Es war ein herrlicher Morgen. Die Sonne strahlte und der Himmel tauchte das Meer im schönsten Blau.
Von meiner Ferienwohnung aus, hatte ich einen wundervollen Blick auf El Hierro. Bei klarem Wetter war die Nachbarinsel mit all ihren Facetten zu erkennen und Abends konnte man sogar die Straßenbeleuchtung sehen.
Heute war ein besonderes Programm angesetzt. Ein Ausflug ins sogenannte „Gezeitenbecken“. Dazu mussten wir die Ebbe abwarten.
Ich war aufgeregt, konnte die Nacht kaum schlafen und war schon früh wach. Um mir die Zeit ein wenig zu vertreiben, kochte ich mir einen Kaffee, setzte mich auf meine gemütliche Terrasse und frühstückte. Mein Blick schweifte zum Meer und ich traute meinen Augen kaum, was ich dort erblickte. Um den Felsen herum tobte eine Gruppe Delfine. Es war ein schöner Anblick und mein Herz machte einen Freudensprung, da ich dieses Glück hatte und den Tieren in ihrem Raum zusehen durfte, wie sie sich tollten und Luftakrobatiken vollführten. Und das ohne Trainer und tiefgefrorener Belohnung im Anschluss.
Unsere Gruppe traf sich um 8:30 Uhr im Gezeitenbecken. Ich hatte den kürzesten Weg, denn ich brauchte keine fünf Minuten dahin, da es sich fast vor meiner Haustür befand.
Langsam wurde es Zeit. Ich räumte den Frühstückstisch ab und packte meine paar Sachen, die ich für diesen Exkurs benötigte, zusammen. Sonnenbrille, Sonnenhut, Fotoapparat. Mehr war nicht nötig.
In der Ferne erblickte ich unseren Meeresbiologen Dietmar, der bereits vor Ort war und mit einem Eimer bewaffente über die Steine tänzelte.
Ich suchte nach einer günstigen Stelle, um ebenfalls in das Gezeitenbecken zu gelangen. Es bestand aus vielen großen, schwarzen Felsen. Einige waren rutschig, sodass ich sehr aufpassen musste, damit ich mich nicht auf meine vier Buchstaben setzte. Doch ich balancierte wie eine Ballerina über die Steine hinweg und gelangte sicher zum Treffpunkt. Wenig später trafen auch Marlene, Valerie, Simone, Sabine und Gabi ein. Auch sie hatten so ihre Mühe sicher an den Treffpunkt zu gelangen.
(Gar nicht so leicht, den Ort des Geschehen zu erreichen)
Wir versammelten uns. Eine Felsformation bildete ein kleines, natürlich angelegtes Meerwasser Aquarium. In dieser überdimensionalen Pfütze befanden sich viele spannende Lebewesen. Ich wusste, die Meere beherbergen viele wundervolle Geschöpfe, doch dieses Tier hatte es mir besonders angetan. Ich konnte es nicht lassen, meinen Blick von ihm abzuwenden. Irgendwie hatte ich Angst, es würde sich meinem Blickwinkel entziehen und plötzlich verschwunden sein.
Nachdem wir uns alle um das Loch versammelt hatten, kam Dietmar auf uns zu und begrüßte uns.
„Hallo. Habt ihr gut geschlafen?“
Alle bejahten es. Ich ebenfalls.
„Gut. Dann schaut mal in dieses Becken und sagt mir, welche Meeresbewohner ihr erkennt.“
Anfangs schienen nicht viele Tiere in diesem Becken zu sein. Doch nach und nach gewöhnten sich unsere Augen an das reflektierende Sonnenlicht und wir erkannten auch diverse getarnte Tiere, wie einen Oktopus. Wir entdeckten Seesterne, Seeigel, Seegurken, diverse Fische, Muscheln und dieses spezielle Tier.
„Du scheinst Deinen Blick von dem einen Tier gar nicht lösen zu können.“, bemerkte Dietmar.
Ich schüttelte den Kopf. „Was ist das?“, fragte ich ihn nun endlich, um meine Neugier zu stillen.
„Das ist ein Seehase.“, erklärte Dietmar.
„Der ist ja echt putzig.“, kam es aus meinem Mund.
(Der Seehase)
Dietmar machte vorsichtig einen Schritt auf den Seehasen zu und holte ihn aus dem Wasser. Der Seehase war weiß und mit schwarzen Ringen übersät und war ca. 17 Zentimeter lang. Wir staunten alle.
„Kann der auch außerhalb des Wassers überleben?“, wollte Gabi wissen. „Ja, aber nicht allzu lange. Er bevorzugt das Wasser.“
„Was für ein Tier ist eigentlich ein Seehase?“ Mein Wissensdurst war noch nicht gestillt. Dietmar sah in die Runde. „Es ist eine Nacktschnecke.“
Wir alle sahen uns verdutzt an und machten unbewusst einen Schritt zurück.
„Iiiih, eine Nacktschnecke!“, rief Valerie in ihrem französischen Akzent, „wie ekelisch!“
Der Gedanke, dass Dietmar gerade eine riesige Nacktschnecke in den Händen hielt, behagte uns allen nicht. Unser Gedanken wanderten nach Hause zu den schleimigen Biestern, die unsere Gärten überfielen und sämtliche Pflanzen zunichte machten.
„Darf ich den mal anfassen?“ Simone fasst als erste von uns den Mut und Dietmar gab ihr behutsam den Seehasen in die Hand. „Der ist ja gar nicht schleimig“, stellte Simone trocken fest.
Der Seehase machte seine Runde, nur Valerie hielt sich zurück. Zwar versuchte sie ihn mit den Fingern zu berühren, doch bevor ihr Finger auch nur noch einen Hauch von dem Tier entfernt war, zuckte sie erschrocken zurück. Sie konnte sich einfach nicht überwinden, trotz unserer Beteuerungen, dass dieses Tier nicht schleimig sei.
Schließlich setzte Dietmar den Seehasen behutsam ins Becken zurück. Es folgte eine kurze Erklärung und im Anschluss noch eine Demonstration.
„Der Seehase ist ein Pflanzenfresser und er ernährt sich ausschließlich von Algen. Wenn er Gefahr spürt, verhält er sich wie ein Tintenfisch und versprüht rosafarbene Tinte. Mal sehen, ob ich euch das zeigen kann.“
Er kniete sich herunter und begann den Seehasen ein wenig zu stubsen und zu streicheln. Anscheinend war dem Tier das Streicheln eher unangenehm, den plötzlich setzte es eine Violett farbige Tinte frei. Sehr hübsch, wie ich fand.
„Hm. Violett. Ist das sinnvoll im Meer, so eine Farbe zu versprühen, um sich zu verstecken?“, bohrte ich nach.
Dietmar zuckte mit den Schultern. Hier hatte die Wissenschaft wohl ihre Grenzen erreicht.
(Der Seehase versucht sich zu verstecken in dem er Violett farbene Tinte versprüht)
Wir widmeten uns dann den anderen Bewohnern. Dietmar zog eine Seegurke heraus. Eigentlich sah sie eher aus wie..... nun ja, wie soll ich es beschreiben... als hätte ein riesiger Fisch gerade die „Toilette“ verlassen. Wir erfuhren, dass die spanischen Kinder gern mit Seegurken spielen, und sie als Wasserspritzpistole verwenden. Plötzlich begannen wir alle kreischend auseinander zu stoben, als Dietmar uns mit einer Seegurke bewaffnet, nass spritzen wollte. Zum Glück war der Strahl nicht lang und stark genug. Es kam wie es kommen musste, Gabi rutschte aus und landete im Wasser. Wir lachten alle und griffen ebenfalls nach einer Seegurke, die dort in Massen verweilten, und bespritzten uns gegenseitig. Natürlich sorgten wir dafür, dass den Tieren nichts zustieß und waren übervorsichtig. Einige von uns hielten sie sogar verkehrt herum und sorgten für eine Eigendusche und weiterer Belustigung. Bei einer Seegurke das richtige Ende zu erkennen, entschied sich einige Male als schwierig.
(Eine Seegurke - auch gut geeignet als Wasserspritzpistole, vorausgesetzt man weiß wo das richtige Ende sitzt...)
Als nächstes faszinierte uns ein Seestern, der gerade seinen Hunger stillte. Er vertilgte einen Seeigel. Gebannt sahen wir ihm bei seinem Festmahl zu. Sein starker Schnabel ermöglicht es dem Seestern problemlos den Panzer des Seeigels zu knacken. Geschickt wendet der Seestern den Seeigel und sucht sich eine Stelle, an der er beherzt zubeißen kann um ihn dann langsam zu vertilgen.
(Der Seestern beim Festmahl)
Auch die unterschiedlichen Seesternarten waren atemberaubend. Einer sah auch wie ein Zebra. Schwarz/Weiß gestreift. Die Farben des Meeres sind wirklich unerschöpflich.
In diesem Gezeitenbecken musste man noch nicht einmal in die Tiefe des Meeres abtauchen, um die Farbenvielfalt erahnen zu können. Traumhaft!
(Ein Fünf-armiger Seestern)
Viele weitere Tiere faszinierten mich. Wie zum Beispiel diese kleine Seeschnecke hier.
Mit diesem stacheligen Genossen möchte mein Fuß lieber keine Bekanntschaft machen.
Schon den Oktopus gefunden?
Es wäre traurig, wenn wir uns diese Vielfalt nicht erhalten würden.
Wir verbrachten einige Stunden in dem Gezeitenbecken und waren traurig, als wir es wieder verlassen mussten. Die Flut war in Anmarsch.
Wir nutzten noch öfters die Gelegenheiten bei Ebbe in das Gezeitenbecken zu steigen, um die bunte Vielfalt zu genießen.
Eine Delfingruppe
Eine Pilotwalmutter mit Kind
Sonnenuntergang vor der Haustür
La Gomera - ich werde bestimmt wieder kommen.
Diese Tiere in ihrer natürlichen Umgebung zu sehen, erwärmt jedes Herz. Holt sie nicht in Gefangenschaft, sondern lasst ihnen ihre Freiheit.
Wer gern Wale beobachten möchte: es gibt geführte Touren.
Damit den Tieren nicht zu viel Stress zugemutet wird, bitte darauf achten, dass Ihr einen Organisator findet, der "Sanfte Walbeobachtungstouren" anbietet.
Die Tiere werden es Euch danken.
Texte: Maren Bergmann
Bildmaterialien: und Cover: Maren Bergmann
Tag der Veröffentlichung: 06.06.2013
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Dieses Buch widme ich all den Meeresbewohnern, die mich seit meiner Kindheit begeistern und die geschützt werden müssen, damit auch die nächsten Generationen sich an ihrer Vielfalt erfreuen können.