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Prolog


Personen, Orte und Handlung
sind frei erfunden.
Ähnlichkeiten wären zufällig und völlig unbeabsichtigt!


Der Tatort war umzäunt mit gelben Absperrbändern. Einen üblen Scherz hatte Kate es genannt. Ich fand es irgendwie lustig. Nahm der Polizei doch eigentlich eine Menge Arbeit ab. Aber natürlich traute ich mir das nicht laut auszusprechen, genauso wie die Frage, was ich hier sollte. So wie ich Kate kannte, hätte sie mir sobald auch nur ein Wort meinen Mund entwich den Kopf abgerissen. Nichts sollte ihre Konzentration stören. Daher atmete ich nur tief durch und folgte ihr ohne ein weiteres Wort.
Wir befanden uns im Wald und es war tiefschwarze Nacht, denn das Mondlicht kam nur gelegentlich zwischen den dunklen Wolken zum Vorschein. Es war ungemein schwül und der Wetterbericht hatte von Regen gesprochen, doch bis jetzt war aus der Wolkendecke kein einziger Tropfen gefallen. „Klimaerwärmung ...“
Kate leuchtete mir mit der Taschenlampe ins Gesicht.
„Tschuldigung, ich ...“
Sie schüttelte den Kopf. „Das meine ich nicht: Sieh mal.“
Nachdem meine Augen die Umgebung wieder einigermaßen normal wahrnahmen, verfolgte ich dem Strahl von Kates Taschenlampe. „Und?“, sagte ich verständnislos. Zu erkennen war nichts als ein Haufen blanker weißer Kieselsteine und ein geflochtenes Seil, das darüber hing. Es war an einem der vielen Äste festgebunden. Ich fand das nicht gerade interessant. Aber Kate schien hell auf begeistert.
„David. David! Denk doch mal nach.“, erwartungsvoll schaute sie mich an.
„Was, ein Seil und Steine wie toll, ich bin begeistert.“
„Nun sei doch mal nicht so ...“
„Ja?“
„... du selbst.“
„Ha, da haben wir's wieder. Du und Kriminalromane. Lass mich raten.“, theatralisch fasste ich mir an den Kopf. „Ein höchst gefährlicher, und natürlich entflohener, Serienkiller will uns etwas mitteilen“, herausfordern starrte ich sie an.
„Nein, Mensch! Jetzt hör mir doch mal zu. Erinnerst du dich wirklich nicht? Du weißt doch, als wir noch jung waren, haben Mum und Dad uns immer zum Zelten in den Wald mitgenommen. Einmal im Jahr, meistens im Juni, manchmal Juli. Und wenn dann Vollmond war, hat uns Dad immer die Geschichte erzählt ... die mit dem alten Mann.“
Ich zuckte mit dem Schultern. Ich konnte mich wirklich nicht erinnern. Mir war nie klar, dass Kate das damals immer so ernst genommen hatte. Ich hatte meistens auf Durchzug geschaltet, wenn Dad mit einer seiner 'lehrreichen' Geschichten anfing.
„Wirklich nicht? Schade. Dann erzähl ich sie dir, während wir zurückfahren. Um den Rest kann sich die Spurensicherung kümmern.“
Wir gingen zurück zum Wagen. Während Kate den Weg mit der Taschenlampe zu finden versuchte. Leuchtete ich ihre Silhouette an, um zu erkennen, was in ihr vorging. Ihr glattes rotes Haar fiel nicht wie immer locker ihre Schultern hinunter. Es war ganz wirr und es hatten sich einzelne Locken gebildet. Auch ihre Kleidung war nicht so ordentlich, wie ich es gewohnt war. Aber was konnte man erwarten, wenn man mitten in der Nacht aus dem Schlaf gerissen wird, weil irgendwelche betrunkenen Jugendlichen nachts durch den Wald streifen und sonst was finden.
Wie lange arbeitete ich jetzt schon mit der Polizei und Kate zusammen? Es mussten gut drei Jahre sein. Ich hatte das Gefühl in diesen drei Jahren bereits alles gesehen zu haben, aber solche Tatorte wie heute waren mir neu. Ich sah keinen Grund zur Untersuchung eines solchen Ereignisses. Irgendein Streich, bei dem ein paar Jugendliche Absperrband verwendet hatten, das sie vorher entwendet hatten. So einfach ist das. Fall abgehackt. Ich seufzte. Das mochte zwar für mich gelten, doch meine Schwester sah das anders. Sie hatte schon immer in allem die große Herausforderung gesehen. Sie hatte vorgehabt Profilerin zu werden, doch der Professor hatte eine antifeministische Einstellung. Jetzt war sie einfache Polizistin und ich war der Psychologe. Sie hatte mich dazu gedrängt ihren Traum zu leben. Mir war das damals ziemlich egal und jetzt war es nicht anders. Es war ja nicht so, dass ich keine eigene Meinung hatte, aber Kate konnte ich einfach nichts abschlagen. Konnte ich noch nie. Ich hatte sie gern. Hatte schon immer zu ihr aufgeblickt und das lag nicht daran, dass sie die ältere war. Sie war eine Kämpfernatur und ich war ein Gefäß, das nach Wissen dürstete, egal welcher Art. Dass war noch heute so. Aber von Verschwörungstheorien hielt ich nicht viel. Kate war ganz besessen davon, das hatte sie von unserem Vater geerbt. So war es auch kein Wunder, dass sie mir im Wagen die Geschichte nahezu so vortrug, wie es eigentlich nur Dad tun konnte.
„Vor sehr langer Zeit gab es einen Mann, der eine göttliche Vision hatte. Er hatte geträumt, dass Gott ihn in einer Vollmondnacht zu sich holen werde, da er sich durch seine Taten besonders ausgezeichnet hätte. Er würde noch das genaue Wie und Wann erfahren. Jahre vergingen. Dann, in der Nacht vor seiner Hochzeit hatte er erneut eine Vision. Er soll sich an Vollmond an einem Baum, um den er zuvor einen Steinkreis gebildet hat, aufhängen. Nun begab es sich, dass in dieser Nacht der Mond in seiner vollen Pracht am Himmel stand. Und so erhängte er sich. Was er nicht wusste, es war Neumond. Natürlich war Selbstmord eine Sünde und somit endete er schließlich in der Hölle und seiner ganzen Familie sollte es nicht anders gehen, denn die Schmach ließ sie alle bei Nacht und Nebel fliehen. Und die Nacht ist ja bekanntlich nicht die sicherste Tageszeit.“, sie holte Luft. „Soweit alles klar?“
Ich schüttelte den Kopf. „Neumond und Vollmond, dass kann man doch nicht so einfach verwechseln.“
Wütend starrte sie mich an.
„Oh mein Gott. Kate!“ Fast wären wir von der Fahrbahn abgekommen.
Nervös umklammerte ich die kleine Gummikugel in meiner Manteltasche. Ein Überbleibsel von meiner Zeit in der Psychiatrie. Damals hatte ich geglaubt den Verstand zu verlieren. Hätte ich nicht haufenweise Beruhigungstabletten eingeworfen hätte ich es wohl nicht heil überstanden. Den Ball hatte ich später von meinem ehemaligen Professor bekommen, der mir geholfen hatte wieder von den Tabletten wegzukommen.
„Also“, riss mich Kate aus meinen Gedanken. „wir sind uns doch einig, dass Vollmond bedeutet, dass WIR die ganze Nacht über den Mond sehen können, oder?“
„Stimmt es sei den... Ich hab's es war bewölkt in der Nacht!“
Kate schüttelte den Kopf. „Nein, dass hätte er gemerkt. Allein die Mondphasen vor einem Vollmond sind anders vor einem Neumond. Du bist dir sicher, dass du es nicht weißt?“
Wenn ich nur wüsste, worauf sie hinaus wollte?
„Nun gut. Bei Vollmond steht der Mond der Sonne gegenüber und somit von der Sonne ausgesehen h-i-n-t-e-r der Erde. Wohingegen bei Neumond der Mond z-w-i-s-c-h-e-n Erde und Sonne steht.“
Sie legte eine Kunstpause und ich konnte sehen wie sehr sie sich darüber freute, dass ich nicht auf die Lösung kam.
„Der Mann von dem wir hier sprechen. Glaubte daran, dass Gott die Sonne ist. Wie also sollte für ihn der Mond voll sein und in voller Pracht am Himmel stehen, wenn er von der Erde verdeckt wird?“ Ohne auf meine Antwort zu warten fuhr sie fort. „Weiterhin hatte er von Gott die Gabe erhalten im Dunkeln zu sehen. Durch das Licht des Neumondes.“
„Der Neumond hat kein Licht.“, unterbrach ich sie.
„Für ihn schon. Es ist wie mit Infrarotlicht, unsichtbar für das menschliche Auge. Aber nicht für ihn.“
Die Mondoberfläche konnte Licht nur reflektieren, aber das behielt ich lieber für mich. Denn es schien, als würde Kate keine weitere Unterbrechung meinerseits akzeptieren.
„Für ihn war das Licht des Neumondes blau. Daher kommt auch die Bezeichnung 'once in a BLUE moon', Das Wort 'blue' löste das Wort 'belewe', was Verräter bedeutet, ab. Ein Mond der zu früh kam wurde als 'belewe moon' bezeichnet. Ich finde beide Bezeichnungen eigentlich ganz passend. Und genau das ist passiert. Es wird gemunkelt, dass sich ein Geheimbund gebildet hat, der versucht sein Werk fortzuführen.“
„Sein Werk?“
„Oh, ich habe ganz vergessen zu sagen, dass es Bedingungen gab. Nicht geschieht ohne Taten. Der Mann hatte zuvor von Gott den Auftrag erhalten bestimmte Leute auf grauenhafte Weise umzubringen. Forscher haben sogar Kannibalismus mit diesen Orden in Verbindung gebracht. Ich bin allerdings der festen Überzeugung, dass es zwei Orden geben muss, die sich bekriegen. Die einen sind der Überzeugung, er sei doch noch in den Himmel gelangt und die richtige Phase des Mondes sei, die Neumond Phase.“, sie lächelte.
„Und warum erzählst du mir das?“
„Heute ist Neumond.“
Tatsächlich, am Himmel konnte ich einen vollen BLASSBLAUEN Mond erkennen.
Sie hielt den Wagen an.
„Hatte es dich nie gewundert, WIE unsere Eltern gestorben sind?“
„Was?“ Ich starrte sie entsetzt an.
„Erinnerst du dich noch an den Professor, der mich damals abgelehnt hat?“
„Nein, das kann nicht dein Ernst sein.“, meine Stimme begann zu zittern.
„Doch mein voller ernst. Du weißt nicht wie lange ich auf diesen Moment gewartet habe.“
Sie stieg aus und lächelte mich an während sie mich aufforderte ihr zu folgen.
„Heute Nacht darfst du mich begleiten.“
Plötzliche hörte ich einen Motor aufheulen und das Letzte was ich sah war das blendende Licht von Autoscheinwerfern.
Als ich zu mir kam, war ich im Krankenhaus. Ich weiß bis heute nicht, was damals passiert ist und es will mir auch niemand sagen. Das Einzige, was ich weiß ist: Kate ist tot.

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Tag der Veröffentlichung: 02.07.2010

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