Kapitel 1
Umzug
Endlich! Der Umzug stand an. Ich würde tatsächlich aus Kanada raus kommen.
Raus aus der eisigen Kälte, die dort das ganze Jahr über herrschte.
Weg von meinen Eltern zu meinem Onkel Charlie.
Und das beste war noch, dass ich diesmal nicht nur für ein oder zwei Wochen da sein würde, sondern für immer. Oder zumindest solange, bis ich alt genug war und genug Geld hatte um mir ein Haus zu kaufen.
Ich und mein Zwillingsbruder Jasper würden nach Forks ziehen. Gut … es soll viel regnen da, aber Regen ist immernoch besser, als Schnee und Eis.
Daddy packte gerade meinen letzten Koffer ins Auto.
Jazz und ich würden mit dem anderen Wagen fahren, weil in das Auto nur noch Maximilian, unser Chauffeur passte. Und unser anderer Chauffeur, José, musste eins fahren.
Es hatte schon seine Vorteile reiche Eltern zu haben. Aber genauso hatte es auch Nachteile. Hätte ich Jazz nicht, wäre ich wahrscheinlich schon vor Langeweile gestorben.
Mit Jazz habe ich immer viel Mist gebaut. Lustigen Mist, aber dennoch Mist.
Ich stieg in meine Limousine, sie war weiß. Aber an den Seiten standen meine Initialien in pinkfarbener Schrift.
Eigentlich wollte Jasper mit seiner Limousine fahren, aber ich hatte darauf bestanden, seine dunkelblaue für unser Gepäck zu nehmen.
Ich hatte es auf meine Kofferfarbe geschoben, da diese alle jadegrün waren und somit nicht zu dem pink meines Wagens passten.
Jazz setzte sich direkt neben mich. Ich lächelte. Daddy guckte nochmal hinein.
„Rose? Komm mal her.“, sagte er. Ich stand also auf und ging zu ihm. Er schloss mich in seine Arme.
„Tschüss, Prinzessin. Und benimm dich.“ Während er mich umarmte suchte er meine Hand und drückte mir etwas Papierartiges und ein rechteckiges Stück Plastik in die Hand.
Er löste sich aus der Umarmung, strich mir noch einmal über meine rosige Wange und winkte dann Jazz zu sich.
Ich setze mich wieder und sah in meine Hand. Daddy hatte mir eine halbe Million bar in die Hand gedrückt und eine nagelneue Kreditkarte noch dazu. Auf der Rückseite der Karte klebte ein Zettel. Ich nahm ihn vorsichtig ab, öffnete ihn und las.
Rose, meine Prinzessin.
Das ist eine neue Kreditkarte zu deinem Konto.
Mummy und ich fanden, dass es jetzt, wo du fast achtzehn bist, Zeit ist, dich selbst um deine Finanzen zu kümmern.
Auf dem Konto sind 12 Millionen Dollar. Teile sie dir gut ein, Prinzessin.
Natürlich bekommst du jeden Monat Taschengeld.
In Liebe,
Daddy
Wow. Zwölf Millionen … Nicht schlecht.
Ich warf Daddy einen dankenden Blick zu. Er lächelte und schloss dann die Autotür.
Jazz ließ sich neben mich fallen.
„Was hast du da?“, fragte er und sein Blick fiel auf den Zettel.
„Ist von Daddy. Schau mal, was bei dir steht.“, sagte ich lächelnd. Es war einer der seltenen Tage in meinem Leben, an denen ich lächelte.
Jazz drehte seine Kreditkarte um, faltete den Zettel behutsam auf und las ihn.
„Wow, sechs Millionen Dollar.“, jubelte er.
Oh … Nur sechs Millionen. Ich sollte ihm vielleicht besser nichts von meinem Glück erzählen.
„Und wie viel ist bei dir drauf?“, fragte er. Die Frage musste ja kommen.
„Ähm“, ich zögerte, „Zwölf Millionen.“
Er sah überhaupt nicht überrascht, aber auch nicht beleidigt aus.
„Das war ja klar, das Dad bei dir wieder übertreibt. Du bist halt Dandys kleine Prinzessin.“, grinste er.
Jeder andere wäre sofort eifersüchtig gewesen. Dazu gehörte auch ich.
Ich lächelte Jazz an.
„Du bist echt der allerbeste Bruder, den man sich vorstellen kann.“, sagte ich und umarmte ihn dabei.
„Rose, du bist die beste Schwester der Welt.“, grinste er und erwiderte die Umarmung.
Jazz und ich waren uns schon immer sehr nahe gewesen. Wir konnten über alles reden, unsere Sorgen teilen.
Er war nicht nur mein Bruder, er war auch noch mein bester Freund.
„Hmm … Ich mache mir Sorgen um dich, Rose.“, sagte Jazz ruhig. Er war schon immer eher der Ruhepol von uns beiden gewesen.
„Weshalb denn das?“, fragte ich und betrachtete ihn misstrauisch.
„In Forks“, begann er, „Wirst du nicht die Möglichkeiten zum Shoppen haben, wie du sie in Vancouver gewohnt warst. Ich will nicht das du eingehst. Das könnte ich mir nie verzeihen, Schwesterchen.“
Er war so liebevoll, das mochte ich an ihm.
„Ach Jazz“, murmelte ich und lehnte mich an seine Schulter.
„Worüber du dir alles Sorgen machst. Ich denke, dass ich dann halt nur noch am Wochenende shoppen gehe, und jedes Mal nach Seattle fahre. In Port Angeles brauch ich gar nicht zu gucken.“
Jetzt lachte er. Es war sein Lachen. Ich liebte es. Und ich liebte ihn, zwar brüderlich, aber auch familiäre Liebe war Liebe.
Jazz hatte mich soweit ich zurückdenken konnte vor allem und jedem beschützt.
In der Grundschule ist er nie von meiner Seite gewichen und selbst auf der Middle School hat er mich ständig überwacht. Aber nicht auf eine unangenehme Weise, er wusste genau, wann ich es nicht wollte und dann ließ er es auch. Jazz hatte nie richtige Freunde gehabt. Meist war er allein durch die Schule gestreift im Gegensatz zu mir. Ich war immer von Mädchen und Jungen umringt gewesen, die ich aber gerne losgeworden wäre.
Jazz war sozusagen meine zweite Hälfte. Er wusste immer, was er tun konnte, wenn es mir schlecht ging. Und seit ich die High School besuchte ging es mir häufig schlecht.
Vor allem, weil es ältere Jungs auf mich abgesehen hatten. Ja, ich war übernatürlich schön, aber diese Kerle wollten meist nur eines, doch das wollte ich nicht.
Ich habe mir immer vorgenommen auf den Richtigen zu warten und bis jetzt war er noch nicht dabei gewesen.
Jazz gab mir an jedem verdammten Tag wieder Kraft. Ich liebte meinen Bruder, so stark, wie eine Schwester ihren Bruder nur lieben konnte.
Auch, wenn wir krasse Gegenteile waren. Jazz war immer eher der ruhige, vorsichtige Typ gewesen, während ich ein starkes, feuriges Temperament hatte. Manche Leute bezeichneten das als stur, aber mir gefiel es, wie Jazz mich dann damit verteidigte, das ich nicht stur sei, sondern einfach einen feurigen Charakter hatte.
Jazz strich mir übers Haar.
„Hey Rose, denk nicht an die Vergangenheit. Das ist es nicht wert. Blick voraus in die Zukunft, die uns erwartet. Du bist ganz angespannt und aufgewühlt.“, sagte er.
Er kannte jedes Gefühl, das ich in diesem Moment spürte und das war nicht nur jetzt so, es war immer und bei jedem so.
„Jazz, so langsam machst du mir echt Angst. Du weißt immer genau was ich fühle.“
Er kicherte. „Hm, Rose. Ich weiß nicht weshalb es so ist, aber ich kann es halt. Ich spüre jedes einzelne deiner Gefühle. Im Moment ist es Liebe, Verzweiflung, Angst, Freude und Nervosität.“
Er lächelte mich an. Ich sah in seine blauen Augen. Warum hatte er nur Mum's Augenfarbe geerbt und ich Grandma's? Ich würde mein Braun liebend gern gegen das Blau seiner Augen tauschen.
„Jetzt gerade verspürst du Eifersucht.“, grinste er.
„Hmpf … deine Augen faszinieren mich. Im Gegensatz zu meinen. Braun ...“, sagte ich trocken.
„Rose, ich finde du solltest dir keine blauen Augen wünschen. Ich wurde in der Middle School deswegen geärgert. Weißt du, wir sind blond und dann noch blaue Augen? Da würde ich gerne drauf verzichten.“
„Aber Jazz, du bist so gut in der Schule, niemand würde auf die Idee kommen dich dumm zu nennen. Oder mich.“
„Manchmal haben Leute Vorurteile. Vor allem uns gegenüber. Sie sagen immer >Ach diese reichen, verwöhnten Kinder. Die kriegen doch sowieso alles hinterher geschoben<.
Rose, manchmal ist es gar nicht so gut reich zu sein.“, seufzte er.
„Mir bräuchten sie mit solchen Sachen gar nicht zu kommen. Dann würde ich die ein bisschen einschüchtern und wenn das nichts bringt, dann würde ich sie mal ordentlich anschreien.“
Er schmunzelte.
„Rose, du bist so niedlich.“, sagte er.
„Ach, jetzt bin ich nur noch niedlich?“, fragte ich provozierend.
„Reicht das nicht für die beste Zwillingsschwester der Welt?“
Mist, eine Gegenfrage. Und dann noch eine Fangfrage.
„Jazz ...“, jammerte ich.
„Da hab ich dich mal wieder, Schwesterchen.“, sagte er grinsend.
„Du bist so … fies!“, sagte ich und boxte ihm in die Rippen.
„Immer diese Gewaltausbrüche ...“, kicherte er.
„Ich geb' dir gleich einen Gewaltausbruch!“, fauchte ich.
„Ganz ruhig Rose. Sieh mal. Wir sind in Forks angekommen.“
Ich setzte mich auf und ließ ein Fenster hinunter.
Was ich da sah, war nicht das, was ich erwartet hatte. Gut, ich war nur das Villenviertel aus Vancouver gewohnt. Aber dieser Anblick erschütterte mich.
Die Häuser waren dreckig und die Gärten waren teilweise wie wild verwachsen.
Noch dazu bestanden die Häuser aus ziemlich billigen Material, was mich noch mehr schockierte.
„Rose, was schockt dich so?“, fragte Jasper.
„Die Häuser … so schäbig. Die Gärten … so wild.“
„Gewöhn' dich dran. Bei Charlie wird es nicht anders aussehen.“
Jetzt stieg Panik in mir auf. War es doch nicht die richtige Entscheidung hierher zu ziehen?
„Rose, bitte. Mit der Zeit gewöhnst du dich dran.“, sagte er ermutigend. Ich schüttelte langsam den Kopf.
„Nein, Jazz. Das ist weitaus schlimmer, als ich es mir vorgestellt hatte. Wie bitteschön kann man hier leben?“
Er legte eine Hand auf meine Schulter.
„Komm schon. Da wirst du dich dran gewöhnen. Ich verspreche es dir.“, sagte er mit seiner sehr beruhigend wirkenden Stimme.
Jedes Mal wieder wunderte ich mich, wie er nur durch eine Berührung, oder durch Worte die Gefühle von jemandem ändern konnte.
Das war wirklich ausgesprochen ungewöhnlich.
„Jazz, wie machst du das?“, hakte ich nach.
„Ich weiß es nicht, Rose. Aber es ist ungewöhnlich.“, sagte er und wurde nachdenklich.
Immer diese Nachdenklichkeit.
Ich seufzte.
Nach ein paar Minuten hielt der Wagen und ich stieg aus. Charlie kam bereits angelaufen. Ich musterte ihn. Er war relativ ordentlich gekleidet. Eine Uniform. Ach ja. Er war ja auch Polizist.
Ich lächelte als ich ihn sah. Er hatte immernoch diese Lachfältchen an den Augen.
Er kam direkt auf mich zu und hob mich hoch, während er mich umarmte.
„Rose! Endlich hab ich dich wieder.“
„Charlie, ich bin deine Nichte und du tust so, als wäre ich deine Tochter.“
Er setzte mich wieder ab und wandte sich Jazz zu.
Ich schüttelte lächelnd den Kopf.
„Rose, wozu seid ihr mit zwei Autos gekommen?“, fragte Charlie und kratzte sich dabei nachdenklich am Kopf.
Jazz erklärte es, bevor ich es tat.
„In einem Wagen sind meine zwei Koffer und Rose' 78. Mit dem anderen sind wir gefahren.“
Charlies Augen wurden riesig.
„Na dann sollten wir uns ans ausladen machen, wenn wir vor dem Abendessen fertig sein wollen.“
Ich nickte und kicherte.
Jazz öffnete den Kofferraum und Charlie nahm die ersten beiden meiner Koffer.
„Rose was ist das drin?“, fragte er und keuchte unter dem Gewicht.
„In den grünen Koffern sind meine Klamotten drin. In den Blauen meine Schuhe und in den Gelben meine Kosmetikartikel.“, sagte ich und beobachtete Charlie und Jasper dabei, wie sie meine Koffer aus luden, ohne ein einziges Schuldgefühl zu haben.
Gegen Abenddämmerung waren die beiden fertig.
Charlie setzte sich schweißüberströmt aufs Sofa und schaltete den Fernseher an.
Ich ging als erstes nach oben in mein ziemlich kleines Zimmer.
Ich seufzte und fing an auszupacken.
Als ich fertig war (und die Hälfte der Koffer waren immernoch voll, weil der Schrank zu klein war) ging ich zu Jazz um nachzusehen, wie es ihm ging.
Sein Zimmer war noch kleiner als meines. Da sah man es wieder. Daddy's Prinzessin und auch anscheinend Onkels Prinzessin.
Er lächelte mich an.
„Na, schon eingelebt?“ fragte er.
„Nein, es ist furchtbar. Die Hälfte meiner Koffer sind noch voll. Der Schrank und das Zimmer sind zu klein.“
„Wenn du willst, kannst du bei mir noch was mit rein legen. Ich hab noch Platz in meinem Schrank.“
Da war er wieder. Mein hilfsbereiter, netter Jazz.
Kapitel 2
Traumfrau
Ein langweiliger Tag im langweiligen Forks.
Wofür waren Sommerferien gut? Hm, als Mensch würde ich mich vielleicht auch darüber freuen.
Aber als Vampir? Oh Mann, von was sollte ich mich denn erholen? Der Unterricht war nicht halb so ermüdend, wie die Tatsache, das ich immer noch keine Freundin hatte und ich somit der einzige Single unserer Familie war.
Und das nervt. Andauernd muss ich sehen, wie Edward mit seiner Bella rummacht und wenn ich einen Spruch reiße, dann kriege ich böse Blicke.
Ey, das geht mir auf die Nerven.
„Emmett, was ist dein Problem? Es gibt genug Mädchen in Forks.“, sagte Edward und riss mich dabei aus den Gedanken.
Ich knurrte kurz.
„Aber es gibt keine, die ich will. Meine Traumfrau ist blond, also hellblond, hat eine Modelfigur, schöne braune Augen, eine große Oberweite, einen tollen Arsch, soll zickig, arrogant, gemein, lieb, wunderschön, sexy, traumhaft, romantisch, wild, unbeschreiblich, liebenswert, süß, heiß, interessant, kompliziert, ...“
„Tut mir leid, wenn ich dich unterbreche, aber ist das nicht etwas zu viel für ein Mädchen?“
„Warum unterbrichst du mich? Ich war noch lange nicht fertig. Aber wenn 's dich eh nicht interessiert, dann kann ich 's ganz lassen.“, knurrte ich und dreht mich um.
Ich schnupperte in der Luft nach einem Grizzly, aber nichts. Blöde Jäger, lassen mir nichts zu essen da.
Edward hinter mir kicherte.
Wütend drehte ich mich wieder um.
„Was soll der Mist?“, fragte ich.
„Welcher Mist?“, fragte es.
„Stell dich nicht dumm, ich weiß ganz genau, dass du dich über mich lustig machst. Scheiß Gedankenleser immer.“
„Emmett, warum bist du so gereizt?“
Ich verdrehte die Augen. Weshalb nur? Oh, Mann, das war für ihn ganz bestimmt ein Geheimnis.
„Doch, ist es Emmett. Ich werde aus deinen Gedanken nicht schlau.“, sagte er.
„Tse.“, machte ich und verschränkte die Arme vor der Brust. „Das ist mir sowas von egal, was du aus mir wirst.“
Und wieder hatte ich diese Bilder im Kopf. Die Bilder, auf denen sich blonde Models nackt räkelten. So wie in meinen Playboyausgaben, die ich in meinem Zimmer bunkerte.
„Bah, Emmett. Das ist ja widerlich.“, sagte Edward und verzog angewidert das Gesicht.
„Ist es nicht!“
„Doch!“
„Leute!“, mischte sich Edwards kleine Freundin Bella ein, „Ich denke nicht, dass das, was auch immer es ist, ein Grund zum streiten ist.“
„Doch!“, sagten Edward und ich wie aus einem Munde.
„Sagt mir, worum es geht und ich sage euch, ob das ein Grund ist.“
„Tse ...“, machte ich wieder.
Edward verdrehte die Augen, was mich ziemlich wütend machte.
„Wenn dir dein Kopf etwas bedeutet, Masen, dann solltest du jetzt still sein.“
Er zuckte mit seinen Augenbrauen.
„Und wenn nicht, McCarty?“, fragte er frech.
Das brachte das Fass zum Überlaufen und ich stürzte mich auf ihn.
„Was wird das, wenn ich fragen darf?“, kam eine Stimme von hinten.
Ich hielt Edward an der Kehle fest und versuchte krampfhaft seinen Kopf von seinem Hals zu reißen, dich Bella versuchte dabei, mich von ihm wegzuziehen, was die ganze Sache noch zusätzlich erschwerte.
Dann ließ Bella los.
„Carlisle, die beiden streiten sich und Emmett will Edward den Kopf abreißen.“
Was für eine Petze, dachte ich.
Da hörte ich ein Knacken und ein Splittern und in der nächsten Sekunde hielt ich Edwards Kopf in den Händen.
Ich musste grinsen, während Bella einen spitzen Schrei ausstieß.
„Emmett McCarty Cullen. Lass das! Sofort!“, rief Carlisle entsetzt.
„Schon gut. Wächst doch wieder an.“, sagte ich eine Spur zu gelangweilt und legte seinen Kopf neben seinen Körper, die sich sofort wieder miteinander verbanden.
„Emmett, du gehst jetzt ein paar große Runden laufen, um dich abzureagieren.“, sagte Carlisle in einem strengen Ton.
„Och nö ...“, schmollte ich.
Carlisle sah mich einfach nur streng an. Ich verdrehte genervt die Augen.
„Na gut. Ich bin ja schon weg.“, meckerte ich, drehte mich um und raste los.
Ich lief bis nach Chile und wieder zurück. Achtundzwanzig Mal.
Dann dachte ich mir, dass es so langsam reicht und machte mich auf den Rückweg.
Aber diesmal langsam.
Als ich am Haus des Chiefs vorbei kam, stockte ich und blieb stehen.
Vor dem Haus standen zwei riesige Limousinen.
Die eine weiß mit einem pinken „R“ und einem pinken „H“ an der Tür.
Die andere dunkelblau oder schwarz.
Jetzt war ich neugierig. Ich flitzte schnell zu dem Baum neben dem Haus und kletterte flink hinauf.
Es dämmerte schon, aber der Kofferraum der dunklen Limousine stand immer noch auf.
Ich sah viele Koffer darin und fragte mich wie viele Koffer wohl ganz am Anfang drin waren, denn den Reifenspuren nach zu urteilen stand das Auto schon mindestens 3 Stunden hier.
Chief Swan trat hinaus und ein großer, halbwegs blonder Typ, der mir sofort unsympathisch vor kam.
Ich beobachtete die beiden mit hochgezogenen Augenbrauen.
Und dann trat SIE aus dem Haus. Mir stockte mein ohnehin unnötiger Atem, aber dieses Wesen … sie war so wunderschön. Sie sah genauso aus, wie die Traumfrau, die ich eben Edward beschrieben hatte.
SIE war blond, braunäugig, wunderschön, schlank und hübsch.
Ich fing an zu sabbern. Sie war um 100.000x schöner, als die Models aus meinen Heften.
Ich wischte mir mit einer Hand den Mund ab und starrte sie weiterhin an.
Da spürte ich, wie sich mein kleiner Freund meldete.
Oh, Mann. Warum musste mir das jetzt passieren. Gut, ich saß auf einem Baum und niemand konnte mich sehen, aber trotzdem.
Ich sah auf die Beule in meiner Hose und knurrte leise, doch das half nichts.
Verdammtes Ding …
Ich hatte vollkommen vergessen, das ich eigentlich schon längst wieder zu Hause sein wollte, um Edward zu verprügeln, aber das hier war definitiv besser.
Inzwischen waren alle im Haus und die Limousine leer.
Im oberen Stockwerk ging Licht an. Jemand betrat das Zimmer, in das man von dem Baum aus hinein schauen konnte.
Es war dieser Typ. Na toll … falsche Hausseite.
Ich verdrehte die Augen und hüpfte schnell zum nächsten Baum.
In dem Zimmer, das ich jetzt sehen konnte, war der Chief. Super, was hatte ich heute nur für ein Glück.
Ich sprang in den nächsten Baum. Badezimmer. Oh Mann, das wird ja immer besser.
Und es wurde immer besser, denn in dem Moment trat die Schönheit in Person in das Badezimmer.
Ihre Schönheit traf mich wieder wie ein Schlag und wieder war ich erregt.
Anscheinend wollte sie sich umziehen, denn sie macht Anstalten ihre Hose zu öffnen.
Meine Augen wurden riesig, ich wollte das sehen.
Aber andersherum war es ziemlich fies, sie so zu beobachten. Also hielt ich mir meine Augen zu.
Ich konnte es nicht mit mir selbst vereinbaren, mir den schönsten Anblick meines Lebens einfach zu nehmen. Das machte mein Gewissen nicht mit.
Ich wollte es nur, wenn sie es wollte.
Ich spürte, wie meine Erregung härter wurde.
Oh, mein Gott. Sie machte mich so heiß. Emmett, du drehst dich jetzt um und gehst nach Hause, zwang ich mich.
Ich ballte die Hände zu Fäusten und versuchte mich zu kontrollieren.
Es war so verdammt schwer und inzwischen wollte ich nur noch eines. Sie!
Ich stellte mir vor, wie ich jetzt in das Badezimmer gehen würde, jetzt wo sie komplett nackt in der Dusche stand.
Der Gedanke allein. Wow.
Und wenn sie mich bemerkt. Ich meine ich sehe nicht schlecht aus. Eigentlich schon überdurchschnittlich hübsch.
Meine Vorstellungen wandelten sich. Ich stellte mir vor, wie ich sie ficken würde.
Oh Mann, die Vorstellung gefiel mir und meinem Schwanz.
Er tat jetzt schon fast weh.
Es war wirklich Zeit. Ich musste jetzt nach Hause, mir ein Magazin schnappen, einen Film einlegen und es tun.
Meine Fresse, die Blondine ist aber auch heiß.
Scheiße, wie denke ich.
Ich schämte mich für meine eigenen Gedanken. Wie um alles in der Welt konnte ich daran denken, ein kleines, zartes Model zu ficken.
Das war der abstoßendste, aber auch geilste Gedanke, den ich je hatte.
Ich sprang geschickt und ohne jeden Ton vom Baum und rannte so schnell es eben ging nach Hause.
Fuck, ich hatte meine Gedanken vergessen. Schnell dachte ich an meine Runden nach Chile und zurück.
Ich schlug die Tür auf und trat gut gelaunt und vor mich hin pfeifend ins Wohnzimmer.
„Emmett?“, fragte Edward misstrauisch.
„Jo, Bruderherz?“, sagte ich.
„Emmett?“, fragte Bella.
„Jap, Schwesterherz.“
„Emmett?“, fragte Carlisle.
„Was denn, Daddyherz?“
Jetzt waren alle verwirrt, bis auf Esme, die mich grinsend ansah.
Sofort stieg Panik in mir auf. Was sollte das?
„Esme, Emmett fragt, was das soll.“, sagte Edward.
Blöde Petze.
„Vielen Dank, Emmett.“, sagte Edward trocken.
„Na ja“, sagte Esme und setzte sich dabei zu Carlisle aufs Sofa, „Emmett hat soeben seine Traumfrau gesehen.“
Verdutzte Blicke fielen auf mich.
Woher um Himmels Willen will sie das wissen?
„Woher willst du das wissen, Esme?“, fragte Edward für mich.
Sie seufzte.
„Na ja, schau dir sein Gesicht an. Man kann aus ihm, wie aus einer Zeitung lesen.“, da musste sich kichern.
Oh Fuck, konnte sie sogar wissen, was ich eben gedacht habe? Da kamen mir die Erinnerungen an eben hoch.
Edward konnte sich nicht länger beherrschen und lachte laut los, solange bis er vom Sofa fiel.
Esme lachte mit, nicht ganz so heftig, aber sie lachte.
Carlisle und Bella sahen die beiden verwirrt an und ich wäre am liebsten im Erdboden versunken.
„Können wir jetzt auch bitte wissen was los ist?“, fragte Bella.
Edward erholte sich langsam.
„Na ja. Emmett hat endlich mitbekommen, was es heißt, wenn man ein Verlangen entwickelt.“
„Wie genau meinst du das?“, fragte Carlisle.
Edward kicherte wieder los.
„Fragt ihn selbst.“, brachte er noch mit Mühe heraus, bevor er in Lachen ausbrach.
Jetzt sahen alle mich fragend an. Ich konnte den Blicken nicht standhalten und huschte schnell nach oben und schloss mich in meinem Zimmer ein.
Ich kniete mich vor mein Bett und zog eine große Schachtel darunter hervor.
Meine Filmsammlung. Keine gewöhnlichen Filme. Hier drin waren nur die allerbesten Filme. Auch Pornos genannt.
Ich suchte mir meinen besten raus und legte ihn in den DVD-Player.
Danach zog ich die zweite Schachtel unter meinem Bett hervor, in der meine Playboyhefte lagen. Ich nahm mir das neuste und legte es auf mein Bett.
Meine Gedanken wanderten wieder zu dem blonden Mädchen.
Ich schüttelte den Kopf und stellte den Film ein.
Es war pervers, aber es half, wenn man keinen Partner hatte.
Ich machte meine Hose auf, zog sie aus und meine Boxershorts auch gleich mit.
Dann setzte ich mich aufs Bett und schaute auf den Fernseher.
Nichts. Mein bestes Stück regte sich kein bisschen. So wie sonst.
Ich schlug das Heft auf und blätterte darin.
Keine Reaktion.
Scheiße, was hat sie mit mir gemacht?
Ich, oder viel mehr er, bin nicht mehr derselbe.
Sie hat mich verzaubert, sie hat mich verdreht.
Oh, mein Gott. Hör auf so zu denken, Emmett.
Verwirrt stellte ich den Fernseher aus und zerriss die Zeitung.
Am Besten verbrenne ich sie gleich. Die nützen eh nichts mehr.
Ich seufzte und dachte an sie.
Meine Erregung war sofort wieder da.
Was soll der Mist? Oh, natürlich. Es war sie.
Mit ihren Bildern im Kopf könnte ich es.
Aber ich wollte nicht. Nicht mit ihr in meinem Kopf, ohne, dass sie es wusste.
Nein, das war unmoralisch und abstoßend.
Gut, meine kleinen Filmchen waren auch abstoßend, aber die Schauspielerinnen darin wissen wenigstens, was andere bei ihren Filmen tun.
Aber Sie. Nein. Ich wollte ihre Unschuld nicht missbrauchen, auch wenn sie es nie erfahren würde, aber ich konnte und wollte nicht.
Ich versuchte an etwas anderes zu denken, bis meine Erektion abgeklungen war.
Als mein kleiner Freund sich wieder beruhigt hatte, stellte ich mich den Fragen der anderen.
Doch als ich unten war kamen keine Fragen.
Nicht mal fragende Blicke.
Bestimmt hatte Edward gesungen.
Wie ich ihn manchmal hasste.
Als niemand auf mich achtete ging ich nach draußen und machte mich auf den Weg zu Chief Swans Haus.
Ich kletterte auf den vierten Baum, von dem aus ich das Zimmer der kleinen, süßen, aber auch heißen Blondine sehen konnte.
Sie schlief schon. Ich sah auf die Uhr. Kein Wunder. Es war bereits ein Uhr morgens.
Oh, Fuck. Morgen ist wieder Schule.
Oder doch nicht Fuck? Ich meine, die Kleine sah nicht so aus, als wäre sie über 18.
Lächelnd ließ ich mich auf dem Baum nieder und beobachtete sie, während sie schlief.
Zu gerne würde ich jetzt in ihren Kopf gucken, um zu sehen, was sie träumte.
Da entschloss ich mich. Ich entschloss mich ins Haus einzusteigen und nach irgendetwas zu suchen, was mir ihren Namen und ihr Alter verriet.
Theoretisch dürfte das kein Problem sein.
Ich sprang an die Fassade und suchte ein offenes Fenster.
Badezimmerfenster. Na super.
Ausgerechnet das kleinste Fenster des Hauses musste das einzige Offene sein.
Ich seufzte und zwängte mich hindurch.
Es ging so gerade noch, also die Grenze war erreicht.
Ich schlich mich hinüber in das Zimmer der Blonden und sah mich um.
Auf dem kleinen Tisch stand eine Handtasche, die würde ich mir schnappen.
Ich machte sie beinahe geräuschlos auf und wühlte drin herum, bis ich das riesige Portmonee fand.
Ich machte den Clip auf und sah hinein.
Wow. Ganze 12 Kreditkarten und viel Bargeld.
Ich nahm mir ihren Führerschein und sah drauf.
Rosalie Lilian Hale
Was für ein göttlicher Name. Rosalie.
Als ich auf ihr Alter sah, fiel mir ein Stein vom Herzen und das Portmonee aus der Hand. Sie war wirklich erst 17.
Plötzlich wurde das Licht angemacht. Ich drehte mich um und sah, wie sie sich verschlafen die Augen rieb und in meine Richtung schaute.
Kapitel 3
Traummann
Ich wachte auf und schaltete das Licht an. Irgendwas war heruntergefallen.
Verschlafen blinzelte ich in die sich langsam aufhellende Dunkelheit.
Aber da war nichts und niemand. Dabei war ich der festen Überzeugung, dass ich eben noch jemanden seufzen gehört hatte.
Forks machte mir Angst. Hier sah alles so wild aus. Und der Wald, der direkt an das Häuschen grenzte. Es war hier alles, wie in einem schlecht gemachten Horrorfilm.
Ich sah, wie sich etwas in meinem Zimmer bewegte. Dachte ich. Irgendetwas huschte zum Fenster. Es stand offen. Oh, mein Gott. Bitte, ich will hier weg.
Da sah ich es. Leuchtend goldene Augen sahen mich noch einmal an, bevor das Etwas aus dem Fenster verschwand.
Ich stieß einen spitzen Schrei aus. Hilfe! Bitte!
Die Tür öffnete sich und zwei Personen traten herein. Charlie und Jazz. Was war ich froh jetzt Jazz zu sehen.
„Was ist los, Prinzessin?“, fragte Charlie und ging zum Fenster.
Jazz ging in der Zeit zu mir, setzte sich auf die Bettkante und strich mir das Haar aus dem Gesicht.
Ich zitterte leicht und zeigte einfach nur zum Fenster.
Charlie ging hin und sah raus.
„Ähm, Rose, ich will ja nichts sagen, aber da ist nichts.“, sagte er und sah nochmal raus.
Tränen liefen mir über die Wangen und ich nickte einfach.
„Rose, Süße … beruhige dich. Du hast bestimmt nur geträumt.“, sagte Jazz mit seiner beruhigenden Stimme und ich beruhigte mich wahrhaftig.
„Jazz, ich kann hier nicht schlafen.“, sagte ich mit zitternder Stimme.
Er überlegte, dass sah ich seinem Gesicht an.
„Rose, komm heute Nacht mit in mein Zimmer und ich bin mir sicher, dass wir morgen eine Lösung finden werden.“, sagte er.
Charlie schloss das Fenster.
„Wieso war das überhaupt auf, Rose?“, fragte er mich.
„Ich weiß es nicht. Ich hatte es geschlossen, als ich ins Bett gegangen bin.“, erklärte ich.
Oder auch nicht? Wahrscheinlich war ich so müde gewesen, dass ich mich nicht mehr genau erinnern konnte und diese leuchtenden Augen, die mich angestarrt haben, waren bestimmt auch nur aus meiner Fantasie entstanden, sagte ich mir.
Und trotzdem lief mir bei der Erinnerung ein Schauer über den Rücken. Es war so echt gewesen, so real.
Ich stand auf und sah auf den Boden. Irgendetwas war herunter gefallen.
Aber da lag nichts. Charlie nahm meinen Blick wahr und sah auf die Stelle, auf die ich blickte.
„Was ist da, Rose?“, fragte er.
„Nichts.“, sagte ich leicht geschockt.
Jazz stand nun auch von meinem Bett auf.
„Dann ist doch alles in Ordnung.“, versuchte Charlie mich zu beruhigen. Aber seine Stimme war nicht halb so beruhigend wie Jazz' Stimme.
Jazz legte seine Hände auf meine Schultern und redete mir gut zu. Ich beruhigte mich wieder.
„Rose, komm. Wir gehen in mein Zimmer und du schläfst in meinem Bett.“, sagte er ruhig.
„Und wo schläfst du?“, fragte ich verschlafen, denn mir fielen schon wieder fast die Augen zu.
„Ich schlafe auf der Luftmatratze, die unter meinem Bett liegt.“, erklärte er.
„Jazz, da gibt es nur ein Problem.“, begann Charlie, „Die Matratze ist kaputt.“
Jazz schloss die Augen. Es sah aus, als sei er wütend. Aber warum?
„Charlie, ich werde trotzdem darauf schlafen.“, sagte er weiterhin mit geschlossenen Augen und leicht verbissenem Ton.
„Schon gut. Ich hab nichts gesagt. Naja, ich leg mich wieder hin. Nacht.“, gähnte Charlie und verschwand.
„Jazz, ich werde auf der Matratze schlafen.“, sagte ich und fühlte mich dabei keinesfalls sicher.
„Na gut, Rose.“, sagte er grinsend und öffnete die Augen wieder.
Wieso grinste er? Ach, natürlich. Er wusste, was ich eh tun würde, spätestens nach 10 Minuten auf der Luftmatratze.
Er zog mich sanft mit in sein Zimmer, da ich kaum noch laufen konnte vor Müdigkeit.
Ich setzte mich auf einen seiner Koffer und stützte mein Kinn auf meine Hand.
Jazz suchte unter seinem Bett die etwas verkümmert aussehende Luftmatratze und fand sie schon nach wenigen Sekunden.
Er faltete sie auseinander, rückte sie gerade, nahm sein Kissen und seine Decke und legte sie darauf.
„Aber, Jazz.“, murmelte ich verschlafen, „Ich wollte doch da unten schlafen.“
Er lächelte sein Lächeln.
„Das kannst du auch, aber du sollst es warum und weich haben.“, sagte er liebevoll.
„Danke, Jazz.“, gähnte ich, stand von dem Koffer auf und legte mich auf die äußerst unbequeme Matratze. Ich spürte jede einzelne Unebenheit durch sie und verzog das Gesicht,
„Alles okay so, Schwesterchen?“, fragte er und ich wusste, dass er sich in seinem Innern über mich lustig machte.
Ich nickte nur. Zu mehr war ich nicht mehr fähig.
„Dann gute Nacht, Rose.“, sagte Jazz noch und machte dann das Licht aus, um selbst in sein Bett zu schlüpfen.
Ich lag geschlagene zehn Minuten auf dem harten, unebenen Boden und merkte schon, wie mein Rücken protestierte.
Nachdem ich mich vorsichtig aufgesetzt hatte (und mein Rücken schrie wortwörtlich), sah ich hinauf zu Jazz.
Er lag nah bei der Wand, also war genug Platz für mich, um mich dazu zu legen.
Auch, wenn wir beide schon 17 waren und er ein Mann und ich eine Frau war, hatten wir kein Problem damit, in einem Bett zu schlafen.
Immerhin waren wir Geschwister, wo liegt also das Problem?
Ich stand vorsichtig und unter Schmerzen auf, nahm das Kissen und die Decke und warf sie aufs Bett, sodass Jazz auch bedeckt wurde.
Vorsichtig setzte ich mich erst auf das Bett und wartete, ob er sich regte.
Dann legte ich mich hin. Ich glaubte, ihn leise kichern zu hören, aber falls es so gewesen wäre, dann hatte er weiter so getan, als schliefe er.
Ich rutschte näher an ihn und legte einen meiner Arme um seine Mitte. Ich lächelte mich in den Schlaf.
Neben Jasper konnte man so gut schlafen, er wirkte so beruhigend.
Es war beinahe magisch.
Ich hatte einen großen Fehler begannen, doch das fiel mir erst auf, als ich morgens um halb acht von Jaspers Wecker wach wurde. Halb acht?! Na großartig. Ich sah mich um. Ich lag eng an Jazz gekuschelt in seinem Bett und erinnerte mich an die schreckliche erste Nacht in Forks, die ich hinter mir hatte.
Ich hatte in dem Chaos völlig vergessen meinen Wecker (der um halb fünf geklingelt hätte), mitzunehmen. Da fiel mir ein : Mein Handy wäre mein Wecker gewesen. Und ich hatte es gestern in der Handtasche gelassen. Ich hätte es so oder so nicht gehört.
Langsam regte sich Jazz und ich löste somit meinen Arm von ihm.#
Er drehte sich mit dem Gesicht zu mir.
„Na sowas. Damit hatte ich ja gar nicht gerechnet.“, sagte er und sein Sarkasmus war nicht zu überhören.
„Hm, der Boden war … sehr unbequem und ich habe furchtbare Rückenschmerzen.“, sagte ich und übertrieb in meinem Ton leicht.
Er setzte einen besorgten Blick auf.
„Oh, nein. Rose, und dass, wo heute doch unser erster Schultag ist. Deine Haltung wird katastrophal aussehen und du kannst deine High Heels nicht anziehen.“, sagte er gespielt geschockt.
Ich boxte ihm leicht auf den Arm.
„Oh, Mann, Jazz, das ist nicht witzig!“, sagte ich, stand auf und ging raus. Wenn es um mein Aussehen ging, dann konnte sich meine Laune binnen zwei Sekunden drastisch verändern.
Im Badezimmer musste ich mich heute ranhalten.
Das war alles so blöd. Ich konnte nicht gut aussehen, wenn ich nur eine halbe Stunde Zeit hatte.
Inzwischen war es mir egal, ob ich pünktlich oder zu spät kommen würde, hauptsache mein Aussehen stimmte.
„Rosalie!“, sagte Jasper erneut und hämmerte an die Tür.
„Wenn du nicht in zwei Minuten unten bist, dann fahre ich allein.“
Mach doch, dachte ich nur.
Als hörte er nicht das Wasser, das über meinen Körper auf den Duschenboden rann. Das musste doch ein klares Signal für ihn sein.
Manchmal konnte Jazz echt gemein sein. Aber das kam nur sehr selten vor. Zum Glück.
Nachdem ich eine halbe Stunde geduscht hatte, war Jazz natürlich längst weggefahren und ich stand nun, mit nassem Haar und ohne eine Outfit-Idee vor dem Badezimmerspiegel.
Ich überlegte eine Weile, dann fiel es mir ein.
Die weiße Jeans und die pinke Bluse.
Das wäre perfekt. Schnell huschte ich über den Flur, obwohl ich wusste, dass mich niemand stören würde.
In meinem Zimmer sah ich mich in dem kleinen Schrank um und fand sofort das Gesuchte.
Als ich mich angezogen hatte, ging ich ins Badezimmer zurück.
Ich wollte nichts allzu Auffälliges mit meinen Haaren anstellen, da es in Strömen regnete.
Also föhnte ich sie trocken und drehte dann große Locken hinein.
Mir gefiel diese Frisur gut. Und sie war sowohl auffällig, als auch elegant und schlicht.
Nun fehlte nur noch das tägliche Make-Up.
Inzwischen war es halb elf und ich hatte bereits die ersten zwei Stunden verpasst, während die dritte gerade begonnen hatte.
Was Jazz wohl sagen wird, wenn er das erfährt. Und er wird es auf jeden Fall erfahren, denn wir waren in einem Jahrgang.
Schnell suchte ich noch mein Portmonee, mein Handy und meine anderen Kleinigkeiten, die aber unbedingt mit mussten.
Ich suchte wie verrückt, aber ich fand nichts.
Das war ja super. Ohne meinen Führerschein konnte ich mein Kleinstadtauto, was Charlie für mich hergeschafft hatte, nachdem Daddy es mir gekauft hatte, nicht fahren. Sollte das rote BMW Cabriolet einfach ungenutzt noch einen weiteren Tag herumstehen?
Ja, anscheinend sollte es so sein, denn egal, wo ich suchte, ich fand nichts.
Mir fielen die Augen von gestern Nacht wieder ein.
Könnte doch jemand hier gewesen sein? Angst machte sich in mir breit. Nein, bitte nicht …
Mit dem grausigen Gedanken im Hinterkopf ging ich mit meiner Schultasche und ohne Jacke (an Jacken hatte ich nämlich nicht gedacht, beim Packen und für Winterjacken war es definitiv zu warm in Forks.), die Verandatreppe hinunter und hinaus in den Regen.
Ich spürte, wie meine Haare sich sofort glätteten.
Blöder Regen. Saublöder Regen.
Ich ging so schnell, wie es meine Schuhe zuließen, und das war nicht gerade schnell.
Eigentlich war es mehr schnelles Gehen, aber ich würde mich, auch nicht, wenn ich Sneakers angezogen hätte, auf das Niveau des Rennens herunter gelassen.
Niemals!
Ich passte noch dazu auf, dass ich nicht in Pfützen trat, was meine Geschwindigkeit noch mehr zügelte.
Nach einer gefühlten Ewigkeit erreichte ich die Schule und durch die Fenster sah ich, dass sämtliche Klassenräume leer waren,
Ich war gerade richtig zur Mittagspause gekommen. Gute Zeit, dachte ich mir.
Ich ging um die Häuser, auf denen schwarze Zahlen aufgemalt waren.
Auf der Suche nach der Cafeteria fand ich wenigstens schon mal meinen Schrank.
Wenigstens etwas.
Als ich schließlich die Cafeteria fand, stellte ich mich vor die Tür und zupfte meine Klamotten gerade. Mein Haar tropfte den Boden hinter mir voll und meine Kleider klebten an meiner Haut.
Ich stieß die beiden Türen auf und ging gewohnt elegant zur Tür herein.
Sofort bemerkte ich, wie mich ein paar Schüler, die alle sehr blass waren und ziemlich schön wirkten, mich anstarrten. Danach folgten die Blicke der übrigen Schüler.
Ich sah in die Runde. Ein paar der Jungen sahen mich mit riesigen Augen an und ein paar Mädchen warfen mir höchst eifersüchtige Blicke zu.
Doch darauf <achtete ich nicht.
Mich interessierten mehr die fünf Personen, die dort alleine an dem Tisch saßen. Ich sah sie auch an und bemerkte ihre ungewöhnlichen Augenfarben. Gold-Braun. Höchst ungewöhnlich.
Ich erinnerte mich an die Nacht. Mich hatten goldene Augen angesehen.
Und dann noch das plötzliche Verschwinden meines Portmonees.
Könnte es sein, dass diese Menschen Verbrecher waren?
Nein, bestimmt nicht, dafür waren sie viel zu hübsch.
Inzwischen hatten alle wieder weggesehen, bis auf einen.
Anscheinend war er der einzige ohne Partner.
Die kleine, zarte Schwarzhaarige war anscheinend mit dem großen, rothaarigen Jungen zusammen.
Die brünette, die meiner Meinung nach nicht so schön war, wie der Rest war offensichtlich mit dem anderen Jungen zusammen, der einen ungewohnten Haarfarbton hatte, der nach Bronze aussah.
Nur der große, muskulöse Schwarzhaarige saß allein mit den anderen und starrte mich immer noch an.
Seine Augen, sein Körper, sein Gesicht, einfach ER waren DER Traumtyp schlechthin. Jedenfalls für meinen besonders guten Geschmack.
Auch er hatte goldene Augen, was darauf hindeutete, dass sie alle irgendwie verwandt sein mussten.
Aber wiederum auch nicht, denn sie waren so verschieden und zusammen.
Da konnte keine Verwandtschaft bestehen.
Er schaute mich immer noch an, als ich mich auf die Suche nach Jasper machte.
Die ganze Zeit starrte er mir mit leicht geöffnetem Mund hinterher.
Ich fand Jasper zwischen zwei Jungen an einem Tisch. Er unterhielt sich angestrengt mit ihnen.
Ich stellte mich unauffällig hinter ihn und räusperte mich einmal leise.
Er schnellte herum und sah mich, wie ich da mit schrecklichem Aussehen stand.
„Rose, du bist auch mal da.“, sagte er grinsend.
„Und wer ist das?“, fragte einer der Jungen.
„Das, Neill, ist meine Schwester Rosalie.“, sagte Jazz und klang stolz dabei.
„Das ist deine Schwester?“, fragte der andere Junge.
„Ja, Alex, das ist meine Schwester.“
Ich verdrehte die Augen. Man konnte Neill und Alex die Gedanken beinahe schon ablesen.
Ich funkelte sie böse an, was die beiden dazu brachte, die Blicke von meiner Oberweite zu nehmen.
Jazz stand auf und umarmte mich kräftig.
Dann ließ er mich los und musterte mich.
„Wie siehst du überhaupt aus? Hast du vergessen, wie das Cabrio zu geht?“, fragte er.
„Nein!“, fauchte ich, „Aber irgendwer hat meinen Führerschein, mein Handy und eigentlich meine komplette Handtasche mit genommen.“
„Rose, beruhig dich. Die wird schon irgendwo sein. Setz dich erst mal und dann sehen wir weiter. Ach ja. Wer ist der da?“, fragte er und wandte sich dabei an Alex.
„Das ist Cullen, Emmett Cullen. Er macht uns allen wirklich Angst, weil er so wechselhaft ist. Im ersten Moment reißt er jede Menge Witze und dann wird er plötzlich extrem aggressiv. Die anderen da, dass sind Edward und Bella Cullen und die Kleine, das ist Alice Cullen mit Roger Cullen. Angeblich soll Bella mit dem Chief verwandt sein, aber das weiß niemand so Recht. Das sind auf jeden Fall die Kinder von Dr. Cullen und Mrs Cullen. Dr. Cullen hat zuerst Edward adoptiert und hat dann seine Frau geheiratet. Dann hat sich herausgestellt, dass Mrs Cullen keine Kinder bekommen kann und dann haben sie Emmett und Alice adoptiert. Sie sind in Echt Geschwister. Danach noch Roger, er ist aber erst seit zwei Jahren dabei.“, sagte Alex kopfschüttelnd.
Neill fügte noch hinzu: „Und der Doktor ist ein komischer Arzt. Meine Mom ist selbst Ärztin und sie sagt, dass sie sich nie richtig konzentrieren kann, wenn Dr. Cullen dabei ist. Es ist wie Magie.“
„Rose, kennst du diesen Emmett?“, fragte Jazz mich.
„Nein, wieso?“
„Weil er dich anstarrt, als hättest du ihm mal ordentlich die Meinung gesagt.“, grinste Alex.
„Ach, kommt Jungs. Lasst sie in Ruhe.“, sagte ein Mädchen, was gerade zum Tisch gekommen war.
Sie hielt mir ihre Hand hin und ich nahm sie.
„Ich bin Jeanny.“, sagte sie.
„Rosalie.“, sagte ich nur.
„Schön dich kennen zu lernen. Du glaubst gar nicht wie viel Wirbel die Lehrer um dich und Jasper gemacht haben. Tagtäglich wurden wir daran erinnert, dass wir uns benehmen sollen, wenn ihr ankommt. Und du glaubst gar nicht,, wie feindselig die Cullens waren, als wir von euch erfahren haben. Sie sind die Reichsten hier und jetzt kommt ihr. Das muss sie ganz schön geärgert haben. Und am letzten Schultag vor den Ferien mussten wir über euch recherchieren und ich hab dieses ober süße Kinderfoto von die gefunden, wo du Miss North America geworden bist. Wow, das war so süß. Vor allem warst du die Jüngste im American Cup. Du hast gegen die 23-jährige Seline Malsom gewonnen. Aber du bist auch hübsch. Viel hübscher als unserer Jahrgangsoberzicke, Nadia. Die fühlt sich ganz hübsch, aber sie ist es nicht. Und wenn du mal irgendein Problem mit jemandem haben solltest, dann wendest du dich am Besten an Jeremy Weber, der regelt alles. Gut, er nimmt je nach Fall zwischen 0 und 20 $, aber ansonsten ist er ein super Kumpel. Und ...“
Jeanny redete ohne Pause einfach drauf los.
Inzwischen hatte es schon geklingelt und sie begleitete mich zur nächsten Stunde. Biologie.
Kapitel 4
Biologie
Ich ging mit Jeanny neben mir in den Biologieraum und blieb vorne stehen, während alle anderen an ihre Plätze gingen.
Exakt in der Sekunde, in der es zu Stundenbeginn erneut klingelte kamen die Cullens herein.
Die kleine Alice ging voraus, direkt gefolgt von Bella. Ich weiß nicht, weshalb, aber ich konnte Bella einfach nicht leiden.
Hinter Bella kamen Edward und Roger, die in eine Unterhaltung vertieft waren.
Emmett Cullen ging einfach stumm hinterher.
Auf einmal änderte sich seine Haltung, als sein Blick auf mich fiel.
Er sah überrascht, beinahe entsetzt aus.
Ich sah ihn nicht an, das konnte ich aus einem unerklärlichen Grund nicht.
Vielleicht wäre es aber für mich einfacher gewesen, hätte ich den Grund gekannt.
Aber ich spürte, dass er mich ansah. Ich konnte es gar nicht erwarten, dass der Lehrer kam. Bitte, sonst kommen doch auch immer alle Lehrer pünktlich.
Ich spürte seinen Blick immer noch, selbst als er sich schon gesetzt hatte.
Ich wagte es und sah durch den Klassenraum.
Neben Emmett und neben Alice waren die einzigen freien Plätze.
Na toll. Aber wo blieb Jazz?
Nach drei Minuten betraten nun auch Jazz und eine Lehrerin den Raum.
Das war klar. Jazz war zu feige gewesen, um sich alleine in den Raum zu trauen.
Das sah ihm ähnlich. Ich musste lächeln.
Jazz ging auf mich zu und sah nicht ein einziges Mal zur Klasse.
„Jazz.“, flüsterte ich.
Er sah mich an und schüttelte den Kopf. Ich wusste genau was sein Problem war. Er fürchtete, dass er sich vorstellen muss. Dafür war er einfach zu schüchtern. Ganz im Gegensatz zu mir. Mir gefiel es, wenn Leute sich interessiert an mir zeigten.
„So, das hier sind Jasper und Rosalie Hale. Sie kommen aus Vancouver, Kanada und sind gerade hergezogen. Die beiden werden jetzt etwas über sich erzählen und danach könnt ihr sie, bis ich wieder komme mit Fragen löchern.“, sagte die Lehrerin.
„Darf ich die Aufsicht übernehmen, Mrs Benter?“, fragte ein Mädchen mit Zahnspange und ungepflegter Haut.
Mrs Benter nickte nur und verließ dann den Raum.
Ich sah zu Jeanny, die mir zunickte. Also fing ich an zu reden.
„Ich bin Rosalie Lilian Hale und das ist mein Zwillingsbruder Jasper Hale. Wir sind beide 17 und werden in ein paar Monaten 18. Wir sind aus Vancouver hergezogen und mich werden einige von euch kennen, weil ich in meinem 5. Lebensjahr Miss North America geworden bin und auch sonst einige Auszeichnungen erhalten habe. Außerdem war ich schon auf einigen Covers zu sehen. Unter anderem auf der Sun und dem American Boulevard. Vielleicht kennen mich einige auch eher von den Preisverleihungen, wie zum Beispiel dem Oscar oder den Choice Awards. Na ja. Meine Hobbys sind shoppen und was mit Jazz unternehmen.“, erzählt ich der Klasse.
Ein Gemurmel ging durch die Reihen, bis das Mädchen mit der Zahnspange schließlich um Ruhe bat.
Nun sahen alle gespannt Jazz an, der wurde ziemlich rot und stotterte herum.
„Also, i-ich bin Jasper Hale, man nennt mich Jazz und – Ähm, ja. Ich bin Rose' Zwillingsbruder und ich – wir kommen aus Vancouver. I-i-ich bin nicht so berühmt wie Rose, weil ich – weil es einfach so ist.“
Ich musste grinsen. Das war vielleicht niedlich.
Ein paar Schüler meldeten sich. Ich sah fragend zu Jeanny, die daraufhin dem Mädchen mit der Zahnspange etwas zuflüsterten.
„Also“, begann das Mädchen, „Macht bitte Namensschilder und lauft damit die nächsten paar Tage durch die Gegend. Schreibt einfach euren Namen auf ein Stück Papier und nehmt euch eine Nadel.
Nachdem sich alle wieder hingesetzt hatten, meldeten sich wieder die gleichen Schüler.
Ich las die mir vorher sämtliche Namen durch. Alles ziemlich gewöhnliche Namen.
Ich seufzte. Ein leicht gebräunter Junge in der letzten Reihe stach mir als erstes ins Auge, also nahm ich ihn dran.
„Ja, Jeremy?“
„Weshalb siehst du so komisch aus, heute? Ich hab doch vor den Ferien noch ein Bild von dir bei der Goldenen Himbeere gesehen.“, fragte er und die Finger der anderen sanken nach unten.
Die Frage erinnerte mich nur wieder an mein äußerst schlechtes Aussehen.
„Das ist, weil irgendetwas heute Nacht in meinem Zimmer war und meine Handtasche geklaut hat. Irgendetwas mit goldschimmernden Augen.“
Ich schaute wieder durch die Reihen. Die Blicke der Cullens fielen alle auf Emmett. Was hatte das zu bedeuten? Ich dachte mir nichts dabei, da alle genau so schnell wieder weg sahen, wie sie hingesehen haben.
„Sonst noch irgendwelche Fragen?“, fragte ich mit leicht genervtem Unterton.
Eine Schülerin, die Vanessa hieß meldete sich.
„Ja?“, fragte ich noch etwas genervter.
„Kann ich ein Autogramm auf das Bild von dir, in meiner Mappe haben?“, fragte sie ziemlich kleinlaut.
Ich verdrehte die Augen, nahm aber dennoch einen Stift aus meiner Tasche und kritzelte schnell meinen Namen auf das Bild.
Wie verrückt konnten Leute eigentlich sein?
Nach ein paar Minuten des Schweigens betrat Mrs Benter den Raum wieder.
„So, danke, Felicia, dass du aufgepasst hast. Rosalie, setzt du dich bitte neben Emmett. Und Jasper, du setzt dich neben Alice.“, sagte sie lächelnd.
Erst jetzt fiel mit ihr Schema auf. Sie hatte immer einen Jungen neben ein Mädchen gesetzt. Das gefiel mir ganz und gar nicht, vor allem, weil sein Blick schon wieder an mir klebte …
Das Ganze war ziemlich gruselig. War ich was zu Essen oder war er irgendein Groupie?
Mal im Ernst. Sein Verhalten grenzte an meine zweite Theorie.
Ich setzte mich auf den Platz neben Emmett und rutschte soweit es ging von ihm weg.
Er sah mich weiterhin an, bis ich ihn einmal böse an funkelte, dann sah er stur geradeaus.
Ich versuchte dem Unterricht zu folgen, doch seine Anwesenheit machte mich verrückt. Es war nicht zum Aushalten.
Zwischendurch sah ich nach hinten zu Jazz und Alice.
Die beiden unterhielten sich lebhaft. Na toll, anscheinend fand Jazz diesmal schneller Freunde als ich.
Diese Tatsache deprimierte mich leicht, aber ich würde nie so etwas wie Eifersucht verspüren. Nicht bei Jazz.
Ich sah wieder zurück zu Emmett. Er starrte mich schon wieder an. Diesmal musste ich ihm einfach einen Spruch aufdrücken.
„Nur, weil du mich anstarrst, wirst du auch nicht schöner!“, warf ich ihm an den Kopf.
Er grinste dumm.
„Gute Sprüche hast du auf Lager, dass muss man die lassen.“, grinste er. Seine Stimme war verwunderlich. Einerseits tief und männlich, andererseits wunderschön und klangvoll.
Eigentlich zwei Faktoren, die nicht zusammenpassten, aber in seine Stimme hörten sie sich wunderschön an.
„Ach, weißt du. Ich bin halt nicht das kleine, verwöhnte Mädchen, das alle in mir sehen.“, fauchte ich zurück.
„Dafür hätte ich dich auch nie gehalten.“, sagte er und hatte einen ehrlichen Tonfall. Das überraschte mich noch mehr.
„Aha.“, sagte ich nur.
„Warum bist du hier?“, fragte er neugierig.
„Weil Mrs Benter mich hierher gesetzt hat?!“, sagte ich zickig.
Er lachte leise, aber dennoch hörbar.
„Ich meinte eigentlich, weshalb du in Forks bist.“
„Ach so. Na ja, weil ich genug von Eis und Schnee hatte und mein Onkel Charlie hier wohnt. Na ja. Eigentlich ist er nicht wirklich mein Onkel. Aber mein Daddy und er sind alte Freunde.“, erklärte ich und zuckte am Ende leicht mit den Schultern.
„Interessant, Rosalie.“ Wie er meinen Namen aussprach war irgendwie auch komisch.
„Ja.“
„Und gefällt es dir hier?“
„Nicht wirklich. Hier sieht alles so wild aus.“
Er lächelte.
„Ich kann dich gut verstehen. Meine Familie und ich sind auch erst vor zwei Jahren hergezogen. Ich habe mich auch schrecklich gefühlt. Alaska und Forks ist ein großer Unterschied.“
Irgendwie fand ich plötzlich Interesse an ihm.
„Wow, Alaska. Dort ist es noch kälter als in Kanada, oder?“
„Ja, ist es, aber dort gibt es mehr Bären als hier.“
„Bären? Was willst du denn mit Bären?“
„Na ja. Ich gehe öfter mal wandern und campen mit meinen Brüdern. Und wir freuen uns immer, wenn uns ein Bär begegnet.“
Er grinste. Sein Grinsen gefiel mir auf eine Weise.
„Hm … hört sich gefährlich an.“
„Ist es nicht, wenn man weiß, wie es geht.“
„Na gut. Aber ich würde es trotzdem nicht ausprobieren wollen.“
„Also bist du mehr so die Diva?“
„Wenn du Diva als negativ einstufst, dann nicht.“
„Das habe ich nie behauptet. Ich finde es nicht schlimm, wenn man sich so verhält.“
„Dann ist ja gut.“
Er nickte, aber offenbar war das Gespräch noch nicht beendet.
„Du bist … außergewöhnlich hübsch. Ist ungewöhnlich für Menschen.“
„Wenn du damit darauf hinaus willst, ob ich da nachgeholfen habe, dann irrst du dich. An mir ist soviel Natur, wie an Grundwasser. Und was heißt für Menschen? Was bist du denn? Ein Gott?“, fragte ich zickig.
„Wow, du bist … temperamentvoll. Und, nein, ich hätte nie gedacht, dass deine Schönheit künstlich sein könnte. Und das mit den Menschen, ach, das war nur so dahin gesagt.“
„Dein Glück.“, bemerkte ich.
Er lachte wieder leise, wobei sein Lachen eher wie ein Glockenspiel im Wind klang.
„Rosalie, du bist echt was Besonderes.“
„Natürlich. Ich bin ein Unikat.“
„Ich weiß, aber irgendwas ist trotzdem sehr außergewöhnlich an dir.“
Ich seufzte.
„Kann sein.“
„Du bist so interessant und nervtötend zugleich, das fasziniert mich.“
„Äh, sehr interessant, also als nervtötend hat mich noch niemand bezeichnet.“, mein Ton war sehr reserviert und ich klang beinahe wütend.
„Schon gut, das sollte keine Beleidigung sein. Ach so. Hab ich mich vorgestellt? Ich bin Emmett McCarty Cullen.“
Ein bisschen spät für ein Kennenlernen, aber wenn er meint.
„Rosalie Lilian Hale.“, sagte ich trocken.
Er lächelte. Es war ein äußerst schönes, aber dennoch männliches Lächeln.
Ich lächelte zurück.
„Aha, du kannst sogar lächeln.“, grinste er.
„Ja, unter Umständen geht das schon manchmal. Aber das kommt selten vor, am Häufigsten, wenn ich mit Jazz zusammen bin.“
„Du scheinst deinen Bruder sehr zu lieben.“, stellte er fest.
Ich nickte.
„Ja, ich könnte mir kein Leben ohne ihn vorstellen. Er ist meine zweite Hälfte, wir ergänzen uns perfekt, ich bin das, was er nicht ist und andersherum. Könntest du ohne deine Geschwister leben? Ich meine, du kennst das Zwillingsdasein ja auch. Alice und du, ihr seid doch Zwillinge.“
„Hm, vielleicht sollte ich nicht ohne sie leben können, aber manchmal gibt es Tage, da nerven sie mich ganz schön und da wäre ich lieber Einzelkind. Und auch das, was du gerade sagtest, mit dem Ergänzen, so ist es bei uns nicht. Wir würden beide auch ohne den anderen zurechtkommen.“
„Hm ...“, sagte ich nachdenklich.
„Aber mir ist echt aufgefallen, dass ihr eigentlich kaum Ähnlichkeiten habt.“, fügte ich noch hinzu.
„Wir sind zweieiige Zwillinge.“, sagte er schnell und nun hatte ich doch das Gefühl, dass das Gespräch beendet war.
„Ach so. Das dachte ich mir irgendwie schon.“, sagte ich, um das Gespräch weiterzuführen.
„Für eine Blondine denkst du erstaunlich viel, dass gefällt mir.“
Was für ein Glück, er redete noch weiter mit mir.
„Hm, also ich denke, dass so etwas nicht immer unbedingt an der Haarfarbe liegt.“, erklärte ich ihm lächelnd.
„Da könntest du Recht haben. Ehrlich, du und dein Charakter, ihr gefallt mir.“
„Ähm, wie soll ich das verstehen?“
Ich war leicht verwirrt. Erst die Blicke, dann das Interesse, dann die Abneigung und jetzt die Komplimente und das Gefallen.
„Na ja.“, setzte er an, „So wie ich es sage.“
„Gut ...“, sagte ich langsam, da ich sehr verwirrt war.
Ich hatte gar nicht gemerkt, dass es schon längst geklingelt hatte, denn Emmett und ich saßen noch eine ganze Weile an unserem Tisch im Biologieraum.
Erst, als Jasper zurück in den Raum kam, fiel es mir auf.
„Was steht denn als nächstes an?“, fragte ich leicht verwirrt und sah Emmett und Jazz an.
„Französisch, schätze ich.“, sagte Jazz.
„Aber wir schreiben da heute 'ne Arbeit, ihr könnt nichts machen.“, erklärte Emmett.
„Das ändert die Lage. Aber ich kann eigentlich alles. Außerdem, Rose, sind wir viel weiter, als die hier. Wir hatten schon den Stoff, der im Abschlussjahr im dritten Trimester gelehrt wird.“, sagte Jazz, wobei es mehr nach einer Ermahnung klang.
Ich sah aus den Augenwinkeln wie Emmett die Augen verdrehte.
„Aber Jazz, am ersten Schultag finde ich es nicht gut, damit anzugeben.“, sagte ich und war erstaunt über mich selbst.
„Was hast du mit meiner Schwester gemacht?“, fragte Jazz grinsend an Emmett gewandt.
Er zuckte mit den Schultern.
„Ich denke nicht, dass man da großartig was machen kann. Sie ist unveränderbar.“, grinste Emmett.
Wow, wie fies. Eben war er noch so interessiert an mir gewesen.
Ich funkelte beide wütend an und stand auf.
„Rosalie?“, fragten beide gleichzeitig?
„Was?“, fragte ich und ließ meiner Aggression freien Lauf.
„Das sollte keine Beleidigung gewesen sein. Entschuldige.“, sagte Emmett schnell und sah mich entschuldigend an.
„Ich gehe mal lieber zu Französisch.“, meinte Jazz und verließ schnell den Raum, was mir sagte, dass ich sehr wütend aussah, denn sonst würde Jazz nicht verschwinden.
Ich starrte ihm eine Zeit lang hinterher, bevor ich mich wieder Emmett zu wand.
„Was hältst du vom Schwänzen?“, fragte er frech.
„Viel, wieso?“
„Na ja, wir könnten schwänzen.“
Ich sah ihn stirnrunzelnd an.
„Und deine Arbeit?“, fragte ich.
„Die ist unwichtig. Ich würde eh eine 1 schreiben. Und die kann auch warten. Außerdem sind die Lehrer das Schwänzen von mir gewöhnt. Vor allem wissen die nicht mal, dass ich schwänze, weil ich eine Bescheinigung habe, dass ich in manchen Stunden fehlen darf.“, erklärte Emmett mir grinsend.
„Aha. Aber du weißt, dass ich sowas nicht habe, oder?“
Er schaut verdutzt drein.
„Ähm, kein Problem. Sei blass und wir bringen dich zur Schulschwester. Für ein paar Minuten.“, grinste er.
Eigentlich keine schlechte Idee. Eine ganze Schulstunde mit Emmett, der mich ziemlich nervte, aber trotzdem lustig war.
„Na gut. Aber wie soll ich blass sein?“
„Wenn ich mir deine Hände so ansehe, dann bist du eigentlich blass, aber dein Make-Up verdeckt das.“
„Ich hasse es, blass zu sein. Das passt ganz und gar nicht zu meiner Haarfarbe.“
„Doch, total. Rosalie, schau mich an. Ich hab schwarze Haare und bin blass, ich sehe aus wie eine Leiche!“
Ich musterte ihn. So ganz Unrecht hatte er nicht. Ich musste grinsen.
„Hm, vielleicht bist du eine Leiche.“, sagte ich scherzhaft.
Anscheinend war das für ihn kein Spaß mehr, denn sofort stand er auf und ging aus dem leeren Klassenzimmer.
„Emmett?!“, rief ich ihm hinterher.
Schnell machte ich mich auf den Weg aus dem Biologieraum hinaus. Doch ich sah ihn nirgendwo, also machte ich mich auf den Weg zu meinem Schließfach, um meine Französischbücher herauszunehmen. Mir blieb ja jetzt nichts anderes mehr übrig.
Auf dem Weg zum Schließfach kramte ich in meiner Tasche nach meinem Biologiebuch, doch es war nirgends zu finden.
Ich kam am Schließfach an und sah eine große Gestalt dort stehen.
Schwarze Haare und blass, wie eine Leiche.
Das konnte nur Emmett sein.
Kapitel 5
Leiche
„Laber nicht, Edward. Du nervst!“, sagte ich genervt.
Alice war abwesend, wie immer und Edward erzählte gerade Roger etwas über mich.
„Sie kommt.“, sagte Alice und ihr Blick fiel zur Tür.
„Das könnte interessant werden.“, grinste Edward und sah mich an.
„Grins nicht so dämlich.“, grummelte ich.
„Schon gut.“, sagte Edward und grinste weiter so.
In dem Moment wurde die Tür zur Cafeteria aufgestoßen und sie trat hinein. Schön wie eh und je, auch wenn sie irgendwie komisch aussah.
Ah, natürlich. Sie war nass. Vollkommen nass. Aber das war trotzdem wunderschön.
Und … oh, mein Gott. Sie trug eine weiße Jeans! Ist das mein Glückstag oder nicht?
Ich fing wieder an zu starren. Und durch den Wind, der mit ihr in die Cafeteria geströmt war, nahm ich ihren Geruch wahr, viel stärker als in der Nacht.
Ihr Geruch brachte meinen Durst zum Aufflammen. Es war der lieblichste Geruch, den ich je gerochen hatte. Er roch süß und feurig zugleich. Ein Traum.
Ich konnte meine Augen nicht von ihr nehmen und Edwards freches Kichern störte mich auch nicht im Geringsten. Ich hatte alles um mich herum vergessen. Meine Augen klebten förmlich auf ihr. Sie hatte eine Wirkung auf mich … die konnte ich noch nicht mal mit meinen über alles geliebten Bären vergleichen. Grizzlybären waren nichts im Vergleich zu ihr. Rosalie Lilian Hale. Was für ein göttlicher Name. Er passte perfekt zu ihr. So wie ihre göttliche Figur.
Alice stupste mich an.
„Emmett, starr nicht so, wir werden noch auffallen.“
Sie verstand nicht, dass ich nicht anders konnte. Kann ich verstehen. Bei Roger hätte ich auch nie gestarrt.
Ich musste grinsen.
Genau in dem Moment sah sie hier herüber.
Unsere Blicke trafen sich. Ihre Augen. Ein weiterer Traum. Hellbraun. Wunderschön. Traumhaft. Zum Anbeißen.
Ich kicherte über meine Gedanken, und dann sah sie auch schon wieder weg. Nun drehte sie mir den Rücken zu.
Was für ein Arsch! Oh, mein Gott. Selbst von hinten war sie immer noch göttlich. Und nass. Ihre Hose war … durchscheinend. Ich hatte also freien Blick. Aber ich sah dann doch weg, aber nur kurz, ich meine, es war ja nichts annähernd perverses, im Moment glotzte jeder Typ ihr auf den Arsch. Außer Edward und Roger natürlich. Und dieser unsympathische halb blonde Typ, der auch beim Chief wohnte.
Also sah ich wieder hin.
Sie trug rote Unterwäsche, die trat nämlich deutlich unter dem durchnässten, weißen Stoff hervor. Mann, war das heiß. Ich musste mich stark beherrschen, um nicht jetzt zu ihr hinzugehen, einen machomäßigen Spruch zu reißen und sie dann vor aller Augen zu küssen. Was würde sie wohl davon halten?
„Emmett, das tust du garantiert nicht!“, sagte Edward durchdringend.
„Wenn du weiter meine Konzentration störst, dann bleibt mir nichts anderes übrig.“, fauchte ich.
„Was will er denn tun?“, fragte Roger. Ich konnte den Kerl nicht leiden, der war so ein Idiot.
„Er sucht gerade seine dämlichsten Anmach-Sprüche heraus und will dann zu ihr gehen und sie küssen … außerdem überlegt er, was sie davon halten würde.“, sagte Edward leicht gelangweilt.
Roger fing an zu lachen.
„Was ist so witzig, Rotschopf?“, fragte ich gereizt, ohne meinen Blick von ihrem Hinterteil zu nehmen.
Die beiden gingen mir echt auf die Nerven.
Sie stand nun direkt hinter dem Typen und ich hörte sie sich räuspern.
Was für ein wunderschöner Ton. (Edward kicherte wieder. )
Der Typ stand auf und umarmte sie kräftig.
Das gefiel mir ganz und gar nicht. In was für einer Beziehung standen sie zueinander? Ich meine, wer wohnt zusammen, kommt aber zu unterschiedlichen Zeiten zur Schule?
„Er ist ihr Bruder, Emmett. Mach dir keine Sorgen.“, erklärte Edward mir.
Was für eine Erleichterung. Ihr Bruder.
Ich lächelte nun. Endlich.
Die zwei anderen Typen, die Neill und Alex hießen, starrten sie an. Sie starrten direkt auf ihre Brüste!
Oh, mein Gott! Hallo?! Das ist meins!
Ich musste ein Knurren unterdrücken, und es blieb mir tatsächlich im Hals stecken, als ich ihren Blick sah.
Das war bestimmt der arroganteste, aber auch der wunderschönste Blick, den ich je gesehen habe.
Eingeschüchtert, wegen des Blickes sahen Neill und Alex betreten weg.
Dann sah ich diesen Typen zu uns herübersehen.
Oh, mein Gott! Der war ja nicht mal ein kleines bisschen so hübsch wie sie.
„Emmett, Neill und Alex halten dich für wechselhaft und gruselig.“, las Edward aus den Gedanken, der beiden.
„Oh, mein Gott! Wie beeindruckend.“, sagte ich sarkastisch.
„Und Dr. O'Hamsley kann nicht arbeiten, wenn sie in Carlisles Nähe ist.“, fügte er leise kichernd hinzu.
„Und jetzt kommt Jeanny und nimmt sie unter ihre Fittiche.“, sagte Alice verträumt, wie immer.
„Toll.“, sagte ich trocken.
„Und in exakt 39 Sekunden wird es klingeln.“, sagte Alice nicht weniger verträumt.
Jedoch blieb sie sitzen, genauso wie meine anderen Geschwister.
Ich sah ihr solange wie möglich hinterher, bis ich meinen Blick wieder auf Edward schweifen ließ.
Aber ich sah sofort wieder weg, denn er war mit Bella in einem tiefen, innigen Kuss verschmolzen.
Also sah ich zu Alice und Roger, die beide nebeneinander saßen und sich ansahen, aber ich vermutete eher, dass Alice in einer Vision versunken war.
Punkt genau zum zweiten Klingeln, was den Stundenbeginn ankündigte, ging zuerst Alice, dann Bella, dann Roger und Edward, die in eine Unterhaltung vertieft waren, und zu guter Letzt ich in den Klassenraum. Ich achtete nicht wirklich auf das, was um mich herum passierte, sondern ging stur zu meinem Einzelplatz.
Letztes Schuljahr saß dort noch ein verdammt nerviges, dummes Mädchen.
Aber zum Glück war sie so dumm, dass sie den Jahrgang wiederholen musste. Was hatte ich nur für ein Glück.
Doch auf dem Weg zu meinem Platz, floss mir der süße, feurige Geruch wieder in die Nase. Sie war hier. Sie nahm an Biologie teil.
Und schon wieder hatte ich Glück und trotzdem hafteten meine Augen wieder auf ihr.
Sie war einfach unglaublich. Sie brachte mich aus der Fassung …
Ich starrte sie an und bekam nichts von ihren Worten mit. Doch, schon, aber ich verstand nichts. Ich nahm nur den wundervollen, glockenartigen Ton ihrer Stimme war und ihren Körper. Ihren göttlichen, wohlgeformten Körper.
Irgendwann kam Mrs Benter wieder in die Klasse.
Mir fiel plötzlich auf, dass ich der einzige Junge war, neben dem noch ein Platz frei war. Was hatte ich schon wieder für ein Glück.
Es bestand nun ein hundertprozentige Chance, dass sie neben mir saß.
Alice hatte Pech, sie musste neben dem unsympathisch wirkenden Typen sitzen.
Ich grinste in mich hinein, als sie sich neben mich setzte, aber so weit weg wie möglich von mir rutschte.
Ich schaute sie weiter an. Zuerst sah sie betreten weg, dann aber warf sie mir einen ihrer Blicke zu. Nun war ich vollkommen hin und weg. Mein kleiner Freund spielte verrückt. Das war … das Erlebnis schlechthin.
Für eine Zeit lang musste ich einfach geradeaus sehen, um wieder klar zu kommen.
Wir beide , also mein Ding und ich, mussten uns beruhigen.
Das war gar nicht so leicht, denn irgendetwas lag in der Luft.
Ich hörte, wie Alice sich mit dem Typen unterhielt. Wie hieß der nochmal? Jasper? Was für ein bescheuerter Name.
Ich sah sie wieder an. Diesmal noch durchdringender. Anscheinend machte es auch sie verrückt, dann auf einmal sprach sie mit mir. Sie wollte mich wahrscheinlich eher beschimpfen, aber dennoch, sie sprach mit mir.
„Nur, weil du mich anstarrst, wirst du auch nicht schöner!“, warf sie mir an den Kopf.
Ich musste grinsen, selbst Beleidigungen klangen aus ihrem Mund wie Komplimente.
„Gute Sprüche hast du auf Lager, dass muss man dir lassen.“, grinste ich.
„Ach, weißt du. Ich bin halt nicht das kleine, verwöhnte Mädchen, das alle in mir sehen.“, fauchte sie zurück.
„Dafür hätte ich dich auch nie gehalten.“, sagte ich und versuchte ehrlich zu klingen. Das überraschte sie anscheinend.
„Aha.“, sagte sie nur. Etwas wortkarg, aber heiß. Passt doch.
„Warum bist du hier?“, fragte ich neugierig.
„Weil Mrs Benter mich hierher gesetzt hat?!“, sagte sie zickig.
Ich lachte leise, aber dennoch hörbar.
„Ich meinte eigentlich, weshalb du in Forks bist.“
„Ach so. Na ja, weil ich genug von Eis und Schnee hatte und mein Onkel Charlie hier wohnt. Na ja. Eigentlich ist er nicht wirklich mein Onkel. Aber mein Daddy und er sind alte Freunde.“, erklärte sie und zuckte am Ende leicht mit den Schultern.
„Interessant, Rosalie.“ Ich sprach zum ersten Mal ihren Namen aus. Oh, mein Gott, was für ein geiles Erlebnis.
„Ja.“
„Und gefällt es dir hier?“
„Nicht wirklich. Hier sieht alles so wild aus.“
Ich lächelte sie an.
„Ich kann dich gut verstehen. Meine Familie und ich sind auch erst vor zwei Jahren hergezogen. Ich habe mich auch schrecklich gefühlt. Alaska und Forks ist ein großer Unterschied.“ Weil ich auch vorher noch nie hier gelebt habe, dachte ich sarkastisch.
Irgendwie fand sie plötzlich Interesse an mir.
„Wow, Alaska. Dort ist es noch kälter als in Kanada, oder?“
„Ja, ist es, aber dort gibt es mehr Bären als hier.“
„Bären? Was willst du denn mit Bären?“ Sie war geschockt, was ich gut verstehen konnte, denn ich hatte mich redlich verplappert.
„Na ja. Ich gehe öfter mal wandern und campen mit meinen Brüdern. Und wir freuen uns immer, wenn uns ein Bär begegnet.“, sagte ich. Es war immerhin die Halbwahrheit.
Sie sah mich beinahe ausdruckslos an, doch das gefiel mir auf eine Weise.
„Hm … hört sich gefährlich an.“
„Ist es nicht, wenn man weiß, wie es geht.“
„Na gut. Aber ich würde es trotzdem nicht ausprobieren wollen.“ Was für eine Diva.
„Also bist du mehr so die Diva?“
„Wenn du Diva als negativ einstufst, dann nicht.“ Und so arrogant.
„Das habe ich nie behauptet. Ich finde es nicht schlimm, wenn man sich so verhält.“
„Dann ist ja gut.“
Ich nickte, aber ich wollte das Gespräch noch nicht als beendet erklären.
„Du bist … außergewöhnlich hübsch. Ist ungewöhnlich für Menschen.“ Was für ein dämlicher Spruch ...
„Wenn du damit darauf hinaus willst, ob ich da nachgeholfen habe, dann irrst du dich. An mir ist soviel Natur, wie an Grundwasser. Und was heißt für Menschen? Was bist du denn? Ein Gott?“, fragte sie zickig. Ein Gott? Klar. Ein Sexgott. Innerlich kicherte ich über mich selbst.
„Wow, du bist … temperamentvoll. Und, nein, ich hätte nie gedacht, dass deine Schönheit künstlich sein könnte. Und das mit den Menschen, ach, das war nur so dahin gesagt.“
„Dein Glück.“, bemerkte sie, nicht weniger arrogant.
„Rosalie, du bist echt was Besonderes.“
„Natürlich. Ich bin ein Unikat.“
„Ich weiß, aber irgendwas ist trotzdem sehr außergewöhnlich an dir.“
Sie seufzte.
„Kann sein.“
„Du bist so interessant und nervtötend zugleich, das fasziniert mich.“
„Äh, sehr interessant, also als nervtötend hat mich noch niemand bezeichnet.“, ihr Ton war sehr reserviert und sie klang beinahe wütend.
„Schon gut, das sollte keine Beleidigung sein. Ach so. Hab ich mich vorgestellt? Ich bin Emmett McCarty Cullen.“
Ein bisschen spät für ein Kennenlernen, aber irgendwas musste ich ja jetzt sagen..
„Rosalie Lilian Hale.“, sagte sie trocken.
Ich lächelte.
Sie lächelte zurück. Was für ein traumhaftes Lächeln sie hat. Oh, mein Gott. So … wundervoll.
„Aha, du kannst sogar lächeln.“, grinste ich.
„Ja, unter Umständen geht das schon manchmal. Aber das kommt selten vor, am Häufigsten, wenn ich mit Jazz zusammen bin.“
„Du scheinst deinen Bruder sehr zu lieben.“, stellte ich leicht eifersüchtig fest.
Sie nickte.
„Ja, ich könnte mir kein Leben ohne ihn vorstellen. Er ist meine zweite Hälfte, wir ergänzen uns perfekt, ich bin das, was er nicht ist und andersherum. Könntest du ohne deine Geschwister leben? Ich meine, du kennst das Zwillingsdasein ja auch. Alice und du, ihr seid doch Zwillinge.“
„Hm, vielleicht sollte ich nicht ohne sie leben können, aber manchmal gibt es Tage, da nerven sie mich ganz schön und da wäre ich lieber Einzelkind. Und auch das, was du gerade sagtest, mit dem Ergänzen, so ist es bei uns nicht. Wir würden beide auch ohne den anderen zurechtkommen.“, das meiste war gelogen. Ich musste lügen, aber es tat mir weh, sie anzulügen.
„Hm ...“, sagte sie nachdenklich.
„Aber mir ist echt aufgefallen, dass ihr eigentlich kaum Ähnlichkeiten habt.“, fügte sie noch hinzu.
„Wir sind zweieiige Zwillinge.“, sagte ich schnell, denn mehr durfte ich dazu nicht sagen. Fuck, sie ist gar nicht mal so dumm.
„Ach so. Das dachte ich mir irgendwie schon.“, sagte sie, um das Gespräch weiterzuführen.
„Für eine Blondine denkst du erstaunlich viel, dass gefällt mir.“
Was für ein Glück, sie redete, trotz meiner etwas schroffen Antwort noch mit mir.
„Hm, also ich denke, dass so etwas nicht immer unbedingt an der Haarfarbe liegt.“, erklärte sie mir lächelnd.
„Da könntest du Recht haben. Ehrlich, du und dein Charakter, ihr gefallt mir.“
„Ähm, wie soll ich das verstehen?“
Ich verwirrte sie. Mann, bin ich gut.
„Na ja.“, setzte ich an, „So wie ich es sage.“
„Gut ...“, sagte sie langsam, da sie sehr verwirrt war.
Ich hatte schon lange gemerkt, dass es schon längst geklingelt hatte, doch ich wollte den Moment, den ich mit ihr teilte nicht zerstören.
Erst, als der Typ zurück in den Raum kam, fiel es ihr auf.
„Was steht denn als nächstes an?“, fragte sie leicht verwirrt und sah mich und den Typen an.
„Französisch, schätze ich.“, sagte der Typ.
„Aber wir schreiben da heute 'ne Arbeit, ihr könnt nichts machen.“, erklärte ich, mehr ihr, als ihm.
„Das ändert die Lage. Aber ich kann eigentlich alles. Außerdem, Rose, sind wir viel weiter, als die hier. Wir hatten schon den Stoff, der im Abschlussjahr im dritten Trimester gelehrt wird.“, sagte der Typ, wobei es mehr nach einer Ermahnung klang. Was für ein Angeber.
Ich verdrehte die Augen.
„Aber Jazz, am ersten Schultag finde ich es nicht gut, damit anzugeben.“, sagte sie. Wow, bescheiden war sie auch noch.
„Was hast du mit meiner Schwester gemacht?“, fragte Jazz grinsend an mich gewandt.
Ich zuckte mit den Schultern. Der brauchte sich gar nicht großartig einzuschleimen.
„Ich denke nicht, dass man da großartig was machen kann. Sie ist unveränderbar.“, grinste ich.
Sie funkelte mich und den Typen wütend an und stand auf.
„Rosalie?“, fragten ich und der Typ gleichzeitig.
„Was?“, fragte sie und klang dabei sehr aggressiv.
„Das sollte keine Beleidigung gewesen sein. Entschuldige.“, sagte ich schnell und sah sie entschuldigend an.
„Ich gehe mal lieber zu Französisch.“, meinte der Typ und verließ schnell den Raum. Endlich war ich wieder mit ihr alleine.
„Was hältst du vom Schwänzen?“, fragte ich frech.
„Viel, wieso?“ Hui, eine kleine Böse.
„Na ja, wir könnten schwänzen.“
Sie sah mich stirnrunzelnd an.
„Und deine Arbeit?“, fragte sie.
„Die ist unwichtig. Ich würde eh eine 1 schreiben. Und die kann auch warten. Außerdem sind die Lehrer das Schwänzen von mir gewöhnt. Vor allem wissen die nicht mal, dass ich schwänze, weil ich eine Bescheinigung habe, dass ich in manchen Stunden fehlen darf.“, erklärte ich ihr grinsend.
„Aha. Aber du weißt, dass ich sowas nicht habe, oder?“
Mist, das hatte ich völlig vergessen.
„Ähm, kein Problem. Sei blass und wir bringen dich zur Schulschwester. Für ein paar Minuten.“, grinste ich.
„Na gut. Aber wie soll ich blass sein?“
„Wenn ich mir deine Hände so ansehe, dann bist du eigentlich blass, aber dein Make-Up verdeckt das.“
„Ich hasse es, blass zu sein. Das passt ganz und gar nicht zu meiner Haarfarbe.“
„Doch, total. Rosalie, schau mich an. Ich hab schwarze Haare und bin blass, ich sehe aus wie eine Leiche!“ Fuck, schlechter Vergleich.
Sie musterte mich. So ganz Unrecht hatte ich ja nicht. Sie musste grinsen. Wie süß.
„Hm, vielleicht bist du eine Leiche.“, sagte sie scherzhaft.
Doch das durfte kein Spaß mehr sein. Schnell, bevor ich noch ein falsches Wort mehr sagen konnte, verließ ich den Raum.
Ich flitzte so schnell ich konnte zu meinem Schließfach.
Wütend auf mich selbst, schlug ich dagegen.
Nun war eine große Beule drin. Aber das war mir im Moment sowas von verdammt egal.
Scheiße! Verfluchte, verfickte Scheiße, dachte ich.
Wie konnte das nur passieren. Wahrscheinlich wusste sie jetzt alles. Nur weil ich einen Moment lang nicht auf meine Worte aufgepasst hatte.
So dumm konnte auch nur ich sein!
Ich knurrte vor mich hin, öffnete dabei das Schließfach und drückte von innen gegen die Beule, die sich sofort wieder glättete.
Ich hörte Schritte über den Flur. Doch das störte mich im Moment kein bisschen.
Sollte doch jeder wissen, wie ich litt.
Wie ich litt, mich in ein menschliches Mädchen zu verlieben.
Das durfte nicht passieren. Niemals!
Aber es war zu spät. Rosalie Lilian Hale war bereits in mein totes Herz getreten.
Was für eine Schande. Ich, ein uralter (ja, ich hielt mich selbst für uralt) Vampir, verliebte mich in ein unschuldiges, junges und vor allem menschliches Mädchen.
Ich durfte mich nicht auf sie einlassen, das durfte ich nicht früher oder später würde ich sie töten.
Es wäre doch alles viel leichter, wenn sie eine von uns wäre. Viel leichter.
Mir kam ein neuer Gedanke in den Sinn. Aber den würde ich erst nach der Schule verwirklichen können, denn genau in dem Moment hörte ich ihre liebliche Stimme und nahm ihren süßen Geruch wahr.
„Emmett?!“, fragte sie.
Ich gab keine Antwort, ich konnte nicht.
„Hab ich etwas Falsches gesagt?“, fragte sie nochmal.
Ich musste ihr antworten. Meine Stimme war mehr oder weniger wütend, das konnte ich selbst nicht gut einschätzen.
„Nein, verdammt!“, fluchte ich, „Ich bin es, der die Fehler macht. Du … du könntest nie irgendetwas Falsches tun. Du bist so jung und unschuldig. Und ich … “ Ich hielt inne. Fast hätte ich mich schon wieder verplappert.
„Es tut mir leid.“, sagte sie leise, anscheinend hatte sie Angst vor mir. Das wollte ich auch nicht. Oh, mistverdammt. Ich mache einfach alles falsch!
Ich musste ein Knurren unterdrücken. Nicht vor ihr, sagte ich mir.
„Hör bitte auf, dich zu entschuldigen. Es ist nicht deine Schuld, Rosalie.“, langsam besänftigte sich meine Stimme wieder.
Wir standen eine Weile einfach uns gegenüber und sahen uns an. Ich hob eine Hand halb. Ich zitterte. Langsam machte ich einen Schritt auf sie zu. Sie sah mich weiterhin an.
Vorsichtig legte ich meine Hand an ihre Wange. Sie zuckte unter meiner Kälte kurz zusammen, was mich aber nicht weiter störte.
Sanft strich ich mit meinem Daumen über ihre warme, rosige Wange.
Ein Lächeln trat in ihr Gesicht. Langsam senkte ich meinen Kopf in ihre Richtung und legte meine Stirn auf die ihre.
Ich sah in ihre wunderschönen, hellbraunen Augen.
Eine Zeit lang standen wir so da, dann wurden wir von einer glockenhellen Stimme aufgeschreckt.
„Na, was macht ihr hier?“, fragte Alice und kam auf uns zu.
Sofort ließ ich sie los.
Alice sah mich kurz streng an. Zu kurz, dass Rosalie es mitbekommen haben könnte.
Denn sie lächelte einfach weiter.
„Emmett, wir müssen doch heute früher weg.“, sagte Alice freundlich. Beinahe zu freundlich.
„Wo musst du hin?“, fragte Rosalie.
„Ähm – unsere Tante … hat Geburtstag … Glaube ich … oder war es Oma?“, lächelte ich.
„Ja, Oma war's.“, grinste Alice und drehte sich um.
„Bis morgen.“, flüsterte Rosalie.
„Bis morgen.“, bestätigte ich.
Kapitel 6
Kuss
„Emmett?“, fragte ich vorsichtig.
Er gab keine Antwort. Vielleicht hatte er mich einfach nur nicht gehört.
„Hab ich etwas Falsches gesagt?“, fragte ich nochmal.
Er öffnete den Mund, um zu reden, blieb aber weiterhin mit den Händen an die Schließfächer gelehnt stehen.
„Nein, verdammt“, fluchte er und seine Stimme war von Schmerz durchzogen. „Ich bin es, der die Fehler macht. Du … du könntest nie irgendetwas Falsches tun.Du bist so jung und unschuldig. Und ich ...“ Jetzt hielt er inne.
Ich war alles andere als unschuldig, er kannte bisher ja auch nur die positiven Seiten meines Lebens. Da hielt mich jeder für unschuldig.
Ich musste irgendetwas sagen, also entschuldigte ich mich.
„Es tut mir leid.“, sagte ich leise, denn Entschuldigungen lagen mir nicht. Und außerdem hatte ich etwas Angst vor ihm. Neill und Alex hatten wohl doch nicht so ganz Unrecht, was ihn betraf.
Ruckartig drehte er sich um und sah mich an.
„Hör bitte auf, dich zu entschuldigen. Es ist nicht deine Schuld, Rosalie.“, sagte er schon mit etwas sanfterer Stimme.
Ich musste ihn auch ansehen. Er war einfach zu schön für diese Welt.
Eine Zeit lang standen wir uns einfach nur gegenüber. Er sah mich an und ich sah ihn an.
Ich konnte meine Gefühle in diesem Moment nicht beschreiben, denn sie waren unbeschreiblich. So etwas, wie jetzt hatte ich noch nie gefühlt. Noch nicht mal, als ich endlich mit meinem Middle School Schwarm zusammen gekommen bin, wenn auch nur für drei Tage, danach hatte er erkannt, wie arrogant ich doch war.
Langsam, sehr langsam, hob er eine Hand, ich sah ihn zittern. Offensichtlich war er nicht weniger gefühlsverwirrt wie ich gerade.
Er machte einen Schritt auf mich zu. Die Nähe war elektrisierend, es war wie ein starkes Magnetfeld.
Extrem vorsichtig, als könnte ich zerbrechen, wenn man mich berührte, legte er eine Hand an meine Wange.
Seine Haut war sehr kalt, und ich zuckte kurz zusammen, jedoch wich ich nicht zurück. Denn das war weder möglich, noch wollte ich es. Er hatte mich in seinem Bann.
Mit seinem Daumen strich er über meine Wange. Die Berührung allein, bereitete mir Herzprobleme. Was machte er mit mir? Das war unbeschreiblich.
Ich sah ihm weiterhin in die Augen und nun senkte sich sein Kopf langsam zu mir hinunter. Ich machte mich bereit, bereit für das Unerwartete. Doch dann wurde ich leicht enttäuscht, denn er legte nur seine Stirn auf meine und sah mich weiterhin an.
Ein Hauch von Schmerz lag in seinen gold-braunen Augen, ich fragte mich warum. Gab es jetzt gerade irgendetwas, was ihm Schmerzen bereitete, war ich es?
Ich wollte fragen, aber ich war zu gefesselt, von seinem Blick.
Plötzlich nahm ich eine sehr hohe, helle Stimme hinter ihm wahr. Sofort ließ er mich los.
„Na, was macht ihr hier?“, fragte die kleine, dunkelhaarige Alice.
Ihr Gesichtsausdruck wechselte sich in Sekunden, sodass ich keine Chance hatte, ihren Blick zu deuten. Nun lächelte sie aber wieder.
„Emmett, wir müssen doch heute früher weg.“, sagte Alice extrem freundlich.
Nein, warum denn das?
„Wo musst du hin?“, fragte ich leise, denn Alice' Gegenwart schüchterte mich sehr ein.
„Ähm – unsere Tante … hat Geburtstag … Glaube ich … oder war es Oma?“, lächelte er und sah hilfesuchend zu Alice. Wie süß er war, wenn er nicht genau wusste, wer denn heute Geburtstag hatte.
„Ja, Oma war's.“, grinste Alice und dreht sich um, um los zu gehen.
Wie schade, jetzt musste er weg. Und ich? Sollte ich jetzt noch zu Französisch gehen? Na wundervoll.
„Bis morgen.“, flüsterte ich, obwohl es eigentlich eine Frage werden sollte.
„Bis morgen.“, bestätigte er.
Und dann war er weg. Ich sah ihm hinterher, obwohl er schon lange nicht mehr da war.
Ich hatte nicht einmal gemerkt, dass es schon geklingelt hatte, so verrückt hatte er mich gemacht.
Plötzlich nahm ich eine vertraute Stimme hinter mir wahr.
„Rose?“, fragte Jazz besorgt.
Ich drehte mich zu ihm.
„Rose, du glühst ja.“, stellte er fest und klang dabei noch besorgter.
„Ja, es ist nur – ich … mir ...“, ich wusste nicht Recht, was ich sagen sollte, deshalb schwieg ich lieber.
„Wo ist er?“, fragte Jazz.
„Wer?“, fragte ich und tat so, als wüsste ich nicht genau, wen er meinte.
„Dieser Emmett Cullen.“, sagte Jazz trocken, doch ein Hauch von Konkurrenz war in seiner Stimme wahrzunehmen.
„Er musste nach Hause. Seine Oma hat Geburtstag.“, erklärte ich ihm.
„Komisch. Seine anderen Geschwister, bis auf die Kleine, sind noch hier.“, bemerkte Jazz.
„Dummerchen.“, kicherte ich, „Emmett und Alice sind in Echt Zwillinge. Das ist doch nur logisch, dass die beiden ihre Oma besuchen gehen.“
Er verdrehte die Augen, aber dennoch machte sich ein Lächeln auf seinem Gesicht breit.
„Noch eine Stunde, dann haben wir es geschafft.“
„Jaah. Endlich.“, sagte ich. Ich konnte es gar nicht erwarten nach Hause zu kommen und Mom alles zu erzählen. Oder vielleicht sollte ich es ihr doch nicht erzählen? Ich meine, am Telefon hört sich doch alles etwas anders an.
„Was hast du als nächstes?“, fragte Jazz.
„Hm, Chemie. Und du?“
„Politik. Na dann sehen wir uns nach der Stunde an meinem Auto.“, grinste er.
„Ja ja.“, sagte ich und verdrehte leicht die Augen.
Der Weg zum Chemieraum stellte sich als Problem dar. Ich fand ihn nicht.
Und Jeanny hatte anscheinend auch kein Chemie, denn sonst hätte sie mir schon längst aufgelauert.
Ich nahm einen Luftzug neben mir war und drehte mich ruckartig um. Neben mir stand Emmetts „Bruder“ Edward. Ich sah zu ihm hoch. Er war nicht so groß, wie Emmett, aber nicht weniger anziehend. Die Cullens waren schon eigenartig.
„Kann ich dir helfen?“, fragte er mich. Auch seine Stimme klang männlich und klangvoll, doch Emmetts Stimme klang schöner für mich.
„Ich habe Chemie und ich finde den Raum nicht.“, sagte ich leise und ein wenig betreten.
„Kein Problem. Ich hab auch Chemie. Wir können zusammen hingehen.“, sagte er freundlich und sah mich an. Er starrte nicht, so wie Emmett es vorher getan hatte, das war auf eine Weise angenehm.
Schweigend gingen wir nebeneinander her. Doch ich wusste, dass er Interesse an meiner Person hatte, aber fragen tat er nichts.
Immer wieder warf er mir verstohlene Blicke zu. Was sollte das bedeuten?
Offensichtlich dachte er nach. Er war sehr nachdenklich und praktisch in seinen Gedanken versunken.
Wir kamen an ein Gebäude, mit der Aufschrift Chemie. Hätte ich mir ja auch denken können, gab ich zu.
„Rosalie.“, sagte er ruhig.
„Ja?“, fragte ich und drehte mich zu ihm.
Er sah mich an, wie Emmett mich zuvor angesehen hatte.
Dann hob auch er eine Hand. Aber er zitterte nicht. Ich konnte nur hoffen, dass er nicht dasselbe vorhatte, wie Emmett eben, denn Edward war doch mit seiner Bella zusammen.
Vorsichtig berührte auch er meine Wange und sah mich an. Es war ein durchdringender Blick.
Dann ließ er seinen Kopf langsam zu mir sinken. Ich sah ihn kritisch an.
Doch anders als Emmett, macht er nicht an meiner Stirn halt. Er ging tiefer, bis er seine Lippen auf meine drückte. Ich tat nichts. Wehren konnte ich mich nicht, doch erwidern auch nicht, denn ich spürte rein gar nichts.
Er merkte es und ließ sofort von mir ab. Meine Augen füllten sich mit Tränen.
„Wie kannst du nur?!“, fragte ich wütend und verzweifelt zugleich.
„Es tut mir leid. Ich dachte nur … ach egal.“, sagte er schnell.
„Denken ist wohl nicht dein Fachgebiet!“, schrie ich ihn an.
„Da könntest du Recht haben.“, sagte Edward ruhig. Wie konnte er jetzt noch ruhig bleiben? Das machte mich noch wütender.
„Ich weiß, dass ich Recht habe. Und trotzdem will ich jetzt wissen, weshalb du das getan hast?“
„Ich musste es ausprobieren. Ich musste einfach wissen, ob du die gleiche Wirkung auf mich hast, wie du sie auf Emmett hast. Aber die hast du nicht. Ich habe nichts gespürt. Ren gar nicht.“, erklärte er mir weiterhin ruhig.
„Gut, dann geht’s dir wie mir. Herzlichen Glückwunsch!“, fauchte ich.
„Können wir das nicht einfach vergessen?“, fragte er.
„Ich werde es versuchen, solange du mir nicht wieder zu Nahe kommst, werde ich niemandem etwas davon erzählen. Heute muss den Glückstag sein!“ Mein Sarkasmus durfte eigentlich nicht zu überhören sein.
„Da wirst du ein Problem haben, denn du sitzt neben mir in Chemie.“
Na toll, der Tag wurde ja immer besser.
„Sprech' mich einfach nicht an, dann werden wir kein weiteres Problem haben.“
„Ich werde mich zurückhalten.“, sagte er und ging weiter, nun in das Gebäude.
Ich folgte ihm, mit einigem Sicherheitsabstand.
Als ich die Klasse betrat, setzte ich mich direkt an den Tisch, an dem auch Edward saß. Bella und Roger waren schon hier, aber ich hatte sie nicht an uns vorbei gehen sehen.
Edward stand noch einmal auf, um zu Bella zu gehen. War mir Recht, mir war alles lieber, als seine Anwesenheit. Wenn er Bella jetzt beichtete, was er getan hatte, dann war er wahnsinnig.
Nach ein paar Sekunden setzte er sich wieder zu mir.
„Sie weiß Bescheid.“, sagte er kurz und deutete auf Bella.
„Sag mal: Bist du wahnsinnig?“, fragte ich und wurde etwas lauter, als ich es eigentlich wollte.
„Irgendwann wird Emmett es dir erklären.“, sagte er nur.
„Du bist so … unausstehlich!“, fauchte ich.
„Dasselbe könnte ich von dir sagen.“ Anscheinend war er überhaupt nicht beeindruckt.
Na toll.
Den Rest der Chemiestunde saßen wir schweigend nebeneinander. Ich an der einen Tischkante, er an der anderen.
Das störte mich keineswegs und ich war froh, dass heute kein Experiment an stand.
Direkt beim Klingeln nahm ich meine Sachen einfach mit, ohne mir die Mühe zu machen, sie in meine Tasche zu stopfen.
Ich musste raus. Am besten, so schnell wie möglich und ohne auch nur ein weiteres Wort an Edward zu verlieren.
Ich war gerade draußen, da nahm ich schon wieder einen Luftzug war.
„Was willst du?“, fragte ich finster. Doch es antwortete nicht die Stimme, die ich erwartet hätte. Diese Stimme war mir unbekannt.
„Hallo Rosalie.“, sagte Roger, der andere Bruder von Emmett.
„Hallo.“, sagte ich trocken. So langsam hatte ich genug von den Cullens.
„Wie geht’s?“, fragte er. Seine Stimme war nicht so angenehm, wie die von Emmett oder Edward. Rogers Stimme hatte etwas Raues.
Wütend blieb ich stehen und schloss die Augen, um meine Wut zu dämpfen.
„Küss mich doch einfach. Ich weiß gar nicht, was dieses dämliche Gelaber drumherum soll.“
„Das hatte ich nie vor. Ich wollte mich für das Verhalten meiner Brüder entschuldigen.“
„Emmett hat nie … irgendetwas … getan.“, brachte ich nur stoß weise heraus.
„Aber Edward.“, sagte er ruhig.
„Ach und Edward zählt neuerdings für zwei Personen?“, fragte ich gereizt.
„Nein, aber ich dachte ...“ Ich unterbrach ihn.
„Denken liegt wohl nicht so in eurer Familie!“
„Schon gut. Ich gehe schon.“, meinte Roger und verschwand.
Ich verdrehte die Augen und ging weiter. Zum Parkplatz.
Am Parkplatz angekommen sah ich Jazz schon am Auto warten.
Ich stampfte einfach weiter, ohne auf die äußerst nervigen Blicke der eifersüchtigen Mädchen zu achten.
Ohne Jazz zu beachten stieg ich ins Auto und knallte die Tür zu.
Jazz stieg auch ein.
„Welche Chemikalien waren es dieses Mal?“, fragte er scherzhaft.
„Cullen.“, sagte ich wütend.
„Welcher diesmal?“
„Edward.“
„Was hat er getan?“, fragte Jazz und sah mich besorgt an.
„Nichts, außer, dass er mich einfach küsst und mir danach noch blöde Sprüche an den Kopf wirft.“
Ihm klappte der Mund auf.
„Die Cullens sind … unausstehlich.“
„Genau das habe ich Edward auch gesagt.“
„Was? Das seine Familie unausstehlich ist?“
„Nein, das er unausstehlich ist.“
„Dann ist ja gut.“
„Wieso denn das?“
„Na ja, weil seine Schwester schon ganz nett ist.“
Ich musste grinsen. Wie süß, mein kleiner Jazz war verliebt. Zum allerersten Mal.
„Welche Schwester?“, fragte ich ihn.
„Die Kleine, Alice heißt sie.“, sagte er und lief rot an.
Er startete den Motor und fuhr mit einem eleganten Schlenker aus der Parklücke.
„Jazz … du bist verliebt, nicht?“
„Ich weiß es nicht. Wie fühlt sich denn das an?“
„Na ja. Du willst am liebsten den ganzen Tag bei ihr bleiben, du hast ein Kribbeln im Bauch, wenn du in ihrer Nähe bist …“
Er nickte immer. Ich lächelte.
„Oh, wow, ist das süß, wenn du verliebt bist. Aber irgendwie habe ich Mitleid mit dir. Alice ist ja vergeben.“
Er seufzte.
„Ich weiß, aber irgendwie werde ich diesen Roger schon los.“
„Das wirst du. Da vertrau ich ganz auf deinen Verstand.“, sagte ich lächelnd.
Wie immer hatte Jasper meine Aggressionen gelöst und ich konnte wieder lächeln.
Den ganzen Weg über lästerten wir über Roger.
Zu Hause angekommen (Charlie war noch nicht zu Hause), warf ich meine Tasche in eine Ecke und ging direkt in die Küche.
Die Küche sah bunt zusammengewürfelt aus. Also nicht schön.
Hier fehlt der Hauch eines Designs.
Ich öffnete den kleinen Kühlschrank und suchte nach etwas Essbarem.
Außer Fisch und Steaks fand ich jedoch nichts. Wie konnte man sich nur so ernähren?
„Jazz.“, jammerte ich. Es hatte die gewünschte Wirkung, nämlich, dass er sofort neben mir stand und mich fragte, was denn los sei.
„Hier gibt es nur Fleisch und Fisch, kein bisschen Salat oder Reis.“
„Ich verstehe schon. Bin gleich wieder da.“, grinste er und stürmte raus. Ich hörte, wie er den leisen Motor seines Mercedes an ließ und davon fuhr.
Ich machte mich an die Hausaufgaben in der Zeit seiner Abwesenheit, doch ich konnte mich nicht konzentrieren. Meine Gedanken schweiften zu Emmett. Ich dachte an die Berührungen, an die Blicke, an seine Worte.
Plötzlich wurde ich aus meinen Gedanken gerissen, denn es klingelte an der Tür.
Kapitel 7
Schmerz
Ich stand leicht genervt auf.
Aber wahrscheinlich würde es eh Jazz sein, der mal wieder so viel eingekauft hatte, dass er die Tür nicht mehr auf bekam.
Ich musste grinsen, als ich an das letzte Mal dachte, als man uns alleine gelassen hatte. Ohne Essen.
Als ich in den Flur kam, sah ich einen riesigen Schatten vor der Tür.
Entweder war das nicht Jazz oder er hatte es diesmal sehr übertrieben mit den Einkäufen. Ich legte eine Hand auf die Klinke. Doch was war, wenn es irgendein Krimineller war? Selbstverteidigung hatte ich nie gelernt, aus Angst mir dabei einen Fingernagel abzubrechen. Hm, Charlies Ersatzpistole musste irgendwo in der Küche liegen. Gute Idee eigentlich.
Ich lief schnell zurück und durchsuchte alle Schubladen, bis ich sie schließlich unter dem Besteckkasten fand.
Ich hielt sie hinter meinem Rücken, den Finger auf dem Auslöser.
Mir fiel nicht einmal auf, dass ich gar nicht wusste, wie ich damit umgehe.
Ich ging zur Tür zurück und öffnete sie schnell und wich auch sofort einen Schritt zurück.
Wen ich da stehen sah, überraschte mich so sehr, dass ich die Waffe fallen ließ.
„Mit wem hast du denn gerechnet?“, fragte Emmett erstaunt. Ich brachte zuerst kein Wort heraus, denn ich war so überrascht.
„Nicht mit dir, das ist sicher.“, sagte ich, als ich meine Stimme wiederfand.
„Aber wäre es dein Bruder gewesen, dann hätte ich auch abgedrückt.“
Er bückte sich und hob die Pistole auf. Dann öffnete er sie und fing an zu lachen.
„Wieso lachst du?“, fragte ich und spürte ein klitzekleines bisschen Wut in mir hoch kochen.
„Die ist nicht geladen, damit hättest du niemanden außer Gefecht setzen können.“, lachte er.
Doch dann wurde er ernst. Ernsthaftigkeit stand ihm etwa genauso gut wie Humor.
„Ich hab schon gehört, was er getan hat. Ich wollte mich für sein Verhalten entschuldigen.“, sagte er und sah mir direkt in die Augen. Seine Augen waren heller, als sie auf dem Schulkorridor waren. Sie waren nun hellgolden.
„Nicht du auch noch.“, sagte ich genervt, verdrehte die Augen und ging in die Küche.
Er folgte mir und sah mich weiterhin an.
„Wieso ich auch noch?“
„Na ja, dein anderer Bruder, dieser Roger, oder wie auch immer, wollte auch schon Edwards Verhalten entschuldigen und deines auch.“, erklärte ich ihm, während ich mich in der Küche nach Gläsern umsah.
„Aber ich habe ihm nicht weiter zugehört. Edward ist ein Idiot und an deinem Verhalten war nichts falsch, sagte ich ihm. Dann ist er weg.“
„Das sieht ihm ähnlich. So ein … Mistkerl. Entschuldige das Wort.“, lächelte Emmett.
„Kein Problem, ich bin noch weitaus schlimmere Wörter gewöhnt.“ Ich grinste.
Sein Lächeln verschwand wieder.
„Weshalb ich eigentlich hier bin ist, dass ich dir etwas sagen muss.“
Kam jetzt ein Liebesgeständnis? Oh, mein Gott, war ich aufgeregt.
Er stand extra auf, nur um meine Hände zwischen seinen zu halten.
Der Größenunterschied wirkte beinahe grotesk.
„Rosalie.“ Der Anfang war ja schon mal gut.
„Ich darf dich nicht mehr sehen, es tut mir so leid, aber ich darf es nicht. Und ich werde kein weiteres Wort mehr mit dir wechseln, um dich nicht zu belasten. Es tut mir leid, aber ich darf es nicht mehr.“
Schock! Ich blinzelte verwirrt. Wie konnte das sein, wie meinte er das er darf es nicht?
Das konnte er mir nicht antun, nicht nach heute.
„Aber was soll das auf einmal? Und vor allem warum? Und wer verbietet es dir?“, fragte ich drauf los. Auf einmal gingen mir Millionen von Fragen durch den Kopf.
„Rosalie, frage nicht. Bitte.“, sagte er und diesmal befand sich nur Schmerz in seiner Stimme. Sein Schmerz bereitete mir Tränen, die langsam und heiß meine Wangen hinunter kullerten.
„Emmett, warum? Ist es Edward, der es dir verbietet? Oder Alice?“ Ich war so verzweifelt.
„Rosalie, ich muss jetzt gehen.“, sagte er schmerzerfüllt und stand wehleidig auf. Ich wusste, dass er gerne hier, bei mir, bleiben würde. Ich wusste, dass es ihm genauso weh tat, wie mir. Wo blieb die Gerechtigkeit, wenn man sie brauchte? Wieso musste er leiden? Unter mir!
Die Tränen kullerten nun schneller und ich war mir bewusst, dass sich meine Schminke verabschiedet hatte.
Nur zu gerne hätte ich mich jetzt an sein Bein geklammert und ihn angefleht zu bleiben, aber das kam mir etwas zu albern vor.
Er beschleunigte seine Schritte, als er mein Schluchzen wahrnahm. Gut, dass konnte ich auch, also folgte ich ihm.
Hastig stieg er in seinen Jeep und ließ blitzschnell den Motor an.
Ich sah hinüber zu meinem Cabrio. In diesem Moment war es mir völlig egal, dass ich keinen Führerschein hatte. Emmett war mir wichtiger.
So schnell ich konnte setzte ich mich umständlich in meinen Wagen und ließ den Motor ebenfalls an.
Emmett war schneller als ich, denn er war schon an der ersten Kreuzung angelangt, doch nun stand er vor einer roten Ampel. Ich holte ihn schnell ein, denn mein BMW war nicht gerade langsam.
Ich sah seine Augen im Rückspiegel aufblitzen und schon raste er los. Über die rote Ampel. Ich konnte nicht anders, als hinterher zu fahren.
Er fuhr immer schneller, ich würde ihn aus den Augen verlieren.
Aber gut, wenn er noch weitere Regeln brechen wollte, würde ich es auch tun, denn mir machte es rein gar nichts aus, Regeln zu brechen.
Ich beschleunigte weiter. Inzwischen fuhr ich 210 km/h. Wie viel fuhr er dann, denn er war immer noch schneller als ich.
Ich folgte ihm weiter, bis er schließlich in einen Waldweg einbog. Entweder wollte er mich verwirren, oder er wohnte irgendwo abgelegen.
Ich wartete an der Biegung. Ab hier könnte ich seinen Reifenspuren, die sich in den feuchten Waldboden gegraben hatten, folgen.
Nach gut zehn Minuten fuhr ich langsam seinen Reifenspuren nach. Sie waren ziemlich deutlich zu erkennen und sie führten ziemlich tief in den Wald.
Meist neben einem Fluss her. Es sah wunderschön und gruselig zugleich aus.
Dann endlich sah ich ein Haus. Ein riesiges Haus. Es war … noch größer, als unsere Villa in Vancouver oder unser zweiter Wohnsitz in New Hampshire.
Das Haus bestand hauptsächlich aus Glas. Wie schön es war.
Was hatte Jeanny gesagt? Die Cullens waren die reichsten hier. Dann war das bestimmt ihr Haus.
Aber andererseits sah ich Emmetts Jeep hier nirgendwo stehen. Egal, das musste das Haus der Cullens sein.
Ich parkte direkt vor der Haustür, zog den Zündschlüssel heraus und steig schnell aus. Die Autotür ließ ich einfach offen stehen. Ich stellte mich vor die Tür und klingelte. Ich klingelte Sturm, es war das beste, das ich machen konnte.
Jemand öffnete die Tür. Er war hellblond und ziemlich jung. Noch ein Bruder? Oder der Doktor? Neill hatte ja gesagt, er sei sehr jung.
Ich wollte an ihm vorbei stürmen, doch er hielt mich mit einem Arm zurück.
Ich drückte mich gegen seinen Arm. Fest von der Überzeugung, ihn weg drücken zu können, doch sein Arm bat mir so viel Widerstand, wie ein Stahlkäfig.
„Ich muss zu ihm!“, schrie ich verzweifelt.
„Ms Hale, bitte.“, versuchte er mich zu besänftigen. Durch seine Anrede, dachte ich mir, dass er wahrscheinlich der Doktor war. Mich besänftigen. Ha! Als wäre das möglich.
„Nein, lassen Sie mich durch!“, schrie ich weiterhin. Und drückte weiter gegen seinen Arm, während mir die Tränen weiter über mein Gesicht liefen.
„Ms Hale, das kann ich nicht. Nicht in Ihrem Zustand!“, erklärte er mir ruhig.
Anscheinend hatte mein Geschrei einen sehr hohen Geräuschpegel, denn plötzlich stand eine Frau mit rot-braunem Haar hinter Dr. Cullen, wahrscheinlich war sie seine Frau, denn sie wirkte zwar auch jung, aber dennoch etwas älter als der Doktor.
„Nein, nein, nein! Bitte!“, schrie ich weiter.
„Ms Hale, wenn Sie sich nicht von alleine beruhigen, dann werde ich Ihnen ein Beruhigungsmittel verabreichen.“, sagte er sanft, aber bestimmt.
„Carlisle.“, sagte die Frau. Ihr Gesichtsausdruck war seltsam leidend. Litt sie mit mir, oder mit Emmett?
„Lassen Sie mich zu ihm!“ Ich schrie immer noch.
„Esme, hol bitte das MX2 Beruhigungsmittel aus meinem Arbeitszimmer.“, sagte er und hielt mich ohne Mühe weiterhin zurück.
Ich sah durch meine Tränen, wie die Frau hoch lief und nach ein paar Sekunden schon wieder auf dem Rückweg war. Waren es Sekunden? Wahrscheinlich war meine Wahrnehmung einfach nur geschwunden.
„Lassen. Sie. Mich. Zu. Ihm! Sonst wird das hier böse enden! Für Sie!“, fauchte ich.
„Esme, zieh mit der Spritze zwölf Milliliter heraus und reich mir dann die Spritze.“
Er streckte seinen anderen Arm ein wenig nach hinten, achtete dabei jedoch nur auf mich. Ich hing total in meinem Wutausbruch fest und weiter kullerten mir die Tränen über die Wangen. Tränen der Verzweiflung, aber auch Tränen des Schmerzes. Ich kannte ihn gerade mal einen halben Tag und sollte ihn schon verlieren? Unmöglich.
Die Frau reichte ihm die Spritze. Ich spürte nicht einmal, wie er sie in meinen Arm stach, so stark war der Schmerz über ihn.
Ich spürte, wie ich langsam ruhig wurde. Ich war stark benebelt …
So stark, dass meine Knie sich langsam selbstständig machten.
Dr. Cullen hob mich hoch und trug mich zum Sofa. Ein weißes, großes Sofa. Es sah edel aus. Soweit ich mich noch auf meine Auge verlassen konnte.
„Sch...“, machte er, weil ich anscheinend wimmerte.
„Esme, bring mir etwas Wasser.“, sagte er hinterher.
Ich wimmerte weiter.
Nun kam auch Edward die Treppe hinunter und sah geschockt zu mir.
„Was macht sie hier?“, fragte er.
Esme kam zurück und Carlisle sagte einfach gar nichts.
Er stütze leicht meinen Kopf. Seine Haut war genauso kalt, wie Emmetts und Edwards. Er hielt mir das Glas an die Lippen.
„Hier, trinken Sie.“, sagte er ernst.
Ich nippte leicht an den Wasser, aber er hatte Recht, es tat wirklich gut.
Ich spürte, wie immer noch Tränen liefen.
„Lassen Sie mich bitte zu ihm, Dr. Cullen. Ich muss mit ihm reden.“, sagte ich schwach.
„Du wirst nicht zu ihm gehen.“, sagte Edward mit einer durchdringenden Stimme.
„Und warum nicht?“
„Du tust ihm nicht gut. Du …“
Doch Dr. Cullen unterbrach ihn.
„Edward, gehst du bitte. Und schick Emmett hierher.“
Ich wimmerte immer noch, wenn auch unbewusst. Ich war sehr ruhig. Zu ruhig für mein Wesen, denn ich spürte, dass die Wut und der Schmerz wieder hoch wollten.
Aber das Beruhigungsmittel verhinderte das.
Esme hatte sich an das Ende des Sofas gehockt und strich über mein Haar.
Sie hatte etwas mütterliches. Das beruhigte mich fast so sehr, wie Jazz. Jazz … Warum konnte er nicht hier sein?
Ich hörte jemanden auf der Treppe und drehte meinen Kopf in die Richtung, doch Dr. Cullen versperrte mir die Sicht.
Kapitel 8
Erlösung
„Carlisle, was – was hat das zu bedeuten?“, fragte eine, mir sehr vertraute Stimme.
„Rede, Emmett. Rede mit ihr. Eher wird sie sich nicht vollständig beruhigen. Aber bleib wo du bist. Sie soll dich nicht sehen.“
Inzwischen fiel es mir schwer, meine Augen offen zu halten und da ich Emmett eh nicht ansehen durfte, schloss ich sie einfach.
„Wie kommt sie hierher, Carlisle?“, fragte Emmett und der Schmerz, aber auch die Verwirrung spielten in seiner Stimme eine große Rolle.
„Ich bin dir … gefolgt.“, sagte ich leise, aber offensichtlich konnte er es hören, denn er stöhnte.
„Hätte ich mir ja denken können.“, sagte er.
Für ein paar Minuten (falls es Minuten waren) herrschte absolute Stille, bis auf mein klägliches Wimmern.
Dr. Cullen fühlte weiter meinen Puls, während seine Frau mir beruhigend den Kopf tätschelte.
„Rede weiter, Emmett.“, sagte Dr. Cullen.
„Wieso hast du das getan? Ich habe dir doch gesagt, du sollst nicht fragen.“, sagte Emmett schmerzerfüllt.
„Das hast du gesagt, aber du hast nie gesagt, dass ich dir nicht folgen darf.“
„Rosalie ...“, stöhnte er.
„Esme, hol noch etwas Wasser, bitte.“, sagte Dr. Cullen leise.
Sie stand sofort auf und nahm das Glas mit. Dieses Mal blieb sie etwas länger in der Küche.
„Rosalie, es ist besser für mich und für dich, wenn du mich ignorieren würdest.“, sagte Emmett leise, aber laut genug, dass ich es hören konnte.
Dr. Cullen hielt inne, drehte langsam den Kopf in Emmetts Richtung und sah ihn an. Wie er ihn ansah, würde ich nie erfahren.
„Emmett, geh bitte in mein Arbeitszimmer und sag Edward und Alice, sie sollen auch gleich mitkommen.“, sagte er immer noch ruhig, obwohl er vermutlich nun nicht mehr so ruhig war.
Er wartete noch, bis Esme wieder da war und stand dann aus seiner Halbhocke auf. Esme nahm sofort seinen Platz ein und reichte mir das zweite Glas Wasser.
„Ist da irgendwas drin?“, fragte ich schwach.
„Ja, Liebes. Ich habe etwas Zitrone hinein getröpfelt, um den Geschmack zu verbessern.“, sagte sie und lächelte mütterlich.
„Ach so.“, sagte ich und nahm einen Schluck. Es schmeckte leicht säuerlich, aber auch nicht zu säuerlich.
„Mrs Cullen, können Sie mir sagen, weshalb Emmett mich nicht mehr sehen darf?“, fragte ich noch.
„Nein, Liebes. Aber nenn' mich ruhig Esme.“ Sie machte eine kurze Pause.
„Ich war selbst erstaunt, als er das gerade sagte. Carlisle und ich, wir würden ihm nie etwas verbieten, was ihm gut tut. Und du … du tust ihm gut. Du musst wissen, er ist seit drei Jahren der einzige Alleinstehende unter uns. Ich habe ihn seitdem nicht mehr lächeln gesehen. Bevor Roger und Bella in unsere Familie getreten sind, war er immer der, der nie aufhören konnte Witze zu reißen. Ich hatte so viel Angst, dass er nie wieder derselbe wird, wie er es einst war.“ Sie seufzte.
„Aber seit gestern hat er wieder gelächelt, und als er heute Mittag nach Hause gekommen ist, war sein Grinsen wieder da. Ich habe mich so für ihn gefreut. So sehr.“
Das zu hören machte es für mich noch schwerer meinen Hass Edward gegenüber zu unterdrücken.
„Und wem hat er das jetzt zu verdanken?“, fragte ich.
„Meinst du den „Ratschlag“ dich nicht mehr sehen zu sollen? Das weiß ich nicht, aber Carlisle kümmert sich darum.“
Ich hörte jemanden sehr laut reden, beinahe brüllen.
„EDWARD CULLEN! ICH WILL DEN GRUND WISSEN!“, brüllte jemand, vermutlich der Doktor.
„Scheint unschön zu werden.“, stellte ich fest.
„Es ist ganz selten, dass Carlisle so ausrastet. Das letzte Mal hat er so reagiert, als Emmett die halbe Basketballmannschaft verletzt hat, weil er unbedingt bei denen in seiner Altersklasse mitspielen wollte.“, kicherte Esme.
„Oh.“, sagte ich, „Hört sich nicht gut an.“
„Das war es auch nicht.“, sagte sie lächelnd.
Dann kam Dr. Cullen wieder herunter und ich sah ihn fragend an.
„Ms Hale, Emmett wird Sie hoch holen.“, sagte Dr. Cullen und in seiner Stimme spielte immer noch ein bisschen Wut mit.
„Nennen Sie mich Rosalie, Dr. Cullen.“, sagte ich und lächelte, zumindest versuchte ich es.
„Carlisle.“, sagte er freundlich und reichte mir die Hand. „Willkommen in unserem Haus.“
Esme stand auf und stellte sich neben ihn. Carlisle legte einen Arm um sie. Wie glücklich sie zusammen aussahen. Ich seufzte.
Jemand trat wieder die Treppe hinunter. War es Emmett? Ich hoffte es so sehr.
„Carlisle, bist du … sicher?“, fragte Emmett unsicher.
Carlisle nickte und verdrehte die Augen.
Emmett ging um die beiden herum und kniete sich vor das Sofa. Er sah mich an.
„Es tut mir leid. Ich wollte das nicht.“, sagte er und sein Gesicht war immer noch schmerzverzerrt.
„Schon gut, solange du niemals wieder so einen Quatsch sagst.“, sagte ich schwach und versuchte wieder einmal zu lächeln.
Ein schiefes Grinsen trat auf sein Gesicht, als er meine Grimasse sah.
Ganz langsam hob er wieder eine Hand (er zitterte wieder) und legte sie an meine Wange. Genauso vorsichtig wie in der Schule. Ich zuckte nicht unter der erneuten Kälte zusammen, wahrscheinlich war mein Wahrnehmungsvermögen durch das starke Beruhigungsmittel immer noch beeinträchtigt.
Eine Weile verweilten wir wieder so, dann unterbrach Carlisle den Moment mit einem Räuspern.
„Emmett, nehme sie doch mit nach oben, da könnt ihr ungestört reden.“
„Ja, danke Carlisle.“, sagte Emmett und nahm die Hand von meiner Wange.
An der Stelle brannte meine Haut, nachdem er die Hand weggenommen hatte.
Vorsichtig schob er seine Arme unter meinen Körper und hob mich sachte hoch. Anscheinend war ich für ihn federleicht. Schwer war ich eh nicht, aber so leicht?
Er trug mich durch das Wohnzimmer, während Esme und Carlisle uns hinterher sahen.
Ich bemerkte gar nicht, dass er die Treppe hoch ging, so sanft und gleich waren seine Schritte.
Ich sah ihn an, während er lief. Sein Gesicht war so wunderschön.
Meine Schönheit gegen seine Schönheit … Gleichstand.
Er lächelte nicht, aber das war auch nicht nötig, denn selbst so ernst war er wunderschön.
Der Weg kam mir unendlich lange vor, bis ich auf etwas Weiches gelegt wurde. Vielleicht war es ein Bett. Sein Bett. Oder ein Sofa.
Das Weiche stellte sich dann als Bett heraus und vermutlich auch seines, denn das Zimmer war mit Sportgeräten dekoriert.
Er setzte sich auf die Bettkante und sah mich an.
„Schön hast du es hier.“, bemerkte ich, weil ich nicht wusste, was ich jetzt sagen sollte.
„Danke.“, sagte Emmett und ein leichtes Lächeln bildete sich auf seinem Gesicht.
„Ich würde dich gerne einmal grinsen sehen.“, sagte ich noch leiser, als ich sowieso schon sprach.
„Warum denn das?“
„Esme sagte, dass sie dein Grinsen vermisst. Und wenn sie es vermisst, dann muss es ja wirklich sehr schön gewesen sein.“, nuschelte ich und spürte, wie ich rot anlief.
„Hm … Ich weiß nicht, ob ich das jetzt einfach so kann. Es ist zu viel Negatives heute passiert.“ Schade.
„Aber auch Positives, oder? Für mich war die Biologiestunde und die halbe Französischstunde jedenfalls sehr positiv.“
Nun lächelte er.
„Bei dir kann man einfach nicht ernst bleiben.“
„Hm … Wenn ich nicht sauer bin, dann hast du vermutlich Recht.“, gab ich zu.
„Ich würde dich gerne einmal sauer erleben.“, lächelte er.
„Dann provozier' mich!“, sagte ich frech.
„Als wenn ich das könnte.“ Er verdrehte die Augen.
„Probiere es.“, sagte ich.
„Na gut.“, sagte er und stand auf.
Er ging zur Tür, öffnete sie wieder und rief nach Edward.
„Hey, das ist unfair.“
Edward kam.
„Was?“, fragte er genervt.
„Würdest du sie nochmal küssen? Ich will sehen, wie sie ausrastet.“, kicherte Emmett.
„Was?!“, sagten Edward und ich gleichzeitig.
„Nur so 'ne Idee.“, sagte Emmett schulternzuckend.
„Sehr witzig, Emmett.“, fauchte Edward und verließ zügig den Raum.
Emmett grinste. Er grinste? Er grinste!
„Emmett, du … grinst ja.“, sagte ich lächelnd.
„Und du lächelst.“, sagte er grinsend.
„Ja … Ich weiß auch nicht warum. Aber dein Grinsen ist so wundervoll.“
„Dein Lächeln ist auch wundervoll.“, sagte Emmett und setzte sich wieder auf die Bettkante.
„Aber was sollte das mit Edward?“, fragte ich ihn.
„Ich dachte mir, er könnte dich wütend machen.“
„Und damit hättest du Recht gehabt …“, sagte ich ein wenig beleidigt.
„Tut mir Leid, Rosalie.“, sagte er sanft.
Ich versuchte mich aufzusetzen, denn ich war das Liegen satt.
„Bleib liegen, Rosalie.“, sagte er und drückte mich sanft wieder nach unten.
„Warum, ich kann mich wieder hinsetzen, dass Mittel wirkt schon gar nicht mehr.“, meckerte ich.
„Du bist so süß, wenn du so mit jemandem sprichst.“
Ich verdrehte die Augen.
„Gibt es auch irgendetwas, bei dem ich nicht süß bin?“
„Hm … bis jetzt noch nicht.“, grinste er.
Ich seufzte.
„Und wieso durftest du mich jetzt nicht mehr sehen?“, fragte ich, neugierig, wie ich war.
Er legte eine Hand in seinen Nacken und sah leicht verlegen aus.
„Nun ja. Edward und Alice meinten, es sei das Beste für mich, weil ich anscheinend unerträglich war.“
„Aber Esme meinte, du wärst endlich wieder erträglich gewesen, seit gestern.“ Da fiel es mir auf.
„Wieso eigentlich seit gestern? Gestern kannten wir uns noch gar nicht.“
„Ähm – ich habe dich aber gestern schon hier in Forks gesehen und na ja, du bist so unbeschreiblich schön, da musste ich einfach wieder lächeln. Vor allem, nachdem ich erfahren habe, dass du Rosalie Hale bist. Das neue Mädchen an der High School.“
Er seufzte und ich meinte einen Hauch von Verliebtheit darin zu hören.
„Und zu Alice und Edward. Sie sind sehr speziell. Sie merken manche … Dinge sofort. Alice manchmal sogar, bevor … man selbst … sie … merkt.“
„Aber das ist doch kein Grund, um dir den Kontakt zu mir zu verbieten.“
„Doch. So wäre es sicherer gewesen.“
„Wie meinst du das?“
„Ich – Ähm …“, er zögerte, „So konnten beide sich sicher sein, dass ich so bleibe und keine allzu großen Veränderungen auftreten. Aber mit deiner Reaktion hatten beide nicht gerechnet.“
Er lachte leise.
„Wie hätte ich denn ihrer Meinung nach reagieren sollen? Mich in meinem Zimmer einschließen und nie wieder heraus kommen? Mir die Pulsadern aufreißen? Mich aus dem Fenster stürzen?“
Seine Miene wurde sofort wieder ernst.
„Rosalie, sowas darfst du niemals denken.“
Er nahm meine Hände in eine von seinen.
„Du darfst dir niemals etwas antun, nur wegen einem Mann. Das sind Männer nicht wert.“
„Schon gut. War ja nur ein Vorschlag.“, sagte ich entschuldigend.
Wieder legte er eine Hand an meine Wange. Ich hatte wieder dieses Gefühl, als würde meine Haut unter seinen Händen verbrennen.
„Aber bitte. Verspreche mir, dass du dir nie wegen mir oder wegen irgendjemand anderem, irgendetwas antust. Dann müsste ich auch sterben.“
„Hey, hör du aber jetzt auch auf, sowas zu sagen. Wir kennen uns kaum und du willst dich gleich umbringen.“
Er grinste wieder.
„Ich kenne dich besser, als du denkst. Du hast mir sehr viel von dir preisgegeben in Bio.“
In dem Moment trat Alice ins Zimmer.
„Rosalie, das Telefon klingelt. Es ist für dich.“, sagte sie und klang verträumt dabei.
„Ich höre -“, begann ich doch genau dann, fing das Telefon zu klingeln an.
„Alice, wer?“, fragte Emmett trocken.
„Jasper.“, sagte sie und ein Lächeln trat dabei auf ihr Gesicht.
„Woher weiß sie das?“, fragte ich Emmett leise.
„Er hat eben schon einmal angerufen.“, sagte Alice schnell und tanzte aus dem Raum.
„Ach so.“, sagte ich nur und sah ihr nach. Das Telefon klingelte immer noch, also sprang ich auf, wobei mir leicht schwindelig wurde.
„Geht es?“, fragte Emmett freundlich und hielt mir seinen Arm hin.
Ich schüttelte den Kopf. „Nein, geht schon.“
Wie gerne hätte ich seinen Arm genommen, aber irgendwas hielt mich zurück.
Ich ging schnell aus dem Raum, hinunter zum Telefon, das inzwischen nicht mehr klingelte. Esme hatte abgehoben.
Als sie mich sah, reichte sie mir den Hörer. Sie hielt die untere Seite zu und flüsterte: „Es ist Jasper.“
Ich nickte stumm und nahm den Hörer des schwarz-weißen schnurlosen Telefons entgegen.
„Rose? Rose, wieso bist du bei den Cullens?“, fragte Jazz, die Stimmer voller Sorge.
„Ich erkläre es dir später, Jazz. Aber ich musste hierher.“, versuchte ich ihn zu besänftigen.
„Rose, du hast Glück. Ich habe Charlie noch nicht verständigt, aber als ich die Waffe auf dem Küchentisch hab liegen sehen habe ich mir echt Sorgen gemacht.“
„Tut mir leid. Ich hab vergessen sie weg zu räumen. Ich hatte Panik, weil ich nicht wusste, ob du an der Tür warst, oder irgendjemand anderes.“
„Wer war bei dir?“
„Jazz, fast die ganze Familie steht hinter mir. Ich will sie nicht aufhalten.“
„Wobei aufhalten?“
Genau, wobei aufhalten … Ich redete vielleicht einen Müll.
„Gut, Emmett war bei mir.“
„Nicht der!“
„Sag ja nichts gegen ihn!“
Ich hörte bei meinem Satz ein leises Kichern hinter mir.
„Wieso nicht?“
„Jasper.“ Wenn ich ihn beim wahren Vornamen nannte, dann wurde es ernst. „Wir reden später!“, sagte ich gereizt und drückte aggressiv den roten Knopf.
„Alles in Ordnung, Liebes?“, fragte Esme und legte mir eine Hand auf die Schulter.
Fast hätte ich Mom zu ihr gesagt, denn sie war so liebevoll, dass man sie einfach lieben musste.
„Ja, alles in Ordnung. Danke, Esme.“
Emmett stand immer noch im Türrahmen und sah mich an. Es war nicht mehr dieser starrende Blick von heute Mittag. Jetzt war es ein blickender Blick. Was weiß ich, wie ich das erklären sollte. Aber der Blick war nun angenehm.
„Kommst du wieder mit, oder soll ich dich nach Hause bringen?“, fragte er.
Wie spät war es eigentlich?
„Hm, ich komme noch mit nach oben, denke ich.“
Er nickte zur Treppe und ich ging stumm an Edward, Alice, Esme und Carlisle vorbei. Was mich wunderte war, wo Bella und Roger waren. Im Grunde genommen egal, aber ich war halt schon immer neugierig gewesen.
Als wir den langen Flur entlang gingen, machte er mich auf die Uhrzeit aufmerksam.
„Du weißt schon, dass es halb zehn ist, oder?“
Ich zuckte leicht mit den Schultern.
„Ja. Na und?“
„Ich dachte nur, jemand wie du müsste sich doch eigentlich an Regeln halten, oder?“
„Ich hab mich noch nie sonderlich an Regeln gehalten, aber du dich ja auch nicht.“, bemerkte ich.
„Ich halte mich an die meisten Regeln.“
„Bis auf Verkehrsregeln und Schulregeln und Verhaltensregeln.“, zählte ich auf.
„Die Tempogrenzen in Forks sind viel zu niedrig. Was macht es schon aus, wenn man mit Tempo 100 durch Forks fährt. Aber nein, stattdessen darf man hier gerade einmal 50 mph fahren.“
Ich kicherte leise, was ihn zu erheitern schien, denn schon trat dieses wundervolle Grinsen wieder in sein Gesicht.
Ich ließ mich wieder auf seinem Bett nieder, aber diesmal sitzend.
Eine Zeit lang sahen wir uns nur an. Dann begann er mich über mein Leben auszufragen.
Er wollte sehr viel wissen, aber am meisten interessierten ihn wohl meine Vergehen und Regelbrüche.
Wir redeten und ich hatte keine Ahnung, wie spät es inzwischen war.
So langsam merkte ich, wie mich die Müdigkeit übermannte.
Ich lehnte mich an seine Schulter und fiel in einen leichten, ruhigen Schlaf, der langsam immer tiefer wurde.
Kapitel 9
Glück
Es war hell, als ich die Augen öffnete.
Ich hatte immer noch meine Klamotten vom Vortag an. Wie widerlich!
Aber wo war ich? Ich sah nichts, da meine Augen erst mit der plötzlichen Helligkeit klarkommen mussten.
So langsam zeichneten sich dann die Umrisse des Zimmers vor meinen müden Augen. Es war mein Zimmer, aber alles war gleißend hell. War das etwa Sonne? Wie lange hatte ich keine Sonne mehr gesehen? Monate lang? In Kanada hat auch nur äußerst selten die Sonne geschienen.
Mit den Konturen der Möbel kamen auch die Erinnerungen an den vergangenen Tag zurück.
Jemand klopfte an meine Tür.
„Ja?“, fragte ich.
„Ich bin es, Rosalie, Carlisle.“, sagte ein mir vertraute Stimme.
Was um Himmels Willen tat er hier?
„Komm rein.“, sagte ich schnell, weil ich spürte, dass meine Stimme nicht ganz die alte war.
Carlisle und mit ihm noch mehr Helligkeit, trat in den Raum. Auch er war blendend schön.
„Ich hoffe, du hast nichts dagegen, wenn ich die Gardinen schließe. Zu viel Licht tut dir nicht gut.“
Ich nickte stumm, dann fand ich meine Stimme wieder.
„Was machst du hier, Carlisle?“, fragte ich leise und schwach.
„Dich pflegen, was sonst. Du hast drei Tage geschlafen. Inzwischen haben wir Donnerstag und es ist exakt 13.34 Uhr.“
Wow. Drei Tage. Das war viel.
„Aber wieso …?“
„Du bist bei uns eingeschlafen und sehr unruhig geworden, da habe ich dir noch ein starkes Beruhigungsmittel verabreicht. Emmett ist die ganze erste Nacht nicht von deiner Seite gewichen. Genauso wenig wie Jasper. Charlie wollte die beiden ablösen, aber die beiden meinten, das ist nicht nötig.
Emmett müsste auch gleich wieder da sein. Er war jeden Tag nach der Schule hier. Bis spät in die Nacht.“
Emmett war hier? Jeden Tag … Bis spät in die Nacht. Wow.
„Gut, Beruhigungsmittel. Aber wieso denn schon wieder?“
„Rosalie, du hättest dich mal sehen sollen. Du hast geschrien und um dich geschlagen. Du hast gedroht, uns alle umzubringen.“, sagte Carlisle mit einem leichten Grinsen im Gesicht.
„Oh, das tut mir leid.“, sagte ich leise und sah weg.
„Ist nicht so schlimm. Ich wollte schon immer mal eine Morddrohung erhalten.“, sagte er scherzhaft.
Es klopfte wieder, doch dieses Mal wartete niemand, bis ich eine Antwort gab.
Emmett steckte seinen Kopf zur Tür herein und grinste.
„Hey. Du bist ja wieder wach.“, stellte er fest.
„Sie ist gerade erst aufgewacht, Emmett.“, sagte Carlisle und tastete währenddessen meinen Brustkorb ab.
Emmett trat in mein kleines Zimmer. Er hatte die Hände in den Hosentaschen vergraben und ging lässig um mein Bett herum, um sich auf der Bettkante niederzulassen.
„Und wie geht es dir?“, fragte Emmett leise.
„Keine bleibenden Schäden im Lungenbereich, die Scherben haben nichts Schlimmeres angerichtet.“, sagte Carlisle schnell und leise.
Was für Scherben?!
Ich sah an mir hinunter und musste feststellen, dass mir ein Verband umgelegt war.
Erschrocken sah ich erst Carlisle, dann Emmett an.
Emmett verdrehte die Augen.
„Ich wollte eigentlich wissen, wie es dir geht, Rosalie.“
„Gut soweit, aber was soll das mit den Scherben?“
„Ähm – Du hast auf einmal angefangen zu zucken. Ziemlich stark … und da bist du … da bist du mir die … Treppe heruntergefallen und hast eine von Esmes Vasen mitgerissen.“, sagte er und griff sich verlegen in den Nacken.
„Was?!“, schrie ich beinahe.
„Heißt das, ich hab jetzt eine Narbe?!“
Nein, bitte keine Narbe, bitte nicht! Ich wäre sowas von entstellt. Ich könnte nie wieder einen Bikini anziehen.
„Rosalie, ich kann dir auch noch ein Beruhigungsmittel geben. Ganz im Ernst. Du machst dir keine Sorgen, dass du irgendwelche Verletzungen erlitten haben könntest, aber dass du eine Narbe haben könntest?! Und, nein. Du wirst keine Narbe davontragen. Glück gehabt.“
Ich atmete erleichtert auf.
„Schon gut. Ich bin ja schon ruhig.“, sagte ich leise.
„Das will ich für dich hoffen.“, lächelte Carlisle. „Ich lass euch dann jetzt alleine.“
Und Carlisle ging.
„Tut mir leid, dass ich dich habe fallen lassen, aber ich hab mich so erschrocken.“, entschuldigte sich Emmett.
„Schon gut. Ich bin dir nicht böse. Wie könnte ich denn.“, sagte ich und lächelte leicht.
„Rosalie. In den letzten Tagen und Nächten, habe ich viel nachgedacht. Und ich war mir nicht sicher, ob du es auch willst, aber … würdest du mit mir ausgehen?“
Er wurde kein bisschen rot dabei, sondern sah mich grinsend an.
Ich musste lächeln und wurde rot. Er, Emmett Cullen, wollte mit mir, Rosalie Hale, ausgehen? Oh, wie geil! Ich musste mich beherrschen, um nicht zu quietschen oder sonst irgendwas Dämliches zu machen.
„Ja, sehr gerne.“, sagte ich sehr leise.
Er grinste breit und beugte sich zu mir hinunter. Dann flüsterte er : „Wie wäre es mit heute Abend um sieben? Wir könnten ein wenig im Park spazieren gehen und danach noch in das Restaurant gehen, wenn du willst.“
Natürlich wollte ich. Mir war es egal, was und wo, hauptsache mit ihm!
Ich nickte.
„Das wird ganz toll. Aber darf ich schon wieder aufstehen? Ich muss mich umziehen, sonst sterbe ich.“
Sofort wurde Emmett ernst.
„Schon gut. Das mit dem Sterben war nur so dahin gesagt.“, seufzte ich.
Seine Miene erhellte sich wieder.
„Soll ich lieber raus gehen, während du dich umziehst.“
Was sage ich jetzt? Ja oder nein? Mir kam es zu albern vor, ihn raus zu werfen, also suchte ich mir eine andere Lösung.
„Wenn du stur da zum Fenster schaust, dann kannst du sitzen bleiben.“
„Gut, ich werde das Fenster ansehen.“, sagte er und schaute demonstrativ das Fenster mit einem starrenden Blick an.
Ich kicherte leise, während ich vorsichtig aufstand.
Ich ging zu dem kleinen Schrank hinüber und suchte mir etwas Passendes für den Nachmittag.
Immer wenn ich zu Emmett sah, sah ich, dass er zum Fenster sah. Ich hatte vollstes Vertrauen in ihn, obwohl ich ihn noch gar nicht richtig kannte. Aber heute würde ich mit ihm ausgehen. Meine Gefühle ließen sich gar nicht beschreiben, es war wie Magie.
Aber zwischen uns hatte es irgendwie von Anfang an gestimmt, so hatte ich zumindest das Gefühl.
War das Schicksal, oder einfach nur pures Glück?
Nachdem ich mich umgezogen hatte, sah er mich von oben bis unten an.
„Sieht gut aus.“, sagte er und zuckte mit den Augenbrauen.
Ich wurde leicht rot und lächelte verlegen.
Sonst passierte mir so etwas nie, wenn ich Komplimente bekam.
„Danke.“, sagte ich nur.
Wir sahen uns wieder eine Weile an, bis Jazz ins Zimmer platzte.
„Rose, Dr. Cullen sagte mir, du bist … “
Doch dann fiel sein Blick auf Emmett und auf meine Klamotten.
„Rose?!“, stammelte er und seine Augen weiteten sich.
Ich sah ihn ausdruckslos an.
„Jazz, ich weiß nicht, was du jetzt schon wieder denkst, aber ich musste mich umziehen. Ich habe drei Tage in denselben Sachen verbracht.“
Er atmete erleichtert aus.
„Rose, ich dachte schon.“
Emmett drehte sich zu ihm um.
„Was dachtest du?“, fragte er grinsend.
Jazz warf ihm einen feindseligen Blick zu.
„Ich wüsste nicht, was dich das angeht!“
„Hör mal, Kleiner. Du willst dich doch heute mit meiner Schwester treffen, dann solltest du lieber nett zu mir sein, sonst kannst du das heute auch vergessen.“
„Wie jetzt, Jazz geht mit Alice aus? Oh, das ist ja voll süß. Er geht mit Alice aus und ich mit dir.“, lächelte ich.
„Wie jetzt du und Cullen?“, fragte Jazz geschockt. „Er ist doch Schuld an dem ganzen Chaos.“
„Ja, na und. Ich habe ihm verziehen und ich bin nur manchmal nachtragend.“
Jazz verdrehte die Augen.
„Und außerdem“, begann ich schon wieder, „Hat Cullen einen Vornamen und ich könnte dich dasselbe fragen. Aber bei dir ist es doch relativ gesehen schlimmer. Ich meine, Alice hat doch schon einen Freund.“
Emmett kicherte
„Roger ist aber kein Mann. Er auch nicht, aber immer noch besser als Roger.“
„Und ob ich ein Mann bin!“, beschwerte sich Jasper.
„Nein, bist du nicht, sonst würde Alice nicht mit dir ausgehen wollen.“
Das machte keinen Sinn. Ich verfolgte den Streit einfach weiter.
„Hä? Und warum nicht?“
„Keine Ahnung, aber irgendwie ist das bei ihr so.“
„Du weißt anscheinend gar nichts über sie.“
„Aber du, oder was?“, provozierte Emmett ihn weiter.
„Wenigstens weiß ich alles über meine Schwester.“
„Na und? Ich auch.“
„Ach ja? Wirklich alles?“
Emmett nickte und zwinkerte zu mir hinüber.
„Weißt du was, Rose? Werde glücklich mit dem Bastard. Ich gehe.“, sagte Jazz wütend und verschwand aus dem Raum.
„Aber Jazz!“, rief ich ihm hinterher.
„Schon gut, Rose. Er beruhigt sich auch wieder.“, sagte Emmett und zog mich an der Taille auf seinen Schoß.
Hatte er mich gerade Rose genannt?
„Hast du mich gerade Rose genannt?“, fragte ich und sah ihn an.
„Ja, habe ich. Ist das schlimm? Ich kann auch wieder auf Rosalie umsteigen, wenn dir das lieber ist.“, sagte er und lächelte liebevoll.
„Nein, ist kein Problem. Ich habe mich nur gewundert.“
Da saß ich nun. Auf Emmett Cullens Schoß, den Kopf an seine Brust gelehnt und lauschte seinem Atem. Aber irgendetwas war komisch. Seinen Herzschlag hatte ich noch gar nicht gehört.
Nach einer Weile wurde meine Zimmertür wieder geöffnet und Carlisle und Charlie traten hinein.
Ich sah auf, sprang jedoch nicht gleich von seinem Schoß, auch wenn Charlie mir einen leicht geschockten Blick zuwarf.
„Rosalie, leg dich nochmal hier hin.“, bat Carlisle mich.
Emmett gab mich frei, also stand ich auf und legte mich wieder in mein Bett.
Carlisle begann wieder meinen Brustkorb abzutasten, was Emmett und Charlie kritisch begutachteten.
„Du hast großes Glück gehabt, Rosalie.“, sagte Carlisle.
„Ich weiß. Aber eigentlich ist das ja Emmett zu verdanken.“
„Tut mir leid.“, sagte Emmett wieder.
„Nein, das meinte ich nicht. Ich meinte das Glück. Stell dir mal vor, ich wäre allein gewesen, dann wäre es weitaus schlimmer gekommen.“
„Vielen Dank, Emmett.“, sagte Charlie und reichte ihm die Hand.
„Keine Ursache, Chief Swan.“, gab er zurück.
Nach ein paar weiteren Untersuchungen durfte ich nun endlich wieder zu Emmett.
„Könntet ihr bitte gehen.“, bat ich Charlie und Carlisle.
„Moment.“, stoppte Emmett, „Chief Swan, kann ich Rosalie heute Abend entführen?“
Charlie hielt inne und sah uns prüfend an.
„Ja, na schön, aber sie ist pünktlich wieder hier.“
„Natürlich, Chief Swan.“, nickte Emmett.
Ich verdrehte nur die Augen. Meine Güte, ich war doch auch nur ein 17-jähriges Mädchen.
Nachdem Charlie gegangen war, zog mich Emmett wieder zurück auf seinen Schoß, doch diesmal wehrte ich ab.
„Ich muss mich noch fertig machen. Für nachher.“
„Gut, ich hole dich dann um sieben ab.“, sagte er und verschwand auch schon zur Tür heraus.
Kapitel 10
Spaß
Ich sah ihm noch eine Zeit lang nach, bevor ich schließlich ein Handtuch aus meinem Koffer nahm und mein spezielles Haarshampoo heraus kramte.
Dann ging ich ins Bad und entkleidete mich.
Meine Sachen legte ich auf die Waschmaschine, die ebenfalls im Badezimmer stand.
Mühsam wickelte ich den Verband ab und bemerkte eingetrocknetes Blut unterhalb meines Schlüsselbeins und eine feine rötliche Linie. Dort musste die Scherbe gesteckt haben. Allein die Vorstellung ließ mich erschaudern.
Ich stellte das Wasser an und wartete, bis es heiß war.
Heißes Wasser konnte ich nie genug haben.
Als das Wasser heiß genug war, hängte ich das Handtuch auf den Halter und stieg vorsichtig in die Dusche.
Das heiße Wasser floss meinen Körper entlang, wobei ich gut nachdenken konnte.
Ich dachte an den Montag, den schönsten, aber auch schlimmsten Tag meines Lebens.
Wie er mein Gesicht berührt hat, wie er mich angesehen hat, wie er mit mir geredet hat, wie er mich getragen hat, wie ich an seiner Schulter eingeschlafen bin.
Das waren so wundervolle Momente … und das alles an einem Tag.
Die schlechten Momente blendete ich einfach aus, obwohl sie wohl entscheidend für die guten Momente waren.
Nachdem ich mich vom Schmutz der letzten Tage befreit hatte, stellte ich das Wasser ab und griff nach dem Handtuch.
Ich wickelte es mir um und stieg vorsichtig aus der Dusche. Auf noch mehr Scherben hatte ich nämlich keine Lust.
Ich betrachtete mein Gesicht im Spiegel. Ich war wirklich blass. Um einen Vergleich herzustellen und damit zu widerlegen, dass blass mir besser stand, als gebräunt, schmierte ich mir auf eine Gesichtshälfte Make-Up.
Dann sah ich wieder in den Spiegel. Ich betrachtete mich ganz genau.
Blass oder gebräunt?
Ich dachte an Emmetts Worte und seufzte.
Er hatte Recht. Blass passte eindeutig besser zu meinem blonden Haar.
Mit viel warmen Wasser wusch ich das Make-Up weg und sah wieder in den Spiegel.
Meine Haut war glatt und hell. Aber es wirkte nicht ungesund – nicht leichenartig, wie bei ihm.
Ich lächelte. Nein, lächeln stand mir nicht, also ließ ich es schnell wieder.
Langsam nahm ich mir Eyeliner und malte vorsichtig feine, schwarze Striche auf den Rand meiner Augenlider. Dasselbe tat ich unten.
Dann suchte ich nach dem goldenen Lidschatten, der sich perfekt an meine Haarfarbe anpasste. Ich fand ihn schließlich und trug auch davon ein bisschen auf meine Lider auf.
Ich öffnete die Augen wieder und sah in den Spiegel. Sofort sah ich besser aus. Nicht so komplett farblos. Aber etwas Wimperntusche fehlte trotzdem noch, also trug ich welche auf. Zuletzt fügte ich noch roten Lippenstift zu und war fertig. Jedenfalls mit meinem Gesicht. Fehlten nur noch mein Haar und mein Outfit. Es musste etwas Edles, aber dennoch spaziergangtauglich sein. High Heels kamen somit nicht in Frage, aber da ich gut auf ihnen laufen konnte, nahm ich trotzdem welche. Im Laufe der späteren Minuten entschied ich mich für ein schwarz-weißes mittellanges Kleid. Die passenden Schuhe hatte ich auch schon.
Schnell zog ich mich an und hoffte, mein Make-Up dabei nicht zu zerstören. Und wie es das Glück mit mir wollte, so war nichts verwischt.
Ich stellte mich wieder vor den Spiegel und sah meine feuchten Haare an. Eine Frisur musste her. Hoch stecken? Gute Idee eigentlich, aber um sie ganz hoch zu stecken blieb mir nicht genügend Zeit. Es war schon fast sieben. Ich entschied mich dafür, Locken zu wickeln und diese dann ein wenig hoch zu stecken, sodass sie noch herunter fielen.
Ich war noch nicht ganz fertig, da klingelte es an der Tür.
War Jazz da, um zu öffnen? Oder würde Charlie aufmachen?
Ich hörte, wie Charlie die Tür öffnete und Emmett begrüßte.
Mein Herz schlug sofort einen Schlag schneller, als ich Emmetts klangvolle Stimme hörte.
So aufgeregt war ich bis jetzt vor keinem Date gewesen. Dabei bin ich immer viel mit Jungen ausgegangen, aber das hier war anscheinend mehr. Mehr von meiner Seite aus. Ich hatte das komische Gefühl, mich in ihn verliebt zu haben. Dieses Gefühl war wirklich komisch.
Ich ging langsam die Treppe hinunter. Er wartete schon am Treppenabsatz, Charlie und Jazz direkt hinter ihm.
Als ich die letzte Stufe erreicht hatte, hielt er mir seine große Hand hin. Er zitterte immer noch. Anscheinend war er ungefähr genauso nervös, wie ich. Ich lächelte, obwohl mir lächeln gar nicht stand.
Jazz warf ihm misstrauische Blicke zu, als wüsste er, dass Emmett ein Entführer oder sowas wäre.
Wie banal.
„Du siehst wunderschön aus, Rosalie.“, sagte Emmett grinsend.
Hinter ihm machte Jazz leise Würgegeräusche.
Ich sah ihn kurz wütend an.
„Danke. Du siehst aber auch toll aus.“, gab ich Emmett zurück.
Ich musterte ihn. Er trug ein dunkelblaues Hemd und eine Weste darüber. (AN: So wie an Bellas Geburtstags Party in New Moon)
Der Stoff passte sich an seinen Körper an. Es raubte mir beinahe den Atem.
„Wollen wir dann gehen?“, fragte er und sah mich fragend an.
Ich sah zu Charlie hinüber.
„Bis zwölf Uhr, Rose.“, sagte Charlie nickend, aber ich schätzte, er wusste, dass ich so oder so länger bleiben würde.
„Ist gut, Chief Swan, ich werde dafür sorgen, dass sie heil wieder hier ist. Um exakt zwölf Uhr.“
Charlie verabschiedete sich mit einem Nicken zu uns.
Ich lächelte ihn an und warf ihm einen dankenden Blick zu. Jazz beachtete ich nicht großartig, denn er regte mich eh nur wieder auf.
Emmett war mit einem schwarzen Lamborghini gekommen. Wow. Mit so einem Wagen war selbst ich noch nicht gefahren.
Die Sitze waren komplett aus Leder, aus schwarzem Leder.
Die Scheiben waren dunkel getönt. Ich fühlte mich, als würde ich noch im Villenviertel von Vancouver wohnen. Wäre da nicht Emmett, der meine Hand auch dann noch hielt, als ich im Auto saß.
Mühsam machte er sie los und stieg dann selbst auf der Fahrerseite ein.
Ich sah ihn an.
„Wenn du mich anstarrst, wirst du auch nicht schöner.“, grinste er.
„Wo hast du denn den Spruch her?“, fragte ich und zog eine Augenbraue hoch, da er mir bekannt vorkam.
„Na, von dir. Das war das allererste, was du zu mir gesagt hattest.“
„Oh.“
„Rose, mir ist eben eingefallen, dass wir nicht im Park spazieren gehen können.“
„Warum nicht?“
„Weil dort seit gestern der Jahrmarkt ist. Hättest du ein Problem damit, wenn wir da hin gehen?“
Ein Problem? Und ob ich ein Problem damit hatte. Ich hasste Jahrmärkte abgrundtief. Diese ganzen besoffenen Menschen, die sich dort an Schießbuden zum Affen machten. Die laute Musik. Der Alkoholgeruch, die grellen Lichter, die quengelnden Kinder, die genervten Eltern. Das alles hasste ich an Jahrmärkten. Aber ihm zuliebe. Natürlich, gar kein Problem.
„Nein, ich würde mich freuen. Es ist ewig her, seit ich auf einem gewesen bin.“ Und nicht ohne Grund, dachte ich. Mit ihm machte es mir aber nichts aus auf einen Jahrmarkt zu gehen, wo Betrunkene, Perverse und andere gefährliche Kerle ihr Unwesen trieben. Bei ihm fühlte ich mich sicher, das war sicher. Er hatte sowas Starkes, Bärenhaftes, was irgendwie alle Angst verfliegen ließ, solange man ihn kannte. Wäre er ein Unbekannter gewesen, hätte er mir wahrscheinlich Angst gemacht, wenn ich ihn allein im Dunkeln begegnet wäre.
„Gut, ich hatte schon Angst, du würdest direkt wieder nach Hause wollen.“
„Als wenn ich mir einen Abend mit dir entgehen lasse.“
Er sah mich stumm an, beinahe sah es so aus, als überlegte er.
„Was ist los?“, fragte ich.
„Ich habe mich nur gefragt, ob du wohl dasselbe für mich empfindest, wie ich für dich. Auch nur annähernd.“
„Dafür müsstest du mir sagen was du für mich empfindest, Emmett.“
Seinen Namen auszusprechen tat gut, vor allem jetzt, in dieser angespannten Situation. Und nicht nur ich war angespannt, auch er, denn ich sah, wie sich seine Hände ins Lenkrad verkrampften. Meine Hände fingen an zu jucken. Ein Zeichen für meine Aufregung. Aber er zögerte immer noch. Suchte nach dem richtigen Anfang, oder den richtigen Worten.
Nach einer langen Stille, sagte er nun endlich etwas.
„Rose, ich glaube, ich habe mich … in dich verliebt. Aber ich bin mir nicht sicher, sowas wie jetzt habe ich noch nie für jemanden empfunden. Noch nie.“
Mir blieb die Luft weg. Ich sah ihn fassungslos an und versuchte ein Lächeln hervorzubringen, um ihn nicht zu beunruhigen.
„Emmett … ich …“
Ja, ich war sprachlos. Zum ersten Mal in meinem Leben. Was für ein blödes Gefühl.
„Emmett, ich denke, ich mich auch in dich, aber ich kann diese Gefühle auch nicht einordnen, sie sind neu für mich. Ganz neu.“
Ein Lächeln trat auf sein Gesicht, dann schaute er wieder auf die Straße.
Er hatte mir gerade seine Gefühle gestanden, wenn auch noch nicht sicher, aber ich wusste einfach, dass es so war. Er liebte mich und ich liebte ihn, doch für so starke Gefühlsäußerungen waren wir uns noch nicht nahe genug, aber das konnte ja (hoffentlich) noch werden.
Er sah mich wieder an und fuhr den Lamborghini so gerade und ruhig dabei, dass man denken konnte, er hätte einen Autopiloten.. Er grinste mich an und ich lächelte zurück, auch wenn ich immer noch der Überzeugung war, dass lächeln mir nicht stand. Aber er mochte es, weshalb ich es weiterhin tat.
Ich sah, dass er kurz davor war wieder eine seiner Hände an meine Wange zu legen, aber dann ließ er sie doch wieder auf das Lenkrad zurück sinken. Zu schade eigentlich. Aber ich wollte ihn zu nichts drängen, wir beide mussten uns erst einmal selbst über unsere Gefühle im Klaren sein, auch wenn sie für Außenstehende, wobei ich an Jazz, Carlisle und Esme dachte, anscheinend schon offensichtlich waren. Das war auch der Grund für Jaspers Eifersucht … er wollte auf mich aufpassen, wie früher, aber das war früher, inzwischen wollte ich einfach nur noch von ihm in Ruhe gelassen werden, um mich Emmett zu widmen. Jazz musste sich nun auf sein Leben konzentrieren und mich loslassen. Aber wem fiel es nicht schwer seine Schwester los zu lassen, wenn man so ein inniges Verhältnis hatte? Nach den ganzen Jahren des Zusammenhockens, ohne solche Gefühle, wie Liebe für jemand anderen, jemand Fremden zu entwickeln. Es musste schwer für Jazz sein, da er wieder kein Glück haben würde. Alice, Emmetts Zwillingsschwester, war bereits in festen Händen, auch wenn Jazz definitiv besser zu ihr passte, als dieser schleimige Roger.
Ich zuckte zusammen, da ich mit seiner Berührung nicht gerechnet hatte. Seine Hand hatte meine Hand umfasst und strich sanft über meinen Handrücken.
Er zog sie sofort zurück und sah mich entschuldigend an.
„Ist doch nicht schlimm, ich habe mich nur etwas erschrocken, weil ich in Gedanken versunken war.“
„Ach so.“, sagte er.
Ich sah ihm in seine wunderschönen, gold-braunen Augen. Solche Augen musste man einfach ansehen, sie waren wie dafür gemacht. Mir fiel wieder ein, welche Farbe sie am Montag gehabt hatten.
Hellgold. Aber vielleicht irrte ich mich auch, da ich ja nicht ganz bei mir war.
Diesmal ergriff ich die Initiative und legte meine Hand auf seine, die immer noch am Lenkrad verweilte.
„Emmett …“, begann ich, obwohl ich keine Ahnung hatte, was ich eigentlich sagen wollte.
„Ja, Rose?“, fragte er und sah zuerst auf meine Hand, die auf seiner lag und dann in meine Augen.
„Du hast wunderschöne Augen“, sagte er, denn er hatte anscheinend gemerkt, dass ich nie vor hatte etwas zu sagen.
„Danke“, flüsterte ich, „Du auch.“
Er grinste. „Gut zu wissen.“
Nach einer Weile des Herumfahrens, um eine Parklücke zu erwischen, reichte es Emmett und er stellte den Wagen einfach in eine Einfahrt.
Er beugte sich zu mir hinüber, mein Atem stockte, mein Herz schlug um ein Vielfaches schneller. Kam jetzt ein Kuss?
Doch seine Hand wanderte dann aber zum Handschuhfach, das er öffnete und ein weißes Schild heraus zog.
„Was ist das?“, fragte ich neugierig.
Er sprach, während er das Schild behutsam hinter der Windschutzscheibe platzierte.
„Das ist von Carlisle. Es berechtigt ihn, für 6 Stunden in Einfahrten oder so zu stehen, ohne abgeschleppt zu werden. Ich weiß nicht, ob ich es nutzen darf, aber was soll ich machen, wenn kein Parkplatz in der Nähe des Eingangs ist. Ich kann dich doch nicht über die schlammigen Wege am Rand laufen lassen.“
Ich seufzte und verdreht die Augen.
„Hey, ich mag vielleicht eine Diva sein, aber ich kann dennoch über Wege laufen, die dreckig sind.“, beschwerte ich mich grinsend.
Emmett stieg schnell aus, um mir die Tür zu öffnen. Er hielt mir eine Hand hin und ich nahm sie. Gekonnt stieg ich elegant aus dem Auto, wie es Mom mir schon in jungen Jahren beigebracht hatte.
„Das hast du aber gut drauf, Rose.“, grinste er anerkennend.
„Jahrelange Übung. Mom hat es mir schon beigebracht, da konnte ich gerade ins Auto klettern.“, erklärte ich ihm.
„Gute Sache. Du könntest Paris Hilton noch so einiges beibringen.“
Ich musste kichern.
Der Weg von der Einfahrt zum Jahrmarkt, war asphaltiert und gepflastert, sodass es für mich angenehm zu laufen war. Emmett blieb dicht an meiner Seite, berührte mich jedoch nicht. Zu gerne hätte ich seine Hand genommen und meine Finger mit seinen verschränkt, doch ich wusste nicht, wie er reagieren würde, denn er war offenbar sehr berührungsempfindlich.
Anscheinend gingen ihm die gleichen Gedanken durch den Kopf, denn im nächsten Moment führte er seine linke Hand ganz vorsichtig und leicht zitternd zu meiner Rechten und legte sie ineinander. Es war ein tolles Gefühl, ihm so nah zu sein. Nach einer Weile verschränkte er dann auch noch seine Finger mit meinen. Das war noch besser und mein Herz schlug unregelmäßig. Was war ich froh, dass er es nicht hören konnte, denn das war mir peinlich und ich errötete sofort.
„Ich kann auch wieder loslassen, wenn dir das lieber ist.“, sagte Emmett und versuchte seine Enttäuschung zu verbergen.
„Nein, nein. Das hat nichts mit dir zu tun.“, beruhigte ich ihn.
„Womit denn dann?“, fragte er leicht verwirrt.
„Ich weiß nicht …“, sagte ich langsam, „Mein Herz schlägt nur wie verrückt.“
Ich gab es zu. Das hätte ich früher nie getan.
Emmett grinste, dann blieb er stehen, kurz bevor wir den ersten Buden begegneten.
Er sah mich ernst an und legte dann seine andere Hand auf mein Herz.
Dann kicherte er.
„Du hast Recht, es ist verrückt nach mir.“
„Nicht nur mein Herz.“, gab ich betreten zu.
Er legte die Hand unter mein Kinn und hob es leicht an.
„Hey, Süße. Ist doch nicht schlimm. Meinst du nicht, mir geht es genauso?“
Süße? Jetzt war ich schon von Rose zu Süße aufgestiegen. Nach nur ein paar Stunden!
„Ich weiß nicht.“, sagte ich, obwohl ich wusste, dass es ihm genauso ging.
Er grinste wieder.
„Du bist unmöglich, Rose.“ Ich seufzte.
Wir gingen ein paar Meter, dann blieb er wieder abrupt stehen und dreht sich leicht nach rechts.
„Wollen wir?“, fragte er und zeigte auf das Fahrgeschäft. Ich sah hin. Autoscooter. Wie schrecklich! Aber mit ihm? Keine Ahnung.
Ich nickte. „Können wir machen, aber ich will nicht alleine.“
Er lachte kurz. „Kein Problem, ich nehme dich mit.“
Er zog mich sanft hinter sich her, um noch schnell ein paar Chips zu kaufen.
Schnell zog er mich dann zu einem der Autos. Sie sahen ziemlich klein aus, wir würden niemals nebeneinander darin Platz finden.
Emmett stieg ein und füllte den ganzen Sitz aus.
Ich lächelte ihm zu.
„Ich werde warten, bis du fertig bist.“, sagte ich.
Er verdrehte die Augen und zog mich an der Taille zu sich, direkt auf seinen Schoß.
„Bist du sicher, dass das so eine gute Idee ist?“, fragte ich leicht ängstlich.
„Ja, ganz sicher. Ich bin der beste Fahrer der Welt.“ Und wieder lachte er. Ich mochte sein Lachen, es war so natürlich, so herzhaft.
„Na, dann vertraue ich dir mal.“, kicherte ich und hielt mich an ihm fest.
Endlich ertönte die Sirene, das Zeichen zum Losfahren. Emmett trat sofort fest aufs Gas und sauste los. Zunächst wich er sämtlichen Fahrzeugen aus. Er meinte, er müsse erst die richtige Position haben.
Die fand er schnell und raste schon in das nächstbeste Auto.
„Oh, mein Gott.“, wiederholte ich immer wieder.
Das war doch purer Wahnsinn, wahrscheinlich war ich lebensmüde oder so.
„Hab' alles unter Kontrolle, Baby.“, sagte er machomäßig. Baby … ein neuer Name für mich.
Wir liefen noch lange über den Jahrmarkt. Ich merkte gar nicht, wie schnell die Zeit verging. Wir fuhren noch mit vielen anderen Fahrgeschäften, in die ich niemals alleine gegangen wäre, wir aßen Hamburger, tranken Cola und lachten viel. Es war der perfekte Abend.
Dann um zehn vor zwölf blieb er plötzlich ruckartig stehen.
„Rosalie, du musst nach Hause. Ich habe ganz die Zeit vergessen. Dein Onkel wird dich umbringen!“, sagte er verzweifelt und griff sich ins Haar.
„Emmett, beruhige dich. Charlie weiß, dass ich mich normalerweise nicht an Regeln halte.“, erklärte ich lächelnd.
„Dann wird es Zeit, dass du es tust.“
„Warum denn das?“
„Ähm – weil er dich dann vielleicht öfter mit mir ausgehen lässt. Und Jasper dann vielleicht auch nicht so mürrisch mir gegenüber ist.“
Ich lächelte.
„Na gut, aber schaffst du den Weg in 10 Minuten?“
„Hey, das war jetzt fast eine Beleidigung. Ich schaffe den Weg auch in sieben Minuten!“
„Angeber.“, grinste ich.
Er hatte meine Hand fast den ganzen Abend nicht los gelassen, außer, wenn es sein musste. Und so langsam hatte ich mich an seine Kälte gewöhnt, sie war nicht länger so fremd.
Im Auto angekommen, musste ich ihn fragen.
„Emmett, kann ich dich was fragen?“
„Nur zu.“, grinste er.
„Wieso bist du so kalt?“ Ich achtete genau auf sein Gesicht.
„Rosalie, später, ja. Ich kann es dir jetzt nicht erklären.“
„Warum denn nicht?“ Meine Neugier. Wie ich sie manchmal hasste.
„Weil ich es nicht genau kann, dafür müsste ich Carlisle erst nach den Namen fragen.“
„Ist es eine Krankheit?“
„Vielleicht. Aber Carlisle meint, sie ist nur begrenzt ansteckend, geht aber niemals wieder weg.“
„Wie wird sie übertragen?“
„Durch Speichel, Blut, keine Ahnung, irgendwie so.“
„Heißt das, wenn du mich … nun ja – küssen würdest, dann würde ich mich anstecken?“
Er kicherte leise.
„Vielleicht, Rose. Es besteht eine fünfzig-fünfzig Chance. Jedenfalls im Moment.“
Den letzten Satz murmelte er sehr leise, sodass ich annahm, dass er gar nicht für meine Ohren bestimmt war.
„Schade.“, seufzte ich.
Er grinste.
„Rosalie, ich dachte, wir wollen uns Zeit lassen.“
„Jaah, natürlich, aber ich würde es nur einmal so gerne ausprobieren.“, jammerte ich.
„Morgen sehen wir weiter, bis dahin wirst du dich gedulden müssen.“
Ich seufzte wieder. Wie ungerecht.
Sieben Minuten können ganz schön lang werden. Ich jedenfalls schlief ein, bevor wir auch nur in die Straße abbogen, in der Charlies Haus stand.
Das letzte, was ich noch wahrnahm, war seine Hand an meiner Wange.
Mit den Bildern des heutigen Abends im Kopf schlief ich seelenruhig ein.
Texte: Hay Leute also ich schreibe eine Geschichte über emmett und rosalie
Tag der Veröffentlichung: 30.11.2011
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