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Vorwort



Hans-Adolf Traub und ich kennen uns seit über einem Jahrzehnt. Als wir zum ersten mal miteinander zu tun hatten, arbeitete er als Banker und ich als Finanzjournalist in Frankfurt. Einige Jahre später ging Traub in den Ruhestand, doch wir blieben immer in Kontakt und arbeiteten auf verschiedensten Gebieten zusammen, wozu sich zahlreiche Gelegenheiten erhaben, denn der Ex-Banker blieb auch im Ruhestand ausgesprochen unternehmungslustig. Beherzt startete er neue Projekte, richtete sich einen Zweitwohnsitz auf den Kanarischen Inseln ein und entdeckte das eine oder andere Hobby, zu dem er früher während seines Erwerbslebens keine Zeit gefunden hatte. So war ich denn auch wenig überrascht, als mir Hans-Adolf Traub eines Tages bei einem Besuch in meinem Büro berichtete, er sei gerade dabei, den Pilotenschein für Ultraleichtflieger zu machen. Und schon ein paar Wochen später hatte er sein Ziel erreicht.

Es vergingen ein paar Jahre, in denen mir Traub ab und zu von einigen seiner Rundflüge über seine rheinland-pfälzische Heimat berichtete. Eines Tages sagte er mir beiläufig, er plane mit anderen Hobbypiloten mit zwei Ultraleicht-Flugzeugen von Worms nach Teneriffa zu fliegen. Er sprach von einer großen Herausforderung und hohen Risiken. Irgendwie klang das eher nach einem unverbindlichen Plan mit einer nur geringen Chance auf Realisierung. Und so war ich denn auch nicht verwundert, als ich längere Zeit nichts mehr von diesem ehrgeizigen Vorhaben hörte.

Dann aber meldete sich Hans-Adolf Traub an einem Samstagnachmittag. „Wir haben es geschafft, wir sind tatsächlich nach Teneriffa und wieder zurück geflogen“, berichtete er noch hörbar aufgewühlt von diesem großartigen Erlebnis. Neugier gehört zu den Voraussetzungen für jeden Journalisten – ebenso wie das Interesse an interessanten Geschichten. Deshalb lud ich Hans-Adolf Traub kurzfristig zu einem Gespräch über sein Flugabenteuer ein. Und was er zu erzählen hatte, war so spannend, faszinierend und gelegentlich auch erheiternd, dass wir uns gleich viermal trafen und lange Gespräche über diese außergewöhnliche Reise führten.

Auch als Nicht-Pilot hat mich die Geschichte der vier tollkühnen Flieger so sehr gefesselt, dass ich meine, sie verdiene es, einem breiteren Leserkreis vorgestellt zu werden. So entstand die Idee, meine Gespräche mit Hans-Adolf Traub in diesem Büchlein zu dokumentieren. Offenkundig besteht Interesse an der Story der vier Piloten, denn ein entsprechender Beitrag im Online-Magazin www.luxus-momente.de erzielte über Monate hinweg die mit Abstand höchste „Klick-Quote“ (den Artikel finden Sie im Anhang dieses Buches).

Doch nun: Bitte anschnallen zu einem ganz außergewöhnlichen Abenteuer. Ich wünsche Ihnen, dass beim Lesen die Zeit wie im Flug vergeht.

Ihr
Michael Brückner


Leseprobe (Kurzfassung)
Im Ultraleichtflieger nach Teneriffa


Es gibt Dinge, bei denen ist es besser, man ahnt gar nicht, dass sie auf einen zukommen könnten. Wenn sich Hans-Adolf Traub, Banker im Ruhestand aus dem rheinhessischen Dienheim, an seinen abenteuerlichen Flug mit einer Ultraleichtmaschine (UL) von Worms nach Teneriffa und wieder zurück erinnert, dann ist er überzeugt: „Hätten meine Kameraden und ich gewusst, was uns unterwegs erwarten würde, hätten wir unseren Plan vielleicht niemals wirklich umgesetzt“. Doch weder Traub noch die ihn begleitenden UL-Piloten Heiko Johé, Bernhard Heller und Jan Harlflinger konnten sich vorstellen, dass ihnen auf dieser insgesamt über 8.000 Kilometer langen Strecke ihr gesamtes fliegerisches Können abverlangt werden würde. Heftige Winde, starke Regenfälle, dichter Nebel – alles, was das Wetter an Herausforderungen für Piloten zu bieten hat, erlebten die vier Abenteurer aus Rheinland-Pfalz komprimiert in insgesamt mehr als 55 Flugstunden. Da hieß es, in jeder Phase einen kühlen Kopf zu behalten. Gleiches galt für die nervenden Verhandlungen mit den Behörden in Marokko und vor allem auf Gran Canaria, wo die Piloten mit ihren beiden Ultraleichtflugzeugen aufgrund starker Windverhältnisse unplanmäßig landen musste, weil der Sprit bedrohlich schnell zur Neige ging.

Was im großen Passagierjet nicht mehr ist als ein gemütlicher Mittelstreckenflug in die Ferien, geriet für die tollkühnen Flieger zu einem echten Abenteuer, das sie mehr als einmal in äußerst brenzlige Situationen brachte. „Ich hatte wirklich Schweißperlen auf der Stirn. Hatten wir zuviel gewagt? Hätten wir bei diesem Wetter überhaupt fliegen dürfen? Diese Gedanken schossen mir durch den Kopf. Aber es gab kein Zurück mehr. Jetzt war volle Konzentration gefordert“, erinnert sich Traub an eine der kritischsten Phasen während dieses an adrenalinfördernden Situationen mit Sicherheit nicht armen Flugs. „Es war die letzte Etappe auf unserer siebentägigen Reise von Worms nach Teneriffa. Wir waren am Mittag auf dem Flughafen von Gran Canaria nach viel bürokratischem Hin und Her gestartet, um die letzten Kilometer bis zur Nachbarinsel Teneriffa zurückzulegen. Wir wollten endlich ans Ziel. Schließlich hatten wir wegen unfreiwilliger Übernachtungen in Tanger und auf Gran Canaria fast schon zwei Tage Verspätung,“ berichtet Traub. Und deshalb hatten sich die Piloten an diesem Morgen sogar vom schlechten Wetter nicht abhalten lassen. Sie waren auf dem Flughafen von Gran Canaria gestartet – nicht zuletzt wohl auch, weil sie nach all den subtilen Schikanen der Behörden nur weg wollten. Als Ultraleichtflieger zwischen all den großen Urlauberjets waren die vier Hobbypiloten aus Deutschland nicht willkommen.

Fliegen „im roten Bereich“

Tapfer hoben die surrenden 80- beziehungsweise 100-PS-starken Motoren die kleinen Maschinen in den dunkelgrauen Himmel über dem Atlantik, wo sie sofort von kräftigen Windböen erfasst wurden. Eine Orientierung war kaum noch möglich. „Wir flogen sozusagen im ‚roten Bereich’“, erinnern sich die Piloten. „Vorsichtig steuerten wir unsere Maschine Richtung Teneriffa“. Ihnen war am Ende das berühmte Quäntchen Glück beschieden. Plötzlich riss die Wolkenwand auf und die Piloten konnten Kurs auf den Flugplatz der Kanaren-Insel nehmen. Die Sicht reichte gerade aus für eine sichere Landung. Der Controller wies die Piloten an, mit maximaler Geschwindigkeit anzufliegen – denn schon drohte eine neue Schlechtwetterfront. Kaum hatten die „vier tollkühnen Männer in ihren fliegenden Kisten“, wie sie von der spanischen Presse anerkennend genannt wurden, ihre Flieger verlassen, schloss sich die graue Wolkendecke wieder über dem Eiland, das an diesem Tag rein gar nichts mit der ansonsten bei Touristen so begehrten Sonneninsel gemein hatte.

Es sollte nicht der einzige Nervenkitzel auf dieser ungewöhnlichen Exkursion bleiben. Da war zum Beispiel der Flug von Marokko nach Gran Canaria, als der Sprit auszugehen drohte. Oder der Sturm zwischen Malaga und Tanger. Und schließlich jener nervenzermürbende Zwischenfall in Rabat, als die vier Hobbypiloten festgehalten wurden und mit empfindlichen Strafen rechnen mussten. Ja, hätten Hans-Adolf Traub, Heiko Johé, Bernhard Heller und Jan Harlfinger das vorher alles geahnt, sie hätten sich ihr ambitiöses Vorhaben vermutlich noch einmal sehr genau überlegt.

Dabei war es nicht einmal eine Schnapsidee, die von den vier Ultraleicht-Piloten da verwirklicht wurde. Eher schon eine weinselige Inspiration. Hans-Adolf Traub und sein Flieger-Freund Heiko Johé, seit Jahren UL-Piloten und stolze Eigentümer einer Ikarus C42-Maschine, träumten von einem richtig langen Flug und einer Route, die sie vor echte Herausforderungen stellen würde. „Warum eigentlich nicht nach Teneriffa?“, fragten sich die Beiden beim Klönen bei einem Glas Rotwein.

Wie eine weinselige Idee Wirklichkeit wurde

Ja, warum eigentlich nicht? Es gab gute Argumente für diese Destination. Der Rheinhesse Traub kennt die Kanaren-Insel seit Jahren und besitzt dort eine Wohnung. Zudem erschien die Strecke reichlich anspruchsvoll. Gleich zweimal muss man über das offene Meer fliegen, um Teneriffa zu erreichen: zum einen über die Straße von Gibraltar, zum anderen über den Atlantik von Marokko zu den Kanaren. Aber wie das eben so ist mit Ideen, die in der emotionalen Hochstimmung nach dem einen oder anderen Glas Wein geboren werden - sie weichen schon bald wieder einer nüchternen Betrachtung. Auch die beiden Piloten zweifelten in den folgenden Tagen und Wochen immer wieder an der Umsetzbarkeit dieses Vorhabens. Allerdings war aus diesem Plan längst ein Traum geworden, der die beiden Hobbyflieger nicht mehr losließ. Und je intensiver sie sich mit ihm beschäftigten, desto überzeugter waren sie: Der Ultraleichtflug von Worms nach Teneriffa musste kein Hirngespinst bleiben. Mit zuverlässigen Maschinen und einer gründlichen Vorbereitung würde dieser fliegerische Kraftakt zu schaffen sein. Allerdings: Aus Sicherheitsgründen war es erforderlich, während des schwierigen Flugs eine zweite Maschine einzusetzen. Sollte eines der Flugzeuge technische Probleme bekommen, wäre die andere Maschine in Sichtweite und könnte im Erstfall zum Beispiel Hilfe anfordern oder Signale senden. Ein zweites Flugzeug – das bedeutete aber, dass es zwei weiterer Piloten bedurfte, die bereit waren, bei diesem Abenteuer mitzumachen. Traub und Johé gelang es schon bald, Bernhard Heller und Jan Harlfinger für diesen ungewöhnlichen Flug zu begeistern. Sie charterten mit einer Remos G3 ein weiteres Ultraleichtflugzeug – und der Traum konnte Wirklichkeit werden.

Ein Donnerstag im Frühherbst. Ein schöner Tag, ideales Flugwetter. Fast genau ein Jahr nach dem Rotweinplausch starteten die Piloten auf dem Flugplatz Worms in Richtung Süden. Über dem Elsass verschlechterte sich das Wetter, es wurde dunstiger, und die Abenteurer waren zum ersten Mal gezwungen, von ihrer eigentlichen Flugroute ein wenig abzuweichen. Ansonsten aber verlief die erste Phase des Flugs wie aus dem Bilderbuch: Die Motoren der Flieger surrten vertrauenserweckend – und die vier Piloten waren begeistert.
Etwa dreieinhalb Stunden später landeten die Maschinen auf dem Flughafen Lyon-Bron. Nach dem Auftanken ging es gleich weiter, denn der Zeitplan der Piloten war eng getaktet. Sie wollten es am ersten Tag bis nach Spanien schaffen, was ihnen dann auch gelang. Am späten Nachmittag landeten sie auf dem Flugplatz des Ferienortes Ampuriabrava an der Costa Brava. Nun verfügt diese Gemeinde nicht nur über die größte Marina Europas, sondern gilt zudem als Dorado für Fallschirmspringer, die allemal Vorrang vor Flugzeugen haben. Dieser Umstand sorgte dafür, dass die vier Deutschen zunächst mehrere Kreise ziehen mussten, bevor sie landen durften. Vor den Hobbypiloten lag die erste Nacht ihrer elftägigen Exkursion – und eine sehr ehrgeizige Vorgabe für den zweiten Tag: „Wir wollten bis Marokko fliegen und in Tanger landen“, erinnern sich Hans-Adolf Traub und Heiko Johé. Und deshalb starteten die beiden Maschinen sofort nach Sonnenaufgang.

Doch so sehr das Wetter die Flieger am ersten Tag begünstigt hatte, so launenhaft zeigte es sich am zweiten Tag. Traub: „Wir hatten nicht nur keinen Rückenwind wie tags zuvor im Rhonetal, generell verschlechterte sich das Wetter zusehends. Es wurde dunkler und dunkler. Bald sahen wir ein, dass wir Tanger bis Sonnenuntergang nicht erreichen konnten, zumal wir noch in Murcia landen und AvGas, also Sprit für unsere Maschinen, aufnehmen mussten. Das dauerte dieses Mal relativ lange, außerdem mussten wir unseren Flugplan wieder aufgeben. Wir konnten Tanger vor Sonnenuntergang nicht mehr erreichen und beschlossen, in Malaga zu übernachten. Der Controller wollte uns allerdings erst auf eine kleine Piste weiter nördlich umleiten. Dann bekamen wir aber doch die Freigabe mit der Anweisung: ‚DMSFS, fly direct to Malaga from your current position and stay below 1.500 ft.’“

Kritische Situationen über dem Meer

Der nächste Morgen stellte die Crew vor die erste schwierige Entscheidung: In Andalusien schüttete es wie aus Kübeln. So stark waren die Niederschläge, dass es sogar im Cockpit einer der beiden Maschinen feucht wurde. Trotzdem hoben die ULs ab und verschwanden bald in einem wolkenvergangenen Himmel. „Über dem Meer wurde es kritisch“, berichtet Hans-Adolf Traub. „Wir haben teilweise kaum etwas gesehen und mussten uns regelrecht durchschleichen“. Erst kurz vor Gibraltar besserte sich das Wetter etwas, dafür mussten die Piloten angesichts der vielen Militärmaschinen, die in dieser Region unterwegs waren, mehrere Schleifen fliegen, bevor sie die Straße von Gibraltar überqueren und Kurs auf die nordmarokkanische Stadt Tanger nehmen durften, wo die Maschinen landeten, um die Zollformalitäten abzuwickeln.

Spätestens dort stellten die vier UL-Piloten fest, dass es mitunter Schlimmeres gibt als schlechtes Wetter: die Bürokratie. Die vier Hobbypiloten aus Deutschland konnten keine Überfluggenehmigung für Marokko vorweisen. Ohne die gehe aber rein gar nichts, wurde ihnen bedeutet. Die nicht enden wollenden Debatten kosteten wertvolle Zeit und führten nicht weiter. Am Ende musste die Crew in Tanger zweimal übernachten. Dank der Unterstützung durch einen Fluglehrer konnte die Überfluggenehmigung dann zwar beschafft werden, doch bis die beiden kleinen Maschinen starten durften, war viel Zeit verstrichen. Erst am Nachmittag des zweiten Tages nach der Landung setzten die vier Abenteurer ihre Reise fort. Ihr eigentliches Ziel, die Stadt Agadir, konnten Sie nicht mehr erreichen. Bis Sonnenuntergang schafften sie es nur bis Marrakesch. Dennoch: das Ziel schien nun zum Greifen nah. Am nächsten Tag wollten die vier Piloten auf Teneriffa landen. Über das marokkanische Hinterland flogen sie zunächst nach Agadir und dann die Küste entlang bis zum Kap Juby, unweit der Grenze zur Westsahara. Dort wollten die Flug-Abenteurer eigentlich tanken, doch der Flugplatz darf nur von Militärmaschinen genutzt werden. Kein Beinbruch, dachte die Crew zunächst. Im Tank befand sich genug Treibstoff, um die Insel Fuerteventure zu erreichen und für die letzte Etappe nach Teneriffa aufzutanken. Doch als die beiden Ultraleichtflieger bereits über dem offenen Meer waren, kam die böse Überraschung. Auf Fuerteventura gab es kein AvGas, sondern nur Jet-Treibstoff. Allmählich wurde es kritisch, und der Pulsschlag der Piloten beschleunigte sich. Was tun? Auf Fuerteventura gab es keinen Treibstoff - und für eine Rückkehr nach Marokko reichte der Sprit nicht mehr aus. Die Piloten mussten versuchen, mit den letzten Litern Treibstoff den Flughafen von Gran Canaria zu erreichen. Harlfinger: „Wir hatten noch eine halbe Stunde zu fliegen. Nervös starrten wir auf die Tankuhr. Immer weniger Sprit. Und die Insel war nicht in Sicht. Wir mussten mit dem Schlimmsten rechnen. Um im Fall eines Motorausfalls möglichst lange segeln zu können, stiegen wir auf knapp 8.000 Fuß. Dann endlich – uns fiel ein Stein vom Herzen – sahen wir im Nebel die Umrisse von Gran Canaria. Wir drückten uns alle Daumen, flogen langsam, um möglichst wenig Sprit zu verbrauchen. Und wir erreichten den Flughafen von Gran Canaria buchstäblich mit den letzten Tropfen“.

Ungebetene Gäste in Gran Canaria

Doch die Erleichterung wich schon bald der schieren Wut über den „menschenunwürdigen Umgang“, den die Hobbypiloten der Flughafenbehörde vorwerfen. Stundenlang hätten sie bei stürmischem Wind nahe dem Rollfeld ausharren müssen. Selbst der Gang zur Toilette habe man ihnen untersagt. Kurz vor dem Ziel wurde die Crew von arroganter Bürokratie noch einmal ausgebremst. Erst am nächsten Tag konnte sie zu ihrer letzten Etappe nach Teneriffa starten. Es sollte die eingangs beschriebene gefährlichste Phase des gesamten Fluges werden. Heiko Johé: „Wir konnten vorn und hinten nichts mehr sehen. Die Wolken hingen tief, Meer und Wolken schienen sich zu einem grauen Brei vereinigt zu haben. In dieser Phase wusste ich zum ersten Mal, was es heißt, ‚am Limit’ zu liegen. Jetzt war Nervenstärke gefordert“.

Nur wenig Zeit blieb der Crew auf Teneriffa, um sich von diesem anstrengenden Flug zu erholen. Nach einer kleinen Feier am Abend nach der Landung bei einer Flieger-Paella und spanischem Rotwein konnten die Piloten am nächsten Tag nur ganz kurz am Strand die Ferienfreuden genießen, die Teneriffa in Hülle und Fülle zu bieten hat. Dann mussten die beiden ULs schon wieder für den Flug zurück nach Worms vorbereitet werden. Der Zeitplan war ehrgeizig: In drei Tagen wollten die vier Abenteurer wieder zu Hause sein. Um dies zu erreichen, sorgten sie für größere Treibstoffkapazitäten. Somit ersparten sie sich häufige Zwischenlandungen.

Der Rückflug führte über den Atlantik nach Marokko. Die beiden Maschinen nahmen Kurs auf Rabat. Und dort sollten bereits die nächsten Kalamitäten warten. Als die Stadt in Sichtweite kam, ging am Horizont bereits die Sonne unter. Die UL-Flieger aus Deutschland hatten Verspätung, wieder einmal war es der Wind, der ihnen einen dicken Strich durch ihre Reiseplanung gemacht hatte. Eigentlich wollten sie um diese Zeit schon längst in Rabat gelandet sein, doch der kräftige Gegenwind auf der Strecke von Teneriffa hinüber zum afrikanischen Festland hatte zu einer beträchtlichen Verspätung geführt. Obwohl die Sichtflugbedingungen bereits kritisch waren, erhielten die vier Abenteurer die Landegenehmigung, mussten zuvor jedoch über einen Pflichtmeldepunkt fliegen. Für die beiden UL-Flieger bedeutete dies aber eine erneute Verzögerung. Und die dunkelrot glühende Sonne stand immer tiefer. Etwa zwanzig Minuten nach Sonnenuntergang landeten die Maschinen endlich auf dem Flughafen Rabat. Doch kaum waren die Flieger aufgetankt, machten die Piloten plötzlich eine Bekanntschaft der unangenehmen Art. Vertreter der Flughafenbehörde hatten sich vor ihnen mit martialischen Gesten aufgebaut und drohten mit ernsten Konsequenzen, da die Maschinen nach Sonnenuntergang gelandet seien. Den Hinweis, der starke Gegenwind sei Schuld an der Verspätung, ließen die marokkanischen Beamten nicht gelten. Das hätten die Piloten eben rechtzeitig einplanen müssen.

Kalamitäten in Rabat

„Ratlos standen wir auf dem Flughafen, den Behörden völlig ausgeliefert. Was würde jetzt geschehen. Drohte die Beschlagnahme unserer Maschinen. Mussten wir mit einer Strafe rechnen?“. Bernd Heller erinnert sich sehr gut an diese alles andere als angenehme Situation. Die Diskussionen führten zu keinem Ergebnis. Die vier Piloten suchten sich ein Hotel für die Nacht und hofften, am anderen Tag auf konziliantere Beamte zu treffen. Tatsächlich wurden sie am nächsten Morgen dem Flughafen-Chef vorgestellt, der von den Piloten eine umfassende schriftliche Stellungnahme über die Gründe des Vorfalls verlangte. Erst als dieses Schriftstück vorlag, durften die Piloten vom Airport Rabat starten. „Wir waren sehr erleichtert, denn die Behörden hätten uns unendliche Schikanen bereiten können. Aber erneut war kostbare Zeit verstrichen. Ob wir die Strecke von Teneriffa bis Worms in nur drei Tagen schaffen würden, war mehr als ungewiss“, berichtet Traub.

Die nächsten Stunden verliefen immerhin planmäßig. Ruhig flogen die Maschinen in den Norden Marokkos. In Tanger, wo Europa schon in Sichtweise ist, ließen die Piloten ihre ULs nochmals volltanken für den Weiterflug ins spanische Murcia. Bei herrlichem Wetter ging es zunächst über die Straße von Gibraltar, von dort aus weiter an das Tagesziel. In Murcia übernachtete die Crew zum letzten Mal vor der Rückkehr nach Deutschland. Es war ein Samstag Anfang Oktober, und die vier Piloten hatten sich für den nächsten Tag viel vorgenommen. Sie wollten die Strecke von Spanien bis Worms mit nur einem kurzen Tankstopp zurücklegen. Mindestens zehn Stunden würde dieser Marathonflug dauern, aber die vier Männer waren entschlossen: Sie wollten am Sonntagabend wieder zu Hause sein.

Der letzte Tag des Flugabenteuers begann daher einmal mehr sehr früh. Unmittelbar nach Sonnenaufgang starteten die Piloten und nahmen Kurs in Richtung Pyrenäen. Sie testeten aus, in welcher Höhe ein möglichst starker Rückenwind die Fluggeschwindigkeit weiter steigern könnte. Und dieses Mal war das Glück auf ihrer Seite. „Wir hatten zum Teil Rückenwind von bis zu 60 Stundenkilometern, dadurch stieg unsere Reisegeschwindigkeit auf über 220 Stundenkilometer. Das ist für Ultraleichtflieger eine sehr beachtliche Leistung“, blickt Traub auf diese eher entspannende Phase des Flugabenteuers zurück.

Glückliche Rückkehr nach Worms

Obwohl – ganz und gar stressfrei verlief auch dieser Tag nicht. Spätestens über den Pyrenäen nämlich wurde der Crew klar, dass angesichts der Höchstbelastung der Motoren („Wir flogen ständig mit vollem Schub“) der Sprit wohl nicht wie geplant bis zum Flughafen Lyon-Bron reichen würde. Sicherheitshalber steuerten die Piloten daher einen kleinen Provinzflugplatz in Südfrankreich an. Dort jedoch gab es AvGas nur auf Tankkarten. Keine Karte, kein Benzin. Jetzt hieß es rechnen. Das stärkere der beiden Ultraleichtflugzeuge verfügte noch über etwas größere Mengen an Treibstoff. Einen Teil davon zapfte die Crew ab und tankte damit die motormäßig etwas schwächere Maschine auf. Mit diesen letzten Reserven müsste es eigentlich gelingen, den Flughafen Lyon-Bron zu erreichen und ein letztes Mal aufzutanken. Die Rechnung ging auf, die beiden ULs landeten wenig später auf dem Airport dieser französischen Stadt. Während die Flugzeuge nochmals randvoll aufgetankt wurden, griff Hans-Adolf Traub zum Handy und wählte die Nummer seiner Frau Martina. Erst jetzt konnte der Pilot mit ziemlicher Sicherheit davon ausgehen, den Sonntagabend wieder zu Hause verbringen zu können. Auch die anderen Piloten informierten schon mal ihre Lebenspartnerinnen. Ganz allmählich ging ein großes Abenteuer zu Ende. Was jetzt folgte, war mehr oder minder fliegerische Routine. Nach einem ruhigen Flug über Frankreich erreichten die UL-Flieger am späteren Nachmittag den deutschen Luftraum und landeten um 18.44 Uhr Ortszeit auf dem Flugplatz Worms. Gerade einmal fünf Minuten vor Sonnenuntergang. Wären sie Piloten nur eine halbe Stunde später eingetroffen, wäre es noch einmal kritisch geworden.

Die Bilanz dieses abenteuerlichen Flugs kann sich sehen lassen – nicht nur wegen der Leistung der Piloten. Auch die nackten Zahlen imponieren: Insgesamt flogen die vier Abenteurer in mehr als 55 Stunden rund 8.000 Kilometer. Im Durchschnitt waren sie pro Tag zwischen sieben und acht Stunden in der Luft. Und ein preiswertes Abenteuer war es ebenfalls nicht. Allein an Spritkosten fielen exakt 3266 Euro an. Unbezahlbar sind jedoch all die Erinnerungen und Erfahrungen, die Hans-Adolf Traub, Heiko Johé, Bernhard Heller und Jan Harlfinger von ihrem Flugabenteuer mitbrachten.


Lesen Sie den ausführlichen Bericht der Flugabenteurer im neu erschienen Buch „Im Ultraleichtflieger nach Teneriffa“ von Michael Brückner und Hans-Adolf Traub, 92 Seiten, farbig illustriert, 11,60 ¤, ISBN 978-3-8370-3343-4, erhältlich in allen Internet-Buchhandlungen sowie direkt von den Autoren unter der folgenden eMail-Adresse embeli@gmx.de (portofreier Versand). Lieferbar ab 24. 3. 09.

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Tag der Veröffentlichung: 17.03.2009

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