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Leseprobe

Rückführung – eine Therapie für Freiheit im Hier und Jetzt

 

Dr. Samuel Sagan

 

innerspace-berlin.de

Inhalt

Einleitung 5

1 – Die Mechanismen der Samskaras 9

2 – Samskaras und die Suche nach Freiheit 16

3 – Emotionen versus Gefühle 25

4 – Der Kausalmechanismus von Emotionen und Gefühlen 30

5 – Samskaras und Meditation 39

6 – Samskaras und körperliche Krankheiten 49

7 – Das Ende der Samskaras 59

8 – Sich an vergangene Leben erinnern 68

9 – Wie man Erinnerungen zurückgewinnt 75

10 – Häufige Fragen zur Rückführung und zum IST–Prozess 82

Schlussbemerkung 86

 

Einleitung

Rückführung ist eine Technik der Zukunft im Bereich der Selbsterfahrung und Psychotherapie. Eines ihrer wesentlichen Merkmale ist, dass sie zwei Dimensionen im selben Prozess verbindet: eine psychotherapeutische und eine spirituelle.

Für Psychotherapeuten ist Rückführung eine transpersonale Technik, die eine Erkundung und Befreiung in einer bislang ungekannten Tiefe ermöglicht, und durch die eine höchst notwendige spirituelle Dimension in die Psychotherapie eingebracht werden kann.

Für Menschen, die sich spirituell auf der Suche befinden, ist Rückführung ein wichtiges Werkzeug zur öffnung der Wahrnehmung, ein kraftvolles Mittel zur Anregung des dritten Auges, und vor allem ein Weg zur Befreiung von geistigen Konditionierungen. Durch sie wird eine grundlegende und systematische Reinigung der emotionalen Schichten erreicht – nicht unähnlich der Reinigung, die Bernhard von Clairvaux, der Schutzpatron der Tempelritter, gewöhnlich mit dem lateinischen Wort defaecatio beschrieb, eine Reinigung, die er für eine unverzichtbare Vorbereitung zu höheren spirituellen Erfahrungen hielt.

Rückführung zielt darauf ab, emotionale Blockaden und Komplexe zu erkennen und abzubauen, so wie es auch viele andere Therapieformen tun. Das Besondere an der Rückführung ist jedoch ihre unübertroffene Fähigkeit, verborgene unbewusste und bewusste Erinnerungen zu erreichen. Schon in den ersten Sitzungen ist es nicht ungewöhnlich, dass blitzartig Erinnerungsfetzen auftauchen, die in keinerlei Bezug zu den Erfahrungen in diesem Leben gebracht werden können, die aber von tiefen Gefühlen begleitet werden und von der inneren Gewissheit, dass sie einen selbst betreffen. Daher wird Rückführungstherapie häufig eine »Rückführung in frühere Leben« genannt.

Hinsichtlich früherer Leben müssen einige Punkte gleich von Anfang an klargestellt werden. Erstens ist es in keiner Weise notwendig, an frühere Leben zu glauben, um sich einem Rückführungsprozess zu unterziehen. IST, die Rückführungstechnik, die ich entwickelt habe, benutzt weder Vorstellungsübungen noch Visualisierungen. Sie verlangt nicht, dass Sie an irgendetwas glauben, nur, dass Sie an einem Prozess teilnehmen und ihm folgen. Je weniger Glaubensinhalte und überzeugungen Sie mitbringen, desto größer ist tatsächlich die Aussicht auf einen Erfolg, denn überzeugungen erzeugen Erwartungen, die die unmittelbare Erfahrung verzerren können.

Einige der Erinnerungsbruchstücke, die während der Rückführung zutage kommen, haben eine extreme Deutlichkeit und lassen dem Klienten wenig Zweifel daran, dass sie sich auf wirkliche Ereignisse beziehen. Doch worauf es bei den Rückführungserfahrungen ankommt, ist nicht, ob sie aus früheren Leben herstammen, sondern was für Fortschritte sie Ihnen in der Gegenwart möglich machen. In den Worten eines meiner Klienten unmittelbar nach einer intensiven Rückführungserfahrung: »Ich weiß nichts über frühere Leben, aber was mein Leben angeht, hat das hier eine Menge zu bedeuten.« Worauf es ankommt, ist wie das gegenwärtige Leben des Klienten verändert werden kann, und nicht so sehr der Ursprung der jeweiligen Erfahrung. Man kann es den Leuten überlassen, für sich selbst zu entscheiden, was das wirkliche Wesen dieser blitzartigen Erinnerungen sein könnte. Die Leser wären jedoch schlecht beraten, sollten sie versuchen, sich selbst eine Meinung zu bilden, bevor sie sich selbst einen Rückführungsprozess unterzogen haben, denn die Intensität und Schärfe der Erinnerung sind viel größer als es sich die meisten Menschen vorstellen, wenn sie an eine Rückführung in frühere Leben denken. Darüberhinaus sind manche dieser Erinnerungen von einen 'Geschmack des Selbst' begleitet – einer Empfindung der eigenen Kontinuität in der Zeit, die sich kaum in Worte fassen lässt, so lange Sie nicht selbst diese Erfahrung gemacht haben.

Ein zweiter wesentlicher Punkt ist, dass der Zweck der IST–Rückführungsmethode nicht darin besteht, einen Roman über Ihre früheren Leben zu schreiben, sondern an der Klärung der Gegenwart zu arbeiten. Rückführung beschäftigt sich mit den gegenwärtigen mentalen und emotionalen Blockierungen des Klienten und damit, wie man sie auflösen kann. Sie mag dazu führen, dass man Episoden der frühen Kindheit wieder erlebt, oder möglicherweise auch bestimmte Episoden, die man mit keinerlei Ereignissen des gegenwärtigen Lebens in Verbindung bringen kann. Wenn die Klienten jedoch anfangen, sich mehr für die Einzelheiten der Geschichten aus früheren Leben zu interessieren als dafür, wie die Rückführung ihnen helfen kann, freier und bewusster zu werden, dann kann der Prozess rasch sinnlos werden, und außerdem zu allerlei Arten von wahnhaften Vorstellungen führen. Diese Warnung ist von wesentlicher Bedeutung und wird deshalb mehrmals in diesem Buch wiederholt werden. Die Ziele von IST sind der Abbau von Konditionierungen, emotionale Freiheit im Hier und Jetzt, und Selbsterfahrung. IST zielt darauf ab, Ihre wahre Natur zu enthüllen, und legt wenig Wert darauf, wer Sie einmal gewesen sind.

Drittens ist es in diesem Buch nicht meine Absicht, für die Realität früherer Leben zu argumentieren oder sie gar zu »beweisen«. Tatsächlich glaube ich nicht, dass man die Realität früherer Leben beweisen kann, genauso wie es absolut keine Möglichkeit gibt, die Realität von Träumen zu beweisen. Nur ist es eben so, dass fast alle Leute sich an ihre Träume erinnern, zumindest von Zeit zu Zeit, so dass es wenig Zweifel daran gibt, ob Träume existieren oder nicht. Doch nehmen Sie einmal an, Sie lebten in einer Welt, in der außer Ihnen sich niemand an seine Träume erinnern würde. Wie könnten Sie ihre Realität beweisen? Jedesmal, dass Sie Ihre Geschichte erzählten, würden die meisten Menschen sogleich »Unsinn!« rufen. Sie könnten versuchen, ein EEG zu bekommen, das zeigen würde, dass jedesmal, wenn Sie geträumt haben, Ihre Gehirnwellen verändert waren. Doch dann würden die Skeptiker argumentieren, dass dies nur bewiese, dass sich Ihre Gehirnwellen änderten, und dass es nicht nötig sei, etwas so Phantastisches wie Träume zu erfinden, um dieses Phänomen zu erklären.

In ähnlicher Weise kann nur die unmittelbare Erfahrung ein wirkliches Verständnis für das Thema der früheren Leben erzeugen. Es ist besser, Techniken zu zeigen, die diese unmittelbare Erfahrung ermöglichen, und ansonsten die Zeit ihr erhabenes Werk tun zu lassen. Wie Einstein zu sagen pflegte, kommt es selten vor, dass Leute sich von neuen Ideen überzeugen lassen. Was wirklich geschieht, ist dass die Leute mit den alten Ideen nach und nach sterben, und die, die nachkommen, finden die neuen Ideen ganz natürlich und nehmen sie an. Wenn einmal ein hinreichender Teil der Bevölkerung die Art von blitzartigen Erinnerungen durchgemacht hat, wie sie in der Rückführung entstehen, dann ist es recht wahrscheinlich, dass Erfahrungen aus früheren Leben so normal und akzeptiert werden wie Träume es sind.

Ich war einmal zu einem Vortrag über Rückführung von einer Gesellschaft eingeladen worden, die Verbindung mit mir aufgenommen hatte, nachdem sie einen meiner Artikel in einem Gesundheitsmagazin gelesen hatten. Ich akzeptierte die Einladung ohne weitere Nachfrage. Ich kam eine Viertelstunde vor der Zeit an ihren Versammlungsort, und nachdem mich ihr Sekretär höflich aber distanziert begrüßt hatte, entschied ich mich dafür, in der verbleibenden Zeit in den Schriften dieser Organisation zu lesen. Mir wurde sogleich klar, dass ich zu einer Gruppe von Skeptikern gekommen war, die mich nur eingeladen hatten, um meine Auffassungen anzugreifen. Ein kurzer, intensiver Augenblick des Nachdenkens folgte, in dem ich eine neue Strategie finden und den Aufbau meines Vortrags ändern musste.

Ich argumentiere dann folgendermaßen (und ich würde skeptische Leser bitten, dieses Buch in der gleichen Weise zu betrachten): »Hier sind Fallstudien einiger meiner Klienten. Hier sind die Worte, die sie gesagt haben, als sie durch diese Erinnerungen hindurchgingen. Ich behaupte nicht, dass dies irgendetwas zeigt oder beweist. Dennoch muss hier eine Art von neuartiger Erfahrung zum Ausdruck kommen, denn andere Rückführungstherapeuten und ich haben ähnliche Muster in Tausenden von Sitzungen beobachtet. Es ist Ihnen überlassen, Ihre eigenen Schlüsse daraus zu ziehen. Worauf es für mich wirklich ankommt, ist, dass es den Klienten nach diesen Sitzungen besser geht. Nicht allen, natürlich, aber einer bedeutenden Anzahl von ihnen. Sie können ohne Tranquilizer und Schlaftabletten auskommen. Es fällt ihnen leichter, sich auf andere Menschen einzustellen, und die Schwere ihrer Neurose lässt nach. Eine Anzahl von ihnen machen sogar eine tief greifende Verwandlung durch und ändern ihre Werthaltungen. Einige nehmen eine deutlich philosophischere Haltung dem Leben gegenüber ein und beginnen, sich nach dem Sinn ihres Lebens auf der Erde zu fragen.«

Indem ich nicht versuchte, sie von irgendetwas zu überzeugen, konnte ich die Skeptiker überrumpeln. Das führte letztlich dazu, dass sie sich als überraschend aufnahmebereit erwiesen. Wir lachten ziemlich viel über die absonderliche Art einiger meiner Fallgeschichten, und ihr Vorsitzender beschloss den Abend, indem er erklärte, dass ihre Gesellschaft letztlich für jede Technik sei, die es erlaube, den Mülleimer der Seele auszuleeren – und genau das ist es, was Rückführung tut.

Rückführung ist nicht so sehr eine neue Technik wie eine neue Erfahrung, oder vielmehr die Ausbreitung einer alten Erfahrung in Proportionen, wie sie bisher noch nicht da gewesen sind. Die Geschichte hindurch, von den indischen Rishis bis hin zu Goethe, über Plato und eine ungebrochene Kette von »Sehern«, gab es immer Individuen, die sich an Erfahrungen aus früheren Inkarnationen auf der Erde erinnerten. Doch diese Erfahrungen waren selten. In den letzten 15 Jahren habe ich deutliche Veränderungen beobachtet in der Art und Weise, wie Menschen Zugang zu Erinnerungen aus früheren Leben finden (oder wie man diese Erfahrung sonst immer nennen mag).

Als ich Anfang der achtziger Jahre Rückführung verwandte, musste ich meine Klienten für zwei Wochen in einem Haus zusammennehmen und die Techniken pausenlos anwenden. Der Prozess war tief greifend und kam nur für Leute in Frage, die durch jahrelange Arbeit an sich selbst schon einen gewissen Grad an emotionaler Stabilität erreicht hatten. Für gewöhnlich war es erst nach sieben oder zehn Tagen, in denen sich innerer Druck aufbaute, dass einige der Teilnehmer begannen, Rückführungserfahrungen zu machen.

Jetzt, in der Mitte der neunziger Jahre, hat sich die Situation ganz erheblich verändert. Stationäre Behandlungen oder Kurse sind nicht mehr nötig. Wöchentliche ambulante Sitzungen von ein oder zwei Stunden Länge reichen aus. Wenn sie sich das erste Mal in meinem Praxisraum hinlegen, beginnen einige Klienten schon zu regredieren, bevor ich noch mit der Anwendung meiner Techniken zu Ende gekommen bin! Der Prozess ist relativ glatt und sanft geworden und ist deshalb auch für nahezu jeden zugänglich. Außerdem sind die Rückführungserfahrungen, die diese Leute machen, oft tiefer und echter als die ihrer Vorgänger vor 15 Jahren. Offensichtlich hat sich etwas verändert. Immer öfter hört man von Leuten, die sich wegen einer Halsentzündung oder sonst einem kleineren Problem einer Akupunkturbehandlung unterziehen, und die gänzlich unerwartet eine eindrucksvolle Erinnerung aus früheren Leben haben, sobald die Nadeln in ihren Körper gesetzt werden – und dies, obwohl weder sie noch ihr Akupunkturpraktiker irgendetwas über Rückführung wussten. Natürlich bleiben dies relativ vereinzelte Fälle, und es wäre nicht richtig zu erwarten, dass Sie einfach im Handumdrehen über Ihre früheren Leben Bescheid wissen werden; jede qualitativ hochwertige Arbeit kostet Zeit und Mühe. Doch ist der Zugang zu Rückführungszuständen unendlich viel einfacher geworden als er es früher war, was auf die Dauer beträchtliche Konsequenzen nicht nur für verschiedene therapeutische Arbeitsbereiche haben kann, sondern sogar für einige der Grundlagen unserer Gesellschaft.

 

IST, Verbinder und Klient

Die IST–Technik der Rückführung beruht auf drei Hauptprinzipien:

 

1.) dem inneren Raum des dritten Auges, der durch den Bereich zwischen den Augenbrauen zugänglich ist.

2.) der Interaktion zwischen zwei Menschen, einem, der sich hinlegt und sich der Rückführungserfahrung unterzieht, und dem anderen, der nahe dabeisitzt und die Energie während der Sitzung überwacht. Man nennt den ersten den 'Klienten' und den zweiten den 'Verbinder'.

3.) der Ergründung, der systematischen Suche nach dem Grund aller emotionalen Prägungen und der verhaltensmäßigen Konditionierungen.

 

Die Anfangsbuchstaben der drei zentralen Begriffe kürzen sich auf Englisch (Inner Space, Interactive, Sourcing) glücklich zu IST ab.

Es muss betont werden, dass die IST–Technik keinerlei Form von hypnotischer Suggestion oder Hyperventilation gebraucht. Sie funktioniert durch die Aktivierung des Energiekörpers, und insbesondere des dritten Auges. Sie führt deshalb zu einer gänzlich neuen Wahrnehmung Ihrer Emotionen als Formen und Wellen in Ihrem Bewusstsein. Diese Sicht auf die Strukturen bietet im Verlauf des Buches mehrfach die Möglichkeit, einige grundlegende Mechanismen feinstofflicher Körper und ihr Schicksal nach dem Tode zu erforschen.

 

 

Kapitel 1

Die Mechanismen der Samskaras

Samskara ist einer der wichtigsten Sanskrit–Begriffe in der hinduistischen Philosophie. Es heißt, dass Yoga, die Vereinigung mit dem Höheren Selbst, erreicht wird, sobald das letzte Samskara abgearbeitet ist. Deshalb ist es das vordringlichste Ziel aller Yoga–Richtungen, aller Wege zur Verwandlung des Selbst, die Samskaras des Verstandes auszulöschen. Deshalb ist es auch so wichtig für diejenigen, die sich selbst kennen wollen (oder vielmehr ihr Höheres Selbst), dass sie ein klares Bild von allen Mechanismen ihrer Samskaras haben.

 

1.1 Der grundlegende Mechanismus

Sie haben an einem ganz bestimmten Ort einen Autounfall. Danach fühlen sie sich lange Zeit jedes Mal unwohl, wenn Sie an diesem Ort vorbeifahren, eine Welle von Angst steigt in Ihnen auf. Sie fühlen sich vielleicht sogar unwohl, wenn Sie nur an das Ereignis denken. Die traumatische Prägung, die in Ihrem Verstand nach dem Unfall zurückbleibt, nennt man ein Samskara. Das schlechte Gefühl, das jedes Mal auftritt, wenn Sie an dem Ort vorbeifahren, nennt man eine emotionale Reaktion, oder einfach eine Emotion. Die Tendenz des Samskara, jedes Mal eine Welle von Angst auszulösen, wenn Sie sich an den Unfall erinnern, nennt man die Dynamik des Samskara.

Grundsätzlich funktionieren alle Samskaras auf die gleiche Weise. Ganz einfach. Und doch, folgt man den Upanishaden, den abschließenden Kapiteln der Veden, dann wird der höchste Bewusstseinszustand erreicht, sobald der letzte Knoten der Samskaras im Herzen gelöst worden ist. Man erreicht absolute Freiheit, und martyo 'mrto bhavati , »das Sterbliche wird unsterblich«. [1]

 

[1 Katha–Upanishad 6.15 und Brihad–Aranyaka–Upanishad 4.4.7. ]

1.2. Wie können wir ein Samskara definieren?

Samskaras sind die Spuren, die im Verstand von früheren traumatischen Erfahrungen zurückbleiben. Etwas vergröbert gesagt, sind Samskaras die «Narben des Verstandes». In dem vierfachen Modell der feinstofflichen Körper, das in diesem Buch benutzt wird, entspricht die Ebene des Verstandes dem Astralkörper.[2]

 

[2 Dieses einfache Modell, das den physischen Körper, den ätherischen Körper, den Astralkörper und das höhere Ego umfasst, wird im Abschnitt 4.3 dargestellt.]

 

Samskaras können daher als Prägungen oder Narben im Astralkörper verstanden werden, und dies wird im Folgenden im Detail untersucht.

Betrachten wir einige Beispiele, um den Begriff des Samskara zu klären. Wenn eine Frau im Alter von 16 Jahren von ihrem Vater vergewaltigt wird, dann hinterlässt das eine Spur in ihrer psychischen Organisation, und diese Spur ist ein Samskara. Ihre Art, mit Männern umzugehen, wird nie wieder die selbe sein. In verschiedenen Lebenssituationen wird diese Spur ihre Emotionen und ihr Verhalten zutiefst beeinflussen. Das heißt für uns, dass ein Samskara weder neutral noch stumm ist. Stattdessen führt es eine kraftvolle Dynamik mit sich – eine emotionale Ladung. Es erzeugt Emotionen, Kräfte von Anziehung und Abstoßung, die das innere Leben dieser Person signifikant verändern. Da es mit derartig schmerzhaften und traumatischen Erinnerungen verbunden ist, kann das Samskara nicht stumm bleiben, es muss sich auf bewusste oder unbewusste Weise zum Ausdruck bringen. Das trifft auf alle Samskaras zu, nicht nur in einigen besonderen Fällen. Ob Sie dessen gewahr werden oder nicht, in der Tiefe Ihres Selbst rufen Ihre Samskaras fortwährend danach, geheilt zu werden.

Nehmen Sie nun an, dass diese Frau, anstatt mit 16 vergewaltigt zu werden, mit drei Jahren missbraucht worden ist. Ihre Erfahrung war dann noch schrecklicher und traumatischer, denn als kleines Mädchen hatte sie keinerlei Möglichkeit zu verstehen was passierte. Für sie war dieser Angriff wie ein Mordanschlag. Doch der Schock war so unerträglich, dass sie alles vergaß, dass er die ganze Episode aus ihrem bewusstem Gedächtnis wegwischte. Das Samskara wurde mit einer noch größeren emotionalen Ladung gespeichert als im Fall der Sechzehnjährigen, doch in diesem Falle ist das Samskara vollständig unbewusst. Später, als Erwachsene, wird ihr gesamtes emotionales und sexuelles Leben von dem verborgenen Trauma untergraben werden, von dem sie überhaupt nichts weiß. Vielleicht läuft sie vor Männern davon, oder vielleicht läuft sie ihnen auch nach, oder sie zeigt alle möglichen Arten von irrationalem Verhalten, die sie eigentlich gar nicht bewusst will. Vielleicht entwickelt sie auch eine schwere Unterleibserkrankung oder hat eine Fehlgeburt, wenn sie eigentlich ein Kind haben will. Ohne einen Prozess, der es ihr erlaubt, die Tiefen ihres Unbewussten zu erkunden, wird sie nie im Stande sein zu verstehen, warum ihr Leben so durcheinander ist. Jeder Versuch, ihr Leben in geordnete Bahnen zu bringen, wird von Anfang an zum Scheitern verurteilt sein, denn ihr fehlt das wichtigste Stück aus ihrem persönlichen Puzzle.

Bis hierher passen alle Beispiele recht gut in psychoanalytische Modelle und in gewöhnliche psychologische Erklärungsmuster. Man könnte freilich über die Tatsache nachdenken, dass die Sanskrit–Texte diese Themen schon einige Jahrtausende vor Freud erörtert haben. Doch auf den hauptsächlichen Unterschied stößt man, wenn man Rückführung anwendet – die Klienten entdecken eine Reihe von Samskaras, die man nicht mit irgendeiner Erfahrung ihres gegenwärtigen Lebens in Verbindung bringen kann.

 

Fallstudie – Zweiundzwanzigjährige Frau. Während des Beginns der IST–Sitzung zeigte sich ein schmerzhafter Punkt in der Magengegend. Nach zwanzig oder dreißig Minuten der Anwendung der Technik wurde die Klientin sehr ruhig und klar, und begann die folgende Episode wiederzuerleben. [3]

 

[3 Die Fragen zu Beginn der Absätze wurden von dem Verbinder gestellt. Die Antworten sind die der Klientin.]

 

Was fühlen Sie? – Es sieht einfach matt und grau aus. Es fühlt sich sehr niedergeschlagen an. Eine Frau, deren Kopf zwischen ihren Schultern hängt, rückwärts. Sie ist ziemlich jung, mit langen Haaren, sie hat ein weißes Kleid an. Ich kann ihr Gesicht nicht sehen.

Fühlt sie sich glücklich oder traurig? – Sie ist sehr, sehr traurig.

Weint sie? – Nein.

Fühlt es sich warm oder kalt an um sie herum? – Kalt.

Gibt es irgendwelche Geräusche? – Nein, es ist totenstill. Sie ist wirklich müde. Es fühlt sich jetzt gespannter an im Magen.

Was will sie? – Sie will etwas zurück, das sie verloren hat. Sie weiß, dass sie nichts tun kann.

Ist sie allein? – Ja. Sie ist sehr jung. Sie ist verletzt.

Körperlich verletzt? – Ja.

Hat sie Schmerzen? – Sie hat viel Blut verloren. Doch sie achtet nicht darauf. Ihr ist sehr kalt.

Können Sie ihre Schmerzen spüren? – Sie beginnen im Magen, dann die Rippen, und sie ziehen sich zum Rücken durch, zwischen die Schulterblätter. Sie fühlt ihr Herz schlagen. Sie trauert um etwas. Ihre Familie ist fort, und sie können nicht zurückkommen. Sie möchte einfach nur sterben.

Ihre Familie? – Ein Mann. Und ihr Kind. Der Junge war drei. Er hatte weiches, lockiges Haar... Es war ein überfall. Der Mann war sehr stark, deshalb hat man ihn irgendwohin weggebracht.

Und das Kind? –– Das Kind wurde umgebracht. Er starb vor ihren Augen.

Wie? – Es war sehr schwierig, sehr grausam. Sie erinnert sich nicht richtig daran.

Wie ist er gestorben? – Ein Speer durch ihn durch. Ihre Lippen sind blau geworden... Auch die Frau wurde angegriffen.

Was haben sie ihr getan? – Ungefähr sechs Soldaten.

Wie sahen sie aus? – Dunkle Mäntel, kurzes Haar, mit Helmen. Irgendwas oben auf den Helmen drauf. Keine Bärte. Sie waren dunkelhäutig. Kleiner als ihr Mann.

Was haben sie ihr getan? – Ich weiß nicht. Sie erinnert sich nicht daran. Es ist nicht wichtig.

Versuchen Sie es zu sehen. – Vier Männer hielten sie fest. Es ist schwer zu sagen. Sie hielten sie fest und vergewaltigten sie gleich neben der Leiche von ihrem Kind.

War es tot? – Ja.

Und dann? – Als sie fertig waren, trat ihr der Letzte in den Magen und in die Rippen. Das ist der Grund, dass sie Blut in ihrem Mund schmecken kann.

Und dann? – Sie kriecht zurück in ihr Haus... Und sie stirbt kurze Zeit später.

 

Wie es oft der Fall ist, lag dieses Samskara vergraben und die junge Frau hatte nie zuvor gedacht, dass es es gäbe. Doch es war nicht allzu tief vergraben, denn es konnte in der Rückführungssitzung – die erst die zweite im Prozess war – an die Oberfläche geholt und wiedererlebt werden. Da es eine derartig dramatische emotionale Ladung bekommen hatte, konnte das Samskara auf keinen Fall neutral und untätig bleiben. Ein Jahr bevor diese Rückführungssitzungen stattfanden, hatte die junge Frau ein Kind durch eine Fehlgeburt wenige Wochen vor dem erwarteten Geburtstermin verloren. Während sie die Rückführung durchmachte, erkannte sie unmittelbar, dass der Schmerz, den sie bei ihrer Fehlgeburt erlebt hatte, genau der gleiche war wie der jener Frau, als sie vergewaltigt und ihr Sohn umgebracht wurde.

Die überlagerung dieser beiden Episoden ist in der Tat verblüffend. Es ist, als ob das Drama aus der Vergangenheit hätte wiederholt werden müssen, weil die Wunden, die es geschlagen hatte, nicht geheilt worden waren. Ohne zu erkennen, dass dieses Samskara in ihrem Unbewussten lag und sie beeinflusste, was für eine Chance hatte die junge Frau zu verstehen, was in ihrem gegenwärtigen Leben vor sich ging? In einem Fall wie diesem kann man schwer sagen, ob die Fehlgeburt auch dann geschehen wäre, wenn die Rückführung vor ihrer Schwangerschaft ausgeführt worden wäre. Sobald jedoch die Klientin dieses Samskara entdeckt hatte, begann sich ihr Leben zu verändern. Ihre Traurigkeit ließ nach und die emotionale Wunde, die von der Fehlgeburt zurückgeblieben war, begann zu heilen. Sie gewann wieder eine gewisse Zentriertheit und ein größeres Zielbewusstsein.

 

1.3 Haben Samskaras immer mit negativen Erfahrungen zu tun?

Das Kriterium dafür, dass sich ein größeres Samskara einprägt, ist nicht der Schmerz, sondern die Intensität. Starke Samskaras werden in den Astralkörper eingegraben, wenn eine Episode mit emotionaler Intensität verbunden ist. Wir wissen alle aus unserer Lebenserfahrung, dass wir dazu neigen, öfter zu unglücklich als zu glücklich zu sein. Man kann erwarten, dass es sich in früheren Leben genauso verhalten hat. Das erklärt, warum größere Samskaras, die aus unserer Vergangenheit zum Vorschein kommen, statistisch eine größere Chance haben, von schmerzhaften als von glücklichen Ereignissen herzurühren. Jedoch kann auch irgendeine intensive Freude ein Samskara schaffen, in genau der gleichen Weise wie man in der chinesischen Medizin annimmt, dass Freude einen Herzanfall auslösen kann.

 

Fallstudie– Vierundzwanzigjähriger Mann.

 

Ich bin in einem sehr kleinen Raum, es ist wie wenn Metall überall um mich herum wäre. Da ist ein Vibrieren, ein metallisches Vibrieren... Ich sehe alle diese Leute. Ich weiß, dass ich an der rechten Seite verletzt bin, aber ich spüre noch nicht einmal etwas davon. Ich bin vollständig erschöpft, erledigt. Und gleichzeitig fühle ich mich so gut! Wie wenn ich drei Tage und drei Nächte ohne Pause gekämpft hätte. Es fühlt sich so... so anders an als alles. Es ist gar nichts von mir übrig, da ist nur der Himmel.

Es ist ein Cockpit. Ich bin in einem Flugzeug. Ich kann den Lärm hören, und da ist auch das Vibrieren. Das Flugzeug wird landen. Das ist mehr als nur erschöpft sein, das ist auch wie wenn ich alles von ganz weit weg sehen würde.

Es gibt einen Schlag, als das Flugzeug auf den Boden aufsetzt. Und ich kann alle diese Leute sehen, eine Menschenmenge, die auf mich wartet. Da ist ein Gefühl von Stolz... Oh! Mein Gott! Es ist groß. In meinem Herzen ist ein ungeheures Gefühl von Stolz. Ich weiß nicht, was ich getan habe, aber sie scheinen das sehr zu schätzen. Es ist Krieg...

Mein Flugzeug ist gelandet und sie winken alle mit den Armen. Sie rennen auf das Flugzeug zu. Oh! Mein Gott! [Er beginnt zu weinen.] Ich glaube, ich breche jetzt zusammen. Ich habe so lange, so lange nicht geschlafen... Ich habe nicht gewusst, dass man solchen Stolz spüren kann.

 

1.4 Wie verstärken Emotionen die Samskaras?

Es gibt verschiedene Gründe, warum ein Samskara viel tiefer in Ihre Struktur eingeprägt wird, wenn es von einer intensiven Emotion begleitet wird. Stellen Sie sich vor, sie sollen geköpft werden. Diese Erfahrung wird einen viel tieferen Eindruck auf Ihre Seele machen, als wenn sie zum Frisör gingen. Sie können gedankenlos zum Frisör gehen und dabei Tagträumen nachhängen, ohne dass die Sache Sie eigentlich betrifft. Sie können nicht zu Ihrer Hinrichtung gehen, ohne dass Sie davon betroffen sind. Sie mögen viele Frisörbesuche vergessen haben, doch wenn Sie aus den Kerker entkommen sind, werden Sie das auf keinen Fall je vergessen, denn im Kerker waren Sie in dem völligen Gegenteil von einem gedankenlosen Zustand. Dort sind alle Ihre Sinne weit offen. Sie sind auf das äußerste bewusst und wachsam. Das ist nicht eine dunstige Wolke, die sich Ihrem Gedächtnis einprägt, sondern ein scharfes und deutliches Bündel von Gedanken, Gefühlen und Wahrnehmungen. Wenn Sie mit dem Leben davonkommen, werden Sie sich sogar noch nach 30 Jahren an jede kleinste Einzelheit erinnern können. Jedes Bit der Information wird gespeichert sein: wie die Zelle aussah und wie sie sich anfühlte, die Farben der Wände, jedes Geräusch und jeder Geruch, alle Ihre Gefühle. Und wenn Sie schließlich im Kerker sterben, werden Sie dieses ganze Bündel von Erinnerungen als eines der brillantesten Ihres ganzen Lebens zurückbehalten, und Sie werden es in die folgenden Leben hinein mitnehmen.

 

1.5 Werden alle Samskaras von bedeutenden Ereignissen oder Gefühlen geschaffen?

Einige größere Samskaras können durch relativ geringfügige Ereignisse zustande kommen, denn das Samskara entsteht nicht durch das Ereignis selbst, sondern durch Ihre emotionale Reaktion darauf. So kann zum Beispiel ein Kind durch ein Tier außerordentlich erschreckt werden. Für ein Kind kann sich sogar ein zahmer Hund plötzlich in ein schreckliches und lebensbedrohliches Monster verwandeln und eine irrationale panische Angst auslösen, wodurch ein starkes Samskara entsteht. Umgekehrt bleiben manche Leute auch in äußerst dramatischen Umständen emotional stabil, und so erleben sie sehr intensive Ereignisse, ohne dass sich ein größeres Samskara einprägt.

 

1.6 Mikro–Samskaras und eigentliche Samskaras

Bislang haben wir nur die Samskaras betrachtet, die eine starke emotionale Ladung mit sich führen. Neben diesen größeren Prägungen werden jedoch auch unzählige kleinere in Ihrem Geist gespeichert.

Der Input, den Sie ständig von Ihren Sinnesorganen bekommen, wird in unbewussten Regionen des Geistes aufbewahrt. Sie wissen, dass die Einzelheiten nicht verloren sind, weil sie jederzeit wieder ins Gedächtnis zurückgerufen werden können, wenn ein entsprechender auslösender Reiz auftritt. So kommen Sie zum Beispiel an einen Ort, an dem ein bestimmter Geruch in der Luft hängt, und plötzlich stellt sich eine Verbindung zu einer lange vergangenen Episode her. Im Bruchteil einer Sekunde sind Sie wieder in einen Raum versetzt, in dem Sie sich vor 30 Jahren aufgehalten haben. Die Farben, die Geräusche, die Atmosphäre jenes Raumes kommen wieder in Ihr Bewusstsein, weil der Geruch darin ähnlich war wie der, den Sie jetzt wahrnehmen. Diese Erinnerung kommt Ihnen nicht, weil Ihnen in jenem Raum irgendetwas Dramatisches zugestoßen wäre. Die Situation war ganz normal, Sie haben keine besonderen Gefühle oder Schmerzen gehabt. Der gleiche Mechanismus funktioniert oft genauso mit einem alten Musikstück oder Lied, das Sie unmittelbar in einen Abschnitt ihrer Vergangenheit versetzen kann, und das dabei alle damit zusammenhängenden Emotionen und Gefühle wachruft.

In diesem Muster kann man die Mechanismen eines Samskara erkennen. Ein Bündel von Sinneseindrücken wird Ihrem unbewussten oder bewussten Verstand eingeprägt. Es wird dort aufbewahrt, ohne

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Tag der Veröffentlichung: 02.04.2017

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