„Es war nur der Wind...“
Kann man sich als Zehnjährige verlieben? Ja, kann man! So was geschah mir im letzten Sommer in Spanien, wo ich mit meinen Eltern und meinem Bruder Alex Ferien machte. Im Hotel befreundeten wir uns mit zwei Kindern: Basti und Lena.
Basti und Alex surften jeden Morgen, den Nachmittag verbrachten wir alle zusammen. Lena und ich verstanden uns sehr gut, wir hatten dieselben Interessen. Aber leider waren wir auch beide in denselben Jungen verliebt, in Basti, so wurde Lena schon bald meine gefährliche Konkurrentin. Sie war hübsch und konnte gut flirten, aber am schlimmsten war: Sie war 12, so wie mein Bruder Alex und Basti. Bei Erwachsenen spielt das Alter keine große Rolle, zehn Jahre hin oder her, das ist egal, aber bei Jugendlichen und Kindern zählt jedes Jahr.
Doch die Siegerin war ich und das geschah so…
Am fünften Tag unserer Ferien lud mich Sebastian ein mit ihm zu surfen. Es war keine lange Fahrt. Ich stand nur zehn Minuten hinter ihm, hatte mich fest an ihn geklammert und wir sausten eine Runde nicht weit vom Strand entfernt und immer in eine Richtung. Beim Umkehren musste ich absteigen. Sebastian drehte das Brett erst um, dann sprang ich wieder hinter ihm aufs Brett. Länger als 10 Minuten konnte ich sowieso nicht aushalten: Zu zweit surfen war ziemlich schwer und mit meinem Bikini war mir sehr kalt. Aber es war herrlich! Ich war überglücklich: Er hat MICH auf sein Brett mitgenommen!
Aber dann, am nächsten Tag, lud er auch Lena ein mitzusurfen.
„Morgen bist du wieder dran, Nicole!“, versprach Basti.
Ich war am Boden zerstört! Er hat doch nicht nur mich, sondern auch Lena eingeladen! „Und ich war so doof zu denken, dass ich etwas besonderes für ihn bin“, dachte ich bitter.
Als ich am Abend im Bett lag, heckte ich einen Plan aus.
Am nächsten Morgen, als ich auf dem Balkon stand, schien mir schon so hell die Sonne ins Gesicht, als wäre es bereits Nachmittag. Heute war ich „wieder dran“, dachte ich sarkastisch. Der Wind war stark.
„Hi, Nicole, wir müssen vorsichtig sein, der Wind ist gewaltig! Fest halten, O.K.!“, begrüßte mich Sebastian, als ich am Strand war. So gingen wir bis zu den Knien ins Wasser, dann sprangen wir aufs Brett, ich klammerte mich ganz fest an Basti, und der Wind trieb uns den Strand entlang. Nach einer Weile, als der Wind am stärksten war, schrie ich Sebastian zu: „Ich liebe dich!“ Da der Wind aber zu stark war, verstand er es nicht so gut, was ich sagte. Auf jeden Fall war er nicht sicher, was er gehört hatte.
Als wir wieder am Strand waren, fragte Basti mich:
„Hast du vorhin, beim surfen was gesagt?“
„Nein!“, versuchte ich überrascht zu wirken. „Das war bestimmt nur der Wind!“ Neugierig sah er mich an.
Am nächsten Tag lud er mich wieder auf sein Brett ein. Beim surfen, als der Moment passend war, schrie ich wieder:
„Ich liebe dich, Basti!“ Danach fragte er mich wieder:
„Hast du vorhin was gesagt, Nicole?“
„Nein, das war bestimmt nur der Wind!“, sagte ich mit einem unschuldigen Lachen. Er sah mich misstrauisch an und ging in Gedanken versunken zurück zu seinem Brett. Ich glaubte nicht, dass er noch Interesse hatte mit Lena zu surfen! Ich hatte triumphiert: Alles war gut! So hatte ich drei Tage hintereinander mit Sebastian gesurft! Und jedes Mal hatte ich ihm etwas zugerufen, es waren verschiedene Sachen: „Vorsicht! Klasse! Toller Wind!“, und immer dazu: “Ich liebe dich!“ Ja, ich musste erfinderisch sein!
Nur Lena hatte mir Leid getan: Sie sah so traurig aus, wenn ich zu Basti rannte um mit ihm zu surfen. Ich wollte aber nicht, dass sie mit Sebastian surfte. Aber mit meinem Bruder Alex kann sie ruhig surfen! Schnell lief ich zu Alex und redete ihn gleich an: “Ich möchte, dass du mit Lena surfst!“
„Was? Ich bin doch nicht blöd!“ - „Du musst aber!“ - „Warum?“ - „Weil ich’s sage!“ - „Nein!“ - „Du musst! Du bist mir was schuldig! Ich habe dir doch geholfen Mama und Papa zu überreden deinen Windsurfkurs zu bezahlen!“
„Ok, dann halt doch!“, gab Alex nach. Mit bösen Blicken ging Alex zu seinem Brett. Nach einigen Minuten stand Lena hinter ihm auf dem Brett, die Arme fest um ihn geschlungen.
Ich war so stolz auf mich! Alles war prima geregelt!
Ich konnte es mir nicht verkneifen, ich musste es jemanden erzählen! Und da kam nur meine Mutter in Frage. Als ich ihr das alles in unserem Hotelzimmer erzählte, hatte sie lange gelacht: „Gut gemacht! Bist du jetzt glücklich und zufrieden!?“
Ich seufzte: „Nicht ganz, Mama. Ich hätte doch so gerne ein Date mit ihm!“ „Was für ein Date?“, fragte Mama überrascht.
„Gegenüber von unserem Hotel gibt es auf der Strandpromenade ein Eiscafé „La Palma“, so ein romantisches Café! Würde er mich nur dorthin einladen!“
„Dann lade ihn doch selber ein!“, schlug Mama vor.
„Ah, nein, Mama, das müssen schon die Jungs machen.“
„So was, heutzutage… Aber wenn du meinst. Es ist schwer, aber Jungs kann man austricksen. Gerade du musst das wissen!“
Ich sah Mama verblüfft an: „Austricksen? Aber wie?“
„Was finden Jungs cool?“ Ich fragte wiederum: „Was?“
„Jungs finden das cool, was andere Jungs cool finden. Wir müssen Sebastian zeigen, dass ein Date cool ist! Wenn Alex ein Date mit Lena hatte und es sehr cool fand, dann wird Sebastian sich auch ein Date wünschen. Und dann kommst du dran!“
„Machen wir das gleich!“, schrie ich begeistert und rannte schnell zu Alex, der mit Sebastian im Pool schwamm.
Ich sagte Alex, dass er sofort zu Mama kommen sollte. Ich rannte schnell zu Mama zurück und war höchst gespannt, was für ein Trick es war. Alex kam mit nasser Badehose und fragte unzufrieden: „Was ist?“ - „Alex, hast du schon ein Date gehabt?“, fing Mama gleich an.
„Nein, wieso?“, fragte Alex mürrisch.
„Normalerweise haben Jungs in deinem Alter schon eines gehabt. Hier sind zehn Euro, du kannst Lena zum Cafe „La Palma“ einladen. Und sei ein Gentleman!“ Alex brüllte:
„Ich? Lena? Ich lasse mich doch nicht blamieren!“
Dann fügte ich hinzu: „Ach Alex! Lena steht doch auf dich! Sie wird sich so freuen!“ Alex wurde rot und stotterte: „Lasst mich doch in Ruhe!“ „Bitte! Bitte!“, flehte ich ihn an.
„Nein! Ich lasse mich nicht verarschen!“ - „Bitte!“, stöhnte ich. „Nein!“, Alex war hart. „Du hast ja nur Schiss!“, erwiderte ich bissig. - „Habe ich nicht! Ich lade Lena bestimmt nirgendwo hin ein!“, brüllte mein Bruder und rannte raus.
Ich schaute hinter ihm her: Tja, nicht geklappt!
„Es wird schon einmal, Nicole, hab Geduld.“ Mamas Augen lachten lustig. Alles war in Ordnung, nichts konnte mir meine gute Laune verderben. Mensch, ich war so glücklich in diesen Ferien! Lachend küsste ich meine Mutter und lief die Treppen zum Pool hinunter. Der Aufzug war für mich zu langsam: Ich musste singen und immer zwei Stufen auf einmal nehmen, sonst wäre ich vor Glück geplatzt.
Endlich ein Date!
Gleich nach dem Frühstück liefen Basti und ich zum Strand, wo er sein Brett und sein Segel holte. Als wir weit genug in das Mare Menor hinaus gelaufen waren, stieg Basti auf sein Brett und zog mich hoch. Ich strahlte. Ich war der glücklichste Mensch der Welt! Ich klammerte mich an seine Hüften und er segelte los. Es war ein starker Wind, und ich fühlte, wie er über meine Haut strich. Es war kalt. Aber es war mir egal, hauptsächlich surfte ich mit Basti, der Wind und die Kälte waren nicht so wichtig! Basti segelte wirklich gut, tausendmal besser als Alex. Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als Basti plötzlich wendete. Ich konnte nicht schnell genug reagieren und fiel ins Wasser. Verzweifelt versuchte ich nach Luft zu schnappen, und tauchte schnell wieder auf. Von diesem Sturz überrascht achtete ich nicht auf Bastis Brett, dass voller Wucht an meinen Kopf stieß. Ich schrie und bibberte vor Schmerz und Kälte. Jetzt, als ich nass geworden war, spürte ich die Kälte wirklich. Ich fror vom kalten Wind, da ich keinen Neoprenanzug hatte wie Sebastian und nur meinen roten Bikini trug. Ich fühlte wie eine riesige Beule auf meiner Stirn wuchs! Und dieser Schmerz!
Sebastian sprang von seinem Brett und packte mich mit beiden Händen. Er schüttelte mich und fragte ängstlich:
„Nicole, Nicole! Bist du ok?“
„Ok? Ich habe eine riesige Beule auf der Stirn, da, schau!“, deutete ich auf meine Stirn, die arg schmerzte. Vor Schmerz weinte ich und tadelte Sebastian:
„Basti, warum hast du das gemacht?“ Wir haben doch ausgemacht, wenn du wendest steige ich ab und dann wieder auf! Wir haben das schon so viele Male gemacht! Und du hast deinen Eltern versprochen, dass nichts passieren wird, dass du aufpassen wirst! Deine Mutter war gleich dagegen, dass wir zusammen surfen. Sie sagte, dass es gefährlich ist! Du hast versprochen aufzupassen! Jawohl!“
Ich jammerte ohne Luft zu holen und dann heulte ich erneut los.
„Nicole, Nicole! Beruhige dich doch! Es tut mir Leid! Es ist alles meine Schuld! Ich tue alles, was du willst, aber erzähle nichts meinen Eltern! Bitte!“, flehte Basti. Ich dachte schnell nach: „Das ist meine Chance! Alles, was ich will, sagte er! Vielleicht einen Kuss? – Zu aufdringlich. Ah! Jetzt habe ich es!“ Laut sagte ich:
„Ok, Basti. Du musst mich zum Eis essen einladen!“
„Eisessen? – Ok. Und wohin?“, fragte Basti prompt und ahnungslos.
„Ein Date! Mein allererstes Date! Juhu!“, jubelte ich insgeheim. An Weinen dachte ich nicht mehr!
„Na, in das Eiscafé „La Palma“, bei uns auf der Strandpromenade!“, platzte es aus mir heraus.
„Achso, ja eben. Aber schwöre, dass du meinen Eltern nicht erzählst, dass ich dafür verantwortlich bin!“, flehte Basti und zeigte auf meine riesige Beule, die noch höllisch schmerzte.
„Ich schwöre es dir, Basti! Ich sage nichts!“, versprach ich.
„Wann willst du Eisessen gehen?“, fragte Basti.
„Heute nach dem Abendessen, ok?“, schlug ich vor.
„Ist gut! Bis später, Nicole! Ich surfe noch eine Runde.“, verabschiedete er sich und sprang auf sein Brett.
„Bis dann! Ich freue mich schon so auf heute Abend!“, schrie ich ihm hinterher. Triumphierend rannte ich zum Pool, wo ich meine Mutter auf einer Liege fand. Ich wollte sofort mit ihr darüber reden!
Als sie mich kommen sah, fragte sie bestürzt:
„Mein Gott! Was hast du gemacht, Nicole?! Du hast eine riesige Beule!“ Sie schob meine Haare zur Seite um meine Stirn genau zu untersuchen.
„Ach, diese Beule ist halb so schlimm! Ich habe mich angestoßen, aber die schmerzt nicht mehr“, beruhigte ich meine Mutter. Aber es war gar nicht so leicht sie zu beruhigen, Mama warf mir ständig besorgte Blicke zu.
"Hast du Eis drauf gelegt?", wollte sie wissen.
"Nein, noch nicht. Mach ich gleich!", fertigte ich sie schnell ab. Ich wollte Mama sofort über das Date erzählen.
„Mama, ich habe ein Date mit Basti!“, verkündete ich ihr stolz.
„Was? Was für ein Date?“, fragte sie überrascht.
„Im Eiscafe „La Palma“, heute Abend nach dem Abendessen!“
„Oh! Das wird bestimmt toll! Ich freu mich so für dich!“, sagte meine Mutter und lächelte mich an.
„Und jetzt erzähl mir bitte wie du ihn dazu gebracht hast! Einer von deinen Tricks, nehme ich an?“, fragte Mama amüsiert.
„Was meinst du? Ich habe nichts getan!“, spielte ich „empörtes Mädchen“. Ich hatte doch Sebastian versprochen nichts zu erzählen! Um die Wahrheit zu sagen, ich hatte auch keine Lust zu erzählen, dass ich Basti praktisch erpresst hatte, denn das war unromantisch. „Na ja, irgendwie war „Lade mich zum Eisessen ein, dann sage ich deinen Eltern nichts.“ schon eine leichte Erpressung, dachte ich ein wenig beschämt. Andererseits, du kannst viele Jahre warten, dass die Jungs dich von sich aus zu einem Date einladen! „Man kann auch nicht sagen, dass es eine richtige Erpressung war, sagen wir: Ich habe ein bisschen nachgeholfen! „Es ist doch nicht so schlimm!“, beruhigte ich mein Gewissen, sagte aber nichts, grinste nur breit und ließ meine Mutter stehen.
Texte: Illustrationen von meiner Mutter
Tag der Veröffentlichung: 11.01.2009
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Erstveröffentlichung in der Anthologie "Zwieschen Sieg und Niederlage", deutex Verlag (Mit dieser Geschichte war ich die Preisträgerin)