Das ist keine Klischee-Geschichte.
Deshalb werde ich euch jetzt nicht sagen wie ich heiße, oder welche Farbe meine Augen haben.
Die Geschichte beginnt auch nicht in der Schule, nicht mit dem Weckerklingeln und auch nicht an einem Montagmorgen.
Tatsächlich lag ich gerade im Schwimmbad, als die nennenswerten Ereignisse begannen.
Es hatte ungefähr 20 Grad Lufttemperatur, was eigentlich deutlich zu kalt ist, um in Badehosen auf einem Handtuch an der frischen Luft herumzuhängen.
Genau aus diesem Grund hatte ich mich in eine Decke gewickelt, während ich meinem besten Freund beim Springen zusah. Josh trainierte für die Kunstsprung-Meisterschaft in der U19 und hatte mich als Kameramann beordert.
Wie nach jedem Training wollte er alle seine Sprünge anschauen und analysieren und das einzige was ich zu tun hatte, war hin und wieder nachzuschauen, ob die Linse nass geworden war.
Im Schwimmbad war es fast ganz leer, nur ein paar rüstige Rentner zogen ihre Bahnen und am Kiosk hingen ein paar Jugendliche herum.
Es platschte laut, als Josh wenig elegant ins Wasser eintauchte und automatisch sah ich zu ihm herüber.
Ich könnte euch jetzt erzählen, dass er mit Wasserperlen am ganzen Körper aus dem Becken stieg und ich ihn dabei sabbernd anstarrte, aber das entspricht nun mal nicht der Wahrheit.
Ja, ich bin schwul. Aber Josh ist nun wirklich nicht die Art von Typ, die ich anstarren würde.
Er war für meinen Geschmack schon immer zu dünn, muskulös, aber drahtig.
Außerdem kann er ein kompletter Idiot sein, einen Burger mit einem Biss in sich hineinstopfen und zu allem Übel hört er auch noch Country-Rock, was nun mal so gar nicht meiner Vorstellung von guter Musik entspricht.
Trotzdem sind wir irgendwie Freunde, hängen dauernd zusammen rum und sind auch sonst ein gutes Team. So wie an jenem Nachmittag, als er mich ins Schwimmbad geschleppt hatte um ihm den Kameraassistenten zu spielen.
Also zurück zu dem Moment, in dem Josh so lautstark ins Wasser rauschte.
Ich schaute zu ihm hinüber, konnte ihn aber nicht entdecken, weil er noch nicht wieder aufgetaucht war. Dafür bemerkte ich einen anderen Typen, der sich anschickte den fünf Meter Turm zu erklimmen.
Er war, um es nett auszudrücken, pummelig. Ich wollte schon die Stopp-Taste an der Kamera betätigen, als mir jemand auf den Rücken klopfte.
„Dein Kumpel, den du da filmst?“ Ich drehte mich um. Ja ich weiß, ich hatte keine Klischees versprochen, aber jetzt fehlten mir doch kurz die Worte.
Neben mir stand ein Kerl in meinem Alter, wie ich in ein Handtuch gewickelt und mit einer großen Portion Pommes in den Händen.
Mein Blick wanderte von den Pommes zu seinem Gesicht und wieder zurück. Ich konnte mich nicht entscheiden, was ich anziehender fand, seine Lippen oder den Snack in seinen Händen. Mir war nicht bewusst gewesen, wie hungrig ich war, bis zu diesem Moment.
„Er trainiert für einen Wettkampf“, fiel mir gerade noch rechtzeitig seine Frage wieder ein und er nickte zustimmend und setzte sich neben mir aufs Gras.
„Sieht man. Er springt echt richtig gut. Stört euch Flo bei der Aufnahme?“ Er nickte zum Becken hinüber, wo der pummelige Kerl gerade ins Wasser platschte, während Josh schon wieder den Sprungturm hinauf kletterte.
Ich schüttelte den Kopf. „Ist nur zur Analyse später. Willst du nicht auch springen?“
Der Typ zuckte die Achseln. „Zu kalt. Auch deine Meinung so wie's aussieht.“
Schweigend schauten wir den beiden so ungleichen Springern eine Weile zu, während er eine Pommes nach der anderen in seinem Mund verschwinden ließ. Schließlich gab ich mir einen Ruck und sagte: „Ihm scheint das Springen auch ziemlichen Spaß zu machen.“
Er lächelte. „Es ist die einzige Beschäftigung, die er immer wieder machen will. Florian hat Down-Syndrom weißt du. Ich weiß er springt nicht gut, aber das ist ja auch nicht der Sinn.“
Ein Pflegefall also. Ich schaute genauer hin, aber auf die Entfernung konnte ich keines der typischen Merkmale erkennen.
„Florian also. Und du heißt?“ „Marvin.“ Mein Blick schweifte wieder zu seinen inzwischen deutlich reduzierten Pommes und dieses Mal erwischte er mich. „Auch eine? Ich hab eigentlich gar keinen Hunger mehr.“ Ertappt schreckte ich hoch. „Wenn's dir wirklich nichts ausmacht? Ich hab nach der Schule das Mittagessen ausgelassen.“
Ohne ein weiteres Wort schob er mir die Pommes hinüber und ich nahm mir eine.
„Danke.“ Ich schaute ihm in die Augen und stellte fest, dass sie … nein, das spielt für euch ja überhaupt keine Rolle. Wichtig ist nur, dass sie mir in diesem Moment ganz außergewöhnlich gut gefielen.
Marvin grinste und steckte sich auch eine Pommes in dem Mund.
Statt uns allerdings unsterblich ineinander zu verlieben, wurden wir von einem lauten Lachen abgelenkt.
Wir schauten beide zum Becken hinüber, wo Florian und Josh am Sprungturm lehnten und sich offenbar glänzend verstanden.
Selbst von hier konnte ich erahnen, dass sie sich übers Springen unterhielten, denn Josh gestikulierte zum Turm und zeigte dem Anderen offenbar wie er seinen Körper anspannen musste.
„Ich wette Flo bewundert deinen Freund ganz schön.“
Ich blinzelte. „Josh ist nicht mein Freund.“ Marvin runzelte die Stirn. „Das hast du doch vorhin gesagt?“
Das war der Moment für den ich mich bis heute ohrfeigen könnte.
Natürlich meinte Marvin nicht das, war ich meinte. Diese ganze bester Freund/ fester Freund Geschichte macht mich bis heute ganz kirre.
Indem ich klarstellte, dass Josh nicht mein „Freund“ wäre, verriet ich Marvin, dass es in meinem Leben eventuell einen „Freund“ geben könnte.
„Vergiss es“, redete ich mich raus und versuchte unauffällg aus Marvins Mimik abzulesen, was er in diesem Moment dachte.
Der ließ sich aber nichts anmerken, sondern schaute wieder zu Flo und Josh hinüber.
Die schienen nicht mehr springen zu wollen, sondern kamen auf uns zu. Ich beugte mich vor und drückte die Stopp-Taste auf der Kamera. „02.45.37“ meldete die Anzeige, was bedeutete, dass ich schon fast drei Stunden hier herumsaß. Marvin schien es auch gesehen zu haben.
„Wird Zeit für euch ins Warme zu kommen oder?“ „Für deinen Freund aber auch“, konterte ich, wobei ich absichtlich das Wort „Freund“ für Florian benutzte.
Marvin schmunzelte. „Flo ist nicht mein Freund.“
Mit der Antwort hatte ich nicht gerechnet und man sah es mir wohl so deutlich an, dass Marvin noch hinzufügte: „Er ist mein kleiner Bruder.“
Mittlerweile waren Josh und Flo bei uns angekommen und es gab ein kleines Durcheinander in dem sich alle gegenseitig vorstellten und die Zusammenhänge klären wollten.
Aus der Nähe konnte ich jetzt ganz deutlich sehen, dass Marvins Bruder Florian anders aussah als wir anderen drei, aber dafür strahlte er übers ganze Gesicht.
Die beiden Springer sahen ziemlich durchgefroren aus, also schlug ich vor, dass wir uns alle umziehen sollten und Marvin fügte hinzu, dass er mit Flo in das Cafe gegenüber dem Schwimmbad gehen würde. Ich wusste erst nichts mit dieser Aussage anzufangen, bis Josh „bis gleich dann also“ sagte und anfing seine Kamera abzubauen.
Ich war zwar erleichtert, endlich wieder etwas anziehen zu können, aber auch nervös - wegen unserer Verabredung mit Marvin und Flo.
Leider passierte an diesem Nachmittag nichts Erzählenswertes mehr, außer dass wir vier uns von diesem Tag an regelmäßig im Schwimmbad trafen.
Damals war Anfang April und die nächsten wichtigen Ereignisse passierten etwa Mitte Mai. An einem der unzähligen Nachmittage, die Marvin und ich auf der Liegewiese im Schwimmbad herumhingen, während Josh und Flo an den Sprungtürmen waren. Obwohl es inzwischen viel wärmer war, hatte ich keine Lust ins Wasser zu gehen und auch Marvin legte seine Decke nicht ab.
Unsere Sportler waren schon etwa eine halbe Stunde im Wasser, als Marvin ganz unvermittelt ein sehr persönliches Thema ansprach.
„Du bist schwul, oder?“, waren seine Worte und ich spuckte den Schluck Cola aus, den ich eben getrunken hatte.
„Tut mir leid, ich wollte dich nicht erschrecken.“ Ich starrte ihn nur fassungslos an, also fuhr er fort. „Erinnerst du dich noch an René?“
Oh ja, das tat ich. René ist ein Freund von Marvin, der allerdings so offensichtlich schwul ist, dass mir persönlich unsere Begegnungen immer ziemlich unangenehm waren. Aber anstatt das zu sagen, nickte ich nur.
Marvin zuckte die Achseln. „Er hat das neulich behauptet. Hat gesagt, er hätte dafür gute Antennen. Ich dachte ich frag dich einfach, bevor ich mir lange den Kopf zerbreche.“
„René, du Arsch!“ war längst nicht alles, was ich in diesem Moment dachte. Dazu kamen noch ein „Ist es etwa so offensichtlich?“ und ein „Warum zum Teufel interessiert dich das?“
„Also?“ Marvin sah mich aufmerksam an. Was zur Hölle sollte ich denn jetzt sagen?
„Klar bin ich schwul - übrigens, du bist genau mein Typ“? Als ich gar nicht antwortete, wandte Marvin sich ab. „Vergiss es, du musst es mir nicht sagen.“ Ich spürte deutlich, dass er enttäuscht war, aber zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nicht warum.
Den Rest des Nachmittages über versuchte Marvin zu überspielen, was zwischen uns gewesen war und ich unterstütze sein Bemühen nur zu gerne.
Wieder verging einige Zeit, in der alles ganz normal war. Flo wurde beim Springen immer besser - dank Joshs Tipps - und es wurde zu unserem gemeinsamen Ritual uns nach dem Schwimmbadbesuch bei Josh zuhause die Videos anzuschauen. Flo liebte es, sich selbst beim Springen zu sehen, während Josh wie üblich seine Analysen durchführte. Marvin machte es glücklich, dass Florian so glücklich war und ich … nun ja. Ich nutzte die Zeit in der alle abgelenkt waren, um Marvin anzuschauen.
Hatten mich am Anfang hauptsächlich seine Lippen angezogen, so war es jetzt sein ganzes Gesicht. Ich mochte nicht nur die einzelnen Teile davon - denn diese waren objektiv betrachtet nicht einmal übermäßig hübsch - sondern mich faszinierten seine Mimik, seine Art die Augenbrauen hochzuziehen und natürlich sein Lächeln, das von glücklich über belustigt bis zu seinem ironisches Schmunzeln alles ausdrücken konnte.
Manchmal hatte ich das Gefühl, dass Marvin wusste was ich über ihn dachte, aber kaum war so ein Moment gekommen, da war er auch schon vorüber. Der gesamte Juni musste vergehen, bis ich Genaueres darüber erfuhr.
Es war aufs Josh lang ersehntem Wettkampf, der bei gutem Wetter in einem der benachbarten Orte stattfand.
Florian hatte als Joshs größter Fan natürlich mitgehen wollen und so verbrachten Marvin und ich mal wieder einen Nachmittag miteinander.
Ich bedauerte mittlerweile, dass ich Marvin noch nie in Badehosen gesehen hatte - im Schwimmbad hatte er immer die Decke um und außerhalb trug er nur wenig körperbetonte Kleidung.
Auch an diesem Nachmittag hatte er sich ganz eingehüllt und nur sein Kopf schaute oben heraus.
Ich selbst ließ meine Decke mittlerweile zuhause und räkelte mich neben ihm in der Sonne.
„Ist dir eigentlich nicht zu warm?“ Diese Frage trug ich beiläufig vor, aber in Wahrheit hatte ich eine Weile an der Formulierung gefeilt.
Ich wollte irgendwie erreichen, dass er die Decke ablegte, aber so einfach machte Marvin es mir nicht.
„Nö“, war seine Antwort und er schaute weiter den Wettkämpfen zu.
„Es hat fast dreißig Grad, willst du nicht ein bisschen braun werden?“
„Willst du, dass ich vor dir strippe oder was?“ Marvin hielt meinem verdutzten Blick stand, bis ich mich verlegen abwandte.
Wieder erst im Nachhinein wurde mir klar, dass ich damit nur seine Vermutung bestätigt hatte, aber mir fiel in diesem Moment einfach keine passende Erwiderung ein.
Also schwiegen wir eine Weile, Josh machte ein paar Sprünge, die wir bejubelten, dann trat wieder Ruhe ein.
Ich schaute zu Flo, der bei Josh am Beckenrand stand und offenbar seine Leistung mit ihm diskutierte.
„Ich leg die Decke weg, wenn du mir sagst, ob du schwul bist.“ Marvins Stimme klang ruhig, aber er sagte mir später einmal, dass sein Herz in diesem Moment rasend schnell geschlagen hätte.
Ich überlegte. Zu gestehen, dass ich schwul war, würde Marvin nur in seiner Annahme bekräftigen, dass ich ihn halbnackt sehen wollte. Andererseits wollte ich das unbedingt und war Marvin sich nicht sowieso schon sicher?
„Ja bin ich“, sagte ich leise und ohne ihn anzuschauen. „Ich weiß es schon seit ein paar Jahren.“
Ich spürte Marvins Blicke auf mir. „Wolltest du mal was von Josh?“ „Was?“ Ich fuhr zu ihm herum, erwartete ein Lachen an ihm zu sehen, aber als ich seine erste Miene sah, erstarb meines auf meinen Lippen.
„Wieso sollte ich etwas von Josh wollen? Du kennst ihn doch!“ Meine Worte schienen Marvin zu verwirren. „Naja, er ist doch total in Ordnung, oder?“ Ich lächelte unwillkürlich.
„Klar ist er in Ordnung. Als Kumpel. Aber er käme niemals als … du weißt schon was in Frage.“ Ich wurde ernst. „Wieso interessiert dich das?“ Marvins Augen weiteten sich für einen Moment, dann schaute er - wie ich vorher - zu Flo und Josh hinüber.
Ohne einen Kommentar nahm er die Decke von den Schultern und ließ sie um sich herum sinken. Er trug an diesem Tag eine grüne Badehose, aber das war nicht das, auf was mein Blick fiel.
Marvin war so schlank, wie seine Kleidung es hatte erahnen lassen, aber längst nicht so dünn wie Josh und auch nicht so muskulös. Meiner Meinung nach war er einfach genau richtig. Was mir erst auf den zweiten Blick auffiel waren die hellen Flecken auf seiner Haut, offenbar eine Pigmentstörung.
Ich runzelte die Stirn. „Deshalb wickelst du dich mitten im Sommer in eine Decke?“
Marvin zuckte zusammen und überkreuzte die Arme vor der Brust. „Sieht total beschissen aus.“
Ich rutschte näher zu ihm hinüber und schüttelte leicht seine Schulter. „Das ist doch nur ein bisschen andersfarbige Haut. Was ist denn daran so dramatisch?“ Marvin antwortete mir nicht, was nicht oft vorkommt. Meistens bin ich derjenige, dem die Worte fehlen.
„Mir gefällst du trotzdem“, stellte ich leicht hin klar, ohne groß darüber nachzudenken. Marvin wusste ab diesem Moment schließlich, dass ich am anderen Ufer fische. Soweit dachte ich aber nicht, wie so oft.
Tatsächlich machte sein halbnackter Körper mich in diesem Moment einfach ziemlich an und ich brachte schnell wieder Abstand zwischen uns.
„Na ihr Süßen?“ Josh schlenderte grinsend auf uns zu, Florian in Schlepptau und Marvin und ich zuckten ertappt zusammen.
„Habt ihr meinen letzten gesehen? Der war richtig geil, nicht war Flo?“
„Super Sprung“, bestätigte Flo und strahlte seinen Helden an. Verlegen tauschte ich einen Blick mit Marvin. „Ja, der war perfekt“, behauptete ich leichthin, obwohl weder Marvin noch ich gerade auf die Springer geachtet hatten.
„Jetzt werden noch Punkte berechnet und so, aber es sieht aus als würde ich ins Finale kommen“, erklärte Josh uns stolz und ließ sich auf mein Handtuch fallen.
Er schnappte sich mein T-Shirt um sich das Gesicht abzutrocknen und statt mich zu ärgern, dass er sich wie üblich an meinen Sachen vergriffen hatte, wurde mir auf einmal bewusst, wie Marvin auf die Idee gekommen war, dass zwischen Josh und mir etwas laufen könnte.
Ich warf ihm einen Blick zu und erwischte ihn dabei, wie er die Situation genauso kritisch betrachtete wie ich. Flo lenkte uns ab. „Gehst du mit mir Eis holen, Marv?“
Natürlich tat Marvin seinem kleinen Bruder den Gefallen, so dass ich kurz mit Josh alleine war.
Wir hatten schon öfter über Marvin und Flo gesprochen, wie gut die beiden sich verstanden, dass Florian Josh offensichtlich bewunderte und so weiter. An diesem Nachmittag wollte Josh aber nur über Marvin reden.
„Er steht auf dich.“ „Wie bitte?“ „Marvin. Er ist eifersüchtig auf mich.“ Ich schaute meinen besten Freund mit großen Augen an. „Meinst du wirklich?“ Josh grinste. „Erwischt. Du stehst auch auf ihn oder? Wie du ihn eben angeschaut hast… seit wann ist er eigentlich seine Decke losgeworden? Ich dachte schon er würde den ganzen Sommer noch damit rumlaufen.“
Mir fiel es schwer Josh zu widersprechen, dessen Beobachtungsgabe mich ein wenig überrumpelt hatte.
„Er hat so ein Pigementsdings oder? Kenn ich von einem aus der Mannschaft. Sieht geil aus, wenn so Typen braun werden und die Flecken weiß bleiben.“
Ich konnte ihn nur fassungslos anstarren. „Bist du jetzt auch schwul oder was?“, murmelte ich dann, um ihn ein wenig zu ärgern und wie erwartet knuffte er mich grinsend gegen den Arm. „Ich nehm dir doch nicht die Kerle weg, mein Schatz.“
„Idiot.“ Ich verpasste ihm meinerseits einen Stoß und damit war die Sache geklärt.
Als Flo und Marvin zurückkamen beobachtete ich die beiden beim Näherkommen. Florian hatte durch das viele Schwimmen ein wenig abgenommen, aber er fiel trotzdem noch durch seinen Gang auf. Er bewegte sich mehr wie ein Kleinkind, als wie ein Erwachsener. Außerdem hielt er Marvins Hand und ich beneidete ihn darum.
Marvin seinerseits sah angespannt aus, vermutlich lag das an seiner nackten Haut, mit der er sich nicht ganz wohl fühlte. Trotzdem fing ich fast an zu sabbern, als … Entschuldigung. Keine Klischees von meiner Seite.
Wir saßen zu viert zusammen, bis die Punktewertung verkündet wurde. Josh war wirklich im Finale und wir beschlossen abends bei ihm eine Kleinigkeit zu trinken. Florian kam nicht, er blieb zuhause bei seinen Eltern, nur Marvin stand pünktlich um neun vor Joshs Haus. Nach und nach trudelten noch ein paar Leute aus Joshs Mannschaft ein, aber Marvin blieb den ganzen Abend an meiner Seite.
Er sah genauso aus wie immer, aber trotzdem musste ich ihn öfter anschauen als sonst.
Es war etwas zwischen uns, über das wir nicht sprachen, aber beide spürten.
Spät in der Nacht machte sich Marvin auf den Heimweg, und ich entschied mich spontan, ihn bis zum Bahnhof zu bringen.
Ich hatte nicht viel getrunken, aber die späte Stunde und der sternklare Himmel - er war wirklich sternenklar, keine Übertreibung - machten mich ein wenig emotional.
Wir gingen schweigend nebeneinander her, bis zur Bahnstation. Es war außer uns keine Menschenseele da, trotzdem war ich befangen.
Als die Ankunft des Zuges immer näher rückte, gab ich mir schließlich einen Ruck.
„Marvin… ich stelle dir auch einmal eine persönliche Frage, okay?“
Er schmunzelte. „Erwarte nicht zu viel.“ Ich blieb ernst. „Erinnerst du dich, als ich vorhin sagte, du würdest mir gefallen?“ Marvin seufzte. „Natürlich. Das ist gerade einmal … zehn Stunden her.“ Ich nickte. „Das hab ich ernst gemeint.“ Er runzelte die Stirn. „Na davon geh ich doch aus, wenn du so was sagst, oder?“ Das verwirrte mich. „Ja klar, ich meinte nur… ich hab das so richtig ernst gemeint, weißt du so… ach scheiße.“ Ich konnte nicht formulieren was ich sagen wollte.
Ich warf einen Blick über die Schulter. Wir waren immer noch ganz allein. Ich atmete tief durch, dann trat ich dicht an Marvin heran, bis unsere Gesichter eng beieinander waren.
„So ernst meine ich das“, flüsterte ich, beugte mich vor und küsste ihn.
Er erstarrte kurz, aber dann legte er die Arme um mich und erwiderte den Kuss sanft. Mann, konnte der küssen. Erst als der Zug einfuhr, lösten wir uns voneinander.
„Du gefällst mir auch“, meinte Marvin lächelnd, dann küsste er mich noch leicht auf die Wange und stieg ein. Ich blieb still stehen, bis der Zug außer Sicht war, dann stieß ich mit der Faust triumphierend in die Luft. „Ja!“
Ich habe immer noch nicht geschrieben, wie ich heiße oder welche Farben Marvins Augen haben. Ich habe auch nicht erwähnt, dass Josh an diesem Abend mit einer seiner Mannschaftskameradinnen zugange war. Warum auch? Für mich war das alles bedeutungslos an diesem Abend. Alles unwichtig, außer eines: Marvin.
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„Hast du gerade meinen Namen geschrieben?“
Ich fahre herum. Marvin grinst und beugt sich über meine Schulter. Schnell versuche ich das Dokument zu schließen aber er hat schon die letzten Worte gelesen. „Alles unwichtig außer Marvin“, liest er vor und lacht. „Wie niedlich.“
Er lässt sich auf meinen Schoß sinken und küsst mich. Abgelenkt von seinen weichen Lippen bemerke ich nicht, dass er die restlichen Sätze auf der Seite überfliegt.
„Du hast aufgeschrieben, wie wir zusammengekommen sind?“ Ich erröte. Unsere Geschichte aufzuschreiben war eher ein Gedankenspiel, ein kleiner Spaß, aber ich habe es tatsächlich bis zum Ende geschafft.
„Ja, ich fand es irgendwie lustig.“ Er knufft mich. „Lustig? Hast du auch geschrieben, dass du bei unserem ersten Kuss hart geworden bist?“ Ich brumme beleidigt. „Du hattest ja wohl auch eine Erektion.“ Marvin lacht und scrollt nach oben. „Keine Klischee-Geschichte. Aha… na ja ein wenig klischeehaft sind wir schon. Ich könnte ein Foto von deiner lila Badehose anhängen.“ Ich schnaube. „Die gibt es gar nicht mehr, außerdem hatte ich die nie vor dir an.“ Ich versuche noch einmal, meinen Text vor ihm zu verstecken, aber er hält meine Hände fest.
„Das wäre ja auch unter deiner Würde, Josh anzuhimmeln. Außerdem wäre es zwecklos, wo er doch schon wieder eine neue Freundin hat.“
Ich zucke die Schultern. „Ich stehe eben mehr auf Brünette.“ Marvin liest weiter. „Musstest du schreiben, dass du auf meine Pommes abgefahren bist?“ Er reißt gespielt entsetzt die Augen auf. „Und ich dachte immer, meine Augen hätten dich verführt, nicht meine Fähigkeit zur Nahrungsbeschaffung.“
Als er zu der Stelle kommt, in dem ich Josh als meinen „Freund“ abstreite, lacht er. „Heirate mich eben, dann bin ich dein Mann. Keine Verwechslung mehr möglich.“
Ich küsse ihn nur zur Antwort. Hochzeit… das hat noch Zeit. Aber hergeben werde ich Marvin ganz sicher nicht mehr, so oder so.
Texte: S. Bellalena
Bildmaterialien: Das Cover ist von einem netten Bekannten :)
Tag der Veröffentlichung: 22.03.2016
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