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Inhalt

Eine Frauenleiche im Stadtpark wird zur beruflichen und persönlichen Herausforderung für Kommissarin Heike Stein von der Hamburger Polizei.

Beginnt damit die Mordserie eines irren Killers? Zunächst deutet alles darauf hin, doch Heike Stein hat ihre Zweifel.

Die junge Kriminalistin muss sich nicht nur gegen ihren störrischen Vorgesetzten durchbeißen, sie hat es auch mit einem scheinbar übermächtigen Feind zu tun, der ihr immer einen Schritt voraus ist.

Als ihr auch noch die Liebe in die Quere kommt, scheint die Lösung des Rätsels in weite Ferne zu rücken.

Oder ist Heike Stein in eine teuflische Falle getappt?

 

 

Die Handlung des Romans ist frei erfunden. Jede Ähnlichkeit oder namentliche Übereinstimmung mit lebenden oder toten Personen ist nicht beabsichtigt und wäre rein zufällig. Lediglich die Freie und Hansestadt Hamburg gibt es wirklich ;-)

 

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autor-martin-barkawitz.de

 

 

1

 

 

 

Julia Sander zitterte vor Angst.

Die junge Frau ging durch den Stadtpark – wie jeden Tag. Warum auch nicht? Das weitläufige Gelände wurde bevölkert von Eltern mit spielenden Kindern, von Hundebesitzern mit ihren vierbeinigen Lieblingen, von Joggern, Sonnenanbetern und natürlich von wachsamen Wärtern.

Es gab also keinen Grund, gerade heute nicht den Stadtpark zu durchqueren. Jedenfalls tagsüber. Nachts kam Julia ohnehin nicht auf die Idee, das Parkgelände zu betreten. Das war ihr zu gefährlich.

Aber jetzt stand die Sonne noch hoch am Himmel. Julia eilte den breiten Doppelweg hinunter, der vom Planetarium zur Hindenburgallee führt. Sie warf ihr langes dunkles Haar zurück, das ihr ein leicht exotisches Aussehen verlieh. Bei dieser Gelegenheit konnte Julia unauffällig über die Schulter hinter sich schauen.

Nichts!

Abgesehen von einer jungen Mutter mit Kinderwagen, die ihr soeben entgegengekommen war und die nun ihr Baby weiter Richtung Jahnkampfbahn schob. Vor sich sah Julia zwei alte Männer, die auf einer Bank saßen und lebhaft über irgendetwas diskutierten. Im Vorbeieilen hörte die junge Frau Wortfetzen wie »HSV«, »Meisterschaft« und »nicht unterkriegen lassen«. Unwillkürlich musste sie schmunzeln. Sie wünschte sich plötzlich, mit anderen Menschen tauschen zu können. Wie schön es wäre, deren Probleme zu haben. Und nicht ihre eigenen. Eine Morddrohung war schließlich keine Kleinigkeit ...

Mord!

Machte Julia sich nicht selbst verrückt? So schnell wurde man nicht umgebracht, selbst in einer so kriminellen Stadt wie Hamburg nicht!

Doch kaum war ihr dieser ermutigende Gedanke gekommen, als sie die dunkle Gestalt sah. Es war ein Mann. Bildete sie es sich nur ein oder hatte er eine Waffe in der Hand?

Voller Panik begann Julia zu laufen. Dafür trug sie nicht das passende Schuhwerk. Aber das war ihr egal. Sie hetzte in ihren halbhohen Pumps die schmalen Parkwege entlang, als sei der Leibhaftige hinter ihr her.

Sonst sah man hier immer jede Menge Parkwärter. Nur ausgerechnet heute nicht! Oder doch? War es nicht einer dieser Uniformierten, der dort zwischen den Bäumen hervortrat?

Hoffnung keimte in der jungen Frau auf. Hoffnung, die sich schlagartig in helle Panik verwandelte. Denn es war ihr Verfolger, der ihr nun den Weg versperrte. Irgendwie musste er es geschafft haben, sie zu überholen, auf einem der Parallelwege an ihr vorbeizuziehen. Oder wurde sie von mehreren Männern eingekreist?

Julia keuchte, wollte sich auf dem Absatz umdrehen. Doch es war zu spät. Ein Geräusch ertönte. Es klang, als würde eine aufgeblasene Brötchentüte zerplatzen. Dann spürte Julia einen furchtbaren Schmerz in der linken Brusthälfte. Es war die letzte Empfindung in ihrem sechsundzwanzigjährigen Leben.

Julia Sander stürzte in einen schwarzen Abgrund, aus dem es kein Zurück mehr gibt.

 

2

 

Das Telefon klingelte fünf Minuten vor dem Wecker. Kriminalhauptkommissarin Heike Stein tastete schlaftrunken nach dem Mobiltelefon auf ihrem Nachtschränkchen.

»Hallo ...?«

»Hier ist Ben. Guten Morgen.«

Heike fuhr sich mit der linken Hand durch ihre strohblonde Kurzhaarfrisur, während sie mit der Rechten das Telefon an ihr Ohr hielt.

Ben, das war Benjamin Wilken, ihr Kollege und Dienstpartner bei der Kriminalpolizei Hamburg.

»So gut wird der Morgen nicht sein, wenn du mich schon so früh aus dem Bett scheuchst.«

»Das stimmt leider, Heike. Wir haben eine Leiche. Der Fund wurde soeben gemeldet. Soll ich dich abholen?«

»Kommt drauf an.« Heike rieb sich den Schlaf aus den Augen. »Wo ist denn der Tatort?«

»Im Stadtpark. In der Nähe von der Brunnenhalle.«

»Nein, da fahre ich selbst hin. Ist ja nur ein Katzensprung von hier.«

»Wie du willst. Wir sehen uns dann am Tatort. Ciao.«

Kriminalhauptkommissar Ben Wilken beendete das Gespräch. Auch Heike deaktivierte ihr Telefon wieder. Sie schwang ihre langen, wohl geformten Beine aus dem Bett.

Missgelaunt tappte sie auf nackten Fußsohlen ins Bad. Natürlich war ein unnatürlicher Tod immer eine schreckliche Sache. Obwohl sie nun schon zwei Jahre bei der Mord-Sonderkommission des Landeskriminalamtes Hamburg Dienst tat, ließ sie der Anblick eines getöteten Menschen immer noch nicht kalt. Und das war auch gut so, wie sie fand. Schließlich war sie kein Automat, keine Verbrechensbekämpfungsmaschine.

Als sie die ersten heißen Wasserstrahlen der Dusche auf ihrem Körper spürte, erwachten die Lebensgeister allmählich.

In Windeseile hatte Heike sich fertig geduscht, frottiert und angezogen. Obwohl sie normalerweise viel Wert auf ihr Styling legte, kleidete sie sich an diesem Morgen einfach und sportlich. Eine Jeans, ein Pulli und ein Tweed-Jackett. Auf Make-up verzichtete sie größtenteils. Schließlich war sie in Eile.

Bevor Heike ihre Wohnung in der Isestraße verließ, schob sie noch das Clipholster mit ihrer Dienstwaffe in den Jeansgürtel.

Eine Minute später schwang sie sich auf ihr Mountainbike und trat in die Pedale. Heike besaß keinen Privat-PKW. Sie trug ihr Gehalt lieber in die Boutiquen als in die Auto-Reparaturwerkstätten. Außerdem sah sie einen fahrbaren Untersatz für sich selbst als reine Geldverschwendung an.

Im Dienst konnte sie ohnehin auf den Fuhrpark des Landeskriminalamtes zurückgreifen. Oder sie nahm die U-Bahn, denn die Haltestelle Eppendorfer Baum hatte sie beinahe vor der Haustür. Schlimmstenfalls konnte sie immer noch ein Taxi benutzen.

Heike kam gut voran. Die richtige Rushhour hatte noch nicht angefangen. Sie fuhr durch die Maria-Louisen-Straße, überquerte die Barmbeker Straße und bog rechts in den Grasweg ein. Hier begann schon der Stadtpark.

Sie musste nicht lange suchen.

Zwei Einsatzfahrzeuge parkten mit rotierendem Blaulicht. Uniformierte Kollegen hatten das Gelände weiträumig abgesperrt. Die Technische Abteilung packte bereits ihre Ausrüstung aus dem VW-Transporter.

Heike warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. Sechs Uhr neunzehn. Keine schlechte Leistung, wenn man bedachte, dass Ben sie erst um fünf Uhr fünfundfünfzig aus süßem Schlaf geklingelt hatte ...

Wenn man vom Teufel spricht, dachte die Kommissarin. Ben kam in einem zivilen Dienstwagen aus Richtung Norden angerollt. Heikes Kollege lebte mit seiner Frau und seiner kleinen Tochter in einem Reihenhaus in Ahrensburg, nördlich von Hamburg.

Heike bremste und warf ihr Fahrrad achtlos ins Gras. Es würde wohl kaum jemand die Nerven haben, es unter den Augen der wachsamen Streifenwagenbesatzungen zu klauen. Ben stieg aus. Die beiden Kriminalbeamten eilten aus verschiedenen Richtungen auf die Fundstelle der Leiche zu. Beide präsentierten ihre Dienstausweise. Sie konnten nicht verlangen, dass jeder uniformierte Polizist sie persönlich als Kollegen in Zivil erkannte.

Ben begrüßte Heike per Handschlag. Er war ein hoch gewachsener und gut aussehender Mann Anfang dreißig. An diesem Morgen trug er beige Chinos, ein lachsfarbenes Flanellhemd und eine Wildlederjacke.

Heike verstand sich gut mit ihm, aber sie waren »nur« befreundete Kollegen. Es gab böse Zungen im Präsidium, die sie als das »Traumpaar vom LKA« (Landeskriminalamt) bezeichneten. Aber dahinter steckte Neid oder Eifersucht, wie Heike vermutete. Der eine oder andere Kollege hätte vielleicht gerne mit ihr Dienst geschoben. Und so manche Kollegin hätte gerne an Heikes Stelle neben Ben im Einsatzfahrzeug gesessen.

Getratscht wurde eben überall, wo mehr als zwei Leute zusammen arbeiteten ...

»Morgen, Heike«, begrüßte Ben sie. »Es sieht so aus, als ob wir den Fall kriegen. Da dachte ich, wir schauen uns gleich mal an, was Sache ist.«

Heike nickte.

»Ich würde gerne die Leiche sehen.«

Bringen wir es hinter uns, fügte sie in Gedanken hinzu. Ein uniformierter Kollege kam zu ihnen – wie ein Schauspieler, der auf sein Stichwort gewartet hat.

»Ich bin Obermeister Hoffmann vom Neunten«, stellte er sich vor. »Wir waren gerade auf Streife, als uns ein Jogger anhielt. Er meldete einen Leichenfund.«

»Wo war das?« Heike zückte ihr Notizbuch.

»Am Jahnring, Frau Hauptkommissarin. Wir haben den Zeugen ins Auto geladen und sind zu der Fundstelle gefahren. Kann nicht länger als eine Minute gedauert haben.«

Heike nickte. Sie war mit der Geographie des Stadtparks in etwa vertraut. Der Jahnring war eine große Durchgangsstraße nördlich des Parkgeländes. Der Park selbst wurde von der Hindenburgstraße sozusagen in zwei Hälften geteilt. Und in der linken Hälfte war die Leiche gefunden worden.

Der Uniformierte machte eine auffordernde Handbewegung. Er führte sie zu einem Gebüsch, wo sich die Technische Abteilung bereits nützlich machte. In grellem Flutlicht wurden Fotos geschossen, die Männer sicherten Spuren und nahmen Proben.

Inmitten der emsig tätigen Spezialisten lag der bleiche Körper einer jungen Frau. Zu Lebzeiten musste die Tote eine Schönheit gewesen sein. Langes dunkles Haar wallte auf ihre Schultern. Der erstarrte Blick drückte grenzenloses Erstaunen aus.

Bekleidet war die Tote mit einem Regenmantel, einem knielangen taillierten Kleid sowie halbhohen Pumps.

»Sexualdelikt?«, fragte Heike mit aller Ruhe, zu der sie bei dieser Frage fähig war.

Obermeister Hoffmann zuckte mit den Schultern.

»Das sollen die Ärzte entscheiden. Aber wenn Sie mich fragen ...«

»Ich frage Sie!«

»Welcher Sexverbrecher würde ihr denn nach der Tat ordentlich die Unterwäsche wieder hochziehen? Noch nicht einmal ihre Strumpfhose ist kaputt oder heruntergerissen.«

Das stimmte natürlich. Heike ärgerte sich darüber, dass ihr so etwas Offensichtliches nicht selbst aufgefallen war.

»Vielleicht hat der Kerl versucht, sich an ihr zu vergehen«, mutmaßte Ben. »Und als sie sich gewehrt hat, da fielen die Schüsse.«

Er deutete auf die Einschussstelle unmittelbar unter dem Herzen.

»Hat der Zeuge die Schüsse gehört?«, fragte Heike.

Der Uniformierte schüttelte den Kopf.

»Der hat gar nichts gehört. Er hat sie gesehen, als er die Hindenburgstraße überquert hat. Unter dem Gebüsch dort. Ihr heller Regenmantel ist ihm aufgefallen.«

»Diesen Zeugen können wir uns auch später noch zur Brust nehmen«, meinte Ben. Er blickte auf. »Da kommt ja Dr. Lehmann.«

Der Dienst habende Pathologe kletterte aus seinem privaten uralten VW Käfer, nahm sein Köfferchen und eilte tatendurstig auf die Leiche zu.

»Wir werden natürlich erst bei der Obduktion in der Gerichtsmedizin genaue Ergebnisse vorlegen können«, sagte der Pathologe. »Aber einen kleinen Überblick kann ich Ihnen schon jetzt geben. Wenn Sie sich etwas gedulden wollen ...«

»Sicher.«

Heike und Ben traten beiseite, um Dr. Lehmann seine Arbeit tun zu lassen. Auch die Technische Abteilung machte unverdrossen weiter.

Heike schaute auf die Sonne, die vor nicht allzu langer Zeit über den Bäumen des Stadtparks aufgegangen war. Ein schöner Morgen. Viel zu schön zum Sterben.

Einer der mit weißen Overalls bekleideten Techniker kam auf sie zu.

»Ist das Ihr Fall?«

»Bis jetzt sieht es so aus.«

»Dann wird Sie das hier interessieren.«

Wie ein Zauberkünstler zog er eine Damen-Schultertasche hervor.

»Die hat im Gebüsch gelegen. Ich wette, sie gehörte der Toten. Wenn Sie sich Einweg-Handschuhe anziehen und vorsichtig sind, dürfen Sie mal drin stöbern. Wir brauchen die Tasche aber für die kriminaltechnische Untersuchung zurück.«

»Versteht sich.«

Genau wie Ben hatte Heike stets Latex-Einweghandschuhe bei sich. Man wusste schließlich nie, was man während eines langen Diensttages untersuchen musste.

Die beiden Kriminalbeamten zogen Handschuhe an. Dann hielt Ben die Umhängetasche auf, während Heike vorsichtig den Inhalt checkte.

»Typisches Frauen-Kuddelmuddel, Ben. Lippenstift, Puderdose, Kopfschmerztabletten, Reserve-Tampons ... ah! Das könnte eine Brieftasche sein.«

Und so war es auch. Das Behältnis bestand aus Kunstleder. Heike blätterte darin herum.

»Unsere unbekannte Leiche hat jetzt einen Namen. Sie heißt Julia Marie Sander, geboren vor dreißig Jahren in Göttingen. Nicht in Hamburg gemeldet.«

»Wenn das die Innenbehörde erfährt!«

»Deine Witze waren auch schon mal besser, mein Lieber. Jedenfalls besaß Julia Sander einen Ausweis für ein Hamburger Fitnessstudio, noch gültig bis Ende nächsten Jahres. Sie war auch mal bei Burger King, jedenfalls ist hier eine Quittung von dem Laden. Dann ihre Chipcard von der Krankenkasse, ihre EC-Karte, Monatskarte vom HVV (Hamburger Verkehrsverbund), Kreditkarte ... und achtzig Euro und 50 Cent in bar.«

»Klingt nicht nach einem Raubmord.«

»Absolut nicht. Und ein Sexualdelikt liegt wohl auch nicht vor.«

Glücklicherweise, fügte sie in Gedanken hinzu. Dadurch wurde Julia Sanders zwar nicht wieder lebendig, aber wenigstens war ihr eine solche Tat erspart geblieben. So sah jedenfalls Heike die Dinge.

»Willst du einen Kaffee?«

Bens Frage kam überraschend, aber Heike stimmte begeistert zu. Den konnte sie jetzt wirklich brauchen. Sie gaben die Handtasche an die Technische Abteilung zurück. Wenn alles ausgewertet war, würden sie sowieso den Inhalt auf ihre Schreibtische im Präsidium bekommen.

Der Hauptkommissar holte eine Thermosflasche aus dem Auto und gab Heike einen Plastikbecher. Gleich darauf füllte er ihn mit der dampfenden, aromatischen Flüssigkeit.

»Mmmh, der ist gut«, meinte Heike nach dem ersten Schluck. »Du denkst aber auch an alles, zu so früher Stunde.«

»Ehrlich gesagt hat Maja ihn gekocht, während ich mich geduscht und rasiert habe.«

Maja, das war Bens Frau. Heike kannte sie persönlich und fand sie äußerst sympathisch. Nicht nur deshalb hätte die Kommissarin niemals eine Affäre mit ihrem Kollegen angefangen. Was Männer anging, hatte sie einen eisernen Grundsatz: Verheiratete und Männer mit fester Freundin waren tabu. Das war für Heike eine Frage der Selbstachtung. Sie wollte keine Familie zerstören.

Außerdem hatten ja auch noch andere Mütter schöne Söhne. Und da Heike sich nicht gerade im Kohlenkeller verstecken musste, mangelte es ihr eigentlich nie an Verehrern ...

Die Vögel zwitscherten an diesem Morgen besonders laut. Aber vielleicht kam es der Kommissarin auch nur so vor. Oder die Tiere waren empört, weil sie durch das grelle Flutlicht in ihrer Ruhe gestört wurden.

Eine halbe Stunde später kam Dr. Lehmann zu ihnen.

»Kriminalbeamter müsste man sein«, meckerte er. »Dann könnte man Kaffee trinken und würde noch dafür bezahlt.«

»Ich schiebe 53 unbezahlte Überstunden vor mir her«, entgegnete Heike trocken. »Was haben Sie denn zu bieten, Doktor?«

»Nicht viel«, behauptete der Pathologe und zückte seine speckige Kladde. »Die Tote ist Anfang dreißig. Der Tod trat durch einen Schuss aus einer Feuerwaffe ein, vermutlich Pistole oder Revolver. Das Projektil wurde noch nicht gefunden. Offenbar war nur ein einziger Schuss notwendig, um die tödliche Wirkung eintreten zu lassen.«

»Hat ein Kampf stattgefunden?«, fragte Ben.

»Sie meinen, ob das Opfer mit dem Täter gerungen hat? Dafür spricht nichts. Keine Quetschungen an den Extremitäten, keine Kratzwunden oder ähnliches. Allerdings ist der Fundort wohl nicht der Tatort. Die Kollegen von der Technischen meinten, das Opfer sei hierher geschleift worden. Vermutlich, nachdem der Tod eingetreten ist.«

Heike spitzte die Lippen. Nun wurde es interessant.

»Können Sie in etwa sagen, wann die Frau erschossen wurde, Dr. Lehmann?«

»Ohne Laboranalyse ..., über den Daumen gepeilt gestern Nachmittag zwischen sechzehn und achtzehn Uhr.«

»Das war am helllichten Tag!«, rief Ben. »Eine Frau wird am helllichten Tag mitten im Stadtpark niedergeschossen – und keiner soll es bemerkt haben?«

Der Pathologe zog ein Gesicht, als ob der Kriminalist ihn persönlich beleidigt hätte.

»Für Schlussfolgerungen sind Sie zuständig, Herr Wilken! Ich halte mich an die Tatsachen. – Sie bekommen dann den schriftlichen Obduktionsbericht so schnell wie möglich!«

Dr. Lehmann rauschte davon wie eine eingeschnappte Operndiva.

»Du weißt doch, wie empfindlich er ist«, tadelte Heike.

»Kann sein – aber soll ich deswegen etwas völlig Unmögliches glauben?«

»Wir brauchen einfach mehr Fakten, Partner. Mal sehen, ob ich uns welche beschaffen kann.«

Mit diesen Worten ging Heike zu Kommissar Paul Sommer hinüber. Der grauhaarige Kriminaltechniker leitete das Spurensicherungsteam.

»Wie lange braucht ihr noch, Paul?«

»Schwer zu sagen, Heike. Meine Jungs haben eine Spur gefunden. Es scheint so, dass die Frau da hinten irgendwo ermordet wurde.«

Er fuchtelte mit der rechten Hand Richtung Nordwesten.

»›Da hinten irgendwo‹ ist mir zu vage.«

»Wir sind ja auch noch nicht fertig, Heike. Weißt du was? Es macht mich nur nervös, wenn ihr uns bei der Arbeit ständig auf die Finger guckt. Ihr kriegt die Ergebnisse so schnell wie möglich.«

»Kannst du uns denn jetzt schon was Bestimmtes sagen?«

Der Kriminaltechniker überlegte kurz.

»Ja. Der Fundort ist definitiv nicht der Tatort. Die Frau wurde nicht hier im Gebüsch erschossen. Außerdem haben wir Abdrücke von Sportschuhen gefunden, die dem Täter gehören können.«

»Die Leiche wurde von einem Jogger gefunden«, wandte Heike ein.

»Weiß ich. Aber dessen Fußabdrücke sehen anders aus. Wenn ich mit meiner Vermutung Recht habe, müsst ihr nach einem Mörder mit Schuhgröße 44 fahnden.«

Wie viele Männer mit dieser Schuhgröße es allein in Hamburg wohl gab? Doch Heike verkniff sich eine ironische Bemerkung. Paul und seine Leute gaben ihr Bestes. Da wäre es nur schäbig gewesen, sich über sie lustig zu machen. Wenn Heike das getan hätte, wäre sie nicht besser gewesen als die Leute, die ihr und Ben eine heiße Liebesaffäre andichteten ...

»Danke, Paul«, sagte Heike mit einem freundlichen Lächeln. »Wenn wir euch sowieso nur im Weg herumstehen, fahren wir schon mal ins Präsidium.«

Der Leiter des Spurensicherungsteams versuchte nicht, seine Erleichterung zu verbergen. Heike nahm nun doch Bens Mitfahrangebot an. Sie schob ihr Mountainbike einfach

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Bildmaterialien: www.klauddesign.com
Tag der Veröffentlichung: 04.01.2016
ISBN: 978-3-7396-3040-3

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