Cover

Begegnung




Sie begegneten sich mit einem Riesenknall –
Ein Quietschen, Schaben, blechernes Klingen.
Die eine meint, es wär für die Polizei ein Fall,
die andere fragt: „Hängst an materiellen Dingen?“

Erschrocken schüttelt die eine den Kopf:
„Nein, nein, es ist ja nichts geschehn.“
Die andre kaut grinsend an ihrem Zopf:
„Na ja, das wird man später sehn.

Pressiert’s dich? Magst was trinken gehn?“
Die eine nickt – „Nein!“, spricht sie aus.
Die andre meint, nach dem Schreck wär das schön:
„Machen wir doch ein Happening draus!“


Schiebt in Zeitlupe ihren Hut ins Genick,
steckt den Finger in den Mund, lutscht fragend drauf rum,
betrachtet die eine mit ironischem Blick.
Die fühlt sich wie ein Kleinkind – so winzig und dumm.

Doch die Worte beim Tee kommen wie von allein.
Man vergisst die Umgebung, die Pflicht und die Zeit,
möchte immer hier so gemeinsam sein.
Man kennt sich schon eine Ewigkeit.

Es zählen nicht heute, nicht morgen, nicht gestern.
Man plaudert entspannt, fühlt sich wie Schwestern.
Am Ende „so long“ und mit Blicken sich messen.
Adressen zu tauschen haben beide vergessen.

Betrachtung




Du –
Mit deinen abgetragenen Jeans
Babygepuderten Achseln
Naturgefärbten Haaren
„L’Oreal oder Garnier?“
Zahnpastafrisch riechendem Atem

- Du gefällst mir.

Du –
Mit deinem weißen Männerhemd
Wirkst bedeckt.
Doch dieser eine Knopf
Verheißt einen Hauch von Unzucht.
Frivol dein Blick
Zu dem der abgekaute Fingernagel
Nicht passt

- Du gefällst mir.


Du –
Mit deinen großen Händen
Passend zum Hemd
„Ist es von deinem Ex?
Magst ihn nicht lassen?“
Mit dem Zigarillo im Mund
Dem Stirn verdeckenden Hut

- Du gefällst mir.

Du –
Mit dem tiefen Singsang deiner Stimme
Mit deinem Lachen
Das tief aus deiner Kehle springt
Mit deinem Mund
Der die Ironie in die Welt spuckt

- Du gefällst mir.

Worte reichen nicht aus.
Man muss dich erleben.

Annäherung


Es hat Spaß gemacht
Mit dir durch den Sand zu laufen
In den Dünen Versteck zu spielen
Muscheln zu suchen
Im warmen Sand zu liegen
Sonne zu atmen
Dich anzusehen.


Es hat Spaß gemacht
Einkäufe mit dir zu schleppen
Zu lachen als die Tüte reißt
Mit dir zu kochen
Tomaten zu schneiden und Zwiebeln
Endlich zu weinen
Wein(en) zu trinken.


Es hat Spaß gemacht
Mit dir Musik zu hören
Gedichte zu lesen
Sich gegenüber fern zu sitzen.
Und zu spüren
Wie der Abstand
Kleiner wird.

Erleben




Der Mann an unserm Tisch
Macht dich an
Charmantes Lächeln
Berühren der Finger
Beim Glaswegschieben
Schmeichelnde Worte
Über deine Haare
Tausendmal gehört
Diese Platitüden
Nicht billig, eher sittsam
Dann das Fädchen auf deiner Bluse
Dort, wo ein Mann hinschaut
Na los - Nimm es weg
Er tut’s – Ich muss lachen
Seine Entschuldigung – eine einzige Lüge
Er hat es nötig
Gönn dir diese Nacht
Bring deine inneren Motoren in Schwung
Nur – erzähl mir nichts davon
Ich werde es in deinen Augen lesen.

Vertrautheit




Meine Tränen glitzern des nachts im Moos
Und Gedanken kriechen in Löcher
Bedecken sich mit Dunkelheit.
Meine Träume verfangen sich
In den Wipfeln der Bäume
Wie Nebelschwaden
Gelangen nicht ins Freie.

Wenn die Nacht beginnt zu fliehen
Legt sich sanft ein Wort
Von dir über meine müden Lider.
Ich spüre dein Lächeln
Auf meiner Haut
Und möchte mit dir
Den Tag umarmen.

Abschied




Zwei Frauen saßen
Beisammen und aßen
Buchstaben Russisch Brot.
Jede knabberte der anderen Namen –
Das ging rasch – vorbei, alles im Lot.

Dann verspeisten sie ihre Männer auch.
Die lagen weitaus schwerer im Bauch.

Nun ließen sie sich vom L inspirieren
Und wollten einmal die LIEBE probieren.
Das Wort – wohlgemerkt – was dachtet denn ihr?
Es gab von den nötigen Buchstaben nur vier.

Nach langem Suchen ließen sie’s sein
Und tranken stattdessen zwei Flaschen Wein.

Die vier Buchstaben jedoch, die bewahrten sie
In ihren Herzen, denn man weiß ja nie.


Die eine verschwand dann, war einfach fort,
die andre mit den Buchstaben noch dort
denkt oft: wenn’s das i nur gebe
und legt zuweilen das mögliche Wort
und liest es leise für sich: LEBE

Impressum

Texte: Text und CoverAlle Rechte bei der Autorin
Tag der Veröffentlichung: 15.12.2011

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
für Lara 1998 - 2008 "You hold me without touch. You keep me without chains." (Sara Bareilles, Gravity)

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