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Prolog




Trotz der strahlenden Sonne, die gerade im Zenit stand und die Landschaft um mich herum in grelles Licht tauchte, war es eisig kalt. Ich schaute mich um. Keine Ahnung woher, aber irgendwie kam mir dieser Ort bekannt vor, sowohl der schmale Feldweg, auf dem ich mich gerade befand, als auch das Haus, zu dem dieser Weg führte. Soweit ich sehen konnte war nur eine ebene, mit Gras bewachsene Fläche zu erkennen, die bis in die Unendlichkeit zu reichen schien. Dieser Ort hatte etwas Unheimliches an sich. Es herrschte unnatürliche Stille, sodass jeder einzelne meiner Atemzüge, mir ungewöhnlich laut vorkam. Ich schaute hinter mich, doch alles was ich sah, war der Weg, der bis zum Horizont führte, also drehte ich mich wieder um und sah mir das Haus genauer an. Es war nicht besonders groß, die Wandfarbe war schon zur Hälfte abgeblättert, die Fenster zerschlagen oder gar nicht mehr vorhanden. Ohne darüber nachzudenken was ich gerade tat, bewegte ich mich geradewegs auf das Haus zu. Die Tür war nicht abgeschlossen. Als ich sie öffnete war ein ohrenbetäubendes Knarren zu hören. Mit vorsichtigen Schritten betrat ich das Haus. Es machte so den Anschein, als ob seit hunderten von Jahren keiner mehr hier gelebt hätte. Jedenfalls würde es die dicke Staubschicht auf dem Fußboden erklären. Das Innere des Hauses sah nicht viel besser aus als das Äußere. Der Raum, in dem ich mich gerade befand, war komplett unmöbliert und die alten Tapeten waren größtenteils mit Graffiti beschmiert. Es gab acht Türen, hinter denen sich wahrscheinlich angrenzende Räume befanden und mitten im Zimmer war eine schmale Treppe, die nach oben führte. Mit klopfendem Herzen probierte ich jede der Türen aus, in großer Angst davor, was mich dahinter erwarten könnte, doch alle waren abgeschlossen. Da ich nicht wusste, was ich sonst hätte tun können, stieg ich die Treppe hoch. Das Knarren der hölzernen Treppenstufen hallte in dem Raum und meine nackten Füße hinterließen Fußabdrücke in der dicken Staubschicht. Als ich schließlich oben ankam, fand ich mich in einem großen Raum wieder, der das gesamte Stockwerk einnahm. Zu meiner Überraschung saß in der Mitte des Raumes ein etwa fünf Jahre altes Mädchen und kehrte mir den Rücken zu. Ihre langen, blonden Haare reichten ihr bis zur Taille und das Kleid, das sie anhatte, war strahlend weiß und passte somit überhaupt nicht zu diesem alten, düsteren Haus. Etwas sagte mir, dass das Mädchen eigentlich gar nicht hier sein dürfte, genauso wenig wie ich. Jeder normale Mensch hätte in einem solchen Moment wahrscheinlich Panik bekommen und währe die Treppenstufen wieder runter gerast, doch irgendwie hatte ich das Gefühl, dass das Mädchen genauso viel Angst hatte wie ich. Plötzlich hatte ich das unglaublich starke Bedürfnis sie zu beschützen. Ich musste sie von diesem trostlosen Ort wegbringen. Sie durfte nicht länger hier bleiben. Ich wollte gerade einen Schritt auf sie zu machen, da erhob sie sich und drehte sich um, sodass ich nun ihre zarten Gesichtszüge erkennen konnte. Erst jetzt merkte ich wie verletzlich und hilflos sie aussah. Während ich sie betrachtete und völlig geblendet war von ihrer Schönheit, fing sie langsam an sich zu verändern. Ihre Haut wurde blass und schrumpelig, ihre Knochen traten soweit hervor, dass sie aussah wie ein mit Haut überzogenes Skelett und ihre Haare verloren jegliche Farbe und waren nun schon fast genauso weiß wie ihr Kleid. Ich blickte in ihr Gesicht und konnte nichts mehr von dem kleinen Mädchen erkennen, dass sie gerade eben noch gewesen war. Ihre Lippen waren blutleer und ihre Wangenknochen standen spitz hervor. Ich spürte einen leichten Windhauch, der durch das Zimmer ging und plötzlich fing das Mädchen an zu Staub zu zerfallen. Ich sah gerade noch ihren von Trauer und Leid erfüllten Blick, der an mir haftete und um Hilfe flehte, bevor sie komplett zu Staub zerfiel. Dieser wurde dann durch das ganze Zimmer verteilt. Nun war das Mädchen ein Teil dieses Hauses, genauso verdammt wie alles andere hier auch.



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Tag der Veröffentlichung: 27.01.2013

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