Taschendiebe töten nicht.
Dieser Grundsatz gehörte zu den festen Lebensregeln von Benni Vogt. Der Neunzehnjährige hatte noch zwei weitere Leitsprüche, nach denen er sich richtete. Sie lauteten: Bleib’ unauffällig. Und lass’ dich nicht erwischen.
Zumindest die erste dieser beiden Forderungen erfüllte der Kleinkriminelle, als er am Nachmittag des 5. Oktober den weltberühmten Hamburger Zoo Hagenbecks Tierpark betrat. Benni Vogt trug eine modische Windjacke, dazu eine braune Bundfaltenhose. Sein dunkelblondes Haar war ordentlich geschnitten. Über der Schulter hatte er eine Umhängetasche aus Leder, in der er seine Beute verstauen wollte.
Der Taschendieb wirkte wie ein durchschnittlicher junger Mann. Kein oberflächlicher Betrachter hätte vermutet, dass Benni rauschgiftsüchtig war. Er hatte rein äußerlich nichts gemeinsam mit den abgerissenen Elendsgestalten, die um den Hamburger Hauptbahnhof geisterten.
Die offene Drogenszene war ein ständiges Ärgernis für die Polizei. Wenn die Ordnungsmacht den Fahndungsdruck verstärkte und Platzverweise aussprach, verlagerte sich die Szene einfach in eine angrenzende Gegend. Während sich Junkies ansonsten meist mit ihresgleichen treffen, mied Benni die anderen Drogenabhängigen wie der Teufel das Weihwasser.
Benni achtete trotz seiner Sucht sehr auf seine biedere Fassade, die seiner Meinung nach der allerbeste Schutz gegen Ärger mit dem Gesetz war. Der Erfolg gab ihm Recht. Bisher war der Taschendieb noch niemals erwischt worden. Beschaffungskriminalität war für ihn kein Problem, er hielt sich für ungeheuer gerissen.
Benni ging seinem unlauteren Gewerbe gerne an Orten nach, wo seine Opfer abgelenkt waren. Dafür bot sich der legendäre Zoologische Garten in Hamburg-Stellingen geradezu an. Über 2.500 Tiere wurden hier gezeigt. Die Freigehege ohne Gitter waren eine Hagenbeck-Erfindung, die seit ihrer Patentierung im Jahre 1896 von anderen Tiergärten in aller Welt nachgeahmt wurde.
Der Taschendieb verschaffte sich einen ersten Überblick. Er ging zuerst am Affenfelsen vorbei, dachte dann kurz an einen Besuch im Delphinarium. Die Shows mit den intelligenten Meeresbewohnern faszinierten die Besucher immer besonders. Da war es einfach, Beute zu machen.
Aber noch übte sich Benni in Geduld. Klasse statt Masse, das strebte er an. Es brachte mehr, einen wirklich reichen Menschen auszuplündern als sich zehn Mittelstandsbürger vorzuknöpfen.
Und dann fand der Taschendieb plötzlich im Tropenhaus sein ideales Opfer! Ein älterer Mann im Maßanzug. Er saß auf einer Gartenbank in einer ruhigen Ecke des Tropariums. Hier wurde die Unterwasserwelt der tropischen Meere sowie die Tierwelt der Wüstengebiete und der tropischen Regenwälder präsentiert. Allein schon das sechs Meter lange Korallenbecken zog unzählige Besucher in seinen Bann.
Aber bei dem alten Knaben würde Benni noch leichteres Spiel haben, denn dieser war offenbar eingedöst. Der Kopf war auf seine Brust gesunken. Vielleicht hatte ihn ja die hohe Luftfeuchtigkeit in dem Troparium ermüden lassen. Das kümmerte Benni herzlich wenig. Er setzte sich kurz neben sein Opfer. Zwei routinierte Griffe, die für Laien kaum sichtbar waren – und schon hatte er die Brieftasche und die Uhr des Alten kassiert!
Benni wollte schon wieder aufstehen, als er eine männliche Stimme vernahm.
»Polizei. Sie sind verhaftet.«
Der Mann und die Frau waren plötzlich da, wie aus dem Erdboden gewachsen. Die beiden Zivilfahnder hielten dem Drogensüchtigen ihre Ausweise unter die Nase. Benni versuchte sein Glück mit einem schnellen Sprung seitwärts. Aber da drehte ihm die Frau den Arm auf den Rücken, und der männliche Beamte zückte seine Handschellen.
»Hier gibt es nichts zu sehen«, sagte der Polizist zu aufmerksam gewordenen Besuchern. »Gehen Sie bitte weiter.«
Benni blieb zunächst ruhig, obwohl er gerade kassiert worden war. Er war ein aufgeweckter Bursche. Daher wusste er, dass er altersmäßig noch unter das Jugendstrafrecht fiel. Vielleicht konnte er den Bullen und dem Gericht sogar weismachen, dass dies sein erster Taschendiebstahl war. Dann hatte der Kleinkriminelle gute Chancen auf eine Bewährungsstrafe.
Doch mit seiner Gelassenheit war es vorbei, als die Polizistin sich dem Alten im Maßanzug näherte.
»Wachen Sie bitte auf, mein Herr. Sie sind soeben bestohlen worden. Ich bin Polizeiobermeisterin Carstens, und … oh, verflixt!« Die Zivilfahnderin berührte den älteren Mann mit den Fingerspitzen. Sie hatte sich schon zuvor Plastik-Einweghandschuhe angezogen, wie es üblich ist, wenn die Polizei mit mutmaßlich Drogenabhängigen wie Benni Vogt zu tun hat. Obermeisterin Carstens wandte sich an ihren Kollegen. »Ruf’ einen Notarzt, Thomas! Ich glaube, der Mann ist tot.«
»Tot?«, echote Benni. Er riss instinktiv an den Handschellen. Aber das nützte natürlich überhaupt nichts. »Ihr Mistbullen wollt mir was anhängen!«
»Du hast jetzt mal Sendepause«, brummte der Zivilfahnder und griff nach seinem Handy. »Wenn dieser Herr wirklich tot ist, übernimmt den Fall sowieso die Sonderkommission Mord.«
Kriminalhauptkommissarin Heike Stein von der Sonderkommission Mord der Kripo Hamburg hätte sich nie träumen lassen, einmal in Hagenbecks Tierpark einen Mord aufklären zu müssen.
Obwohl – gab es da überhaupt viel zu ermitteln? Nach den Informationen der Funkzentrale zu urteilen lagen die wichtigsten Fakten schon vor. Das Mordopfer war von zwei Zivilfahndern entdeckt worden. Die Kollegen hatten gleichzeitig auch den Hauptverdächtigen festgenommen, einen jungen drogensüchtigen Taschendieb.
»Das ist ein Fall ganz nach Dr. Magnussens Geschmack.«
Mit diesen Worten meldete sich Kriminalhauptkommissar Ben Wilken, Heikes Dienstpartner. Er saß am Steuer des zivilen Opel Omega aus der Präsidiums-Fahrbereitschaft, mit dem er selbst und die blonde Kriminalistin in Richtung Zoo fuhren.
Heike schmunzelte.
»Du meinst, weil der mutmaßliche Mörder uns gleich auf dem Silbertablett serviert wird?«
»Richtig, Heike. Aber ich bin nicht so überzeugt davon, dass dieser Drogenknabe wirklich der Täter ist. – Taschendiebe töten nicht«, fügte der dunkelhaarige Fahnder hinzu. Und zitierte damit unbewusst eine der Lebensweisheiten des jungen Kleinkriminellen Benni Vogt.
Heike erwiderte einstweilen nichts. Die blonde Kriminalistin fand es persönlich nur schade, dass das Verbrechen noch nicht einmal vor solchen Orten wie dem legendären Hamburger Zoo Halt machte. Als waschechte Hamburgerin war Heike schon unzählige Male in Hagenbecks Tierpark gewesen, vor allem natürlich als Kind mit ihren Eltern. Dienstlich hingegen hatte sie das 25 Hektar große Gelände im Stadtteil Stellingen noch nie betreten.
Nachdem Ben den Wagen auf dem Besucherparkplatz abgestellt hatte, eilten die beiden Kriminalisten auf den Haupteingang zu. Heike trug an diesem Tag einen Tweedrock von italienischer Länge, dazu ein Wildlederjackett und einen roten Rollkragenpulli. Die ersten Ausläufer der Herbststürme pfiffen bereits über die Hansestadt. Der Sommer war endgültig vorbei für dieses Jahr.
Heikes Laune war nicht die Beste. Natürlich ging sie an diesem Tag nicht zu ihrem persönlichen Vergnügen in den Zoo, sondern um einen Mord aufzuklären. Aber trotzdem – es war, als würde dieser Einsatz ihre schönen Kindheitserinnerungen zerstören, die untrennbar mit Hagenbecks Tierpark verbunden waren.
»Maja und ich könnten mit unserer Lütten eigentlich auch mal wieder hier aufkreuzen«, sagte Ben. »Die Kleine mag die Seehunde so gern. Na, vielleicht am nächsten freien Wochenende …«
Ben war im Gegensatz zu Heike verheiratet und hatte eine kleine Tochter. Heike war ihm dankbar dafür, dass er sie aus ihren selbstmitleidigen Grübeleien gerissen hatte. Heike konzentrierte sich nun lieber auf den vor ihr liegenden Kriminalfall.
Unmittelbar im Kassenbereich stand ein uniformierter Polizist vom Revier Stellingen. Er grüßte, als er Ben und Heike erblickte. Die blonde Kriminalistin kannte ihn nicht persönlich, aber sie und ihr Dienstpartner hatten sich vorsichtshalber ihre Dienstausweise an die Jacketts gehängt.
»Gerichtsmedizin und Spurensicherung sind auch schon eingetroffen«, sagte der Uniformierte. »Der Tote befindet sich im Tropenhaus. Das ist …«
»Danke, wir kennen uns aus. Sind ja nicht zum ersten Mal bei Hagenbeck«, sagte Heike. Ebenso wie Ben beschleunigte sie ihre Schritte. Sie wollte noch einen Blick auf die Leiche werfen, bevor die Männer vom gerichtsmedizinischen Institut sie mitnahmen. Natürlich konnte man den Toten dann später im Leichenschauhaus noch ausführlich in Augenschein nehmen. Aber Heike machte sich, wann immer es möglich war, am liebsten ein Bild von der Leiche am Tatort oder Fundort. Und zwar nicht auf Fotos, sondern direkt.
Die beiden Kriminalisten gingen an den Freigehegen der Elefanten und Giraffen vorbei zielstrebig auf das Troparium zu, wie das Tropenhaus bei Hagenbeck genannt wird.
»Sieh’ dir das an, Ben!«, schimpfte die Hauptkommissarin. »Da gibt es hier die wunderbarsten und exotischsten Tiere zu sehen – aber nein, ein Blick auf einen toten Menschen ist ja viel spannender!«
Heikes zornige Worte bezogen sich auf eine Traube von Gaffern, die sich vor dem Troparium drängten, mit ihren Smartphones filmten und von zwei weiteren uniformierten Kollegen nur mühsam zurückgehalten werden konnten.
»Kripo Hamburg! Lassen Sie uns vorbei!«, blaffte Heike und drängte sich zwischen den Sensationslustigen hindurch.
Ben folgte ihr. Feucht-warme Atmosphäre schlug den Kriminalisten entgegen, als sie das Tropenhaus betraten. Man konnte in diesem Gebäude wirklich die Illusion bekommen, sich irgendwo in Äquatornähe zu befinden, in Südamerika, Afrika oder Asien.
Heike ging an dem großen Korallenbecken vorbei. Das dämmerige Licht des Tropariums wurde durch die Flutbeleuchtung aufgehellt, die das Spurensicherungsteam für seine Arbeit brauchte. Auch der Polizeifotograf war noch mit den Tatortaufnahmen beschäftigt.
Heike und Ben hatten Glück. Die Leiche war noch nicht in den Blechsarg gelegt worden, der bereits in der Nähe bereitstand.
Der Tote wirkte friedlich, ganz so, als würde er nur schlafen. Der Notarzt hatte ihm für die Untersuchung offenbar das Hemd aufgeknöpft und das Unterhemd bis über die Brust hochgeschoben. Ansonsten war das Mordopfer aber korrekt und bürgerlich gekleidet. Der Anzug zeugte von Maßarbeit. Für so etwas hatte die modebewusste Heike einen Blick.
Die Kriminalistin ordnete den Toten altersmäßig zwischen sechzig und siebzig Jahren ein. Sein immer noch volles Haar war weiß. Er trug eine Brille mit Goldrand. Seine Statur war schlank, fast mager. Und der Mann hatte nicht gerade zu den Riesen gehört. Die 1,75 m große Heike schätzte, dass er ein Kopf kleiner als sie war.
Dr. Lehmann, der neben der Leiche kniete, wandte sich Heike und Ben zu.
»Guten Tag, Frau Stein und Herr Wilken«, sagte der Gerichtsmediziner. »Schade, dass wir uns immer nur unter so unerfreulichen Umständen treffen müssen. Gerade vorige Woche war ich noch mit meinem Enkel hier im Tierpark.«
Heike lächelte bitter.
»Ja, die meisten Menschen kommen zum Staunen über die Tierwelt her – und nicht, um getötet zu werden. Können Sie uns schon eine erste Einschätzung geben, Herr Dr. Lehmann?«
Der Pathologe richtete sich ächzend auf.
»Ich will mich nicht mit fremden Federn schmücken, denn die interessanteste Beobachtung kam von dem jungen Notarzt, den die Zivilstreife alarmiert hat. Der Kollege tippte zunächst auf einen Herzinfarkt, weil die Symptome ähnlich waren. Aber dann stellte er auf der rechten Brustseite die Einstichstelle von einer Injektionsnadel fest. – Sehen Sie, hier.«
Zur Verdeutlichung schob Dr. Lehmann das Hemd des Toten etwas weiter auseinander und hielt das Unterhemd hoch. Heike beugte sich vor. In der Nähe der rechten Brustwarze war wirklich eine winzige Wunde zu erkennen. Obwohl die Kriminalistin eine gute Beobachterin war, musste sie sich eingestehen, dass sie den Einstich vielleicht übersehen hätte.
»Ein Herzinfarkt kann ja wohl nicht die Todesursache sein«, bemerkte Ben trocken. »Sonst hätte man wohl kaum die Sonderkommission Mord alarmiert.«
Dr. Lehmann nickte eifrig.
»Exakt, Herr Wilken. Dieser Mann wurde vergiftet. Das ist alles, was ich Ihnen momentan mit Bestimmtheit sagen kann. Die Art des Giftes werden wir gewiss bei der Obduktion feststellen können. Auf jeden Fall gehört es wohl zu einer schnell wirkenden Sorte. Der Tod muss fast sofort eingetreten sein.«
»Wie kommen Sie darauf?«
»Es hat kein Todeskampf stattgefunden, Frau Stein. Als die Zivilfahnder den Mann ansprachen, hielten sie ihn für schlafend. Erst bei genauerem Hinsehen wurde den Beamten klar, dass der Mann nicht mehr lebt.«
»Ist die Identität des Opfers geklärt?«
Der Gerichtsmediziner nickte und deutete mit dem Daumen auf die Kriminaltechniker, die einige Schritte neben ihm ihrer Tätigkeit nachgingen.
»Herr Sommer hat sich gleich die Brieftasche des Toten geben lassen. Er kann Ihnen mehr sagen.«
»Vielen Dank, Herr Dr. Lehmann. Wann können wir mit den Obduktionsergebnissen rechnen?«
»Wahrscheinlich haben Sie es wieder furchtbar eilig, Frau Stein. Ich werde Sie aber umgehend anrufen, noch bevor ich den offiziellen Bericht abliefere. Ist das ein Angebot?«
»Was täten wir nur ohne Sie, Herr Dr. Lehmann«, flötete Heike und schenkte dem Pathologen einen koketten Augenaufschlag. Der Gerichtsmediziner war für weiblichen Charme sehr empfänglich. Man durfte den Flirt bloß nicht übertreiben, damit er sich keine Schwachheiten einbildete.
Die beiden Kriminalisten wandten sich nun den Kollegen von der Technischen Abteilung zu, die unter der Leitung von Paul Sommer die Spuren sicherten.
»Ihr wollt bestimmt die Brieftasche«, sagte Sommer, noch bevor Heike oder Ben ihn ansprechen konnten. »Aber die rücke ich so schnell nicht raus. Wir müssen das gute Stück nebst Inhalt erst einmal kriminaltechnisch untersuchen. Und dann dürft ihr euch mit der Staatsanwaltschaft herumärgern, wer als Erster die Brieftasche bekommt.«
»Weil die Brieftasche auch als Beweisstück bei der Anklage gegen diesen Taschendieb gebraucht wird?«
»Genauso ist es, Heike.«
»Kannst du uns denn wenigstens schon mal den Namen des Toten verraten?«
Paul Sommer blinzelte ihr freundlich zu.
»Sicher, Heike. Tut mir auch leid, dass ihr die Brieftasche nicht gleich kriegen könnt. Aber wir müssen ja auch unsere Arbeit tun. – Der gute Mann hieß Professor Antonius Rabe. Er war wohl Zoologe. Und er hat in der Uhlandstraße gewohnt.«
Heike und Ben notierten sich die Angaben.
»Kannst du uns sonst schon etwas zum Tathergang sagen, Paul?«
»Tja … Professor Rabe hat da auf der Bank gesessen. Der Täter muss sich unmittelbar neben ihm niedergelassen haben. Er hat ihm die Injektionsspritze in die Brust gejagt und das Gift gespritzt. Das ist jedenfalls meine Meinung. Einen Kampf hat es nicht gegeben. Vielleicht hat der Mörder es sogar vor den Augen von anderen Zoobesuchern getan. So eine Injektionsspritze ist ja nicht groß. Wahrscheinlich hat er sie durch die Kleidung des Opfers hindurch gestochen.«
»Du sagst immer er, Paul. Ist denn schon klar, dass wir es mit einem Mörder und nicht mit einer Mörderin zu tun haben?«
»Eigentlich nicht, Heike. Ich dachte nur, weil die Kollegen vom Revier Stellingen eine Injektionsspritze bei diesem Taschendieb gefunden haben …«
»Was? Und das erfahren wir erst jetzt?«, fragte Heike verblüfft.
»Ihr habt euch ja vorher nicht danach erkundigt …«, startete Paul Sommer einen lahmen Rechtfertigungsversuch.
Normalerweise wäre Heike aus der Haut gefahren, aber sie verzichtete darauf. Erstens brachte es überhaupt nichts, einem so erfahrenen Kollegen wie Paul Sommer Schlamperei vorzuwerfen. Und zweitens – wozu die Aufregung? Wenn der Taschendieb wirklich der Täter war, konnte es Heike nur recht sein. Denn dieser Mann befand sich bereits in Polizeigewahrsam.
Weitere Spuren konnte Sommer den beiden Kriminalisten noch nicht bieten. Aber das war wohl an einem so viel besuchten Ort wie dem Tropenhaus nicht anders zu erwarten.
Ben ging zu einem der Uniformierten von der Wache Stellingen hinüber.
»Weißt du, wo der Taschendieb jetzt abgeblieben ist? Habt ihr ihn gleich in die U-Haft gesteckt oder …«
Der Polizist schüttelte den Kopf.
»Nee, der Notarzt hat bei dem Langfinger Drogensucht festgestellt. Der Klaubruder hängt wohl an der Nadel. Die Kollegen haben ihn gleich nach Ochsenzoll geschafft, zur Entgiftung.«
Heike nickte. In Hamburg-Ochsenzoll befindet sich eine große Nervenklinik mit einer Spezialabteilung zur Behandlung von Drogensucht. Diese Station ist auch besonders gesichert, da man es dort mit gewaltbereiten Patienten zu tun hat.
Die dortige Abteilung für Abhängigkeitserkrankungen behandelt sowohl Patienten mit Alkoholproblemen als auch Kiffer und Hartdrogenabhängige sowie krankhafte Spieler.
Die Kriminalisten erfuhren noch, dass die Zivilfahnder jetzt wieder auf der Revierwache waren. Dr. Lehmann gab seinen Leuten ein Zeichen, damit sie die Leiche in den Blechsarg hoben.
»Hier gibt es für uns nichts mehr zu tun«, meinte Heike zu ihrem Dienstpartner. »Was hältst du davon, wenn wir mit den Kollegen in Stellingen einen Kaffee trinken und danach noch nach Ochsenzoll fahren?«
»Du nimmst mir das Wort aus dem Mund, Heike.«
Die Kriminalisten verließen das Troparium. Heike nahm sich vor, später noch einmal in Ruhe hierher zurückzukehren. Es musste ja auch geklärt werden, warum Professor Rabe überhaupt im Tropenhaus gewesen war.
Es gab jede Menge Fragen, die offen waren. Aber die Ermittlungen hatten ja auch eben erst begonnen. Auf der Revierwache hatten die beiden Beamten von der Sonderkommission Glück. Die Zivilfahnder, die den Mordverdächtigen festgenommen hatten, waren gerade anwesend.
Polizeiobermeisterin Anne-Christin Carstens und Polizeiobermeister Thomas Melter erwiesen sich als aufgeweckte junge Kollegen, die erst vor kurzem von der Polizeischule gekommen waren.
»Wollt ihr einen Kaffee?«, fragte Anne-Christin Carstens, nachdem sich die beiden Kriminalisten mit Namen und Dienstgrad vorgestellt hatten.
»Aber immer doch. – Ihr könnt euch denken, weshalb wir hier sind?«
»Wegen dem Toten im Tropenhaus«, vermutete Thomas Melter. Ben nickte. Wenig später hatten die vier Beamtinnen und Beamten jeweils einen großen Becher mit heißem Kaffee vor sich.
»Am besten berichtet ihr noch mal, wie die Verhaftung und die Entdeckung der Leiche über die Bühne ging«, schlug Heike vor.
»Ja, gerne. Anne-Christin und ich hatten den Einsatzbefehl, auf Taschendiebe bei Hagenbecks Tierpark zu achten. Momentan macht eine organisierte Bande die Stadt unsicher. Unser Revierleiter war der Meinung, dass sie auch im Zoo zuschlagen könnte.«
»Wir haben also patrouilliert und versucht, nicht allzu sehr wie Polizisten
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Texte: Martin Barkawitz
Bildmaterialien: www.klauddesign.com
Tag der Veröffentlichung: 23.07.2016
ISBN: 978-3-7396-6554-2
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