Bis Weihnachten wird alles vergehen
Einmal im Jahr, meistens um die Adventzeit, bummle ich gerne durch die Stadt,
schaue mir die Schaufensterscheiben an, da diese oft wunderbar geschmückt sind.
Ich esse ein paar Bratwürste auf dem Weihnachtsmarkt, vor dem Augsburger Rathaus
und trinke dazu gerne ein, zwei Gläschen Glühwein
Auf meinem Weg durch die Stadt traf ich auf zwei Kinder.
Sie saßen in einer Toreinfahrt und weinten herzzerreisend.
Zuerst dachte ich, aha, da müssen wieder Kinder herhalten zum Betteln, eine neue Masche, man lässt sie herzhaft weinen, dann gibt es mehr Geld.
Doch beim Näherkommen bemerkte ich, das sie gar kein Behältnis vor sich hatten, in das man Münzen reinwerfen könnte.
Ich wurde neugierig und sprach sie an: „Erzählt mir mal, ihr Beiden, was euch so zum Weinen gebracht hat? Hat euch jemand etwas angetan oder habt ihr euch verlaufen ?
Wo sind den eure Eltern und wo wohnt ihr überhaupt.?“
Sie sahen mich nur sprachlos an und vergaßen dabei sogar ihr Weinen, aber sie sprachen kein Wort.
Verständnisvoll sprach ich weiter:
“Ihr sollt bestimmt mit keinem Fremden reden, das habe ich meinen zwei Kindern auch so beigebracht aber, wenn ihr Hilfe braucht müsst ihr es mir aber schon irgend wie sagen.“
Sie wischten sich mit dem Handrücken ihre Tränen aus den Augen, mir kam es so vor, als ob sie mich erst jetzt richtig erkennen konnten und der kleinere Junge flüsterte dem etwas älter wirkendem Mädchen leise ins Ohr, worauf diese das Wort aufnahm und Erzählen begann.
„Wir wohnen nicht weit weg von hier, gleich hinter dem Rathaus und unsere Eltern sind beide in der Arbeit, sie haben uns Geld da gelassen, damit sollten wir uns etwas schönes kaufen.
Wir wollten uns auch etwas kaufen, aber dann dachten wir uns eine Überraschung für unsere Eltern aus. Es ist ja bald Weihnachten und schon letztes Jahr gab es keinen echten Christbaum bei uns zu hause, nur so einen Kunststoffbaum gab es, so wollten wir zur Überraschung für Mami und Papi einen echten Baum kaufen, er sollte bis zur Zimmerdecke reichen.
Wir haben auch einen sehr schönen Baum gefunden, der Verkäufer hat ihn für uns auch eingepackt, in ein Netz, doch dann stellten wir fest, das wir ihn gar nicht tragen konnten und keiner wollte uns helfen.
Jetzt wissen wir nicht wie wir den Baum heimbringen sollen.
Oh Gott, dachte ich mir, wenn das nur die ganzen Sorgen sind.
„Da kann ich doch bestimmt helfen?“ bot ich mich an.
„Nun zeigt mir mal wo euer Prachtbaum gelagert ist.“
Sie gingen mit mir zurück bis zu dem Verkaufsstand am Moritzplatz, der Verkäufer erkannte sie sofort und meinte freundlich: „Na habt ihr euren Opa zum Tragen helfen geholt, da hinten steht euer Baum. Bezahlt habt ihr ihn ja schon, dann wünsche ich euch noch eine schöne Adventszeit“.
Mit diesen Worten ließ er uns stehen und wandte sich einem neuen Kunden zu.
Meinen Einwand, dass ich nicht ihr Opa sei, überhörte er einfach.
Ja das war wirklich ein schöner Baum, den sich die Beiden ausgesucht haben.
Da ich keine Handschuhe dabei hatte, bat ich den Verkäufer noch um so etwas wie eine Zeitung oder eine Einkaufstüte, damit ich nicht den harzigen und nadligen Stamm anfassen musste.
Er reichte mir mit einem gnädigen Lächeln eine Plastiktüte, er wusste dass es kein leichtes Unterfangen wird, diesen Baum tragen zu müssen, aber ich hatte es versprochen und so trug ich diesen knapp Dreimeterbaum, durch die Menschenmassen und durch die ganze Innenstadt bis hinter das Rathaus.
Dort in einem Altbau, musste er nur noch bis in den zweiten Stock
Eine ältere Frau, die gerade heimgekommen war, öffnete uns die Türe.
Es war die Mutter der beiden Kinder.
Überrascht, was ich da anschleppte, schlug sie die Hände vors Gesicht und jammerte mich an, wie ich nur auf diese dumme Idee gekommen bin, solch einen mächtigen Baum hierher zu schleppen.
Sie sah nicht die leuchtenden Augen ihrer Kinder, die glücklich waren, dass sie, durch mich, ihre Überraschung nachhause bringen konnten.
Sie schimpfte auf mich, darum lehnte ich den Baum einfach an die Wand und ließ ihn so angelehnt stehen, danach ging ich wortlos, erstaunt und traurig die Treppe hinunter.
Kurz bevor ich die Haustüre öffnete hörte ich ihren Ruf und der ihrer Kinder:
„Bitte warten sie, entschuldigen sie bitte, könnten sie nicht nochmals kurz herauf kommen?“
Ich hielt inne, in der Hoffnung doch noch wenigsten ein kleines Danke zu erhalten, also ging ich die zwei Stockwerke wieder nach oben.
Da sah ich wie sie gemeinsam versuchten den Baum, der umgefallen war und auf dem Boden lag, in die Wohnung reinzuschleppen.
Die Mutter der beiden Kinder sprach mich darauf etwas freundlicher an:
„Jetzt wo das riesige Ding schon mal hier ist, könnten sie es uns doch noch Bitte in die Wohnung tragen, er ist doch sehr unhandlich und schwer zu tragen“.
Ich ließ mich nicht zweimal betteln, packte den Baum und schleppte ihn noch die paar Meter in die Wohnung und wendete mich gleich wieder zum Gehen.,
Ich hörte nur noch, wie die Hausfrau vor sich hinschimpfte: „Wo soll ich diesen Baum nur hinstellen, wie kann man nur ungefragt so einen Baum da her schleppen“, usw.,
aber ich hörte kein Danke.
So ging ich betroffen und wortlos.
Plötzlich sprangen mir die Kinder doch noch nach und drückten mir wortlos die Hand, da war mir, als hätte ich zaghaftes Danke vernommen.
Heute sitze ich hier und schreib dieses Erlebnis auf .
Heute spüre ich noch meine Schultern schmerzen, aber bis Weihnachten geht auch das vorbei.
Texte: Copyright-Hinweise: K.-D.Langner
Tag der Veröffentlichung: 25.11.2010
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Kleine Erinnerung an die bevorstehenden stillen und besinnlichen Tage