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Prolog




Es war ein schwüler Sommertag. Seit gestern haben wir nichts mehr von Emma und Maurice gehört. „Sie sind zusammen weggefahren. Machen sich bestimmt ein schönes Wochenende“, erklärten uns Emmas Eltern.
Dass die zwei noch zusammen kommen, hätte ich auch nicht mehr für möglich gehalten. Ein ewiges Hin und Her ist das mit den beiden. Aber, wenn sie sich lieben, warum nicht?
Immerhin passen sie recht gut zusammen. Wie wir alle eigentlich. Wir, das sind meine Clique und ich. Vier Kerle und zwei Mädchen. Eine wirklich eingespielte Truppe – egal, um was es geht.
So wie auch heute. Mia, Noah, Vince und ich haben uns spontan entschieden, ins Freibad zu fahren. Naja, weniger wegen der Badeanlage – sie ist nicht gerade die Schönste -, sondern eher, um die riesige Sonnenwiese zum Sonnenbaden zu nutzen.
Seit nun mehr drei Stunden lagen wir hier, genossen die Sonne, und ärgerten uns über jede kleine Wolke, die sich vor die Sonne schob, bis Noah vorschlug, endlich ins Wasser zu gehen.
So zogen wir davon, und ließen unsere Sachen an unserem Platz zurück. Am Schwimmbecken angekommen, schlossen wir eine Wette ab, wer als Schnellster die 50 Meter zurücklegt. Gewinnen konnte ich nicht, dafür durfte ich Vince aber zum Sieg gratulieren. Nach einer erfrischenden Wasserschlacht und einer Runde Volleyball im Wasser, wie auch einer Runde Beachvolleyball gingen wir zurück zu unseren Plätzen.
Währenddessen klingelte Mias Handy mehrfach. Maurice hatte sie angerufen, konnte sie jedoch einfach nicht erreichen. Und so trällerte ihr Handy immer weiter vor sich hin, ohne bemerkt zu werden. An unseren Plätzen angekommen, dachte niemand mehr an alle seine Sachen. Dunkelgraue, furchterregende Wolken zogen aus dem Nichts auf. Und schon erfolgte eine Bademeisterdurchsage: „Bitte verlassen Sie umgehend die Schwimmbecken und die Sonnenwiesen.“
Keine dreißig Sekunden später grollte es auch zum ersten Mal. Wir packten unsere Sachen so schnell wie nur möglich, und liefen teilweise noch im Bikini oder Badeshorts in Richtung des überdachten Ein- und Ausgangs.
Kaum angekommen, rief Mia: „Scheiße, ich habe mein Handy liegen lassen!“ Als sie darauf loslaufen wollte, zog Noah sie zurück und sagte kopfschüttelnd: „Du bleibst hier. Ich hol es dir.“ Und dann fing es an, wahrlich aus Eimern zu regnen.
„Oh nein!“, schrie Mia „mein Handy geht Baden.“ Und ich dachte, jetzt zählt jede Sekunde. Ein Wettlauf gegen die Zeit. Nur wer gewinnt ihn? Noah, oder das Unwetter?
Plötzlich zuckte ein Blitz auf und erhellte den dunklen Himmel. Ich war erst einmal erschrocken, bis ich reagieren konnte. Mit dem Donnern stürzte Noah auch schon in Richtung Boden. „Noah!“, krächzte Mia. „Nein, Noah! Steh auf, bitte, steh auf“, und wie auf das Wort erhob sich Noah wieder vom Boden und begann zu rennen. Er rannte einfach. Und erreichte tatsächlich unseren Liegeplatz.
Gefühlte zehn Minuten später und um einige Nerven ärmer war Noah wieder bei uns. Klatschnass und völlig außer Atem. Dabei hatte er für die 200 Meter nicht mal eine Minute gebraucht. Er hob das Handy in die Höhe und sprach zu uns: „Meine Damen und Herren, der Sprintweltmeister Noah Hart und seine Siegesprämie.“
Wir brachen in Gelächter aus. Grade eben erschreckte er uns noch zu Tode, um uns danach zum Lachen zu bringen. Dieser Kerl ist der Wahnsinn. Mia fiel Noah nun dankend um den Hals und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Leider konnte ich es nicht hören, aber wie ich Mia kenne, muss man sie nur lange genug bearbeiten, um es zu erfahren.
Nach etwa fünfzehn Minuten war das Unwetter vergangen. Genauso wie unsere Laune noch weiter die Sonne aufzutanken. Mias Handy war in der Zwischenzeit ausgetrocknet, und sie konnte es wieder anmachen.
Gemeinsam sahen wir, dass Maurice angerufen hatte. 43 verpasste Anrufe erschienen auf dem kleinen Handybildschirm. Alle von Maurice. Innerhalb einer Viertelstunde.
Mia zögerte keine Minute und wählte sofort seine Nummer. Wir hörte zu, doch aus dem Handy kam lediglich: „Tuuuuut-tuuuuuuut-tuuuuuut-tuuuuuuut-tuuuu… Der angerufene Teilnehmer antwo…“ Mia brach den Anruf ab und versuchte es noch einmal. Wieder ging niemand mehr ran.
Zu Hause angekommen, bemerkte ich, wie mein Handy heftig vibrierte. Ich fragte mich schon, wer mich denn jetzt anrief, als ich mich an den Vibrationsalarm erinnerte, um die Simpsonsfolge heute nicht zu verpassen. Und da erst entdeckte ich, dass auch ich mehrere verpasste Anrufe hatte.
Ich wählte, nichts erwartend, Maurice‘ Nummer. Das Handy wählte. Nach zehn Sekunden wollte ich auflegen, als mich ein Knacken in der Leitung aufhorchen ließ. Nachdem diesem nichts mehr folgte, bewegte ich meinen Zeigefinger bereits Richtung Auflegetaste, als jemand das andere Handy abhob…


Kapitel 1




Es ist morgens, so gegen 7 Uhr. Der Wind hielt mich wach. Er peitscht unaufhörlich gegen die Fenster meines Zimmers. Bereits in der Nacht konnte ich nicht schlafen. Zu sehr waren meine Gedankengänge in die Geschehnisse der letzten Tage verstrickt. Wer war derjenige, der Maurice‘ Telefon abgehoben hatte? Wo seid ihr überhaupt, Maurice und Emma? Warum meldet ihr euch nicht? Was wird überhaupt als nächstes geschehen?
Nach einem wunderschönen Tag gestern wurde uns so langsam flau im Magen. Maurice und Emma sind seit zwei Tagen ohne ein Lebenszeichen unterwegs. Wo sie sind, weiß vermutlich nur der liebe Herr Gott.
Zusammen weggefahren, hatte uns Maurice Mutter gesagt. Mir gehen diese Worte immer wieder durch den Kopf. Wo könnten sie denn nur hin gefahren sein? Und wieso haben sie uns und ihren Eltern davon nichts erzählt?
Plötzlich fuhr mir ein Geistesblitz durch den Kopf: „Na klar, ich bin doch ein Idiot. Die Wette.“ Diese verfluchte Wette. Das musste doch die Lösung sein. Oder nicht?
Vor zwei Wochen hatten wir gemeinsam diese Wette abgeschlossen: Es würde sich doch eh keiner in den berüchtigten Wald hinein wagen.
Ihr denkt euch jetzt sicherlich: „Wald, allein? Pah das geht doch mit links. Was soll einem da schon passieren?“ Leider reden wir von keinem gewöhnlichen Wald. Der sagenumworbene Matzenbacher Wald jagt allen Angst ein. Selbst den Alteingesessenen.
Aber wir dachten uns, selbst wenn sich jemand nachts in diesen Wald wagen sollte, dann würde ja eh nichts passieren. Wir waren bereits so oft gemeinsam im Wald, aber allein oder gar nur zu zweit, war dies undenkbar. Jedes Mal wenn wir gemeinsam dort waren, hatten wir bereits das Gefühl von irgendwo beschattet zu werden. Irgendjemand sitzt dort in diesem Wald hatten wir uns gedacht. Doch bislang sind wir jedes Mal heil herausgekommen.
Und jetzt, passierte das, wovon wir nie zu Träumen dachten. Emma und Maurice verschwinden. Nach unserer Wette. Kann das ein Zufall sein?
Nein. Ich glaube nicht. Sie wollten uns zeigen, dass wir uns nur alles selber einbildeten. Doch bereits gestern gab es kein Zeichen von den beiden. Und am Sonntag waren wir wie immer zum Kickern verabredet, aber an ihre Handys sind sie nicht gegangen. Ihre Eltern wussten auch nicht wo sie waren, und begannen verzweifelt nach ihnen zu suchen. Am Sonntagmittag schalteten sie die Polizei an. Diese stellte sich zunächst zimperlich an: „Eigentlich sind noch keine vollen 48 Stunden vergangen, in denen die Kinder verschwunden sind. Zur Fahndung dürfen wir sie erst in ein paar Stunden herausschrieben. Aber wir sehen Ihre Verzweiflung. Daher machen wir alles Menschenmögliche, um Ihnen zu helfen.“
Nach diesen Worten verabschiedeten sich die zwei sympathischen Polizisten. Kurz danach fiel mir wieder mein Verdacht ein. Verflixt und zugenäht. Wieso habe ich da nicht gleich noch dran gedacht? Und plötzlich fiel mir auch noch ein, wohin sie gegangen sein könnten.
Jedes Mal wenn wir dort waren, gingen wir zu diesem einen bestimmten Haus, von dem man sagte, es spuke darin. Ein Pfarrer, der sich in den Sechzigern dort selbst erhängt hatte, sei noch immer in den Gemächern des Hauses. Doch bislang konnten wir in diesem Haus nichts Besonderes ausfindig machen. Und dennoch hatten wir immer ein eigenartiges Gefühl, beschattet zu werden. Aber das Haus strahlte eine gewisse Ruhe aus, in der wir uns teilweise wohlfühlten.
Als mir mein Gedanke kam, spurtete ich zu mir nach Hause und bog kurz vorher in Richtung Garage ab. Danach zog ich mein Fahrrad heraus und fuhr schnellst möglich in die Innenstadt. Nach etwa drei Minuten kam ich am Polizeirevier an. Außer Atem sagte ich, wo ich Maurice und Emma zu finden glaubte. Lebendig natürlich. Die Polizei ging nämlich – was sie vor uns verheimlichen wollten - mittlerweile von einem Verbrechen aus. Da sich beide nicht gemeldet hatten und man bereits Emmas Handy in einem Bach im Wald geortet hatte, versuchte mich der Kommissar zu beruhigen: „So, Daniel. Setz dich erst mal hin. Du hast also den Verdacht…“. „Nicht den Verdacht, ich spüre es!“, stieß aus mir hervor. „Also gut“, seufzte der Kommissar. „dann werden wir uns mal gemeinsam in einen Streifenwagen setzen und losfahren.“
Nach etwa 20 Minuten Autofahrt im Polizeibus kamen wir im Wald an. Ich musste dem Kommissar den Weg beschreiben. „Also noch zwielichtiger könnt ihr euch heute nicht mehr aufhalten, oder?“, scherzte der Kommissar. Mir lief kalter Schweiß den Rücken runter. „Stop“, kam nur aus mir heraus. Der Kommissar hielt an. „Was ist denn los?“ Ich stammelte nur: „Ich glaub da, da, da war irgendwas. Es sah aus wie das Motorrad von … und es war ungewöhnlich rot.“ Der Kommissar fragte nur: „Bist du dir sicher?“ Ich nickte zögernd, nachdem ich mich noch mal umgedreht hatte. Schließlich zückte der Kommissar das Funkgerät und sprach herein: „Ich benötige dringend Verstärkung in den Matzenbacher Wald, wir stehen etwa 500 Meter hinter der Kreuzung an der Waldkapelle. Ich habe hier möglicherweise neue Erkenntnisse zum Fall Stober und Wink.“
Die Antwort war knapp gehalten: „Verstanden.“ Herr Brustel, so hieß der Kommissar, ermahnte mich nun zur Ruhe. „Bleib im Auto. Egal was passieren sollte.“ Er stieg aus dem Auto, und öffnete die Kofferraumklappe. Ich spiel in einem eigenen Krimi mit, dachte ich mir. Und tatsächlich. Kommissar Brustel zog neben seiner Dienstwaffe noch ein Handschuhpaar aus dem Inneren seines Dienstfahrzeugs. Dann drehte er sich um und ging etwa 15 Meter vom Dienstwagen weg. Und genau in diesem Moment konnte ich sehen, wie er mit sich rang, sich nicht zu übergeben. Egal was es war, ich musste es sehen. Es geht hier doch immer hin um meine Freunde. Ich stieg aus und rannte zu ihm hin. Als ich ankam, hörte ich bereits von der Ferne lauterwerdende Polizeisirenen. „Ah, endlich ist die Verstärkung da“, dachte ich mir. Doch als ich sah, was Herrn Brustel zu tiefst erschütterte, sackte ich zusammen. Es war eindeutig Maurice‘ Motorrad. Es lag sogar noch sein Helm da. Doch in seinem Vorderrad war etwas eingeklemmt. Es sah aus wie..., nein es war eindeutig eine menschliche Hand. So viel war klar. Und sie stammte von einer Frau, was durch den Nagellack erkennbar wurde. „Scheiße, ist das nicht…“, dachte ich mir, doch genau in dem Moment, sackte ich zusammen und die Umgebung verschwand vor meinen Augen.

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Tag der Veröffentlichung: 18.06.2011

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