „Das sind alles Muskeln!“, behauptete sie. „Ach ja?“, fragte Kevin.
„Fang mich!“, rief er und rannte durch die Bäume. Schwerfällig erhob Ciara sich und stellte ihm nach. Kevin war schneller und wendiger. Ciara humpelte missmutig zwischen den Bäumen hin und her. Dann ließ sie sich auf den Boden fallen und putzte ihre Krallen. „Siehst du es endlich ein? Du bist völlig untrainiert!“ Kevin setzte sich auf ihren Rücken und sah ihr bei ihrer Körperpflege zu. „Vielleicht hast du recht“, gab Ciara zu. Dann erhob sie sich und schlich zu Saira. Kevin und Vicy beschlossen jeden Tag zu trainieren, bevor sie Sobekkat angriffen. „Wann fangen wir an?“, fragte Vicy. Kevin überlegte. „Heute!“ Vicy kletterte auf Sairas Rücken. Auch der schwarze Drache hatte bei den Elfen ein bisschen Fett angesetzt. Ciara grummelte unzufrieden als sie sich mit ein paar Flügelschlägen in die Luft erhob.
„Und jetzt?“, fragte Vicy. Kevin gab ihr ein goldenes Messer. „Hier. Das habe ich gemacht. Es ist aus demselben Material wie das Amulett. Es enthält Zauberkräfte. Probier es mal aus!“, riet er ihr. Vicy drehte die Waffe in der Hand. „Was soll ich denn sagen?“ Kevin überlegte. „Fangen wir mit etwas Leichtem an.“ Er nahm einen Stock, der sich in Ciaras Hörnern verfangen hatte. „So. Und jetzt sag: Trejr!“ Vicy konzentrierte sich auf den Stock und ließ ihn zerspringen. „Gut. Alle anderen Sprüche kannst du dir selbst beibringen! Jetzt zeig ich dir noch etwas. Sag: Bjingar!“ Damit legte Kevin ein Schutzschild um sich. Vicy tat es ihm gleich. „So. Jetzt sind wir geschützt. Jedenfalls so lange wir das Schutzschild aufrechterhalten können“, erklärte Kevin. Seine neue Rolle als Lehrer gefiel ihm. „Und warum mach man das im Kampf nicht?“, wollte Vicy wissen. „Das kann man schon machen, aber dann könnte es passieren, dass du dich zu sehr auf dein Schutzschild verlässt, und dass das Schutzschild gar nicht mehr so stark ist, wie du denkst. Deshalb lässt man es normalerweise, sich mit einem Schutzschild zu umgeben. Aber für unseren Kampf ist es gut, weil wir uns so vor Zaubern schützen können. Jetzt mach noch dein Schwert stumpf!“ Kevin zeigte ihr, wie sie es zu machen hatte.
Dann kämpften sie eine geschlagene Stunde. Beide kamen gewaltig ins Schwitzen und auch die Drachen waren sichtlich erschöpft. „Das war noch nicht gut genug!“, beharrte Kevin. „Noch einmal!“ Vicy war völlig außer Atem. „Lass uns eine Pause machen!“, bat sie. „Ich kann nicht mehr!“ „Im Kampf kannst du die Gegner auch nicht um eine Pause bitten! Also, weiter geht’s!“, befahlt Kevin
Sie kämpften bis Vicy vor Erschöpfung einmal von Sairas Rücken fiel. „Ich denke, das reicht fürs Erste!“, meinte Kevin.
Als die Drachen landeten verschwand Vicy sofort in ihr Zelt. „Ich bin total müde!“, erklärte sie ihr Verschwinden.
Auch Kevin spürte die Müdigkeit in jedem seiner Knochen. Ciara musste ihn an sein Zelt tragen. „So, steig ab, wir sind da!“, sagte sie vor dem bunten Zelt. „Ich kann nicht!“, murmelte Kevin müde. „Ich bin zu schwach!“
Ciara nahm ihn zwischen die Zähne und legte ihn in sein Bett. Unbeholfen versuchte sie, ihn mit einer Decke zuzudecken, doch mit ihrer großen Schnauze kam sie nicht richtig ins Zelt und die Decke verfing sich in ihren Zähnen und hinterließ weiche Fussel auf ihrer Zunge, was sie gar nicht ausstehen konnte. Schließlich verlies sie die Geduld. „Er wird schon nicht erfriere!“, dachte sie und zog ihren Kopf aus dem Zelt.


Achtundvierzigstes Kapitel: Erkältung

Am nächsten Tag kam Kevin mit einer roten Nase und geschwollenen Augen aus seinem Zelt. „Ciara, du hättest mich ruhig zudecken können!“, sagte er mit verschnupfter Nase und hustete. „Ich dachet, es würde dich schon nicht umbringen!“, meinte sie entschuldigend. „Umbringen? Nein. Krank werden? Und ob!“ Er verstärkte seine Theorie durch ein kräftiges Niesen. „Ich…“ Wieder musste er husten. „Du hast dich erkältet!“, führte Vicy seinen Satz zu ende.
Kevin nickte und musste niesen. „Haben die Elfen nicht irgendein Mittel dagegen?“, fragte er Vicy hoffnungsvoll. Vicy nickte. „Ja, haben sie, aber das schmeckt total ekelhaft. Und bis es wirkt, ist deine Erkältung schon lang vorbei!“, fügte sie noch hinzu. „Na super!“, sagte Kevin ironisch und schniefte geräuschvoll.
„Tut mir Leid! Wie konnte ich denn wissen, dass es nachts bei den Elfen so kalt wird?“, fragte Ciara. Vicy schaltete sich schnell ein. „Dann warten wir mit unserem Angriff auf Sobekkat eben noch ein bisschen! Vielleicht können uns sogar die Zwerge und Elfen Krieger zur Verfügung stellen!“, schlug Vicy aufgeregt vor. Dann verschwand sie zwischen den Elfen auf der Lichtung.
Kevin sah ihr nach.
Dann prustete er los. „Sie ist verrückt!“, lachte er und hustete gleich noch mal. Dann sprang er auf Ciaras Rücken. Ciara stieß sich vom Boden ab und schlug kräftig mit den Flügeln. „Kann ich davon ausgehen, dass wegen deiner Hustenattacken heute das Training ausfällt?“, hoffte Ciara. Kevin schüttelte energisch den Kopf. „Auf keinen Fall! Wir brauchen die Übungen unbedingt!“, protestierte er. „Na gut!“, gab Ciara zu. Dann landete sie wieder auf der Lichtung. Kevin sprang von ihrem Rücken. „Ich hole Vicy fürs Training ab!“, rief er. Dann ging er in Vicys Zelt. Er sagte ihr, dass sie sich gleich zum Training treffen würden. Vicy nickte. „Ich bin gleich da!“ Kevin rannte zurück.
„Ab jetzt jeden Tag um die selbe Zeit hier! Okay?“, fragte Kevin, als Vicy erschienen war. Vicy und die Drachen nickten. „Fangen wir an!“, sagte Kevin und musste kräftig husten.
Sie kämpften so lange bis Kevin von einem kräftigen Hustenanfall beinahe von Ciaras Rücken befördert worden wäre, wenn ihn der Sattel nicht gehalten hätte. „Okay. Jetzt hören wir wohl wirklich besser auf!“, gab Kevin zu.
Die Drachen landeten. Kevin ging zurück ins Bett, um sich zu erholen. „Je früher es mir besser geht, um so schneller können wir Alanis endlich angreifen!“, meine er und hustete.
Ciara lachte. „Soll ich dich ins Bett bringen?“, fragte sie. „Bloß nicht!“ Kevin hob abwehrend die Hände und ging allein in sein Zelt.

In der Nacht wachte er dauernd auf. Er hasste es, erkältet zu sein. Am nächsten Morgen ging es ihm kaum besser.
Sie trainierten, Kevin legte sich hin und versuchte zu schlafen.
Die nächsten zwei Tage vergingen genau so. Erst am dritten Tag zeigte sich eine Besserung. Kevin trainierte länger mit den Anderen und hatte danach sogar richtig Hunger. Am nächsten Tag war sein Schnupfen vollkommen verschwunden. „Und jetzt greifen wir Alanis an!“, dachte er. Vicy schickte einen Boten los. „Der Bote wird in drei Tagen bei den Zwergen und Sindern sein!“, berichtete sie ihm.
„So lange?“, fragte Kevin. Er wollte nicht warten. Er wollte handeln. Versehendlich berührte er das Horn des Waldgottes in seiner Tasche. „Hab Geduld!“, ertönte plötzlich dessen Stimme in Kevins Kopf. Kevin fuhr zusammen. Dann lächelte er. Ja, er würde Geduld haben. Und er war sich sicher, dass es sich lohnen würde.


Neunundvierzigstes Kapitel: Sobekkat

Der Tag der Abreise war gekommen. Es fiel Kevin sehr schwer, den Elfenwald zu verlassen. „Wir werden bald wiederkommen!“, versprachen er und Ciara. Dann zogen sie mit der elfischen Truppe Richtung Norden nach Sobekkat.
„Glaubst du, wir haben eine Chance zu siegen?“, wollte Kevin von Vicy wissen. „Das wissen wir erst, wenn wir gesiegt haben!“, sagte Victoria und lächelte zuversichtlich, so wie Kevin es von ihr kannte.

Die Reise verging schnell. Die elfischen Reiter hatten zwar Mühe mit ihnen Schritt zu halten, doch es gelang ihnen wenigstens bis zur Stadt Morem mitzuhalten. Dann bahnten sie sich ihren eigenen Weg, während sich Kevin, Ciara, Vicy und Saira zu den Zwergen und Sindern gesellten, die sich auf dem offenen Feld zwischen den Höckern des Kamels und dem Wald des Schreckens versammelt hatten. Dort gaben sie ihnen möglichst genaue Anweisungen. Bald darauf trafen auch die restlichen Elfen ein.
Dann rüsteten sich die Krieger zum Angriff. Kevin wurde ganz nervös. Jetzt musste alles klappen. Seine Beine waren ganz wabbelig, als er auf Ciaras Rücken stieg. „Ich bin so nervös!“, sagte er aufgeregt, als die Drachen starteten. „Und ich erst!“, antwortete Victoria.
Dann flogen die Drachen auf die von Mauern umgebene Stadt Sobekkat zu. „Alanis!“, brüllte Kevin. „Komm raus oder wir kommen zu dir rein!“ Nichts passierte. „Alanis! Komm du Feigling!“, rief Vicy. Da ertönte ein Brüllen. Phönix schoss aus dem Hof der Stadt auf Kevin und Ciara zu.
Der goldene Drache wich geschickt aus. Das Training hatte gewirkt. Kevin wollte mit dem Schwert nach Alanis schlagen, doch es rutschte gute drei Meter vor ihr ab. Wieder packte er sein Schwert und schlug nach ihr und wieder rutschte es ab, ohne Schaden zu hinterlassen. „Sie muss ein Schutzschild um sich gelegt haben!“, dachte Kevin. „Das war dumm von ihr!“ Dann griff Vicy die Elfe an. Doch auch ihr Zauber prallte von dem Schild ab. „Das hilft nichts!“, rief Kevin ihr zu. Sie mussten sie ablenken und warten, bis sie die Kontrolle über ihren Zauber verlor oder er abgenutzt war.
Vicy griff trotzdem noch einmal an. Sie sprang von Sairas Rücken auf Phönix’ Rücken und wollte Alanis herunter stoßen, doch Victoria sprang einfach durch den Schatten hindurch. „Verflixt!“, fluchte Vicy, als sie auf Sairas Rücken landete. Ciara startete einen Angriff auf die Smaragdkette. Alanis wollte sie abwehren, doch Ciara tauchte unter ihr durch und entsicherte den Hebel, der die Zugbrücke oben hielt. Das Tor ging auf und die Sinder, Elfen und Zwerge stürzten durch das Tor. Aus den umliegenden Häusern kamen die Solektho gerannt. Kevin und Alanis schlugen mit ihren Schwertern nacheinander.
Dann schoss Vicy einen weiteren Zauber auf die Elfe ab. Unter den Drachen stießen jetzt die feindlichen Heere scheinbar mit der Kraft eines Hurrikans aufeinander.
Kevins Schwert rutschte noch ein paar Mal an Alanis Schutzschild ab, dann änderte er die Taktik und ließ sich von Alanis verfolgen. Geschwind und wendig rauschte Ciara zwischen den Häusern hindurch. Phönix folgte ihnen.
Unter ihnen kämpften die Sinder vehement gegen ihre Angreifer. Langsam schienen sie die Oberhand zu gewinnen.
Ciara zischte durch die Häuser und schoss dann steil in die Höhe. Kevin hielt sich am Sattel fest. Alanis folgte ihnen.
Die Sinder eroberten die ersten Häuser und drängten ihre Angreifer immer weiter zurück.
Kevin griff nach der Kette. Alanis packte ihn am Handgelenk und schubste ihn zurück. Kevin dachte nach. Wenn es ihm gelingen würde, Alanis so lange abzulenken, bis die Sinder die Stadt eingenommen hatten...
Blitzschnell musste Kevin sich ducken um Alanis’ Schwert zu entrinnen.
In dem Moment schoss Vicy von hinten über Alanis und wollte die Kette packen. Doch Alanis war auf den Angriff vorbereitet und schlug mit dem Schwert nach Saira.
Kevin sah nach unten auf die Sinder, Elfen und Zwerge. Sie hatten die Stadt fast eingenommen. Er müsste Alanis nur noch ein paar Minuten in Schach halten...
Ciara drehte sich um und schlug mit dem Schwanz nach Phönix, der sie gerade angreifen wollte. der Nebel teilte sich und Phönix wich noch ein Stück zurück. In dem Moment merkte Kevin es: Die Sinder hatten die Stadt eingenommen.
Die Solektho waren geflohen.
Alanis fletschte die Zähne. „Periculamus!“, schrie sie noch einen letzten Zauber. Kevin wurde von Ciara noch rechtzeitig aus der Schussbahn befördert, doch der Zauber traf Vicy, die direkt hinter Kevin stand. „NEIN!“ Kevin sah sich nach Alanis um. Sie war weg.
„Vicy!“ Ciara landete neben Vicy, die auf dem Boden lag. Neben ihr lag zusammengerollt Saira. Kevin spürte, wie sich ihm der Magen verkrampfte. „Nein! Vicy! Vicy!!!“ Ciara senkte den Kopf als Kevin von ihrem Rücken sprang und zu Victoria lief. Kevin setzte sich neben seine Freundin. „Vicy, nein! Vicy! Nein, nein, nein! NEIN!!!“ Kevin zitterte.
Er merkte erst, dass er weinte, als eine Träne auf Vicys blasse Wangen fiel. In dem Moment wusste er, was er zu tun hatte. Er kramte das Horn des Waldgottes aus seiner Tasche und rief: „Shur’trin gal daen warr!“
Das Horn begann zu leuchten und verformte sich, es wurde großer und verwandelte sich schließlich in den Waldgott, der von einem blendenden Licht umgeben war.
Kevin wischte sich die Tränen aus dem Gesicht, als der Hirsch sagte: „Du hast mich gerufen.“
Wieder klang es weder wie eine Frage, noch wie eine Feststellung. Kevin nickte und zeigte auf Vicy. „Kannst du ihr helfen?“, fragte er hoffnungsvoll. Der Hirsch schüttelte traurig den Kopf.
„Ich nicht. Aber du.“ „Ich?“, fragte Kevin überrascht. „Ja. Du kannst sie wieder zurückholen. Du kannst dem Herrscher der Dunkelheit ein Geschäft vorschlagen. Wenn du sie liebst, wir er es dir nicht abschlagen.“
„Der Herrscher der Dunkelheit? Aber das ist Ramor! Ramor ist doch tot! Ich habe ihn eigenhändig getötet!“, stellte Kevin fest. Der Gott lachte. „Ramor ist der Tod“, erklärte er. „Du kannst ihn nicht töten.“ Dann verblasste das Licht um ihn herum allmählich. „Wenn du sie wirklich liebst, wird er sie dir wiedergeben.“
„Nein! Komm zurück!“, flehte Kevin. „Lass mich nicht allein!“ „Wenn du sie wirklich liebst...“, wiederholte der Waldgott. „Bitte, bleib hier! Komm zurück! Du kannst mich hier nicht allein lassen!“ Kevin sprang auf und rannte auf das Licht zu, das immer schwächer wurde.
„NEIN! Komm zurück! Bitte!!! Wie soll ich denn Ramor finden?!“, schrie Kevin ihm hinterher. „Das musst du nun selbst herausfinden.“ Kevin merkte, dass er den Hirsch nicht aufhalten konnte. „Bitte! Komm zurück!“, versuchte er es noch einmal. „Nein! Bleib hier!“ Er senkte den Kopf.
„Ich liebe sie“, flüsterte er fast unhörbar. Dann sah er in die Richtung in die der Hirsch verschwunden war. Durch einen Tränenschleier nahm er wahr, dass der Hirsch verschwunden war. Jemand legte die Hand auf seine Schulter. Es war Drebilon.
Die Sinder, Elfen und Zwerge hatten sich um sie geschart. Leise redete Drebilon auf Kevin ein. Kevin spürte nichts mehr um sich herum. Kevin nahm leicht wahr, dass die Sinder ihn von allen Seiten mitfühlend ansahen. Die Elfen knieten neben Vicy auf dem Boden. Ciara kam langsam auf ihn zu. Sie blies ihm von hinten die Haare ins Gesicht. Dann lehnte sie ihren Kopf gegen Kevins Schulter.
Drebilon hatte ihr Platz gemacht. Kaum dass Kevin die Berührung spürte, fuhr er herum und schlang seine Arme um Ciaras Hals. Er zerschnitt sich die Arme und die Handflächen an ihren Rückenzacken. Aber es war ihm egal. Er wollte nur noch weinen. Und das tat er jetzt.
Er wusste nicht, wie lange er schluchzend da gestanden hatte, doch es kam ihm vor wie eine Ewigkeit. Ciara hob ihren Kopf und brüllte ihre Wut in den Himmel.
Kevin krallte sich mit zitternden Händen an Ciaras Stacheln. Sie bohrten sich tief in seine Hände, aber der Schmerz tat gut. Er weinte immer weiter, bis er kaum noch Luft bekam.
Als er sich halbwegs beruhigt hatte sagte er zu Ciara gewandt: „Wir werden Vicy zurückholen!“ Dabei sah er ihr tief in die glänzenden, bernsteinfarbenen Augen. Dann betrachtete er seine zerschnittenen, blutverschmierten Hände. „Und wir werden Alanis töten. Das verspreche ich.“ Wieder sah er Ciara direkt in die Augen. „Mein Wort als Drachenreiter!“


Impressum

Texte: enyabooks
Tag der Veröffentlichung: 15.07.2012

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Dieses Buch ist Preisträger beim Schreibwettbewerb meiner Schule im Jahr 2010. Das Cover wurde von mir erstellt

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