Das war mein Leben.
Die Memoiren einer Tabakspfeife
Meine ersten Erinnerungen reichen weit zurück. Ich kann mich noch gut erinnern, dass ich etliche Jahrzehnte als Wurzel einer Baumheide irgendwo im Mittelmeerraum gerade eben noch aus der Erde heraus ragte.
Es würde zu lange dauern, wollte ich hier meine dortigen Erlebnisse aufzählen.
Für meine heutige Geschichte ist es nur von Wert, das ich eines Tages ein dicker Holzfäller erschien, der vor sich hin murmelte, das er mich gerade noch gesucht hätte.
Ich wurde aus gegraben, zerteilt und auf einem holprigen Karren in einen großen Hof transportiert, wo ich lange Jahre in Ungewissheit lagerte. Ich dachte schon man hätte mich vergessen. Doch eines morgens wurde ich wieder auf einen Handkarren geworfen und in die Werkstatt eines Pfeifenmachers gebracht.
Aber auch hier musste ich noch lange Zeit warten. Dann nahm mich der Meister in die Hand. Er betrachtete mich von allen Seiten, drückte mit seinem Daumen auf mir herum, und mit seinem Fingerknöchel beklopfte er mich gründlich. Dann entschloss er sich ,aus mir einen Pfeifenkopf zu machen. Mich erfüllte jetzt nur noch Angst, denn ich ahnte Fürchterliches.
Noch ging alles gut. Was an mir ungesund war, wurde mit einem scharfen Messer abgeschnitten und danach fühlte ich mich sehr wohl. Langsam nahm ich nun eine schöne Form an und es schmeichelte meiner Eitelkeit, dass ich zum Schluss noch auf Hochglanz poliert wurde.
Weh tat es mir zwar, als man mit zarter Gewalt eine Spitze in den Leib presste. Erstaunlicherweise gewöhnte ich mich auch hieran, ja, jetzt fühlte ich mich erst richtig vollkommen.
Nun kam eine traurige Zeit, denn ich wurde verpackt und in ein ungewisses Land verschickt. So recht von Herzen freute ich mich, als ich eines Tages wieder ausgepackt, nochmals poliert und in ein Schaufenster gelegt wurde.
Man legte mich so, dass man ganz deutlich den Stempel mit der Aufschrift :
Echte Baumheide,
sehen konnte. Außerdem zierte mich noch ein kleines weißes Schildchen, und ich war sehr stolz, als ich die Höhe des Preises erkannte, dass ich eine wertvolle Pfeife geworden war.
Ich wünschte mir nun, diese Zeit im Schaufenster ginge nie vorüber, denn von hier aus sah ich die Welt von ihrer schönsten Seite. Wohlhabende Männer sahen mich abschätzend und arme Arbeiter begehrend an. Einmal kam eine junge Dame und nahm mich in ihre Hand. Liebkosend streichelte sie mich. Ich hörte, dass sie mich für ihren Bräutigam als Geburtstagsgeschenk kaufen wollte, aber ich war ihr dann doch zu teuer. Gerne wäre ich mit ihr gegangen, aber wer weiß was für ein Mensch der Mann war?
So kam ich wieder in das Schaufenster.
Dann eines Morgens kam „ER!“ Er war mir sofort sympathisch . Ich wurde von ihm in die engere Wahl gezogen und schließlich entschied er sich für mich. Daraus schloss ich , dass er ein Pfeifenkenner war.
Ich behielt recht, denn in seiner Wohnung angekommen, kam ich auf seinem Schreibtisch in einen Pfeifenständer, wo ich von drei älteren Kollegen misstrauisch gemustert wurde. Zwei Tage stand ich hier noch voller Angst, was jetzt mit mir geschehen würde, denn ich hatte fürchterliche Angst vor dem Feuer.
Mein Herr muss ein Schriftsteller sein, denn stundenlang saß er neben mir und klapperte auf den Tasten herum. Wenn er nicht schrieb, sondern nur nachdachte, steckte er sich eine der anderen Pfeifen in Brand. Nach kurzer Zeit rasselten dann wieder die Tasten, und es kam mir vor, als würde er durch den Rauch inspiriert . Auch ich zog den Duft begehrlich ein. Es musste ein wundervoller Tabak sein!
Wieder einmal saß er nachdenklich vor seinem Schreibtisch und sein Blick ruhte auf mir. Da nahm er mich auch schon in seine Hand. Mir blieb fast das Herz stehen vor Aufregung. Er stand auf und ging mit mir in die Küche. Was würde jetzt geschehen?
Er öffnete eine Dose und gab aus dieser eine kleine Prise Zucker in meinen hohlen Kopf. Daraufhin ging er wieder zurück, und nun kam der Tabak! Sorgfältig stopfte er mich damit voll.
Dann spürte ich an meinem Mundstück das erste Mal seine Lippen. Diese schmiegten sich wohltuend um meine Spitze und seine Zähne hielten mich sicher fest. Das dann entzündete feuer erwärmte mich wohlig und gar nicht unangenehm. So ganz schien ich ihm noch nicht zu schmecken, aber wie ich nachher feststellte, war das nur die erste Zeit. Später, als er mich richtig eingeraucht hatte, war ich ihm die liebste Pfeife.
Jahrelang blieb ich sein bester Freund. Bis er dann eine Frau kennen lernte die mich nicht leiden konnte. In ihrer Gegenwart durfte er nur noch Zigaretten rauchen. Ich freute mich nun, auf die stillen Abende an den er schrieb. Da kehrte er schuldbewusst zu mir zurück. Dann plötzlich kam die Frau nicht mehr. Es war bestimmt nicht die richtige für ihn, wenn sie nicht einmal mich leiden mochte.
Die restlichen Zigaretten verschimmelten, und ich kam wieder voll zu meinem Recht.
Die nächste Frau war von mir begeistert, und die heiratete er auch. Ich freute mich erst einmal sehr darüber, bis auf einmal neben mir auf dem Pfeifenständer eine neue Pfeife stand. Sie hatte sie ihm geschenkt!
Es dauerte lange Zeit, bevor er die Neue zum ersten Mal rauchte, und es geschah nur auf Bitten seiner Frau. Das freute mich, denn ich ersah daraus, dass ich ihm lieb und wert war.
Aber lange konnte ich nicht mehr mitmachen, denn ich war alt und verbraucht geworden. Und auch bescheidener.
Jetzt konnte ich mich schon daran erfreuen, wenn er mich nur alle acht Tage einmal rauchte.
Und heute war dann alles aus. Er konnte mich nicht mehr rauchen, denn ich habe durch die dauernde Hitze ein Loch in den Boden bekommen und habe auch keinen richtigen Zug mehr. Liebevoll sah er mich an, bevor er mich im hohen Bogen in den Mülleimer warf.
Gefasst sehe ich meinem Ende entgegen.
Tag der Veröffentlichung: 01.02.2012
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