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Frau Holle...

... ist eine germanische Wettergöttin. Im germanischen Götterhimmel die Tochter des Gottes Loki. „Sie belohnt fleißige Menschen und gibt den Seelen verstorbener Kinder ein Heim.“ (zitiert nach Shakti Morgane, Buch der Schatten)

Bekannt ist Frau Holle den meisten von uns durch das Grimmsche Märchen von der ‚Goldmarie und Pechmarie‘.

Kurze Zusammenfassung des Märchens: Eine Frau hat zwei heranwachsende Töchter, die eine faul, die andere fleißig. Die fleißige Tochter fällt eines Tages in den Brunnen im Hof, weil sie das Blut vom Finger waschen will, in den sie sich zuvor mit ihrer Spindel gestochen hatte. Sie verliert das Bewusstsein, als sie wieder zur Besinnung kommt, findet sie sich in einer schönen Landschaft wieder und wandert umher. Sie kommt an einem Ofen vorbei. Das Brot darinnen bittet sie, es herauszunehmen, weil es fertig gebacken sei. Sie tut es und geht weiter. Ein Apfelbaum bittet sie, ihn zu schütteln, weil die Äpfel alle reif seien. Sie tut es und geht weiter. Zuletzt kommt sie zum Haus der Frau Holle. Dort wird sie aufgenommen und gebeten im Haushalt zu helfen. Wenn sie zusammen mit Frau Holle die Betten ausschüttelt, beginnt es auf der Erde zu schneien. Sie tut alles, wie man es ihr sagt und wird von Frau Holle freundlich behandelt und gut versorgt. Eines Tages bekommt sie Heimweh und will zurück nach Hause zu Mutter und Schwester. Frau Holle begleitet sie zum Abschied zum Tor und als sie unter dem Torbogen steht, regnet es lauter Gold auf sie herab. So gelangt die Goldmarie über und über mit Gold bedeckt zurück nach Hause.

Das will die andere Tochter auch haben. Sie springt nun ebenfalls in den Brunnen und erwacht im Garten der Frau Holle. Allerdings holt sie weder das Brot aus dem Ofen noch schüttelt sie die Äpfel vom Baum. Einfach, weil sie keine Lust dazu hat. Im Haushalt der Frau Holle kümmert sie sich auch nicht so wie es sein sollte um die Betten, den Abwasch, das Kochen und das Säubern des Fußbodens, so dass Frau Holle genug von ihr hat. Sie wirft sie hinaus. Unter dem Torbogen regnet es Unmengen Pech auf sie herab. So schwarz von Pech überzogen kommt die Pechmarie nach Hause.

Was will uns diese uralte Überlieferung von der germanischen Göttin, dankenswerter Weise von den Gebrüdern Grimm im 19. Jh. gesammelt und aufgeschrieben, als Lebenslehre mitgeben? Was ist der Unterschied zwischen ‚fleißigen Menschen‘ und ‚faulen Menschen‘?

Wenn wir daran denken, dass die Große Göttin im Mythos die lebensspendenden Kräfte des Universums und der Natur symbolisiert, enthält dieses Märchen für Anhänger der Göttinnen-Religion eine existenzielle Wahrheit. Die Große Göttin, hier Frau Holle, ist die Herrscherin über Finsternis und Licht. Gold ist Symbol für Licht, und Pech ist Symbol für Finsternis.

Der Brunnen ist im Märchen ein Übergangsort in eine andere Welt, in die Anderswelt bzw. in die Unterwelt. Fleiß ist das Symbol für ‚Makellosigkeit‘, wie der Schamane Castaneda es ausdrücken würde, für die Güte des Charakters. Das Tor steht als Symbol für Wiedergeburt.

Die Lehre aus dieser Geschichte ist ganz einfach und hat nichts mit dem Frauenbild der Gebrüder Grimm zu tun. Sie lautet: Wer auf seinem Weg nicht tut was offensichtlich für das Leben notwendig ist, weil er sich gehen lässt, der gelangt über kurz oder lang zwangsläufig in die Finsternis. Dagegen hilft nur die Selbsterkenntnis und Bezwingung der Schattenseiten des eigenen Charakters.

Impressum

Texte: Shakti Morgane
Bildmaterialien: Titelbild von Mabel Amber, who will one day auf Pixabay
Tag der Veröffentlichung: 10.11.2021

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Zur Erinnerung an den alten Volksglauben der Germanen, der in unseren Märchen wieder aufscheint und damit unvergesslich bleibt.

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