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Kapitel 1

Es regnete. Lea saß gerade im Deutschunterricht. In zwei Stunden war Schulschluss für heute und Lea freute sich schon darauf. Auch, wenn das Wetter mies war.
Neben ihr saß ihre beste Freundin Judith. Sie sah ein wenig gelangweilt aus, aber das war nichts Neues. Die Schule interessierte sie nicht besonders. Lea war ganz gut in der Schule. Ihr machten die meisten Fächer Spaß. Nur Mathe und Physik hasste sie. Am liebsten würde sie Germanistik studieren. In Deutsch war sie gut. Meistens sogar sehr gut. An zweiter Stelle stand Kunst. Sie malte sehr gerne. In zwei Jahren musste sie sich entscheiden. Aber bis dahin war noch viel Zeit.
Heute konnte sie sich in Deutsch nicht wirklich konzentrieren. Ihre Gedanken waren bei ihrem Traum. Er war merkwürdig gewesen und hatte so real gewirkt. Fantasiewesen waren darin vorgekommen. Elfen und Vampire. Eine merkwürdige Mischung. Sie hatte Jemanden gehabt, den sie über alles liebte. Sie konnte sich nicht mehr an seinen Namen erinnern. Die Welt in ihrem Traum hatte wunderschön ausgesehen. Viele Wiesen mit bunten Blumen waren dort gewesen. Bäume auch, aber keine Straßen. Vögel hatten gezwitschert. So stellte sie sich das Paradies vor. Es fehlten nur noch die weiten Strände und das Meer. An denjenigen, den sie im Traum geliebt hatte, konnte sie sich kaum noch erinnern. Merkwürdig!
„Hey Lea, kommst du?“, fragte Judith sie.
Verwirrt sah Lea ihre Freundin an. „Was?“
„Der Unterricht ist vorbei.“, erklärte Judith ihr.
„Oh.“, brachte Lea nur hervor.
„Hast du geträumt?“, flüsterte Judith und sah sie fragend an.
„Nicht direkt.“, wich Lea ihr aus. Sie wollte jetzt nicht mit Judith über ihren Traum reden.
„Dann komm jetzt endlich.“, drängte Judith.
Lea beeilte sich ihre Sachen zusammen zu packen. Jetzt hatten sie Mathe. Wie sie dieses Fach hasste. Die Anderen waren schon im Klassenraum. Lea und Judith waren die Letzten. Gott sei Dank war Herr Lukas noch nicht da. Er kam wenige Minuten später. Hinter Herrn Lukas tauchte plötzlich eine Gestalt auf. Ein junger Mann. Er hatte blondes, lockiges Haar, meerblaue Augen und einen muskulösen Körper. Aber nicht so wie ein Boxer. Nur muskulös. Angenehm muskulös. Er trug ein enges, blaues T-Shirt und eine weitere Jeans. Dazu Turnschuhe. Seine Gesichtszüge waren weich und er lächelte freundlich. Er sah unglaublich gut aus. Lea sah sich in der Klasse um. Kein Anderer schien ihn zu bemerken. Wer war der Fremde, der sie die ganze Zeit anlächelte und sie ansah? Herr Lukas setzte sich an den Lehrerpult und begann mit dem Unterricht. Lea konnte sihc noch weniger konzentrieren als sonst. Fantasierte sie? Warum sahen die Anderen ihn nicht?
Es irritierte Lea wie er da die ganze Zeit hinter ihrem Lehrer stand und dessen Mimiken und Gestiken nachahmte. Vor allem aber irritierte sie, dass ihn kein Anderer sehen konnte. Lea war froh als die Schule vorbei war. Sie flüchtete praktisch aus dem Unterrichtsraum. Judith musste hinter ihr her rennen um sie einzuholen. Leider war nicht nur sie ihr gefolgt.
„Was ist denn los?“, wollte Judith wissen als sie zum Ausgang gingen.
„Ich hab es heute eilig. Ich erwarte ein Paket zu Hause, was wichtig ist. Deswegen muss ich auch schnell los.“ Diese geheimnisvolle Ausrede würde Judith ihr niemals abkaufen. Da war sie sich sicher.
Tatsächlich sah die Freundin sie verwundert an. „Okay. Dann sehen wir uns morgen.“
„Ja.“, sagte Lea Judith winkte noch kurz und ging dann. Auch Lea setzte ihren Weg fort. Der mysteriöse Mann ging neben ihr her.
„Das war eine gute Ausrede mit dem Paket.“, lobte er sie.
„Wer bist du?“, fragte sie.
„Mein Name ist Jasper Rickert von Wollingsfeld. Ich bin vom Volk der Elfen. Mein Vater Livas hat mir den Auftrag gegeben dich zu suchen.“, stellte er sich vor.
„Elfen?“, fragte Lea ungläubig. Sie ging neben Jasper her.
„Ja.“ Jasper lächelte. „Ich komme aus dem Feenreich. Du hast bestimmt schon davon gehört?“
„Nein, sollte ich?“ Wollte Jasper sie verarschen?
„Du weist nicht, wer du bist?“ Jetzt war es Jasper, der ungläubig klang.
„Sollte ich?“, fragte Lea noch mal.
„Aber ja! Deine Eltern sind die berühmten Grafen von Wollenfeld.“, erzählte Jasper. „Sie haben viel Einfluss im Elfenvolk und du bist dort schon jetzt legendär.“
„Meine Eltern sind tot!“, belehrte Lea ihn. „Sie starben bei einem Autounfall als ich zwei war. Seitdem lebe ich bei meinen Großeltern.“
„Dann weißt du die Wahrheit nicht.“ Jasper schüttelte mit dem Kopf.
„Doch gewiss.“, antwortete Lea. „Das ist die Wahrheit.“
„Oh nein! Vielleicht sollten wir gemeinsam zu deinen Großeltern gehen. Dann klärt sich alles.“ Jasper klang ziemlich sicher.
„Meinetwegen.“, stimmte Lea schließlich zu.
Schweigend ging Lea neben dem unglaublich gut aussehenden Typ her. Lea wusste nicht, worüber sie sich mit ihm unterhalten konnte. Auch er schien keine Lust zu haben sich mit ihr zu unterhalten. Lea war einerseits froh als sie bei ihr zu Hause ankamen und andererseits hatte sie Angst vor dem, was kommen mochte. Kannten ihre Großeltern diesen Kerl? Seufzend holte sie ihren Haustürschlüssel raus und schloss die Tür auf. Sie bat Jasper hinein. Er folgte ihr bis ins Wohnzimmer. Dort saßen ihre Großeltern und sahen sie verwundert an als sie in ihr Blickfeld gerieten.
„Hallo Lea. Wen bringst du denn da mit nach Hause?“, fragte ihre Großmutter.
Bevor Lea ihr antworten konnte, ergriff Jasper das Wort. „Eigentlich müsstet ihr mich doch kennen. Ich bin Jasper Rickert von Wollingfeld. Ich bin vom Volk der Grafen und möchte euch an euer Versprechen gegenüber den Grafen und der Gräfin erinnern.“
Leas Großvater sah düster drein. Lea merkte sofort, dass ihm Jaspers Erscheinen nicht gefiel. Da ihre Großeltern anscheinend ihre Höflichkeit vergaßen, bot Lea Jasper einen Platz an. Sie saßen nebeneinander auf dem roten Sofa.
„Ich habe mein Versprechen nicht vergessen.“, erklärte ihr Großvater ihm. „Im Gegenteil. Es gab keinen Tag an dem ich nicht daran denken musste. Aber Lea ist jetzt so alt, dass sie selbst entscheiden kann. Ich werde sie zu nichts zwingen.“
„Lea hat keine Wahl. Sie muss mit kommen. Sie ist die Einzige, die uns noch helfen kann.“, widersprach Jasper ihrem Großvater.
„Worum geht es hier eigentlich?“, erkundigte sich Lea, da sie diese Unterhaltung total verwirrte.
„Lea! Du bist kein Mensch. Im Gegenteil. Du bist viel mehr wert als alle Menschen auf dieser Welt. Du allein kannst das Feenreich retten. Und nur du! Du bist das Kind aus der seltenen Verbindung zwischen einem männlichen Elfen und einem weiblichen Stern. Du bist aus Sternenstaub gemacht und du brauchst Sternenstaub um dich zu ernähren. Der einzige Grund, warum du so lange ohne Sternenstaub als Nahrung ausgekommen bist, ist, dass du zur Hälfte eine Elfe bist. Aber das wird nicht ewig so gehen.“ Jasper sah sie ernst an.
Lea wollte das alles nicht glauben. Wovon sprach er da eigentlich? Wieso sollte sie ihm glauben? Eigentlich glaubte sie nicht wirklich an die Fantasie. Lea sah ihre Großeltern flehend an. Sie sollten ihr bestätigen, dass Jasper log. Außerdem fragte sie sich warum ihre Großeltern ihn sehen konnten und die Schüler aus ihrer Klasse nicht.
„Lea?“ Jasper erwartete wohl eine Antwort, doch sie wusste nicht, was sie sagen sollte.
„Er hat Recht.“, sagte dann plötzlich ihr Großvater. „Wir haben es dir nicht gesagt, weil wir dich beschützen wollten.“
„Wo sind meine Eltern? Was ist mit ihnen passiert?“, brachte Lea schließlich matt hervor.
„Deine Eltern sind Grafen im Feenland. Malou ist meine Schwiegertochter und Noel mein Sohn. Auch dein Großvater und ich lebten ein mal im Feenland. Aber als wir alt wurden, hielten wir die Menschenwelt für den besseren Ort zum Leben. Unsere Magie wurde immer schwächer und wir waren nur noch Elfen, die alt waren. Nicht alle Elfen blieben jung. Manche trugen dazu zu wenig Magie in sich. Jedenfalls brachten Noel und Malou dich zu uns als du noch ein Baby warst. Zu der Zeit war es im Feenreich zu gefährlich für dich.“
„Ich kann das einfach nicht glauben.“ Das stimmte wirklich. Lea war fassungslos.
„Jedenfalls solltest du es mal mit Sternenstaub probieren. Du wirst dich kräftiger und gesunder fühlen und demnächst brauchst du es sowieso. Außerdem solltest du mit mir zusammen ins Feenreich gehen, denn dort wird deine Hilfe dringend benötigt.“
„Ich brauche Zeit. Ich kann nicht von heute auf morgen ein ganzes Leben aufgeben. Ich weis noch nicht mal ob ich überhaupt ins Feenland will. Außerdem will ich keinen Sternenstaub.“
Lea hatte keine Ahnung wie Sternenstaub aussah oder was es war, aber sie wollte es einfach nicht. Sie wollte einfach nur ihr altes Leben zurück haben. Das Leben, dass sie heute Morgen noch gehabt hatte. Bevor sie Jasper getroffen hatte.
„Ich bleibe so lange hier bis du bereit bist mit mir zu kommen. So lange gehe ich mit dir auf eine Schule.“, beschloss Jasper.
Lea seufzte. Das waren ja tolle Aussichten. Ein Elf, der auf ihre Schule ging. Vermutlich noch in ihre Klasse. Lea war nicht gerade begeistert darüber. Eigentlich mochte sie Jasper. Sehr sogar. Doch sie sträubte sich dagegen. Er hatte ihr das Leben geklaut, dass sie kannte. Allein deswegen musste sie ihn hassen.
„Wenn du meinst.“, sagte sie nur. Sie stand auf und flüchtete aus den Raum. Sie wollte nur noch weg von Jasper und weg von ihren Großeltern.


Kapitel 2

Der erste Schultag mit Jasper zusammen war für Lea nicht gerade einfach. Alle liebten ihn von Anfang an. Sogar Judith, die sich nur schwer auf Typen einließ. Lea hatte Jasper als ihren Cousin ausgegeben, den sie sehr selten sah, weil er aus Amerika kam. Er war zweisprachig aufgewachsen und konnte deswegen absolut perfekt Deutsch sprechen. Jetzt lebte er genau wie Lea bei ihren Großeltern, weil er in Deutschland seinen Abschluss machen wollte. Da alle dachten, er sei ihr Cousin, glaubten die Mädels es würde ihr nichts ausmachen, wenn sie sich an ihn heran machten. Aber das war nicht so ganz einfach. Eigentlich sollte es ihr ja auch nichts ausmachen, weil sie ihn ja schließlich hassen musste. Jasper fand es seinerseits nicht so toll, dass sie ihn als ihren Verwandten ausgab. Das interessierte sie aber nicht sonderlich.
Alle standen in der Pause bei Jasper. Er war praktisch der Mittelpunkt der Pause. Nicht nur Mitschüler aus ihrer Klasse gesellten sich zu ihm, sondern auch viele Andere. Sie waren neugierig auf den Schönen, Fremden, Unbekannten und das forderte ihre ganze Aufmerksamkeit.
Lea seilte sich ein wenig von der Gruppe ab. Sie war froh ein wenig alleine sein zu können. Allein in ihrer Verwirrung. Allein mit ihren Gedanken.
Judith fiel so langsam doch auf, dass ihre beste Freundin nicht mehr da war. Sie löste sich aus der Gruppe und kam zu ihr.
„Hey, was bist du hier denn so allein?“, erkundigte sie sich bei Lea.
„Seit Jasper bei uns wohnt, hab ich nicht mehr so viel Ruhe. Ich genieße das Alleinsein.“, antwortete Lea.
„Hast du was gegen Jasper?“ Judith war skeptisch. Eindeutig!
„Nicht direkt.“, gab Lea zu. „Er ist nur manchmal etwas nervig.“
„Kann ich mir gar nicht vorstellen.“ Judith sah in seine Richtung.
„Du kennst ihn gerade mal einen Tag.“, erinnerte Lea ihre Freundin. Noch nicht mal. Aber andererseits kannte Lea ihn auch nicht viel länger. Doch das würde sie ihrer Freundin wohl kaum erzählen. Sie dachte schließlich Jasper sei ihr Cousin, wo Lea ja selbst dran Schuld war.
„Das stimmt, aber dein Cousin ist ziemlich süß.“ Judith lächelte.
Und ein Elf und vermutlich uralt, dachte Lea, aber sie sprach es nicht aus. Statt dessen lächelte sie. „Ja, kann sein. Darauf hab ich nie so geachtet.“
Sie hatte Judith noch nie belogen und jetzt musste sie sie den ganzen Tag über belügen.
Es klingelte zur nächsten Stunde. Mathe. Wie sie das hasste. Und dann auch noch der Satz des Pythagoras. A Quadrat + B Quadrat = C Quadrat. Wen interessierte das schon? Und dann noch bei Herrn Norwin. Der Typ war der langweiligste Lehrer, den es gab. Herr Norwin stellte eigentlich jeden neuen Schüler auf die Probe. Auch Jasper stellte er tausend Fragen zu jedem erdenklichen Thema über Mathematik. Jasper beantwortete alle Fragen richtig. Der Lehrer staunte. Die Schüler staunten. Lea staunte. Lea war klar, dass sie mit Jasper reden musste. Sie musste ihm klar machen, dass er schon auch mal ein paar Fehler machen musste. Sonst würden die Lehrer aufmerksam werden und sich vielleicht sogar fragen, ob er überhaupt ein Mensch war. Denn Menschen machten Fehler. Elfen wohl nicht. Schmerzhaft musste Lea sich in Erinnerung rufen, dass sie selbst kein Mensch war, sondern halb Elf, halb Stern. So ganz hatte sie sich immer noch nicht daran gewöhnt.
Als Herr Norwin alle Fragen gestellt hatte, war dieser sehr zufrieden mit seinem neuen Schüler und ging zu dem normalen Unterricht über. Auch dabei meldete sich Jasper sehr oft und beantwortete jede Frage richtig. Lea war ein wenig neidisch auf ihn. Denn sie hasste Mathe und verstand dieses Fach absolut nicht.
Das letzte Schulfach führ heute war Kunst, was Lea ungemein freute. Sie sollten eine Sonnenblume malen, die auf einer Sommerwiese stand und wunderschön gelb aussah. Lea war schon fast fertig. Es fehlten nur noch die letzten Züge. Sie holte ihr Bild und die Farben, die sie brauchte, aus dem Materialschrank und breitete sie auf den Tisch vor sich auf. Sie öffnete die kleinen Flaschen und füllte ein Schälchen mit Wasser auf. Dann begann sie zu malen.
„Das sieht ja wunderschön aus. Kann ich mich hier her setzten?“ Jasper zeigte auf den Platz neben sie.
„Von mir aus.“, sagte Lea nur, ohne sich bei ihm für das Kompliment über ihr Bild zu bedanken.
Auch Jasper begann zu malen sobald er die passenden Farben rausgesucht hatte. Jasper malte sehr schnell.
„Du gehst mir aus dem Weg.“, bemerkte er.
„Ich genieße nur die Ruhe.“, widersprach Lea ihm.
„Deine Freunde scheinen mich zu mögen.“
„Das ist noch untertrieben.“ Lea hatte keine Lust auf ein Gespräch mit ihm.
Lea versuchte ihn zu ignorieren. Sie wollte nicht zu viel mit ihm zu tun haben. Doch leider schien ihn das nicht zu interessieren.
„Warum gehst du mir aus dem Weg?“, fragte er nun.
Lea seufzte. „Ich brauche einfach meine Ruhe.“
„Das nehme ich dir nicht ab.“, beschloss Jasper.
Lea schloss für einen Moment die Augen. Das würde eine längere Diskussion werden.
„Jasper, was erwartest du? Du reist mich aus meinem Leben raus und verlangst, dass ich dich deswegen mag? Da muss ich dich leider enttäuschen. Dem ist nicht so.“ Sie rollte mit den Augen, um ihm zu zeigen, dass er sie nervte.
„Es ist nun mal meine Aufgabe dich in die Welt zu holen, in die du gehörst. Dazu kann ich nichts. Ich habe der Aufgabe zugestimmt ohne dass ich dich kannte. Ich wusste nicht wie schön du bist. Ich würde dich gerne näher kennen lernen.“ Jasper sah sie fragend an. Sie sah Hoffnung auf seinem Gesicht.
„Ich weis nicht ob ich das will.“, erklärte sie ihm.
„Du könntest mir wenigstens eine Chance geben.“, fand Jasper.
„Wieso?“
„Zum einen, weil wir zusammen wohnen und zum anderen, weil ich dir Unterricht geben muss.“ Jasper sprach leise, damit kein Anderer seine Worte verstand.
„Unterricht worin?“, fragte Lea skeptisch. Sie hatte kein Interesse am Unterricht.
„Magie.“ Er sprach das Wort aus als wäre schon alleine das Wort magisch. „Außerdem solltest du Sternenstaub zu dir nehmen.“
Lea konnte sich immer noch nicht vorstellen, was Sternenstaub war. Aber das war egal. Lea hatte weder an der Magie noch an Sternenstaub Interesse. Dennoch hatte sie im Grunde keine Wahl. Aber sie konnte es ja wenigstens noch hinaus zögern.
„Muss das sein?“, stöhnte sie.
„Es ist wichtig.“, erklärte Jasper. Lea war da anderer Meinung, doch sie sagte nichts.
„Am besten fangen wir gleich damit an. Je eher desto besser.“, schlug Jasper vor.
„Heute?“ Lea war nicht gerade begeistert, doch ihr fiel auch kein Grund ein es nicht zu tun. Judith hatte sie schon gesagt, dass sie keine Zeit hatte.

Beim Mittagessen herrschte eisige Stille. Lea war in ihre Gedanken vertieft. Jasper war ungewöhnlich still. Auch ihre Großeltern sagten kein Wort. Lea war klar, dass sie mit Jasper mit musste. Und wenn sie das nur tat um ihre Eltern zu sehen. Das wäre es ihr wert. Doch Lea wollte es um jeden Preis hinaus zögern. Sie wusste ja nicht, ob sie je wieder zurückkehren würde und hatte deswegen noch einige Dinge zu erledigen.
Sie fragte sich immer noch, was Jasper damit gemeint hatte, dass nur sie das Feenreich retten konnte. Sie wusste ja noch nicht mal was da los war.
Nach dem Essen hatte Jasper Leas Großmutter beim Tisch abräumen geholfen. Als er damit fertig war, fragte er Lea.: „Wollen wir mit dem Unterricht beginnen?“
Lea nickte, obwohl sie eigentlich keine Lust hatte.


Kapitel 3

Sie waren allein in Leas Zimmer. Zunächst hatte Jasper sich in ihrem Zimmer umgesehen. Er hatte die rote Couch vorm Fenster, das große Bett neben dem Fenster mit der blauen Bettdecke, den Schreibtisch gegenüber des Fensters mit dem PC drauf und den großen Kleiderschrank daneben begutachtet. Einfach alles! Sogar die blaue Decke mit den Sternen drauf und die gelben Wände mit den blauen Rosen. Ihn interessierte einfach alles. Als hätte er so was noch nie gesehen
Dann zeigte er zur Decke und grinste. „Das passt ja.“
„Was passt?“, fragte Lea.
„Die Sterne an der Decke.“ Erklärte Japser. Lea sagte nichts dazu.
Jasper sah Lea an. „Ich kann mir vorstellen, dass das alles sehr schwer für dich ist. Nach und nach erkläre ich dir alles, was du wissen musst, aber ich muss dir auch Magie beibringen. Und du musst Sternenstaub zu dir nehmen.“
„Was ist Sternenstaub?“, fragte Lea.
Jasper holte einen kleinen Beutel aus seiner Tasche. Er kippte etwas von dem Inhalt in seine Hand. Es sah aus wie winzige Diamanten in Sternenform. Sie schimmerten gelbblau und sahen wunderschön aus.
„Du brauchst nur zwei von diesen Kügelchen um stärker zu werden. Jedes mal, wenn eine Sternschnuppe vom Himmel fällt, suchen wir diese Kügelchen aus ihnen heraus.“, erklärte Jasper.
„Aber Sternschnuppen fallen nicht vom Himmel.“, widersprach Lea ihm.
„Bei uns schon. Ihr würdet das wohl Asteoit nennen.“ Er sah sie an. „Möchtest du es ausprobieren?“
Lea schüttelte mit dem Kopf. Sie war noch nicht so weit.
Jasper saß jetzt auf ihrem Sofa und Lea saß auf ihrem Bett.
„Warum nennt man deine Welt Feenwelt? Es wohnen dort doch Elfen und Sterne.“, fragte Lea weiter.
„Früher lebten dort Feen, aber heute sind sie eher selten. Zum größten Teil leben in meinen Reich Elfen, aber der Name Feenreich ist geblieben.“, erzählte Jasper.
„Erzähl mir mehr vom Feenreich.“, bat Lea.
Plötzlich lächelte Jasper. „Es ist wunderschön dort. Viel ruhiger als in der hektischen Welt der Menschen. Es gibt keine Straßen. Nur Blumen und Bäume und Felder. Pferde ziehen Kutschen. Die Vögel zwitschern. Und die Sterne sind ganz nah. Ich mein natürlich die am Himmel. Die Leute sind unglaublich nett. Die meisten zumindest. Es gibt natürlich auch Ausnahmen.
Lea hatte den Schatten auf Jaspers Gesicht bemerkt, als er von den negativen Seiten der Feenwelt gesprochen hatte. Sie spielte mit dem Gedanken ihm von ihrem Traum zu erzählen. Sollte sie sich ihm anvertrauen? Dem Menschen, den sie eigentlich hassen sollte? Aber was hatte sie schon zu verlieren?
„Ich hab von so einem Ort geträumt.“, erzählte sie. „Er sah haargenau so aus wie du ihn beschrieben hast.“
Jasper nickte. „Deine Mum hat mir davon erzählt. Sie muss dir diesen Traum geschickt haben, kurz bevor ich kam.“
„Geschickt?“ Lea wurde immer verwirrter. Man konnte Träume doch nicht schicken.
„Ja. Ganz starke magische Wesen können so etwas. Es sind meistens Botschaften.“
Lea war plötzlich nervös. Sie erinnerte sich plötzlich wieder daran, wen sie in diesem Traum geliebt hatte. Es war Jasper gewesen. Was sollte das für eine Botschaft sein? Aber es war ihr egal. Hauptsache sie kam von ihrer Mutter.
„Aber wir sollten jetzt mit dem Unterricht beginnen.“, beschloss Jasper. „Hast du schon eine Idee, wo du anfangen möchtest?“
„Ich habe bemerkt, dass du dich unsichtbar machen kannst. Nur die Leute können dich sehen, die du sehen willst.“ Lea hatte öfter darüber nachgedacht. Das war die einzige Möglichkeit für Jaspers Unsichtbarkeit, die sie finden konnte.
„Eine gute Wahl.“, lobte Jasper sie. „Du hast Recht. Man kann beeinflussen wer einen sehen darf und wer nicht. Das geht durch Magie. Aber das ist nicht so ganz einfach. Es klappt meistens nicht bei ersten Mal.“
„Damit kann ich leben.“, versicherte Lea ihm.
Jasper nickte. „Also gut. Du musst dich konzentrieren. Lass los. Entspann dich. Denk an ein schönes Erlebnis aus deinem Leben. Denk an den Grund, weshalb du unsichtbar sein willst. Wenn du die Macht der Energie in dir spürst, wünsch dir unsichtbar zu sein.“, wies Jasper sie an.
Lea ließ los. Sie versuchte es zumindest. Und sie spürte wie sie sich entspannte. Vollkommen. Am ganzen Körper. Sie dachte an den Traum von neulich. Auch wenn Jasper daran eine Rolle spielte. Dann überlegte sie warum sie unsichtbar sein wollte. Die Antwort war eigentlich einfach. Weil sie sich vor Leuten verstecken konnte oder weil sie so wichtige Informationen herausfand, die vielleicht wichtig für sie waren. Sie spürte sofort die Macht der Energie und wünschte sich unsichtbar zu sein.
Sie staunte als es tatsächlich funktionierte. Sie sah ihren eignen Körper nur noch schattenhaft. Das war unglaublich. Nach ca. einer Minute wurde sie wieder sichtbar.
„Wow, das war großartig. Ich glaube Niemand hat diesen Zauber je auf Anhieb geschafft. Natürlich kann er noch perfektioniert werden, aber für den Anfang war das sehr gut.“ Japser war begeistert.
Er schwieg eine Weile. Dann fuhr er fort. „Es gibt unzählige Zauber, die ich dir beibringen kann, aber eines nach dem Anderen.“
Lea nickte. „Erzähl mir von meinen Eltern.“
„Wie ich schon sagte sind sie Grafen im Feenreich. Das sind die höchsten Ränge bei uns. König gibt es bei uns nicht. Alle haben Respekt vor ihnen. Ich hab sie sehr gern. Sie sind sehr herzlich. Deine Mutter lacht gerne und ist sehr hilfsbereit. Dein Vater ist etwas rau, aber auch sehr freundlich. Er ist ein guter Graf.“, erzählte Jasper ihr. Es bedrückte Lea, dass ein Fremder ihre Eltern besser kannte als sie selbst.
„Wie sehen sie aus?“, wollte Lea als nächstes wissen.
„Beide sind wunderschön. Deine Mutter hat goldblondes Haar. Es ist lang und glatt. Sie ist schlank und mittelgroß. Ihr Gesicht ist außergewöhnlich. So schön wie das eines Engels. Ihre Augen sind grün. Sie trägt meist weiße Kleider oder rosefarbene.
Dein Vater hat schwarzes, langes Haar und blaue Augen. Auch sein Gesicht ist wunderschön Irgendwie markant. Er ist groß und stark. Und er ist schlank. Meistens trägt er weiße Lederhosen und weiße Hemden.“, beschrieb Jasper ihre Eltern.
Lea merkte wie ihre Augen feucht wurden, doch sie hielt ihre Tränen tapfer zurück. Sie wollte nicht vor Jasper weinen.
Ohne gefragt zu werden sprach Jasper weiter. „Deine Mutter hat ständig von dir gesprochen. Sie vermisst dich sehr. Dein Vater ist eher ein ruhiger Typ, doch auch ihm sieht man an, dass er dich vermisst. Deswegen ist es wichtig, dass du nach Hause kommst und Sternenstaub zu dir nimmst.“
Lea seufzte. Sie hatte noch mehr mit ihren Tränen zu kämpfen. Lea hatte sich immer Eltern gewünscht. Jetzt hatte sie welche, aber sie waren unendlich weit weg.
„Ich denke heute hast du schon viel gelernt. Morgen machen wir mit dem Unterricht weiter.“, beschloss Jasper. Er stand auf und ohne eine Reaktion von Lea abzuwarten, verließ er das Zimmer. Lea war ihm dankbar dafür.
Endlich war sie allein! Sie legte sich auf ihr Bett und sah ihre Sternedecke an. Sie hatte durch Jaspers Erzählungen eine genaue Vorstellung vom Aussehen und von dem Charakter ihrer Eltern. Sie wusste, dass auch sie ihre Eltern mögen würde.
So viele Fragen waren noch offen, die sie Jasper stellen wollte. Warum war das Elfenreich bedroht? Warum konnte nur sie das Elfenreich retten? Warum...
Die Reihe war endlos. Sie wusste, dass Jasper ihr die Antworten geben würde, wenn er es für richtig hielt Hoffentlich bald! Lea wollte mehr erfahren.


Kapitel 4

Es war jetzt drei Wochen her seit Jasper in ihr Leben getreten war und sie hatte schon viel von ihm gelernt. Wie man durch Magie Hitze erzeugt, wie man die Sonne beeinflusst, wie man durch Magie Sachen zum Schmelzen brachte und solches Zeug, aber sie musste noch viel mehr lernen. Sie lernte schnell, aber die wirklich schweren Zauber würden erst noch kommen.
Lea zog sich auch immer mehr von ihren Mitschülern und Freunden zurück. Das bemerkte vor allem Judith, die sich deswegen Sorgen um Lea machte. Als Lea den Schulhof betrat, kam Judith gleich auf sie zu gerannt. Sie umarmte sie.
„Lea, ist alles in Ordnung?“, fragte sie besorgt.
„Ja.“, antwortete Lea nur.
„Warst du krank?“, fragte Judith.
„Ein bisschen. Husten und so.“, gab Lea zu. Sie war zwei Tage nicht in der Schule gewesen.
„Wenn das schlimmer wird gehst du besser zum Arzt.“ Das war kein Vorschlag sondern ein Befehl.
„Es geht mir gut.“, versicherte Lea ihr. Sie hatte nicht vor zum Arzt zu gehen. Sie war noch nie beim Arzt gewesen. Jetzt brauchte sie ihn bestimmt am wenigsten.
„Wollen wir uns nicht mal wieder treffen? Einen Mädelsabend oder so?“, schlug Judith vor.
„Meinetwegen.“, stimmte Lea zu und bereute es sofort wieder. Sie hatte nicht die geringste Lust sich mit Judith zu treffen. Aber ihre beste Freundin wollte sie nicht ablehnen. Und vermutlich war sie sowieso nicht mehr lange da. Jasper fragte sie jeden Tag ob sie mit in seine Welt kommen würde. Er drängte sie immer mehr.
Lea fühlte sich von Jasper immer mehr hingezogen, obwohl sie dagegen ankämpfte. Wenn er bloß nicht so sexy und nett wäre. Immer wieder redete sich Lea ein, dass es ihr nichts ausmachte, wenn Jasper mit den Mädchen aus ihrer Klasse flirtete. Tief in ihrem Inneren wusste sie, dass das nicht stimmte.
„Das ist schön.“, fand Judith. „Passt es dir Freitagabend? Du könntest bei mir schlafen. Das haben wir so lange nicht mehr gemacht.“
„Klar.“, stimmte Lea zu. Sie konnte jetzt nicht mehr zurück.
Gemeinsam gingen Lea und Judith in ihre Klasse. Sie schrieben heute Physik. Lea hatte gar keine Lust darauf.
Nachdem Lea nach ihrer ersten Unterrichtsstunde mit Jasper ein ernstes Wörtchen gewechselt hatte, baute er hin und wieder Fehler in seine Antworten ein. Er stand aber dennoch in jedem Fach auf Eins.
Der Schultag war gewöhnlich wie jeder Tag. In der Pause standen die Schüler um Jasper rum. Lea seilte sich ein wenig von den Schülern ab. Nur Judith kam ab und zu zu ihr. Und dann passierte in der zweiten Pause etwas Ungewöhnliches. Obwohl sich Lea nie zu Jasper gesellte, beobachtete sie ihn die ganze Zeit über. Und plötzlich küssten er und Judith sich. So richtig, richtig zärtlich.
Das wühlte Lea so auf, dass ihr Tränen in die Augen stiegen. Dabei war sie ja selbst Schuld. Warum hatte sie auch behauptet Jasper sei ihr Cousin? Den Rest des Tages sprach sie weder mit Judith noch mit Jasper. Das Problem war nur, dass sie sich jetzt nichts mehr vormachen konnte, wenn sie so aufgewühlt war, weil Jasper eine Andere küsste. Das konnte nur eines bedeuten: Sie liebte Jasper! Aber das war das Einzige, dass sie nicht wollte. Ihr graute vor dem Unterricht mit Jasper am Nachmittag. Sie konnte sich nicht immer vor ihm verstecken.

Nach dem Mittagessen begann der Unterricht mit Jasper zu Hause. Lea konnte sich nicht konzentrieren. Das merkte Jasper sofort.
„Was ist denn los mit dir?“, fragte er.
„Warum hast du Judith geküsst?“ Die Worte sprudelten nur so aus ihr heraus. Lea wusste, dass es unklug war, diese Frage zu stellen, aber sie musste es tun.
Jasper seufzte. Er klang etwas gequält. „Fragst du, weil du Judith beschützen willst oder weil es dich interessiert?“
Lea wurde unruhig. Bestimmt kannte er die Antwort schon. Dennoch sagte sie: „Du verlässt die Erde bald wieder. Judith wird dann sehr traurig sein. Es wird ihr Herz brechen.“
„Du bist eifersüchtig auf sie.“, stellte Jasper belustigt fest.
„Ich mache mir nur Sorgen um Judith.“, korrigierte Lea ihn, obwohl sie wusste, dass er Recht hatte.
„Es war nur ein Kuss.“, erklärte Jasper jetzt. „Es hat mir nichts bedeutet.“
Lea fiel ein Stein vom Herzen, aber sie war auch wütend. „Dir hat es vielleicht nichts bedeutet, aber ihr. Sie lässt sich nur schwer auf Männer ein.“
„Ich werde das Morgen klar stellen.“, versprach Jasper ihr. „Können wir mit dem Unterricht beginnen?“
Lea nickte.
„Ich habe heute Großes mit dir vor.“, verkündete Jasper ihr. „Du hast viel gelernt in letzter Zeit. Normalerweise leuchten Sterne von innen. Manchmal sogar von außen. Dafür müssen sie viel Energie sammeln und du musst an das schönste Erlebnis in deinem Leben denken. Es hört sich erst mal leicht an, aber das ist es nicht. Willst du es ausprobieren?“
Jasper saß wieder auf ihrem Sofa und Lea auf ihrem Bett. Sie war stolz auf sich. Sie wusste, dass sie jetzt die großen Zauber ausprobieren durfte.
„Gern.“, antwortete sie. Sie sammelte ihre Energie in ihrem Körper und merkte jede Ader ihres Körpers bewusster. Sie dachte daran, wie sie Jasper kennen gelernt hatte und erschrak als ihr die Bedeutung klar wurde. Doch sie merkte, dass sie leuchtete. Und weil Jasper strahlte, wusste sie auch, dass sie ach von außen strahlen musste. Das Strahlen hielt nicht lange an, aber sie hatte es geschafft.
Jasper klatschte zufrieden in die Hände. „Das war großartig. Absolut klasse.“
Wie jedes Mal fragte er sie, ob sie nicht Sternenstaub probieren wolle. Aber sie war immer noch nicht so weit.
„Du fragst dich bestimmt, warum du die einzige bist, die das Feenreich retten kann, oder?“, wollte Jasper plötzlich wissen.
Lea nickte.
„Dann werde ich das Geheimnis mal lüften.“ Er sah sie nicht an, doch er erzählte: „Ein Kind aus der Verbindung von Elf und Stern ist sehr selten. Aufs Ganze verteilt kommt das nur alle 500 Jahre vor. Wenn überhaupt. Das deine Eltern auch noch Graf und Gräfin sind, ist noch seltener.
Das unsere Welt nicht immer friedlich ist, kannst du dir sicher vorstellen. Ebenso mögen nicht alle den Graf und die Gräfin. Sie werden rund um die Uhr bewacht und gehen nie irgendwo allein hin. Dabei sind sie magisch auch sehr gut. Das Problem ist nur, dass es dunkle Mächte gibt, die noch stärker sind als sie. Von diesen Mächten wird das ganze Land bedroht. Die ganze Welt eher gesagt. Niemand kann sagen wie sie aussehen, denn niemand, der sie gesehen hat, hat überlebt und konnte uns von ihnen berichten.
Ein ziemlich mächtiger weißer Zauberer hat vorhergesagt, dass der Graf und die Gräfin ein Mädchen bekommen. Er sagte, dass nur dieses Kind unsere Welt beschützen kann. Du musst magisch so stark sein, dass du vielleicht sogar die dunkeln Mächte besiegen kannst. Und ich muss sagen, dass ich das jetzt schon glaube.“
Lea konnte das alles nicht fassen. Das konnte nicht sein! Und sie hatte das Gefühl, dass es noch ganz andere Feinde gab als die schwarzen Mächte.


Kapitel 5

Lilia stand in der Menge. Immer wieder ging sie an der Menge vorbei. Oder ganz nach vorne. Immerzu behielt sie den Graf und die Gräfin im Auge. Corentin tat das gleiche auf der anderen Seite. Wäre Jasper doch nur hier! Warum musste ausgerechnet er diese dumme Göre aus der Menschenwelt abholen? Lilia liebte Jasper schon ihr Leben lang. Doch er legte sich nicht gern fest. Dafür war er viel zu flatterhaft. Eine lockere Affäre war ihm lieber als eine feste Beziehung. Damit hatte Lilia nun genug Erfahrung. Aber lieber nahm sie, was sie kriegen konnte, als ganz auf Jasper zu verzichten.
Heute war das Mittsommerfest. Das Fruchtbarkeitsfest. Jedes Jahr hielt Graf Noel eine Rede. Lilia hörte kaum noch dabei zu, aber sie wusste noch, dass sie es beim ersten mal auch sehr ergreifend gefunden hatte. Jetzt konnte sie gar nicht mehr richtig auf die Rede achten. Ihre Aufgabe bestand darin, sich um die Sicherheit des Grafen und der Gräfin zu kümmern. Eigentlich hasste Lilia den Grafen und die Gräfin. Sie hatte den Job nur wegen Jasper angenommen. Es störte sie, dass die hohen Leute immer so freundlich waren und so taten, als sei alles in Ordnung. Nichts war in Ordnung. Sie würden aussterben, wenn es so weiter ging.
Lilia vermisste Jasper. Sie hatte gar nicht bemerkt, wie sehr sie sich an ihn gewöhnt hatte. Hoffentlich kam er bald wieder. So lange konnte es schließlich nicht dauern so eine Göre ins Feenreich zu holen.
Mittlerweile waren der Graf und die Gräfin mit ihrer Rede fertig. Die Feiernden tanzten zum größten Teil. Es herrschte ausgelassene Stimmung.
Lilia beobachtete wieder die Menge. Es war nichts unauffälliges zu sehen. Vielleicht blieb es heute ja wirklich ruhig. Doch Lilia glaubte das nicht wirklich. Jedes Jahr passierte auf dem Mittsommerfest etwas. Jemand wurde angegriffen, Explosionen wurden ausgelöscht oder ähnliches. Anstelle des Grafen und der Gräfin hätte sie das Fest schon längst abgesagt, aber sie wollten nichts davon hören.

Malou war endlich wieder ein mal gut drauf. Dieses Fest hatte sie dringend benötigt. Endlich etwas Abstand vom öden Alltag. Sie genoss es einfach nur mit Noel zu der tollen Musik zu tanzen. Er sah heute wieder so gut aus. Aber eigentlich sah er immer gut aus. Es freute sie ihn ausnahmsweise mal entspannt zu sehen. Die letzten Monate waren sehr anstrengend für sie gewesen. Jetzt konnte Malou ihren Kopf an Noels Schulter legen und den Abend einfach nur genießen.
Doch ganz ablenken konnte sie sich nicht. Sie machte sich Sorgen um ihre Tochter. Warum kam Jasper nicht mit ihr zurück? Wollte sie nicht? Malou konnte es nicht sagen. Es hatte ihr früher in der Seele weh getan sie weggeben zu müssen. Noch heute schmerzte es sie. Sie wusste, dass es Noel genauso ging. Natürlich spürte er auch ihre Unruhe.
„Ist irgendetwas?“, fragte er sie.
Malou schüttelte mit dem Kopf. „Ich bin nur etwas traurig. Ich vermisse sie so sehr.“
Noel wusste sofort, wen sie meinte. Sanft strich er ihr über den Rücken. „Ich auch. Aber sie wird kommen. Das weis ich.“
Malou wusste, dass Noel sie nur aufheitern wollte. Ihm zu Liebe brachte sie ein schwaches Lächeln zu Stande.
„Lass uns heute nicht darüber nachdenken.“, bat Malou ihn, obwohl sie selbst damit angefangen hatte. „Es ist so ein schöner Abend.“
„Das stimmt.“ Noel lächelte. „Das ist es.“
Schweigend tanzten sie weiter. Malou wusste, dass sie sich noch oft genug über ihre Tochter Gedanken machen würde. Sie musste ja nicht ausgerechnet heute damit anfangen. Sie tanzte lange mit Noel. Sie hatte keine Lust sich an die Tische zu begeben und sich mit den anderen Leuten zu unterhalten. Sie achtete nicht nur auf die Musik. Sie hörte auch die Grillen zirpen und die Vögel zwitschern. Selbst die Vögel waren unruhig. Sie blieben Nachts lange wach. Dieser Abend gehörte nur ihr und Noel. Wer wusste schon, wie lange sie so einen Abend nicht mehr haben würden.
Wieder wanderten ihre Gedanken zu ihrer Tochter. War es wirklich klug gewesen ihr den Traum mit Jasper zu schicken? Sie hatte selbst Noel nichts davon erzählt. Sie kannte ihre Tochter nicht. Doch Malou mochte Jasper. Sie wünschte sich für ihre Tochter jemanden wie Jasper. Sie wusste aber auch, dass sie das nicht beeinflussen sollte. Andererseits wusste sie ja noch nicht mal ob es funktioniert hatte.
Plötzlich hörte Malou ein merkwürdiges Geräusch. Und dann kamen Schreie hinzu. Erschrocken löste sie sich von Noel und fuhr herum. Das war ein Fehler gewesen wie sie später schmerzhaft feststellen sollte.

Auch Lilia hörte das Geräusch und anschließend die Schreie. Entsetzt sah sie sich um. Schwarze Gestalten eilten durch die Menge. Wo kamen sie her? Das konnte doch nicht sein. Kamen sie aus dem Nichts? Das war doch so gut wie unmöglich. Warum sollten sie? Wie sollten sie das tun? Doch Lilia fiel auch keine andere Lösung ein.
Schnell eilte sie zu dem Graf und der Gräfin. Unruhe verbreitete sich. Jetzt ärgerte sich Lilia, weil die hohen Leute weiß trugen. Sie fielen sofort in der Menge auf. Alle sieben Bodygards versuchten die beiden zu beschützen. Sie standen im Kreis um sie und griffen die in schwarz Gekleideten an. Das war leider nicht so einfach wie es aussah. Denn ihre Schwerter gingen praktisch durch sie hindurch. Die sieben Wachen waren schnell erschöpft. Sie wurden unaufmerksamer. Und dann geschah es:
Vier Wachen griffen Noel an, ohne dass seine Beschützer was dagegen unternehmen konnten. Noel kämpfte natürlich gegen sie. Aber er hatte genau so wenig Chancen wie die anderen auch. Einer der Männer stieß ihm ein Schwert ins Herz. Er brach sofort zusammen. Die schwarzen Männer verschwanden. Vermutlich hatten sie ihren Auftrag erfüllt. Malou brach weinend neben ihrem Mann zusammen. Überall lagen Leichen. Nur wenige hatten den Angriff überlebt, obwohl sie alle gekämpft hatten. Jetzt waren sie noch weniger als zuvor.
Lilia konnte noch nicht mal Mitleid mit Malou empfinden. Sie hatte dieses Fest schließlich gewollt. Lilia war von Anfang an dagegen gewesen.


Kapitel 6

Zitternd schreckte Lea aus ihrem Traum. Was hatte sie da nur geträumt? Es hatte so real gewirkt. Sie hatte Lilas Gedanken hören können. Sie war sich nicht ganz sicher, was das zu bedeuten hatte. Hatte ihr den Traum jemand geschickt und wenn ja, wer? War der Traum wirklich so geschehen? Hoffentlich nicht! Sonst wäre ihr Vater tot. Lea war klar, dass sie darüber mit Jasper reden musste. Lilia hatte seinen Namen erwähnt. Ihr wurde ganz übel, wenn sie daran dachte, in welchem Zusammenhang. Es war auch unabstreitbar gewesen, dass sie Lea als blöde Göre beschimpft hatte.
Langsam hörte das Zittern auf. Sie atmete ein paar mal tief durch. So beruhigte sie sich besser. Sie würde herausfinden müssen, ob es diese Lilia wirklich gab.
„Lea, kommst du? Wir müssen in die Schule!“, rief Jasper vom Flur aus.
Lea seufzte. Mit einem Blick auf den Wecker stellte sie fest, dass sie sich beeilen sollte.
„Gib mir zehn Minuten.“, bat Le ihn. Er stöhnte, aber er sagte nichts weiter.
Heute war Freitag. Lea lief schnell ins Bad, was an ihr Zimmer grenzte. Heute würde sie einen Mädelsabend mit Judith machen. Früher hatte sie diese Abende geliebt. Jetzt graute ihr davor. Sie war am liebsten allein. Nicht mal Jasper wollte sie in ihrer Nähe haben. Ihre Gefühle für ihn wurden immer stärker, obwohl sie mit aller Macht dagegen ankämpfte. Sie hatte Angst, dass sie die Kontrolle über ihre Gefühle verlieren würde.
Sie putzte sich schnell die Zähne, kämmte sich die Haare und wusch sich. Dann streifte sie sich eine Jeans über und ein rotes T-Shirt. Dann schnappte sie sich ihren Rucksack, den sie gestern schon gepackt hatte, und lief die Treppe herunter. Jasper wartete am Eingang. Er hatte schon seine schwarze Jacke und Schuhe an.
„Beeil dich.“, raunte er ihr zu. „Wir sind spät dran.“
„Ich weis.“, seufzte Lea und schlüpfte in ihre Jacke und ihre Schuhe. Dann gingen sie aus dem Haus.
„Was war denn los?“, fragte er skeptisch. Lea kam sonst nie zu spät.
„Ich hab schlecht geträumt. Können wir später darüber reden?“, informierte Lea ihn. Das war nichts, was man zwischen Tür und Angel besprach.
„Später bist du bei Judith.“, erinnerte Jasper sie.
„Aber noch nicht am Nachmittag.“ Dazu fiel Jasper nichts ein. Also war er still. Sie kamen eine Minute vorm Klingeln an. Lea setzte sich auf ihren gewohnten Platz neben Judith.
Lea konnte sich überhaupt nicht richtig auf den Unterricht konzentrieren. Sie musste ständig an ihren Traum denken. Nur in Kunst konnte sie sich etwas entspannen. Dort malte sie das Portrait von Leonardo Di Cabrio nach. Nicht gerade leicht, aber ihr war das ganz recht so.
In den Pausen war sie allein. Die anderen waren wie immer bei Jasper. Er hatte Judith kein zweites Mal geküsst und er hatte wie versprochen mit ihr geredet. Lea war sich allerdings nicht so sicher, ob sie das auch so aufnahm, wie er es meinte. Ständig machte sie ihm schöne Augen und war in seiner Nähe. Vielleicht sollte Lea heute Abend mit ihr über Jasper reden, aber eigentlich hatte sie da keine große Lust zu.
Lea war froh als die Schule endlich wieder vorbei war.

Am Nachmittag saßen Lea und Jasper wie immer in ihrem Zimmer. Er fragte natürlich sofort. „Also, was war heute Morgen los?“
„Ich träumte wieder vom Feenreich.“ Sie erzählte ihm von dem Angriff auf dem Fest und von dem Tot ihres Vaters. Lilia ließ sie zunächst aus.
Jasper dachte lange über ihren Bericht nach. Dann fragte er schließlich. „Du sagtest der Graf und die Gräfin seien bewacht worden. Weißt du wer sie bewacht hat?“
Lea holte tief Luft und nickte. „Lilia und Corentin. Kennst du eine Lilia?“
„Ja.“, antwortete er. „Sie ist eine gute Freundin.“ Lea wollte weiter nachhaken, aber sie traute sich nicht. Sie erzählte ihm nicht, was Lilia über Jasper gesagt hatte, obwohl sie Lea beleidigt hatte. Lea fand das zu intim.
Sie schwiegen eine Weile. Dann erkundigte sich Lea bei Jasper. Glaubst du es war real?“
„Ich weis es nicht. Es könnte auch in Zukunft irgendwann geschehen. Aber dann müsste dir den Traum jemand geschickt haben und wer sollte das sein? Keiner von den Guten.“ Er stockte plötzlich. Es huschte ein Schatten über sein Gesicht. „Es sei denn die dunklen Mächte schickten dir den Traum. Dann müssten sie sehr stark sein.“
„Glaubst du nicht die dunklen Mächte haben Diener oder so?“ Fragend sah Lea Jasper an.
Er überlegte. „Könnte sein. Aber das müsste jemand sein, der dich kennt. Ohne deinen Namen zu kennen, ist es schwer dir einen Traum zu schicken.“
„Wenn der Traum in der Zukunft liegt, müssen wir Noel retten.“ Hoffnung keimte in ihr auf.
„Vorausgesetzt du gehst mit mir ins Feenreich und ernährst dich von Feenstaub.“, bemerkte Jasper trocken.
Lea seufzte. Hätte sie doch bloß nichts gesagt.
Jetzt sah Jasper ihr tief in die Augen und ihr Herz klopfte hart gegen ihre Brust.
„Es ist aber auch möglich, dass der Traum von den Guten stammt. Vielleicht wollten sie dir zeigen wie wichtig es ist, dass du mit mir gehst.“
Lea schloss für einen Moment die Augen. „Das ist schon möglich.“
Er sah sie fragend an.
„Jasper, ich kann noch nicht von hier weg. Jetzt noch nicht.“ Sie sah ihn nicht an.
„Ich weiß. Ich hoffe bald.“ Jasper klang besorgt. Dabei wollte Lea, dass er glücklich war. Moment, seit wann wollte sie das?
„Du willst heute nicht zu Judith, oder?“, wechselte Jasper das Thema.
Überrascht sah Lea ihn an. „Woher weißt du das?“
Er lächelte. Sein Gesicht leuchtete dann immer richtig. „Ich spüre das.“
„Ich habe keine Wahl. Ich kann nicht absagen. Sie ist meine beste Freundin.“, erklärte Lea.
„Das ist doch bald egal.“, murmelte Jasper nur.
Lea ging nicht darauf ein. Er hatte Recht, aber dennoch musste sie zu Judith.
„Na, dann lass uns jetzt mal den Unterricht beginnen.“, schlug er vor.
Bevor er weiter sprach, fragte Lea ihn. „Kann ich lernen wie man Träume an andere weiterschickt?“
Jasper sah sie skeptisch an. Er zögerte. Es ist sehr schwer und kann Monate dauern. Außerdem bin ich dein einziges Versuchskaninchen.“
„Ich möchte es trotzdem lernen.“, beharrte Lea.
Jasper seufzte, aber er nickte. „Ich kann dir erklären wie es geht. Ausprobieren kannst du es nur in der Nacht, wenn du schläfst. Du kannst auch nicht beeinflussen, was für Träume du verschickst. Du kannst nicht kontrollieren, ob es geklappt hat.“
„Das ist okay.“ Damit konnte Lea leben. Auch wenn es ihr nicht besonders gefiel.
Jasper holte tief Luft. „Du musst tief und fest schlafen. Du musst vor dem Schlafen daran denken, was für einen Traum du verschicken willst. Im Tiefschlaf musst du deine Energie sammeln. Der Rest geschieht im Unterbewusstsein. Ach ja, und du musst an die Person denken, der du den Traum schicken willst.“
Lea nickte. „Ich werde es heute Nacht ausprobieren. Darf ich dich denn als Versuchskaninchen benutzen?“
Ganz langsam wie in Zeitlupe nickte er. „Wenn du willst.“
„Danke.“
„Darf ich dich mal was fragen?“ Jasper sah jetzt wieder ernst aus.
Lea nickte.
„Warum distanzierst du dich so von mir? Habe ich dir etwas getan?“
„Ich weis es nicht.“, gestand Lea.
Jasper nickte traurig und stand auf. Der Unterricht war für heute vorbei. Er verließ das Zimmer.
Lea blieb nachdenklich zurück. Wieso mochte sie Jasper bloß so sehr?


Kapitel 7

Um halb 8 war sie bei Judith. Ihre Freundin war alleine zu Hause. Lea war erleichtert. Sie waren nett, aber manchmal auch anstrengend.
Lea und Judith setzten sich auf Leas Couch und guckten Fernsehen. Sie aßen dabei Chips und tranken Cola. Judith hatte ihr auch Sekt angeboten, aber Lea hatte abgelehnt, damit die Sache mit dem Traum klappte. War es wirklich sicher, das bei Judith auszuprobieren? Sie musste es testen.
„Tut mal wieder gut was zusammen zu machen, oder?“, fragte Judith sie.
„Ja.“, log Lea. „Ist mal wieder eine gute Abwechslung.“
„Seit Jasper da ist, hast du dich verändert.“, bemerkte Judith. „Du bist zurückhaltender als vorher.“
„Ich will halt auch mal wieder meine Ruhe haben.“ Lea zuckte mit den Achseln.
„Kann ich einerseits verstehen und andererseits auch nicht. Jasper ist so charmant so süß und so lustig und so zärtlich.“, schwärmte sie.
Lea verdrehte die Augen, sagte aber nichts.
„Und er kann so gut küssen.“, fügte sie ihrer Schwärmerei noch hinzu.
Lea holte tief Luft und knabberte an ihrem Chip.
„Wenn ich mich recht erinnere, hat er dir gesagt, dass er nichts von dir will. So was hat er erwähnt.“
„Ja, schon. Aber das glaub ich nicht. Das hat er nur so gesagt. Ich glaube schon, dass er was von mir will.“ Judith strahlte. Ihre haselnussbraunen Augen glänzten.
„Da bin ich anderer Meinung.“, murmelte Lea.
„Hey, da kommt ein Film mit Hugh Grant. Wollen wir den gucken?“, fragte Judith. Sie liebte Hugh Grant.
„Warum nicht.“ Lea war es sowieso egal was für einen Film sie guckten. Hauptsache sie hatte Ruhe zum Nachdenken. Und Hugh-Grant-Filme waren meistens gut. Besonders Notting Hill, der zufällig heute kam.
Die meiste Zeit guckten sie den Film Hin und wieder kommentierte Judith den Film und Lea nickte dann. Im Grunde machte sich Lea aber darüber Gedanken, was sie Jasper für einen Traum schicken konnte.
Als der Film zu Ende war, standen Judith Tränen in den Augen.
„Der war so schön.“
„Ja.“, stimmte Lea ihr zu.
Judith machte den Fernseher aus und schaltete das Licht an.
„Nächsten Samstag ist wieder eine Strandparty.“, erzählte Judith.
„Kommst du auch?“, fragte sie.
„Ist Jasper da?“, wollte Lea wissen.
„Ich denke schon.“, antwortete Judith.
„Ich muss gucken ob ich Zeit hab.“ Lea wollte nichts versprechen.
Judith nickte. „Natürlich.“
Die Mädchen unterhielten sich noch lange. Schließlich gingen sie ins Bett.
Lea schlief nicht sofort. Sie überlegte erst noch, was sie Jasper für einen Traum schicken sollte. Wie wäre es mit Geschichten aus ihrer Kindheit? Schließlich hatte sie sich entschieden und schlief schnell ein.

Ein Mann und eine Frau gingen durch den Wald. Sie hatten sich verirrt. Der Mann wurde wütend. Das konnte ja wohl nicht sein. Er kannte sich hier doch so gut aus. Er konnte sich doch hier nicht verirren. Das musste ein Irrtum sein.
Es war heiß. Dabei trugen der Mann und die Frau nur Sommerkleider. Seine Frau trug ein schönes, grünes Sommerkleid. Das, das so gut zu ihren grünen Augen passte und dem glatten, blonden langen Haar. Und grüne Schuhe trug sie auch. Er selbst trug eine schwarze Lederjacke und ein rotes T-Shirt. Seine blonden Locken standen ihm zu Berge. Sie konnten hier nicht ewig bleiben. Nachts wurde es ziemlich kalt.
„Wo sind wir?“, fragte Elaine ihren Mann.
Woher sollte er das wissen? Doch zu seiner Frau sagte er. „Wir sind bestimmt gleich da. Der Graf und die Gräfin warten bestimmt schon.“ Livas wollte nicht, dass sie sich aufregte.
Doch das funktionierte nicht. Natürlich nicht. Sie war viel zu schlau. Es wurde jetzt schon kälter.
Die beiden gingen weiter in den Wald hinein. War da ein seltsames Geräusch gewesen? Bestimmt nur Vögel. Der Mann versuchte sich zu beruhigen. Doch er glaubte nicht daran. Es war alles so seltsam. Er war sich sicher gewesen auf dem richtigen Weg zu sein. So sicher! Was war hier bloß los?
„Wir kommen immer tiefer in den Wald.“, befürchtete Elaine.
„Ach Quatsch.“, wehrte Livas ab, doch sie hatte Recht. Livas war frustriert.
Dann kamen plötzlich schwarze Gestalten. Und eine Frau. Die Frau kam Livas seltsam bekannt vor. Aber sie sah jetzt ganz anders aus. Ihre Haare waren kurz und schwarz und sie sah irgendwie böse aus. Sie trug weiß.
„Was willst du hier?“, fragte Livas sie.
„Ich will Jasper leiden sehen.“, erklärte sie. Verwirrt sah Livas die Frau an. Elaine klammerte sich an ihn.
Dann bekam Livas plötzlich keine Luft mehr. Er begriff sehr schnell, dass das an der Magie der Frau liegen musste. Er wollte sich wehren, doch er konnte es nicht. Seiner Frau erging es nicht anders. Nach kurzer Zeit waren sie beide tot.
Die Frau lächelte und verschwand.

Zitternd erwachte Lea aus dem Schlaf. Das war nicht der Traum gewesen, den sie Jasper schicken wollte. Sie verstand auch nicht die Bedeutung des Traums. Sie musste nach Hause zu Jasper und mit ihm darüber reden. Sofort!


Kapitel 8

Als Lea zu Hause ankam war es ungewöhnlich still. Sie zog ihre Jacke und ihre Schuhe aus und eilte dann ins Wohnzimmer. Dort war ihr Großvater. Er saß dort und sah Fernsehen. Wie immer. Als er Lea bemerkte, sagte er ihr:
„Geh bitte hoch zu Jasper. Er redet nicht mehr und zittert die ganze Zeit.“
Ohne ihm zu antworten flitzte sie hoch. Ihre Großmutter war bei Jasper. Sie ging als Lea kam. Lea sah, dass ihr Großvater Recht hatte. Sie setzte sich neben ihn und nahm ihn in ihren Arm. „Was ist denn los, Jasper?“
Jasper kuschelte sich eng an sie. Es dauerte eine ganze Wei-le bis er sich so weit beruhigt hat, dass er reden konnte. Er zitterte immer noch. Lea wartete geduldig. „Dieser Traum von meinen Eltern.“ Seine Stimme brach. Nach einer Weile berichtete er weiter. „Hast du mir den Traum geschickt?“
„Von deinen Eltern?“, fragte Lea verständnislos. „Aber die kenne ich doch gar nicht.“
Und dann erzählte Jasper von seinem Traum. Von dem ver-wirrten Ehepaar. Von dem Tot des Ehepaares. Lea begriff, dass es ihr Traum war. Woher kannte Jasper ihn so haarge-nau? Und dann dämmerte es ihr! Sie hatte unbewusst ihren Traum an Jasper weiter gegeben. Und das Ehepaar waren anscheinend seine Eltern.
„Oh Jasper, das wollte ich nicht. Bitte, du musst mir glau-ben. Ich hab das geträumt. Für dich hatte ich einen anderen Traum geplant. Eine Erinnerung aus meiner Kindheit.“ Lea wiegte Jasper jetzt in ihren Armen. Alleine seine Haut auf ihrer zu spüren war wie Feuer.
„Es tut mir so Leid.“, sagte sie noch ein mal.
„Warum? Ich wusste doch schon, dass meine Eltern tot sind. Warum musste ich ihren Tot noch ein mal durchleben?“, fragte er. Sein Herz war gebrochen. Er war nervlich am En-de.
Lea kannte die Antwort. Sie dachte an die Frau, die kurz vorm Tot von Jaspers Eltern gesagt hatte, sie wolle Jasper leiden sehen. Aber wofür sollte er leiden? Was hatte er ge-tan?
Sie weinte still und leise vor sich hin. Jasper durfte nicht leiden. Er sollte glücklich sein. Das war ihr plötzlich glas-klar.
Urplötzlich löste er sich aus ihrer Umarmung und ver-schwand. Lea weinte weiter.

Jetzt war es Jasper, der Lea aus dem Weg ging. Er brach ihr das Herz. Er ging morgens nicht mehr mit ihr zusammen in die Schule. Sie trafen sich erst am Schulgebäude. Er gab ihr auch keinen Unterricht mehr. Lea fragte sich die ganze Zeit was sie falsch gemacht hatte. Glaubte er sie hätte ihm den Traum mit Absicht geschickt?
Was aber das allerschlimmste war, war dass er wieder Judith küsste. Jedes Mal, wenn sie das sah, bebte sie innerlich. Sie spürte, dass sie eifersüchtig war. Natürlich saß sie in den Pausen immer allein. Selbst Judith kam nicht mehr zu ihr.
Lea war frustriert. Vielleicht war es doch das Beste, wenn sie mit Jasper ins Feenreich ging. So wie es seit dem Tag lief, an dem sie Jasper getröstet hatte, war das wirklich nicht mehr schön.
Es gab nur einen Ausweg. Sie musste mit Jasper reden. So konnte es nicht weitergehen.
Deshalb ließ sie sich heute nicht abwimmeln. Im Gegenteil. Sie ging auf dem nach Hause Weg neben ihm her.
„Wir müssen reden.“
Er schwieg.
„Ich hab dir den Traum nicht geschickt. Warum bist du sau-er auf mich? Warum gehst du mir aus dem Weg?“
Er schwieg weiter.
„Jasper rede mit mir.“, bat Lea ihn. „Bitte!“
Lea seufzte. Was hatte sie so schlimmes getan? Und wie konnte sie es wieder gutmachen?
„Ich schlucke auch Sternenstaub. Ich tue alles, was du willst. Nur rede mit mir, bitte!“, bot Lea ihm an.
Jasper sah sie skeptisch an, doch er sagte nichts.
„Was hab ich böses getan?“, fragte Lea verzweifelt.
Doch Lea erhielt weiterhin keine Antwort.
„Hast du die Botschaft aus dem Traum nicht verstanden?“, fragte Lea jetzt. Sie wollte ihn nicht schon wieder daran er-innern, doch er ließ ihr keine Wahl. Jemand will dich leiden sehen. Willst du das zulassen?“
Wieder nur schweigen. Sie seufzte und gab auf.

In ihrem Zimmer baute sie sich einen Plan zurecht. Sie musste Jasper erneut einen Traum schicken, auch wenn es ihr zuwider war. Aber es sollte eine Art Botschaft sein. Eine Liebesbotschaft. Er sollte von ihrer Liebe handeln. Es muss-te klappen.
Also sammelte sie in sich all die Energie vorm Schlafenge-hen, die sie brauchte und dachte an Jasper und den Traum, den sie ihm schicken wollte.


Kapitel 9

Lea und Jasper waren auf einer Blumenweise im Feenreich. Die Sonne schien, die Vögel zwitscherten und Lea und Jasper lagen auf dem Rücken auf der Blumenwiese. Sie genossen eine Weile die Stille und störten sie nicht. War das schön!
Plötzlich nahm Jasper Leas Hand und drückte sie. ER drehte seinen Kopf zu ihr und lächelte. Sein schönes, atemberaubendes Lächeln. Lea lächelte zurück. Lea war so glücklich. Jasper war ein toller Mann, Elf. Sagte man zu Elfen auch Mann? Lea wusste es nicht. Sie beschäftigte sich auch nicht weiter mit diesem belanglosen Gedanken.
„Bist du glücklich?“, fragte Jasper sie.
„Ja.“ Es war die reine Wahrheit. „Und du?“
„Ja.“ Er lächelte. Dann lauschten sie wieder den Vögeln.
Auch die darauf folgende Stille durchbrach Jasper wieder. „Warum haben wir eigentlich so lange gebraucht um zu merken, was wir füreinander empfinden?“
„Ich weis es nicht. Haben wir wirklich so lange gebraucht?“, antwortete Lea.
„Nein.“, gab Jasper zu. „Ich wusste es vom ersten Augenblick an. Ich glaube wir haben es nur beide nicht akzeptiert.“
„Ja, das kann sein.“
Er drückte Leas Hand noch fester. Tausend Schmetterlinge flatterten in ihrem Bauch und Jaspers Berührungen kribbelten überall. Sie war sich dessen überdeutlich bewusst. Diese Liebe war so schön, so rein. Sie machte Lea so glücklich. Und sie wusste, dass Jasper auch glücklich war. Das machte ihr mehr Freude als alles andere auf der Welt. Jasper war ihr so wichtig geworden.
Sie versuchte sich auf die Magie dieser Wiese zu konzentrieren. In dieser Welt war überall Magie. Aber hier auf der Wiese war sie am stärksten. In der Ferne hörte sie den Wasserfall rauschen. Sie hörte die Vögel hier lauter zwitschern. Außerdem waren da noch andere Tiere. Libellen, kleine Käfer jeglicher Art, Grillen und sonstige Kleintiere. Es schien als seien sie alle glücklich, weil Lea und Jasper glücklich waren. Außerdem spürte sie die warme Sonne auf ihrer Haut. Es war einfach wunderbar.
„Ich glaube wir müssen zurück.“, bemerkte Jasper nun. „Die anderen machen sich bestimmt schon Sorgen.“
„Aber ich will nicht zurück.“, beschwerte sich Lea. Aber so war Jasper. Pflichtbewusst und nie richtig entspannt.
„Ich auch nicht, aber wir müssen.“, beharrte er.
Lea seufzte, aber sie gab nach. „Na gut.“ Sie stand auf. Auch Jasper stand auf. Sie liefen Hand und Hand Richtung Heimat.

Lea wachte auf und erschrak. Der Traum war so schön gewesen. Tränen standen ihr in den Augen. Hatte sie diesen Traum Jasper geschickt? Sie hoffte nicht. Was sollte er denn von ihr denken?
Als sie aufstand verspürte sie ein leichtes Kribbeln im Bauch. Bestimmt Nachwirkungen von ihrem Traum. Sie seufzte. Manchmal waren Träume eben schöner als das Leben.
Heute war Sonntag. Sie machte sich schnell fertig. Es war schon spät und Sonntags unternahm sie meist etwas mit ihren Großeltern. Eigentlich hatte Lea dazu gar keine Lust heute. Sie nahmen Jasper nicht mit. Sie kamen immer noch nicht besonders gut mit ihm aus.
Zu ihrer Überraschung saß Jasper heute mit am Küchentisch. Die ganzen letzten Wochen hatte er das vermieden.
„Ah, da bist du ja. Du hast ja lange geschlafen.“, bemerkte ihre Großmutter.
„Ja, kann sein.“, gab Lea zu. Sie setze sich neben Jasper. Er zuckte nicht zurück, sagte aber auch nichts.
„Und was wollen wir heute unternehmen?“, fragte ihr Großvater sie.
„Ich weis nicht genau.“ Lea guckte aus dem Küchenfenster. „Das Wetter ist ja nicht so toll.“
„Das stimmt.“, gab ihr Großvater zu. „Wir könnten eine Burg besichtigen.“
„Oder einfach mal zu Hause bleiben.“, schlug ihre Großmutter vor.
„Elke....“, begann ihr Großvater.
„Ist doch wahr.“ Elke ließ ihn nicht ausreden. „Wir müssen doch nicht immer weg, Dustin.“
Ihr Großvater dachte kurz darüber nach. „Ja, das mag sein.“, räumte er schließlich ein.
„Wir können doch auch einfach im Wohnzimmer sitzen und gemütlich Spiele spielen.“, überlegte Elke nun.
„Stimmt. Das wäre toll.“, pflichtete Lea ihrer Großmutter bei.
Jasper beteiligte sich nicht an dem Gespräch. Er war auffallend ruhig. Plötzlich stand er auf und räumte seinen Teller in die Spüle. „Ich geh dann mal nach oben.“
Lea drehte sich um und sah ihm hinterher als er verschwand. Sie wartete noch eine Weile. Dann stand sie auf und ging. Sie wollte nach Jasper sehen. Sie fand ihn oben auf seinem Zimmer, dass sehr schlicht eingerichtet war. Ohne besondere Besitztümer. Er lag auf seinem Bett.
„Jasper?“, flüsterte sie zaghaft.
Er sah sofort auf und lächelte sie an. Ihr Herz schlug Purzelbäume.
„Komm rein.“, bat er sie.
Lea schloss die Tür hinter sich. Sie wollte sich auf den Stuhl setzen, doch Jasper hatte sich bereits hingesetzt und zog sie neben sich auf sein Bett. Er nahm ihre Hand in seine.
„Ich hab dich vermisst.“, flüsterte er.
„Ich dich auch.“, gestand Lea ihm. Seine Worte warne wie Balsam in ihrer Seele. Doch woher war der Sinneswandel gekommen? Hatte Lea etwas verpasst?
„Der Traum.“, begann er zu erzählen als hätte er ihre Gedanken gelesen. „War wunderschön.“
Lea brauchte einige Zeit bis sie begriff was das bedeutete. Dann kam der Schock. Er hatte diesen Traum bekommen? Oh mein Gott. Automatisch wurde sie steif.
„Aber er war nicht nur von dir.“, erzählte Jasper Lea. „ich wollte dir etwas ähnliches schicken und so flossen unsere Träume ineinander. Es ist mir mit deiner Hilfe gelungen.“ Er drückte ihre Hand fester.
„Oh Jess.“, seufzte Lea. Jetzt sah sie ihn auch endlich an. Er hatte den Blick fest auf sie gerichtet.
„Ich liebe dich seit dem ersten Tag.“, erklärte Jasper weiter. „Deshalb tat es mir auch weh, dass du mich als deinen Cousin ausgegeben hast und dass du mir ausgewichen bist.“
Lea traten Tränen in die Augen. Er liebte sie? Konnte das sein?
„Oh Jasper, ich liebe dich auch. Es tut mir so Leid.“
Er strich ihr sanft die Tränen aus den Augen. Unter seiner Berührung erzitterte sie.
„Mir tut es auch Leid. Ich weis nicht warum ich Judith geküsst hab und warum ich dich allein gelassen hab.“, entschuldigte sich Jasper bei ihr.
„Oh Jasper....“, sagte Lea traurig. Sie warf sich im in die Arme und der streichelte ihr sanft über den Rücken. Es kribbelte dort noch eine ganze Weile weiter. Dann plötzlich erinnerte sie sich an Lilias Worte. Das er flatterhaft war und sich nicht gern auf eine Frau festlegte. Stimmte das? Was, wenn er Judith genau das selbe gesagt hatte wie ihr eben? Sie wurde nervös und löste sich sanft aus seiner Umarmung.
„Was ist los?“, wollte er wissen. Er klang besorgt.
„Meinst du das wirklich ernst? Was du eben gesagt hast? Das du mich liebst! Ich bin nämlich keine für One-Night-Stands oder so.“ Sie sah ihn nicht an. Wieso musste sie an ihm zweifeln?
„Ich meine es vollkommen ernst. Ich liebe dich. Ich will keine andere.“, erklärte er.
„Und was ist mit Lilia?“, fragte Lea so leise, dass sie sich selbst kaum verstehen konnte. Jasper jedenfalls hatte sie verstanden.
„Was soll mit ihr sein? Sie ist eine Freundin. Nichts weiter.“ Skeptisch sah er sie an.
„Sieht sie das auch so?“
„Ich denke schon.“
„Ich glaube nicht.“
„Wie meinst du das?“ Jasper war irritiert. Lea sah ihn immer noch nicht an.
„Ich hab dir nicht alles von meinem ersten Traum von der Feenwelt erzählt. Lilia hat einige Dinge gesagt, die sehr intim waren. Sie ist nur wegen dir Beschützerin von Mum und Dad. Eigentlich hasst sie sie. Sie liebt dich, aber sie findet es okay, wenn du nur Sex von ihr haben willst und dich nicht festlegen willst. Sie sagt das sei besser als gar nichts.“ Hatte sie zu viel gesagt? Hätte sie besser schweigen sollen?
Jasper zuckte leicht neben ihr zusammen. Er schloss für einen Moment die Augen und atmete tief durch.
„Ich liebe sie nicht. Ich wusste nicht, was sie fühlt. Sonst hätte ich sie anders behandelt.“ Jetzt sah er Lea tief in die Augen. „Ich liebe dich.“
„Und ich liebe dich, Jasper. So sehr. Mehr als alles andere auf der Welt.“


Kapitel 10

Jasper ließ sie nicht mehr allein. Selbst zu den anderen zog er sie mit sich. Sie küssten und umarmten sich nicht in der Öffentlichkeit. Die anderen glaubten ja schließlich er sei ihr Cousin. Aber Jasper küsste auch keine andere mehr. Er tat nichts, was Lea verletzen könnte.
Er gab Lea auch wieder weiterhin Unterricht. Ihr war aber auch aufgefallen, dass er ihr nicht gesagt hatte, warum er ihr aus den Weg gegangen war. Das tat ihr immer noch ein bisschen weh.
Jeden Tag fragte er sie ob sie Sternenstaub schlucken würde und ob sie mit ihm ins Feenreich kommen würde. Sie verneinte jedes Mal, aber sie konnte nicht ewig so weiter machen. Jasper war jetzt fast ein halbes Jahr hier und die Zeit rannte.
Lea wurde oft schwindelig und schlecht. Sie fragte sich ob das am mangelnden Sternenstaub lag. Doch sie verwarf den Gedanken schnell wieder.
Als sie heute auf dem Schulhof stand, wurde ihr wieder komisch. Sie hielt sich an Jaspers Schulter fest.
„Ist was, Süße?“, flüsterte er ihr besorgt zu.
„Nein, alles in Ordnung.“, versicherte Lea ihm. Eine Lüge, aber sie wollte ihn nicht beunruhigen. Dann passierte es. Lea kippte und ihr wurde schwarz vor Augen. Sie merkte noch wie jemand sie auffing. Jasper vermutlich. Sie hörte noch wie jemand rief. „Ruft einen Arzt!“, und Jasper daraufhin sagte: „Nein, keinen Arzt. Ich werde sie nach Hause bringen.“ Dann war sie weg.

Als Lea wieder zu sich kam war sie verwirrt. Sie lag in ihrem Zimmer. In ihrem Bett. Wo war Jasper? War er schon zurück im Feenreich? Hatte er sie aufgegeben? Panik keimte in ihr auf. Doch nicht ihr Jasper!
„Jasper!“, keuchte sie.
Und dann hörte sie diese vertraute, wunderschöne Stimme. „Ich bin hier!“
Sofort setzte er sich neben sie aufs Bett und hielt ihre Hand. Er sah unglaublich besorgt aus. Wie hatte sie glauben können, dass er ohne sie wegging?
„Es ist alles in Ordnung, Süße. Du brauchst nur Ruhe.“ Sie merkte wie unglaublich erleichtert er aussah. „Ich bin hier. Ich gehe nicht weg.“
Lea beruhigte sich etwas. Jasper war da und er blieb bei ihr. Das war das wichtigste. Dann kam ihr eine andere, erschreckende Idee.
„Jasper, hast du....?“
Er ließ sie nicht ausreden. Er wusste genau, was sie meinte. Er kannte sie schon so gut.
„Nein. Es ist alles in Ordnung. Ich habe dir keinen Sternenstaub gegeben. Ich tue nichts, was du nicht willst.“
„Bitte gib es mir.“, bat Lea.
Skeptisch sah er sie an. „Bist du sicher?“
„Mehr als das. Ich habe ja gespürt, was passiert, wenn ich es nicht nehme.“, nickte sie.
Jasper nickte. Er holte das rote Säckchen aus der Tasche, die Lea mittlerweile so vertraut war. Dann gab er ihr eines der kleinen Kügelchen auf die Hand. „Du musst es im Mund zergehen lassen. Du darfst es auf keinen Fall runter schlucken. Es muss sich auf der Zunge auslösen.“
Lea nahm die Kugel in den Mund und ließ sie auf der Zunge zergehen. Das gleiche tat sie mit einer zweiten Kugel. Dann steckte Jasper das Säckchen wieder ein. Er sah erleichtert aus.
„Hm. Schmeckt nach Zitrone.“, fand sie. Jasper lächelte.
„Wie fühlst du dich?“
„Besser.“, erklärte Lea. Es war tatsächlich so. Sie fühlte sich stärker und ausgeruhter.
„Schlaf ein bisschen.“, riet Jasper ihr. „Das wird gut tun.“
„Jasper, wirst du da sein, wenn ich aufwache?“, fragte Lea.
„Ja, das werde ich.“, versprach er.
Also konnte Lea in Ruhe schlafen.

Als sie das nächste mal aufwachte, saß Jasper immer noch neben ihr. Er lächelte.
„Hallo.“, sagte er.
„Hi.“ Lea lächelte. Ihr Herz hüpfte vor Freude.
„Jasper, ich will mit dir ins Feenreich.“, erklärte Lea ihm plötzlich. „ich brauche nur noch ca. eine Woche Zeit.
„Wir müssen jetzt nicht darüber sprechen.“, fand Jasper.
„Doch müssen wir. Ich hab es viel zu lange aufgeschoben. Gibst du mir noch eine Woche Zeit?“, beharrte Lea.
„Selbstverständlich. Du musst sowieso erst mal wieder zu Kräften kommen.“
Lea drückte seine Hand. „Meine Großeltern können nicht mitkommen, oder?“
„Nur, wenn sie wollen. Ich glaube nicht, dass sie das tun.“
Lea sah traurig aus. Sie musste ihre Großeltern verlassen. Sie hatten so viel für sie getan. Aber die Hauptsache war, dass sie mit Jasper zusammen war. Sie würde sich verabschieden müssen. Sie musste den anderen mitteilen, dass sie wegging. Umzog. Vielleicht nach Japan oder Australien.
„Alles in Ordnung?“, fragte er besorgt.
„Ja. Ich bin mir jetzt total sicher, dass ich mit ins Feenreich möchte.“
„Das ist schön.“
Sie war glücklich. Doch ihr war klar, dass im Feenreich auch schlechte Zeiten auf sie zukommen konnten. Sie würde fiel Leid erfahren. Aber sie würde nicht zulassen, dass Jasper irgendetwas geschah. Sie würde auf ihn aufpassen. Und sie wusste, dass er auch auf sie aufpassen würde. Sie vertraute ihm. Sie liebte ihn.
Heute schlief Jasper neben ihr im Bett. Sie kuschelte sich eng an ihn.


Kapitel 11

Sie bereitete sich auf den Abschied vor. Sie musste sich was einfallen lassen. Angeblich irgendwo hinziehen wo man sie nicht erreichen konnte. Lea hatte das Gefühl, dass ihre Mitschüler nicht so doll vermissen würden. Eher Jasper.
Die Woche war viel zu schnell umgegangen. Schon morgen würden Jasper und sie von hier fortgehen. Sie freute sich zwar, aber sie würde diese Welt auch vermissen. Ihre Großeltern würden sie nicht begleiten.
„Bist du traurig?“, fragte Jasper sie auf dem Weg zur Schule. Ihr letzter Schultag. Sie trauten sich nicht Hand in Hand zu gehen. Hier waren sie immer noch Cousine und Cousin.
„Ein bisschen.“, gab Lea zu.
Jasper schwieg den Rest des Weges.
In der ersten Stunde hatten sie Biologie bei ihrem Klassenlehrer. Er wusste schon, dass sie die Schule verlassen würde.
Die Unterrichtsstunden waren wie immer. Nichts außergewöhnliches. Als würde sie nicht gehen.
In den Pausen war sie bei der Gruppe, die um Jasper versammelt stand. Keiner beachtete sie groß. Nur Jasper schenkte ihr seine Aufmerksamkeit. Selbst Judith redete nicht mehr mit ihr. Sie war sauer, weil Jasper sich nur noch um Lea kümmerte. Das machte Lea traurig.
Lea atmete tief durch. Irgendwann musste sie es den anderen ja sagen.
„Ich werde euch verlassen. Ich werde gehen.“ Ohne Vorwarnung. Sie sagte es einfach so.
Keiner schenkte ihr große Beachtung. Nur Judith drehte sich zu ihr um.
„Na endlich. Dann habe ich Jasper wenigstens für mich allein. Keine nervige Lea mehr.“
Lea kämpfte mit den Tränen. Sie merkte wie Jasper wütend wurde. Seine Hände waren zu Fäusten geballt. Lea berührte sanft und unauffällig seinen Arm um ihn zu beruhigen.
„Ich gehe aber auch.“, erklärte Jasper nun.
Alle drehten sich zu ihm um. Sahen ihn geschockt an.
„Das kannst du nicht machen. Ich dachte wir wären ein Paar.“, beschwerte sich Judith.
Lea schloss die Augen und holte tief Luft.
„Nein, das waren wir nie. Das hab ich auch versucht dir zu erklären.“, erklärte Jasper ihr. „Es stimmt auch nicht, dass Lea meine Cousine ist. Ich bin ein Freund der Familie, ja. Aber nicht mit ihr verwandt. Und ich bin mit ihr zusammen.“
Geschockt sah Lea Jasper an, doch Jasper lächelte sie nur an und nahm seine Hand in ihre. Die anderen sahen ihn ebenfalls geschockt an.
„Verräterin!“, zischte Judith. Die anderen benutzen noch schlimmere Begriffe. Das also war ihr Abschied, alle hassten sie. Alle außer Jasper. Und das war das wichtigste. Sie brauchte wohl nicht befürchten, dass jemand sie besuchen wollte. Eigentlich sollte sie froh darüber sein. Aber sie war traurig.

Den Abend verbrachte sie mit ihren Großeltern. Jasper hatte sich nach oben zurückgezogen. Sie wollte noch ein mal mit ihnen allein sein.
„Du musst nicht gehen, das weist du!“, sagte Dustin gerade.
„Ich weis, aber ich will. Ich liebe Jasper und ich will nicht, dass er hier in der Menschenwelt altert. Außerdem braucht das Feenreich mich.“
„Aber du musst trotzdem nicht.“, beharrte er.
„Dustin.“, wies ihre Großmutter sie zurecht. „Jetzt lass ihn doch. Du hast doch gehört, sie will.“
Lea lächelte sie dankbar an. Es fiel ihr schon schwer genug ihre Großeltern zurück zu lassen zurück zu lassen.
„Na gut, dann soll es eben so sein..“, gab Justin schließlich nach.
Sie hatten einen sehr schönen Abend. Sie guckten fern und spielten Spiele. Sie unterheilten sich über die Vergangenheit und vermieden das Thema Zukunft. Als der Abend sich dem Ende neigte, fand ihre Großmutter. „Du solltest ins Bett gehen. Morgen musst du früh raus.“
Lea nickte, stand auf und umarmte ihre Großeltern. Dann ging sie hoch. Allerdings wollte sie erst noch zu Jasper. Vorsichtig öffnete sie die Tür. Das Licht war schon aus.
„Jasper?“, flüsterte sie. „Schläfst du schon?“
„Nein.“, kam seine Stimme aus der Dunkelheit.
„Darf ich reinkommen?“, fragte sie Jasper.
„Ja.“ Er machte das Licht an.
Lea setzte sich auf sein Bett. Er nahm sofort ihre Hand in seine.
„Ist alles in Ordnung?“, fragte er.
„Ja.“, lächelte Lea.
„Legst du dich neben mich?“, fragte er.
„Ja.“ Sie legte sich neben ihn und kuschelte sich an ihn.
„Bist du sicher, dass du mit mir gehen willst?“
„Ja, ich liebe dich Jasper.“
Er holte tief Luft und schien nervös zu sein.
„Ich war nicht ganz fair zu dir. Ich liebe dich auch. Über alles auf der Welt. Aber im Feenreich wird alles etwas anders werden. Ich werde dort so etwas wie ein Diener sein und du so etwas wie eine Königin.“, gestand er ihr. „Wir werden in zwei verschiedenen Welten leben.“
„Aber Jasper, ich liebe dich.“, beschwerte sich Lea. „Du bist mein Freund. Ich kann auch sicher was regeln, damit du kein Diener mehr bist.“
„Das ist nicht ganz so einfach. Ich hätte meine Gefühle zu dir einfach besser unter Kontrolle haben müssen. Ich hätte mich nicht so gehen lassen dürfen.“ Jasper liefen Tränen über sein hübsches Gesicht. „Es tut mir Leid.“
„Jasper, ich...“ Leas Stimme brach. Wollte sie wirklich noch ins Feenreich? Sie hatte dort mit Jasper zusammen leben wollen.
„Ich kann verstehen, wenn du mich jetzt nicht begleiten willst.“, flüsterte Jasper.
„Ich will aber. Mit dir so zu leben ist besser als gar nicht.“ Sie hatte ähnliche Worte schon ein mal gehört. Lilia hatte sie in dem Traum benutzt.
Jasper hielt Lea ganz fest und sagte nichts mehr. Lea kuschelte sich an ihn. Sie hatten nur noch diese Nacht. Sie hatte nicht vor was davon zu verschwenden. Fast verzweifelt klammerte sie sich an ihn. Sie liebte ihn so sehr.


Kapitel 12


Früh am Morgen wachte Lea neben Jasper auf. Sie betrachtete ihn einfach nur eine ganze Weile. Er sah so gut aus mit seinen blonden Locken und den schönen blauen Augen. Seine Brust war momentan nackt. Er trug nur eine Unterhose. Sie fragte sich wie sie in Zukunft leben würden. Sie durften nicht zusammen sein. Aber lieber das, als wenn sie ihn gar nicht mehr sah. Sie hatte sich so an ihn gewohnt. Sie war neugierig auf ihre Eltern und auf die neue Welt, in die sie ging. Würde sie sie wirklich retten können? Sie hoffte es. Sie wollte es.
Langsam bewegte sich Jasper. Er wurde wach. Er blinzelte ein paar mal und schlug dann die Augen auf. Er lächelte sie an.
„Guten Morgen.“, begrüßte er sie.
„Guten Morgen.“ Lea war nicht so richtig zum Lächeln zu Mute.
Sie nahm den kleinen Beutel auf Jaspers Nachttisch. Sie öffnete ihn und nahm sich zwei Kügelchen Sternenstaub hinaus. Ihre tägliche Dosis. Sie war während der einen Woche, die sie nun Sternenstaub nahm, viel stärker geworden.
„Braves Mädchen.“, war nur Jaspers Kommentar dazu.
„Das Zeug ist gar nicht schlecht.“, fand Lea.
Sie blieben noch eine Weile liegen. Dann standen sie auf. Sie frühstückten mit Leas Großeltern und blieben noch eine Weile bei ihnen sitzen. Dann mussten sie sich verabschieden.
„Danke für alles.“, sagte Lea nur.
„Wir würden es immer wieder tun.“, erklärte Dustin. Elke stimmte ihm zu.
Lea lächelte sie an. Dann nahm sie den Koffer in die Hand, wo sie ihre wichtigsten Sachen drin verstaut hatte.
Jasper ging zum Waldrand. Dort blieb er stehen und drehte sich noch ein mal zu ihr um.
„Ich muss dir noch etwas beichten.“, begann er.
Lea seufzte. „Ich weis nicht, ob ich noch mehr ertragen kann.“
„Es ist nur, dass wir hier anders heißen.“, erklärte er. „Also im Feenreich.“ Er machte eine Pause. „Du wirst in der Feenwelt Linnea genannt. Lea ist nur die Abkürzung. Deine Eltern fanden es besser, wenn du hier anders heißt als in Wirklichkeit.“
Lea nickte. Damit konnte sie gerade so leben.
„Und du?“, fragte sie Jasper.
„Mein richtiger Name ist Jerome. Jasper benutze ich als Decknamen, wenn ich außerhalb des Feenreichs unterwegs bin.“, erklärte er ihr.
„Okay, das kann ich akzeptieren. Dann sind wir ab jetzt also Linnea und Jerome.“
„Ja.“, nickte Jerome.
Er zögerte. Dann ging er zu Lea. Umarmte und küsste sie lange und zärtlich.
„Ich liebe dich über alles. Auch wenn ich nicht mehr so oft bei dir sein kann, bin ich immer in deiner Nähe. Ich werde dich beschützen.“
Lea standen die Tränen in die Augen. Schnell wischte sie sie weg. „Ich liebe dich auch über alles.“
„Okay, dann los.“ Er holte tief Luft. Mit der Hand beschrieb er einen Kreis in die Luft. Es erschien Feuer um ein Loch herum. Dahinter war nichts zu sehen.
„Keine Angst. Es tut nicht weh hindurch zu gehen.“, versicherte Jerome ihr.
Lea nickte, holte tief Luft und rannte durch das Loch. Jerome tat es ihr nach.

Ende Teil 1

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Tag der Veröffentlichung: 15.05.2010

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