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Kapitel 1 Familie

Ich fiel in einen brennenden Ring aus Feuer

Ich ging zu Boden, zu Boden, zu Boden

Und die Flammen schlugen höher

 

Johnny Cash - Ring of Fire

 

Mianna

 

Langsam kehrte nach der großen Aufregung der Alltag wieder ein. Emma war hocherfreut gewesen, dass Kenian hier auch auf die Schule ging. Auch Nelson durfte bleiben. Emma verbrachte jetzt kaum noch Zeit mit uns. Entweder war sie mit Kenian zusammen oder bei ihrem Kampftraining.

Sophann und Zac verbrachten auch viel Zeit miteinander und ich fand die beiden so süß zusammen. Doch sie vergaßen ihre Freunde darüber nicht. Wir waren ihr wichtig. Lilly hatte noch keinen Freund, aber sie machte jetzt mehr mit Zacs Schwester Leonie.

Tja, und Leinar und ich verbrachten auch viel Zeit mitenander, aber auch wir vergaßen dabei unsere Freunde nicht.

 

Leinar saß jetzt öfter mit Zac und Robin im Gemeinschaftsraum im Hauptgebäude vorm Fernseher und sahen sich auf einem menschlichen Sportkanal dieses Spiel an, wo die Leute hinter einem Ball her liefen und ihn ins Tor der gegnerischen Mannschaft bringen mussten. Ich fand dieses Spiel ja ziemlich unsinnig, aber die Jungs schienen es zu lieben. Sie spielten es wohl auch in ihrem Sportunterricht auf dem Sportplatz.

Sophie, Lily und ich gingen oft nach draußen, um auf der großen Wiese vor dem Schlossgarten Picknick zu machen und die Sonne zu genießen. Es war Spätsommer und die Tage wurden langsam kühler und kürzer.

Ich vermisste Cameron irgendwie. Obwohl ich ihn gar nicht so lange gekannt hatte, war er mir doch ans Herz gewachsen. Was er jetzt wohl da oben beim Lebenssee machte? Wenn er nicht gerade stur in der Gegen stand meine ich.

Ich bekam jetzt Extraunterricht von Tiljan und Miron. Tiljan hatte auch Camerons Unterricht übernommen und seinen Königinnnenunterricht vorgezogen. Er machte das wirklich gut. Es war witzig wie er demonstrativ falsch präsentierte wie man sich als Königin besser nicht benehmen sollte. Manchmal kam seine Frau Laja dazu, wenn es um die königlichen Tänze ging. Sie wohnte jetzt im Schloss und

 

unterrichtete sonst mit Morley zusammen magische Tänze.

Gerade war ich jedenfalls ein bisschen allein draußen unterwegs und hatte mir einen Platz vor der Schlossbrücke auf der Wiese gesucht. Es war sehr gemütlich und ich ließ mir die Sonne ins Gesicht scheinen. Mein Unterricht war für heute zu Ende, aber Leinar hatte noch eine Stunde.

Ich schloss die Augen und träumte genüsslich vor mich hin, doch schon bald hörte ich Schritte näher kommen. Wiederstrebend öffnete ich die Augen und sah Renn vor mir stehen.

"Hey, darf ich dir Gesellschaft leisten?", fragte er mich freundlich. Er trug einen roten Rollkragenpullover zu einer schwarzen Jeans. Seine Haare waren im Igelschnitt gestylt und seine Augen leuchteten aufgeregt. Irgendwie wirkte sein Aussehen auf mich nicht gerade wie meine Vorstellungen von einem Opa. Er wirkte viel zu jung. Er hätte ebenso gut mein zehn Jahre älterer Bruder sein können. (Den ich natürlich nicht hatte, weil ich keine Geschwister hatte. Ich war Einzelkind.)

"Klar, gerne." Ich war leicht nervös. Bisher hatte ich noch nicht mit ihm geredet. Er setzte sich zu mir, was für mich ziemlich fehl am Platz aussah.

 

"Was du da am Lebenssee geleistet hast war große Klasse.", erklärte er mir voller Stolz, als wäre das sein Verdienst gewesen.

"Oh, ähm... Danke. Ich hatte ja auch Hilfe.", erwiederte ich bescheiden.

"Troztdem.", beharrte er. "Du bist viel stärker als du denkst. Du musst nur deine Feuermagie weiter trainieren."

"Ich weiß und das versuche ich ja auch beim Extraunterricht bei Lady Meisold. Aber so wirklich Ahnung scheint Niemand von Feuermagie zu haben.", erwiederte ich frustriert.

"Ich schon.", bemerkte Renn nun.

"Wie das?", wollte ich wissen. Jetzt hatte er meine volle Aufmerksamkeit.

"Hör zu, was ich dir jetzt sage, darfst du Niemanden erzählen. Nicht mal deine Großmutter weiß etwas davon. Du darfst davon wirklich NIEMALS sprechen, ausser mit mir."

Na toll, noch eines dieser Geheimnisse, dass ich bewahren musste.

"Na klar. Ich verspreche es."

"Eine meiner Fähigkeiten ist Feuermagie.", erzählte er mir dann und das haute mich total um. Damit hätte ich überhaupt nicht gerechnet.

"Aber jede Fähigkeit gibt es nur ein mal." Ich schüttelte

 

den Kopf. Versuchte zu begreifen, was Renn mir da gerade erzählt hatte.

"Ja schon, aber bei der Feuermagie ist es etwas anderes. Sie wird meist über Generationen weiter vererbt und so kann es schon mal sein, dass es auch zwei mit unserer Fähigkeit gibt."

"Aber wieso hast du deine Feuermagie nicht beim Lebenssee eingesetzt?" wollte ich nun wissen.

"Na ja. So gefährlich schätzte ich die Lage nicht ein und du hattest das ganz gut im Griff. Ich möchte es so lange geheim halten, wie es geht. Das sollte am Ende unser größter Triumph sein."

"Können deine Geschwister das auch?", fragte ich.

"Nein, aber wenn sie dabei sind, ist meine Fähigkeit stärker. Blutsmagie. Sie wissen es auch nicht.", erklärte er.

"Und wieso hast du es dann mir erzählt?" Wieso glaubten alle mir Geheimnisse zu verraten, denen sie sonst Niemanden erzählten?

"Weil ich mir sicher bin, dass du davon profitieren kannst.", erklärte Renn. "Wenn wir gemeinsam Feuermagie bewirken könnten, wären wir praktisch unbesiegbar. Aber wir müssen eben üben."

"Könnte es nicht sein, dass welche von der Gegenseite

 

auch Feuermagie als Fähigkeit haben?" Die Vorstellung beunruhigte mich.

"Ich glaub nicht. Nur bei Tedren könnte ich mir das gut vorstellen und das beunruhigt mich sehr."

Verständlicher Weise.

"Wieso gerade Tedren?", wollte ich wissen.

"Weil er mal was mit Feena hatte und Feena hat bestimmt auch Feuermagie in sich.", überlegte Renn.

"Aber davon hat sie nichts erzählt.", gab ich zu Bedenken.

"Nein, das würde sie wohl auch nicht."

"Du meinst sie könnte es auf ihn übertragen haben?"

"So was in der Art..."

"Also Unterricht, gut. Was soll ich den anderen sagen, besonders Lady Meisold, die mich ja schon in Feuermagie unterrichtet."

"Du hast Unterricht mit mir, aber nenn es einfach Theorie der Sterne."

"Wieso das?", fragte ich entgeistert.

"Weil unser Unterricht jeden Donnerstag von vier bis sechs Uhr morgens ist. Wenn das Schloss noch schläft bekommt es nicht mit, was wir machen."

"Na, das kann ja heiter werden.", kommentierte ich seine Ankündigung trocken.

 

"Wir werden in den Wald gehen müssen. Da geht fast Niemand rein.", verkündete Renn unbeirrt weiter, ohne auf meine Bemerkung einzugehen. "Wir werden uns immer vor dem Schloss treffen."

"Ich hab wohl keine andere Wahl."

"Das ist wichtig, Mianna.", beschwor er mich. "Es könnte irgendwann über Leben und Tod entscheiden."

"Na gut, ich werde da sein. Du kannst dich auf mich verlassen.", verprach ich.

"Das ist schön.", freute er sich. "Vielleicht können wir uns ja dabei auch etwas besser kennen lernen. Ich würde dich gerne besser kennen lernen."

"Unbedingt, ich freu mich drauf."

"Dann will ich dich auch gar nicht weiter stören." Renn stand auf und winkte zum Abschied. "Bis zu unserer ersten Unterrichtsstunde."

"Ja, bis dann."

Renn ging wieder Richtung Schloss und ich sah ihm hinterher. Definitiv eher großer Bruder als Opa. Opa passte einfach nicht zu ihm, nicht mal Vater. Er wirkte einfach so verdammt jung und sah nebenbei auch noch richtig heiß aus. Oh Gott! So weit war es also schon mit mir gekommen? Ich bezeichnete meinen Opa als heiß.

 

Für mich bedeutete das jedenfalls wohl noch mehr Extraunterricht. Die Donnerstage würden wohl hart werden.

Ich fragte ich, ob Feuer und Wald so eine gute Mischung waren, aber vermutlich kannte Renn dieverse Schutzzauber, die vor Feuer schützten. Vielleicht hätte er sogar die brennende Elfe retten können.

 

Leinar

 

Früher war ich einsam und jetzt hab ich Mianna. Ich bin immer noch dabei mich dran zu gewöhnen mehr unter Leute zu sein. Doch Mianna ist so wunderbar. Ich genieße jeden Moment mit ihr. Als ich klein war, hatte ich Evaniel und das hat mir gereicht. Wir waren ein gutes Team und brauchten keine Anderen um uns rum. Als er dann gestorben ist, brauchte ich lange, um damit fertig zu werden. So richtig hat das wohl bis heute noch nicht geklappt, aber durch Mianna ist es für mich ein wenig einfacher geworden, damit umzugehen. Damals zog ich mich zumindest mehr und mehr in mich zurück, sogar vor meinen Eltern. Es dauerte lange bis ich mich ihnen wieder öffnete. Und dann wurde mir auch noch meine Mutter genommen. Das hatte mich endgültig aus der Bahn geworfen. Mein Vater gab sich Mühe unser

 

Familienleben aufrecht zu erhalten, aber auch er brach irgendwann zusammen und zog sich zurück. Ich war nach der Schule die meiste Zeit allein und selbst in der Schule blieb ich für mich. Mich störte das jetzt nicht groß. Ich war viel im Freien und ich stellte mir vor Evaniel sei noch an meiner Seite und würde wie früher viel zusammen mit mir machen. Er wurde zu meinem besten imaginären Freund.

Gott, wie sehr ich Evaniel vermisste. Wie gern hätte ich ihm von Mianna erzählt und wie toll sie ist und dass sie mir endlich das Gefühl gibt Teil einer Gemeinschaft zu sein, nicht mehr allein zu sein und wie toll dieses Gefühl ist. Ich würde es vermutlich nie zugeben, aber Mianna hat Recht. Es ist nicht gesund allein zu sein. Jeder braucht wenigstens ein paar Freunde.

Mit Zac und Robin rede ich zwar meistens nur über unsere Hobbys, aber es tut trotzdem gut sie zu haben. Sie können Evaniel sicher nicht ersetzten, aber das sollen sie ja auch gar nicht.

Als ich von der Sportstunde an den großen Gemeinschaftsraum im Hauptgebäude vorbei ging, begegnete ich meiner Mutter. Sie hatte sich verändert in all den Jahren. Offenbar war sie hier bei einem menschlichen Friseur gewesen. Ihr Haar war nicht mehr schwarz, sondern blond. Es

 

wirkte als hätte sie nie eine andere Haarfarbe gehabt. Sie waren auch nicht mehr so lang wie früher, sondern schulterlang. Also auf der einen Seite hatte sie kurzes Stoppelhaar und auf der anderen waren sie lang. Sie trug ein schlichtes, blaues Sommerkleid.

"Hallo Schatz, wie geht es dir?", begrüßte sie mich.

Ich zuckte bei diesem Kosenamen zusammen. Schatz hatte sie mich früher immer genannt. Ich war ihr Liebling gewesen. Evaniel war damals zeitweise etwas launisch und nur ich konnte ihn bremsen. Ich war der ruhige Pol zu seinem aufbrausendem Wesen.

"Hi Mum. Ganz gut, schätze ich.", antwortete ich.

"Wollen wir jetzt reden?", fragte sie mich. "Hast du Zeit?"

"Gern.", nickte ich und folgte ihr durch den leeren Gang. Ich hätte mich am liebsten noch umgezogen. Meine Trainingssachen waren leicht verschwitzt, aber falls sie was merkte, ließ sie es sich nicht anmerken oder es störte sie nicht.

Sie führte mich in einen ruhigeren Teil des Schlosses in eine Suite. Ich hatte nicht gewusst, dass es auch im Hauptgebäude Suiten gab. Der Raum, den ich betrat, war ausgestattet mit einem Sofa, einem Fernseher und einem Kühlschrank, mehr nicht.

 

"Setz dich doch.", bat sie mich. "Ich hol uns etwas zu trinken. Sie verschwand in einem Nebenraum und kam wenig später mit zwei Gläsern Mandarinensaft wieder und setzte sich zu mir. Sie wusste also noch, dass ich dieses Zeug wie verrückt liebte. Selbst Mianna hatte das ziemlich schnell mit bekommen. In unserer Suite stand fast immer ein gefülltes Glas Mandarinensaft für mich bereit.

Meine Mutter lächelte mich an und wirkte etwas nervös.

"Leinar, ich weiß wie schwer es für dich und deinen Vater gewesen sein muss, als ich auch noch gegangen bin, aber ich habe nie aufgehört euch zu lieben. Es gab keinen Tag, an dem ich nicht an euch gedacht oder euch vermisst habe."

"Na ja, es ist ja nicht so, als hättest du eine Wahl gehabt.", bemerkte ich.

"Tja, eigentlich hatte ich die sehr wohl.", gestand sie mir.

Ich sah sie überrascht an. "Was?"

"Ich war selbstsüchtig, Leinar. Mit deinem Vater war es gerade sehr schwierig und sie boten mir diese Stelle an. Da ich die Tochter deiner Oma bin, hatte ich sehr wohl eine Wahl. Aber ich wollte da raus. Es wurde mir alles zu viel. Ich wollte Abstand von dem Ort, an dem Evaniel so oft gespielt hatte."

 "Oh! Und mich lässt du einfach so allein?" Ich zuckte

 

zusammen. Sie hatte mich im Stich gelesen. Nur daran konnte ich jetzt denken.

 "Ich weiß, es war dir gegenüber nicht fair. Besonders dir gegenüber nicht. Und ich weiß auch, dass es mit einer einfachen Entschuldigung nicht getan ist."

"Dad gegenüber war es auch nicht fair. Er wurde jetzt zwei mal im Stich gelassen. Er ist am Ende, Mum." Schuldgefühle überkamen mich, weil ich einfach so gegangen war, genau wie meine Mutter. Ich hatte doch selbst nur von ihm weg gewollt und jetzt war er ganz allein und mit Sicherheit sehr depressiv.

"Zwei Mal? Wieso zwei Mal?", fragte meine Mutter mich verwirrt. Ich konnte die Tränen nicht zurück halten. Sie liefen einfach so über mein Gesicht.

"Ich weiß nicht, ob ich tatsächlich hier angenommen worden wäre. Ich hab vorsichtshalber die Auswahl etwas manipuliert. Auch ich wollte weg von ihm."

"Oh Schatz, das hätte nichts geändert. Du wärst sowieso hier angenommen worden. Deine Oma ist Schulleiterin und du hast zwei ganz besondere Fähigkeiten." Das sollte mich wohl trösten, aber ich war mir nicht sicher, ob das funktionierte.

"Trotzdem.", beharrte ich. Aber eigentlich hätte ich auch

 

selbst drauf kommen können. Natürlich hatte Oma ihre Familie im Schloss um sich gescharrt. Alle bis auf meinen Vater jedenfalls. Dann fiel mir etwas anderes ein.

"Laja wohnt doch auch im Schloss. Wieso kann Dad nicht zu uns kommen?"

"Oh Leinar, das ist nicht so einfach. So was sind Ausnahmen. Das ist nur ganz selten."

"Aber Oma könnte das veranlassen.", beharrte ich. "Sie könnte es."

"Liebling, das ist alles viel komplizierterl.", erklärte sie mir vage.

"In wie fern?"

"Eigentlich ist er wer anders." Sie sah mich nicht an.

"Was?" Ich verstand kein Wort.

"Das was ich dir jetzt sage muss geheim bleiben. Dein Vater kann verschiedene Gestalten annehmen. Unter anderem auch die anderer Zauberwesen. Das ist seine besondere Fähigkeit. Er war früher Jemand anders. Dieser Andere ist durchaus bekannt in der Elfenwelt."

"Wer war er?" Ich konnte das kaum glauben. Kein Wunder, dass mein Vater durchdrehte.

"Er wird dir nichts sagen. Er war Gavin. Der Mann von Djanas Schwester Lavinia. Er war unter anderem mit Tiljan

 

und Cameron gut befreundet. Du weißt doch wer Djana ist, oder?"

Ich nickte. Das konnte übel enden, wenn Tedren das raus bekam.

"Aber Lavinia lebt doch noch. Wieso ging er nie zu ihr zurück?", wollte ich wissen.

"Weil er Tedren gegen sich aufgebracht hatte und Tedren bringt man besser nicht gegen sich auf. Das hätte mit dem Tod enden können. Da ist er lieber geflohen."

"Also liebt er Lavinia noch?" Der Gedanke war nicht gerade angenehm für mich.

"Nicht so sehr wie dich und mich.", versicherte meine Mutter mir. Dann waren Joseph und Venja ja meine Halbgeschwister. Ich hatte von ihnen schon gehört. Verrückte Sache.

"Und nicht mal Tiljan und Cameron kannten seine Fähigkeit?" Das konnte ich kaum glauben.

"Nein, er hat es ihnen nie erzählt und seitdem hat er sie nie wieder gesehen. Ich denke Tiljan würde vermutlich selbst nach all der Zeit erkennen, dass er Gavin ist, oder es in seinen Visionen sehen sobald er ihn sah. Das Risiko wäre einfach zu hoch."

"Aber Tiljan würde ihn nie an Tedren ausliefern.", erinnerte

 

ich sie.

"Nein, aber andere vielleicht, wenn sie davon erfahren würden."

 Ich schüttelte verwirrt den Kopf. Das wr alles so verwirrend. Die arme Lavinia. Sie hatte so lange in dem Glauben gelebt, ihr Mann sei tot. Dabei war er die ganze Zeit unter uns. Hoffentlich musste sie das nie erfahren.

"Ich muss über all das erst einmal nachdenken. Außerdem wartet Mianna auf mich. Ich sollte jetzt gehen." Also stand ich auf.

"Natürlich, das verstehe ich, aber ich liebe dich, Schatz. Ich liebe dich so sehr."

"Ich liebe dich auch, Mum." Und ich meinte das auch so. Also umarmte ich sie zum ersten Mal nach all den Jahren. Dann ging ich.

"Bis dann, Leinar.", rief sie mir hinterher. Ich wollte nur noch zu Mianna. Für mich war sie die Verkörperung meines Seelenfriedens und den brauchte ich jetzt dringend. Das war alles viel zu verrückt.

Kapitel 2 Vergangenes

 Wie kann ich es versuchen, zu erklären,

wenn er sich dabei wieder abwendet?

Es war immer dasselbe, die selbe, alte Geschichte.

Vom Moment an, in dem ich hätte reden können,

war ich gezwungen zuzuhören.

Jetzt gibt es einen Weg und ich weiß,

dass ich gehen muss!

Ich weiß, dass ich gehen muss.

 

Ronan Keating - Father and Son

 

Mianna

 

Als Leinar in unsere Suite kam, war ich gerade dabei, die letzten Seiten von Seelen zu lesen. Ich war seit den Abendteuern vom Lebenssee kaum dazu gekommen das Buch in die Hand zu nehmen, aber nach dem Gespräch mit Renn hatte ich einfach das Bedürfnis dazu gehabt. Leinar war ja eh noch nicht da gewesen. Aber als ich jetzt Leinars Gesichtsausdruck sah, legte ich das Buch noch mal zur Seite. Das Ende musste eben warten.

 

"Was ist los?", wollte ich wissen.

Er stellte seine Sporttasche ab und setzte sich neben mich aufs Sofa.

"Ich weiß auch nicht. Ich habe mich mit meiner Mutter unterhalten. Sie hatte eine Wahl gehabt. Sie hätte bei uns bleiben können." Er wirkte ziemlich durcheinander.

"Oh Leinar.", sagte ich nur. Ich wusste, wie er sich gequält hatte wegen seiner Mutter. Er musste sich schrecklich fühlen, weil sie ihn offensichtlich verlassen hatte.

"Keine Ahnung, es tut irgendwie weh. Dabei hab ich mir nichts sehnlicher gewünscht als meine Mutter zu finden und jetzt weiß ich nicht, was ich davon halten soll."

"Lass dir Zeit. Mit der Zeit wird sich das finden.", riet ich ihm.

"Ja, mal sehen. Wie war dein Tag?"

Offenbar wollte er nicht weiter darüber reden und ich akzeptierte das.

"Ich hab mich mit Renn unterhalten. Er will mich besser kennen lernen.", erzählte ich ihm.

"Und willst du das auch?"

"Ja, er schien wirklich nett zu sein. Irgendwie krieg ich das noch nicht so in meinen Kopf. Das er mein Großvater sein soll, mein ich. Er wirkt so jung."

 

Leinar grinste. "Tja, das ist er aber. Ich werde jetzt erst mal duschen gehen. Bis gleich."

"In Ordnung, bis gleich." Er stand auf und verschwand. Ich hatte das Gefühl, dass Leinar mir nicht alles erzählt hatte. Aber ich erzählte ihm ja auch nicht alles. Also war das nur fair.

 

Mion

 

Ich hatte meine Familie jetzt schon zwei mal verloren. Als ich zu Mion wurde, war es mir schon schwer gefallen Lavinia los zu lassen. Und natürlich auch meine Kinder Joseph und Venja. Ich vermisse sie auch heute noch. Vielleicht jetzt sogar mehr denn je. Aber jetzt waren auch noch Keena und Leinar fort. Ich konnte sie ja verstehen. Seit Evaniels Tot war ich nicht mehr wie früher. Es war eigentlich ziemlich verrückt, wie ich Keena kennen lernte. Ich war das fünfte Jahr untergetaucht und meiner alten Heimat so nahe gekommen wie nie zuvor. Ich war einsam und hatte bestimmt schon fünf mal meine Gestalt gewechselt. Zuerst war ich ein Zwerg gewesen, dann ein Zauberer, ein Gnom, ein Mensch und dann die Fee, die ich jetzt bin. Bei der Fee war ich nämlich geblieben.

 

Ich war gerade auf diesem Berg bei Bernsfield und da stand sie oben auf dem Gipfel. Anmutig und wunderschön. Ich konnte sie nur ansehen. Sie drehte sich zu mir um und lächelte mich auf diese verschmitzte Weise an. "Hallo, hier verirrt sich sonst kaum Jemand her."

Ihre Stimme klang rau und tief.

"Tja, jetzt schon.", bemerkte ich lächelnd.

"Wie heißt du?", fragte sie.

Der Name Mion fiel mir schnell ein, weil ich von dem Zwergenprinzen Miron schwer beeindruckt war und Mion klang so ählich wie Miron. Also nannte ich ihr diesen Namen. Wir kamen ins Gespräch und so begann unsere Geschichte.

Ich vermisste auch Cameron und Tiljan sehr und so suchte ich mir eine Familie, die zwei Söhne in meinem Alter hatte. Die Familie adoptierte mich. Als Mion sah ich noch sehr jung aus. Jünger als Gavin es damals war. Aber dennoch vermisste ich meine Freunde und dass Tedren sich gegen mich gewendet hat, tat mir sehr weh. Mit Keena wurde es aber leichter zu verdrängen, wer ich wirklich war und ich bekam außerdem eine neue Familie.

Jetzt war ich wieder ganz allein und depremierter denn je. Ich hatte als ich Leinar aus purer Verzweiflung im Zug

 

aufgesucht hatte, mein möglichstes riskiert, aber nun war auch er noch fort.

Die Erinnerung an Leinar und Evaniel ließ mich lächeln. Sie hatten beide total gleich ausgesehen, waren aber so unterschiedlich wie Tag und Nacht. Keena hatte Leinar vergöttert und ich liebte den Jungen auch, aber für mich war immer Evaniel der gewesen, dem ich etwas mehr Zuneigung entgegen brachte. Sein impulsives Wesen hatte mich in seinen Bann gezogen und oft schien er Tiljan so ähnlich zu sein. Leinar war eher mit Cameron zu vergleichen. Er war stiller und nachdenklicher und hatte einige seltsame Eigenschaften an sich. Das Barfuß gehen (obwohl das unter Feen ja eigentlich normal war) und seine Vorliebe für Mandarinensaft waren da wohl die, die er der Öffentlichkeit am ehesten zeigte. Doch wer wusste schon, dass Leinar imaginäre Freunde hatte oder mit sich selbst sprach, wenn er sich unbeobachtet fühlte. Er hatte immer die seltsame Angewohnheit sich die Haare hinters Ohr zu streichen, obwohl seine Haare dafür gar nicht lang genug waren. Er kaute gerne auf Bleistiften rum, wenn er Langeweile hatte oder nervös war und hatte ein goßes Potential an Magie. Leinar war schon immer ungewöhnlich nachdenklich gewesen, selbst als Kind, und er konnte eigentlich trotz seiner

 

Einsamkeit gut mit Feen umgehen. Leinar war gut in Telepathie und selbst nach Evaniels Tot benutzte er manchmal sogar während er mit Keena oder mir redete die Geheimsprache, die er und Evaniel sich ausgedacht hatten. Wenn ich ihn dann verständnislos ansah, hatte Leinar behauptet keinen Unterschied in der Sprache, die er sprach gemerkt zu haben. Leinar konnte sich auch gut verstellen. Er konnte zum Beispiel ohne mit der Wimper zu zucken so tun, als würde er schlafen und andere Dinge dieser Art tun. Ja, Leinar war manchmal seltsam, aber er war mein Junge und ich hatte ihn immer dafür bewundert, wie gut er mit all dem fertig geworden war. Leinar war stark.

Keena war jetzt schon lange weg. Ob ich sie je wieder sehen würde? Nun war ich der Einsamste von uns. Ob ich je so gut damit klar kommen würde wie Leinar? Ich glaubte nicht daran. Mir wurde so viel genommen, doch langsam hatte ich keine Lust mehr ständig davon zu laufen. Vielleicht war es an der Zeit den Anderen die Wahrheit über mich zu sagen, aber konnte ich das Lavinia wirklich antun oder meinem Sohn? War ich wirklich so selbstsüchtig? Ich wusste es nicht. Darüber würde ich nachdenken müssen.

Kapitel 3 Unterricht

Das was du nachts hörst,

das ist kein Rufen

Es ist nicht Jemand, der Erleuchtung fand.

Es ist ein kaltes und ein gebrochenes Hallelujah.

 

James Buckley - Hallelujah

 

Mianna

 

Leinar morgens als erstes so friedlich schlafen zu sehen war für mich eins der größten Geschenke in unserer Beziehung. Ich sah ihm so gern dabei zu. Er sah dann so friedlich und entspannt aus. Ich lächelte glücklich, beugte mich über ihn und gab ihm einen sanften Kuss auf den Mund. Als hätte er nur darauf gewartet, dass das passieren würde, zog er mich an sich und küsste mich stürmisch. Als wir uns dann voneinander lösten, streichelte er mir sanft über die Wange. Ich lächelte.

"Ich dachte du seist noch am Schlafen und wollte dich wecken." Ich tat beleidigt.

"Da musst du schon etwas früher wach werden.", nekte er

 

mich.

"Du machst es mir aber auch nicht leicht. Weißt du das?", beschwerte ich mich seufzend.

"Mag sein.", gab er zu und grinste schelmisch. "Morgen ist übrigens Donnerstag..."

"Oh, du bist echt gemein. Während du schön weiter schlafen kannst, muss ich Nachts um halb vier aufstehen und dich amüsiert das auch noch." Ich war nicht wirklich sauer, ich tat nur so und er wusste das.

"Natürlich, ich bin es ja nicht, der früh aufstehen muss." Er war heute wohl bester Laune.

"Na toll. So verständnisvoll ist mein Freund. Vielleicht sollte ich dich wecken." Ich musste schon selbst lachen über meinen extra genervten Ton.

"Versuch es doch." Er sah mich funkelnd an und wurde dann wieder ernst. "Willst du meinen Rat hören? Du solltest nie Schauspielerin werden. Dazu hast du absolut kein Talent."

"Und willst du meinen Rat hören?", entgegnete ich ihm. "Wir sollten aufstehen. Sonst können wir das Frühstück vergessen."

Er grinste. "Aber noch nicht." Dann zog er mich auf sich und ich lachte. Ich liebte es, dass jeder Morgen damit

 

anfing, als erstes Leinars Gesicht zu sehen.

 

In der Schule hatten wir heute bei Tiljan Unterricht. Zuerst Feenkunde. Ich saß wie immer neben Leinar, der lässig auf seinem Stuhl saß. Er beobachtete Tiljan ganz genau und schien dabei nach irgendetwas Ausschau zu halten. Hatte sein Geheimnis etwa mit Tiljan zu tun? Aber das machte irgendwie keinen Sinn.

"Ok. Also letzte Stunde sind wir bei Feensitten stehen geblieben. Wenn ich mich recht erinnere unterhielten wir uns über die Eigenheiten der Feen. Könnt ihr mir solche Eigenheiten nennen?", begann Tiljan seinen Unterricht. Er trug heute einnen lilafarbenen Pullover und eine hellaue Hose. Schräge Kombi.

"Sie spielen gerne mit ihrer Magie herum, lieben neutrale Farben, überwiegend zumindest, sind zum größten Teil sehr geschwätzig und sehr liebevoll.", zählte Emma halb verträumt auf. Sie lief jetzt immer total aufgestylt rum und trug meistens Sommerkleider. Heute war es ein grünes.

"Richtig. Gut, dass ich keine Fee bin, denn was die Farben angeht wäre ich da schon verloren. "Aber du auch, Emma, oder?"

"Stimmt, ich liebe Farben."

 

"Aber selbst unter Elfen ist dein Kleidungsstil ziemlich schräg, oder Tiljan?", fragte ich ihn und er zuckte mit den Achseln.

"Mag sein, aber sie mussten das schon Jahrhunderte mit ansehen. Ich denke sie werden sich dran gewöhnt haben."

"Na dann..." Ich war mit Tiljan vielleicht nicht ganz so vertraut wie mit Cameron, aber ich mochte ihn und wir verstanden uns gut.

"Könnt ihr mir vielleicht was über die Sitten der Feen bei Hochzeiten oder Beerdigungen erzählen", fragte Tiljan dann weiter.

"Bei Hochzeiten tragen weibliche Feen schwarze oder blaue Kleider und die Männer Anzüge in solchen Farben. Bei Beerdigungen dagegen tragen wir ausnahmsweise bunte Farben wie rot, gelb oder grün. Damit wollen wir das Leben der Verstorbenen feiern und nicht den Tot. Ausnahme sind auch Bälle, dort wird so bunt getragen wie man will und es gibt natürlich auch immer wieder Feen, die trotz allem bunte Farben lieben.", erzählte nun Sophann. Sie hatte wohl beides schon erlebt. Ob sie wohl auch auf Evaniels Beerdingung gewesen war?

"Richtig, Hochzeiten werden bei uns recht schlicht gefeiert und meist im kleinen Kreis, während Beerdigungen

 

fröhlich sein sollen, um die Trauer besser überwinden zu können." Einen Moment wirkte Tiljan abweisend, doch dann wandte er sich wieder an die Klasse. "Trauer zu verkraften ist oft sehr schwer. Wieso also soll eine Beerdigung nicht fröhlich gestaltet werden, um es leichter zu machen für die Angehörigen?"

Plötzlich stand Leinar auf und verschwand aus dem Raum. Fragend sah ich Tiljan an und er lächelte mir zu. Also verließ ich den Raum ebenfalls. Ich fand Leinar neben dem Raum an der Wand gelehnt. Er sah ziemlich deprimiert aus. Ich nahm seine Hand und zog ihn langsam an mich. Er ließ es geschehen und ließ sich von mir trösten.

 "Hey Liebling, was ist los?", fragte ich ihn sanft.

"Können wir woanders hin?", fragte er.

"Na gut." Also gingen wir nach draußen in die Sonne und die Vögel zwitscherten ihr Lied. Leinar holte ein paar Mal tief Luft, dann begann er zu erzählen.

"Bei Evaniels Beerdigung war das alles anders. Wir wollten trauern. Wir wollten nicht vergessen, wen wir da verloren hatten."

"Das ist auch völlig in Ordnung.", versicherte ich ihm.

Wir gingen Hand in Hand über die Wiese zum Schlossgarten.

 

"Ich trug einen weißen Anzug, meine Mutter ein weißes Kleid und mein Vater sogar einen schwarzen Anzug. Die Anderen waren bunt gekommen, traditionsgemäß, und das machte mich krank. Es war so deprimierend, so traurig. Ich war da und auch wieder nicht. In Gedanken war ich mit Evaniel auf der Wiese hinter unserem Haus und wir spielten Ball. Ich war damals gerade mal elf Jahre alt."

"Leinar." Er tat mir so Leid. Der kleine Junge von damals tat mir so Leid. An jedem seiner Worte merkte ich, wie sehr er Evaniel geliebt hatte und wie sehr er ihn vermisste. Ich zog ihn wieder sanft in meine Arme."

"Durch dich wird es leichter, Mianna. Ich liebe dich so sehr. Ich weiß nicht, wie ich das alles ohne dich hinkriegen sollte."

"Ich liebe dich auch und ich will dich nie wieder verlieren. Aber du würdest das auf jeden Fall auch alles ohne mich schaffen. Du bist stärker als du denkst."

"Nein, bin ich nicht.", wiedersprach er mir. "Nur wegen dir bin ich so stark." Und dann küssten wir uns. Oh wie ich es liebte ihn zu küssen oder auch nur zu berühren.

Wir saßen eine ganze Weile im Schlossgarten, dann gingen wir in den Unterricht zurück.

 

 

Leinar

 

Als nächstes hatten wir Magieunterricht. Dank Mianna hatte ich mich wieder einigermaßen gefangen. Wir sollten nun unsere Fähigkeiten weiter fördern. In Länderkunde schrieben wir unseren ersten Test für dieses Jahr. Alle Tests kamen hier unangekündigt und wir mussten einfach immer lernen. Ich tat es nach jedem Schultag für die Stunden, die wir an dem Tag hatten, meist mit Mianna zusammen. In diesem Test waren verschiedene Städte aufgeführt und Eigenschaften, die wir den Städten zuordnen sollten. Manche Orte hatten wir noch gar nicht durchgenommen, aber das machte unseren Lehrern nichts. Ich verband erst mal die Eigenschaften miteinander, die ich kannte. Raubit mit Hauptstadt oder Zaall mit Dunkelheit. Aber wo bitte lag denn Seirabi? Davon hatte ich noch nie gehört. Als letze Eigenschaft blieb mir Berge übrig, also verband ich das mit Seirabi. Die Stadt oder der Ort lag wohl in den Bergen.

Am Ende der Stunde verließen die Anderen den Raum zur Pause. Die Mädchen hatten jetzt Heilkunde und ich hatte erst mal frei, doch Tiljan hielt mich zurück.

"Leinar, warte mal." Also blieb ich als einziger mit Tiljan im Raum. Mianna sah mich noch mal schweigend an und

 

verließ dann ebenfalls den Raum. Ratlos sah ich Tiljan an. Was wollte er von mir?

"Was gibt es?", fragte ich.

"Der Tot deines Bruders nimmt dich ganz schön mit, oder?", fragte Tiljan.

"Das ist lange her.", wich ich aus.

"Ja, aber noch lange nicht vergessen. Ich spreche das nicht aus Mitleid an, sondern ich kann dich gut verstehen. Mein Bruder lebt zwar noch, aber ich dachte lange Zeit er sei tot. Natürlich ist das nicht das Gleiche, aber Tedren und ich standen uns mal sehr nahe. Cameron gehörte auch zu unserer Gruppe. Aber ich hab noch einen Verlust erlitten und zwar vor langer Zeit. Gavin war auch so was wie ein Bruder für mich."

Ich zuckte zusammen. Ich wusste ja, dass Gavin noch lebte. Doch ich durfte ihm das nicht sagen.

"Tut mir Leid.", brachte ich heraus.

"Es ist auch schon lange her, aber so was vergisst man nie, oder?"

"Nein." Tiljan schien mich wirklich zu verstehen. Das tat gut.

"Darf ich dich mal was fragen?" Ich hatte noch nie so vertraut mit einem ehmaligen Freund meins Vaters geredet.

 

"Klar." Erwartungsvoll sah er mich an.

"Wie ist es, so lange zu leben?"

"Ach, ich geh damit recht locker um, aber ich hatte auch die meiste Zeit Laja um mich. Viele haben nicht so viel Glück. Ich hab viel erlebt, Leinar. Sehr viel, und das Bitterste davon war Tedrens Verrat."

"Kann ich nachvollziehen."

"Laja hat mir die Kraft gegeben, weiter zu leben. Immer weiter. Später gaben mir auch meine Kinder Kraft dazu und natürlich auch Corentin. Er stand mir sehr nahe, immer schon. Ich hatte trotz all der Kriege ein gutes Leben. Ich hatte Freunde, Familie und so ziemlich alles, was man sich wünschen kann."

"Hört sich gut an.", fand auch ich.

"War es auch, aber mit Mianna an deiner Seite kannst du auch ein gutes Leben haben."

"Ich weiß, danke Tiljan."

"Gern. Falls dir noch Fragen einfallen, die du mir stellen willst, kannst du das jeder Zeit tun.", bot er mir an.

"Ich werde daran denken.", versprach ich ihm.

"Gut, ich denke das war dann alles.", entließ er mich dann.

"Na gut. Dann bis später." Ich stand auf und verließ mit

 

einem guten Gefühl den Raum.

 

Mianna

 

Heilkunde mit den Mädchen ging schnell um und dann hatte ich Geschichte bei Tiljan. Na ja, jetzt war es wohl eher Königinnenunterricht. Also blieb ich als Einzige im Raum sitzen und sah Tiljan erwartungsvoll an.

"Letztes Mal haben wir ja besprochen wie sich Könige bei Tisch zu benehmen haben.", begann Tiljan seinen Unterricht.

Oh ja. Durch das Besteck durch arbeiten, höflich sein, gerade sitzen, höflich sein, alle gleich behandeln, höflich sein, freundliche Stimmung halten, höflich sein und all so ein Zeug. Besonders auf das Höflich sein schien Tiljan besonderen Wert zu legen und das schien das Schwierigste am Allen zu sein. Ich hatte nichts davon vergessen.

"Natürlich musst du das nicht machen, wenn du nur Freunde zu Besuch hast. Ich glaube nicht, dass deine Freunde scharf auf so ein Verhalten von dir sind. Aber du darfst nur du selbst sein, wenn du uneingeschrenkt allen Anwesenden trauen kannst. Ansonsten könnten üble Gerüchte verbreitet werden. Du kannst dir nicht vorstellen, wie viele ausgelassene Partys Tedren damals gefeiert hat." Tiljans

 

Gesicht verdüsterte sich, wie immer, wenn er über seinen Bruder sprach. Er bedauerte, was aus seinem Bruder geworden war und vermisste ihn gleichzeitig.

"Und du warst dabei bestimmt immer mitten drin.", vermutete ich.

"Worauf du wetten kannst." Tiljans Augen funkelten belustigt.

"Du willst also sagen, dass meine Eltern diese Partys auch gefeiert haben, bevor sie sich verstecken mussten?"

"Oh ja, deine Eltern waren ganz wild darauf. Sie haben sie auch zeimlich offensichtlich gemacht, aber das hat ihrem Ruf nie geschadet."

Ich konnte mir das bei meinen Eltern gar nicht richtig vorstellen und vielleicht wollte ich das auch gar nicht. Wie anders meine richtigen Eltern doch gegenüber meine Pflegeletern waren. Ich vermisste meine Pflegeeltern. Ich musste ihnen unbedingt mal wieder schreiben, wie ich es ihnen versprochen hatte. Ich hatte schon ein ganz schlechtes Gewissen, weil ich dazu noch nicht gekommen war.

"Ok, Partys sind also in Maßen erlaubt, hab ich verstanden."

"Gut, also, Faxen bei Hofe wird nur von Spieleleuten gestattet. Deswege war Tedren auch immer von mir genervt,

 

weil ich bekanntlich so was wie der Clown des Elfenlandes war. Ich unterhielt die Leute gerne mit abenteuerlichen und lustigen Geschichten, schnitt den Kindern gerne lustige Grimassen und brachte sie so zum Lachen. Bei mir zu Hause liebten die Elfen das. Bei Tedren am Hof waren sich die Leute nicht sicher, ob sie lachen oder entsetzt sein sollten. Nur die Kinder und Corentin fanden das lustig. So solltest du also lieber nicht rum laufen.", erzählte er und zeigte mir die lustigste Grimasse, die ich je gesehen hate. Ich konnte es gar nicht wirklich beschreiben. Eine Clownsgrimasse eben.

"Ok, also keine Grimassen.", wiederholte ich und versuchte immer noch erfolglos aus dem Lachen wieder raus zu kommen.

"Ich nehme nicht an, dass du eine Vorstellung davon hast, wie man sich dort kleiden sollte, oder?", schnitt Tiljan lächelnd das nächste Thema an. Er lehnte sich lässig an den Schreibtisch in einer seltsam verwinkelten Haltung. Offenbar bevorzugte er nicht diese stumpfe Haltung, die bei den vornehmen Elfen so geschätzt wurde.

"Ähm... Vermutlich nicht wie ein Clown.", bemerkte ich wenig hilfreich.

 "Dachte ich mir. Nein, wohl nicht wie ein Clown. Selbst ich trage bei Hofe vornehme Sachen. Hemd und feine Hose.

 

Manchmal vielleicht in auffallenden Farben, aber im Grunde benehme ich mich bei Hof. Ihr Frauen dagegen tragt bunte auffällige Kleider. Besonders bei Festen wird das gern gesehen. Nur du als Königin hast kein gemustertes Kleid, aber sonst wird alles gerne gesehen."

"Ich mag schlicht sowieso viel lieber.", bemerkte ich.

"Gut, ich denke das reicht dann für heute. Ich hab mir überlegt, dass du mir als Dank dafür, dass du mir sozusagen das Leben gerettet hast, nach jedem Extraunterricht eine Frage stellen darfst. Also los.", bot Tiljan mir an.

"Oh, das ist echt lieb von dir und ich bin auch wirklich neugierig.", freute ich mich. "Ich hab von dieser traurigen Sache mit Lavinia gehört. Sie hatte mal einen Mann Namens Gavin, richtig? Gavin ist tot und seitdem ist Lavinia allein. Du kanntest Gavin, oder? Wie war er denn so?"

Tiljan wurde wieder ernst. "Oh ja, ich kannte ihn. Er war ein guter Freund von mir und auch von Cam. Er war erst ziemlich schüchtern und unsicher, aber nach Lavinia hat sich das geändert. Ich weiß nicht genau, wieso er weg ist. Eigentlich glaub ich aber nicht daran, dass er tot ist. Mein Gefühl sagt mir, dass er noch lebt."

"Aber wie kann das sein und wieso ist er dann nicht zurück gekommen?", wollte ich verwirrt wissen.

 

"Keine Ahnung.", erklärte er mir schlicht. "Es ist ja auch nur so ein Gefühl. Ich weiß nicht wieso, aber wenn ich deinen Freund so sehe, muss ich oft an Gavin oder Cameron denken. Er hat so viel von den beiden in sich.
"Wie meinst du das?"

"Gavin war wie Leinar. Bevor er Lavinia kennen lernte, war er zurückhaltend und allein und das war Leinar auch, bevor er dich traf."

"Du kannstest Leinar bevor er hierher kam?", fragte ich überrascht.

"Nur vom Sehen. Aber er wirkte immer so allein und verloren auf mich."

"Ja, ich weiß was du meinst. Danke, Tiljan. Du bist echt schwer in Ordnung."

"Ich danke dir, Mianna. Und du bist auch in Ordnung. Ich denke wir sehen uns dann morgen."

"Ja, das denke ich auch. Und nimm Leinar in Sportmagie bitte nicht so hart ran.", bat ich ihn.

"Mach ich nicht.", versprach er mir. Dann verließ ich den Klassenraum.

 

 

 

 

Leinar

 

Nach Sportmagie war ich erschöpft. Der Tag hatte mich ausgelaugt und es war ja auch ein langer Tag. Ich war froh, als ich mich nach dem Essen mit Mianna auf unser Sofa kuscheln konnte und einfach nur entspannen konnte. Wir sahen eine Folge der menschlichen Serie CSI Miami, die wir beide mochten. Schon in zwei Wochen durften wir in Begleitung in die Menschwenlt. Ich war schon ganz gespannt darauf.

Nach der Serie unterhielten wir uns.

"Tiljan glaubt, dass Gavin lebt, weißt du das?", bemerkte Mianna auf ein mal.

Erschrocken sah ich ihn an. "Wie kommt er denn da drauf?"

"Es ist so ein Gefühl, dass er hat."

"Ach so." Ich war erleichtert. Nichts konkretes also.

"Danke, dass du bei dem heiklen Thema heute für mich da warst.", wechselte ich dann das Thema.

"Ich bin immer für dich da, Leinar.", versprach Mianna mir, aber so leicht ließ sie sich nicht ablenken. "Er hat was merkwürdiges gesagt. Er meinte, du ähnelst nicht nur Cameron, sondern auch Gavin."

 

Oh Mist! Das war nicht gut. "Süße, Leute die so alt sind wie Tiljan vergleichen vermutlich ständig Leute, die sie kennen mit Leuten, die sie mal kannten. Vor allem, wenn ihnen diese Leute wichtig waren."

"Ja, vielleicht hast du Recht. Ich sollte auch ins Bett. Schließlich muss ich morgen früh raus."

"Ok, Gute Nacht, Mianna. Ich werde noch ein bisschen TV gucken."

"Ok, Gute Nacht Liebling." Mianna gab mir noch einen hauchzarten Kuss auf dem Mund und verschwand dann Richtung Schlafzimmer. Lange sah ich auch nicht mehr fern. Ich schlief tatsächlich auf dem Sofa ein. Das war mir vorher noch nie passiert.

Kapitel 4 Feuermagie

Nur fürs Protokoll

Bei uns bekommt man die Liebe in der richtigen Dosis,

nämlich als Familienpackung.

 

Sisters Sledge - We are Family

 

 Mianna

 

Es war ätzend so früh auf zu stehen. Draußen war es noch Nacht und Leinar lag noch immer nicht im Bett. Merkwürdig. Ich wusch mich im Bad, putzte meine Zähne und zog mich an. Ein roter Pullover, eine Jeans und Turnschuhe. Im Wohnzimmer lag Leinar auf dem Sofa und schlief tief und fest. Ich lächelte in mich hinein. Er sah einfach süß aus, wenn er schlief. Ich hätte ihn stundenlang so anschauen können, aber leider hatte ich dafür keine Zeit. Ich brachte es nicht übers Herz Leinar zu wecken. Also ließ ich ihn auf dem Sofa schlafen.

Ich trank sein Glas mit Mandarinensaft aus, stellte ein neues für ihn bereit und füllte es wieder auf. Ich mochte den Saft ja auch, aber Leinars geradezu abgöttische Liebe dafür

 

konnte ich nicht ganz verstehen. Ich trank da lieber KiBa oder frisch gepressten Orangensaft oder halt einfach nur Wasser. Ich warf einen letzten Blick auf Leinar, schnappte mir meine blaue Regenjacke von Arinus (Eine beliebte Feenmarke) und verließ unsere Suite. Während ich die Treppe runter ging, zog ich mir die Jacke über. Ich lief zum Schloss rüber und Renn wartete schon auf mich. Er selbst trug nur ein T-Shirt und eine Jeans und war barfuß. Seine Haare waren ganz durcheinander. Er hatte sich wohl nicht die Mühe gemacht sie zu stylen.

"Wenn du einen guten Friseur brauchst, ich wüsste da einen.", neckte ich ihn zur Begrüßung.

"Sehe ich denn so schlimm aus?", fragte er mich seufzend.

"Hm, hm.", machte ich nur.

"Jetzt weißt du, wieso ich diesen Igelschnitt so mag. Übrigens wirst du die Jacke gleich nicht mehr brauchen. Wir trainieren schließlich mit Feuer."

Schweigend gingen wir in den dunklen Wald hinein und Renn ließ einen Feuerball in seiner Hand erscheinen, um Licht zu erzeugen.

"Wow!", kommentierte ich das nur und er lächelte. Der Wald war ziemlich dunkel und unheimlich. Es war so still hier. Selbst die Vögel schienen zu schlafen, wenn es sie denn

 

überhaupt gab. Ab und zu kam es mir so vor, als würde schwach Sternenglanz zwischen den Bäumen schimmern. Renn führte mich auf eine weite Lichtung. Hier würden wir also trainieren.

"Was war das Beeindruckenste, was du je mit Feuer gemacht hast?", fing er auch gleich an zu fragen.

Ich erschuf erneut die Feuerwand, die Tiljan gerettet hatte, und regulierte die Wärme.

Jetzt war es an Renn "Wow!" zu sagen. "Du bist ja schon ein kleines Genie. Wo hast du die denn eingesetzt?"

Also erzählte ich ihm, was ich beim Lebenssee gemacht hatte.

"Nicht schlecht.", kommentierte er.

"Kannst du mir beibringen, was du da eben gemacht hast?", fragte ich ihn.

"Vielleicht ist das für den Anfang eine ganz gute Übung.", nickte er. "Also gut. Du musst dich aufs Feuer konzentrieren und dir einen Feuerball auf deiner Hand vorstellen und fest daran denken. Einen lauwarmen Feuerball natürlich. Wir wollen uns ja nicht die Hände verbrennen."

Ich versuchte es, aber es klappte nicht sofort und als es klappte, war mein Feuerball ungefähr so groß wie eine Fliege und brennend heiß. Fluchend schleuderte ich ihn von mir

 

und er löste sich in Luft auf. Enttäuscht sah ich auf die jetzt leere Stelle.

"Ich hab auch ein paar Anläufe gebraucht. Das wird schon noch.", tröstete er mich.

"Was kannst du denn noch so?", wollte ich wissen.

Renn führte mir die verschiedensten Sachen vor. Von Feuerringen bis hin zu ganzen Feuerbildern. Das war echt Wahnsinn. Ich wollte das auch können.

"Das sind jetzt natürlich nur Spielereien. Man kann so viel aus Feuer machen. Am schwersten sind die Feuerkrieger. Die bekomme selbst ich immer noch nicht hin."

"Man kann Feuerkrieger erschaffen?", staune ich.

"Ja, aber das ist gefährlich. Man muss sie nämlich auch wirklich kontrollieren können. Du sollst natürlich lernen, wie man Feuer im Kampf anwendet, obwohl du das ja offenbar auch schon sehr gut weißt. Für den Anfang sind Spielereien aber vielleicht gar nicht so schlecht. Versuch noch mal den Ball zu erschaffen. Wenn du das hin bekommst, zeig ich dir das nächste Mal was anderes."

Also übte ich weiter den Feuerball zu erschaffen. Am Ende war er so groß wie eine Murmel, aber immerhin verbrannte ich mich nicht mehr.

"Ich glaube, das reicht für heute. Das war sogar gar nicht

 

schlecht. Du hast Talent.", lobte er mich.

"Danke." Ich konnte ein Gähnen nicht unterdrücken. Ich war noch so müde. Es war erst fünf Uhr. Vielleicht konnte ich ja noch ein bisschen schlafen. Ich schätze Renn wollte mich langsam an die frühe Morgenstunde ran führen.

 

Linnie

 

Es war seltsam wieder hier im Feenschloss zu sein nach all den Jahren. Allerdings hatte sich das Schloss nicht sehr verändert. Außer dass es jetzt leicht grün und nicht mehr so golden war. Wenn das Schloss verlassen wurde, bildeten sich mit der Zeit magische Ranken, die das Schloss grün färbten, die man aber so eigentlich gar nicht sah. Sie lösen sich wieder, wenn das rechtmäßige Königspaar wieder zurück war.

Mein Lielbingsplatz war immer noch die Unterwasserbibliothek. Sie wurde vor Jahrtausenden gegründet, aber erst von meinen Vorgängern wieder entdeckt. Sie entstand als das erste Buch unter Wasser geschrieben wurde. Es waren seltene Bücher dort und sie durften nie das Trockene erreichen, sonst verrotteten sie. Auch wir Feen konnten nicht unbegrenzt Wasser einatmen, nur in der Bibliothek. Aber es

 

war auch nur Wenigen erlaubt die Bibliothek zu besuchen. Diejenigen, die versuchen unerlaubt einzudringen, ertranken sofort. Als ich hörte, dass Mianna gerne las, freute ich mich sehr. Eines Tages würde ich ihr diese Bibliothek zeigen.

Ich seufzte. Wir erwarteten Besuch von Lunars Eltern. Eigentlich verstand ich mich mit Theodora und Alejandro ausgezeichnet, aber Theodora war teilweise etwas anstrengend. Sie meckerte gerne an allem herum. Lunar liebte seine Eltern verständlicher Weise. Er hatte sie durchaus vermisst. Ich lächelte in mich hinein. Mein lieber Lunar, was war doch für ein Schatz.

Ein Diener klopfte an die Tür und verkündete: "Meine Königin, Lady Theodora und Lord Alejandro sind jetzt eingetroffen."

Ich seufzte. "Also auf in den Kampf. Ich folgte dem Diener in die Eingangshalle und begrüßte die beiden wie es sich gehörte.

"Thea, Jandro! Wie schön euch zu sehen."

"Wo ist mein Sohn?", fragte Theodora distanziert. Hoppla, was war denn das?

Alejandro schüttelte genervt mit dem Kopf. "Entschuldige, Linnie. Es ist schön, dich zu sehen." Er umarmte mich

 

herzlich.

"Freut mich ebenfalls." Theodora blieb dort stehen, wo sie war.

Also erklärte ich: "Lunar ist mit seinen Männern jagen. Er wird bald zurück sein. Lasst uns doch so lange in den Salon gehen."

Wiederstrebend begleiteten sie mich.

Ich ärgerte mich immer noch über Lunar. Ich verstand, dass er das Jagen vermisst hatte. Er hatte seid wir im Versteck waren nicht mehr gejagt und da ist er täglich jagen gegangen. Aber das war nicht der eigentliche Grund, weshalb mein Mann kurz vor Mittag jagen ging. Er wollte sich nur so lange wie möglich vor seinen Eltern drücken oder besser vor seiner Mutter. Er liebte sie zwar, aber sie ging ihm auch tierisch auf den Keks. Also musste ich mich nun mit ihr allein rum schlagen. Theodora hatte mich nie wirklich gemocht. Das hatte ich immer gespürt. Aber bisher hatte sie es wenigstens nicht so offensichtlich gezeigt wie jetzt. Ich nahm es eigentlich nicht persönlich. Meine Schwiegermutter mochte so gut wie Niemanden ausser Mathilda, Steffen, Lunar, Alejandro und vielleicht noch Cameron.

"Wir haben gehört, was am Lebenssee passiert ist. Ihr habt Mianna also kennen gelernt?", fragte Alejandro mich.

 

"Ja, sie ist wirklich toll. Sie ist mächtig und gut. Sie wird mal eine tolle Königin werden. Sie ist wirklich lieb und kümmert sich gern um Andere.", erzählte ich voller Stolz. Meine süße Tochter. Wie gerne hätte ich sie aufwachsen sehen, ihre ersten Schritte gesehen und gehört wie sie ihre ersten Worte spricht. Eben alles, was dazu gehört.

"Habt ihr euch schon überlegt, mit wem ihr sie verheiraten wollt?", fragte Theodora sachlich.

Ich sah sie geschockt an: "Bitte? Diese Sitten sind bei Feen wohl kaum üblich und waren es auch nie."

"Ihr könntet sie aber einführen.", beharrte Theodora.

"Thea bitte.", warnte Alejandro sie.

"Nein, ist schon gut. Es geht dich zwar überhaupt nichts an, aber Mianna hat bereits ihren Seelenpartner gefunden."

"Natürlich geht es mich etwas an. Sie ist immerhin meine Enkeltochter. Wer ist es?", wiedersprach Theodora mir heftig.

Ich seufzte. "Sein Name ist Leinar. Er ist aus gutem Hause. Er ist der Sohn von Keena und Mion." Und selbst wenn Leinar nicht aus gutem Hause wäre, wäre es mir egal. Das einzige was zählte war, dass er Mianna liebte und glücklich machte und dass sie ihn liebte.

"Der Enkel von Carlina?", fragte Theodora skeptisch.

"Ja." Mathilda war Carlinas Mutter und Theodoras beste

 

Freundin. Das sollte sie doch wohl zufrieden stellen, doch da hatte ich mich geirrt.

"Ich hab den Bengel schon ein mal getroffen. Da lebte sein Zwillingsbruder noch. Ein ungezogener Bengel.

"Da war er gerade mal Sieben.", erinnerte ich sie.

Gott sei Dank kam Lunar dann und erlöste mich. Fürs erste war das Thema vergessen. Sie stand auf und gerüßte ihren Sohn überschwänglich. Alejandro lächelte mich entschuldigend an. Ich fragte mich, wie er das nur die ganze Zeit mit ihr aushielt. Selbst Lunar war froh, wenn er seine Mutter wieder los war, aber so lange sie da war, zeigte er sich von seiner besten Seite. Aber das tat er ja sowieso eigentlich immer. Mein Lunar.

Kapitel 5 Schlafmangel

 So legt euch denn ihr Brüder,

in Gottes Namen nieder,

kalt ist der Abendhauch.

Verschon uns, Gott mit Strafen

und lass uns ruhig schlafen.

 

Der Mond ist aufgegangen - Volkslied

 

Mianna

 

In der ersten Stunde hatten wir Religion bei Sena. Viel geschlafen hatte ich nicht mehr. Leinar war schon wach und hatte mich ausgefragt, wie es mit Renn gewesen war. Es war hart ihm nicht die ganze Wahrheit erzählenn zu dürfen.

Jetzt in Religion jedenfalls war ich ziemlich durch den Wind wegen dem Schlafmangel. Sena erzählte gerade etwas davon wie Moses in der Menschenwelt das Meer teilte. Es gab wohl auch eine Fee, die so was ähnliches gemacht hatte.

In der Frühstückspause nahm Leinar mich dann zur Seite.

"Hey Süße, ist alles in Ordnung mit dir? Du siehst

 

irgendwie fertig aus."

Ich seufzte. "Schon gut Leinar, es ist nichts. Ich bin nur müde. Steh du mal um halb vier Morgens auf. Dann weißt du wie das ist." Ich rieb mir den Schlaf aus den Augen.

Leinar grinste schief, aber er wirkte immer noch besorgt. "Du kannst dich heute auch krank melden, weißt du?"

"Auf keinen Fall.", entschied ich. "Ich will keine Stunde bei Miron verpassen."

"Dann geh doch einfach nur da hin und lass den Rest ausfallen.", schlug er mir vor.

Ich brührte sanft Leinars Wange. "Ich weiß das wirklich zu schätzen, dass du dich so um mich sorgst, aber das kann ich ja wohl kaum jeden Donnerstag machen, oder?"

Dagegen konnte er nichts mehr sagen. Er nahm nur meine Hand und zog mich in den Pausenraum. Dort setzten wir uns auf die Stühle und ich lehnte erschöpft meinen Kopf an seine Schulter.

Naturkunde fand ich ja immer wirklich spannend. Besonders, wenn es um die magischen Blumen ging, aber heute bekam ich kaum etwas davon mit. Sena erzählte von einer magischen Blume, die Majanis hieß und verdammt selten war. Anscheinend konnte sie auch bestimmte Krankheiten heilen, wie Rheuma  oder auch Fieber. Sie sah sehr seltsam

 

aus. Farblich war sie eine Mischung aus blutrot und orange. Sie sah aus wie eine Mischung aus Klatschmohn und Rose. Sena sprach auch noch von anderen Blumen, aber davon bekam ich nichts mit.

In Sprachen schrieben wir einen Test. Ich stöhnte genervt auf. Wir sollten einen Aufsatz in aleredienaerisch schreiben (eine Feensprache) über eine berühmte Fee. Na toll. Wir hatten diese seltsame Sprache erst seit ein paar Unterrichtsstunden. Den Test würde ich mit Sicherheit verhauen.

In EDV und Bibliothekswissenschaften hörte ich kaum zu. Ich hoffe, dass Leinar mitschrieb. Am Ende von Bibliothekswissenschaften hielt Sena mich noch auf.

"Was war denn mit dir los heute?", Sie kannte mich als aufmerksame, gute Schülerin.

"Entschuldige." Ich sah sie einigermaßen zerknirscht an. "Ich hatte heute meine erste Stunde Extraunterricht bei meinem Großvater und die begann ziemlich früh. Ich muss mich wohl erst noch dran gewöhnen."

"Ok, dann will ich mal ein Auge zu drücken, aber nicht, dass das jetzt jeden Donnerstag so ist.", warnte sie mich.

"Nein. bestimmt nicht." Ich unterdrückte ein Gähnen, verabschiedete mich von ihr und machte mich auf den Weg zu Miron.

 

Leinar

 

Nachdem Unterricht machte ich mich auf die Suche nach Renn. Ich fand ihn auf dem Gang im Hauptgebäude, der zur Bibliothek führte.

"Renn, kann ich dich mal kurz sprechen?", hielt ich ihn auf als er schon fast in der Bibliothek war.

Er drehte sich zu mir um und sagte: "Klar, was gibts?"

"Muss Mianna unbedingt um vier Uhr Morgens mit dir trainieren? Sie war völlig fertig heute. Kannst du das nicht auch Abends zu humanen Zeiten machen?"

Renn seufzte. "Hör zu Leinar, sag ihr einfach sie soll dir erklären, was wir genau machen. Ich meine die Wahrheit und nicht das, was wir allen sagen. Dann wirst du verstehen, wieso es nicht anders geht. Glaub mir, sie wird sich dran gewöhnen. Aber wenn sie es dir erzählt, muss das unter uns bleiben. Niemand sonst darf jemals davon erfahren."

"Geht klar, vielen Dank."

"Kein Problem. Bis dann." Renn sah aus als würde er bereuen, was er getan hatte und flüchtete fast in die Bibliothek. Verwirrt blieb ich zurück. Was genau machten sie denn jetzt eigentlich in ihrem Unterricht?

Während Mianna bei Miron Geschichte hatte, hatte ich

 

noch Zeit bis zu meinem Unterricht bei Carlina. Was sollte ich die Zeit über bloß machen?

 

Mianna

 

Miron sah heute sehr erschöpft aus, als ich in den Klassenraum kam. Er saß auf dem Lehrerstuhl am Schreibtisch und sah gedankenverloren durch die Gegend. ich ging zu ihm und hockte mich vor ihn hin.

"Miron, ist alles in Ordnung?"

Erst da sah er auf und lächelte gequält. "Geht so. Ist heute irgendwie ein komischer Tag."

"Das kannst du laut sagen." Ich grinste leicht und zog mir einen Stuhl zu ihm hin. "Was ist denn passiert?"

"Ach, eigentlich gar nichts. Ich hab nur eine alte Freundin wieder gesehen."

"Eine alte Freundin?", hakte ich nach.

"Ja, ich weiß auch nicht, alte Erinnerungen und so."

Irgendwas stimmte nicht mit ihm. Normalerweise war er sehr offen, auch was Persönliches betraf. Wieso wich er mir jetzt aus? Dann begriff ich, was los war. Er war verliebt.

"Wie heißt sie denn?", erkundigte ich mich lächelnd.

 "Tia.", antwortete er gedankenverloren.

 

"Eine Zwergin?", vermutete ich.

"Ja. Was macht sie wohl hier im Schloss?" Verwirrt sah er mich an.

"Tja, das weiß ich auch nicht. Ich kenne sie ja nicht. Du könnntest sie ja fragen.", schlug ich vor.

"Ich glaube wir haben uns damals voneinander entfernt, als sie erfuhr, dass ich ein Prinz bin.", gestand er.

Ach so war das. Er wirkte irgendwie verloren.

"Vielleicht solltest du mit ihr darüber reden."

"Ich glaube nicht."

Verblüfft sah ich ihn an. "Willst du mir gerade zu verstehen geben, dass du als Prinz der Zwerge nicht den Mut hast mit der Zwergenfrau zu reden, die dir was bedeutet?"

"Gerade weil ich der Prinz bin trifft es wohl eher.", antwortete er bedrückt.

Ich seufzte. Dann konnte ich ihm auch nicht helfen. Aber falls ich Tia sah, konnte ich ja mal mit ihr reden. Ich mochte Miron und wollte ihn nicht traurig sehen.

"Ich glaub dann sollten wir den Unterricht heute einfach sein lassen.", beschloss ich.

"Ja, vermutlich."

Ich verabschiedete mich also von ihm und ging erschöpft in unsere Suite. Wieso konnte das Leben nicht einfach mal

 

einfach sein?

 

Leinar

 

Als Mianna in unsere Suite kam, sah sie erschöpft aus. Sie legte ihre Tasche zur Seite und setzte sich dann neben mich auf das Sofa.

"Hey." Erschöpft sah sie mich an und nahm mich dann in ihre Arme. Ich erwiederte ihre Umarmung.

"Tut das gut dich so nah bei mir zu haben.", freute sie sich. Ich lächelte und war einfach nur glücklich.

"Das find ich auch.", sagte ich. Doch dann löste ich mich von ihr und sah sie ernst an. "Ich hab vorhin mit Renn gesprochen."

"Oh und?" Sie wirkte überrascht.

"Er hat dir die Erlaubnis dazu gegeben mir von eurem Training zu erzählen."

Ungläubig sah sie mich an. "Wie hast du das denn geschafft? Mir hat er eingetrichtert, bloß Niemanden davon zu erzählen. Absolut Niemanden!"

"Na ja, ich hab ihn gefragt, ob ihr wirklich so früh Morgens trainieren müsst und er meinte, du solltest mir erzählen, was ihr dort wirklich macht und nicht, was ihr

 

behauptet zu machen."

"Ok, also wir trainieren Feuermagie.", erzählte sie mir.

"Was? Aber das tun wir doch schon bei Carlina." Ich war verwirrt.

"Ja schon, aber mit Renn ist es anders. Renn kann wie ich das Feuer magisch beeinflussen."

"Aber... Aber es ist doch unwahrscheinlich, dass zwei Personen Feuermagie beherrschen, oder?" Ich konnte es nicht wirklich begreifen.

"Es ist irgendwie erblich. Ich bin so froh, dass ich dir das jetzt erzählen durfte. Ich hasse Geheimnisse zwischen uns."

"Ja, ich auch." Ich versuche zu lächeln, aber es gelang mir nicht wirklich. Ich hatte ja immer noch Geheimnisse vor ihr.

"Bin ich müde.", bemerkte Mianna dann und sie legte ihren Kopf auf meinen Schoß. Fast augenblicklich schlief sie ein. Also machte ich den Fernseher an und zappte durch die Kanäle.

 

Mianna

 

Ich schlief tief und fest auf Leinars Schoß, als ich plötzlich eine Vision bekam. Cameron stand am Lebenssee und sah mich erwartungsvoll an. Er trug die blaue Farben der Wächter.

"Hallo Mianna. Wie gehts euch da unten auf der Erde?", fragte Cameron mich.

"Cameron?", fragte ich und blinzelte verwirrt. Bestimmt schlief ich noch.

"Ich hab dir doch versprochen, dass ich mich bei dir melden würde." Er wirkte leicht amüsiert über meinen verwirrten Gesichtsausdruck.

"Oh Cam! Es ist so schön dich zu sehen. Wie ist es bei euch am See?"

"Ruhig! Seid ihr weg seid ist nichts mehr Ungewöhnliches passiert. Die meiste Zeit wachen wir starr über den See. Es tut gut sich jetzt mal wieder bewegen zu können. Es ist eine eintönige Arbeit, diese Wache. Aber wenigstens sind Corentin und Lilien bei mir. Ich spüre ihre Anwesenheit jede Sekunde. Manchmal unterhalten wir uns sogar in Gedanken. Ich wusste gar nicht, dass das möglich ist. Es ist mehr, als ich erwartet habe."

"Das freut mich für dich." Es war wirklich so schön ihn zu sehen. Ich hatte gar nicht gemerkt, wie sehr ich ihn vermisst hatte.

"Wie ist es bei euch so? Ist alles in Ordnung?", fragte er mich.

"Ja, dein Unterricht machen jetzt Tiljan und Miron.

 

Zumindest meinen privaten Unterricht. Ich bekomme auch Extrastunden bei Renn. Sonst gibt es nicht viel Neues. Es wirkt alles ruhig hier. Bald dürfen wir zum ersten Mal in die Menschenwelt.", erzählte ich ihm.

"Und bist du schon aufgeregt?", fragte er.

"Ein bisschen.", gab ich zu. Ganz viel war die Wahrheit.

"Es ist auf jeden Fall eine ganz eigene Erfahrung die Menschenwelt kennen zu lernen. Sie ist ganz anders als unsere Welt. Als ich sie zum ersten Mal wirklich sah, war ich verwirrt wegen dem ganzen Lärm dort. Mir dröhnten die Ohren. Ich war auch ein wenig enttäuscht, weil es dort keine Magie gab. Aber dann hab ich festgestellt, dass sie dort ihre ganze eigene Magie haben. Wie sie Dinge erfinden und so was ist einfach unglaublich. Manchmal denke ich, auch in der Menschenwelt gibt es einen kleinen Anteil von Magie. Sonst könnten dort manche Dinge gar nicht geschehen. Ich glaube es wird dir dort gefallen."

"Worauf ich ganz gespannt bin sind die riesigen Parks und Gebäude, die es gibt. Und ich würde gerne Mal in ein richtiges Kino gehen oder ein ein Schwimmbad. Ich möchte Innenstädte sehen und Einkaufsmärkte und vieles mehr. Vielleicht sogar einen Zoo.", gestand ich ihm. Das hatte ich bisher noch Niemanden erzählt. Nicht mal Leinar.

 

"Und das wirst du. Irgendwann wirst du es machen. Ich bin ja das erste mal in eine menschliche Bibliothek gegangen. Das hat mich von allem am meisten interessiert." Er schmunzelte bei der Erinnerung.

"Das wird bestimmt toll.", schätzte ich.

"Absolut. Ok, ich muss mich langsam verabschieden. Grüßt du Fiann Nikes Söhne von ihr?", bat Cameron mich.

"Gern. Es geht ihnen übrigens gut. Kenian freut sich darüber jetzt Emma um sich haben zu können. Nelson freundet sich langsam mit Leonie an. Du weißt schon... Die Schwester von Sophanns Freund Zac."

"Das hört sich doch gut an.", fand Cameron. "Ich werde es Fiann Nike berichten. Sie wird sich darüber sicherlich freuen. Aber jetzt lass dich umarmen."

Und so umarmte ich Cameron ganz fest. Als wir uns voneinander lösten, sagte ich: "Danke, Cam. Danke, dass du immer für mich da bist und so toll bist."

Er lächelte mich an. "Gern und falls du mal Lust hast zu reden, ruf einfach in Gedanken meinen Namen. Ich werde dich hören."

"Bestimmt, das mache ich." Wir umarmten uns noch mal kurz und dann war meine Vision beendet. Ich schlief einfach nur noch tief und fest.

Kapitel 6 Partytime

Wenn du also in meinem Himmel kommen willst,

Dann werden wir eine Riesenparty feiern.

Und alle, die du kennst sind Willkommen,

Denn bei uns gibt es keine Tore oder Mauern.

 

OPM - Heaven is a halfpipe

 

Mianna

 

Am Samstag war eine Party für uns Jugendlichen. Wir hatten die Bänke, Stühle und Tische an die Seite geschoben, Lichtergirlanden aufgehängt und Julian hatte seine Musikanlage mitgebracht.

Wir standen oder saßen im Raum und unterhielten uns oder tanzten auf der kleinen, überfüllten Tanzfläche. Solche Partys sollten eigentlich ein mal im Monat statt finden, aber bisher war es außer den Festen unsere erste Party.

Leinar sah einfach zum Anbeißen aus in seiner hautengen Jeans und einem roten Muskelshirt. Eigentlich trank er ja wirklich kein Alkohol, aber heute hatte selbst er ein Bier in der Hand. Ich grinste leicht über dieses

 

ungewöhnliche Bild. Wir Feen tranken sowieso ziemlich wenig, da wir nicht viel vertrugen.

Ich selbst trug einen roten Petticoat und eine schwarz gepunktete Bluse. Leinar hatte mit seiner Gabe mein Haar kunstvoll geflochten und hochgesteckt. An der Seite hatte ich eine schwarze Schleifenspange befestigt. Ich hatte im Internet über den menschlichen Hippistile nachgeforscht und das hatte mir gut gefallen. Ich mochte diesen Look.

Manchmal verglich ich Leinar ja mit John Travolter aus Grease, auch wenn er nicht die geringste Ähnlichkeit mit ihm hatte. Aber es gefiel mir. Wie gut, dass Leinar davon nichts wusste.

Sophann kam aus der Menge auf mich zu und zog mich mit auf die Tanzfläche. "Lass uns heute einfach Spass haben."

Also tanzten wir ziemlich ausgelassen und auch ohne Alkohol war ich gut drauf.

Als ich irgendwann mal eine kleine Pause machte, entdeckte ich Leinar bei Antonia und Ariella. Ich versuchte wirklich, nicht eifersüchtig zu sein, denn ich wusste ja, dass er nichts von Ariella wollte. Aber sie lachten ausgelassen und das versetzte mir doch einen kleinen Stich.

Plötzlich gesellte sich Emma zu mir an meinen

 

Rückzugsort und grinste glücklich: "Oh man, macht das Spass!"

"Ja, so können wir endlich mal wieder abschalten."

Dann fiel Emmas Blick auf Leinar. "Ups, dein Herzbube flirtet wohl mit einer anderen."

Ich verdrehte nur die Augen. "Leinar unterhält sich nur mit Ariella und wir hocken ja auch viel aufeinander. Da hat er kaum Zeit für Andere."

"Oh, wie verständnisvoll du doch bist.", meinte Emma ironisch.

"Und wie läuft es mit dir und Kenian?", wechselte ich schnell das Thema, weil ich nicht weiter darüber reden wollte.

"Fantastisch." Emma strahlte geradezu. "Wir sind jetzt zusammen."

"Das ist toll, wirklich." Ich freute mich für die beiden.

Ich sah mich im Raum um. Überall befanden sich ausgelassene Feen. An einem Tisch spielten Jungs sogar Karten. Doch irgendwie gewann fast nie Jemand. Feen waren Naturtalente im magischen Schummeln. Etwa so, wie wenn man ein Kartenspiel gegen den Computer spielt. Der Computer gewann da ja auch fast immer. Nur dass hier alle Feen irgendwie Computer waren.

 

Plötzlich tauchte Sophann wieder auf. "Da seid ihr ja. Was sitzt ihr denn hier so rum? Tanzen, Ladys!"

Emma und ich mussten lachen und folgten ihr auf die Tanzfläche. Sophann trug heute ein weiß geblümtes Sommerkleid, dass ihr ausgezeichnet stand. Wir tanzten bis spät in die Nacht hinein. Als Leinar und ich endlich in unserer Suite waren, waren wir beide erschöpft. Aus irgendeinem Grund standen seine Haare in allen Himmelsrichtungen ab. Ich musste herzlich lachen.

Leinar sah mich entgeistert an. "Was ist denn los?"

"Deine Haare...", sagte ich nur.

Er stöhnte. "Das passiert mir manchmal, wenn ich aufgewühlt bin oder Alkohol trinke. Hat was mit diesem Stylekram zu tun. Deswegen lasse ich auch meist die Finger davon."

Ich kicherte immer noch leicht. "Aber heute hast du getrunken."

"Aber nicht viel.", verteidigte er sich. "Nicht mal die ganze Flasche. Das ist einfach nicht fair."

Hach, er sah einfach zu süß aus. Und dann fielen wir plötzlich praktisch übereinander her. Leinar warf sich auf mich und ich lag mit dem Rücken auf dem Sofa. Er küsste mich wild und nicht sanft wie sonst. Er spielte mit meiner

 

Zunge und fuhr mit seiner Hand unter mein T-Shirt. Er brührte meine nackte Haut, die kribbelte. So weit waren wir bis jetzt noch nie gegangen. Jedenfalls nicht so. Offenbar ließ der Alkohol Leinar wilder werden. Irgendwie gefiel es mir. Ja, ich liebte es sogar, wie ich alles an ihm liebte. Spielerisch knabberte ich an seinem Ohr und er stöhnte leicht auf. Das entlockte mir ein Lächeln. Wir waren in unserer Beziehung wohl gerade einen Schritt weiter gekommen. Ich lächelte glücklich. Vielleicht sollte Leinar ja öfter Alkhol trinken...

 

Renn

 

Ich war ein richtiger Familienmensch. Familie wird bei uns sehr groß geschrieben. Meine Eltern und meine Geschwister und natürlich auch meine Frau Isanna waren alles für mich. Besonders Corly hatte es mir angetan. Ich würde alles für sie tun. Sie war ja jetzt mit diesem Austin zusammen. Ich hoffte wirklich, dass er ihr Niemals weh tat, sonst würde es ihm sehr Leid tun.

Isanna war jetzt bei Lunar und Linnie im Schloss und ich vermisste sie jeden Tag. Ich konnte verstehen, dass sie bei unserer Tochter sein wollte, aber es tat weh sie nicht bei mir

 

zu haben. Ich selbst bekam erst in vier Wochen Urlaub, wenn alle Urlaub hatten.

Niemand wusste alles über mich. Ich hatte noch viel mehr Geheimnisse als die, die ich Mianna erzählt hatte. Nicht mal Isanna wusste von diesen Geheimnissen.

Ich lächelte bei den Erinnerungen an meine Enkeltochter. Ich mochte sie und genoss unsere gemeinsame Zeit. Sie war einfach was Besonderes und vielleicht war sie wirklich die Person, der ich all meine Geheimnisse anvertrauen konnte.

Es klopfte an der Tür und Corly kam herein. Schön wie immer. Meine Schwester war wirklich einfach nur wunderschön. Sie hatte wunderschönes, blondes Haar, wunderschöne blaue Augen, ein wunderschönes liebliches Gesicht und sie kleidete sich meist sehr schick in Blusen, Röcken oder Kleider. Heute trug sie ein schwarzes Sommerkleid. Ich sah sie wie immer bewundernd an. Ich konnte gar nicht anders.

 "Hey, Bruderherz! Was machst du so?", begrüßte sie mich und setzte sich zu mir an den Tisch.

"Nichts besonderes. Ich hab hier gesessen und nachgedacht."

"Hört sich langweilig an.", fand meine Schwester.

"Nein überhaupt nicht.", versicherte ich ihr. "Ich denke gerne nach."

 

"Mein nachdenklicher Bruder.", neckte sie mich.

"Und was macht unser anderer Bruder so?", fragte ich Corly.

Lim und ich hatten einfach nicht viel gemeinsam. Ich hatte nie verstanden, was er an Carlina fand oder an den Partys, die er immer gab. Natürlich liebte ich meinen Bruder und war gern mit ihm zusammen. Doch eigentlich war er der aus meiner Familie, der mir am wenigsten nah stand. Meine Eltern hatten immer versucht unser Verhältnis zu verbessern, aber das hatte nicht so gut funktioniert. Ich bewunderte ihn aber, weil er zwei wunderbare Töchter bekommen hatte. Ich mochte Keena und Sena beide sehr gern und auch Keenas Sohn Leinar war toll. Ich freute mich für Mianna und ihn.

"Lim hab ich heute noch nicht gesprochen, aber ich glaube er wollte nun endlich mal Kontakt zu Leinar aufnehmen.", verriet Corly mir.

"Das wurde ja auch mal Zeit. Vermutlich hat er gesehen, wie ich Zeit mit Mianna verbrachte."

"Sei nicht so hart zu ihm, Renn. Er ist nicht immer einfach, aber er ist dein Bruder.", bat sie mich. Sie nahm meine Hand in ihre. Das tat sie oft.

 

"Und wie läuft es mit Austin?" Mir war klar, dass ich der Antwort auswich, aber ich wollte darauf nichts erwiedern. Corly hatte ja Recht.

"Wirklich gut." Sie strahlte wie ein kleines Mädchen. "Er ist toll, Renn. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen, wirklich nicht."

"Ich weiß, aber ich mache mir trotzdem Sorgen. Ich kann einfach nicht anders. Du bist meine Lieblingsschwester." Ich zuckte entschuldigend mit den Achseln.

"Das weiß ich doch, Renn. Übrigens bin ich ja auch deine einzige Schwester." Dann sah sie mich interessiert an. "Du vermisst Isanna, oder?"

 "Wie verrückt.", gab ich traurig zu. "Aber ich kann verstehen, dass sie jetzt bei Linnie sein will. Ich würde es ja auch wollen, wenn ich nicht hier festhängen würde."

"Aber Renn, du wolltest diese Stelle doch unbedingt.", erinnerte mich meine Schwester sanft.

"Ja schon, aber es gibt dabei eben auch Nachteile. Immerhin hab ich ja noch Mianna hier." Wegen der ich übrigens auch die Stelle wollte.

"Wie läuft denn der Unterricht mit ihr?"

"Gut, sie lernt schnell." Ich sprach voller Stolz von ihr.

"Ihr macht das schon Renn. Ich weiß zwar nicht, was ihr

 

da macht, aber immerhin macht ihr es zusammen."

Kluge, schlaue Corly. Natürlich hatte sie keine Sekunde gelaubt, was ich den Anderen auftischen wollte.

"Tut mir Leid. Ich würde es dir sagen, wenn ich könnte."

"Mach dir keinen Kopf deswegen. Ich versteh das doch."

Ich lächelte sie dankbar an. Es war schön Corly hier zu haben. Ich hatte sie so gern um mich. Auch wenn ich mir sonst nie Unsicherheit anmerken ließ, wusste Corly neben Isanna mit als Einzige, wie unsicher ich eigentlich sein konnte.

"Renn, darf ich dich was fragen?" Corly sah mich ernst an, was mir gar nicht gefiel.

"Klar, was denn?", fragte ich trotzdem und rutschte unruhig auf meinem Stuhl hin und her. Dieses Anzeichen von Nervosität würde ich mir wohl nie abgewöhnen.

"Bist du ein Feuermagier?", wollte sie dann geradeheraus von mir wissen.

Ich zuckte zusammen und allein dadurch hatte ich mich schon verraten. "Wie kommst du darauf?"

"Dein Trainig mit Mianna, deine Geheimnisse, einfach alles." Jetzt war sie es, die mit den Achseln zuckte.

"Du darfst es nie Jemanden verraten. Nur Mianna weiß es. Ich meine es ernst, Corly, das ist wichtig.", trichterte ich

 

ihr ein.

"Das weiß ich doch, Renn. Also stimmt es? Glaubst du wirklich ich würde das Jemanden verraten?" Sie wirkte leicht gekränkt, aber auch aufgeregt. Sie hatte ein weiteres Puzzelstück um ihren Bruder gelüftet.

"Ich glaube du verstehst nicht ganz. Ich meine wirklich Niemanden. Nicht Mum und Dad, nicht Lim und ganz bestimmt nicht Austin. Einfach Niemanden." Ich kannte meine Schwester. In Geheimnisse wahren war sie nicht besonders gut.

"Ok.", versprach sie. Sie sah jetzt aber doch bestürzt aus.

Wir unterhielten uns noch eine Weile und ich erzählte ihr von meiner Feuermagie. Nun wusste sie es ja eh schon. Sie hörte mir aufmerksam zu und wurde ganz hibbelig. Ich seufzte. Ich wusste nicht, ob das jetzt gut oder schlecht war, dass Corly es wusste. Gut, weil ich mit ihr darüber reden konnte und schlecht, weil sie es wohlmöglich ungewollt ausplaudern würde. Corly meinte das nicht mal böse, sie war einfach so. Jetzt konnte ich es eh nicht mehr ändern.

Kapitel 7 Brüderchen und Schwesterchen

Wenn dein Sohn groß ist, mache ich einen Bruder daraus.

 

Weisheit aus Arabien

 

Mianna

 

Die Woche verging recht ereignislos. Ich lebte mein Leben mit Leinar, meinen Freunden und der Schule. Meine Beziehung zu Leinar war jetzt irgendwie intensiver. Viel zu schnell war es wieder Donnerstag und ich musste erneut früh aufstehen. Doch diesmal fiel es mir schon leichter. Als ich heute Renn vorm Schloss antraf, war er nicht allein. Ein jüngerer Mann war bei ihm und ich erkannte in ihm John vom Ritterturnier wieder. Er hatte damals das Turnier gewonnen.

Verwirrt ging ich auf Renn zu. "Ich dachte wir üben allein, weil es so streng geheim ist, was wir machen."

"John ist eine Ausnahme.", erklärte er. "Kennt ihr euch eigentlich? John, das ist Mianna. Mianna - John."

John sah ihn entgeistert an. "Du weißt, dass ich weiß, wer sie ist."

Ach so? Das war ja interessant.

 

"Ich hab John beim Ritterturnier gesehen. Du hast großartig gekämpft." Fast unbewusst warf ich meine roten Haare nach hinten, wie ich es immer tat, wenn ich nervös war. John sah schon gut aus. Er hatte blondes, wirres Haar, sanfte braune Augen und hatte einen ansehlichen Körperbau. Er trug genau wie Renn und ich schwarz und das stand ihm sehr gut.

"Können wir die Einzelheiten bitte auf der Lichtung besprechen?", bat Renn uns und führte uns ohne ein weiteres Wort vom Schloss weg. Auf der Lichtung ergriff er dann erneut das Wort. "Mianna, letzte Woche wollte ich dir Zeit zum Eingewöhnen geben, aber wir müssen mit John zusammen trainieren. Er ist unser sogenannter Gegenpol. John?" Er übergab John das Wort.

"Alles, was ihr mit Feuermagie machen könnt, kann ich mit Licht machen."

"Zeig es ihr, John.", forderte Renn ihn auf.

Also erschuf John vor meinen Augen eine handgroße Lichtkugel in seiner Hand, wie Renn es letzte Woche mit Feuer gemacht hatte. Sie leuchtete lichterhell. Spielerisch schmiss er sie nach mir, doch sie löste sich in Luft auf, ehe sie mich traf. Super, jetzt wurde ich auch noch mit Lichtkugeln beworfen.

 

"Wow!", staunte ich dennoch beeindruckt.

"Kommt mal her.", forderte Renn uns auf und wir stellten uns in eine Art Kreis auf. "Lasst uns mal versuchen, was gemeinsam zu erschaffen. "Mianna, was möchtest du gerne erschaffen?"

"Einen Feuerkreis.", überlegte ich.

Renn nickte und fragte uns: "Alle bereit?" John und ich nickten.

Wir dachten an einen Feuerkreis und John an einen Lichtkreis. Ich nahm meinem Kreis etwas von der Wärme. So kam es, dass in der Luft drei verschiedene Kreise erschienen. Meiner war der Kleinste, aber mein Feuer leuchtete sehr hell. Renns Kreis war über meinen Kreis. Er umschloss meinen Kreis ein. Er war größer, leuchtete aber etwas schwächer als meiner. Johns Kreis dagegen war der hellste und größte und umschloss unsere beiden Kreise. Er hatte einen Kreis aus reinem Licht erschaffen. Während wir Magie ausübten, spürte ich eine tiefe Verbindung zu Renn, aber auch eine zu John und das verwirrte mich sehr. Ich kannte John doch kaum. Meine Konzentration ließ nach und mein Feuerkreis wurde schwächer und erlisch schließlich ganz.

"Das war doch gar nicht mal so schlecht.", freute sich Renn und John und er ließen ihre Kreise auch erslöschen.

 

"Was war das gerade?", hauchte ich atemlos und sah John fragend an.

"Was meinst du?", fragte Renn verwirrt. "Das war Magie. Was denn sonst?"

"John?", fragte ich ihn und beobachtete ihn genauer.

"Du hast es gespürt, oder?", fragte er nur.

"Ja."

"Was meint ihr?" Renn schien genau so wenig Ahnung zu haben wie ich.

"Nichts.", wich er Renn aus. "Ihre Magie ist nur sehr mächtig."

In Gedanken sagte er zu mir: Ich erzähle es dir später.

"Das weiß ich doch.", Renn schüttelte nur verwirrt mit dem Kopf.

Ich zuckte dagegen leicht zusammen. Ich dachte die Fähigkeit in Gedanken zu reden besaß nur mein Vater. War das jetzt neuerdings auch erblich? Aber dann müsste John ja mein Bruder sein. Das war doch lachhaft.

Nein ist es nicht, ich bin dein Bruder., ertönte Johns Stimme in meinem Kopf. Offenbar konnte er auch noch Gedanken lesen.

 "Aber wie?", flüsterte ich.

Später, versprach er.

 

Wir trainierten noch eine Weile weiter. Renn ließ uns nun unterschiedliche Dinge erschaffen. Ich erschuf zum Beispiel einen Regenschirm aus Feuer, Renn einen Luftballon aus Feuer und John sogar einen kleinen Hubschrauber aus Licht. Die drei Dinge leuchteten dann gemeinsam am Himmel.

"Ok, das sollte für heute reichen. Wir sollten unsere Magiestunde für heute beenden. Vielleicht können wir nächste Woche schon mit Schwertern weiter machen."

"Schwerter?", fragte ich verständnislos. Ich war immer noch verwirrt wegen der Sache mit John.

"Ja, Schwerter. Das ist die nächste Stufe.", erklärte Renn.

Als Renn und ich uns schon umdrehen und gehen wollten, rief John mir hinterher: "Mianna hast du noch eine Minute?"

Also blieb ich, wo ich war, und Renn verabschiedete sich von uns und verließ die Lichtung allein.

 

"Wie John? Wie kannst du mein Bruder sein?", wollte ich wissen. "Und wieso hast du die Fähigkeit meines Vaters in Gedanken zu lesen?"

"Dein Vater ist auch mein Vater.", erklärte er mir. "Aber wir haben verschiedene Mütter."

"Und wer ist deine Mutter?", wollte ich wissen.

 

"Das ist etwas komplizierter.", wich er mir aus.

"Glaub mir, noch komplizierter können meine Verwandtschaftsverhältnisse gar nicht mehr sein." Ich überlegte, woher er mir nur so bekannt vorkam.

Er holte tief Luft. "Na gut, dann... Deine Adoptivmutter Luciana ist meine Mutter."

Mir fiel die Kinnlade herunter. "Na toll, die Frau, die mich erzogen hat, ist deine Mutter?"

"So sieht es aus." Sein Gesicht war ausdruckslos und sah so irgendwie süß aus. Irgendwie so sorgenvoll und bekümmert.

"Aber wie kannst du so mächtig sein, wenn nur ein Elternteil von dir magisch ist? Unser Vater hat Magie in sich klar, aber nicht Mum, ähm, deine Mutter."

"Du weißt es wirklich nicht, oder?" Ich sah ihn zur Antwort nur verwirrt an. "Die Eltern meiner Mutter sind Feena und Rothas."

"Nie im Leben. So alt ist sie doch noch gar nicht und sie ist überhaupt nicht magisch veranlagt." Das konnte nicht sein.

"Sie hat eben einfach mehr von Rothas abgekommen als von Feena, und Rothas ist ein Mensch gewesen. Aber ich habe Feenas Gene.", erzählte er.

 

Ich schüttelte fassunglos mit dem Kopf. "Wer hätte gedacht, dass alles noch verrückter sein kann?" Dann fiel mir noch etwas ein. "Aber Feenas Kinder stehen alle auf dem Stammbaum. Luciana aber nicht."

"Glaubst du, es war purer Zufall, dass gerade du zu den beiden gekommen bist? Glaubst du so was würden deine Eltern dem Zufall überlassen? Luciana hat tatsächlich eine Gabe, aber davon weiß fast Niemand. Sie kann in die Zukunft sehen."

"Und wo warst du dann die ganze Zeit?", fragte ich ihn. Er hätte doch bei uns leben müssen.

"Ich war bei unserem Vater und deiner Mutter. Na ja, jedenfalls die erste Zeit über. Später war ich dann überwiegend in der Schule. Ich war praktisch der jüngste Schüler überhaupt.", erzählte er.

"Wie lange weißt du schon, dass wir Geschwister sind?", wollte ich wissen.

"Halbgeschwister.", korrigierte er mich automatisch. "Gewusst, dass es dich gibt, hab ich schon immer. Geahnt, dass du das bist, hab ich seid ich dich mit unserem Vater auf dem Königsfest gesehen hab. Richtig begriffen hab ich es aber erst heute, wo wir unsere Verbindung gespürt haben."

"Verrückt.", kommentierte ich noch mal. "Absolut

 

verrückt."

"Wir müssen uns nicht näher kennen lernen. Ich kann verstehen, wenn du das nicht möchtest. Ich könnte mich aus dem Training ausklingen. Renn weiß nichts von der Geschwistersache.", bot John mir großzügig an.

"Auf keinen Fall", rief ich aus. "Ich will dich ja kennen lernen. Ich muss mich wohl erst noch an den Gedanken gewöhen."

"Muss ich auch. Es ist eine Sache zu ahnen, dass ich eine Schwester hab, aber eine ganze andere es wirklich zu wissen."

"Ja, ich weiß, was du meinst." Ich sah ihn verständnisvoll an.

"Ok, ich sollte jetzt gehen.", begann er, aber ich hielt ihn zurück.

"John?"

Er drehte sich noch ein mal zu mir um. "Ja?"

"Dein Zaubername ist nicht zufällig Johnassan oder so, oder?"

"So ähnlich jedenfalls. Ursprünglich hieß ich Jonaja."

"Oh, klingt nach Jonael.", bemerkte ich wenig geistreich.

"Ganz genau, aber John ist mir lieber." Er grinste schief.

"Ich nehme an, dass ist wieder so eine Geheimnissache.",

 

befürchtete ich.

"Wenn das kein Problem für dich ist..."

War es irgendwie schon, aber ich antwortete: "Nein, überhaupt nicht."

"Ok, ich schätze wir sehen uns dann." Er nickte mir kurz zu und ging dann wirklich. Kurze Zeit später folgte ich ihm. Jetzt hatte ich also einen Bruder. Ich fand das immer noch ziemlich verrückt, aber ich mochte John.

 

Kapitel 8 Entscheidungen

Einsam ist die Straße, auf der du wandelst

Oh, und so fern der Heimat

 

Enya - May it be

 

Leinar

 

Ich war den ganzen Tag irgendwie mies drauf. Ich hatte Mianna heute Morgen mit diesem Typen gesehen. John hieß er glaub ich. Was wollte sie bloß von ihm?

Jetzt wusste ich, wie sie sich fühlen musste, wenn sie mich mit Ariella sah. Aber bei Ariella hatte ich die Karten gleich auf den Tisch gelegt. Jetzt hatten wir dagegen noch keine Zeit gehabt, darüber zu reden. Eigentlich war es unfair. Ich hatte sie ja nicht mal direkt mit ihm zusammen gesehen. Sie kam nach ihm aus den Wald, aber zweifellos musste sie mit John durch den Wald gegangen sein.

Zerknirscht ging ich zum Extraunterricht mit meiner Großmutter. Der Schultag war eigentlich ziemlich ereignislos gewesen. Jedenfalls wartete sie schon im Kaminzimmer auf mich. Doch sie war nicht allein. Lim war bei ihr. Verwirrt sah

 

ich zwischen den beiden hin und her.

"Leinar, darf ich dir deinen Großvater vorstellen?" Ich streckte Lim höflich die Hand aus. Mein Großvater wirkte etwas steif und resigniert.

"Hallo Leinar.", sagte er aber freundlich.

"Hallo."

"Macht es dir was aus, wenn Lim bei der heutigen Stunde anwesend ist?", fragte Oma mich.

"Nein, überhaupt nicht." Aber es behagte mir nicht ganz. Ich wusste nicht, was ich damit anfangen sollte, dass er so plötzlich Interesse an mir zu haben schien. Es war seltsam meine beiden Großeltern an einem Ort zu sehen.

"Du weißt doch noch, wie wir unsere letzte Stunde beendet haben, oder?", wollte Oma von mir wissen.

"Natürlich.", nickte ich.

"Vielleicht sollten wir daran anknüpfen.", überlegte sie. An Lim gewandt erklärte sie: "Wir üben hier Leinars Seelenmagie. Natürlich geht das besser, wenn Mianna auch dabei ist, aber sie kann nur Samstags mit uns gemeinsam üben."

"Mianna ist deine Freundin?", fragte er überflüssiger Weise.

Ich fand Lim irgendwie seltsam, aber vermutlich hatte er einfach nur keine Erfahrung mit Enkelkindern.

 

"Ja.", sagte ich gedehnt. Er nickte nur.

"Wie fühlst du dich heute, wenn du an die Seelenmagie denkst?", erkundigte sie Oma bei mir. Das tat sich zu jedem Unterrichtsbeginn zuerst. Ich mochte das nicht besonders. Außer mit Mianna redete ich mit niemanden gern über meine persönlichen Gefühle. Auch mit Oma nicht.

"Ganz gut, denke ich. Ich weiß nicht genau. Ich fühle mich nach wie vor stark mit Mianna verbunden. Aber wenn sie nicht bei mir ist, fühlt es sich in meinem Inneren leer an. Als wäre ich nicht vollständig.", erzählte ich.

 "Einsamkeit.", murmelte Lim. Dann fragte er mich: "Belastet es dich immer noch, dass deine Mutter gegangen ist?"

"Bitte?" Ich fand Lim extrem unhöflich. Er kannte mich doch gar nicht. Was sollte das?

"Leinar, du darfst Lim nicht böse sein. Er ist einer der Wenigen von uns, der einen menschlichen Beruf ausgeübt hat. Er hat an einer menschlichen Uni das Fach Psychologie als Hauptfach belegt. Neben seiner Tätigkeit hier als Lehrer natürlich." Doch sie sah Lim trotdem streng an: "Lim, bitte. Benimm dich. Sonst musst du den Unterricht verlassen. Als Lehrer müsstest du das wissen."

Mir entging nicht, dass Oma mit Lim sprach, als sei er fünf Jahre alt. Na super, offenbar hatten meine Großeltern

 

Eheprobleme und mein Großvater war auch noch ein Seelenklempner. Schlimmer konnte es ja kaum kommen.

"Schon gut, ich wollte sowieso gerade gehen." Als hätte er nur darauf gewartet von hier wegkommen zu können, verschwand er ohne sich umzudrehen aus dem Raum.

Oma ließ die Schultern hängen. "Tut mir Leid, Kleiner. Ich hatte gehofft, dass ihr euch so besser kennen lernen könnt, aber Lim ist in solchen Dingen nicht besonders gut."

"Schon gut Oma, lass uns einfach weiter machen." Ich brauchte keinen Großvater, der nur Zeit mit mir verbringen wollte, wenn er sich dazu herabließ. Lim war mir von Anfang an unsympatisch gewesen und ich konnte auch gut auf ihn verzichten.

 

Mion

 

Ich war endlich mal wieder draußen. Tat das gut. Einfach abzuschalten und nachzudenken. Ich musste eine Entscheidung treffen. Wollte ich endlich den anderen die Wahrheit sagen, oder nicht?

Plötzlich sprach mich Jemand an: "Gavin?"

Erschrocken drehte ich mich um und stand vor einer mir vage bekannten Frau.

 

"Nein, tut mir Leid, mein Name ist Mion. Sie müssen mich verwechselt haben.", log ich. Obwohl das mit dem Namen ja irgendwie stimmte. Den Namen Gavin hatte ich schon vor langer Zeit abgelegt.

"Oh, tut mir Leid, Sie erinnern mich an Jemanden, den ich mal gekannt habe. Aber natürlich sind Sie nicht er. Er ist schon sehr lange tot. Tut mir wirklich Leid."

"Ist schon in Ordnung. Standen sie diesem Gavin sehr nahe?", fragte ich die Frau und hoffte, dass ich nicht zu neugierig klang.

"Ja schon, er war mein Sohn. Mein lieber, lieber Sohn.", antwortete sie und klang sehr traurig.

Oh Gott, das konnte nicht sein. Diese alte Frau konnte doch nicht meine eigene Mutter sein, oder? Ich hätte sie doch erkannt oder nicht? Sie sah jetzt so ganz anders aus als früher.

"Oh! Kommen Sie denn von hier?", erkundigte ich mich dann bei ihr.

"Ach wo, ich bin von weit her auf der Durchreise. Meine Schwiegertochter ist vor ein paar Tagen gestorben. Ich muss zu ihrer Beerdigung.", erzählte sie und klang nun noch trauriger.

Nein! Das ging doch nicht. Lavinia durfte nicht tot sein.

 

Sie hätte doch noch erfahren sollen, dass ich lebte. Ich war total geschockt.

"Oh, das tut mir Leid. Wo findet das Begräbnis denn statt?" Nach außen hin ließ ich mir nichts anmerken, aber im Inneren war ich total aufgewühlt. Lavinia durfte nicht tot sein. Ich bemühte mich meine Rolle zu spielen und nicht in Tränen auszubrechen.

"Im Schloss in der Menschenwelt. Ihre Kinder waren außer mir ihre einzigen lebenden Verwandten. Wobei Tiljan ihr auch sehr nahe stand. Tiljan ist Lehrer im Schloss und konnte deswegen organisieren, dass die Beerdigung im Schloss statt findet.", erzählte sie.

Da traf ich spontan eine Entscheidung. "Ich hab eben gelogen. Ich bin tatsächlich Gavin. Ich kann meine Gestalt verändern. So wurde ich lange Zeit zu Mion. Du hattest also zu Recht das Gefühl, dass ich dir bekannt vor kam."

 Und so verwandelte ich mich zum ersten Mal seit Ewigkeiten wieder zu Gavin. Meiner Mutter fielen fast die Augen aus dem Kopf. Doch dann wurde sie skeptisch. "Woher weiß ich, dass ich Ihnen trauen kann. Das könnte auch ein Trick sein."

"Könnte es.", gab ich ihr Recht. "Aber wie sollte ich dann wissen, dass du als ich klein war immer diese leckeren

 

Torten gebacken hast, oder mir zu besonderen Anlässen "Den Zauberer von Oz" vorgelesen hast oder dass Dad immer verrückte Dinge gebaut hat?" Mein Leben als Feenkind war schon recht ungewöhnlich gewesen.

"Oh Gavin! Mein lieber Junge! Aber wie kann das sein? Wie kannst du die ganze Zeit gelebt haben, ohne dass ich davon wusste?" Meine Mutter wirkte ziemlich verwirrt.

"Das ist kompliziert.", sagte ich nur vage.

"Ich denke wir haben auf Lavinias Beerdigung genug Zeit darüber zu reden.", bemerkte meine Mutter.

"Ich bin nicht sicher, ob ich mitkommen kann.", gestand ich ihr.

"Ach komm schon Gavin, deine Kinder sind dort und sie trauern um deine große Liebe. Sie brauchen ihren Vater jetzt an ihrer Seite."

"Einen Vater, der sie im Stich gelassen hat?", fragte ich skeptisch. "Wohl kaum. Außerdem war Lavinia zwar meine erste große Liebe, aber nicht meine Einzige. Ich hab eine Frau und einen Sohn und die sind beide im Schloss. Sie kennen mich als Mion."

"Ich habe noch einen Enkelsohn?", fragte sie staunend.

Ich seufzte frustriert. "Das ist alles viel komplizierter und zwischen Tür und Angel kann ich dir das jetzt nicht alles erklären."

 

"Dann komm mit und erkläre es mir unterwegs.", forderte meine Mutter hartnäckig.

"Also gut.", gab ich nach, aber mit einem unguten Gefühl. Trotzdem gingen wir in mein Haus, ich packte ein paar Sachen in meinen Rucksack und dann machten wir uns auf den Weg zum menschlichen Schloss. Obwohl ich nicht sicher war, ob wir überhaupt pünktlich ankamen, aber meine Mutter hatte eine Überraschung für mich. Mehrere Bewohner unserer Welt gingen zu der Beerdigung meiner ersten Frau und so hielt der magische Zug ausnahmsweise erneut in Raubit.

Kapitel 9 Lavinias Beerdigung

Liebe kann uns einmal berühren

Und für ein Leben bleiben

Und uns niemals loslassen, bis wir sterben

 

Celine Dion - My heart will go on

 

 

Mianna

 

Es war Wahnsinn wie viele Feen und Elfen ins Schloss angereist kamen. Gerade auch Elfen. Ich hätte gar nicht gedacht, dass es noch so viele gab. Eigentlich gab es doch jetzt überwiegend uns Feen. Der plöztliche Tot von Lavinia hatte uns jedenfalls alle geschockt. Ich hatte sie zwar nicht gekannt, aber ihre Geschichte fand ich schon immer traurig.

Leinar benahm sich komisch seid dem Tag, an dem ich meine erste Unterrichtsstunde mit John hatte, aber so richtig schlimm wurde es erst, als er von Lavinias Tot erfahren hatte. Es machte mich fertig, dass ich ihm nicht helfen konnte. Er wirkte ständig nervös und irgendwie traurig. Ich hatte versucht mit ihm zu reden, aber so wirklich ließ er

 

mich nicht an sich heran. Ich vermisste ihn, obwohl ich ihn jeden Tag sah, und so sollte es doch nun wirklich nicht sein. Ich liebte ihn doch. Irgendwie musste ich das wieder in Ordnung bringen. Ich wusste nur nicht wie. Wir hatten zwar nicht direkt miteinander gestritten, aber so wirklich viel redeten wir momentan auch nicht miteinander.

Ich hatte gehofft meine Eltern würden zu der Beerdigung kommen, aber sie waren im Schloss geblieben. Hier im Schloss war gerade so viel los wie noch nie. Überall liefen fremde Feen oder Elfen rum.

Ich dagegen stand am See, wo die Vorbereitungen für Morgen liefen. Plötzlich berührte mich Jemand an der Schulter. Ich drehte mich um und sah Corentin vor mir stehen. Er sah blendend aus mit seinen tiefschwarzen Haaren und dem blauen Kapuzenshirt und der Jeans.

"Corentin, was machst du denn hier?", fragte ich ihn überrascht. Fast reflexartig umarmten wir uns.

Corentin lachte: "Darf ich daraus schließen, dass du mich vermisst hast?"

Ich stutzte. "Irgendwie schon, glaube ich.

"Lavinia war meine Tante. Ich wurde zur Beerdingung frei gestellt.", erklärte er mir.

"Natürlich. Bist du allein hier?"

 

"Hm, ja. Cam und Lilien sind noch am See, aber es geht ihnen gut. Wir versuchen gerade den Schutzwall zu stärken." Er sah mich aus seinen klugen blauen Augen an.

"Was heißt versuchen?"

"Na ja. Schutzzauber wieder neu herzustellen ist eine schwierige Angelegenheit. Das braucht einfach seine Zeit."

Ich nickte. "Ach so, das kann ich mir vorstellen."

"Wie läuft es mit Leinar?", fragte er mich dann.

"Gerade nicht so gut.", gestand ich ihm. "Ich weiß auch nicht. Er lässt mich nicht wirklich an sich ran. Aber ich will dich auch nicht mit meinen Beziehungsproblemen belästigen."

"Tust du nicht. Rede einfach mit ihm, ihr gehört zusammen.", riet er mir schlicht. Bei ihm hörte sich das so einfach an.

"Ich werde es versuchen."

"Oh, da vorne ist Tiljan. Ich möchte ihn gerne begrüßen.", bemerkte Corentin dann.

"Klar, mach nur. Ich werde dann mal Leinar suchen. Wie lange bleibst du?"

"Nur zwei Tage. Ich möchte so schnell wie möglich zurück."

"Ok, vielleicht sehen wir uns ja noch mal."

"Ja vielleicht." Er lächelte wieder. "Also bis dann."

Und dann ging er zu Tiljan. Offenbar hatte Corentin eine Sondergenhemigung bekommen, um bei der Beerdigung seiner Tante dabei sein zu können. Irgendwie musste da ja was geregelt werden, damit das ging. Er hatte ja diese Strahlenkrankheit.

 

Bevor ich Leinar suchte, sah ich mich noch eine Weile weiter um. Einige neue Schlossbewohner kannte ich, aber die meisten waren mir völlig unbekannt. Auf jeden Fall war es eine bunte Mischung aus Elfen und Feen. Die Beerdigung Morgen würde bestimmt sehr unterhaltsam werden und vermutlich auch sehr traurig. Lavinia war vielleicht nicht so berühmt gewesen, wie ihre Schwester Djana, aber offenbar war sie bei ihren Freunden und Verwandten sehr beliebt gewesen.

Als ich durch den Vorhang unserer Suite ging fühlte ich mich gleich wohler. So war es immer. Das hier war in sehr kurzer Zeit mein zu Hause geworden. Leinar saß gedankenverloren auf unserer Couch. Ich setzte mich neben ihn und berührte ihn sanft an der Schulter.

"Ist alles in Ordnung mit dir? Du warst so still in letzter Zeit.", fragte ich ihn besorgt.

"Es gibt momentan ziemlich viele Dinge, über die ich nachdenken muss.", wich er mir zunächst aus, doch dann sah er mir fragend in die Augen. "Ich hab dich neulich mit diesem John gesehen."

Ich seufzte gequält. "Das bereitet dir Kopfschmerzen? Leinar, bitte, ich liebe dich. John hat für mich eine andere Bedeutung, aber mehr darf ich dir darüber nicht verraten. Ich wünschte ich könnte es, aber dieses Geheimnis geht vor allem John selbst was an und ich kann wohl kaum seine Geheimnisse ausplaudern, oder? Aber ich versichere dir: Du bist der Einzige für mich. Gott, ich kenne John doch kaum. Ich weiß praktisch nichts über ihn." Ich konnte nicht fassen, dass das zwischen uns zu stehen schien.

 "Oh, vielleicht hab ich da einfach etwas überreagiert. Eine Beziehung zu führen ist einfach noch so neu für mich. Überhaupt hab ich im Umgang mit Feen einfach nicht genug Erfahrung." Er sah mich betroffen und entschuldigend zugleich an.

"Schon gut, Leinar. Ich finde du machst das ganz toll." Ich lächelte ihn aufmunternd an. "Aber das ist noch nicht alles, oder?"

"Stimmt, aber das Andere ist nichts, worüber ich reden darf. Es ist ein Geheimnis, dass meinen Vater betrifft, und ich kann wohl kaum die Geheimnisse meines Vaters verraten, oder?" Er grinste mich an und war schon wieder mehr der Alte.

"Ok, aber lass dich nicht zu sehr davon runter ziehen, ja?", bat ich ihn und küsste ihn sanft auf den Mund. Er zog mich eng an sich.

"Ich versuche es.", versprach er mir.

Und dann genossen wir einfach nur unseren gemeinsamen Abend.

 

Leinar

 

Ich war froh, dass das mit John geklärt war. Na ja, zwar nicht so richtig, aber eigentlich hatte ich ja auch nicht geglaubt, dass Mianna was von John wollte. Ich vertraute ihr. Ich hatte mich wohl einfach nur verrückt gemacht und ich war es einfach nicht so gewohnt, dass ich Jemanden wie Mianna an meiner Seite hatte. Alte Gewohnheiten legte man wohl doch nicht so einfach ab. Was mir aber viel mehr zu schaffen machte war, dass ich ihr das mit meinem Vater immer noch verheimlichen musste. Ich war ihr wohl vor allem aus dem Weg gegangen, weil ich sie nicht belügen wollte. Es war vielleicht dumm und ich konnte es ja eh nicht verhindern, aber ich fühlte mich gar nicht wohl dabei. Ich wollte ihr die Wahrheit sagen. Ich liebte sie doch so sehr.

Heute kamen natürlich auch wieder Erinnerungen hoch. Es war das erste Mal, dass ich seit Evaniels Tot wieder zu einer Beerdigung ging. Damals hatte ich weiße Kleidung gewählt, die ich angezogen hatte, weil es mir richtig vorgekommen war. Heute trauerte ich nicht so sehr wie damals. Ich kannte Lavinia ja gar nicht. Deswegen wählte ich eine dunkelblaue Hose und ein hellblaues T-Shirt. Allzu bunt wollte ich auch diesmal nicht kommen. Mianna trug ein hellblaues Kleid, passend zu meinem T-Shirt. Sie trug ihr Haar diesmal offen. Nur ein paar vereinzelte Schmetterlingsspangen hatten sich hinein verirrt. Sie sah wunderschön aus.

Gemeinsam gingen wir zum Schlossgarten. Lavinias Beerdigung sollte am See statt finden. Ihr Sarg stand vor dem See und hunderte von kleinen Lichtern schwammen auf dem See als Symbol für das Leben. Es waren so viele Feen und Elfen da. Ganz vorne sah ich Lavinias Kinder und neben ihnen stand eine alte Frau mit einem jungen Mann. Ich musste zwei mal hinsehen, aber ich war mir ziemlich sicher, dass es mein Vater war, der jetzt wieder zu Gavin geworden war. Wie war es dazu bloß gekommen? Ich zuckte kurz zusammen und Mianna drückte meine Hand, die sie schon die ganze Zeit fest mit ihrer verschränkte. Vermutlich dachte sie, dass mir das hier nahe ging wegen Evaniel und so war es ja auch, aber viel verblüffter war ich darüber, dass mein Vater hier war.

Wir standen alle um den See herum. Ganz vorne war natürlich Pater Lelius, der den Gottestdienst hielt.

"Meine lieben Trauernden. Dies ist durchaus ein trauriger Anlass. Ich habe Lavinia gekannt und ich habe sie sehr gemocht. Sie war eine wunderbare Elfe und sie hatte immer ein Lächeln auf Lager. Sie ließ sich nie anmerken, wenn sie traurig war oder Schmerzen hatte. Sie war einfach so unglaublich stark. Lavinia war eine Elfe, auf die man sich verlassen konnte, und die für jeden ein offenes Ohr hatte. Ihrer Schwester Djana war sie immer stets zur Hilfe gekommen, wenn sonst Niemand da war. Sie ist ein großer Verlust für uns alle."

Vereinzelt weinten die Leute, aber es hielt sich noch in Grenzen. Es hörte sich an, als sei sie eine herzensgute Fee gewesen, aber natürlich war sie das. Mein Vater hatte sie schließlich geliebt.

"Wir wollen nun ihren Tag und ihr Leben feiern.", fuhr Lelius fort. "Deswegen wollen wir hier und heute ein wenig für sie beten."

Wie auf Kommando kam aus dem See ein wahres Lichtermeer aus bunten Farben heraus, die immer wieder wechselten. Es sah atemberaubend aus.

"Wir beten für die verstorbene Lavinia.", begann Lelius zu

 

singen. "Wir hoffen sie ist jetzt glücklich, da wo sie jetzt ist. Sie hatte ein langes und erfülltes Leben. Lavinia wird uns allen fehlen, aber wenn wir für sie beten, ist sie immer bei uns."

Die Lichter verschwanden und plötzlich kamen aus dem See tausende von Tauben geflogen.

"Die Vögel des Lebens erteilen Lavinia die letzte Ehre und segnen sie."

Die Menge schwieg und alle sahen den Taubenmeer zu. Bei Evaniel waren die Vögel des Lebens Kolbris gewesen.

"Und zum Schluss singen die Vögel ihr Lied und schicken Lavnias Seele in den Himmel.", beendete Lelius seinen Gesang und verstummte, während wir den Tauben zuhörten.

 

Mianna

 

Es war eine sehr schöne Beerdigung. Lavinias Kinder schienen sehr mitgenommen zu sein, verständlicherweise. Ich fragte mich, wer die Frau und der Mann neben den beiden war. Leinar wirkte neben mir ziemlich nervös. Ich drückte wieder seine Hand, in der Hoffnung, ihn damit etwas beruhigen zu können.

Plötzlich wurde es kälter und kälter. Ich fing an zu

 

zittern. Dabei war heute eigentlich noch mal ein schöner sonniger Tag.

"Was ist hier los?", fragte ich Leinar alamiert. "Hat Tiljan in seiner Trauer die Kontrolle über das Wetter verloren?"

"Glaub ich nicht. So fühlt es sich nicht an.", gab er zu bedenken und er hatte Recht.

Als es noch kälter wurde, wurde die Menge panisch. Ich hielt Leinars Hand noch fester und schickte ihm durch unseren Körperkontakt magische Wärme.

Er sah mich erschrocken an und flüsterte. "Mianna, du musst die Menge mit deinem Feuer retten."

"Aber das schaffe ich nicht allein." Ich klang verzweifelt, das wusste ich.

"Dann versuch es mit Renn zusammen.", drängte er mich.

"Aber er ist irgendwo hier in der Menge." Doch ich konnte zu Jemand anderen Kontakt aufnehmen und der würde hoffentlich Renn kontaktieren können.

John!, rief ich in Gedanken. Wir müssen irgendetwas tun. Wir müssen die Leute mit Wärme versorgen durch Feuer und Licht. Kannst du Renn das sagen?

Alles klar. Und so konzentrierte ich mich auf die Wärme meines Feuers. Zunächst gab ich Leinar noch mehr von meiner Wärme, dann den Leuten neben mir und dann breitete

 

ich den Radius meiner Wärme immer weiter aus, so gut es ging. Ich wusste nicht wie viele Feen und Elfen wir in den Kreis unserer Wärme mit einschließen konnten, aber ich hoffte, dass es für alle reichte

"Keine Panik!", ertönte dann eine Stimme, die unvergleichlich Tedrens war. "Heute will ich euch nicht angreifen. Ich will euch nur warnen. Wenn ihr glaubt mich losgeworden zu sein, so täuscht ihr euch gewaltig. Ich werde wieder kommen und euch erneut angreifen. Ihr wisst, dass ich das jederzeit kann."

"Schämst du dich nicht, ausgerechnet die Beerdigung deiner Schwägerin so zu benutzten? Du hast wirklich gar keine Skrupel mehr, was Tedren?" Ich hörte Tiljans Stimme eigentlich mehr in meinem Kopf und fragte mich, ob alle Anwesenden ihn genauso hören konnten.

"Nein, denn genau deswegen greife ich euch ja nicht an, sondern warne euch nur. Dann lass ich euch in eurer Trauer mal wider allein."

Mir wurde mittlerweile selbst kalt, da ich den anderen meine Wärme gab. War das vielleicht ein Test von Tedren gewesen, um zu sehen, wie stark meine Feuermagie war? Wusste er von Renn und John? Ich hoffte nicht. Doch dann ließ die Kälte augenblicklich nach und ich musste meine

 

Wärme zurück nehmen, damit die Leute nicht verbrannten.

"Wow, Süße! Du hast uns alle gerettet." Leinars Stimme klang voller Stolz.

"Nicht allein.", wiedersprach ich. "Renn hat mir geholfen." Von John wollte ich noch nichts sagen.

Mianna, ist alles in Ordnung?, fragte John mich in Gedanken und klang etwas panisch.

Keine Sorge, mir gehts gut., beruhigte ich ihn. Und dir?

Auch. Gott sei Dank.

Die Menge schrie wild durcheinander. Panisch wollten die Feen und Elfen davon laufen. Ich versuchte ihnen positive Gedanken zuzuflüstern und ihnen zu vermitteln, dass sie ruhig bleiben sollten und die Gefahr fürs erste vorbei war. Die Menge schien tatsächlich ruhiger zu werden.

"Wow.", staunte Leinar. "So fühlt sich das also an, wenn du die Gefühlssache einsetzt."

Ich lächelte in mich hinein. Es schien geklappt zu haben.

Pater Lelius bat schließlich alle um Ruhe und stellte es den Leuten frei zu gehen oder zu bleiben. Viele verließen den Schlossgarten sofort, doch andere blieben auch wie Leinar und ich.

 

 

Leinar

 

Mein Vater kam auf mich zu. Sollte er nicht bei seinen anderen Kindern bleiben, wo doch heute die Beerdigung ihrer Mutter war? Mitten im Gehen verwandelte er sich in Mion zurück. Ich wusste ja, dass er das konnte, aber es zu sehen war doch noch mal etwas ganz anderes. Die Leute um ihm herum hatten von seiner Verwandlung keine Notiz genommen, aber Mianna, die neben mir stand, starrte ihn fassungslos an.

"Was war das denn?", stammelte sie.

"Kann ich dir das später erklären?", fragte ich sie bittend. Auch ich starrte zu meinem Vater. Er war jetzt schon fast bei uns.

"Ja klar.", antwortete Mianna verwirrt.

Mein Vater blieb nun vor uns stehen und lächelte mich an.

"Leinar, es ist so schön, dich wieder zu sehen."

"Solltest du nicht eigentlich bei Joseph und Venja sein? Mom hat mir alles erzählt.", wunderte ich mich.

"Tja, vielleicht sollte ich das.", stimmte er mir zu. "Ich werde gleich auch bestimmt noch mal zu ihnen gehen, aber dich hab ich auch schon so lange nicht mehr gesehen."

 

"Dad, es tut mir Leid, dass ich einfach so gegangen bin.", platzte es aus mir heraus.

Er winkte lässig ab. "Ach was, es ist nicht deine Schuld. Du wärst sowieso an der Schule angenommen worden."

Ich nickte dankbar. "Wie haben die beiden die Wahrheit denn aufgenommen?"

Er wusste sofort, was ich meinte. "Recht gut, aber sie waren geschockt. Richtig geredet haben wir darüber jetzt noch nicht, aber das kommt bestimmt noch, denke ich. Mit dir möchte ich dann auch noch mal über alles reden. Ich denke, du solltest da einiges wissen."

"In Ordnung."

"Ich sollte jetzt wohl gehen. Ich wollte deine Mutter suchen. Weißt du zufällig, wo sie ist?", fragte er mich.

"Nein." Aber ich sagte ihm, wo ihre Suite war. Dann verabschiedeten wir uns voneinander. Mianna, die die ganze Zeit neben mir gestanden hatte, hatte er nicht mal beachtet. Er hatte wohl gerade andere Sorgen.

"Was war das?", fragte Mianna mich noch ein mal fassungslos.

Ich seufzte. Jetzt konnte ich Mianna wohl endlich von meinem Vater erzählen. Also tat ich das auch.

"Wow!", rief Mianna aus, als sie alles gehört hatte. "Was

 

für eine Geschichte. Kein Wunder, dass dein Vater so depressiv wurde."

"Das kannst du laut sagen.", stimmte ich ihr zu.

Kapitel 10 Die menschliche Buchhandlung

Alle guten Worte dieser Welt stehen in Büchern.

 

Chinesisches Sprichwort

 

 Mianna

 

Alle neuen Schüler versammelten sich vor dem Schloss. Heute würden wir wirklich zum ersten Mal die Menschenwelt betreten. Tiljan, Miron, Sena, Nele, Renn und Austin begleiteten uns. Seit dem Auftritt von Tedren bei Lavinias Beerdigung vor zwei Tagen hatte ich Renn nicht mehr gesprochen. Die meisten Gäste, die bei der Beerdigung waren, sind mittlerweile wieder abgereist. Manche sogar gleich nachdem Tedren zu uns gesprochen hatte. Leinars Vater war aber noch da und einige andere auch. Corentin war aber auch schon wieder abgereist.

Leinar war auch endlich mal dazu gekommen, mir von dem katastrophalen Gespräch mit Lim zu erzählen. Ich hatte noch nicht mit Lim persönlich gesprochen, aber ich hatte jetzt auch nicht unbedingt das Bedürfnis dazu. Dabei fand ich seine Geschichte eigentlich doch recht interessant.

 

Zumindest das, was ich so bisher gehört hab.

Lady Meisold hatte für diesen Ausflug einen Bus organisiert. Ich hatte schon von Bussen gehört, aber noch nie einen in echt gesehen. Wir bekamen sogar einen Doppeldecker, denn außer uns fuhren auch noch ältere Schüler mit.

Das Ding war riesig. Ich setzte mich nach oben in einen Vierersitz. Leinar und mir gegenüber saßen Zac und Sophann.

"Oh mein Gott, endlich ist es so weit. Wir bekommen wirklich die Menschwelt zu sehen. Das ist so aufregend. Ich kann es immer noch nicht fassen.", plapperte Sophann drauf los.

Zac grinste und ich bemerkte nur. "Davon hast du doch immer geträumt."

"Allerdings, schon als kleines Kind.", nickte Sophann eifrig.

"Aber noch dürfen wir nicht alleine unterwegs sein.", erinnerte ich sie.

"Ja, leider.", seufzte sie. "Aber ich kann es trotzdem kaum erwarten."

Ich lächelte und lehnte meinen Kopf an Leinars Schulter.

 

Als der Bus hielt, hörten wir Sena durch den Lautsprecher sprechen: "Ihr geht gruppenweise durch die Stadt. Für

 

den Anfang klassenweise. Die Lehrer gesellen sich draußen zu den Gruppen, die sie begleiten. Alle anderen treffen uns bitte hier in vier Stunden wieder. Vielen dank für eure Aufmerksamkeit und viel Spass in der Stadt."

Dann stiegen wir aus. Wir Neulinge von Raubit stellten uns zusammen vor den Bus. Renn gesellte sich zu uns. Ich war froh darüber. Ich hatte gehofft, dass er uns durch die Menschenwelt führen würde. Tiljan oder Miron wären aber auch in Ordnung gewesen.

"Ok, alle mal herhören! Bleibt zusammen und verliert mich am besten nicht aus den Augen."

Er führte uns in die Stadtmitte. Staunend sah ich mich um. Hier waren überall Geschäfte. Wir hatten auch Fußgängerzonen, aber die waren nicht so groß wie diese hier. Ständig fragten Schüler, was dieses oder jenes war und Renn beantwortete geduldig unsere Fragen.

Leinar blieb vor einem Spielzeuggeschäft stehen und begutachtete die riesengroße Yoda-Figur von Star Wars, doch Renn ging weiter, also folgten wir ihm. Schließlich blieben wir vor einer riesengroßen Buchhandlung stehen.

"Solange ihr euch hier noch nicht auskennt, macht ihr Stadtführungen mit uns Lehrer und bei jeder Stadtführung machen wir einen Besichtigungsstopp. Mindestens einen. Ich

 

hab mir diese Buchhandlung dafür ausgesucht. Buchhandlungen gibt es in vielen Städten und es gibt auch immer mal wieder größere Buchhandlugen, aber so groß wie diese hier sind nur wenige davon. Diese hier ist auch was Besonderes. Vielleicht findet ihr ja heraus wieso. Innerhalb der Buchhandlung dürft ihr allein unterwegs sein, allerdings mit mindestens einem anderen Mitschüler oder einer anderen Mitschülerin. In zwei Stunden treffen wir uns wieder vor dem Eingang.", erklärte Renn uns die Regeln.

Leinar und ich gingen Hand in Hand in die riesige Buchhandlung. Unten gab es vor allem Kalender, Stifte, Büroartikel, Zeitschriften und Ansichtskarten. Das interessierte mich nicht so.

Also gingen wir eine Etage höher. Dort gab es eine ganze Abteilung mit Fachliteratur über Medien, Musik, Technik und vielen weiteren Themen. Auch das interessierte mich jetzt nicht so richtig, aber Leinar offenbar. Also folgte ich ihm zu dem Bereich über Technik, in dem er ein wenig stöberte, aber nichts kaufte.

Die nächste Etage war voller Romane, Frauenromane, Krimis und historischen Bücher. Auch hier stöberte Leinar etwas und kaufte von unserem eingetauschten Geld für die Menschenwelt das Buch von Ken Follett "Die Säulen der Erde". Leinar kaufte ein Buch! Das war schon was.

 

Normalerweise hielt er ja nicht viel vom Lesen. Und dann war das Buch auch gleich so dick.

Die nächste Abteilung noch einen Stock höher war aus den Bereichen Fantasy, Sience Fiction und Jugendbücher zusammen gesetzt. Das war schon eher mein Bereich. Hier trafen wir auch Sophann und Zac wieder. Zac und Leinar setzten sich in Lesesessel, während Sophann und ich zwischen den Regalen zu stöbern anfingen.

"Das ist der Wahnsinn!", rief Sophann begeistert aus. "So viele Bücher! Ich hab noch nie so viele Bücher auf einmal gesehen."

"Ich auch nicht.", gab ich zu.

"Los, lass uns Bücher aussuchen." Sophann las einige der Buchtitel vor, die wild durcheinander im Regal einsortiert waren. "Nach dem Sommer, Elfenschwestern, Unerathly Dunkle Flammen, Das Lied von Eis und Feuer Band 1, Poison Princess, Der Herr der Ringe Die Gefährten..."

Sophann suchte sich schließlich von Veronica Roth "Die Bestimmung" aus und ich suchte mir von Julie Kagawa "Plötzlich Fee 1 Sommernacht" aus. Ein eigenes Buch zu besitzen war doch besser, als sich ständig nur Bücher auszuleihen.

 

In der obersten Etage war es dunkel und dort stand ein Schild mit der Warnung: Betreten verboten!

"Was da wohl für Bücher versteckt sind?", rätselte Sophann.

"Keine Ahnung. Vielleicht sind die gefährlich.", vermutete ich.

Eine Buchhändlerin mit braunschwarzen Haaren entdeckte uns und fragte: "Ihr könnt die Treppe sehen?"

"Ja, wieso?", wunderten wir uns, aber ich sprach es aus.

"Weil sie nur von einer bestimmten Gruppe von Leuten gesehen werden kann und ihr gehört offensichtlich zu dieser Gruppe. Ihr seid also von der magischen Welt?"

Verdutzt sahen wir die Frau an. Leinar fragte: "Woher wissen Sie von der magischen Welt?"

"Ich bin eine Fee und habe es vorgezogen in der menschlichen Welt zu leben. Ich liebe Bücher und habe sie zu meinem Beruf gemacht. Mein Name ist Olivia und wie heißt ihr?"

Wir stellten uns mit unseren menschlichen Namen vor.

"Es freut mich, euch kennen zu lernen. Na dann, mal rein in die gute Stube. Es sind zwar öfter Feen oder Elfen hier, aber die Meisten würden nicht im Traum daran denken, dass hier oben auch noch was ist und so bleibt ihnen dieser

 

Raum verborgen."

"Unvollstellbar.", flüsterte Sophann erfürchtig und ich glaubte Olivia lächeln zu sehen.

Der Raum war noch größer als die anderen Abteilungen. Die Bücher stapelten sich überall. Manchmal standen sie nicht mal in Regalen, sondern einfach in der Luft. Es wirkte chaotisch, aber irgendwie auch sympatisch chaotisch.

"Hier befinden sich viele tausende von Bücher aus der Zauberwelt. Manchmal sitze ich hier stundenlang am Wochenende, wenn mein Mann arbeiten muss. Dann lese ich einige von ihnen. Sie sind faszinierend. Stöbert ruhig eine Weile. Aber lasst die Bücher hier im Raum. Sie sind nicht zu verkaufen.", bot sie uns an.

"Das ist sehr nett von Ihnen.", bedankte ich mich.

 "Ach, bitte dutzt mich doch. An dieses lästige "Sie" werde ich mich wohl nie gewöhnen."

"Gerne."

Dann drehte sich Olivia um, weil sie gehen wollte, und stieß einen erschrockenen Schrei aus: "Oh Gott, Renn.  ich hatte fast vergessen wie du dich unsichtbar ranschleichen kannst. Wie geht es Isanna?"

"Ihr geht es gut.", antwortete Renn.

Ich drehte mich ebenfalls um und sah meinen Großvater

 

in der Tür stehen.

Olivia nickte und klang dann fast ein wenig vorwurfsvoll. "Du warst lange nicht hier."

"Ich weiß, es ist lange her, aber ich hatte viel zu tun."

"Ok. Grüß Isanna von mir."

"Mach ich, und danke, dass du meine jugen Freunde hiermit vertraut gemacht hast."

"Gern." Olivia lächelte und verließ uns dann endgültig.

"Du kennst Olivia?" Ich wusste nicht, wieso mich das überhaupt so überraschte.

"Ja, allerdings. Sie ist Isannas Schwester.", erklärte er.

"Oh."

"Mianna, kann ich dich mal kurz entführen?", fragte Renn dann.

Ich sah kurz Leinar fragend an, aber er nickte nur.

"Klar, wieso nicht?", antwortete ich also.

"Es freut mich, dass du Zutritt zu dieser Abteilung hast. Hier gibt es einige nützliche Bücher, die dir helfen könnten."

Er zog mich in die Abteilung für Feuermagie. Es gab eine ganze Abteilung zu dem Gebiet! Renn zog ein Buch aus dem Regal und reichte es mir. Der Titel lautete: Feuermagie und wie man sie kontrollieren kann.

"Ich wünschte, ich könnte Bücher von hier mitnehmen.",

 

seufzte ich.

"Tja, du kannst es nicht, aber ich. Als Lehrer ist es mir erlaubt für den Unterricht Bücher aus dieser Abteilung mitzunehmen."

"Wirklich?", staunte ich.

"Ja, wenn du dir was ausleihen willst, gib es mir einfach und ich lasse es unten eintragen."

"Danke." Ich überlegte kurz und sah mir die Bücher genauer an. Ich hatte ein paar Fragen an Renn. Ich fing mal mit der einfacheren an. "Werden wir heute nur diese Bibliothek sehen?"

"Nein, ich möchte euch auch noch was anderes zeigen.", antwortete er. "Aber das dauert nicht so lange."

Jetzt fuhr ich im Flüsterton fort: "Konnte John dich bei der Beerdigung kontaktieren wegen der Feuermagie?"

"Ja.", antwortete Renn. "Und zusammen haben wir es tatsächlich geschafft die Wärme auszubreiten. Ich bin sehr stolz auf dich Mianna, das war schließlich deine Idee."

"Na ja, irgendwas mussten wir doch tun, oder?" Ich zuckte nur mit den Achseln.

"Ja, da hast du wohl Recht."

"Ich glaube, ich werde dieses hier mitnehmen.", beschloss ich und hatte das Buch Feuermagie für Anfänger

 

ausgesucht.

"Gute Wahl. Ich geh dann mal runter und lass es von Olivia eintragen. Die anderen Mitarbeiter kennen die Abteilung selbtverständlich nicht. Ihr solltet dann auch gleich runter kommen."

"Ok, gut."

Damit verschwand Renn aus dem Raum und ich ging wieder zu Leinar, Sophann und Zac. Gemeinsam gingen wir runter und bezahlten unsere Bücher. Dann verließen wir die Bibliothek und warteten draußen auf Renn.

 

Linnie

 

Endlich waren meine Schwiegereltern wieder weg. Theodora hatte mir einige Nerven geraubt. Sie wollte Mianna doch tatsächlich mit Pater Lelius verheiraten. Erstens war Lelius um einiges älter als Mianna, zweitens war er ein Priester und drittens hatte Mianna ihren Partner doch bereits gefunden. Ich hätte das niemals zugelassen und Lunar auch nicht.

Jetzt musste Theodora wieder in die Schule zum Unterrichten. Sie hatte nur ein paar Tage frei bekommen, um ihren Sohn zu begrüßen.

 

John schrieb uns regelmäßig Briefe. In seinem letzten Brief erzählte er uns, was bei der Beerdigung passiert ist und welche Rolle Mianna dabei hatte. John war zwar nicht mein Sohn, aber ich mochte ihn. Er hatte viel von Lunar.

Hier im Schloss gab es wie immer viel zu tun. Wir merkten schon, dass das Schloss eine Weile unbewohnt war und jetzt mussten einige Stellen ausgebessert werden. Ich kümmerte mich gern um die Blumen in unserem kleinen Garten. Wir hatten zwar auch einen Gärtner, aber ich erledigte diese Arbeit gern selbst. Es machte mir Spass. Auch in unserem Versteck hatte ich einen Garten angelegt.

Lunar kam in den Garten, was mich wunderte. Er kam sonst fast nie hierher. Ich sah auf und sah in sein besorgtes Gesicht.

Selbst besorgt fragte ich ihn: "Was ist denn los?"

"Felicitas ist aus dem Gefängnis vom Lebenssee geflohen.", berichtete er mir.

"Was? Aber das ist doch unmöglich.", rief ich schockiert aus. Ich legte die Gartenschere zur Seite und stand auf.

"Ja, ich weiß. Jemand muss ihr geholfen haben. Sie werden hier her kommen, Linnie. Wir vermuten, dass Tedren und sie zunächst das Schloss angreifen werden."

"Um sich die Krone zu holen?", vermutete ich. Ich würde

 

auf keinen Fall zulassen, dass Lunar in Gefahr geriet. Allerdings wusste ich selbst, wie naiv das war. Er war der König. Gab es unter den Wächter des Sees einen Verräter?

"Ganz genau. Ich weiß nicht, was ich tun soll, Linnie. Ich fühle mich maßlos überfordert. Ich habe diesen Königsposten nie gewollt. Ich wurde einfach hineingeboren."

"Du hättest Carlina den Thron überlassen können.", erinnerte ich ihn. Ich stand jetzt ganz nah vor ihm. Wie konnte es sein, dass er mir nach all den Jahren immer noch Schmetterlinge in den Bauch jagte?

"Du weißt genau, dass das nie eine Option gewesen ist. Sie wäre eine furchtbare Königin. So sehr ich sie auch schätze, würde sie alles nur zu ihrem Vorteil nutzen, aber nicht an das Wohl des Volkes denken.", entgegnete er.

"Und genau weil du das nicht tust, bist du ein guter König, Lunar. Wir haben nur zu lange abgeschotten gelebt. Aber auch diese Hürde werden wir gemeinsam meistern." Ich streichelte mit meiner Hand sanft seine Wange. Das schien ihn etwas zu beruhigen.

"Ich bin mir da nicht so sicher. Ich werde John herholen müssen. Gemeinsam sind wir stärker.", überlegte er.

"Du willst den Jungen einer solchen Gefahr aussetzen?" Ich hielt das für keine gute Idee. Er war noch so jung.

 

"Ich habe kaum eine andere Wahl. Er ist ja sogar stärker als ich und ich habe so lange nicht mehr in dieser Welt gelebt."

Lunar hatte offenbar sein Selbstbewusstsein verloren, auch wenn er nur mir das zeigte.

"Gibt es keine andere Lösung?", fragte ich.

"Nein, ich glaube nicht.", antwortete er.

Es musste eine andere Lösung geben. John durfte die Schule nicht verlassen. Noch war er dort viel sicherer. Ich musste mir was einfallen lassen. Lunar würde offenbar nicht nachgeben. Manchmal konnte er sehr stur sein.

Kapitel 11 Tragische Wendung

Und ich wollte noch Abschied nehmen,

Das werd ich mir nie vergeben. Mann,

wie konntest von uns gehen,

jetzt soll ich dich nie mehr sehen.

 

Xavier Naidoo - Abschied nehmen

 

Mianna

 

Den zweiten Punkt, den Renn uns zeigen wollte, war eigentlich gar kein richtiger Punkt. Es war eine Eisdiele. Wir setzten uns draußen vor die Eisdiele und bestellten mit Renns Hilfe unser Eis. Ich hatte vorher noch nie von so etwas gehört, geschweige denn selbst gegessen, aber mein Spaghettieis schmeckte vorzüglich. Ich ließ es mir genüsslich auf der Zunge zergehen. Leinar probierte von meinem Eis und ich von seinem Schokoladeneis. Während wir aßen, unterhielten wir uns und beobachteten die Passanten, die an der Eisdiele vorbeikamen. Sie waren bunt gemischt von groß bis klein, von hellhäutig bis braun gebrannt und von ziemlich ausgefallen bis zu elegant. Es war faszinierend.

 

Viel zu schnell war der Nachmittag wieder vorbei und wir stiegen erneut in den Bus. Ich wollte definitv mehr von der Menschenwelt sehen. Sie war etwas lauter, als unsere Welt, aber dennoch aufregend. Die ganze Busfahrt über unterhielten wir uns darüber.

 

Als wir wieder beim Schloss ankamen, schien dort helle Aufregung zu herrschen. Wir fragten uns alle, was da los war. Wir stiegen aus und liefen zum Schloss. Davor saß Lady Meisold mit Tränen in den Augen.

Sena ging sofort zu ihr und legte ihren Arm um sie. Was ist los, Mutter?"

"Felicitas ist vom See entkommen.", erzählte diese.

Ich stutzte. Wieso weinte sie deswegen und wieso erzählte sie das vor versammelter Mannschaft? Dann beobachtete ich sie etwas genauer. Sie schien nicht ganz bei sich zu sein.

"Schon gut, komm, lass uns das drinnen besprechen.", versuchte Sena sie zu besänftigen.

"Nein, du verstehst nicht." Lady Meisold schüttelte aufgebracht ihre lange Mähne. "Sie ist da nur rausgekommen, weil sie Lilien als Geisel nahm und kurz bevor sie verschwand, tötete sie sie."

 

Was? Lilien sollte tot sein? Das konnte nicht sein. Renn, der zufällig neben mir stand, erstarrte. Ich nahm seine Hand und drückte sie sanft. Was musste er jetzt wohl durch machen und was mussten Corentin und Cameron durchmachen? Corentin hatte gerade erst seine Tante verloren.

"Nein!", rief Corly da plötzlich unter Tränen. "Nein, das ist nicht wahr. Meine Mum ist nicht tot!"

"Corly!" Renn ließ meine Hand los, lief zu seiner Schwester und fing sie auf, bevor sie auf den Boden aufschlug. Sie weinte unerbittlich in seinen Armen. Es war eine herzzerreißende Geste. Lim dagegen stand nur wie gelähmt da und rührte sich nicht. Wie konnte ein Tag in so kurzer Zeit nur so traurig werden?

Es war Miron, der die Schüler dazu brachte, rein zu gehen. Nur Leinar und ich blieben. Es war auch unsere Familie und auch wenn ich glaubte, dass Renn stark genug war dies zu verkraften, wollte ich jetzt bei ihm sein. Ich musste heute Nacht unbedingt mehr erfahren. Ich musste versuchen Kontakt zu Cameron aufzunehmen. Ich konnte nur hoffen, dass es funktionierte, und dass er nicht zu sehr in seiner Trauer gefangen war, dass er es blockierte. Erst Lavinia und jetzt Lilien. Das konnte doch kein Zufall sein. Wie war Lavinia eigentlich gestorben?

 

Renn hielt weiterhin seine Schwester in seine Arme, aber auch er konnte jetzt die Tränen nicht mehr zurück halten.

Als wäre das alles nicht schon genug, kam nun auch noch John aus dem Schloss und auf mich zu. "Ich weiß, es ist ungünstig gerade, aber kann ich mal kurz mit dir sprechen?"

Ich suchte Leinars Blick, aber er nickte mir nur zu. Langsam wurde es dunkel um das Schloss herum. Die Sonne ging unter. Der Himmel leuchtete blutrot.

Als wir außer Reichweite waren, erklärte John mir: " Ich werde das Schloss verlassen."

"Was?", fragte ich geschockt.

"Unser Vater will, dass ich zum Schloss komme. Er erwartet einen Angriff."

"Und dann lässt er ausgerechnet nach dir schicken?", fragte ich fassungslos.

"Er weiß wie stark ich bin.", sagte John nur.

"Nein John, geh nicht. Das ist viel zu gefährlich. Ich habe dich doch gerade erst gefunden. Ich will dich nicht schon wieder verlieren." Jetzt war auch ich den Tränen nahe.

"Hey, du wirst mich nicht verlieren. Ich werde gut auf mich aufpassen, versprochen.", erklärte er mir lächelnd.

"Du hast dich also schon entschieden, oder?", fragte ich

 

niedergeschlagen.

"Ja, ich werde gehen."

"Gib ja auf dich Acht.", warnte ich ihn und umarmte ihn ganz fest.

"Klar, mach ich. Und jetzt geh wieder zu deinem Freund. Er sieht sehr verloren aus."

"Ja, das sollte ich wohl, was?", stimmte ich wiederwillig zu.

"Keine Sorge, Schwesterchen. Du wirst mich schon wieder sehen.", versprach mir John und verließ mich dann ohne ein weiteres Wort.

 

Leinar

 

Das Schloss bereitete sich auf eine lange Trauerzeit vor. Lavinias Tot war einfach nur traurig, aber Liliens tot war eine Tragödie.

Mianna und ich waren wieder in unserer Suite. Renn hatte Corly schließlich auf ihre Suite begleitet, wohin wir ihr ja nicht folgen konnten. Sena und Lim hatten meine Oma ins Schloss gebracht.

Der Tag in der Menschenwelt war schön gewesen, neu und irgendwie auch faszinierend. Doch jetzt war ich

 

ausgelaugt und Mianna ging es bestimmt nicht anders. Sie lag in meinen Armen auf dem Sofa und streichelte gedankenverloren über meinen Arm.

"Hey, ist alles in Ordnung mit dir, Leinar?", fragte sie mich sanft.

"Ja klar.", sagte ich erst und dann: "Keine Ahnung, ich glaub schon. Ich kannte Lilien ja nicht wirklich."

"Aber wir haben sie am Lebenssee kennen gelernt.", wiedersprach sie mir. "Sie wirkte auf mich wie ein Engel. Wie kann man Engel nur töten?"

Ich lächelte traurig. "Keine Ahnung. Was werden Tedren und Felicitas wohl als nächstes machen?"

"Soweit ich weiß, planen sie einen Angriff auf das Königsschloss.", erzählte Mianna mir.

"Auf das Schloss? Woher weißt du davon? Hattest du Kontakt zu deinen Eltern?", fragte ich sie verwundert.

"Nein, Jemand hat es mir erzählt.", wich sie mir aus.

Ich tippte auf John, aber wie konnte John davon erfahren haben? Was hatte er mit dem König zu schaffen?

Mianna schlief an diesem Abend schnell ein. Also schaltete ich den Fernseher ein und sah gedankenverloren irgendeine Serie. Was verheimlichte Mianna mir über John? Was verband die beiden miteinander? Ich begriff es einfach

 

nicht. Ob der König genug Männer hatte, um sich zu verteidigen? Und was war, wenn nicht? Und was war, wenn Tedren verlor? Aufgeben würde der bestimmt nicht. Würde er als nächstes die Schule angreifen? Waren wir hier in Gefahr? Ich wusste es nicht. So viele Fragen und ich hatte nicht eine einzige Antwort. Meine Gedanken wirbelten einfach ständig durcheinander im Kreis.

 

Mianna

 

Cameron! Cam, hörst du mich?, rief ich in meinem Traum. Ich spürte seine Anwesenheit, doch er antwortete nicht sofort. Dann hörte ich ganz schwach seine Stimme in meinem Kopf. Mianna?

Cam, es tut mir so Leid. Das mit Lilien tut mir so Leid.

Ja, mir auch. Es ist schrecklich, Mianna. Sie fehlt mir so sehr. Aber noch schlimmer ist Corentin dran. Er verkraftet es nur sehr schlecht, dass ihm Lilien genommen wurde., erzählte Cameron mir. Es ist nicht fair, dass er das gleiche Schicksal erleiden musste wie ich damals mit Nike.

Was ist denn nun eigentlich genau passiert? Wie konnte Felicitas Lilien als Geisel nehmen?, wollte ich unbedingt wissen.

 

Keine Ahnung. Es war Nacht und dunkel. Einer der Wachen musste mit ihr unter einer Decke gesteckt haben., überlegte er.

Aber das ist unmöglich., erinnerte ich ihn. Die Wachen haben doch diesen Eid geschworen.

Das stimmt, aber es muss trotzdem so sein. Cameron wirkte so traurig.

"Und was ist mit Liliens Beerdigung?, fragte ich ihn.

Sie wird hier am See statt finden. Nur Corly, Renn und Lim werden dabei sein. Für euch anderen wird sie im Fernsehen auf See + übertragen. Ihr solltet euch das ansehen. Sie wird traurig, aber sie wird etwas ganz besonderes werden. Beerdigungen am Lebenssee sind sehr selten und schon allein deswegen etwas Besonderes. Ihr könnt sie natürlich auch in eurer Suite gucken, aber sie wird auch zu verschiedenen Uhrzeiten im Kino im Schloss ausgestrahlt., riet Cam mir.

In Ordnung. Wir werden sie uns ansehen., versprach ich. ihm.

Und was geht bei euch da unten so ab?, wollte Cameron nun von mir wissen.

Meine Eltern erwarten einen Angriff von Tedren und Felicitas und ich war heute zum ersten Mal in der Menschenwelt., erzählte ich.

 

Und wie war es?, wollte er wissen.

"Echt schön. Wir waren in einer riesigen Bibliothek und haben Eis gegessen mit Renn. Na ja, aber als wir dann zum Schloss zurück kamen, erfuhren wir das mit Lilien. Und das überlagerte unseren Ausflug irgendwie.

Keine Sorge. Dein Vater hat die Mittel den Angriff zu überstehen. Er wird Tedren die Stirn bieten können., versuchte Cameron mich zu beruhigen.

Na das hoffe ich doch."  Ich wusste, dass ich aber wenig hoffnungsvoll klang.

Das Wichtigste ist nur, dass ihr auf euch aufpasst. Corentin und ich werden vorraussichtlich bald zurück kommen. Uns hält jetzt nichts mehr hier oben. Und wir haben neue Wächter, die uns ersätzen können.

Das sind gute Neuigkeiten, Cam. Ich vermisse dich hier., gestand ich ihm.

Es wird aber noch ein paar Wochen dauern., warnte er mich. Bis dahin halt die Ohren steif und pass auf deinen Leinar auf.

Ich werde es versuchen, versprach ich.

Ich weiß nicht, ob wir davor noch mal was voneinander hören werden. Also sei wirklich sehr vorsichtig., redete er noch mal auf mich ein.

 

Mach ich Cam, bis bald.

Ja, bis bald.

Und dann war mein Traum vorbei und ich schlief ganz normal weiter.

Kapitel 12 Die Übertragung

Wenn die Welt sich verändert

Wie eine Kerze im Dunkeln

Dann ist da eine Quelle der Inspiration in der Luft

Lass den Zauber deine Tränen trocknen und dein Herz heilen

 

Melanie Thorton - Wonderful Dream

 

Mianna

 

 

Die Übertragung sahen Leinar und ich uns ganz gemütlich in unserer Suite auf der Couch an. Uns war nicht nach Gesellschaft und weinenden Feen zu Mute. Leinar hatte wie immer ein Glas Mandarinensaft in seiner Hand und ich ein Glas Wasser. Leinar trug mal wieder keine Schuhe und Socken.

Die Übertragung begann damit, dass ein Reporter Namens Kane über Liliens Leben zu erzählen begann. Im Hintergrund wurde der Lebenssee mit den vielen Kerzen gezeigt. Im Fernsehen ließ sich kaum erahnen, wie groß der See wirklich war. Ich konnte mich aber noch gut daran

 

erinnern, dass er weder Anfang noch Ende hatte.

Liliens Leichnahm lag unverdeckt auf einer Trage. Ihre Haare wirkten im Tot fast weiß. Selbst im Tot hatte sie noch ein gewisses Leuchten an sich. Die Trage wurde von Renn, Lim, Corentin, Cameron und zwei unbekannten Wächtern getragen. Die Anwesenden summten eine traurige vor sich hin. Das wirkte fast tranceartig.

Einer der Wächter setzte eine kleine Rede an. "Lilien wird jetzt zu einem Geist des Sees. Sie wird in gewisser Weise ewig leben. Sie wird mit ihrem Körper den See bewachen. So wie die anderen Geister des Sees es vor ihr taten. Lilien wird erst dann erlöst, sobald ein neuer Geist diese Aufgabe übernimmt. Lilien, Beschütze unseren See!"

Leinar sah mich fragend an. Wir wussten beide nicht so genau, was das bedeuten sollte. Wir hatten beide noch von keinem Geist des Sees gehört.

Nacheinander traten die Angehörigen vor den See und warfen eine weiße Seerose in den See. Dann sagten sie: "Lilien, beschütze unseren See. Ich liebe dich."

Zuerst war Corentin an der Reihe, dann Cameron, dann Renn, dann Corly, dann Lim, dann Fiann Nike und dann die anderen Wächter des Sees, die vor unseren Augen aber unsichtbar blieben. Wir sahen nur, wie die Seerosen in den See

 

fielen und hörten, was sie sagten.

Anschließend ergriff die erste Stimme noch ein mal das Wort: "Lilien, Ruhe in Frieden. Lilien, fühle dich beschützt und geliebt. Lilien, du warst eine großartige Seele. Bitte beschütze uns ewiglich."

Über dem See flogen plötzlich tausend weiße Schmetterlinge, die immer höher und höher stiegen, bis sie in den Himmel verschwanden. Es sah einfach wunderschön und friedlich aus. Dann gingen alle Kerzen auf dem See ein mal aus und dann wieder an. Das passierte in Sekundenschnelle und Leinar und ich hielten den Atem an. Nun leuchteten alle Kerzen in einem sanften blau statt wie zuvor gelb.

"Von nun an werden die Kerzen blau leuchten. Lilien wurde vom See angenommen.", verkündete der Sprecher der Wachen und dann merkten selbst wir, die nur die Übertragung sahen, wie die Wächter des Sees sich wieder zurück zogen. Nur Liliens Angehörigen blieben.

"Was war das mit dem Licht bei den Kerzen?", fragte Leinar mich verwirrt. Wir waren länger am See und die Kerzen hatten immer die selbe Farbe.

"Es muss etwas mit Lilien zu tun haben.", überlegte ich. "Ich werde Renn fragen, sobald er wieder da ist."

 

 

Renn

 

Liliens Lebenslicht war also blau gewesen. Denn das bedeutete die veränderte Farbe der Kerzen. Jeder hatte so ein Lebenslicht in sich. Es war stark mit der eigenen Kerze verbunden. Aber nur bei einem neuen Geist des Sees sah man das Lebenslicht wirklich. Alle tausend Jahre wechselte der Geist des Sees. Wenn es nicht zufällig einen Toten am Lebenssee gab, suchte sich der See einen Wächter aus. Vielleicht war meine Mutter dieser Auswahl zum Opfer gefallen, vielleicht auch nicht. Aber die Tatsache, dass sie der neue Geist des Sees war, beruhigte mich etwas. So war sie immerhin immer noch irgendwie da.

"Renn, Liebling. Wir sollten jetzt gehen. Die anderen warten schon." Meine Frau Isanna hatte mir die Hand auf die Schulter gelegt. Bis jetzt hatte ich gedankenverloren an die Stelle gestarrt, wo meine Mutter in den See verschwunden war, aber jetzt sah ich Isanna an. Meine wunderschöne Isanna.

"Ja, du hast Recht." ich nahm ihre Hand und ging zusammen mit ihr zu Cameron und meinem Vater, um mich zu verabschieden. Ich umarmte die beiden fest. Ich wollte sie nicht gehen lassen.

 

"Pass auf dich auf Renn und pass auch auf Corly auf.", bat mein Vater mich.

"Mach ich. Aber passt ihr auch auf euch auf." Dann verabschiedete ich mich wirklich und alle, die nicht zum See gehörten, verließen den See. Wir landeten sicher vor dem Schloss. Ich war froh, Isanna an meiner Seite zu haben in dieser schweren Zeit.

"Wollen wir reingehen?", fragte Isanna mich besorgt. "Du siehst müde aus."

"Nein, ich glaube, ich bleibe noch ein wenig hier draußen. Die frische Luft tut mir gut."

"Gut, wie du willst. Dann bis später, Liebling." Isanna gab mir einen Kuss auf die Wange und wollte gehen.

Ich rief ihr hinterher: "Isanna!"

Sie drehte sich wieder zu mir um und sah mich fragend an.

"Ich liebe dich, das weißt du doch, oder?"

"Natürlich.", erklärte sie, als sei es wirklich das Selbtverständlichste auf der Welt. Dann warf sie mir eine Kusshand zu und ging ins Schloss. Ich lächelte in mich hinein.

Kapitel 13 Wieder Schule

Danke für manche Traurigkeiten, 

danke für jedes gute Wort,

danke, dass deine Hand mich leiten will an jedem Ort.

 

Danke, für diesen guten Morgen - Kirchenlied

 

Mianna

 

Trotz allem ging der Unterricht weiter. Am Montag hatten wir in der ersten Stunde Geschichte bei Tiljan. Robin stellte die Frage, die uns allen am Herzen lag. Ich selbst hatte noch keine Zeit gehabt mit Renn zu sprechen. Die seltenden Male, die ich ihn gestern zu Gesicht bekam, war er entweder mit Isanna oder mit Corly zusammen gewesen. Ich hatte noch nicht mal mit meiner Großmutter sprechen können, doch sie hatte wunderschön ausgesehen mit ihren hellblonden Korkenzieherlocken, dem blauen Sommerkleid, dass sie getragen hatte, und ihrer zierlichen Gestalt. Sie hatte ausgesehen, als sei sie zwanig Jahre alt.

Jedenfalls stellte Robin Tiljan nun die entscheidene Frage: "Was ist da bei Liliens Beerdigung passiert? Besonders

 

mit den Kerzen?"

Tiljan schloss kurz die Augen und seufzte tief. Er wirkte ungewöhnlich ernst. Ihm ging Liliens Tot mit Sicherheit auch nahe. Er war Corentins Onkel und er hatte sie sehr gemocht.

"Also gut. Jeder kennt mittlerweile die Legende vom Lebenssee, aber bisher wussten die Wenigsten, dass ein Geist den See beschützt. Eine gute, verstorbene Seele. Bisher wurde noch keine Beerdigung am Lebenssee für unsere Welt übertragen, aber in gewisser Weise war Lilien eine berühmte Persönlichkeit und deswegen war diesmal eine Überragung unvermeidlich. Jedenfalls ist der neue Geist des Sees jetzt Lilen. Ihr Lebenslicht war blau. Deswegen wechselten die Kerzen die Farbe. Das Lebenslicht des vorherigen Geistes war gelb gewesen. Vermutlich waren die Wenigsten schon mal am Lebenssee. Deswegen wird euch kaum aufgefallen sein, dass der See manchmal seltsam silbern schimmert. Und selbst wenn ihr schon mal am See wart, müsstet ihr schon ganz genau hin gesehen haben, um das zu bemerken. Ich habe es einmal gesehen und es sah beeindruckend aus." Tiljan warf Leinar und mir einen Blick zu.

"Was macht so ein Geist des Sees?", wollte Sophann wissen. Sie fand das Thema ohne Frage faszinierend.

"Na ja. Er beschützt den See, wenn die Wächter es nicht

 

mehr können. Er ist auch viel empfänglicher für Angriffe oder gefährliche Situationen. Ganz selten kommuniziert er sogar mit den Wächtern, aber dann muss der Geist sich schon sehr auf seine Energien konzentrieren. Das ist sehr anstrengend für den Geist und eine komplizierte Technik. Meistens ist es aber auch gar nicht nötig. Er kann sich auch anders bemerkbar machen."

 "Gibt es nur einen Geist?", wollte Emma dann wissen.

"Ah, eine interessante Frage. Nicht direkt. Wenn ihr den Lebenssee mal im Fernsehen seht, was ja seit kurzem hin und wieder vorkommt, seht ihr nur einen winzigen Teil vom See und selbst vor Ort sieht man nur einen kleinen Teil davon. Einen winzigen Teil. Insgesamt ist der See aber in vier Teile aufgeteilt. Jeder Abschnitt hat seinen eigenen Geist.", erklärte Tiljan.

"Aber heißt das dann nicht, dass in jedem Abschnitt die Kerzen andere Farben haben?", erkundigte ich mich nun.

"Ja allerdings, aber wir sehen die anderen Abschnitte des Sees ja auch nicht. Deswegen sind die Kerzen, die wir sehen, alle blau. Wenn wir den Geist des Sees sagen, meinen wir damit meist nur den Geist von unserem Abschnitt.", erklärte Tiljan weiter.

"Wieso wussten wir bisher nichts von so einem Geist?", wollte Leinar nun wissen.

"Weil ihr bis vor kurzem nicht mal mit Sicherheit wusstet, dass es so einen Lebenssee überhaupt gibt. Die meisten hielten es nur für eine Legende. Manche halten es übrigens immer noch für eine Legende. Nicht alle verfolgen die Nachrichten im Fernsehen oder Internet. Es gibt immer noch einige altmodische Feen. Manche leben sogar noch von Kerzen und nicht von elektrischen Strohm. Das Wissen um den Geist des Sees ist vermutlich noch gefährlicher, als das um den See selbst. Denn der Geist hat für den See eine sehr mächtige Bedeutung. Aber das ist momentan alles, was ihr wissen müsst. Eigentlich wollte ich heute mit euch über den Kobold Thiebault reden, aber da die Stunde nun schon wieder fast vorbei ist, verschieben wir das wohl."

Nach der Stunde blieb ich noch im Klassenraum. Ich wollte noch mit Tiljan reden. Als er aufsah und mich entdeckte, stutzte er.

"Mianna, was gibts?"

"Diese Sache mit dem Geist des Sees geht mir nicht mehr aus dem Kopf. Spürt Corentin so noch eine Verbindung zu Lilien?", fragte ich ihn. Ich saß immer noch an meinem Tisch und er am Lehrerpult.

"Ach Corentin. Mach dir um den mal keine Gedanken. Er wird es schon überstehen, auch wenn es momentan sicher

 

sehr schwer für ihn ist. Ja, eine schwache Verbindung spürt er wohl noch zu Lilien. Die wird vielleicht auch immer bleiben. Übrigens kommen Cameron und Corentin nächsten Montag ins Schloss zurück."

"So bald schon?", wunderte ich mich. "Cam meinte, es würde noch etwas dauern. Aber es freut mich natürlich, das zu hören."

"Ja, so bald schon.", nickte Tiljan.

"Ich würde Corentin so gerne helfen, aber ich weiß nicht wie.", gestand ich ihm dann.

"Das wird sich finden.", fand Tiljan. "Wir werden ihn alle unterstützen müssen. Mit der Zeit wird er schon klar kommen."

Dann sah Tiljan mich abschätzend an. Er schien zu überlegen, ob er mir was sagen sollte oder nicht und entschied sich schließlich dafür. "Deine Eltern wurden gestern angegriffen. Carlina wollte es dir nicht sagen, aber ich finde, du solltest es wissen."

Ich zuckte zusammen. "Geht es ihnen gut?"

"Noch können sie das Schloss halten, aber ich weiß nicht, wie lange noch. Heute Abend findet eine Versammlung statt, um zu überprüfen, wie wir sie unterstützen können. Du und Leinar seid auch eingeladen. Eine Einladung ist vermutlich bereits in euer Suite."

"Vielen Dank, Tiljan. Ich sollte jetzt auch in die Pause gehen."

"Natürlich. Leinar wird sich sicher schon wundern, wo du bleibst. Wir sehen uns dann im Unterricht."

"Ja, bis dann." Ich stand auf und verließ leicht beunruhigt den Raum.

 

Leinar

 

Wir schleppten uns durch Runen und Bibliothekswissenschaften. In Bibliohthekswissenschaften lasen wir eine kleine Geschichte über den Lebenssee. In der Geschichte ging es um einen Wächter Namens Rico. Er war einer der wenigen Wächter, die nicht am See starben. Er war zurück gekommen in unsere Welt und hatte den Rest seines Lebens in der Menschenwelt verbracht.

Nach Bibliothekswissenschaften traf ich auf dem Flur meinen Vater.

"Leinar, hast du jetzt Zeit mit mir zu reden?", fragte er mich.

"Klar."

Also folgte ich ihm. Überraschender Weise führte er mich zur Suite meiner Mutter. Meine Eltern jetzt wieder vereint zu

 

sehen, fand ich etwas seltsam.

"Ach, da seid ihr ja.", begrüßte meine Mutter uns, als hätte sie uns bereits erwartet. "Setzt euch doch."

"Hallo Keena.", begrüßte mein Vater sie. "Danke, dass du mir heute die Möglichkeit hierzu gibts."

"Das ist doch selbstverständlich.", fand meine Mutter. "Wir hatten schwierige Zeiten. Doch meine Liebe zu dir ist deswegen nicht weniger geworden."

Was wurde das hier? Eine Art Familienberatung? Beklommen setzte ich mich zwischen meine Eltern. Es war ein seltsames Gefühl.

"Wollt ihr was trinken?", fragte meine Mutter nun.

"Hast du Tomatensaft da?", fragte mein Vater hoffnungsvoll. Er liebte das Zeug wie verrückt.

"Natürlich." Meine Mutter zeigte die Andeutung eines Lächelns. Mir stellte sie unaufgefordert ein Glas Mandarinensaft vor die Nase.

"Danke.", sagte ich zerstreut.

"Leinar, Schatz. Du fragst dich bestimmt, was das hier soll.", riet meine Mutter.

"Allerding.", nickte ich eifrig.

"Wir dachten, wir haben dir einiges zu erklären, wobei deine Mutter dir ja auch schon einiges erklärt hat. Du

 

weißt ja jetzt, dass ich in gewisser Weise Mion bin, aber eigentlich bin ich Gavin. Mion hat durchaus deine Großeltern als Eltern. Sie haben mich großzüigig aufgenommen, als ich Hilfe brauchte, aber meine richtige Mutter war die Frau bei Lavinias Beerdigung. Ihr Name ist Filja. Sie hat mir erzählt, dass mein Vater Evren tot ist. Das bedauere ich sehr. Ich bin damals vor Tedren geflohen und lernte dann deine Mutter kennen." Lächelnd warf er meiner Mutter einen Blick zu.

"Lavinias Verlust hat mich fertig gemacht. Deine Mutter hat mir dabei geholfen, das einigermaßen zu überwinden. Doch Evaniels Verlust hat mich erneut aus der Bahn geworfen und seitdem war ich nicht mehr der Alte. Ich bin sehr schwierig geworden, aber dass ich jetzt zu erkennen gegeben hab, dass ich Gavin bin, hat auch diesen Verlust soweit es ging ausgeglichen. Ich komme jetzt besser damit klar. Ich möchte von nun an wieder für dich da sein und auch für deine Mutter, aber auch für meine beiden anderen Kinder. Sie werden immer ein Teil von mir sein. Vielleicht möchtest du sie ja mal kennen lernen?"

 "Ich weiß nicht...", antwortete ich etwas ratlos.

"Du musst das nicht sofort entscheiden. Wenn du Zeit brauchst, verstehe ich das natürlich.", bot mein Vater mir an. "Vielleicht irgendwann mal."

 

"Ja vielleicht." Ich klang selbst nicht überzeugt. Das wusste ich. Wollte ich Joseph und Venja wirklich kennen lernen?

"Wie auch immer. Zunächst werde ich das Schloss für eine Weile verlassen. Ich werde Lunar beim Kampf gegen Tedren unterstützen. Aber ich werde wieder kommen und dann werde ich in der Menschenwelt in eurer Nähe leben.", erklärte er.

"Dein Vater und ich wollen soweit es geht wieder zusammen leben. Nur dass ich in der Schule Lehrerin bin und er nicht in der Schule leben kann.", ergänzte meine Mutter.

"Ich werde euch aber besuchen kommen, so oft ich kann und ihr könnt mich auch besuchen kommen."

"Das klingt doch gut.", fand ich und trank noch einen Schluck Mandarinensaft, um meine Nerven zu beruhigen. Irgendwie war ich gerade nervös.

"Ich hab noch viel nachzuholen. Ich muss mich bei meinen besten Freunden erklären und muss versuchen mich wieder einzuleben, aber mit eurer Hilfe kann ich das schaffen." Er sah mich fast fragend an.

"Mit deinen Freunden meinst du Cameron und Tiljan?", vermutete ich.

"Ja, allerdings. Ich hab gehört Cameron kommt mit

 

Corentin zurück. Der arme Corentin." Gedankenverloren schüttelte er mit dem Kopf. Meine Mutter legte ihm sanft ihre Hand auf seine. Ich lächelte bei diesem Bild.

"Ich freu mich für euch, ehrlich. Wir brauchen alle diese Familie.", sagte ich wahrheitsgemäß. "Wenn das erst mal alles war und es euch nicht stört, würde ich jetzt gerne gehen. Ich glaube, ich soll nachher auch bei dieser Versammlung sein und ich würde gerne vorher noch mit Mianna reden.", verabschiedete ich mich. Ich musste versuchen, meinen Eltern wieder näher zu kommen, aber momentan war alles zwischen uns gesagt und die beiden schienen ihre Zweisamkeit zu brauchen.

"Natürlich. Geh nur. Wir sehen uns dann nachher bei der Versammlung.", entließ mein Vater mich.

"Ja, bis später. Als Lehrerin werde ich natürlich auch da sein." Meine Mutter stand kurz auf, umarmte mich und gab mir einen Kuss auf die Wange. "Ich hab dich lieb Schatz, vergiss das nie."

"Ich hab dich auch lieb." Ich löste mich von ihr und ging dann. Ich liebte meine Eltern wirklich, aber nach allem, was zwischen uns geschehen war, fühlte ich mich nicht richtig wohl bei ihnen. Das musste sich erst finden. Ganz anders war das bei Mianna und ich wollte jetzt unbedingt zu ihr.

Kapitel 14 Liebe und Freundschaft

Manchmal kommt der Schnee im Juni.

Manchmal dreht sich die Sonne um den Mond.

Ich sehe die Leidenschaft in deinen Augen.

Manchmal ist alles eine große Überraschung. 

 

Vanessa Williams - Save the best for love

 

Mianna

 

Leinar kam erschöpft in unsere Suite. Er ließ seine Schulsachen fallen und fragte mich: "Hast du Lust auf einen Spaziergang bis zur Versammlung?"

"Du weißt von der Versammlung?", wunderte ich mich. Ich hatte noch nicht mit ihm darüber geredet.

"Ich hab davon gehört.", bemerkte er nur.

Ich sah ihn so gerne an wie jetzt gerade. Heute trug er ein rotes T-Shirt, eine Jeans und natürlich keine Schuhe. Seine schwarzen Haare standen ihm etwas struppig vom Kopf ab. Er sah so sexy aus. In der letzten Zeit hatten wir kaum Zeit füreinander. Wenn dann nur Abends und da waren wir beide müde gewesen. Die Donnerstage waren für mich

 

besonders anstrengend und Leinar hatte auch genug mit der Schule und allem drum und dran zu tun gehabt.

Fragend sah er mich an: "Also hast du nun Lust auf einen Spaziergang, oder nicht?"

"Oh ja, das hab ich.", lächelte ich. Ich sprang auf und dabei rutschte mein rotes Baumwollkleid etwas nach oben. Darunter trug ich eine dicke, schwarze Strumpfhose und weiße Ballarinas. Mein rotes Haar hatte ich offen gelassen.

"Warte!", stoppte Leinar mich, als ich schon meine Jacke holen wollte. Er kam zu mir und zog mich fest an sich. Er knabberte sanft an meinem Hals und dann wanderten seine Lippen immer weiter nach oben über mein Kinn, bis sie meine Lippen sehr sanft trafen. Er kostete den Kuss voll und ganz aus. Als wir uns voneinander lösten, strich er mir sanft eine rote Haarsträhne aus der Stirn. Ich seufzte tief und warf mich in seine Arme. So umarmten wir uns stürmisch.

"Das haben wir in letzter Zeit viel zu sehr vernachlässigt. Also uns beide mein ich. Wir haben das schon viel zu sehr für selbstverständlich genommen.", flüsterte Leinar.

"Stimmt, du hast Recht. Das müssen wir unbedingt ändern. Es hat mir gefehlt, es nicht selbstverständlich zu nehmen."

 

"Mir auch." Noch ein mal kam Leinar mit seinem Lippen nahe an mein Gesicht und berührte dann damit sanft meine Wange.

Ich lachte: "Das kribbelt."

Er grinste auch. Es tat gut, mal wieder so losgelöst zu sein. Dann wurde Leinar wieder ernst und sah mir tief in die Auge. Fast verführerisch hauchte er: "Ich liebe dich, Mianna. So sehr."

"Ich dich auch, Leinar. Ich muss oft an unsere erste Nacht im magischen Zug denken. Zum Beispiel an unser erstes Gespräch."

"So vieles hat sich verändert. Wo ist bloß die Zeit geblieben?", sinnierte er.

"Besonders du hast dich verändert.", bemerkte ich. "Aber manchmal bist  du auch immer noch der Junge aus dem Zug."

"Ja, mag sein.", gab er zu. "Ich wünsche mir wirklich so sehr, ich könnte Evaniel von dir erzählen und er könnte auch so ein Glück erleben."

Mir wurde das Herz schwer bei seinen Worten und gleichzeitig war ich auch so glücklich. Ich zog meine Jacke an, nahm Leinars Hand und sagte: "Na komm, lass uns rausgehen."

 

Hand in Hand gingen wir nach unten. Draußen begann langsam der Herbst zu wüten. Die Blätter wurden langsam bunt und noch mehr Regenbögen bildeten sich auf dem Schloss. Die Luft wurde feuchter und das Wetter hinterm Schloss spielte immer noch verrückt, aber hinter dem Schlossgarten konnten wir auch einen herrlichen Sonnenuntergang beobachten. Er hatte wirklich das herrlichste rot, dass man sich vorstellen konnte. Wir gingen auf den Garten zu.

"Leinar, meinst du, du kannst dich mal wieder in ein Glühwürmchen verwandeln? Seit dem See hab ich das nicht mehr gesehen.", bat ich ihn nun.

Seine Augen blitzten funkend: "Du liebst dieses Glühwürmchen, oder?"

"Ich liebe alles an dir, aber das Glühwürmchen liebe ich auch, ja. Bitte, bitte, bitte!", bettelte ich.

Jetzt sah er mich fast schelmisch an. "Unter einer Bedingung. Wir gehen heute Abend in unserer Beziehung noch einen Schritt weiter."

Wollte er mich gerade herausfordern? "Soll das eine Drohung sein? So was wie eine Erpressung?"

"Eher ein Angebot.", gab er zurück und seine Augen blitzten gefährlich.

 

"Hm, lass mich mal überlegen. Glühwürmchen gegen Sex. Eigentlich gar kein schlechtes Angebot. Also gut, Lass uns einfach mal sehen, was sich heute Abend so ergibt."

Leinar grinste wieder: "Damit muss ich mich wohl zufrieden geben. Das Glühwürmchen dann also."

Ohne Vorwarnung hüpfte er vom Boden auf und wurde in der Luft zum Glühwürmchen. Erst war er so groß, wie ein Vogel und wurde dann so klein, dass er gut in meine Hand passte. Er lief mit seinen kleinen, dünnen Füßchen aufgeregt auf meiner Hand auf und ab, sodass es wie wild kitzelte. Ich musste einfach lachen. Dann sah er mich aus seinen ernsten, kleinen Glühwürmchenaugen an, was mich nur noch mehr zum Lachen brachte.

"Ok, genug Leinar! Du kannst jetzt aufhören.", bat ich ihn immer noch lachend.

Leinar verwandelte sich zurück in die Fee und grinste mich an: "Hast du also jetzt genug vom Glühwürmchen?"

"Nein, noch lange nicht.", erklärte ich standhaft.

"Na, wenn das so ist..." Leinar kam auf mich zu und packte mich. Dann kitzelte er mich wie wild aus. Ich hatte keine Chance gegen ihn. Ich krümmte mich fast vor Lachen.

"Leinar, nein!", brachte ich nach mehreren kleinen Kicheranfällen heraus. "Nicht, lass..."

 

"Du hast gesagt, du hast noch nicht genug vom Glühwürmchen und das Glühwürmchen hat dich ausgekitzelt." Er zuckte mit den Achseln und sah mich mit dem unschuldigsten Blick an, den er drauf hatte. Gott, wie ich Leinar liebte.

"Na gut, ich hab genug vom Glühwürmchen. Vorerst zumindest.", kicherte ich. "Ich will meinen Leinar zurück."

"Ich erinnere dich bei Gelegenheit an das Vorerst.", neckte er mich, aber er ließ von mir ab und wurde dann wieder ganz zärtlich. Ich war jetzt schon ganz aufgeregt wegen heute Abend. Für solche Momente lebte ich, für solche Momente kämpfte ich. Momente mit meinen Freunden und meiner Familie und vor allem Momente mit meinem Leinar. Plötzlich wurde ich ganz sentimental.

"Leinar, ich vermisse meine Eltern. Jonael und Luciana. Natürlich vermisse ich auch Linnie und Lunar, aber sie kenne ich erst so kurz. Ich hab meine anderen Eltern schon so lange nicht mehr gesehen."

"Du wirst sie wiedersehen.", versprach Leinar mir und zog mich in seine Arme. Dann gab er mir einen hauchzarten Kuss auf die Wange. "Ich habe heute nach so langer Zeit wieder mit meinen beiden Eltern zusammen gesessen. Das war irgendwie seltsam. Aber ich werde mich wohl dran gewöhnen."

 

"Das wird schon, Leinar" Jetzt streichelte ich sanft seine Wange und schob mich noch fester in seine Arme.

"So lange wir zusammen sind, wird auch alles gut.", versicherte er mir zuversichtlich. Und was immer wir auf der Versammlung heute zu erwarten haben, denk einfach an heute Abend in unserer Suite.." Wieder sah er mich spitzbübisch an. Ich war mir nicht sicher, ob ich ihn überhaupt je so ausgelassen gesehen hatte, wie gerade eben. Aber es gefiel mir, wenn er so war.

"Mach ich.", versprach ich ihm. Was auch immer er mit mir vorhatte, ich war jetzt schon aufgeregt deswegen und freute mich darauf. Ich vetraute ihm und auch ich wollte endlich mehr von ihm als nur seine zarten Küsse, auch wenn ich die abgöttisch liebte.

 

Mion

 

Vor der Versammlung fing ich Tiljan ab. Ich musste endlich mit ihm reden. Ich hatte es viel zu lange vor mir hingeschoben. Dabei hatte ich ihn so vermisst. Früher hatten wir so viel Zeit miteinander verbracht.

"Tiljan, kann ich mit dir reden? Hast du Zeit?"

Er sah mich überrascht an: "Die Versammlung ist

 

gleich."

"In einer Stunde, ja ich weiß."

"Also gut, komm mit.", gab Tiljan nach und führte mich in einen leeren Raum in der Nähe. Hier standen nur wenige Stühle und Tiljan und ich setzten uns gegenüber. Er hatte sich überhaupt nicht verändert. Er war immer noch so schräg gekleidet und gab sich immer noch so lässig und locker wie früher. Während ich eine Jeans und ein weißes Hemd trug, hatte er ein bunt gestreiftes Hemd an und dazu eine rote Hose. Seine schwarzen Haare mit dem leichten Blauton dazwischen standen in allen Himmelsrichtungen ab. Er musterte mich aus seinen klugen, blauschwarzen Augen.

Ich verwandelte mich vor seinen Augen von Mion in Gavin. Sicherlich hatte er das schon bei Lavinias Beerdigung gesehen, denn er hatte da in meiner Nähe gestanden, aber er machte trotzdem große Augen.

"Ich werde mich wohl nie an den Anblick gewöhnen.", bemerkte er. "Ich hatte wirklich geglaubt, du seist tot."
"Ich weiß Tiljan, und es tut mir Leid, aber ich konnte weder dir noch Cam etwas von dieser Gabe erzählen. Aber nicht, weil ich euch nicht vertraut hab. Im Gegenteil: Ich vertraute euch mehr als sonst irgendwem. Aber ihr wart sicherer ohne dieses Wissen. Ich wollte euch schützen."

 

"Ich weiß, aber ich wünschte mir trotzdem, wir hätten es gewusst. Dann hätten wir uns nicht so viele Sorgen machen müssen, als du verschwunden bist. Joseph war gerade mal drei und Venja noch ein Baby. Lavinia war am Boden, weil du weg warst, aber sie hat sich trotzdem noch um die Knirpse gekümmert. Sie waren das Einzige, was sie noch hatte." Tiljan sprach voller Vorwurf. Ich konnte es ihm nicht verübeln.

"Ich weiß. Auch mir ging der Verlust meiner Familie sehr nahe, aber ich konnte nicht zurück. Ich musste fliehen."

"Wieso musstest du eigentlich vor Tedren fliehen? Er war doch unser Freund.", wollte Tiljan nun wissen. "Jedenfalls damals noch."

"Meiner nicht.", wiedersprach ich. "Er hat es sich nie anmerken lassen, wenn ihr dabei wart, aber mich hatte er schon immer auf den Kiker. Eines Abends war die Situation zwischen uns eskaliert. Wir gerieten mal wieder in Streit wegen irgendeiner Kleinigkeit. Tedren griff mich mit seiner Magie an. Schon damals war er sehr mächtig. Ich wäre fast gestorben, doch ich konnte fliehen. Damals schon war mir klar gewesen, dass Tedren anders war, als wir gedacht hatten. Ich hatte wirklich richtige Angst vor ihm. Ich musste mich in Sekundenschnelle entscheiden, ob ich blieb, oder

 

lieber verschwand. Dieses Mal hatte ich Glück gehabt, aber was wäre beim nächsten Mal gewesen? Ich konnte nicht riskieren, dass meine Familie in ständiger Angst lebte. Also verschwand ich. So waren sie wenigstens in Sicherheit."

"In Sicherheit und tot unglücklich.", erinnerte mich Tiljan. "Du hättest erst mal mit uns reden können. Wir hätten uns schon was einfallen lassen wegen Tedren."

"Ja, vielleicht, aber wie gesagt, ich musste mich schnell entscheiden und ich habe mich entschieden zu gehen. So richtig bereuen kann ich das auch nicht. Klar hab ich meine Kinder und vor allem auch Lavinia unendlich vermisst, aber so konnte ich auch Keena kennen lernen und ohne sie hätte es Leinar nie gegeben und Leinar ist ein wirklich toller Junge."

"Ich bin auf deiner Seite, Mann.", versicherte mir Tiljan, was mich unglaublich erleichterte. "Du hast uns gefehlt. Ich bin froh, dass du wieder da bist. Aber wieso bist du eigentlich gerade jetzt wieder gekommen? Lavinia wäre bestimmt überglücklich gewesen, wenn sie gewusst hätte, dass du noch lebst. Sie hatte nie einen anderen Mann."

"Aber wie hätte sie darauf reagiert, dass ich eine andere Familie habe? Es hätte ihr das Herz gebrochen.", erinnerte ich meinen alten Freund. "Das bereitete mir Kopfschmerzen. Ich

 

wusste nicht, ob ich ihr das antun konnte. Ausserdem war ich nach dem Tod meines Sohnes sowieso erst mal wieder ziemlich neben der Spur. Das hätte Lavinia sicherlich nicht geholfen. Ich weiß, dass sich das alles nach Ausreden anhört, aber ich war eben schwach. Aber jetzt bin ich zurück im Leben und auch wenn Joseph und Venja schon mehr als erwachsen sind, will ich jetzt für sie da sein, wenn sie mich brauchen."

Tiljan nickte nachdenklich. "Du hast Recht, du hast viel erlebt und das war sicherlich nicht alles leicht für dich. So gesehen hast du das sogar alles richtig super gemeistert. Ich weiß nicht, wie ich reagiert hätte, wenn ich Laja verloren hätte. Also wenn du irgendjemanden brauchst und sei es nur zum reden bin ich immer für dich da."

"Danke Tiljan, ich weiß das wirklich zu schätzen und bin froh, dass du das so siehst. Es war wirklich nicht leicht für mich. Jedenfalls hab ich dann durch Zufall meine Mutter wieder getroffen und sie hat mir von Lavinias Beerdigung erzählt. Da hab ich mich spontan entschlossen, dass es nun an der Zeit war, mich als Gavin zu erkennen zu geben. Die Einzige, die davon wusste war Keena und ich glaube Leinar wusste es auch, weil sie es ihm erzählt hat."

"Ok, wie gesagt, ich bin froh, dass du wieder da bist. Du

 

siehst übrigens immer noch so armseelig aus wie damals. Mion hat aber etwas mehr Stil. Das muss man dir lassen." Dass Tiljan schon wieder zum Scherzen aufgelegt war, war ein gutes Zeichen.

"Ich würde mich ja gerne noch weiter mit dir unterhalten, aber die Versammlung beginnt gleich. Wir sollten besser gehen." Tiljan stand auf und ich folgte seinem Beispiel. Gemeinsam verließen wir den Raum. Ich war froh, dass dieses Gespräch so gut gelaufen war, aber Tiljan war schon immer ziemlich locker gewesen. Das Gespräch mit Cameron hatte ich noch vor mir und das würde sicherlich schwieriger werden.

Kapitel 15 Die Versammlung

Ich war die Kerze, die die Flamme braucht

Du hast mich angezündet und gelacht

Und dann kam die Liebe

Und sie wuchs ganz leise

Und zog ihre Kreise

 

Pur - Königin

 

Mianna

 

 

Die Versammlung fand in einem Raum mit vielen Stühlen und einer Tafel drin statt. Der Raum wirkte fast wie ein Klassenzimmer. Wir setzten uns also auf die Stühle. Nur Lady Meisold blieb vorne zusammen mit Lim, Corly und Renn stehen. Corly sah sehr erschöpft aus und Renn eher ausgelaugt.

"Wie ihr wisst, geht es heute hier um die Frage, wie wir das Königspaar unterstützen können. Jeder, der bereit ist, sich für den Kampf zu opfern, ist hier gerne gesehen. Natürlich können nicht alle von euch gehen. Wir brauchen hier

 

auch noch Personal und vor allem Aufsichtspersonen, aber ich hoffe, dass einige von euch dazu bereit sind. Also, wer von euch sich dazu entschieden hat, darf gerne zu uns nach vorne kommen.", eröffnete Lady Meisold die Versammlung.

Ein Dutzend Lehrer standen auf und ging nach vorn. Darunter waren auch Tiljan, Miron, Austin und ein paar andere bekannte Gesichter. Auch Leinars Vater Mion trat dem Grüppchen bei.

"Ich bin dafür, dass Mianna auch mitkommt. Sie hat am Lebenssee bewiesen, dass sie stark ist und wir brauchen sie.", erklärte Renn den Anderen.

"Das können wir nicht einfach so entscheiden. Sie ist die Königstochter. Daran muss ich dich ja wohl nicht erinnern. Wir können sie nicht einfach so mitnehmen, wie es uns passt.", hielt Lady Meisold dagegen.

"Ich bin ihr Großvater. Ich denke, ich kann das sehr wohl entscheiden. Ich bin mir sicher, dass meine Tochter mich in meinem Vorhaben unterstützen würde.", beharrte Renn.

"Und wieso bist du dir da so sicher? Deine Tochter würde ihre eigene Tochter wohl kaum in Gefahr bringen wollen." Lady Meisold war wohl strikt dagegen, dass ich mitkam.

"Nein, nicht, wenn es sich vermeiden ließe.", stimmte Renn ihr gelassen zu. "Aber ich denke, wir haben keine andere

 

Wahl. Wir brauchen sie und solange Linnie nicht hier ist, bin ich ihr Vormund."

Ach, war das so? Wie interessant. Davon wusste ich ja gar nichts. Ich befürchtete, dass Lady Meisold weitere Gründe vorbringen würde, damit ich nicht mitkam, also brachte ich mich selbst in die Diskussion mit ein: "Ich glaube Renn hat Recht und ich bin bereit, mitzufahren." So würden Renn, John und ich zusammen Magie wirken können.

"Na gut, aber wenn es deswegen Ärger mit Linnie und Lunar gibt, übernehme ich keine Verantwortung dafür.", gab sie schließlich nach.

"Musst du auch nicht. Ich übernehme die volle Verantwortung.", beschwichtigte Renn sie.

"Ich will auch mitkommen.", vekündete Leinar nun. "Ich werde nicht alleine hier rum sitzen, während Mianna in Gefahr ist."

Ich seufzte. Das hätte ich mir ja denken können.

"Für dich kann ich aber nicht die Verantwortung nehmen.", entschuldigte sich Renn bei Leinar.

"Aber ich.", erklärte Mion. "Leinar ist mein Sohn. Es gefällt mir zwar nicht, aber ich weiß, dass er sich nicht umstimmen lassen wird. Er kann dabei sein."

Dankend sah Leinar seinen Vater an. Lady Meisold rollte

 

genervt mit den Augen. "Na gut, dann ist da noch die Frage, wie ihr zum Schloss kommt. Es sollte schnell gehen und ihr solltet Morgen früh schon aufbrechen können."

Alle sahen sich einigermaßen ratlos an. Dann bemerkte Tiljan: "Wir können den Bus nehmen."

Lady Meisold sah ihn entsetzt an: "Niemand in der Zauberwelt fährt  mit dem Bus. Das wäre zu auffällig."

"Aber soweit ich weiß kann dieser Bus sich mit Feenstaub tarnen. Er würde überhaupt nicht auffallen.", überlegte Tiljan unbeirrt weiter.

"Ich find die Idee gar nicht schlecht. Für so viele Personen ist der Bus ideal.", erwärmte sich auch Mion für Tiljans Vorschlag.

"Na schön. Ihr müsst ja damit ans Ziel kommen.", gab Lady Meisold schließlich erneut nach. "Aber ihr solltet den Bus nicht direkt vor dem Schloss abstellen."

Wir besprachen noch einige andere Punkte für die Reise, aber das Wesentliche war damit geklärt. Morgen würden wir aufbrechen, um meinen Eltern zu Hilfe zu kommen. Dafür, dass wir eigentlich die Schule und die Menschenwelt während unserer Schulzeit nicht verlassen durften, waren Leinar und ich ganz schön oft woanders unterwegs. Aber ich nahm an, dass das nicht die Regel war.

 

Leinar

 

Ich war nervös. Ich hatte auf der Wiese vorm Schloss eine seltsam große Klappe. Das passte gar nicht zu mir. Sicher wollte ich mit Mianna zusammen sein und alles mit ihr erleben, was zu einer Beziehnung gehörte, aber ich hatte vorher noch nie eine Freundin gehabt und somit keinerlei Erfahrung damit. Ich war mir zwar ziemlich sicher, dass es Mianna ählich ging, aber das machte es auch nicht gerade besser.

Nach der Versammlung sind Mianna und ich gleich auf unser Zimmer in unserer Suite gegangen. Jetzt stand Mianna so schön und vollkommen vor mir und sah mich lächelnd und erwartungsvoll an. Zögernd, ja sogar fast schüchtern, ging ich auf sie zu und zog sie erst mal in meine Arme. Das war vertrautes Gebiet. Da konnte ich nichts falsch machen. Plötzlich erfüllte mich ein Glücksgefühl und so viel Zuversicht, dass ich sie verwundert ansah: "Wendest du gerade deine Gabe bei mir an? Die mit dem Glück?"

"Eigentlich nicht.", hauchte Mianna. "Vielleicht spürst du nur, was ich empfinde. Ich liebe dich Leinar, und ich will dich."

"Ich liebe dich auch und ich will dich auch." Und das

 

wusste ich plötzlich mit einer Gewissheit, die schon fast unheimlich war. Ich wollte Mianna und ich war jetzt auch überhaupt nicht mehr nervös. Aus einem Impuls heraus, flüsterte ich: "Romantische Musik!" und die Anlage unter der Decke sprang an und spielte ein langsames Liebeslied. Eines Morgens hatte ich die Anlage entdeckt. Sie war plötzlich da gewesen. Sie tauchte nicht immer auf, aber soweit ich wusste, war sie immer da. Dass sie auf Feensprache reagierte, hatte ich durch Zufall heraus gefunden. Eine Fernbedienung gab es nicht. Das hatte ich gründlich überprüft.

Zufrieden lächelte ich in mich hinein und sah Mianna an, die verwundert auf die Anlage starrte. Ich schlug ihr vor: "Vielleicht willst du dich ja schon mal hinlegen? Ich komme gleich nach."

Dann verschwand ich ohne einen weiteren Kommentar aus dem Zimmer und suchte im Wohnzimmer nach Teelichtern. Ich wollte diese Nacht hier zu einer besonderen Nacht machen. Eine Nacht, an die Mianna sich erinnern sollte. Ich schleppte jedes Teelicht ins Schlafzimmer, dass ich finden konnte und zündete sie an. Dann legte ich mich zu Mianna ins Bett.

"Wow, Leinar, das ist ja richtig schön.", freute sich Mianna.

Ich lächelte. "Wenn schon, denn schon."

 

Dann legte sie sich auf mich und küsste mich. Erst zart, dann wieder wild und dann wieder zart. Ich wusste gar nicht, wie mir geschah. Irgendwann beschloss sie wohl, dass sie unsere Kleidung langsam störend fand und zog mir mit einer verstörenden Langsamkeit mein Hemd aus. Ich kam mir vor wie ein alter Mann im Altenheim. Dennoch war es schön, denn als sie endlich fertig war, strich sie mit ihren zarten Fingern sanft über meine nun nackte, leicht gebräunte Brust und es kribbelte überall dort, wo sie mich angefasst hatte. Als ich es nicht mehr aushielt, wollte ich ihr das Kleid über den Kopf ziehen, aber sie hielt mich zurück.

"Mianna.", hauchte ich flehend.

"Pscht.", machte sie nur und strich weiter über meine Brust. Natürlich hätte ich ihr das Kleid trotzdem über den Kopf ziehen können, hätte ich das gewollt, aber ich ließ sie gewähren. Nachdem sie meine Brust ausgiebig studiert hatte, küsste sie mich wieder, diesmal heftiger als zuvor. Sie bewegte sich auf mir und ich passte mich ihrem Rhytmus an und stöhnte das erste mal. Als ich keine Luft mehr bekam, löste ich mich von ihr und fuhr mit meinen Fingern sanft über ihre Arme. Sie erschauderte leicht. Dabei küsste ich sie und zog ihr dann doch das Kleid übern Kopf. Sie trug

 

darunter einen schwarzen Spitzen-BH. Ich schmiss das Kleid in die Ecke zu meinem Hemd und bedeckte ihre Haut mit tausend Küssen.

"So schön.", hauchte ich.

"Oh Leinar!", seufzte sie und klammerte sich an mich. Ich strich nun sanft mit den Fingern über ihren Rücken und knabberte an ihrem Nacken. Jetzt stöhnte sie auch.

Eine Weile ging es so weiter mit uns, ohne dass ein weiteres Kleidungsstück seinen Weg zum Boden fand. Die Musik lief weiter im Hintergrund und ich fing an leise mitzusingen.

Mianna unterbrach sich einen Moment darin meinen Körper zu erkunden und sah mich überrascht an. "Ich wusste gar nicht, dass du singen kannst."

"Wusste ich auch nicht.", gestand ich ihr. "Ich hab es gerade zum ersten Mal gemacht."

Ungläubig sah sie mich an. "Du willst mich veräppeln. Du hälst jeden Ton perfekt."

"Naturtalent?", schlug ich vor. Ich zuckte mit den Achseln.

"Du bist echt unglaublich.", fand sie.

Das ließ ich mal so stehen und küsste sie wieder.

 

 

 

 

Mianna

 

Mein erstes Mal mit Leinar war einfach wunderschön. So zärtlich und sanft. Zum Schluss hatten wir uns doch aus allen Klamotten geschält. Langsam und vorsichtig. Leinar hatte ja schon vorab für so romantische Stimmung gesorgt. Das war so süß von ihm. So fiel es uns beiden leichter uns zu entspannen. Als wir dann zum Höhepunkt gekommen waren, war das einfach nur unglaublich und unvergesslich gewesen. Ich hatte oft gehört, dass es beim ersten Mal weh tun sollte, aber bei mir hatte es nur leicht gezwickt.

Jetzt lag ich nackt und entspannt neben dem ebenfalls nackten Leinar. Sein Körper war so perfekt und wunderschön. Genau wie seine Seele. Leinar war der sanfteste Junge, den ich je kennen gelernt hatte. Ich hatte unbeschreibliches Glück mit ihm. Allerdings wollte ich auch den wilden Leinar kennen lernen, doch das hatte ja noch Zeit. Vielleicht beim nächsten Mal. Ich wollte ihn genießen. Jeden einzelnen Moment mit ihm.

Natürlich hatten wir auch verhütet. Wir waren schließlich nicht dumm. Für Kinder waren wir beide noch nicht bereit. Wir waren auch viel zu jung dazu.

Leinar wirkte fast schon schläfrig, so entspannt war er.

 

Ich kuschelte mich eng in seine Arme und spielte gedankenverloren mit seiner Brustwarze.

"Es gefällt mir nicht, dass Renn vorgeschlagen hat, dich mit zum Schloss zu nehmen.", bemerkte er dann auf ein mal.

Ich seufzte und erinnerte ihn: "Du hast dich freiwillig gemeldet. Renn hat Recht, Leinar. Ich muss mit. Zusammen sind wir stärker als alleine."

"Aber ihr habt doch kaum geübt. Ihr seid immer noch am Anfang.", gab Leinar zu Bedenken.

"Schatz, es ist doch schon längst beschlossene Sache und ich finde wir sind schon recht weit. Gut, wir können immer noch keine Feuerarmee erschaffen, aber viele andere nützliche Dinge."

"Trotzdem gefällt es mir nicht.", beharrte Leinar. "Vesprich mir, dass du an meiner Seite bleibst."

"Leinar, ich werde es versuchen, aber versprechen kann ich dir das nicht. Wir könnten jederzeit auseinandergerissen werden und wenn ich an Renns Seite kämpfen soll, werde ich das tun."

Leinar seufzte frustiert: "Dann pass wenigstens auf dich auf. Ich darf dich nicht verlieren."

Er klang so verzweifelt, dass mir das Herz brach.

"Ich werde auf mich aufpassen, Leinar. Versprochen. Aber

 

du musst auch auf dich aufpassen."

"Das werde ich.", versprach er mir nun auch, drehte sich auf die Seite und gab mir einen Kuss auf die Wange. "Wir sollten jetzt schlafen. Träum süß, Mianna."

"Du auch." Ich drehte mich auf die andere Seite, sodass mein Rücken seine Brust berührte. Er schlang seine Arme um mich und wir schliefen glücklich und besorgt zugleich ein.

 

Kapitel 16 Reisefieber

Gib mir 'n kleines bisschen Sicherheit,

in einer Welt, in der nichts sicher scheint.

Gib mir in dieser schnellen Zeit irgendwas das bleibt.

Gib mir einfach nur 'n bisschen Halt,

und wieg mich einfach nur in Sicherheit.

 

Silbermond - Irgendwas bleibt

 

Mianna

 

Am Morgen wachten wir früh, aber erholt, auf. Leinar sah noch ganz verschlafen aus, aber ich vermutlich auch. Er lächelte mich an und sagte: "Guten Morgen, meine Schöne."

Ich grinste und bedauerte, dass wir jetzt in den Kampf ziehen mussten. Wir hätten jetzt so viel Spass haben können. "Guten Morgen. Wir sollten aufstehen."

Unsere Koffer waren zwar schon gepackt, aber wir wollten uns noch von unseren Freunden verabschieden. Nur ihnen hatten wir erzählt, dass wir zum Schloss aufbrechen wollten. Doch unsere Abwesenheit würde sicherlich auch bald den Anderen auffallen.

 

"Sklaventreiberin", kommentierte Leinar seufzend und zog mir die Bettdecke weg. Wir hatten zwei Bettdecken und das war auch gut so. Vermutlich würde ich sonst die halbe Nacht ohne Decke schlafen, wie ich Leinar kannte. Er wühlte Nachts immer ziemlich rum.

"Hey!", beschwerte ich mich jedenfalls.

Er sah mich nur unbeeindruckt unschuldig an und sagte: "Du wolltest doch aufstehen."

Da hatte er Recht, aber nicht so. Seufzend stand ich auf, ging zum Kleiderschrank, zog mir Unterwäsche, eine Jeans und einen giftgrünen Pullover an.

Leinar blieb so lange liegen und beobachtete mich, bis ich fertig war. "So könntest du auf Karnevall auch als grüne Hexe gehen, weißt du?"

Ich drehte mich zu ihm um und funkelte ihn böse an: "Und du bist ganz schön frech geworden, weißt du das?"

 Ich war nicht wirklich böse auf ihn. Ich liebte dieses Spiel einfach nur.

"War doch nur Spass", grinste er, stnad nackt wie er war auf, kam auf mich zu und drücke seinen nackten Körper an mich. "Du bist wunderschön, Baby. Grün steht dir."

Ich konnte nicht anders. Ich lachte und klammerte mich an ihn. In dieser Umarmung standen wir da und Leinar küsste mich stürmisch.

Als wir uns voneinander lösten, keuchte ich fast: "Du solltest dich jetzt besser auch anziehen."

"Ja wohl, Mam." Es wunderte mich, dass er trotz der Situation ziemlich gut drauf war. Anscheinend hatte er etwas von seiner natürlichen Anspannung verloren.

Er zog eine Boxershorts mit rosa Blumen an (Ja, das tat er wirklich!) und dazu ein Hawaihemd und eine Jeans.

Verwundert musterte ich ihn: "Was ist denn mit dir los?"

Er zuckte nur mit den Achseln: "Wieso nicht mal was Neues ausprobieren? Dieser Look erinnert mich an Tiljan."

"Stimmt, da ist was dran", gab ich ihm Recht. Zu alldem gab er seinem Haar noch den Evlis-Stil. Heute sah er ziemlich schräg aus. Fast wie ein Hippie oder so. Bei diesem Gedanken musste ich lachen.

Böse sah er mich an: "Was ist los?"

"Nichts, du bist nur heute so anders irgendwie", sagte ich schnell.

"Das liegt an dir, Süße. Du hast mich verändert", erklärte er ernst.

Ich lächelte in mich hinein und warnte ihn dann: "Aber werd jetzt ja nicht übermütig. Der ernste Leinar gefiel mir durchaus auch." Ich hatte Angst, dass er jetzt vielleicht irgendwelche Dummheiten machte.

 

"Keine Sorge. Ich bin immer noch ich", versuchte er mich zu beruhigen und gab mir einen flüchtigen Kuss auf den Mund. "Komm, lass uns gehen."

Er reichte mir seine Hand, die ich nahm, und Hand in Hand verließen wir unsere Suite. Ich spürte, wie sich der Vorhang aus Sternenstaub sich hinter uns bewegte. Das war wohl seine Art die Tür abzuschließen. Aber wie konnte ich nur Jemanden so sehr lieben, wie ich Leinar liebte? Er war mein ein und alles.

 

Vor dem Schloss hatten sich unsere Freunde versammelt. Sophann kam sofort auf mich zu und umarmte mich heftig.

"Pass ja auf dich auf und mach keine Dummheiten", redete sie auf mich ein.

"Keine Sorge, mir wird schon nichts passieren", beruhigte ich sie und erwiederte ihre Umarmung.

"Wehe du kommst nicht wieder", warnte sie mich. "Wenn du wieder da bist, müssen wir nämlich dringend über etwas reden."

Als wir uns voneinander lösten, merkte ich, dass sie Tränen in den Augen hatte. Ich sah sie verwundert an: "Du bist jetzt aber nicht schwanger oder so, oder?"

"Was?", fragte Sophann ehrlich überrascht. "Quatsch nein,

 

es geht um etwas ganz anderes. Also sie zu, dass du wieder kommst."

"Geht klar", grinste ich erleichtert.

Sie umarmte mich noch einmal fest und dann war Emma mit der Umarmungsrunde dran.

"Denk an die Kampftechniken, die ich dir beigebracht hab und komm ja heile wieder."

"Ich glaube nicht, dass ich viel damit anfangen kann, Emma. Da verlasse ich mich lieber auf meine Feuermagie. Aber das mit dem heile wieder kommen krieg ich bestimmt hin", gab ich zu Bedenken.

"Ach, ich glaube schon, dass du das kannst. Du musst nur auch selbst daran glauben." Dann senkte sie ihre Stimme. "Kann es sein, dass du mit Leinar geschlafen hast?"

Ich sah sie mit großen Augen an. "Woher weißt du das? Sieht man mir das irgendwie an?"

"Dir vielleicht nicht", räumte Emma ein. "Aber Leinar definitiv. Er ist so schräg heute und grinst trotz allem die ganze Zeit über." Dann wurde sie noch leiser und ergänzte: "Ausserdem hab ich neulich mit Kenian geschlafen und er war ähnlich drauf wie dein Freund heute."

Ich grinste. Dann fragte ich sie besorgt: "Glaubst du, die anderen haben das auch so deutlich gemerkt wie du?"

 

"Ich glaube nicht. Nicht mal Sophann scheint was bemerkt zu haben, aber mich freut es für dich. Ihr passt so gut zusammen."

"Es war wirklich toll.", schwärmte ich.

"Ja, ich weiß, was du meinst. Weißt du noch damals im Zug? Da warst du dir sicher, du hättest nie eine Chance bei Leinar. So schnell kann sich das ändern."

"Und du dachest, du würdest nie mit Kenian zusammen sein", erinnerte ich sie.

"Stimmt und jetzt bin ich glücklicher denn je. Mal abgesehen von diesem blöden Krieg hat sich doch alles sehr positiv entwickelt, oder?"

"Ja, abgesehen von diesem Krieg", stimmte ich ihr zu.

"Wenn du wieder da bist, müssen wir mal einen Mädelsabend machen", schlug Emma nun vor.

"Klingt gut", fand ich auch. Wir umarmten uns fest und dann verabschiedete ich mich noch von Lily, Robin und Zac. Auch Leonie war hier. Ich hatte in letzter Zeit viel mit ihr beim Frühstück gequatscht. Auch sie kam zu mir und umarmte mich fest.

"Pass auf dich auf. Wenn wir könnten, würden wir euch begleiten."

"Das ist lieb von mir. Grüß Nelson von mir."

 

"Er wäre auch gekommen, aber es geht ihm nicht so gut. Er hat sich irgendetwas eingefangen. Kannst du dir vorstellen, dass eine Fee die Grippe kriegt?", erklärte Leonie mir.

"Eigentlich nicht", gab ich zu. Wünsch ihm Gute Besserung. Ich werde euch alle vermissen."

"Wir werden hier sein, wenn ihr wieder kommt", versprach sie mir. "Was hoffentilch bald ist."

Viel zu schnell verschwanden unsere Freunde wieder im Schloss. Sie hatten ja jetzt eigentlich Unterricht. Für Leinar und mich war es dagegen Zeit zum Aufbruch.

 

Linnie

 

Hier war die Hölle los. Wenn nicht bald Hilfe kam, würden wir alle untergehen, aber anderseits waren ein paar Leute mehr oder weniger jetzt auch egal. Mathlida und Steffen waren schon mit ca. 500 Mann hergekommen und auch Theodora und Alejandro waren uns selbstverständlich zu Hilfe geilt. Lunar und John hatten Tedrens Armee eine zeitlang mit ihrer Magie aufgehalten, aber auch ihre Kraft dauerte nicht ewig. Allerdings wären wir ohne sie wohl gleich am Anfang verloren gewesen. Jetzt hatte ich die beiden schon eine ganze Weile nicht mehr gesehen. Ich hoffte

 

es ging ihnen gut.

Das Schloss war zwar magisch geschützt, aber trotzdem standen schon Teile davon in Flammen. Ich selbst bekämpfte unsere Gegner überwiegend mit dem Schwert. Auch ich war eine begnadete Schwertkämpferin. Mein Vater Renn, der einer der letzten Mitglieder der Rittergilde gewesen war, hatte es mir beigebracht. Doch manchmal benutzte ich auch meine Magie. Sie war aber eher schwach ausgeprägt, was mich schon immer geärgert hatte. Ich konnte hellsehen, was mich auch dazu gebracht hatte, mich mit Lunar zu verstecken. Momentan war diese Gabe aber eher störend. Alle paar Minuten drang eine Zukunftsverion auf mich ein und eine war verwirrender als die Andere. Die Zukunft änderte sich momentan praktisch minütlich. Jedenfalls war das Hellsehen meine stärkste Gabe, was mir nicht immer Willkommen war. Trotzdem sah ich nicht immer alles in der Zukunft.

Meine zweite Gabe war, dass ich Feen (und wirklich nur Feen) durch meine Berührung heilen konnte. Jetzt im Kampf mochte das hilfreich sein, weil dadurch unsere Verletzten gleich wieder kämpfen konnten, aber im Kampf Mann gegen Mann half mir diese Gabe auch nicht gerade weiter.

Was ich aber beherrschte, wenn auch schwach, waren

 

die Blumen. Ich konnte Feen in Ranken oder Bäume verwandeln, wenn ich sie berührte, und machte jetzt auch Gebrauch davon, wenn es nicht mehr anders ging. Gott sei Dank konnte ich diese Gabe nämlich beeinflussen. Sonst dürfte ich ja keine einzige Fee mehr berühren, nicht mal Lunar.

Gerade zogen wir uns aber ins Schloss zurück, um wieder Kraft zu schöpfen. Ins Schloss gedrungen war Tedren bisher noch nicht.

In der Menge entdeckte ich Theodora, die ziemlich erschöpft aussah und lauter Macken am Körper hatte, aber ansonsten unversehrt war.

"Hast du Lunar gesehen", fragte ich sie.

"Vorhin ganz kurz. Da war er mit diesem Jungen hier in der Vorhalle."

"Mit John? Gott sei Dank. Dann ist er auch unversehrt. Ich werde die beiden dann mal suchen." Ich war so erleichtert.

"Linnie, wer ist dieser Junge eigentlich?", wollte meine Schwiegermutter wissen. Offenbar war sie zu erschöpft, um bissig zu sein.

"Das erklären wir euch, wenn das alles vorbei ist", versprach ich ihr. "Ausserdem sollte das auch Lunar machen."

"Na gut, wie du meinst."

 

Ich sah sie verblüfft an. Sie war wohl wirklich erschöpft. Ich nickte ihr zu und verschwand dann in der oberen Etage. Wie erwartet fand ich Lunar und John in unseren privaten Wohnbereich. Sie schienen beide unversehrt zu sein, auch wenn sie beide ebenfalls erschöpft waren und John ein paar Verbrennungen an seinem nackten Arm erlitten hatte.

"Lunar!", rief ich und lief auf ihn zu. Ich wollte ihn jetzt einfach nur noch in meine Arme schließen und das taten wir dann auch. Lunar nahm mich sofort in seine starken Arme und drückte mich an sich.

 "Linnie, Gott sei Dank!" Auch er war erleichtert, dass es mir gut ging.

Ohne Lunar los zu lassen, sah ich John fragend an: "Geht es dir gut?"

"Ja, ich bin nur erschöpft", nickte er.

Ich nickte und wandte mich dann besorgt an Lunar: "Wir können das Schloss nicht mehr lange halten. Es ist mir sowieso ein Rätsel, wieso Tedren noch nicht mit seiner Armee hier einmarschiert ist."

"Ich weiß, ich frage mich, woher Tedren all diese Männer hat. Ich glaube Tedren kann das Schloss gar nicht betreten. Irgendein Schutzzauber oder so", vermutete Lunar.

"Aber früher war es doch sein Schloss", wunderte ich mich.

"Ist ja auch nur eine Vermutung", räumte Leinar ein. "Vielleicht ist der Zauber ja sogar auf seinen Mist gewachsen und jetzt ärgert er sich."

"Und was jetzt", fragte ich ratlos.

"Wir müssen weiter kämpfen. Bald kommt der Mond. Dann ist meine Magie wieder stärker. Wir müssen versuchen, das Schloss zu halten. Andernfalls haben wir keine Chance."

Ich wusste, dass er Recht hatte, aber es gefiel mir ganz und gar nicht.

"Was auch immer passiert, Linnie, ich liebe dich. Ich liebe dich so sehr."

"Ich liebe dich auch."

"Mianna", sagte John plötzlich. "Sie ist in der Nähe. Ich spüre sie."

"Was? Aber das ist unmöglich. Sie ist in der Schule in Sicherheit." Ich konnte kaum glauben, was ich da hörte.

"Offenbar nicht mehr. Ich spüre sie immer deutlicher", entgegnete John unbeirrt.

Mianna würde also kommen. Wer hatte meine Tochter bloß in so große Gefahr gebracht und wieso hatte ich das nicht kommen sehen?

Kapitel 17 Die Reise

Die Götter würfeln bloß

Mit eiskalter Berechnung

Und hier ganz unten

Verliert jemand denjenigen, der ihm lieb war

Der Gewinner bekommt alles. Der Verlierer muss fallen. 

 

ABBA - The Winner takes it all

 

Mianna

 

Im Bus saß ich neben Leinar. Er saß am Fenster und ich lehnte meinen Kopf an seine Schulter. Wir saßen oben und hatten hier eine tolle Aussicht. Der Bus war von Feenstaub umgeben, der ihn verdeckte. Für menschliche Augen war natürlich auch der Feenstaub unsichtbar.

Sena fuhr den Bus. Miron, Corly, Austin, Renn und Lim saßen oben in der letzten Reihe und Mion unten. Doch nun stand Corly auf und setzte sich vor mich. Leinar schlief wieder und offenbar wollte Corly mit mir reden. Also stand ich auf, ohne Leinar zu wecken, und setzte mich neben sie. Sie rutschte ans Fenster.

 

"Wir haben uns noch nie wirklich unterhalten. Ich dachte jetzt wäre es mal an der Zeit", erklärte sie mir mit ihrer melodisch klingenden Stimme.

Ich wusste nicht, was ich antworten sollte, also sagte ich nur: "Das mit deiner Mutter tut mir Leid."

"Danke." Sie lächelte schwach. "Es ist traurig, aber ich werde darüber hinweg kommen. "Weißt du, dass Renn sehr viel von dir hält?"

Ich lächelte leicht: "Ja, ich glaub schon. Ich mag ihn sehr."

"Renn ist toll, ohne Frage. Tja, vielleicht muss ich das auch sagen, er ist ja mein Bruder. Aber neben Austin ist er auch der wichtigste Mann in meinem Leben. Er ist nicht einfach nur mein Bruder, er war auch immer schon mein bester Freund. Er war einfach immer für mich da."

"Er war mir sofort sympatisch", gestand ich Corly nun. "Er hat so eine lockere, erfrischende Art und er ist einfach absolut ehrlich."

"Ja, das klingt ganz nach meinem Bruder. Er ist auch meinem Vater verdammt ähnlich. Wusstest du, dass eine Fähigkeit von ihm Thelepatie ist?"

"Thelepatie?", staunte ich. "Wirklich?"

"Ja, Thelepatie. Natürlich wirkt es besser, wenn er die Person kennt, aber er kann auch bei Fremden seine Fähigkeit anwenden."

"Wieso erzählst du mir das, Corly?", wollte ich wissen.

"Weil das beim Kampf vielleicht nützlich sein könnte. Ihr könntet euch ohne Worte verständigen."

"Auch wenn das nicht meine Fähigkeit ist?", fragte ich.

"Ja, auch dann. Weißt du Mianna, Renn würde alles für seine Familie tun und dich hat er besonders in sein Herz geschlossen. Er wird auf jeden Fall auf dich Acht geben."

"Gut zu wissen." Eigentlich wusste ich nicht so genau, was Corly eigentlich von mir wollte.

"Aber es gibt kaum Jemanden, der auf ihn Acht geben wird.", fuhr Corly fort. "Ihc hatte gehofft, das könntest du übernehmen. Pass bitte auf, dass er sich nicht in waghalsige Situationen verwickelt. Ich weiß, wir kennen uns kaum, aber Renn bedeutet mir wahnsinnig viel. Meine Mutter zu verlieren war schlimm, aber eigentlich hatte ich sie ja schon lange vorher verloren. Doch Renn zu verlieren wäre die Hölle für mich. Das wäre fürm ich ähnlich, wie ein Weltuntergang, auch wenn das vielleicht ein bisschen sehr dramatisch klingt."

"Glaub mir, ich will Renn auch nicht verlieren. Ich weiß nicht, ob es mir gelingen wird, aber ich versuche auf ihn Acht zu geben." Ich war allerdings nicht wirklich davon überzeugt, dass ich damit auch Erfolg hatte.

 

"Danke, Mianna. Das weiß ich wirklich zu schätzen." Corly sah erleichtert aus. "Ich..."

Doch weiter kam sie nicht, denn plötzlich stoppte der Bus. Wir waren gerade an einem größeren See vorbei gekommen.

"Was ist denn jetzt los?", wunderte ich mich, aber da standen die Anderen schon auf. AUch Leinar war jetzt wieder wach.

 

Leinar

 

Wir hatten mitten auf einem verlassenen Feldweg kurz vor dem Übergang zur magischen Welt gehalten. So versammelt, wie wir jetzt auf der verlassenen Straße standen, waren doch mehr Lehrer mitgekommen, als ich erwartet hatte. Vielleicht vierzig oder fünfzig oder so. Der Bus war durch den Sternenstaub etwas größer als der normale Bus für die Menschenwelt. Würde jetzt Jemand vorbei kommen, würde er oder sie sich vermutlich über die Größe des Busses wundern.

"Was ist los?", fragte Lim Sena.

"Ich weiß nicht genau.", erklärte sie ratlos. "Die Motorhaube hat plötzlich angefangen zu qualmen."

 

Wir hatten doch nicht etwa eine Panne, oder? Wir hatten drei Tage von Raubit bis zur Menschenwelt gebraucht. Der Bus fuhr zwar schneller als der Zug, aber wir durften nicht noch mehr Zeit verlieren."

"Lass mich mal." Lim öffnete die Motorhaube und legte die Hände ins Innere. Es fing an zu glühen und gleich darauf schloss er die Motorhaube wieder. "So, jetzt dürfte er wieder fahren."

"Gott sei Dank haben wir dich dabei, Daddy.", fand Sena erleichtert.

Als wir weiter fuhren, setzte ich mich neben meinen Großvater, der sich in eine freie Reihe gesetzt hatte.

"Was hast du da eben gemacht?" Es wurde langsam dunkel und die Lichter im Bus gingen an. Ausserdem fing es in Strömen an zu regnen.

"Eine Fähigkeit von mir ist, dass ich reparieren kann, was immer kaputt ist, nur indem ich es berühre.", erklärte Lim mir.

"Besser als jeder Mechaniker.", murmelte ich. Das Wort hatten wir letztens in der Schule gelernt.

Lim lächelte leicht, aber zurückhaltend: "Ja, vielleicht. Allerdings kann ich nicht nur Busse oder so reparieren, sondern einfach alles, was ich anfange, solange es materielle

 

Dinge sind. Zum Beispiel auch Möbel und Schwerter oder so was."

"Also eher ein Reperateur.", überlegte ich.

"Ja, so könnte man sagen." Lim war heute überraschend gesprächig. Das freute mich. Ich wusste schließlich so gut wie gar nichts von ihm. Noch überraschter war ich, als er sich dann auch noch bei mir entschuldigte. "Hör zu Leinar, es tut mir Leid, dass ich mich neulich so unhöflich benommen habe. Ich bin im Umgang mit anderen Feen nicht so gut. Ich war schon immer viel allein."

"Ist schon ok.", winkte ich ab. "Das ging mir früher auch so."

"Aber du hast dich bestimmt nicht so daneben benommen.", gab Leinar zu Bedenken.

"Nein, vielleicht nicht.", gab ich zu. "Aber ich war auf jeden Fall seltsam."

"Was hat sich verändert?", fragte er mich und klang wirklich interessiert, was mich freute.

"Mianna.", antwortete ich schlicht.

Er nickte, als verstünde er mich nur zu gut. "Ähnlich war es mit mir bei deiner Oma."

"Versteht ihr euch nicht so gut, du und Oma? Es wirkte irgendwie nicht so, als würdet ihr schwer verliebt sein.",

 

traute ich mich dann zu fragen.

 Oh, ich liebe deine Oma durchaus.", versicherte er mir schnell. "Ich zeige es vielleicht nru nicht immer so. Außerdem ist Carlina ein recht schwieriger Mensch. Ich glaube sie kam nie wirklich über Rivial hinweg. Wir streiten uns viel und manchmal hab ich das Gefühl, dass sie mich behandelt, asl wäre sie fünf Jahre alt. Vielleicht haben wir uns auch auseinander gelebt, aber wir lieben uns und versuchen unsere Beziehung gerade wieder in den Griff zu kriegen. Ich denke unsere Töchter hatten es nie leicht mit uns. Ich bin nicht gerade der Typ, der Feen leicht an sich heran lässt."

"Das habe ich bemert, aber du solltest nicht dir allein die Schuld in die Schuhe schieben. Wie du schon sagtest, Oma ist auch nicht gerade einfach."

"Ja, vielleicht.", stimmte Lim mir zu, aber er klang nicht sehr überzeugt.

"Wie habt ihr früher gewohnt? Hattet ihr ein Haus oder so?"

"Oh, wir hatten sogar eine Villa. Sie stand auf einen der Hügel von Raubit und da steht sie wohl auch immer noch. Ich war viel unterwegs, aber wir feierten auch wie die Menschen Ostern und Weihnachten. Deine Mutter und Sena spielten auf der Wiese fangen oder bauten Buden im Wald,

 

aber das ist lange her." Lims Augen leuchteten bei der Erinnerung und ich stellte mir die friedliche Szene wunderschön vor. Auch wenn es mir schwer fiel, mir meine Mutter als Kind vorzustellen.

"Das war es auch und so friedlich. Manchmal wünsche ich mir diese Zeiten zurück.", vertraute er mir an.

Wir unterhielten uns noch über dieses und jenes und ich stellte fest, dass mein Opa eigentlich doch nicht so übel war.

 

Mianna

 

Zwei Tage brauchten wir zum Schloss. Zwischendurch hatten wir noch mal angehalten, weil ein Bär meinte vor unserem Bus stehen bleiben zu müssen. Tiljan, der gut mit Tieren "sprechen" konnte vertrieb ihn. Es regnete jetzt ununterbrochen. Die Barriere mit dem Bus zu durchquären war etwas anderes als mit dem Zug. Der Bus ruckelte die ganze Zeit wie wild und es blitzte ständig. Es war wirklich ein einziges Meer aus Blitzen. Sie leuchteten in allen Farben des Regenbogens. Als wir dann endlich die magische Welt erreicht hatten, regnete es immer noch. Es war grau, nebelig und ungemütlich.

 

"Kannst du das Wetter nicht beeinflussen, Tiljan?", fragte Corly ihn. "Dieser Regen geht mir total auf die Nerven."

"Sorry, aber seltsamerweise hat meine Gabe hier keinen Einfluss. Ich hab sie selbst erst im Schloss entdeckt.", entgegnete Tiljan.

Corly stöhnte.

"Ein gutes hat die Sache ja.", fand Austin. Seine Stimme hörte ich heute zum ersten mal. Sie klang irgendwie sexy und rau. "Unsere Gegner werden ebeso im Schlamm kämpfen müssen wie wir."

"Ich weiß nicht, was daran gut sein soll.", hielt Corly dagegen und ich musste ihr Recht geben.

Kurz vor Senas Schloss ließen wir den Bus stehen. Sena und Corly tarnten ihn mit Schutzzaubern.

"Und was jetzt?", fragte Corly, als sie fertig waren.

"Wir laufen.", bestimmte Renn. Also setzten wir uns in Bewegung. Tiljans Magie wirkte zumindest soweit, dass er uns vor der Nässe schützen konnte.

Als das Schloss endlich in Sicht kam, hielten wir alle den Atem an. Eine Seite brannte lichterloh und die andere Seite schien eingefroren zu sein. Selbst im Regen schien das Feuer nicht zu stillen zu sein. Vor dem Schloss wachte Tedrens Armee.

 

"Und wie sollen wir da jetzt reinkommen?", wollte Mion wissen.

"Durch die Hintertür natürlich.", erklärte Tiljan als sei das das Selbstverständlichste auf der Welt. "Ich glaube nicht, dass Tedren das Schloss betreten kann."

Tiljan kannte sich hier bestens aus und so konnte er uns unbemerkt ins Schloss führen. Es war schon fast zu einfach, wenn man bedachte, wie viele wir waren. Wir hatten unser Ziel erreicht und jetzt konnte die Schlacht beginnen.

Kapitel 18 Kampfbereit

Und ob ich schon wanderte im finstern Tal,

fürchte ich kein Unglück;

denn du bist bei mir,

 

Lutherbibel 1912

 

Mianna

 

Das Schloss selbst erreichten wir ziemlich schnell. Wir kamen tatsächlich unbemerkt rein. In der Eingangshalle war es ziemlich überfüllt. Die Feen wirkten erschöpft, teilweise wirkten sie auch verletzt, Kinder weinten. Offenbar war das Schloss ein Auffanglager geworden. Renn trat an meine Seite und verkündete: "Ich bin dafür wir suchen deine Eltern. Hier im Schloss kann uns nichts passieren."

Ich wollte gerade Leinar fragen, ob das ok für ihn war, als ich John entdeckte.

"John!", rief ich und lief auf ihn zu. Er nahm mich in seine Arme und drückte mich an sich.

"Geht es dir gu?", fragte ich ihn, als wir uns voneinander lösten.

 

"Ja.", nickte er. "Bisher hab ich noch nicht viel abbekommen."

Das stimmte offenbar nicht so ganz, aber ich ließ es so stehen.

"Ich hab gespürt, dass du kommst.", bemerkte er dann. "Deine Eltern sind nicht gerade begeistert."

"Ich musste kommen, John. Gemeinsam können wir mehr bewirken."

"Natürilch musstest du kommen.", nickte John mir zustimmend zu. "Aber das muss deinen Eltern deswegen ja nicht gefallen."

Unauffällig trat Leinar hinter mir. Er wirkte angespannt. Er wusste ja immer noch nicht, in welcher Verbindung ich zu John stand.

"Hallo Leinar. Keine Angst, ich will dir Mianna nicht wegnehmen.", begrüßte John meinen Freund. Dann senkte er seine Stimme zu einem Flüstern und erklärte fast feierlich: "Sie ist nämlich meine Halbschwester."

Fassungslos starrte Leinar John an: "Was?"

"Ist ne lange Geschichte.", winkte John ab. "Aber bald werden es sowieso alle erfahren."

"Ich erzähle es dir später.", erklärte ich Leinar lahm. So etwas besprach man nicht zwischen Tür und Angel. John

 

fragte ich: "Kannst du uns zu Mom und Dad bringen?"

"Natürlich." Und so führte John Leinar, Renn und mich zu meinen Eltern. Sie waren in einem Raum in der oberen Etage. Als sie mich sahen, lief meine Mutter gleich auf mich zu und umarmte mich fest.

"Mianna." Sie ließ meinen Namen wie einen Vorwurf klingen. "Wieso bist du hier? Das ist so dumm und gefährlich."

Ich sah ihr in die Augen. "Mum, ist schon gut. Ich bin bewusst her gekommen. Gemeinsam sind Renn, John und ich stärker."

"Es war trotzdem dumm.", beharrte meine Mutter.

"Lass gut sein, Linnie.", Lunar legte ihr die Hand auf die Schulter. Eine sanfte Geste seiner Liebe zu ihr. "Mianna hat Recht. Allein haben John und ich keine Kraft mehr dazu."

Linnie sagte nichts mehr, aber es gefiel ihr nach wie vor nicht.

"Also, wie sieht der Plan aus?", wollte Renn ungeduldig wissen. "Ihr wollt hier doch nicht nur rumstehen und Däumchen drehen, oder?"

"Nein, natürlich nicht.", stimmte Lunar mir zu. "Es wird höchste Zeit weiter zu kämpfen. Ich will diese Schlacht endlich beenden. Meint ihr, dass ihr das mit eurer Feuermagie in den Griff bekommt?"

 

"Wir werden sehen.", antwortete Renn.

Und so verließen wir den Raum und stürzten uns in den Kampf.

 

Renn

 

Die Schlacht begann im Halbdunkeln. Der Regen verdunkelte den Himmel, aber auch eine gewisse Magie war daran Schuld, wenn auch nicht Tiljans Magie.

Ich hätte Feuerbälle durch die Luft jagen können, aber das war einfach zu gefährlich. Dadurch hätte ich auch unsere Verbündeten töten können. Also benutzte ich ganz simpel ein Feuerschwert. Auch Mianna hatte ein Feuerschwert in ihrer Hand, John eins aus purem Licht und Lunars Schwert leuchtete im Mondlicht. Es waren die einzigen leuchtenden Schwerter, dir ein bisschen Licht verbreiteten. Ich drang mit meinem Schwert so schnell auf meine Gegner ein, dass sie kaum eine Chance hatten, sich zu währen. Einen Gegner nach dem Anderen schlug ich nieder und meine Energie ließ nicht nach. Ich spürte Mianna und Renn in meiner Nähe. Mit Lunar war ich nicht so eng verbunden, deswegen spürte ich ihn nur ganz schwach.

Mianna ging hemmungslos auf ihre Feinde los und

 

schlug einen nach dem Anderen nieder. Schon bald gab es auf dem ganzen Schlachtfeld Flammen, die sich ausbreiteten.

Leinar machte sich nützlich, indem er sich in ein Glühwürmchen verwandelte und Mianna mit Extralicht den Weg leuchtete. Aber das war noch nicht alles. Ständig flog er gegen einen Feind, der dann zu leuchten anfing und umpkippte. Vermutlich waren sie deswegen aber noch nicht tot, sondern nur bewusstlos.

John drosch mit seinem Lichtschwer auf seine Gegner ein und ließ hin und wieder Lichtblitze iin sie fließen, die eine ähnliche Wirkung hatten, wie Leinars Glühwürmchenattacken. Nur mit dem Unterschied, dass John dann seine Gegner wirklich noch mit dem Schwert erstoch und die von Leinar noch dazu.

Lunar benutze das Mondlicht um Energie aufzutanken und sein Schwert damit aufzuladen. Lunars Schwert leuchtete ebenso hell wie Johns, nur war das Mondschwert auch noch magisch. Er bewegte es mit einer unheimlichen Schnelligkeit und Eleganz und seine Schwertbewegungen glichen fast einem Tanz, einem tödlichen Tanz. Er verfehlte nie sein Ziel.

So wirkte der Kampfplatz auch bald wie ein Meer aus

 

Lichtern in der Dunkelheit. Der Kampf dauerte fast die ganze Nacht, doch ich hatte nicht das Gefühl, dass Tedrens Leute weniger wurden. Doch als der Morgen anbrach, wendete sich das Blatt, denn da kamen die Tiere.

Kapitel 19 Leben und Tot

Wenn der letzte Adler

über den letzten verfallenden Berg fliegt,

und der letzte Löwe

an der letzten abgestandenen Quelle brüllt,

werden sie ungläubigim Schatten des Waldesauf ein altes und erschöpftes Wesen starren:

dem letzten Einhorn.

 

America - The last Unicorn

 

 

Mianna

 

Meine Arme wurden langsam schlapp und ich war so müde. Obwohl ich diese Gabe mit dem Glück hatte, konnte ich momentan wenig damit anfangen. Mein Feuerschwert fühlte sich in meiner Hand eigentlich ziemlich leicht in meiner Hand an, aber ich hatte es die ganze Nacht geschwungen und das war ziemlich anstrengend. Leinar hatte ich schon lange aus den Augen verloren, aber John und Renn spürte ich noch. Leinar hatte sich inzwischen wieder in

 

eine Fee zurückverwandelt und griff seine Gegner mit dem Schwert an, dass hoffte ich jedenfalls. Anfangs hatte ich noch Wärme in sein Schwert gegeben, aber ich war selbst zu kaputt und jetzt war er sowieso zu weit weg.

Der Morgen brach an und in der Ferne hörte ich die Tiere. Ein Löwe brüllte, ein Hahn krähte, ein Bär brüllte und ein Elefant machte: "Töröö!", aber es waren noch unendlich viel mehr Tierarten in der Tieramee.

"Tiljan hat die Tiere geholt!, rief Jemand, der Tiljan gut kennen musste.

"Ist das ein Einhorn?", fragte ein anderer über den Kampflärm hinweg.

Tatsächlich waren auch Einhörner dabei. Sie leuchteten weiß in der Tiermenge auf. Ich sah auch Zentauren, Leoparden, Affen, Kängeruhs, Phönixe, Armeen von bunten Schmetterlingen, jede Menge Vögel, sogar die Sommervögel waren dabei, und jede menge andere exotische und magische Tiere.

"Ins Schloss!", schrie Lunar da über Menge hinweg. "Die Tiere sind da! Wir ziehen uns zurück!"

Viele folgten Lunars Ruf, aber einige blieben auch bei den Tieren. Eines der Einhörner kam zu Tiljan und erklärte: "Hier sind wir. Ruht euch aus und wenn ihr so weit seit,

 

kommt zurück." Seine Stimme klang ganz rau und tief.

"Danke, Lejuwan. Es ist mir eine Ehre an eurer Seite zu kämpfen. Ich werde noch eine Weile bleiben."

"Sicher, Master Tiljan, ganz wie ihr wünscht." Und dann drehte das Einhorn Namens Lejuwan sich um und rief den Tieren folgenden Befehl zu: "Angriff!"

Ich sah noch wie er wie ein Lichtstrahl und schnell wie ein Blitz in der Menge verschwand. Dann zogen wir uns zurück. Meine Eltern waren soweit unversehrt, John und Renn ebenfalls. Corly hatte ein großes, blaues Auge und Austin blutete auf der Wange. Leinar sah erschöpft aus und er leuchtete noch ein wenig von innen heraus, aber sonst ging es ihm ganz gut. Mion aber war schwer verletzt. Sein Bein war übel zugerichtet. Meine Mutter versuchte es zu heilen. Lim war überhaupt nicht zu entdecken  und Sena auch nicht. Wo waren sie bloß?

 

Leinar

 

Wo war mein Großvater? Das war die Frage, die mich gerade beschäftigte. Mianna, John und ich hatten uns in eins der oberen Schlafzimmer zurück gezogen und sahen jetzt aus dem Fenster. Die Tiere liefen Tedrens Armee nieder

 

und die meisten von Tedrens Leuten pflüchteten. Obwohl sie teilweise doch ziemlich starkte Fähigkeiten hatten, fürchteten sie sich doch vor dieser Tierarmee. Nur die Mutigstens blieben. Die Einhörner und die Schmetterlinge sah man von hier oben am besten. Die Einhörner leuchteten im reinsten weiß und die Schmetterlinge waren einfach so bunt.

"Wusstet ihr, dass es noch so viele Einhörner gibt?", fragte Mianna jetzt.

"Nein.", antwortete John. "Ich wusste es nicht. Ich dachte die wären nur noch eine Legende."

Auch ich hatte es nicht gewusst, aber ich schwieg. Mir war gerade nicht nach reden zu Mute.

"Also ist Tiljan sowas wie ein Tierepflüsterer?", fuhr Mianna ihre Fragerei fort.

"Sieht so aus.", sagte John nur.

Ich fand es immer noch unglaublich, dass die beiden Geschwister waren. Eigentlich wollte ich genaueres darüber wissen, aber ich fragte nur: "Was meint ihr, was mit Lim ist?"

Mianna kam zu mir und nahm mich sanft in ihre Arme. "Liebling, Lim geht es bestimmt gut. Vermutlich kämpft er mit Tiljan noch da draußen."

"Ja vielleicht.", sagte ich gedankenverloren, glaubte aber nicht wirklich daran.

"Wir sollten etwas schlafen und danach was essen. Spätestens in der Nacht müssen wir weiter kämpfen.", schlug John vor. Wir waren alle erschöpft und eigentlich auch ziemlich dreckig. Ich sehnte mich nach einer Dusche, aber Schlaf war jetzt wichtiger. Also legten Mianna und ich uns in das Himmelbett, dass im Raum stand, und John legte sich auf das riesige Sofa. Ich machte mir natürlich nicht nur Sorgen um meinen Opa, sondern auch um meinen Vater. Würde er je wieder laufen können? Sein Bein sah ziemlich übel aus. Kämpfen konnte er damit jedenfalls nicht mehr. Wie die Kranken und die Kinder musste er im Schloss bleiben.

 

Mianna

 

Am späten Nachmittag wachten wir wieder auf. Ich war immer noch müde, aber ich fühlte mich soweit fit, um weiter zu kämpfen. Leinar neben mir bewegte sich auch langsam. Ich streichelte ihn sanft über die Wange.

"Was auch immer passiert nachher, Leinar, ich liebe dich so sehr."

"Ich liebe dich auch." Leinar lächelte leicht und dann setzten wir uns auf. John war schon wach und sagte nur: "Wir sollten runter gehen."

Wir hörten keinen Schlachtlärm mehr. Tatsächlich war es gespenstig still. Vielleicht hatte sich Tedrens Armee ja auch für eine Weile zurück gezogen.

Wir gingen zusammen nach unten. Die Eingangshalle war ziemlich voll. Meine Eltern gingen durch die erschöpfte Menge. Viele waren verletzt, manche mehr, manche weniger.

Als meine Mutter uns sah, kam sie sofort auf uns zu. Allerdings wandte sie sich an Leinar und nicht an mich. "Leinar, dein Großvater lebt, aber nur gerade so. Wenn du zu ihm willst, kann ich das verstehen."

Automatisch griff ich nach Leinars Hand, während er fragte: "Wird er durchkommen?"

"Das wissen wir noch nicht. Momentan kann ich das wirklich noch nicht sagen." Entschuldigend sah meinen Mutter ihn an. "Aber wir tun für ihn, was wir können."

Leinar blieb erstaunlich gefasst. "Ich muss weiter kämpfen. Er hätte es so gewollt und vermutlich ist er sowieso nicht ansprechbar, oder?"

"Nein ist es nicht und es ist allein deine Entscheidung, ob du weiter kämpfst oder nicht."

"Ich werde Mianna nicht alleine lassen.", entschied er. Ich wusste, dass ich ihn nicht umstimmen konnte, also ließ ich seine Entscheidung einfach so stehen.

 

Also zogen wir erneut auf das Kampfeld. Tedrens Leute kamen auch langsam wieder, auch wenn sie deutlich weniger waren als zuvor. Auch einige Tiere waren noch da.

Aus einem Impuls heraus ließ ich das Sternenlicht auf meiner Haut leuchten und diesmal auf meiner ganzen Haut, nicht nur auf den Armen. Es sah aus wie tausend tanzende kleine Sterne auf meiner Haut. Ich fühlte mich sofort stärker und frischer.

"Wunderschön.", flüsterte Leinar neben mir, was mir sogar ein kleines, wenn auch schwaches Lächeln entlockte. Und so kämpften wir unbeirrt weiter.

 

Leinar

 

 Wir kämpften also weiter. Ich verwandelte mich zunächst wieder in das Glühwürmchen zurück. Ich brauchte Mianna ja jetzt nicht mehr den Weg leuchten. Sie leuchtete selbst ziemlich hell mit ihrem Sternenlicht und schwang ihr Feuerschwert wie wild durch die Gegend, als hätte sie ihr Leben lang nichts anderes getan.

Als Glühwürmchen flog ich wieder gegen unsere Feinde. Es war schon fast zu leicht sie so auszuschalten. Als hätte ich eine Art Glühwürmchengift oder so was in mir.

 

Einer von Tedrens Männern musste eine ähnliche Fähigkeit haben wie Tiljan. Der Himmel wurde plötzlich immer heller vor lauter Blitzen und plötzlich öffnete auch der Regen wieder seine Schleuse. Kurzfristig hatte er nämlich eine kleine Pause gemacht. Es war irgendwie etwas gruselig, dass er hier so etwas machen konnte, aber Tiljan nicht. Aber vermutlich war er noch nie in der Menschenwelt gewesen und Tedren suchte seine Leute bestimmt mit Bedacht aus. Ohne Tiljans Abwehrzauber wurden jedenfalls alle gleich nass wie eine Katze. Als Glühwürmchen in dem Regen zu fliegen war auch nicht gerade leicht, also verwandelte ich mich in meine wirkliche Gestalt zurück. Die Tiere blieben uns Gott sei Dank soweit erhalten. Nur die Schmetterlinge und die meisten Vögel zogen sich zurück. Sie waren einfach nicht für Regen gemacht.

Plötzlich sah ich in der Ferne zwei weiße Flecken. Was das wohl war? Es wirkte wie zwei hell strahlende Lichter, aber die Lichter bewegten sich ziemlich schnell und kamen direkt auf uns zu.

Kapitel 20 Der weiße Ritter

Siehst du den Weg aus dieser Dunkelheit

Willst du raus, ich bin bereit.

Das kann nicht alles schon gewesen sein.

Ich glaub an uns und unsere Zeit.

 

Revolverheld feat. Marta Jandova - Halt dich an mir fest

 

Corentin

 

Wir hatten uns entschieden früher zu kommen, als geplant. So härten wir von dem Angriff auf mein altes zu Hause. Wie konnte mein Vater es wagen, es anzugreifen? Gut, dass meine mutter das nicht mehr erleben musste. So viele Erinnerungen hingen für mich an diesem Schloss. Hier hatte ich Lilien kennen gelernt, geliebt und geheiratet. Es durfte nicht zerstört werden und ich würde alles tun, um das zu verhindern. Deswegen hatte ich auch damals, bevor ich das Schloss verlassen hatte, den Schutzzauber über das Schloss gelegt. Niemand, der dem Schloss schaden wollte, konnte es betreten. Offenbar war das eine meiner genialsten Ideen gewesen. Ich war bereit, in dieser Schlacht zu

 

sterben. Ohne Lilien hielt mich hier sowieso nichts mehr. Deswegen konnte ich heute wirklich alles geben.

Ich wusste, dass auch Cameron bereit war zu sterben. Er hatte früh die Liebe seines Lebens verloren und dann auch noch seine geliebte Tochter, aber Cameron wurde hier noch gebraucht. Mianna und Linnie brauchten ihn und meine Kinder sowieso. Er durfte diese Welt noch nicht verlassen. Wenn meine Kinder mich schon verloren, brauchten sie wenigstens ihn. Sicher waren sie alle erwachsen und brauchten schon lange keinen Vormund mehr, aber sie brauchten Cameron trotzdem.

Ich wusste, was ich zu tun hatte. Ich musste Feliicitas ausschalten. Sie war auf jeden Fall hier. Das spürte ich. Kaum Jemand wusste, was meine Fähigkeiten waren. Sie hatten sich ja auch erst spät entwickelt, aber sie waren alle drei mehr oder weniger goldwert. Jetzt endlich konnte ich sie ohne Bedenken zeigen. Ich wartete schon so lange auf diesen Augenblick.

Ich sendete meinen Geist nach Felicitas aus und fand sie irgendwo in der Menge. Sie kämpfte gerade in der Menge mit einem Ritter in schwarzer Rüstung mit dem Symbol TR (Tedrens Rittergilde). Ich kannte seinen Namen nicht, aber er muss früher wohl zu der Rittergilde gehört haben und somit

 

schon ziemlich alt gewesen sein. Das war übrigens meine erste Fähigkeit. Ich spürte das Bewusstsein und die Umgebung anderer Feen deutlicher als die meisten Feen. Ich fühlte genau, was Feliicitas fühlte, wenn ich mich nur auf sie konzentrierte. Ich fühlte, wie sehr sie Cameron eigentlich hasste und dass sie ihn nie wirklich geliebt hatte und wie sehr sie diesen Kampf auf Leben und Tod genoss. Selbst die gewaltige Tierarmee, die Tiljan hergelockt hatte, hatte ihr nicht die geringste Angst eingejagt. Und ich spürte noch etwas, was mich richtig, richtig wütend machte, obwohl WÜTEND ein viel zu harmloses Wort für dieses Gefühl war. Sie fand es äußerst befriedigend, dass sie Cameron das Einzige genommen hatte, was ihm fast genau so viel bedeutet hat wie Nike. Lilien! Doch auch mir hatte sie Lilien genommen und sie hatte wohl nicht bedacht, wie gefährlich mich das hatte werden lassen und wie sehr ich sie deswegen hasste.

Mit Leichtigkeit griff ich jeden Gegner an, der sich mir in den Weg stellte. Ich schleuste mich durch die Menge. Doch trotz der vielen Feen, die ich auf dem langen Weg niederstreckte, wurde ich nicht müde, sondern nur noch entschlossener. Ich war Corentin von Loreoll und ich würde Lilien töten.

 

Als ich vor ihr stand, grinste ich sie fast an und begrüßte sie: "Hallo Felicitas. Wo hast du denn Tedren gelassen? Ist er zu feige, um selber zu kämpfen?"

"Corentin?", fragte Felicitas mich überrascht.

"Ja, allerdings. So sieht man sich wieder."

"Willst du mich etwa angreifen?", fragte sie mich eher spöttisch als überrascht.

"Allerdings. Du hast mir das genommen, was mir am Wichtigsten war und dafür wirst du bezahlen."

Felicitas sah mich mit großen Augen an, als würde sie jetzt erst bemerken, wie gefährlich ich war, doch dann fing sie sich wieder und bemerkte: "Es war eine Leichtigkeit deine Frau zu töten. Fast schon zu einfach. Es war fast so, als wollte sie sterben. Vielleicht ist sie dich ja doch irgendwann Leid geworden."

Damit hatte sie genau das Falsche gesagt und ich griff sie zunächst mit dem Schwert an. Sie war noch nie eine Leuchte im Schwertkampf gewesen und ich hatte meine Techniken noch um ein tausendfaches perfektioniert. Also kämpften wir. Die ersten Hiebe parierte sie noch, doch ich griff sie erbarmungslos an. Offenbar war Feliicitas Konzentration mieserabel, denn schon nach ein paar Attacken von mir war sie fix und fertig.

 

Jetzt war ich es, der höhnte: "Was ist los, Felicitas? Du warst auch schon mal besser in Form."

"Dich kann ich noch mit Leichtigkeit besiegen.", behauptete sie.

"Da wäre ich mir nicht so sicher." Und ich griff sie schneller an denn je. Sie wich immer weiter zurück. Mittlerweile hatten die Meisten in unserer Nähe aufgehört zu kämpfen und einen Kreis um uns gebildet. Der Regen konnte mir nichts anhaben. Ich blieb so weiß wie ich war und auch so trocken wie ich war.

"Wie? Mehr hast du nicht drauf? Du enttäuschst mich, Corentin." Feliicitas und ich umkreisten uns zunächst eine Weile, ohne den anderen anzugreifen.

"Wenn du wüsstest...", haute ich nur und präsentierte ihr meine zweite Fähigkeit. Ich malte Sterne in die Luft, die dann lebendig wurden und feuerte sie auf Felicitas ab. Die funkelden Sterne blieben überall da hängen, wo sie Felicitas berührten und verbrannten ihre Haut. Sie waren heiß wie Lava. Eigentlich konnte ich alles mögliche in die Luft zeichnen und lebendig machen, aber die Sterne waren meine Lieblingsobjekte. Diese Objekte konnte ich auch beliebig gestalten. Ich konnte entscheiden, ob sie warm, kalt, groß, kalt oder was auch immer waren. Diese Fähigkeit wurde erst

 

wirksam, als ich ein Wächter des Sees wurde.

Doch auch Felicitas hatte nützliche Fähigkeiten. Sie feuerte Eiskristalle auf mich ab, die sich dann im eiskalten Wasser auflösten und so wurde mir ziemlich schnell kalt.

"Wenn du glaubst, dass mir deine Sternwurfattacken was anhaben können, hast du dich aber getäuscht.", erklärte Felicitas ziemlich wütend, doch die Wunden auf ihrer Haut straften ihre Worte Lügen. Es musste ihr höllisch weh tun.

Ich spürte Cameron in meiner Nähe und fühlte, wie er zwei mal in die Hände klatschte. Nun blieb die Zeit stehen und die Feen auf dem nassen, schlammbedeckten Platz blieben bewegungslos in der Position, in der sie sich gerade befanden. Das war nun meine zweite Fähigkeit. Dass ich gegen gewisse andere Fähigkeiten immun war, allerdings zählte das offenbar nicht gegen Felicitas Fähigkeiten, was sehr bedauerlich war, denn mir lief das Wasser buchstäblich am Körper hinunter. Cams Zeitzauber gehörte aber dazu. Vermutlich hatte ich sowas wie ein Abwehrsystem oder so was in mir.

"Das hättest du schon viel eher tun sollen.", bemerkte ich, als Cameron seelenruhig neben mich trat.

"Ich wollte dir doch nicht den Spass verderben.", grinste Cameron gelassen. "Das mit den gemalten Sternen fand ich ziemlich cool."

Ich grinste kurz, wurde dann aber wirder ernst. "Cam, ich muss es tun. Ich muss Felicitas töten. Sie hat mir Lilien genommen."

"Auch ich habe Grund genug sie zu töten.", entgegnete Cameron mir. "Du bist noch so jung und deine Kinder brauchen dich. Lass mich es tun, Corentin!"

"Du könntest für meine Kinder da sein. Sie haben dich schon immer vergöttert."

"Du bist ihr Vater, Cory. Sie brauchen dich. Renn und Lim kommen vielleicht klar, aber denk doch auch mal an Corly. Sie ist so zerbrechlich.", erinnerte mich Cameron nun.

"Meine süßen Kinder. Ich erinnere mich noch gut daran, wie süß sie waren, als sie klein waren. Sie sind die schönsten Kinder der Welt." Und ich war der stolzeste Vater der Welt, doch eine Sache ließ mich nicht los. "Wie soll ich ohne sie leben, Cam? Es tut so weh und ich vermisse sie jeden Tag."

"Du bist stärker als du denkst und du hast deine Kinder. Du könntest meine Stelle als Lehrer im Schloss annehmen. So könntest du immer bei deinen Kindern sein. Und auf Mianna musst du auch aufpassen. Sie ist was Besonderes.", bot Cameron mir an.

Wir wussten beide von der Legende, die Felicitas

 

umfasste. Doch sie war so wenig verbreitet worden, dass kaum Jemand sonst davon wusste. Es hieß Felicitas hätte einst einen Fluch auf sich gezogen. Wer sie tötete, starb mit ihr auf die selbe Weise. Einer von uns beiden musste sie töten und würde dabei sterben. Ich war mir so sicher gewesen, dass ich bereit war zu sterben, aber war das immer noch so? Es würde verdammt weh tun Cameron zu verliren, aber ich nickte ihm trotzdem zu. Cameron hatte Recht und ich hatte die Sache aus einem falschen Blickwinkel aus gesehen.

Sobald sein Schwert Felicitas berührte, lief die Zeit weiter und es wurde wieder laut um uns herum. Felicitas begriff erst im letzten Moment, was gerade geschah und ihre Augen weiteten sich ungläubig vor Schreck. Doch da war es bereits zu spät. Cameron hatte seinen tödlichen Schlag schon ausgeführt. Wie in Zeitlupe kippte sowohl Cameron als auch Felicitas um. Ich stand nur daneben und sah starr und regungslos zu. Cameron lag jetzt auf dem Boden und atmete nur noch ganz schwach.

"Mianna.", raunte er mir noch zu. "Sie ist der Schlüssel zum Frieden." Dann schloss er die Augen und nach ein paar weiteren schwachen Atemzüge starb Cameron einfach so nach einem so langen Leben. Endlich war er wieder bei

 

seiner Nike und auch bei Lilien. Auch Feliicitas war nun gestorben.

Die Kämpfenden bemerkten die Veränderung und als sie begriffen, was passiert war, brach die Hölle los. Die Nachricht von Cameron und Felicitas Tot brach wie ein Lauffeuer über das Schlachtfeld ein. Tedrens Männer flüchteten. Es wirkte, als würden sie auf einen unsichtbaren Befehl hören. Bei den anderen brach Unruhen aus.

Doch ich war mir sicher, dass Tedrens Männer zumindest nicht wieder zum Schloss kommen würden. Vorerst waren wir in Sicherheit, aber Tedren war immer noch nicht tot. Irgendwann würde es eine weitere Schlacht geben und darauf war ich überhaupt nicht scharf.

Kapitel 21 John

Es steht in den Sternen

Es ist in die Narben unserer Herzen geschrieben

Wir sind nicht gebrochen, nur verbogen

 

Pink feat. Nate Ruess - Just Give me a Reason

 

Mianna

 

Camerons Tot war für uns alle ein ziemlicher Schreck. Wir brauchten zwei Tage, um die darauffolgenden Unruhen zu schlichten. Langsam kehrte der Alltag zurück und viele unserer Verbündeten waren schon wieder abgereist. Doch Camerons Tot hing wie ein schwarzer Pfleck über uns. Ich hätte noch so viele offene Fragen an ihn gehabt, aber nun konnte er sie nicht mehr beantworten. Die vielen Toten hatten wir verbrannt und Lim kämpfte nach wie vor um sein Leben. Sena hatte seit dem Tag, an dem Lim verletzt wurde, Niemand mehr gesehen. Leinar saß fast ununterbrochen an Lims Krankenbett. Mion leistete ihm oft Gesellschaft. Ich konnte verstehen, dass Leinar das jetzt brauchte, aber ich vermisste ihn.

 

Ich verbrachte dafür viel Zeit mit John. Ich lernte meinen Bruder nun besser kennen. Ich wusste bereits, dass er für sein Leben gern Cornflakes aß, Videospiele liebte und dass er eine unheimliche Leidenschaft für den Schwertkampf hegte. Er war heimlich verliebt in ein Mädchen Namens Haleen, aber er glaubte, er war mindestens drei Nummern zu groß für ihn. Tatsächlich hatte sie ihm bisher noch nie Beachtung geschenkt. Haleen war schlank, zierlich, sie hatte die schönsten blonden Haare der Welt und die strahlensten blauen Augen der Welt. Sie hatte eine süße kleine Stupsnase und trug immer diese teuren schicken Kleider. Zumindest wenn man Johns Erzählungen glauben wollte. John hielt nicht viel von Fernsehen, aber er steckte seine Nase in jedes Buch, dass er finden konnte. Ich hörte ihm gern beim Erzählen zu und er wuchs mir immer mehr ans Herz.

Gerade jetzt fand eine Versammlung in einem großen weißen Raum statt. Hier hatten sich ausgewählte Personen versammelt. Renn, Corly und Corentn, Mathilda und Steffen, Tiljan, Miron und meine Großeltern. Theodora hatte ich schon einige Male in der Schule gesehen, aber Alejandro noch nie. Theodora sah mit ihren langen schwarzen Locken ziemlich wild aus. Ihr Gesicht war aber ziemlich unscheinbar und sie wirkte sehr stabil. Auch Alejandro hatte dunkle

 

Locken. Auch er sah ziemlich verwegen aus. Mein Vater sah keinen von beiden wirklich ähnlich. Auch einige Lehrer aus der Schule waren bei der Versammlung.

"Ich danke euch für eure Hilfe. Ohne euch hätten wir das nie geschafft.", begann mein Vater zu erzählen. "Wir haben all die Jahre etwas vor euch verheimlicht. Bei diesem Kampf hat es sich bezahlt gemacht, aber jetzt ist es wohl an der Zeit, dass ihr die Wahrheit erfahrt." John neben mir rutschte unbehaglich auf seinen Stuhl herum. Im nächsten Moment rief unser Vater uns auch schon nach vorne. "John, Mianna. Kommt ihr bitte zu uns?"

John und ich standen auf und stellten uns neben das Königspaar.

"Das ist mein Sohn John.", erklärte Lunar voller Stolz und legte einen Arm um ihn. Die genaueren Umstände sind etwas kompliziert und John ist älter als Mianna. Linnie ist nicht seine Mutter. Wie gesagt, es ist kompliziert. Wir haben ihn geheim gehalten, damit er unbeschwert in der Schule aufwachsen konnte. Bei Mianna war das leider nicht möglich."

Die Menge war bei dieser Neuigkeit gespenstig still. Meine Großeltern sah wohl am schockiertesten aus. Bis heute hatten sie nichts von ihrem eigenen Enkel gewusst.

 

Schließlich ergriff Tiljan als erster das Wort. Er stach mit seinem knallgelben Hemd ziemlich aus der Menge heraus. Offenbar hatte er frisch geduscht. Jedenfalls saß er neben Corentin. "Ich hatte schon immer den Gedanken, dass John etwas königliches an sich hat."

Einige, die John wohl kannten, nickten. Die Meisten schwiegen aber weiterhin.

"Obwohl John nicht mein Sohn ist, ist er mir sehr ans Herz gewachsen.", setzte sich nun meine Mutter liebevoll für John ein. "Da er älter ist als Mianna, wünschen wir uns, dass er König wird, falls Lunar irgenwann fallen sollte. Ich erkenne ihn jedenfalls als Prinz an."

Jetzt hörten man in der Menge lauter Gemurmel. Auch ich war überwältigt. Das änderte natürlich alles für mich. Ich brauchte keine Königin zu werden.

"Dieses Angebot und die Anerkunng ehrt mich. Wenn Mianna damit einverstanden ist, werde ich das Angebot gerne annehmen.", sagte John dann.

 "Ich bin einverstanden.", verkündete ich der Menge laut und deutlich. "Und ich werde dich jederzeit unterstützen."

"Ich bin erleichtert das zu hören.", John schenkte mir ein Lächeln.

"Ihr seid alle Zeugen dieses Abkommens, wenn es denn

 

eines ist. John wird mein rechtmäßiger Nachfolger werden. Natürlich werde ich auch noch was niederschreiben, aber theoretisch ist es hiermit amtlich. Und ich bitte euch alle diese Neuigkeit für euch zu behalten. Es soll noch nicht öffentlich werden."

"Natürlich werde ich jetzt schon viel mit meinem Vater absprechen, was ich vielleicht irgendwann ändern möchte, falls mir irgendetwas in dieser Richtung einfällt. Ich möchte nichts tun, was ihm nicht behagt und auch nach seinem Tot nichts verändern was er vielleicht nicht gewollt hätte. Natürlich achte ich auch auf Linnies Wünsche.", versprach John feierlich.

"Aber alles andere, was ich nicht mehr bestätigen kann findet meine volle Zustimmung. Ich vertraue John und weiß, dass er unsere Welt ebenso gerecht regieren wird wie ich.", verkündete lUnar noch.

"Vielleicht sollte John zusammen mit Lunar Königsunterricht nehmen.", schlug Tiljan dann vor.

"Das ist eine gute Idee.", fand auch Lunar.

"Der Unterricht ist witzig.", versicherte ich John, als er etwas skeptisch guckte.

"Dann wäre das ja geklärt.", bemerkte mein Vater zufrieden.

 

Leinar

 

Lim hatte die Augen immer noch nicht geöffnet. Sein Atem ging nun aber regelmäßig, was mich etwas beruhigte. Die meiste Zeit über war mein Vater bei mir. Renn und Corly kamen auch hin und wieder vorbei, um nach ihrem Bruder zu sehen und natürlich auch Corentin, um nach seinem Sohn zu sehen. Oft legte er einfach die Hand auf seinen Arm und dann wirkte Lim für eine Zeit lang friedlicher.

Ich erzählte Lim Gesichten. Von Evaniel und mir, aber auch die neusten Geschichten, die meistens mit Mianna zu tun hatten. Mein Vater saß dann meist schweigend dabei und hörte zu, aber manchmal erzählte er auch selbst Geschichten. Von der Zeit, als er Gavin war, aber auch davon, wie er sich in meine Mutter verliebt hatte und wie wir alle eine Familie gewesen waren. An manches davon erinnerte ich mich noch grob und an manches nicht so. Es war aber schön, mehr von meinem Vater zu erfahren.

Ab und zu sah auch Mianna nach mir. Dann saß sie meist still neben mir und drückte sanft meine Hand. Doch Lim wachte die ganze Zeit über nicht auf. Seine Verletzung sah man eigentlich gar nicht so richtig. Sie war eher innerlich. Man hatte mir erzählt, dass er von einem verfluchten

 

Schwert getroffen worden war. So eine Verletztzung frisst einen wohl innerlich auf. Ich konnte mir kaum vorstellen, dass mein Opa wirklich eine Chance hatte zu überleben.

"Was glaubst du, was mit Sena passiert ist?", fragte ich meinen Vater beunruhigt.

"Keine Ahnung.", antwortete er. "Ich denke sie ist unter den Toten, die nicht mehr zu erkennen waren. Wieso sollte sie abhauen? Das macht doch keinen Sinn."

"Dann glaubst du, dass meine Tante tot ist?"

"Ja.", antwortete mein Vater schlicht.

"Es gab so viele Tote bei dieser Schlacht.", überlegte ich. "Du bist doch bestimmt schrecklich traurig über Camerons Tot, oder?"

"Ja.", nickte er betrübt. "Vor allem ist es sehr schade, dass er nie erfahren konnte, dass ich noch lebe. Ich wollte es ihm nach der Schlacht erzählen. Früher waren Cam, Tiljan und ich unzertrennlich. Mit Tedren bin ich nie so klar gekommen. Aber ich bin überzeugt davon, dass es Cam jetzt besser geht da wo er jetzt ist. Jetzt ist er bei Nike und Lilien."

"Das hoffe ich auch. Er hätte es verdient."

"Er wollte nie eine große Beerdigung haben, zumindest früher nicht. Aber er bekommt auf jeden Fall einen Gedenkstein.", erzählte mein Vater mir.

 

Bei uns Elfen war es nicht üblich Grabsteine anzulegen. Man verzierte den Namen in den Baum, unter dem man begraben wurde. Die Zeremonie am See oder an anderen schönen Orten war nur der öffentliche Teil des Begräbnisses.  Doch besondere Feen oder Elfen, die für Feen eine besondere Bedeutung hatten, bekamen sogenannte Gedenksteine. Dort wurde dann noch das Geburtsjahr und das Sterbejahr eingemeißelt. Vermutlich wurde Cams Stein in Form eines Sternes gemacht.

"Ich habe Cameron nicht so gut gekannt, aber Mianna stand ihm sehr nahe.", sagte ich.

"Dieses Mädchen bedeutet dir sehr viel, was?", lächelte er.

"Und wie!", nickte ich.

Und dann sah ich gerade im richtigen Moment zu Lim, genau als er die Augen öffnete. Unsicher sah er sich um und flüsterte: "Wo ist Sena?"

"Ganz ruhig, Opa. Mach dir keine Sorgen." Aufregung war jetzt bestimmt nicht so gut für ihn.

Fragend sah er mich an: "Leinar?"

"Ja, ich bin hier und ich werde auch nicht wieder gehen.", bestätigte ich.

"Ich werde Linnie holen.", verkündete mein Vater, stnad auf und verließ uns vorerst.

 

Mianna

 

Nachdem die Anderen den Raum verlassen haten und nur noch meine Eltern, meine Großeltern, John und ich übrig waren, sprach ich endlich aus endlich aus, was mir schon länger auf dem Herzen lag. "Ich würde gerne Jonael und Luciana besuchen."

Doch bevor meine Mutter oder mein Vater etwas erwiedern konnten, fragte meine Oma: "Wann wolltet ihr uns von John erzählen?" Ihre Stimme klang rau und fast männlich.

"Wir haben es aus einem guten Grund geheim gehalten. Es ging nicht nur darum, dass John mein Sohn ist, sondern auch um seine Fähigkeiten.", antwortete er ihr.

"Habt ihr gehört, was ich gesagt habe?", fragte ich nach.

"Mianna, das geht nicht. Du kannst unmöglich allein gehen. Das ist viel zu gefährlich.", fand meine Mutter.

"Sie wohnen in Raubit und nicht mal weit weg. Bitte, ich hab sie so lange nicht mehr gesehen.", flehte ich.

"Ich find die Idee gar nicht so schlecht. Ich würde sie gerne begleiten.", erklärte John.

"Du bist fast genauso jung wie Mianna und dazu noch der zukünftige König." Linnie war immer noch dagegen. "Sie wohnen einfach zu abgelegen."

 

"Vielleicht könnte Renn oder Tiljan uns begleiten.", schlug ich ihr vor.

"Renn will bestimmt bei seinem Bruder bleiben. Tiljan wäre möglich.", überlegte mein Vater.

"Hälst du das wirklich für eine gute Idee?", fragte meine Mutter ihn entgeistert.

"Tiljan wird sie beschützen. Wenn er sie begleitet, sehe ich kein Problem darin. Und wer weiß, wann Mianna und John das nächste Mal die Gelegenheit dazu haben."

"Bitte Mum!" Ich sah sie flehend an.

"Also gut.", seufzte sie. "Es gefällt mir nicht, aber ich bin ja immer diejenige, die nachgibt."

"Danke, vielen Dank!", freute ich mich und umarmte meine Eltern ganz fest.

Theodora sah missbilligend drein, aber Alejandro lächelte mich an. Offenbar hatte Theodora die selbe Meinung zu unserem Ausflug wie meine Mutter und sie war wohl auch immer noch beleidigt wegen der Sache mit John. Ich wusste auch nicht, ob sie überhaupt wusste, wer Jonael und Luciana waren. Ich freute mich jedenfalls darüber, dass ich sie besuchen durfte.

Kapitel 22 Zu Besuch

Ich mag die Ruhe hier zwischen all den Bäumen,

als ob es den Frieden auf Erden wirklich gibt.

als ob es den Frieden auf Erden wirklich gibt.

 

Die Toten Hosen - Nur zu Besuch

 

Mianna

 

 

Tiljan erklärte sich bereit, uns zu begleiten. Bevor wir aufbrachen, wollte ich aber noch mal Leinar sehen. Ich wollte nicht gehen, ohne dass er wusste, wo ich war. Als ich in das Krankenzimmer kam, saß Lim aufrecht im Bett. Leinar war die Erleichterung deutlich anzusehen. Auch Corentin, Renn und Corly waren da.

"Leinar, kann ich dich mal kurz sprechen?", fragte ich meinen Freund.

Leinar sah zunächst skeptisch aus, aber Lim sagte nur: "Geh schon, ich hab genug Besuch und es tut dir bestimmt gut mal hier raus zu kommen."

Zögernd nickte er also und folgte mir. Ich brachte ihn

 

wirklich nach draußen, aber durch die Hintertür, wo keine Schlacht gewütet hatte.

"Deinem Großvater geht es besser?", stellte ich sanft fest. Wir gingen ein wenig über die Wiese.

"Ja, niemand kann es sich erklären, aber es geht ihm besser.", bestätigte er.

"Das freut mich, wirklich." Mitten auf der Wiese blieben wir stehen und sahen uns in die Augen. "Leinar, ich werde mit Tiljan und John Jonael und Luciana besuchen. Ich weiß nicht wie lange das dauern wird. Vielleicht bin ich ja heute Abend schon wieder zurück, aber ich möchte sie gerne sehen."

"Das kann ich verstehen. Ich würde gerne mitkommen, aber Lim..." Er brauchte den Satz gar nicht zu beenden. Ich wusste auch so, was er sagen wollte und beruhigte ihn: "Das ist schon in Ordnung. Das ist jetzt natürlich wichtiger."

"Sie ist nicht mal gekommen, Mianna. Ich mein meine Oma. Obwohl mein Opa schwer verletzt war, war ihr die Schule wichtiger."

"Sie haben bestimmt miteinander gesprochen. Lady Meisold hat eine gewisse Verantwortung gegenüber ihren Schülern und vermutlich wäre sie sowieso erst hier gewesen, als es Lim schon wieder besser ging." Ich wusste selbst

 

nicht, wieso ich sie verteidigte, vielleicht nur um Leinar aufzuheitern.

Leinar nickte gedankenverloren. "Was ist das jetzt eigentlich mit dir und John?"

"Er ist mein Halbbruder.", erklärte ich. "Lunar ist sein Vater und Luciana seine Mutter."

"Oh!" Das überraschte Leinar offenbar. "Aber du bist doch bei Luciana aufgewachsen."

"Ich weiß, es ist kompliziert. Offenbar hatte mein Vater was mit ihr, kurz bevor er meine Mutter kennen lernte. Aber Mum mag John."

"Und du auch.", stellte er fest.

"Ja, ich auch.", bestätigte ich.

Leinar merkte wie ich, dass jetzt wohl der Zeitpunkt des Abschieds gekommen war. Er küsste mich leidenschaftlich und umarmte mich ganz fest. "Pass auf dich auf und sag den beiden, dass sie was erleben können, wenn dir was passiert."

Ich lächelte: "Mach ich, aber ich glaube, dass wird nicht nötig sein."

"Wenn wir zurück im Schloss sind, müssen wir unbedingt wieder mehr Zeit miteinander verbringen. Ich hab dich hier viel zu selten zu Gesicht bekommen", fand Leinar und sah mich liebevoll an.

"Auf jeden Fall.", gab ich ihm Recht. Wir küssten uns ein letztes Mal und dann ging Leinar wieder ins Schloss, während ich Tiljan und John suchte.

 

Wir hatten fast ausserhalb der Stadt gelebt. Jonael und Luciana hatten die Ruhe geliebt und ich irgendwie auch. Als ich jetzt unser Haus wieder sah, in dem ich aufgewachsen bin, konnte ich nichts anderes tun als zu lächeln. Hier hatte ich den überwiegenden Teil meines Lebens verbracht. All das, was ich die letzten Wochen erlebt hatte, fiel von mir ab. Hier konnte ich die Sorgen und Gedanken loslassen, die mich quälten, und nur der Liebe Platz machen.

"Endlich zu Hause!", murmelte ich.

"Sieht ziemlich schlicht aus.", kommentierte Tiljan, der eher auf ausgefallenes stand.

"So sind Jonael und Luciana auch.", erklärte ich. "Ziemlich schlicht mögen sie es sogar am liebsten."

"Lass uns reingehen." John zog mich zum Haus. Ich folgte ihm lächelnd. Der Türklopfer war reich verziert mit Symbolen. Eine Klingel war den beiden einfach zu laut gewesen. Ich hatte den Türklopfer noch nie betätigt. Schließlich war ich hier früher immer ein und aus gegangen. Auch heute betätigte ich ihn nicht sondern John.

 

Es dauerte einige Zeit, bis sich hinter der Tür etwas tat. Jonael und Luciana hatten nie viel Besuch bekommen und waren immer zusammen gezuckt, wenn sie den Klopfer hörten.

Luciana öffnete uns die Tür. Sie sah wunderschön aus mit ihren blonden, schulterlangen Haaren, dem sanften Gesicht und den grünen Augen. Selbst die schlichte Kleidung ließ sie nur noch schöner wirken. Sie blinzelte ein paar Mal und sah abwechselnd und ungläubig zwischen John und mir hin und her.

"John? Mianna?", fragte sie dann.

"Hi Mum!", grinste ich und umarmte sie fest.

John grüßte sie nur und sagte: "Hallo Mutter, es ist lange her."

"Was macht ihr denn hier?", fragte sie verwundert. "Solltet ihr nicht in der Schule sein?"

"Ach, wir waren zufällig gerade in der Gegend und da dachten wir, kommen wir euch doch mal besuchen." Ich versuchte möglichst unbeschwert zu klingen. Ich wollte ihr nicht von der Schlacht erzählen, die wir hinter uns hatten, aber vielleicht wusste sie davon sowieso schon.

"Aber du dürftest doch die Schule eigentlich gar nicht verlassen.", beharrte Luciana immer noch skeptisch. "Gibts

 

da nicht so Auflagen für?"

"Bei uns war es eine Ausnahme. Wir hatten was in Raubit zu erledigen. Außerdem haben wir einen unserer Lehrer dabei. Darf ich dir Tiljan vorstellen, Mum?"

"Ich kenne Tiljan, hallo.", antwortete sie.

"Hallo Luciana.", grüßte nun auch Tiljan sie, aber er klang etwas distanziert.

"Oh, wie unhöflich von mir.", sagte Luciana dann zerstreut. "Kommt doch bitte rein. Eigentlich reden wir im Haus nicht viel, aber ich denke heute können wir eine Ausnahme machen."

Sie führte uns ins Wohnzimmer und wir setzten uns alle auf die Couch. Luciana bot uns was zu trinken an und nachdem sie uns die Getränke gereicht hatte, setzte sie sich in den einzigen Sessel uns gegenüber.

"Ist Dad nicht hier?", fragte ich sie. An ihm hing ich immer etwas mehr als an Mum.

"Nein, er arbeitet noch und kommt zum Abendessen wieder heim.", erklärte sie.

Vielleicht sollten wir dann doch über Nacht bleiben. Sonst hatte ich nur so wenig Zeit mit ihm.

"Bist du nicht sauer auf uns, Mianna? Wir haben dich so lange belogen.", fragte Luciana mich dann besorgt.

 

"Nein, ich verstehe, wieso ihr mir das verschwiegen habt und ich weiß, dass ihr es nicht getan hättet, wenn ihr die Wahl gehabt hättet. Ich hab Lunar und Linnie jetzt kennen gelernt. Ich mag sie, aber es mird noch dauern, bis ich mich wirklich an sie gewöhnt hab." Ich lächelte Luciana liebevoll an.

"Das freut mich zu hören und deinen Vater wird es auch freuen.", versicherte sie mir und klang glücklich, doch dann zuckte sie zusammen, als sie merkte, was sie gesagt hatte.

"Ist schon ok.", beruhigte ich sie. "Für mich seid ihr immer noch meine Eltern."

Sie lächelte dankbar und erleichtert. Dann wandte sie sich John zu: "Wenn ich es gedurft hätte, hätte ich dich so viel besucht wie möglich. Aber Lunar hielt das für keine so gute Idee. Ich wünschte, ich hätte mich mehr durchgesetzt, aber ich war zu bequem. Ich habe dich jeden Tag vermisst und ich habe mir immer vorgestellt, wie du jetzt wohl aussiehst. Aber du übertriffst meine Vorstellungen bei Weitem. Du bist so schön! Lunar hat mir ab und zu von dir geschrieben. Ich habe jedes Wort in mich aufgezogen."

Lucianas Worte entlockten meinem Bruder ein kleines Lächeln und ließen ihn nervös wirken. Ich glaube nicht, dass ihn jemals Jemand schön genannt hatte. Aber das war er wirklich. Er war schön!

"Ist schon in Ordnung, Mum. Ich verstehe das. Ich hab mich wohlgefühlt, so wie ich aufgewachsen bin. Du brauchst dir keine Gedanken zu machen."

"Das beruhigt mich, John." Etwas unsicher wirkte sie aber immer noch. "Ich würde gerne wissen, wie es euch ergangen ist. Euch beiden!" Doch besonders sah sie mich dabei an.

Also erzählte ich ihr von der Schule, von meinen Freunden und von Leinar. Die gefährlichen Themen ließ ich aber aus. Ich wollte sie nicht beunruhigen. Trotzdem hatte ich genug zu erzählen und es war spät am Nachmittag, als ich fertig war. Luciana warf immer wieder Fragen ein oder kommentierte was. Ein wenig erzählte ich ihr auch von meiner Feuermagie.

"Ich wusste schon immer, dass du was Besonderes bist.", erklärte Luciana mir stolz. Dann wandte sie sich an uns alle: "Ihr habt bestimmt Hunger. Ich kann uns was zu Essen machen."

"Bitte, mach dir keine Umstände, Luciana.", bat Tiljan sie. "Das muss nicht sein."

"Dann bleibt wenigstens zum Abendessen. Ich müsste mit den Vorbereitungen sowieso gleich anfangen. Wir essen immer recht früh."

Das Angebot konnte selbst Tiljan nicht ablehnen.

 

Während Luciana in der Küche stand und kochte, unterhielt sie sich mit John. Auch von ihm wollte sie natürlich wissen, wie es ihm ergangen war. Tiljan ging nach draußen, um frische Luft zu schnappen und ich wollte in mein Zimmer. Ich hatte gar nicht bemerkt, wie sehr ich es vermisst hatte. Mein Zimmer war immer noch genau so, wie ich es verlassen hatte. Mich würde es auch nicht wundern, wenn keiner der beiden es je wieder betreten hatte. Eine feine Staubschicht überzog die Möbel und meine Blumen waren verwelkt. Die verwelkten Blumen brachen mir das Herz, aber ich konnte Jonael und Luciana verstehen. Sie wollten nicht daran erinnert werden, dass sie mich verloren hatten, denn so sahen sie das bestimmt. Ich hatte ihnen ja auch nur ein Mal geschrieben. Unglaublich, dass ich jetzt schon zwei Monate in der Schule war. Es kam mir vor, wie höchstens drei Wochen.

Auf meinem Schreibtisch stand noch ein Bild von Jonael, Luciana und mir. Es war auf der Wiese hinter dem Haus aufgenommen worden. Luciana und ich trugen gelbe Kleider und Jonael einen grünen Anzug. Es muss ein Feiertag gewesen sein, denn nur an Feiertagen trugen die beiden keine schlichte Kleidung. Der Tag war sonnig gewesen und im Hintergrund auf der Wiese standen viele bunte Blumen. Ich

 

glaub es war im Mai vor zwei Jahren. Vermutlich war es der Feiertag, den die Menschen Christi Himmelfahrt nannten. Wir widmeten ihn der heiligen Noreta. Ich wusste gar nicht mehr, wofür sie heilig gesprochen war. Das Foto war jedenfalls eins meiner Lieblingsfotos. Wieso hatte ich es eigentlich nicht mitgenommen? Manchmal bedauerte ich es, dass sich die Bilder bei uns nicht bewegten, wie in Harry Potter.

Ich erinnerte mich, wie mein Vater und ich uns heimlich ins Wohnzimmer gekrochen hatten und er mir vorgelesen hatten. Aus Harry Potter, Peter Pan, Regenbogenwald, Die magischen Zwerge und anderen Geschichten. Normalerweise wurde auch im Wonzimmer selten geredet und wenn, dann nur leise, aber da hatten wir gelacht und uns vorgestellt, wir seien Teil einer Geschichte.

Wie aufs Stichwort ging plötzlich die Tür auf und mein Vater kam ins Zimmer. Er hatte sich nicht verändert und so stand ich auf und umarmte ihn ganz stürmisch.

"Es ist also wahr? Meine Prinzessin ist wieder da?", strahlte er.

Meine Prinzessin! So hatte er mich früher öfter genannt.

"Ich bin nur zu Besuch hier.", erklärte ich.

Sein Gesicht verdüsterte sich kurz, aber dann fragte er:

 

"Wie lange kannst du bleiben?"

"Ich muss mal mit Tiljan sprechen. Vielleicht kann ich ihn überreden, dass wir über Nacht bleiben. So lange können wir nämlich nicht bleiben. Wir müssen bald wieder zurück zur Schule."

"Wieso seit ihr eigentlich nach Raubit gekommen? Das ist doch unüblich, oder?", fragte Jonael nun.

"Ja schon, aber es hat beim Schloss eine Schlacht gegeben und John und ich haben mitgekämpft." Bei ihm hatte ich keine Bedenken darüber zu reden.

"Du hast gekämpft?", fragte Jonael mich entsetzt. "Das gefällt mir nicht."

"Es ist wegen meiner Magie.", erklärte ich. "Sie ist selten und sehr nützlich."

"Trotzdem gefällt es mir nicht." Jonael musterte mich besorgt.

"Ich hab Mum nichts erzählt. Also behalt es für dich.", sagte ich nur.

Er nickte nur und fragte dann: "Ich hab gehört, du hast einen Freund?"

"Das hat sie dir also schon erzählt? Ja, hab ich. Sein Name ist Leinar und er ist ein ganz Lieber."

"Er scheint dich glücklich zu machen.", stellte Jonael fest.

 

"Das genügt mir."

"Ja das tut er.", nickte ich.

"Bist du hier fertig?", fragte Jonael dann. "Dann sollten wir runter gehen. Es gibt bald Essen."

"Ja, vorerst bin ich hier fertig." ich sah noch mal traurig zu meinen Blumen, bevor ich die Tür hinter mir schloss.

 

Luciana hatte Spaghetti mit Gemüsesoße gemacht. Mein Leibgericht. Oder besser gesagt es war mein Leibgericht bevor ich im Schloss zum ersten Mal Ente süß-sauer gegessen hatte. Allerdings liebte ich diese Speise auch immer noch. Natürlich hatte es hier im Haus immer nur einfache Speisen gegeben. Jonael und Luciana hatte das gereicht. Mir damals auch, weil ich ja nichts anderes gekannt hatte. Zu trinken gab es Wasser oder kalten Tee. Wie anders doch jetzt mein Leben in der Schule war.

"Was unterrichtest du eigentlich in der Schule, Tiljan?", fragte Jonael ihn, nachdem wir länger geschwiegen hatten.

"Ich habe Camerons Fächer übernommen, nachdem er beim Lebenssee geblieben ist. Geschichte, Feenkunde, Runen und so was, aber ich gebe Mianna auch Königsunterrich und demnächst dann wohl auch John.", erzählte dieser daraufhin.

 

Luciana schlug vor Überraschung die Hand auf den Mund. Sie brauchte einige Zeit, bis sie ihre Sprache wiederfand und selbst dann brachte sie nur stockend heraus: "Aber Mianna...!"

"Ist schon gut, Mum. Ich bin einverstanden damit. John wird ein großartiger König."

Jonael sah uns nur unergründlich an. Ich hätte nicht sagen können, was er dachte.

Nachdem wir abgeräumt hatten, setzten wir uns noch eine Weile auf die Terrasse. Es war ein schöner, herbstlicher Abend. Ich genoss es bei meinen Eltern zu sein. Hier war es so friedlich.

Tiljan gestattete uns wirklich eine Übernachtung. Deswegen blieben wir lange auf. Kurz vorm Schlafengehen zeigte ich John noch mein Zimmer. Ich hatte irgendwie das Bedürfnis dazu, auch wenn es nicht mehr ganz so strahlend aussah wie früher.

"Es wäre dein Zimmer geworden, wenn du hier gelebt hättest.", bemerkte ich, während ich ihn dabei beobachtete, wie er sich umsah.

"Möglich, aber ich glaube nicht, dass dieses Leben etwas für mich gewesen wäre. Ich wollte unten nur nichts sagen, um Luciana nicht zu verletzen." Jetzt sah er mich an. Ich

 

stand noch immer im Türrahmen.

"Es hatte seine Vor- und Nachteile.", entgegnete ich. "Zumindest wurde hier nie rum geschrien."

"Ich glaube du hast ihnen auch keinen Grund dazu gegeben." Er lächelte mich verschmitzt an. "Dieses Zimmer ist ein krasser Gegensatz zum Rest des Hauses."

Da hatte er Recht. Es war bund in allen Farben des Regenbogens.

"Du hast Linnie immer mehr als deine Mutter berachtet, als Luciana, oder?", wollte ich von ihm wissen.

"Ich glaube schon. Bin ich deswegen ein schlechter Mensch?", gab er ehrlich zu.

"Nein.", beruhigte ich ihn. "Schließlich kanntest du sie ja auch kaum."

"Eigentlich sogar gar nicht.", korrigierte er mich. Er sah aus, als sei er weit weg. Vielleicht in einer Kindheitserinnerung. "Ich sollte jetzt gehen. Du willst bestimmt schlafen."

John stand auf und umarmte mich. "Gute Nacht, Schwesterchen."

"Gute Nacht, John!" Und dann war er verschwunden und ich blieb in meinem Zimmer allein zurück. Ich vermisste Leinar so sehr. Dabei war ich nur heute von ihm getrennt gewesen. Aber bald sahen wir uns wieder und ich breute nicht,

 

dass wir meine Eltern besucht hatten. Jetzt wusste ich wenigstens, dass es ihnen gut ging.

Kapitel 23 Rückkehr

Ich sah schon Regenbögen in all ihrer Pracht

das große weite All in einer sternenklaren Nacht

Ich sah schon Sonnenuntergänge bei denen du weinst

Aber nie ein Gesicht so schön wie deins

 

Cappuccino - Regenbögen

 

Leinar

 

Mianna kam am nächsten Mittag zurück. Sie sah glücklich aus, umarmte mich aber, sobald sie mich sah. Ich lief ihr entgegen und erwiederte ihre Umarmung fest. Eine Wiele ließen wir einander nicht los. Als wir uns dann doch voneinander lösten, fragte ich sie: "Wie lief es denn bei dir zu Hause?"

"Gut, es war wirklich schön sie mal wieder zu sehen.", strahlte Mianna. "Aber ich habe dich vermisst."

"Na, das hoffe ich doch." Ich lächelte verschmitzt.

"Hast du mich denn auch vermisst?", fragte sie mich hoffnungsvoll.

"Ein bisschen vielleicht.", ließ ich sie zappeln.

 

"Nur ein bisschen?", fragte sie und klang fast gekränkt.

Ich lächelte: "Vielleicht auch ein bisschen mehr."

"Leinar!", wies sie mich lachend zurecht und ich schnappte sie mir und küsste sie stürmisch.

"Du bist unmöglich!", stellte sie dann weiterhin lachend fest.

"Aber du liebst mich trotzdem."

"Ja, das ist wohl wahr.", seufzte ich. "Und wie!"

Ich grinste glücklich.

 

Wir blieben nicht mehr lange im Schloss. Schon am nächsten Morgen verabschiedeten wir uns von Miannas Eltern und fuhren mit dem Bus zurück in die Menschenwelt. Ich war froh wieder Mianna in meiner Nähe zu haben.

Bei Miannas Eltern im Schloss hatte es einen Kleidershop gegeben und da unsere Kleider so verdreckt und teilweise auch blutig gewesen waren, hatten wir uns Neue gekauft. Ich trug jetzt ein schickes, weißes Hemd, eine Jeans und wie immer keine Schuhe. Mianna hatte sich graue Jeans ausgesucht und einen roten Pullover.

Jedenfalls saßen wir jetzt im Bus mit frischen Kleidern und geduscht. Ich war glücklich. Wir hatten die Schlacht überstanden. Mianna ging es gut und Lim hatte auch alles

 

gut überstanden. Das Einzige, was uns traurig machte war die Sache mit Sena. Ich hatte sie zwar kaum gekannt, aber irgendwie schon gemocht. Das sie jetzt vermutlich tot war, war echt übel. Aber sonst hätte es nicht besser sein können.

Auf der Fahrt schliefen wir. Wir hatten wohl etwas Schlaf nachzuholen. Mianna lehnte wieder ihren Kopf an meine Schulter und ich genoss ihre Nähe.

"Ich war richtig glücklich, als ich das Schloss mit den vielen Regenbögen wieder sah. Wir hielten vor dem Schloss und Mianna und ich stiegen aus und jubelten fast. Auch John war wieder mitgekommen. Der zukünftige König musste ja schließlich auch weiter lernen. Ich war jetzt nicht mehr so misstrauisch wegen John wie am Anfang. Jetzt wusste ich ja schließlich, dass er Miannas Bruder war.

Vor dem Schloss wartete meine Oma schon auf uns. Als sie Lim sah, lief sie auf ihn zu und umarmte ihn ganz fest. "Oh Lim! ich wollte kommen, ernsthaft!"

"Das weiß ich doch. Ich versteh das schon, Carlina." Er erwiederte ihre Umarmung.

Dann wandte sich meine Oma an mich: "Leinar, ich bin so froh, dass es dir gut geht."

"Ja, danke. Ich auch.", sagte ich nur kurz, da ich nicht

 

wusste, was ich sonst sagen sollte.

 

Am Abend trafen wir uns mit unseren Freunden im Aufenthaltsraum im zweiten Stock. Neben dem großen Gemeinschaftsraum unten gab es nämlich auf jeder Etage einen solchen Raum. Sophann umarmte Mianna gleich übermütig. Auch die Anderen freuten sich uns zu sehen. Wir mussten ihnen haarklein erzählen, was in Raubit passiert war. Das dauerte ewig.

"Mann oh Mann!", staunte Zac. "Wieso erlebt ihr das eigentlich immer alles und wir sitzen hier fest?"

"Es hört sich spannender an, als es ist, Kumpel.", tröstete ich ihn. "Eigentlich war es sogar ziemlich grausam."

"Das sagst du jetzt nur so." warf Zac mir vor.

"Nein, er hat Recht. So toll war es gar nicht.", pflichtete Mianna mir bei. "Es hört sich einfach nur toller an."

"Also, ich fand das mit den Tieren ja total interessant. Die hätte ich gerne gesehen. Besonders die Einhörner.", bemerkte Emma und zwinkerte mir zu. Sie wusste ja, dass Einhörner meine Lieblingstiere waren.

"Die Einhörner waren toll.", bestätigte ich. "Sie sind so schön und so rein."

"Faszinierend.", fand Sophann.

 

"Ich interessiere mich ja eher für Tedrens Magier. Sind die wirklich so mächtig, wie man hört?", erkundigte sich Emma.

"Nur manche.", erklärte ich. "Die Meisten von Tedrens Armee sind eher normale Kämpfer."

"Aber gute Kämpfer.", ergänzte Mianna.

Während ich mich weiter mit unseren Freunden unterhielt (Ich hatte die letzten Fußballspiele verpasst und musste jetzt mit Zac und Robin die Ergebnisse diskutieren), zog Mianna sich mit Sophann in eine Ecke zurück, damit sie ungestört reden konnten.

 

Mianna

 

Sophann und ich setzten uns auf die Fensterbank. Wir setzten uns im Schneidersitz gegenüber.

"Also, was wolltest du mir erzählen?", fragte sie mich.

"Ach, eigentlich gar nicht so was Besonderes. Ich hab nur meine dritte Fähigkeit entdeckt.", erzählte sie mir und klang sehr stolz.

"Jetzt erst?", wunderte ich mich. Ich hatte all meine Fähigkeiten ziemlich früh erkannt, aber nicht immer gewusst, was sie genau bedeuteten.

"Ja, ich weiß. Es ist ziemlich ungewöhnlich, aber es ist

 

eine besondere Fähigkeit."

"Solltest du mir dann nicht lieber nicht davon erzählen, sondern Zac?", fragte ich sie.

"Ja schon, aber ich glaube, es ist ein Gegensatz zu deiner Fähigkeit."

"Wie meinst du das?" Sie verwirrte mich nur noch mehr.

"Es handelt sich um Wassermagie?", erklärte sie nun lächelnd.

"Wassermagie?"

"Ja, Wassermagie. Es ist so ähnlich, wie mit deiner Feuermagie."

"Du könntest auch eine Wassermagie erschaffen?" Langsam begann ich zu verstehen, was sie mir da erzählte.

"Möglich, wenn ich genug übe.", bestätigte sie.

"Das müssen wir Renn erzählen. Das könnte uns helfen bei der nächsten Schlacht, die sicher noch kommen wird.", bemerkte ich aufgeregt.

"Wieso Renn?", fragte Sophann. Jetzt klang sie verwirrt.

"Das muss er dir schon selbst erzählen.", antwortete ich unbestimmt.

Sie zuckte nur mit den Achseln: "Wenn du meinst. Dann werden wir eben morgen zu ihm gehen. Aber wie gehts euch denn? Ich freu mich so, dass ihr alles überstanden habt."

 

"Uns gehts gut. Wir haben ja mehr oder weniger nur das Finale der Schlacht mitgekriegt."

"Aber ist nicht gearde das Finale besonders gefährlich?", wollte Sophann besorgt wissen.

"Hm, meist schon, aber Finale gehen doch meistens auch gut aus, oder?", fragte ich sie.

"Ja, vermutlich. Wie auch immer..."

Wir unterhielten uns noch ein wenig und dann gesellten wir uns wieder zu den Anderen. Wir verbrachten einen schönen Abend unter Freunden.

 

Leinar

 

 Es war so schön mit Mianna wieder in unserer Suite zu sein. Endlich waren wir wieder ganz allein. Ich musste an den Abend denken, als wir so glücklich gewesen waren. Ich schmunzelte ein wenig. Es schien Ewigkeiten her zu sein, dabei waren es nur ein paar Tage.

"Was ist? Was schmunzelst du so?", fragte Mianna mich belustigt.

"Ich muss nur an die Nacht denken, bevor wir zu deinen Eltern gereist sind.", gestand ich ihr.

 Mianna wurde rot, was ich richtig süss fand. "Ach, die

 

Nacht meinst du.",

"Ja, diese Nacht.", grinste ich.

"Ja, dei war schön.", antwortete sie zerstreut.

"Ich hätte da Ideen für eine Wiederholung.", bot ich ihr großzügig an.

"Ach wirklich?" Sie sah mich verlegen an.

"Ein paar.", ergänzte ich unbestimmt.

Und ohne ein weiteres Wort zog ich sie an mich und küsste sie stürmisch. Ich grinste ich mich hienin. Wie schön sie doch war. So konnten wir den Abend auf jeden Fall ausklingen lassen. Von mir aus auch jeden Tag.

Kapitel 24 Liebevoll

Liebe ist...

wenn du morgens aufwachst,

und die Sonne scheint, obwohl es regnet!

 

SMS-Spruch

 

Mion

 

Ich fand es schön mit Leinar so viel zu reden. Natürlich war der Anlass, wie es dazu gekommen war, sehr traurig, aber Lim ging es ja jetzt wieder gut es hat Leinar und mich wieder mehr zusammen gebracht. Ich hatte ihm so viel wie möglich erzählt aus meiner Zeit als Gavin. Wie viel Spass Tiljan, Cameron und ich zusammen hatten und wie schlecht ich schon immer mit Tedren klar kam. Ich hatte ihm auch von unserem Familienleben erzählt. Aus der Zeit, wo Leinar und Evaniel noch klein gewesen waren. Wir hatten so viel geredet wie seit Jahren nicht mehr.

Ich wollte jetzt unbedingt zu Keena, meiner Frau. Sie hatte sich bestimmt die ganze Zeit Sorgen um uns gemacht. Sie war nur nicht dabei gewesen, weil ich sie darum gebeten

 

hatte, es bleiben zu lassen. Es war schon schlimm genug gewesen, dass Leinar in solcher Gefahr geschwebt hatte. Aber ihn hätte ich niemals überzeugen können nicht zu gehen. Das war mir sofort klar gewesen.

Ich fand Keena in ihrer Suite. Sie sah so schön aus wie eh und je. Blonde, kurze Haare, groß und schlank und anmutig. Sie trug ein grünes Etuiekleid. Als sie mich entdeckte, war ihr die Erleichterung anzusehen.

"Gott sei dank. Gehts Leinar auch gut?", fragte sie und klang erschöpft.

"Natürlich, mach dir keine Sorgen. Er ist bei Mianna und seinen Freunden.", beruhigte ich sie.

"Und er hält es nicht mal für nötig bei seiner Mutter vorbei zu kommen?", beschwerte sich meine Frau empört.

"Er wird noch kommen. Du wirst sehen.", versicherte ich ihr. "Ich meine du musst bedenken, dass er jahrelang praktisch fast gar keine Familie hatte. Du warst weg und ich war nicht für ihn da. Er ist es nicht mehr gewohnt, dass wir uns Sorgen um ihn machen. Doch Mianna hat sich von Anfang an Sorgen um ihn gemacht."

"Das Mädchen tut ihm gut, oder?", fragte Keena mich.

"Auf jeden Fall. Sie ist wirklich total nett und sie tut ihm gut.", nickte ich lächelnd.

 

"Ok." Keena lächelte mich an und wirkte zufrieden. "Ich habe dich vermisst. Auch die ganze Zeit, wo ich hier war habe ich dich vermisst."

Ich hab dich auch vermisst.", gab ich liebevoll zurück und dann nahmen wir uns in die Arme. Wie gut sie duftete. Ich hatte das so vermisst, dieses Familienleben.

Als Keena fort war, hatte ich mich so unvollständig gefühlt, so leer. Ich hatte Leinar so vernachlässigt und war nicht mehr in der Lage dazu gewesen mit ihm umzugehen. Ich hatte auch viel an Lavinia gedacht in der Zeit. Erst als meine Mutter dann kam und mich mit ins Schloss nahm, ging es mir besser und vielleicht konnte ich ja jetzt meine Familie zurück haben. Das hatte ich mir so sehr gewünscht. Keena, Leinar und ich als Familie. Und nebenbei wollte ich auch Joseph und Venja nicht vernachlässigen, denn sie waren ein Teil von mir. Gleich Morgen würde ich anfangen mir in der Menschenwelt eine Wohnung zu suchen. Ich wollte hier bleiben, für immmer, oder zumindest solange meine Familie hier blieb.

 

Linnie

 

Endlich war der Kampf vorbei. So viele Tage hatte er ja

 

gar nicht gedauert, aber mir kam es vor wie Ewigkeiten. Die Meisten waren wieder abgereist. Nur Theodora, Mathilda, Alejandro und Steffen sind vorerst geblieben. Theodora war anstrengend wie immer, aber dennoch kam ich jetzt etwas besser mit ihr klar.

Ich war jetzt mit Lunar allein in unserer Suite. Wir saßen auf dem aneinandergekuschelt gemütlich auf dem Sofa und genossen den besten Wein, den es im Land gab.

"Wie gehts jetzt weiter?", fragte ich ihn etwas ratlos.

"Ich weiß nicht." Er wirkte besorgt. "Tedren wird nicht aufgeben. Wir müssen ihn besiegen, wenn wir siegen wollen."

"Es wird also noch einen Kampf geben, oder?", fragte ich Lunar.

"Ich denke schon. Ich weiß nur nicht wie und wann. Das müssen wir abwarten. Wir müssen vorbereitet sein und zwar gut. Bisher hatten wir Glück, aber das heißt nicht, dass das auch beim nächsten Mal so sein wird."

"Ja, da hast du wohl Recht. Mir gefällt es nur nicht, dass Mianna in allem so verstrickt ist."

"Sie schafft das. Sie ist stark und sie hat Leinar an ihrer Seite. Sie hat viel von dir, Linnie. Sie ist so schön.", versuchte Lunar mich aufzuheitern.

"Ja, ich mach mir vermutlich einfach zu viele Gedanken.",

 

gab ich zu und lächelte Lunar entschuldigend an.

"Ach Liebling!", seufzte er. "Was war das doch alles einfach, als wir uns damals noch versteckt haben. Ich wünschte, wir wären noch dort, aber diesmal mit John und Mianna."

"Mianna hat jetzt ihr eigenes Leben.", erinnerte ich Lunar. "Und John vermutlich auch. Die Kinder sind groß geworden."

"Ja, da hast du wohl Recht. Und wir müssen jetzt wieder König und Königin sein. Wir haben wieder die Verwantwortung für dieses Land."

"Gemeinsam schaffen wir das, Lunar. Daran glaube ich ganz fest. Solange du an meiner Seite bist, wird alles gut."

Lunar grinste. "Wenn du daran glaubst, muss ich das wohl auch tun.

"Wir schaffen das.", wiederholte ich wie bei einem Mantra. "Irgendwie."

Lunar zog mich fest an sich und gab mir einen zarten Kuss auf die Wange. Wir waren zwar das Königspaar, aber wir waren eben auch nur Feen. Nur mit dem Unterschied, dass wir etwas mehr Macht hatten als Andere. Aber wir würden Tedren vernichten, denn Lunar hatte Recht. Nur so konnten wir siegen und nur so konnten wir ein friedliches Leben führen. Wir mussten es einfach schaffen.

 

Renn

 

Ich saß mit Isanna am See. Es war ein warmeer Herbstabend und ich hatte nur ein T-Shirt an. Die Sonne ging gerade im Westen unter.

"Willst du im Schloss bleiben, Renn?", erkundigte sich Isanna bei mir.

"Ja klar will ich bleiben. Ich bin hier Lehrer, Isa. Wieso fragst du?", wollte ich verwirrt wissen.

"Ich weiß auch nicht. Seit du in der Schule bist, sehen wir uns kaum noch." Sie beschwerte sich nicht wirklich. Sie war nur traurig darüber.

"Ich weiß.", seufzte ich. "Aber ich gebe die Schule nur ungern auf."

"Musst du ja auch nicht. Wie wäre es denn, wenn ich in die Schule kommen würde?", schlug Isanna mir als Alternative vor.

"Und was willst du machen?" Ich konnte mir meine Frau nur schwer als Lehrerin vorstellen. Sie hatte sich einfach nie fürs Unterrichten interessiert.

"Vielleicht helfe ich Lea in der Bibliotthek oder ich helfe Morley beim Sportunterricht.", überlegte sie.

"Hm, das wären Möglichkeiten.", stimmte ich ihr zu.

 

"Oder willst du das nicht?", fragte sie mich und sah mich entsetzt an.

"Doch natürlich will ich das, Isanna. Ich liebe die Arbeit in der Schule, aber vor allem liebe ich dich. Das Einzige, was mir hier immer gefehlt hat bist du."

"Oh Renn!" Ihr standen Tränen in den Augen. "Ich liebe dich so sehr. Ich werde Lea fragen, ob sie Arbeit für mich hat."

"Und selbst wenn nicht, möchte ich, dass du mit mir in meiner Suite wohnst. Du könnstest dir einen Job in der Menschenwelt suchen oder was immer du auch willst. Aber bitte bleib bei mir.", bat ich sie.

"Oh Renn.", wiederholte sie. "Natürlich bleibe ich bei dir. Glaubst du wirklich, ich könnte dich noch mal so lange allein lassen?" Sie sah mich aus ihren schönen blauen Augen so unglaublich liebevoll an.

"Ich freu mich, dass du bleibst. In unserem Leben wurden schon so viele Liebesgeschichten zerstört. Ismalyns und Cassandras durch Cassandras Tot, Camerons und Nikes als Nike starb und jetzt auch noch Corentins und Liliens nach Liliens Tot. Unsere soll aber ewig halten."

Isanna schenkte mir für meine Worte ein Lächeln. Doch dann wirkte sie traurig. "Glaubst du, dass sie jetzt da oben

 

sind und auf uns hinabblicken?" Sie zeigte auf den Sternenhimmel.

 Ich zuckte mit den Achseln. "Keine Ahnung, aber was ich weiß ist, dass nicht noch eine Liebesbeziehung kaputt gehen darf. Wir müsssen einfach dafür Sorgen, dass Leinar und Mianna zusammen bleiben."

"Das werden sie, Liebling, das werden sie. Die beiden sind wie füreinander geschaffen."

"Ja, das sind sie und deswegen müssen sie auch zusammen bleiben. Keinar der beiden darf sterben. Sie sind für uns zu wichtig. Sie könnten den Kampf für uns entscheiden. Zusammen sind sie sehr mächtig."

"Und dann sind da ja auch noch John und du an ihrer Seite.", erinnerte Isanna mich.

"Stimmt, wir müssen unbedingt weiter die Feuermagie trainieren. Wir müssen diese Feuerarmee erschaffen können.", überlegte ich weiter.

"Das wird schon, Renn." Isanna versuchte mir Mut zu machen, wofür ich ihr sehr dankbar war.

"Ja schon, aber wir brauchen Zeit. Noch sind wir lange nicht so weit."

"Renn, wir werden gewinnen. Du wirst sehen.", redete sie mir weiter gut zu und umarmte mich fest. Dann flüsterte sie

 

noch: "Ich verspreche es."

"Und ich hoffe es sehr." Doch ob ich wirklich daran glaubte, wusste ich nicht. Tedren war stark. Das hatte er in der letzten Schlacht bewiesen und er hatte viele Männer an seiner Seite. Ich fragte mich, woher er die alle nahm. Aber letzendlich musste ich einfach daran glauben. Ich wollte doch einfach nur Lehrer sein, ich wollte Großvater sein und ein liebevoller Ehemann. Ich wollte glücklich sein und dafür würde ich kämpfen.

Kapitel 25 Sorgen

Achtung, fertig, los und lauf

Vor uns bricht der Himmel auf

Wir schaffen es zusammenÜbers Ende dieser Welt

Die hinter uns zerfälltWir schauen noch mal zurück

Es ist der letzte Blick

Auf alles, was für immer war

 

Tokio Hotel - Übers Ende der Welt

 

 

 Tiljan

 

Tja, das mit Luciana und mir ist einfach schwierig. Natürlich gibt es eine Geschichte dazu, aber sie ist lange her. Viele glauben Lunar und Lucina hätten nur eine heimliche Affäre gehabt, aber so war das nicht. Sie waren lange heimlich zusammen gewesen. Aber Luciana sollte sich immer bedeckt halten und Lunar sollte König werden. Das passte einfach nicht zusammen. Die Pläne, die andere Feen für die beiden hatten, hatten sie also voneinander getrennt.

Dann hatte Lunar Linnie kennen gelernt und Luciana

 

Jonael. Ich war mir sicher, dass Luciana mittlerweile über Lunar hinweg war. Sie liebte Jonael wirklich sehr, aber war das auch so bei Lunar? Ich glaubte ihm schon, dass er Linnie liebte, aber ich glaube er war nie wirklich über Luciana hinweg gekommen.

Ich mochte Linnie durchaus. Sie passte gut zu Lunar und sie gab ihm Kraft. Aber ich war auch dabei gewesen als Lunar mit Luciana zusammen war. Damals hatte er eine Weile bei mir gelebt. So eine Liebe wie die beide sie hatten vergisst man nicht. Sie war so wundervoll und ehrlich. So was gab es nur ein Mal im Leben. Ein bisschen erinnerten mich Leinar und Mianna an die beiden.

Zudem kam noch, dass ich für John der Vormund in der Schule war und immer noch bin. Vielleicht war ich für ihn so was wie ein Onkel. Ich hatte mich immer um ihn gekümmert. Jetzht war er unglaublich selbstständig, was mich stolz machte. Dennoch wusste ich, dass der Junge nicht wirklich so stark war wie er vorgab. Er vermisste seine Eltern und war immer irgendwie einsam gewesen. Ich war dankbar, dass er jetzt Mianna an seiner Seite hatte, aber Sorgen machte ich mir trotzdem noch um ihn. Ich musste sowohl ihn als auch Mianna auf die Königsrolle vorbereiten.

Luciana war ich deswegen so distanziert gegenüber, weil

 

sie Lunar das Herz gebrochen hatte. Sie konnte zwar im Prinzip nichts dafür, aber trotzdem konnte ich nicht anders als ihr die Schuld dafür zu geben. Ich war einfach nicht so gut auf sie zu sprechen.

Jedenfalls war es schwer für John König zu werden, selbst wenn Tedren vorher besiegt werden würde. Er brauchte jede Hilfe, die er kriegen konnte. Ich lebte schon sehr lange und hatte viel erlebt, aber dies hier war vielleicht die wichtigste Aufgabe meines Lebens. Ich kannte meinen Bruder wohl am besten von allen und es tat mir weh, was aus ihnen geworden war. Ich konnte immer noch nicht fassen, wie viel Hass in ihm steckte. Ich fragte mich, wo der hergekommen war oder hatte er den schon immer in sich gehabt?

Epilog

 "Doch ich sollte Peter Pan nicht wiedersehen.

Und heute erzähle ich seine Geschichte meinen Kindern

Und sie werden sie ihren Kindern erzählen.

Denn alle Kinder werden erwachsen ... bis auf eines!"

 

Peter Pan - Filmzitat

 

John

 

Es war schön wieder im Schloss zu sein. Ich saß hier oben in meinem Zimmer auf der Fensterbank und dachte nach. Die Fensterbank war mein Lieblingsplatz. Hier hatte ich eine schöne Aussicht über den Schlossgarten. Ich hatte ein Zimmer für mich allein, weil ich schon so lange hier lebte. Ab und zu übte ich hier auch meine Lichtmagie. Hier oben sah das Niemand. Und auch gerade hielt ich eine Lichtkugel in meiner Hand.

Ich dachte darüber nach, was alles passiert war, seit ich Mianna kannte. Wir hatten unsere Magie gezielt geübt, ich hatte Mianna überhaupt kennen gelernt und wir hatten eine Schlacht gewonnen.

 

Ich hatte viele Freunde hier im Schloss, auch wenn Luke mein bester Freund im Schloss war. Meine Familie hatte mir aber immer gefehlt, auch wenn Tiljan da gewesen war. Jetzt hatte ich ja immerhin noch Mianna. Ich nahm mir vor mehr Zeit mit ihr zu verbringen.

Außerdem wollte ich unbedingt endlich Haleen kennen lernen. Als ich hier so saß, in den Nachthimmel hinausblickte und gedankenverloren mit der Lichtkugel in meiner Hand spielte, entdeckte ich plötzlich ein Flimmern. Es kam von der Decke, ganz schwach. Verwirrt betrachtete ich das Flimmern. Was war das? Ganz langsam wurde aus dem Flimmern eine feenähnliche Gestalt. Sie leuchtete hell und wurde mit der Zeit immer deutlicher. Fasziniert beobachtete ich den Vorgang.

Die Fee schimmerte wild. Als müsse sie sich erst an ihr neues Umfeld gewöhnen, zappelte sie in der Luft herum. Sie war ganz klein. Vielleicht so klein wie meine Daumenkuppe und sie wirkte irgendwie unförmig. Ein Ohr fehlte, ein Bein, eine Mundhälfte und ein Nasenloch. Es sah merkwürdig aus. Als das Flimmern endlich aufhörte, wurde sie ruhiger und setzte sich auf meine Hand.

"Brr..., war das kribellig. Hoffentlich muss ich das nicht noch einmal erleben. Ich kann ja schon frohz sein, dass ich so schnell wieder hier bin."

Ich starrte sie fasziniert an: "Wer bist du?"

Jetzt erst sah sie mich direkt an. Es wirkte so, als habe sie mich vorher gar nicht bemerkt. "Oh, tut mir Leid. Ich bin Feena. Die erste Fee. Ich war eine Weile weg, nachdem Tedren mich eingefroren hatte, aber jetzt bin ich wieder da." Sie blinzelte ein paar Mal, als müsse sie sich davon überzeugen, dass das hier kein Traum war. Doch dann konzentrierte sie sich wieder auf mich. "Wer du bist weiß ich natürlich ganz genau. Du bist der mutige John. Du wist Mianna im nächsten Kampf beschützen."

"Kannst du in die Zukunft sehen?", fragte ich sie verwirrt.

"Nicht direkt, manche Sachen weiß ich einfach.", antwortete sie.

"Kannst du Wünsche erfüllen?", wollte ich als nächstes wissen.

Ich hatte natürlich von Feena gehört, sie aber noch nie mit eigenen Augen gesehen. Wieso sie sich wohl ausgerechnet in meinem Zimmer zeigte?

"Aber ich kann dir versprechen, dass du glücklich wirst. Du musst auch glücklich werden, damit du Mianna beschützen kannst.", erklärte sie ernst.

"Wieso soll ich Mianna beschützen? Ich mein, ich werde es natürlich tun, aber ist es denn wirklich so nötig?"

 

"Ja, es wird nötig sein. Leinar allein wird nicht reichen. Du bist stärker als Mianna und du wirst König werden, aber Mianna ist der Schlüssel zum Sieg.", erklärte er.

"Und wie kann ich Mianna beschützen?", fragte ich.

"Das musst du schon selbst heraus finden. Nutze deine Lichtmagie." Na toll, so viel wäre mir auch schon klar gewesen.

"Wirst du hier bleiben?" Ich schätzte, es war gut, wenn Feena hier blieb.

"Nein, ich muss erst noch wachsen und zu Kräften kommen. Sieh mich doch an. Wenn ich so klein bin, kann ich wohl kaum was bewirken, oder? Aber zu der entscheidenen Schlacht komme ich wieder und bis dahin kann ich auch noch was für dich tun." Sie hielt ihre Hand ausgestreckt an das Kinn, wie bei einer Kusshand, und pustete etwas ein meine Richtung. Feenstaub, wie ich erkannte. Feena murmelte ein paar Worte, die ich nicht verstand.

 "Jetzt sollte deinem Glück nichts mehr im Wege stehen, mutiger John. Gehe deinen Weg und dann werden wir uns wieder sehen. Verrate Niemanden, dass ich zurück bin. Ich bin aus einem guten Grund zu dir gekommen. Meine Rückkehr sollte solange wie möglich geheim gehalten werden. Verspichst du mir das, John?" Fragend sah sie mich an.

 

"Ja, ich verspreche es.", sagte ich feierlich.

"Gut, dann verlasse ich dich gleich. Ich muss zu Kräften kommen und das weit fort von hier. Doch wenn irgendwas ist, ruf mich einfach. Ich werde dich jederzeit hören.", verabschiedete sie sich von mir, doch dann fragte sie: "Kennst du dich eigentlich mit Peter Pan aus?"

Die fragte verwirrte mich. "Ist das nicht so ein menschliches Märchen?"

"Ja.", nickte sie. "Es geht um diesen Jungen, der fliegen kann, allein weil er glaubt. Glaube John und probiere einige Dinge aus, die Peter Pan kann. Auch Peter war sehr mutig. Ich bin sicher du hast ein paar seiner Fähigkeiten geerbt. Vielleicht bist du ja sogar Peter Pan."

"Aber jeder hat nur drei Fähigkeiten.", wunderte ich mich.

"In der Regel schon, aber manchmal lässt sich das ändern." Feena zwinkerte mir verschwörerisch zu. Stell dir einfach vor, dass ich Glöckchen oder Tinker Bell bin oder wie immer du sie nennen willst. Ist Julia Roberts nicht übrigens eine hervorragende Schauspielerin für Glöckchen?"

Sie verwirrte mich nur noch mehr und so fragte ich sie: "Bist du denn Glöckchen?"

"Nein, natürlich nicht.", erwiederte sie empört. "Und du bist vermutlich auch nicht Peter Pan. Und dennoch... Probier

 

einfach einige Dinge aus, die er konnte."

"Ich werde es versuchen.", versprach ich.

"Und wenn du deine Wendy triffst, grüß sie schön von mir. Du wirst sie an deiner Seite brauchen. So, jetzt muss ich aber wirklich los." Damit wurde Feena zu einem kleinem grünen Licht, sie winkte noch mal in der Verwandlung und ich winkte zurück und murmelte: "Natürlich, Wendy! Wer sonst?" Dann flatterte sie davon.

Kopfschüttelnd über diesen verrückten Besuch, fragte ich mich, was das alles zu bedeuten hatte. Was genau hatte Peter Pan eigentlich gekonnt und meinte sie den Ursprungs - Peter Pan oder eine der vielen verschiedenen Versionen, die es mittlerweile gab? Fliegen konnte Peter Pan ja auf jeden Fall, aber was noch? Ich konnte mich einfach nicht erinnern. Vielleicht sollte ich die Geschichte lesen oder den Film mit Juila Roberts als Glöckchen sehen, um mich zu erinnern. Aber wie sollte ich eigentlich unbemerkt lernen zu fliegen? Dann fiel mir ein, dass Feena mir gesagt hatte, ich müsse einfach nur glauben. Ich seufzte frustriert. Das konnte harte Arbeit werden.

War Haleen vielelicht meine Wendy. Wenn ja, würde mich das sehr glücklich machen. Allerdings wollte ich ein glückliches Ende haben, aber Glück hatte mir Feena ja

 

versprochen. Auf jeden Fall wollte ich eine Wendy haben und finden. So viel war klar.

Unruhig ging ich ins Bett und unruhig schlief ich auch ein mit verrückten Träumen übers Fliegen und verlorenen Jungs. Nein, ich war sicher nicht Peter Pan. Verloren war ich nämlich überhaupt nicht und ich war auch kein Kind mehr. Es war geradezu lächerlich gewesen, mich mit der Märchenfigur zu vergleichen, aber ich musste lernen zu glauben. Nur dann würde ich Erfolg haben.

 

Ende Teil 2

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 24.04.2015

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