Der magische Teeladen
Wie konnten sie ihr das antun? Arabella versuchte, den Kloß in ihrem Hals herunterzuwürgen. Ihre Stimme drohte zu brechen, als sie die soeben gehörten Worte wiederholte: "Heiraten?" Sie hoffte, sich verhört zu haben. Doch die zwei Menschen ihr gegenüber im Salon nickten, sahen sie direkt an und nippten an ihren feinen Teetassen. Weder ihr Vater noch ihre Mutter schienen sich an dem schieren Horror zu stören, den ihre Tochter empfand und deutlich zeigte.
"Ich will nicht heiraten." brachte sie über die Lippen, die sich plötzlich trocken anfühlten.
"Sei nicht albern. Das Angebot der de Raves Familie ist mehr als annehmbar. Genau genommen ist es mehr, als wir je hätten erwarten dürfen angesichts unserer Lage." Ihre Mutter Lady Marges hob vielsagend eine der fein gezupften Brauen. Arabella ballte die Fäuste.
"Ihr habt das Familienvermögen durchgebracht und nun wollt ihr mich wie Vieh an den nächstbesten Fremden verschachern." Ihr Ausruf bewegte keinen Muskel in den Menschen, die sie die letzten vierundzwanzig Jahre aufgezogen hatten.
"Wir alle haben unsere Rolle im Leben." Ihre Mutter setzte die Teetasse ab und wank einen der Bediensteten zu sich, mit einem Seitenblick auf ihre Tochter gab sie ihre Order: "Sperrt sie in ihr Zimmer und achtet darauf, dass sie morgen abholbereit ist." Tränen der Wut brannten in Arabellas Augen, als zwei Diener sie packten.
Verdammt, seien ihre Eltern! Verdammt, seien die Wachen! Wenigstens eine winzige Gelegenheit hätten sie ihr zur Flucht geben können! Wo blieb die Chancengleichheit?! Arabella starrte finster aus dem Fenster der Kutsche. Ruckelnd, aber für ihren Geschmack viel zu schnell bewegten sie sich ihrem Ziel entgegen. Dem Schloß ihres zukünftigen Ehemannes. Sie krallte die Hände in den feinen Stoff des Brautkleides. Sie musste einen Ausweg finden! Vorsichtig schielte sie zu dem dümmlich grinsenden Soldaten, der auf seinem Pferd die Kutsche begleitete. Wenn sie den Kutscher wegrechnete, war es eins gegen eins. Sie gegen den Soldaten. Leider hatte der ein Pferd und sie ein Kleid an, das eine Tonne wog. Das war einfach nicht fair! Wieso wollte der Duke überhaupt sie heiraten? Ihrer Familie gehörte kaum noch der Dreck unter den Nägeln. Oh Gott, entweder war ihr zukünftiger Mann ein Perversling oder ein uralter Knacker. Arabellas Gedanken rasten. Was, wenn er keines von beiden war? Sondern ein wahnsinniger Massenmörder, mit einer Vorliebe für Bräute?! Sie wurde aschfahl. Der Ritter in ihrer Begleitung deutete den plötzlichen Verlust ihrer Gesichtsfarbe als Nervosität und unternahm einen Versuch sie aufzuheitern.
"Seid beruhigt Mylady mein Herr mag exzentrisch sein, aber, dass ihm seine letzten Bräute davongelaufen sind, war wirklich nicht seine Schuld. Ihr werdet im ganzen Reich keinen besseren Meister der Klinge finden." Arabellas Augen wurden Tellergroß. Schreie und das wilde Schlagen, von schneller kommenden, Hufen durchbrachen ihre Gedanken. Alarmiert streckte sie den Kopf aus dem Fenster. Räuber!
Panik ergriff Arabella. Ihr Herz raste, ihr Atem stockte. Sie sah den einzelnen Ritter nach vorn in Richtung der Angreifer preschen. Spürte, wie die Kutsche langsamer wurde und fast stand. Wahrscheinlich hatte der Kutscher denselben Gedanken wie sie. Weg! Nur Weg! Sie musste hier raus, und zwar schnell! Mit zitternden Händen riss sie die Tür der Kutsche auf und sprang hinaus. Ihr langes Hochzeitskleid flatterte im Wind, als sie unsanft auf dem Boden landete. Sie rappelte sich auf und rannte los. Die Angst trieb sie an. Hinter sich hörte sie das Wiehern der Pferde und das Klirren von Waffen, sie rannte weiter, immer weiter. Traute sich nicht zurückzusehen. Denn welcher Verfolger sie auch immer zu fassen kriegte bedeutete das Ende ihrer Freiheit. Ihr Kleid blieb an Ästen hängen, die Absätze ihrer Schuhe brachen, sie musste weiter! Plötzlich wie aus dem Nichts tauchte aus dem Wald ein Dorf auf. Sie war in Sicherheit. Keuchend und außer Atem glitt sie an der nächsten Hausmauer zu Boden. Ihr Leib zitterte unkontrolliert. Nichts an ihrem Körper schien ihr mehr zu gehorchen. Dafür rasten ihre Gedanken. Frei! Sie war frei! Erschöpft schloss sie die Augen nur, um sie wenige Minuten später aufzureißen, als sich ein Schatten vor sie schob.
„Auf der Flucht vor euren Schwiegereltern? Oder dem ungeliebten Bräutigam?“ Im Gegenlicht stand ein Mann verhüllt in typische Magier Kleidung. Sie zwang sich ein Lächeln ab und nickte.
„Dann habe ich was für euch. Für nur einen wirklich wahnsinnig geringen Preis werdet ihr für alle Augen unsichtbar.“ Er hielt ihr ein kleines Fläschlein unter die Nase, das im Sonnenlicht aufschimmerte, als sei es die Antwort auf all ihre Gebete. Wie von selbst Griff ihre Hand danach. Zum Tausch gab sie ihm ihren Ring. Sie entkorkte die Flasche und roch daran. Schulter zuckend, kippte sie das Gebräu in einem Zug herunter. Schmeckte furchtbar nach Ziege!
„Eine kluge Entscheidung, wenn ihr das Gegenmittel wünscht, sucht mich gern auf.“ Arabella riss den Kopf hoch. Gegenmittel?! Was für ein Gegen… Ihr wurde leicht schwindelig. Verdammter Magier hatte sie wahrscheinlich mit einem Schlafmittel …
Oh, sie würde diesen Magier den Hals umdrehen! Warte, du Quacksalber, wenn ich dich in die Finger bekomme, dann wirst du … Arabella wollte ein böses Lachen ausstoßen aber alles, was aus ihrer Kehle kam, war ein kleines jämmerliches Quieken. Unsichtbar für eure Verfolger werdet ihr sein hatte der Magier behauptet … Dieser Betrüger! Okay, sie war praktisch unsichtbar, aber jede herabfallende Orange könnte sie zerquetschen! Oder schlimmer sie wurde das Opfer einer Katze, die dann genüsslich ihre Eingeweide fraß. In purem Horror schüttelte sie sich. Arabella starrte in die Pfütze vor sich. Stummelbeinchen, flauschiger Bauch, Knopfaugen, runde Backen, samtiges silbernes Fell und gigantische Zähne. Sie war ein verfluchter Hamster! Ein überaus niedlicher Hamster aber dennoch ein Hamster. Sie schaute wiederholt in die Spiegelung. Wirklich ausnehmend putzig! Ihre Wangen waren zum Reinkneifen knuddelig und erst dieses glänzende pummelige Bäuchlein zum …Nein, Arabella konzentrier dich! Sie warf noch einen Blick in die Spiegelung. So putzig! Mit beiden Pfoten schlug sie sich ins Gesicht. Konzentrier dich, Arabella! Du bist jetzt ein Hamster! An jeder Ecke lauert der Tod … Bisher hatte sie Glück gehabt. Sie war in einer Seitengasse aufgewacht. Wahrscheinlich hatte dieser erbärmliche Magier sie beklaut und da abgelegt. Sie würde ihn finden und verlangen, dass er sie auf der Stelle zurückverwandelte! (Sie war zu unverheiratet und flauschig, um zu sterben!) Wild entschlossen streckte sie ihre Pfoten Faust in die Luft. Warte nur ab du diebischer Magier!
„Oh was machst du denn hier?“ Arabella war so gefangen darin Rachepläne zu schmieden, das sie den Mann nicht bemerkt hatte, der nun zack mit einem Griff ihre kleine Gestalt packte. Verdammt!
„Was fällt dir ein, geht man so mit einer Lady um? Lass mich sofort wieder runter!“ Wild quiekend strampelte sie. Solch ein Flegel! Was glaubte er, wer er war? Statt sie freizugeben, hielt der Kerl sie sich plötzlich direkt vor die Nase. Riesig wirkende grüne Augen musterten sie, während sein Atem ihr Bäuchlein kitzelte. Arabella war vielleicht gerade im Körper eines Hamsters gefangen, aber sie war immer noch eine Lady und als solche gebot es sich eine Feststellung zu machen: Der Kerl war dermaßen verboten, gut aussehend! Vorsichtig tastete sie mit ihren Pfötchen ihren Mund ab …sie sabberte doch nicht etwa, oder?
. “Du bist wirklich ausnehmend süß.“ Grinsend stupste er ihr die Nase.
Sie vergaß sich kurz selbst und nickte zustimmen. “Ja, nicht wahr? Ich bin wirklich an Knuddeligkeit kaum zu übertreffen.“ Also wo der Kerl recht hatte, hatte er recht, zustimmend piepste sie. Was ihm ein Lachen entlockte. Oh, selbst sein Lachen war anbetungswürdig … Verliebt sah sie ihn an. Ehrliche Ladys wer kann so einem Hottie schon widerstehen?
„Du wirst dich hervorragend in meinem Laden machen!“ Bei seinen Worten kam sie wieder zu Sinnen, Moment was? Laden? Nein, Nein. Ich muss diesen Magier finden! Strampelnd und wild quiekend versuchte sie sich aus der Hand zu befreien. Sie konnte hier nicht weg, sie brauchte das Gegenmittel!
„Oh entschuldige.“ Gott sei Dank, er hatte begriffen, was sie von ihm wollte. Arabella atmete tief durch vor Erleichterung. Doch, statt sie abzusetzen …
Wie konnte er es wagen! Er hatte sie einfach in seine Tasche gestopft. Oh Gott, klebte da ein alter angeluschter
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Tag der Veröffentlichung: 28.07.2023
ISBN: 978-3-7554-4794-8
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