Er war massiv und aus dunklem Kirschholz gefertigt. Etwas Besonderes sollte es sein. Da waren wir uns einig gewesen. Und der Entschluss fiel, weil Kirschen schließlich rot sind. Und rot bedeutet Liebe, für sie die Liebe, die sie mir vor Gott versprach. Mit einem Lächeln auf den Lippen. Und ich gab ihr mein Wort, sie zu lieben. Bis, dass der Tod uns scheide.
Nun war es schlichtweg faszinierend. Wie nah sie mir in diesem Moment war. Wie nie zuvor. Ich konnte fühle, was in ihr vorging. Ich sah ihre unfassbare, blendende Schönheit. Wahrhaftig blendend. Sie sah mir tief in die Augen und versuchte sich gleichzeitig im Schatten zu verbergen. Es war still. Totenstill. Also wusste sie es. Sah sie mich an? Was fühlte sie wirklich? Was ich fühlte wusste ich. Hass, Verzweiflung, das maßlose Gefühl von Enttäuschung. Eine Dunkelheit die ich einfach übersehen haben musste. Ich hörte mein Herz. Ich hörte ihres. Und zusammen mit ihrem schlug ein Drittes. Das Holz lebte. Der Schrank atmete laut. Über Jahre hinweg hatte er auf das Ehebett geblickt. Stumm. Nie hatte er einen Laut von sich gegeben. Jetzt schien das Holz der Kirsche das Geräusch des Verrats zu verstärken, sodass ich es nicht übersehen konnte. Wie sehr ich es auch wollte. Sie hatte mich belogen. Und meine Verletzlichkeit entlockte ihr alle Schuld. Sie wimmerte und ich hasste sie nur noch mehr. Oder hasste ich den Schrank? Ich ließ jetzt voller Freude die Erde erbeben. So entzog ich dem Schrank das letzte bisschen Leben. Leere. Ich horchte. Nur noch mein Herzschlag in diesem Raum als die Sonne aufging. Wie der Saft einer Kirsche sickerte Blut aus dem Schrank.
Tag der Veröffentlichung: 04.12.2011
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