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Prolog


Die Wahrheit war: Es tat weh. Es tat sogar ungeheuerlich weh. Ein stechender Schmerz, der nicht verschwinden zu wollen schien. Dennoch leugnete ich diesen Schmerz. Zumindest ihm gegenüber.
Es war mir von Beginn an klar gewesen, dass der heutige Tag kommen würde, dennoch bereute ich meine Entscheidung. Ich hätte niemals einwilligen dürfen und dennoch hatte ich es getan. Ich war mir gewiss, dass wenn ich noch einmal vor die gleiche Wahl gestellt werden würde,genau die gleiche Entscheidung treffen würde. Ich konnte nicht anders. Ich liebte ihn. Liebe ihn immer noch. Es war egal wie oft ich mir sagte, dass es nur eine alberne Hormonreaktion war, die mich so empfinden ließ.
Ich hatte ihm nie erzählt, was ich für ihn empfand, aber er wusste es. Ich hatte es ihm nie gesagt, weil ich wusste, dass er nicht so empfand wie ich. Solange die Worte unausgesprochen zwischen uns hingen, solange würden wir unsere Beziehung aufrechterhalten können. Solange bis einer von uns unsere Beziehung klar definierte. Und genau das war geschehen. Auch wenn kein Wort über seine Lippen gekommen war. Er war nicht stark genug mir das anzutun, was seine neue Freundin gerade tat. Sie hatte mich zu einer Bekannten degradiert, ohne dass er mich vorzustellen brauchte, hatte entschieden es handele sich um eine Bekannte, keine Freundin. Eine Bekannte. Eine flüchtige Bekannte, wie sie betonte. Er sah den Schmerz in meinen Augen, denn sie nicht wahrzunehmen schien. Er wusste was er jetzt tat würde unsere Beziehung verändern, doch er war jetzt bereit den Schritt zu tun, den wir beide solange aufgeschoben hatten.
„Sie ist eine Freundin. Keine Bekannte.“
In ihrem Redefluss unterbrochen starrte sie ihn leicht irritiert an.
„Warum hast du sie nie erwähnt?“
Ich empfand ihren Blick geradezu als vorwurfsvoll. Was sah er nur in ihr?
Vorsichtshalber blickte er kurz zu mir bevor er antwortete. Für einen kurzen Moment schien es mir als hätte meine Reaktion ihn verletzt.
„Ich habe keine Notwendigkeit darin gesehen.“

Ich hasse dir zu sagen: „Ich habe es doch gesagt.“


Irgendwann hielt ich es nichtmehr aus und verließ das Café.
Ich traute mich nicht mich umzudrehen. Zu groß war der Schmerz ihn mit einer Anderen zu sehen.

Ich bin alleine wurde mir klar. Ich bin vollkommen allein. Die Tränen begannen meine Wangen hinabzulaufen. Er war nicht da. Das wurde mir erst jetzt vollkommen bewusst. Wie konnte ich ihn so vermissen, wenn mir seine Nähe zuvor nie so aufgefallen war? Wie war das möglich?

Mir war übel. Es war nicht daran zu denken jetzt ins Studentenwohnheim zurückzukehren. Denn sobald ich die Tür zu meinem Zimmer öffnen würde, würde ich ihn sehen müssen. Auch wenn es nur ein Bild war, es war schmerzhaft. Mein ganzes Zimmer erinnerte mich an ihn. Und wenn ich es schaffen würde den Raum zu betreten ohne das Bild anzusehen, so würde ich meinem Anrufbeantworter nicht widerstehen können.
Bissher hatte er mir jedes verdammte Mal eine Nachricht hinterlassen. Warum sollte mich interessieren, was seine neue Freundin von mir hielt?
Warum musste er es mir jedes mal unter die Nase reiben, dass seine Freundinnen mich merkwürdig fanden? Wer würde das nicht, wenn der eigene Freund nicht seine beste Freundin erwähnt?

„Du verdammter Idiot!“, schrie ich in die Nacht.
Ein altes Ehepaar starrte mich ärgerlich an. Aber das war mir egal. Sollten sie doch von mir denken, was sie wollten. Ich musste meiner Wut irgendwie Luft machen. Normalerweise hätte ich mir meine Laufschuhe geschnappt und wäre bis zur Erschöpfung gerannt, aber heute ging das nicht. Ausgerechnet morgen fingen die Prüfungen wieder an.

Seufzend ließ ich mich auf einer der Bänke im Park, vor der Universität, nieder. Es war Sommer und man konnte die Sterne klar am Firmament erkennen.
Langsam begann ich mich ein wenig zu beruhigen. Ich hätte wissen müssen, dass es dazu kommt.
Ich fröstelte. Die Nacht war überraschend kalt. Meine Jacke hatte ich im Café vergessen. Ob er es bemerkt hatte. Hoffentlich nicht.


Es war bereits Morgens, als ich mich bereit fühlte mich der Realität zu stellen. Vorsichtig kletterte ich über das Parktor und hoffte, dass mich niemand bemerken würde.


Wenige Stunden später musste ich mich auch schon auf den Weg in den Hörsaal machen. Ich schaffte es kaum die Augen offenzuhalten. Kaffee trank ich grundsätzlich nicht. Heute wäre ich bereit gewesen eine Ausnahme zu machen. Aber ich hatte nunmal keinen da. Und jetzt war es zu spät mir welchen zu kaufen.
Gerade als ich zum Kiosk abbiegen wollte kam ER auf mich zu.
Ich konnte Besorgnis in seinem Blick lesen. Besorgnis für mich. Einwenig freute es mich, wäre da nicht seine Freundin. Er trug immer noch dieses dämliche Armband, was sie ihm geschenkt hatte.

Wiederwillig folgte ich ihm ins Gebäude. Den Kaffee konnte ich vergessen und verfluchte zum wiederholten Male meine Entscheidung zusammen unsere Kurse auszuwählen.

„Wann bist du gestern zurückgekommen? Ich habe dich die ganze Zeit zu erreichen versucht.“
„Ich war noch mit ein paar Freunden weg“, log ich. „ich war einfach zu müde um deine Anrufe anzunehmen und außerdem wollte ich noch ein bisschen schlafen. War doch nichts Wichtiges, oder?“
Er schüttelte den Kopf, starrte mich aber weiter von der Seite an.
Erst als wir uns auf unsere Plätze niederließen und ich demonstrativ Gähnte, schien er einwenig beruhigt.

Die Prüfung war der reinste Albtraum. Zwar hatte ich genug gelernt um alle Fragen beantworten zu können, doch die Zeit war einfach nicht auf meiner Seite. Hinzu kam die Müdigkeit, die mich zum Schluss nahezu meine ganze Konzentration kostete. Ich konnte an nichts anderes denken, als an mein weiches kuschliges Bett. Es half selbst nichts, als ich mir den Stift in die Handfläche rammte. So oft hatte ich gehört, dass Schmerzen halfen wach zu bleiben. Aber anscheinend war ich eine der Ausnahmen die diese Regel bestätigten.

Als der Zeitpunkt der Abgabe kam, versteckte ich meine mittlerweile doch ziemlich schmerzende Hand in meiner Hosentasche und ließ ihn mit den Worten „Ich lege mich noch etwas hin“ stehen.
In meinem Zimmer angekommen fiel ich, den blinkenden Anrufbeantworter ignorierend, auf mein ungemachtes Bett und schlief sofort ein.

Abschied


Das erste was ich sah als ich aufwachte, war sein Gesicht. Müde rieb ich mir die Augen. War ich noch im Halbschlaf?
Nein, er war es wirklich.
Was wollte er in meinem Zimmer?
Erschrocken führ ich hoch. Ich hatte noch nicht aufgeräumt. Meine Klamotten von Vortag hingen noch über dem Stuhl. Unauffällig schielte ich hinüber zu meinem Schreibtisch. Verdammt, mein BHs und Unterhosen hingen immer noch an der provisorisch angebrachten Wäscheleine. Hoffentlich hatte er sie nicht bemerkt. Zumindest ließ er sich Nichts anmerken.
„Ich habe nachgedacht,“ kam es von ihm. Er hatte sich auf die Bettkante gesetzt und spielte nervös an diesem verdammten Armband.
„Michelle meint es wäre besser, wenn wir uns nichtmehr sehen.“
Fragend sah er mich an.
Sollte ich jetzt eine Entscheidung für ihn treffen? Würde er sie wirklich verlassen, wenn ich es wünschte?
„Michelle...“, fing ich an. Wieder konnte ich den Schmerz in seinen Augen sehen. Er litt und ich würde ihm nicht helfen können.
„Du solltest zu ihr gehen.“ Ich hoffte, dass er nicht hörte wie meine Stimme bei diesem Worten zitterte, Viel mehr würde ich nicht herausbringen können. Ich war auf dem besten Weg ihn zu verlieren, für immer.
Er blieb noch ein paar Minuten sitzen, dann stand er schließlich auf. Ich war seinen Blick ausgewichen und er hatte verstanden.
Leise flüsterte er, es täte ihm leid, dann ging er.

Als er die Tür hinter sich schloss, konnte ich den Tränen keine Einheit mehr gebieten. Das Wasser floss förmlich aus mir heraus. Doch dass alles half nicht seine Existenz aus meinem Herzen zu spülen. Ich konnte sosehr weinen wie ich wollte. Es würde sich nichts verändern. Das Einzige was ich vor mir sah, war sein Gesicht. Beim Abschied hatte er traurig gewirkt. Als hätte ich eine ehrliche Chance gehabt. Aber wir beide wussten, dass dem nicht so war. Ich hatte nie eine gehabt und würde auch nie einem bekommen. Es war Zeit alldem ein Ende zu setzen.
Leise klopfte meine Mitbewohnerin und fragte, ob bei mir alles in Ordnung sein. Sie hatte die Tür einen Spaltbreit geöffnet und eine Packung Kleenex in mein Zimmer geschoben.
„Danke,“ brachte ich zwischen einen meiner Weinkrämpfe hervor. Und etwas später fügte ich noch hinzu: „Ich muss mich nur mal richtig ausheulen.“ Obwohl das zweite eher mir selbst galt als ihr.
Ich hörte wie sich die Schritte langsam von der Tür entfernten und wusste, dass sie nichtlange wegbleiben würde. Dafür war sie viel zu nett.
Ich hatte richtig Glück mit meiner Mitbewohnerin gehabt. Es war nicht einfach gewesen, nachdem das mit Marie passiert war.
Vielleicht wirkte ich kalt, weil ich nicht jedem dem ich traf zeigte, dass ich immer noch nicht verarbeitet hatte, was damals geschähen war. Es war so unwirklich. Manchmal wachte ich auf und glaubte nur schlecht geträumt zu haben. Aber das hatte ich nicht. Trotzdem setzte ich jeden Tag ein Lächeln auf. Marie hätte es so gewollt. Sie hätte auch gewollt, dass Christoph wieder glücklich wurde. Und wenn es Michelle war, die dieses Wunder vollbringen sollte, so würde ich ihn nicht aufhalten. Es war Zeit ihn gehen zu lassen.

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Tag der Veröffentlichung: 13.08.2012

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