Cover

Prolog





Die Schlachten waren geschlagen. Viele waren gefallen - zu viele. Ganze Generationen wurden ausgelöscht in einem einzigen Augenblick.
Wenn sie nicht gleich durch den Tod durch die Schwerter, Pfeile, Speere und dergleichen, dann durch die schweren Folgeverletzungen die sie angerichtet hatten - oder durch die zahlreichen Seuchen, die die verwesenden Leichen mit sich brachten.
Es waren nun wenige da, um die Felder zu bestellen. Hungerepidemien waren die Folge. Und am Ende starben mehr an den Folgeerscheinungen der Kriege, als an ihnen selbst.

Jedoch war einst auch die Zeit von Helden. Sie wurden geboren und starben kurz danach wieder wie Eintagsfliegen in einer unendlichen Geschichte der Qual. Ihre Geschichten wurden lange Zeit erzählt. Doch wie alles, verlieren sich die Taten der Märtyrer und die Heldentaten von damals sind heute vergessen. Jedoch sind nicht nur die Taten heute vergessen, sondern auch so manch alte Völker und Rassen, die einst waren. Einige hatten große Kulturen, große Wertsätze, doch das alles sollte nicht reichen...


1. Kapitel




Dublin Gegenwart...


Das Wetter meinte es nicht gut mit den Studenten einer irischen Universität. Seit Tagen hingen düstere Wolken über dem gesamten Ort und Regen wurde nur von starkem Wind ersetzt oder durch Gewitter ergänzt. Wer konnte, verließ die warmen und trockenen Gebäude nicht. Wer es doch nicht verhindern konnte, beeilte sich tunlichst um schnell dem kalten, nassen Wetter zu entkommen und nicht noch von einem der umherfliegenden Äste getroffen zu werden.
Juna saß im Schneidersitz auf ihrem Bett und blätterte im Buch vor sich. Mühsam versuchte sie sich die Worte darin zu merken, doch heute konnte sie sich nicht so recht konzentrieren. In Gedanken versunken summte sie eine Melodie vor sich her, die sie aber nicht so recht zu benennen wusste.
Nachdem sie zum vierten Mal den gleichen Satz gelesen hatte, ohne dessen Inhalt zu verstehen, klappte sie das Buch zu und grub ihr Gesicht in Ihre Hände. Was war heute bloß los mir ihr? Egal was es war, es machte jetzt einfach keinen Sinn zu versuchen weiterzulernen, also schwang sie sich aus dem Schneidersitz hoch und schnappte sich eine Jacke um etwas frische Luft zu schnappen. Die düsteren Gewitterwolken waren weggezogen und machten einem starken Westwind platz.


Die Flure waren verwaist. Die meisten Studenten befanden sich in den Hörsälen oder aber waren noch in ihren Betten. Nur noch wenige Meter und sie hätte das Treppenhaus erreicht, das sie gleich zur Eingangstür brachte.

Eine der Neonleuchtröhren an der Decke war defekt und flackerte in einem unregelmäßigen Takt. Durch das Fenster am Ende des Flures fiel nur gedämmtes Licht, sodass bei jeder Dunkelphase der Flur in ein düsteres Licht getaucht wurde. Plötzlich hatte Juna das Gefühl beobachtet zu werden. Gänsehaut machte sich breit, als sie sich unsicher umsah. Nirgendwo hörte sie Schritte und doch hatte sie das Gefühl, den Atem von jemandem zu hören. Ein leichter Hauch, ein Wispern und doch nicht mehr als ein Gefühl.
Juna beschleunigte ihren Gang. Ihr Kopf sagte ihr, dass sie sich das alles nur einbildete und doch blieb das Unbehagen.

Ein lauter Knall und Juna erschrak. Genau in dem Moment, in dem sie auf Höhe der Leuchte war, gab es ein lautes Knacken und Zischen und die Decke blieb gänzlich im Dunkeln.
Sie schimpfte sich selbst einen Angsthasen. Es war schließlich nur eine Lampe, die ihren Geist aufgegeben hatte und das war kein Grund das halbe Wohnheim zusammenzuschreien. Ihr Schreckensschrei schien aber niemanden aufgeschreckt zu haben, denn sie war immer noch allein im Flur. Jedoch ließ das unangenehme Gefühl beobachtet zu werden allmählich nach.
„Auf den Schreck, brauch‘ ich dringend einen Kaffee,“ murmelte sie und wusste auch schon, wo sie diesen Wunsch am besten erfüllt bekam.

2. Kapitel




Sie saß außerhalb eines kleinen Straßencafés und trank genussvoll an einem Latte Machiato. Gedankenverloren blickte Juna in die Tasse, wohl wissend, dass sie diesen freien Morgen einer Darmerkrankung ihrer Geschichtsprofessorin zu verdanken hatte.
Die Straßen waren leer; kein Auto, kein Mensch war zu sehen. Die Meisten lagen zu dieser frühen Stund noch im Bett, waren in der Schule oder schon auf der Arbeit. Es war angenehm keinen Lärm zu hören. Selbst wenn dieser Bezirk nie wirklich ein Verkehrsknotenpunkt war, so war es aber selten so ruhig wie an diesem Tag gewesen.

Ein Kellner durchbrach ihre Stille und brachte ihr ein Teller mit einem dampfenden Croissant. Verwirrt blickte Juna den Kellner an.
„Entschuldigung, aber ich hab nichts zu essen bestellt!“ Der Kellner setzte ein Lächeln auf und zeigte in eine dunkle Ecke. Erst jetzt fiel ihr die dunkle Gestalt im Schatten auf.
„Sicher, Ma’am, aber der Herr dort drüben war der Meinung, dass Sie vielleicht Hunger haben könnten. Wenn sie das Croissant nicht möchten, bring ich es gerne dem Herrn zurück.“ Fragend sah er Juna an und balancierte den Teller gekonnt auf einer Hand. Sie schüttelte den Kopf schließlich und bat ihn dem netten Herrn in der Ecke ihren Dank auszurichten und ihn zu fragen, ob er ihr keine Gesellschaft leisten wolle.
Zwar war Juna etwas flau im Magen bei dem Gedanken, aber sie wollte wissen, ob hinter der Nettigkeit auch mehr steckte oder ob das nur ein billige Anmache sei. Gespannt blickte sie deshalb dem Kellner nach und wartete auf die Reaktion des Schattenmannes. Sie hörte zwar nicht was die beiden Männer sprachen, aber sie erkannte an dem Nicken, das er ihr seine Aufwartung machen wollte.
Der Kellner verschwand wieder im Innern des Cafés und der Mann erhob sich und kam auf Juna zu. Sein Gesicht war feingeschnitten und Juna erkannte es nicht wieder; also war es auch kein Bekannter oder Freund von ihr. Er kam immer näher und seine blauen Augen fielen Juna ins Auge. Sie waren klar und marineblau, wie die ihrer Mutter einst. Er streckte ihr seine Hand entgegen und lächelte sie schüchtern an.
„Entschuldigen Sie, dass ich gleich so aufdringlich geworden bin! Mein Name ist Queltian Blackwood.“ Juna lächelte sanft zurück und drückte ihm sachte die Hand.
„Setzen Sie sich doch erst... Ich bin Juna. Doch nun verraten Sie mir: so früh am Morgen wollen Sie doch bestimmt nicht nur flirten, oder irre ich mich?“ Queltian errötete etwas.

„Euch Avancen machen? Bei Tasman... Nein, das war und ist nicht meine Absicht.“ Juna lächelte ein weiteres Mal und wusste nicht so recht, was sie von dem Typen ihr gegenüber halten sollte. Seine braunen Haare wehten mit dem Wind und Strähnen wurden ihm ins Gesicht getrieben, die er sich schnell wieder nach hinten strich.
„Und was ist dann Ihre Absicht, Mr. Blackwood? Queltian? Was ist das eigentlich für ein Name?“ Er schien sehr nervös zu sein. Ständig blickte er sich um. Er richtete seine Aufmerksamkeit wieder ganz und gar auf Juna.
„Bitte sagt Queltian. Ich komme aus England.“ Juna lachte los.
„Aus England? Entschuldige, Queltian, aber das ist nicht gerade ein gängiger, englischer Name!“ Queltian wurde immer verlegener.
„Nein, das ist er nicht, ich weiß, aber... Könnten wir vielleicht woanders hingehen? Ich muss dringend mit Euch sprechen! Es geht um Eure Mutter.“
„Was ist denn das für eine Tour? Meine Mutter ist seit Jahren tot. Ich glaube ich gehe jetzt besser... Entschuldigung, ich würde gerne zahlen,“ schrie sie ins Innere des Cafés. Queltian sah sie allarmiert an und als sie Anstalten machte aufzustehen, hielt er sie an ihrem Handgelenk fest.
„Bitte. Ich kann alles erklären! Ich kannte Eure Mutter, wir wuchsen zusammen auf.“ Skeptisch blickte Juna Queltian an. Er konnte nicht älter als Mitte zwanzig sein, wie konnte er also mit ihrer Mutter aufgewachsen sein? Es gab nur eine Möglichkeit, nämlich die dass er log.
„Das mag seltsam klingen, aber ich spreche die Wahrheit! Ich wusste nicht, dass sie zu den Göttern gegangen ist. Mein Herz ist schwer vor Trauer, aber die Sache ist wichtig…“ Langsam wurde Juna neugierig.
„Was für eine Sache?“ Queltian blickte ein weiteres Mal nach hinten. Was erwartete er zu sehen? Juna entschloss ihm zumindest die Chance zu geben sich zu erklären. Seufzend ermahnte sie ihn jedoch noch:
„Hören Sie, ich weiß nicht was Sie von mir wollen, aber ich kann Ihnen versichern, dass es bei mir nichts zu holen gibt... WAS wollen Sie von mir?“
Seine Hand glitt unter den Tisch und Juna bekam es langsam mit der Angst zu tun. Ich hätte gehen sollen, als ich noch die Gelegenheit dazu hatte

, dachte sie ängstlich. Er will mich ausrauben, vergewaltigen oder Schlimmeres. Warum bin ich immer so naiv?

Sie schloss schon allmählich mit ihrem Leben ab, als er plötzlich seine Hand wieder hoch zog. In seiner Hand hatte er eine Kette von einer solchen Schönheit, die Juna nie zuvor gesehen hatte. Sie war aus Silber und hatte einen ovalen Stein, der in allen bedenklichen Farben schimmerte. Wie hypnotisiert blickte Juna die Kette an, etwas Mystisches ging davon aus. Wie mystisch sie allerdings wirklich war, würde sie eher erfahren als ihr lieb gewesen wäre...
„Der gehörte einst Eurer Mutter. Sie gab mir den Talisman als wir uns das letzte Mal sahen. Sie sagte mit ihrer lieblichen Stimme zu mir: ‘...dass du ja darauf aufpasst, Queltian! Wenn die Zeit gekommen ist kannst du ihn mir zurückgeben, aber so hast du etwas, das dich an mich erinnert.’ Zu dieser Zeit war sie schon schwanger mit Euch.“ Juna löste den Blick nicht von der Kette:
„Warum erzählen Sie mir das?“
„Nicht hier! Ich bin…nein, ich war...“ Er senkte den Blick und sah traurig ins Leere. Wenn das alles gespielt war, dann war er der beste Schauspieler, den sie je erlebt hatte. Seine Gefühle schienen so rein. Ihn umgab so etwas Vertrauenswürdiges und ein Hauch von Geheimnisvollem. Queltian blickte wieder auf und hatte wieder seine Worte gefunden. Unglaubliche Traurigkeit lag in seiner Stimmer als er weiter sprach:
„Entschuldigt. Enoria war wirklich meine Freundin. Meine beste...“ Wie hatte er eben ihre Mutter genannt? Juna sah ihn verwirrt an.
„Meine Mutter hieß Nora. Sie haben mich anscheinend verwechselt.“ Der Fremde aber lächelte sie nur an und schüttelte sanft den Kopf.
„Nein, das habe ich nicht. Nora war nur ein Spitzname von Eurem Vater. Ihr wahrer Name jedoch war Enoria, Tochter der Ka`alar, Verlobte des Atellos, der wiederum Sohn des Hohenpriesters Rasla war... Ihr habt keine Ahnung wovon ich spreche oder? Nein! Damit hätte ich rechnen müssen. Aber wie bereits gesagt - Nicht hier!“
„Vor was haben Sie denn Angst?“ Unverständlich sah er sie an.
„Das Böse erwacht. Was einst von den Xelsis zerstört wurde, kehrt nun wieder. Deshalb bin ich hier. Ich bin der letzte meiner Art nach Enorias Tod. Ich wollte die Vergangenheit ruhen lassen und meine toten Freunde in Ehre halten, doch die Ereignisse lassen mich das nicht. Ihr seid der Schlüssel zu alledem; ein unschuldiges Wesen so weise und rein wie die Xelsis und so tapfer und gutmütig wie ein Mensch. Ihr, Melady, verbindet die besten Fähigkeiten beider Arten, Mensch und Elf, Ihr seid das Bindeglied und könntet vielleicht die gefährliche Reise überstehen.“ Junas Stirn lag in Falten und ihre Augen verfolgten skeptisch jedes Wort das Queltian sprach.
„Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, wovon Sie sprechen. Ich will auch gar nicht wissen, was so ein Freak wie Sie ausgeheckt hat, um einem Mädel an die Wäsche zu gehen. Sie schienen mir ganz nett und ich gab Ihnen eine Chance, aber nun ist es genug! Ich will Sie ja nicht beleidigen und gebe Ihnen nur den freundlichen Rat, dass Sie sich besser eine Frau aus ‘Ihren Kreise’ suchen sollten. Mit der können Sie dann mit Elfenkostümen durch die Natur reiten, aber ich steh da nicht drauf. Es tut mir leid, dass Sie für mich Ihre Zeit vergeudet haben, doch daran kann ich nichts ändern. Bye.“ Juna packte sich ihre Sachen, stand fluchtartig auf und verschwand in der nächsten Gasse. Queltian machte keine Anstalten ihr nachzulaufen, schrie ihr aber noch etwas nach:
„...Ihr könnt Eurem Schicksal nicht entkommen. Fragt Euren Vater. Er konnte es nicht, eure Mutter nicht und Ihr erstrecht nicht. Die Vergangenheit wird Euch einholen, ehe Ihr begreift was geschieht... SIE WERDEN KOMMEN!“ Verzweiflung lag in seiner Stimme, als er zurückblieb. Allein mit sich und seinen Gedanken.

Impressum

Texte: F. Schuck
Bildmaterialien: F. Schuck
Tag der Veröffentlichung: 06.06.2012

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /