Hanna stellt keine Fragen, als ich spät abends nach Hause komme und ohne große Worte schlafen gehe.
So langsam habe ich das Gefühl, dass sie mich längst aufgegeben hat, nur noch aus Gewohnheit bei mir bleibt.
Vielleicht findet sie es auch praktisch, immer jemanden zu haben, der mit ihr schläft, wenn sie es verlangt - was nicht oft vorkommt.
Ich habe trotzdem Schuldgefühle. Hanna ist meine Freundin und ich bin gerade das zweite Mal fremdgegangen, ganz bewusst und völlig nüchtern. Aber es hat sich gelohnt. Mit Ben zu schlafen hat mir wieder umso mehr deutlich gemacht, dass Männer genauso in mein Beuteschema passen wie Frauen, wenn nicht sogar noch mehr.
Ich denke an Simon. Was er wohl sagen würde, wenn er von mir und Ben wüsste?
Der nächste Morgen beginnt wieder wie jeder andere Montagmorgen auch. Wir treffen uns zum Joggen auf dem Platz.
Als ich Simon sehe werde ich rot. Ich weiß nicht genau warum, aber auf einmal habe ich das Gefühl, jeder weiß, was ich gestern Abend gemacht habe.
Simon sieht gut aus, wieder ganz der Alte und die Stimmung ist entspannt, als wir loslaufen.
Wir joggen die üblichen vier Runden, Simon mit uns zusammen und danach will ich mich so schnell wie möglich unter die Dusche verdrücken.
Dieses Mal aber wird mein Plan vereitelt, denn Simon nimmt mich beiseite.
„Dennis, können wir mal kurz reden?“
Ich nicke überrascht und gehe mit ihm einige Schritte.
„Gestern das Spiel ist sehr gut gelaufen, obwohl du nicht auf dem Platz warst. Trotzdem würde ich dich beim nächsten Spiel gern dabei haben.“ Diese Worte überraschen mich und Simon sieht es mir anscheinend an. „Ich weiß, die letzten Wochen waren nicht deine Glanzmomente, aber wenn du diese Woche gut spielst, dann bist du am Sonntag als Kapitän dabei.“
Erfreut über seine Worte lächle ich ihn dankbar an. „Danke Simon, ich … ich reiße mich zusammen.“
Er nickt, geht dann nach drinnen und auf einmal dämmert mir, dass ich jetzt auch duschen gehen muss. Meine Mannschaftsmitglieder sind schon fast fertig, als ich die Umkleide betrete. Mit klopfendem Herzen ziehe ich mich aus und nehme mir meine Duschsachen. Keine Geräusche sind aus dem Duschraum zu hören, nur Wasserrauschen.
Ist Simon da jetzt etwa alleine drin?
Zögernd öffne ich die Tür. Tatsächlich, Simon steht alleine unter der Dusche, den Rücken mir zugewandt.
Ich erstarre.
Meine Augen schweifen begierig über seine Kehrseite, seinen Hintern und sein Tattoo, auch die Narbe fängt meinen Blick auf. Fast schon verzweifelt stehe ich in der Tür, während mein Schwanz schon beginnt, sich zu regen.
Schnell lege ich mein Handtuch ab und gehe zu meiner Dusche, krampfhaft bemüht, Simon nicht anzuschauen. Ich schalte eiskaltes Wasser an, trotzdem ist mir heiß.
Simon steht ganz nah bei mir, völlig nackt und wir sind allein.
Fuck! Ich beiße mir auf die Lippe, konzentriere mich auf mich selbst und mein Duschgel, bloß nicht zur Seite schauen…
Natürlich huscht mein Blick trotzdem hinüber und überrascht stelle ich fest, dass Simon mich anschaut.
Als er meinen Blick bemerkt, dreht er sich von mir weg, aber was ich gesehen habe, ist in meinem Gehirn eingebrannt. Simon ist ganz eindeutig erregt, zwar habe ich seinen Schwanz nur einen kurzen Moment lang gesehen, aber das hat gereicht um zu bemerken, dass er halbsteif war.
Ich werfe einen Blick auf Simons Wasserregler und sehe, dass auch er sein Wasser auf ganz kalt gestellt hat. Was ist hier denn los?
Kann es etwa sein, dass Simon… ich stöhne ganz leise auf bei dem Gedanken. Nein, Simon kann unmöglich schwul sein, Simon hat ein Kind, eine verstorbene Frau und ist ganz sicher nicht schwul.
Und dann ist Simon auch schon fertig und lässt mich im Duschraum alleine.
Meine Gedanken rasen, meine Erektion kommt zurück und lässt sich nicht einmal mehr von kaltem Wasser verdrängen.
Resigniert gebe ich auf, werfe schnell einen Blick zur Tür, dann greife ich nach meinem Schwanz und fange an ihn zu reiben. Simons Körper, sein Schwanz und sein Tattoo heizen meine Gedanken ein und bringen mich in Rekordgeschwindigkeit zum Orgasmus.
Mit roten Wangen wasche ich die Spuren weg, stelle dann das Wasser aus.
Ich trockne mich ab und schlüpfe in der leeren Umkleide in meine Trainingssachen.
Als ich den Besprechungsraum betrete, schauen mich alle an und ich fühle mich geröntgt.
Mein Gesicht wird wieder rot und ich würde am liebsten im Boden versinken. Ich habe gerade mit unserem Trainer vor Augen masturbiert, genauer gesagt mit… mit Simon vor Augen, der da vorne steht und offenbar auf mich gewartet hat.
Ich atme tief durch, setze mich auf meinen Platz. Reiß dich zusammen Dennis, pass heute endlich mal auf, denke ich wie ein Mantra und versuche alles Unwichtige auszublenden. Ich bin Davin, Davin der Fußballer, der nicht in seinen Trainer verknallt ist, sondern sich nur für Fußball interessiert.
Mit dieser Einstellung schaffe ich es sogar einigermaßen, die Taktik für das nächste Spiel mitzubekommen.
Diese Woche ist der Gegner stärker, letztes Jahr auf Platz neun und damit nicht zu unterschätzen.
Als wir in die Mittagspause entlassen werden, raucht mir der Kopf, aber der Plan erscheint mir logisch und Erfolg versprechend. Ich setze mich diesmal möglichst weit weg von Simon und mitten beim Essen kommt plötzlich jemand herein, den wir alle kennen.
Unser Co-Trainer Felix Trein, wie immer im Trainingsanzug und guter Laune.
„Hallo Jungs“, begrüßt er und wird ebenso fröhlich zurück begrüßt. Felix ist schon lange unser Co-Trainer und immer eine große Hilfe gewesen. Simon steht auf, um ihn per Handschlag zu begrüßen und sie wechseln ein paar Worte. Ein merkwürdiges Bild. Felix: breitschultrig und schon weit über vierzig als Co-Trainer und Simon, noch nicht einmal dreißig und wesentlich schmaler als Trainer.
Ob Felix das wohl passt? Aber er scheint Simon zu mögen und setzt sich zum Essen zu ihm.
Danach wird es ernst. Beim heutigen Training gebe ich mir alle Mühe, um Simon und nicht zuletzt Felix davon zu überzeugen, dass bei mir alles in Ordnung ist.
Es läuft tatsächlich gut, keine Verletzungen, keine Patzer. Felix Anwesenheit scheint mich wieder auf den Boden der Tatsachen geholt zu haben.
Nach dem Training fahre ich völlig erschöpft, aber zufrieden nach Hause, wo ich - diesmal alleine - dusche und noch etwas esse.
Hanna ist nicht da und endlich erlaube ich mir selbst wieder Dennis zu sein und an Simon zu denken.
Was heute im Duschraum passiert ist, hat meine Sicht auf die Dinge ziemlich durcheinander gebracht. Die Möglichkeit, dass ich bei Simon tatsächlich eine Chance haben könnte, beflügelt meine Fantasie.
Ich kämpfe die ganze Woche über, gebe mir alle Mühe, ignoriere mein pochendes Herz und meine glühenden Wangen.
Simon macht die normalsten Tätigkeiten der Welt wie Trainieren und Duschen zu einer Herausforderung, aber ich stelle mich ihr - beziehungsweise: Davin stellt sich ihr.
Am Donnerstag bei der Teambesprechung werde ich für meine Mühen belohnt, denn Simon und Felix verkünden, dass ich spielen darf, auf meiner Stammposition im Sturm, als Kapitän.
Ich muss mir ein glückliches Strahlen verkneifen, lasse es mir aber nicht nehmen, Simon ein Lächeln zu schenken, das er nachsichtig erwidert.
Am Freitag gehen wir auf dem Platz alle Manöver und Spielzüge durch, hauptsächlich unter der Leitung von Felix, weswegen ich mich ziemlich gut konzentrieren kann. Simon steht am Spielfeldrand und schaut uns zu, noch ein Grund für mich, mich besonders anzustrengen.
Abends liege ich im Bett und bin wieder Dennis - Dennis, der in seinen Trainer verknallt ist.
Stöhnend male ich mir aus, wie er und ich miteinander im Bett landen könnten und was wir dann miteinander anstellen würden.
Es ist ein süßer Schmerz, mir vorzustellen, dass Simon meine Sehnsucht je erwidern könnte, wo ich doch genau weiß, dass eine solche Verbindung unser beider Karriere beenden würde.
Am nächsten Morgen erwache ich mit Herzklopfen und einer sehr hartnäckigen Morgenlatte, mein Traum ist mir noch viel zu deutlich in Erinnerung und seufzend ergebe ich mich meinem Körper, lasse meine Erregung durch meine Faust gleiten und komme mit Simons Namen auf den Lippen. Wie gut, dass Hanna nicht da ist.
Etwas beschämt mache ich mich fertig fürs Training. Das war jetzt schon das fünfte Mal, dass ich mich mit Simons Bild vor Augen selbst befriedigt habe.
Zum Glück vergeht der Samstag schnell und ohne weitere Peinlichkeiten meinerseits.
Simon verbringt seine Mittagspause jetzt öfter zusammen mit Felix und ich schotte mich ab, bemühe mich Davin zu sein und einen klaren Kopf zu bewahren.
Ich kann mir immer noch nicht vorstellen, wie das mit mir und Simon weiter gehen soll.
Eine ganze Saison steht uns noch bevor - besser gesagt mir - und danach vermutlich noch weitere Jahre. Das erste Mal denke ich daran, die Mannschaft zu wechseln.
Klar, ich habe beim FC Mairus noch einen Vertrag laufen, aber man weiß ja, wie schnell sich so etwas erledigen kann, wenn alle Seiten kooperieren.
Ich hänge nicht an dem Verein, zwar bin ich schon einige Jahre hier, aber es ist trotzdem nur mein Job.
Allerdings… bis zum Winter-Transferfenster ist noch eine ganze Weile hin und zu welchem Verein sollte ich denn gehen?
Ich seufze schwer und gehe früh ins Bett. Hanna ist wieder da, sie will morgen das Spiel besuchen und trotz ihres warmen Körpers neben mir, denke ich beim Einschlafen nur an eine einzige Person: Simon.
Es ist halb drei Uhr nachmittags, als wir alle in einer Reihe auf den Platz auflaufen.
Mein Herz klopft in einem angemessenen schnellen Rhythmus, meine Muskeln sind warm und mein Kopf … einigermaßen klar.
Simons Ansprache eben in der Kabine war kurz und präzise und ich will nichts anders mehr, als ihn stolz zu machen.
Das Spiel beginnt rasant, kaum hat der Schiri angepfiffen geht der Ball schneller von Mann zu Mann, als der Schiri hinterherlaufen kann.
Es ist eine hart umkämpfte Partie, immer wieder stürmen wir aufs gegnerische Tor, immer wieder scheitern wir an der Abwehr.
Zur Halbzeit steht es null zu null und in der Umkleide werden wir ordentlich von Simon zusammengestaucht, danach gelobt und am Schluss ermahnt, jetzt endlich Tore vorzuzeigen.
Voll motiviert und leicht eingeschüchtert laufen wir für die nächsten fünfundvierzig Minuten auf den Platz. Felix schreit an der Außenlinie herum, während Simon stumm beobachtet.
Endlich klappt es dann, mit einem weiten Pass in den Strafraum sind wir an dem Großteil der gegnerischen Mannschaft vorbei, abseits war es nicht, weil einer der Verteidiger noch vor mir ist und genau der versucht jetzt, mir den Ball abzunehmen.
Alles passiert binnen weniger Sekunden, ich schaffe es ihn auszuspielen, drehe mich zum Tor und versuche es einfach, schieße in einer der oberen Ecken und irgendwie rutscht der Ball dem Tormann durch die Fingerspitzen ins Netz.
Im nächsten Moment werde ich zu Boden geworfen, das Stadion bricht in lauten Jubel aus und mehrere meiner Mitspieler packen und umarmen mich, schreien mir ihre Begeisterung ins Ohr und ziehen mich dann wieder hoch.
Es sind nur noch zehn Minuten zu spielen und jetzt hat die andere Mannschaft ihren Mut verloren.
Lukas schießt nach einem Pass von mir noch ein zweites Tor und der Schiri pfeift pünktlich ab.
Ja! Erleichterung durchströmt mich - mein Platz in der Mannschaft ist gesichert.
Die nächsten Wochen vergehen mal schneller, mal langsamer.
Schnell, wenn ich es schaffe Davin zu sein - quälend langsam, wenn ich als Dennis im Training auftauche und meinen Blick nicht von Simon lassen kann.
Simon ist - das habe ich mir inzwischen eingestanden - ein absoluter Traumtyp, nicht nur äußerlich sondern als Gesamtes.
Seine Art sich für etwas zu begeistern, seine offensichtliche Liebe zu seiner kleinen Tochter, seine verletzliche Seite, sein Lächeln, seine Sorge um mich und meine Mitspieler - das alles lässt mich nachts wach liegen und von ihm träumen.
Bei den nächsten Spielen bin ich jedes Mal in der Startelf und auch wenn nicht jedes davon ein Sieg ist, meine Schuld ist es nicht, zumindest nicht allein, denn Davin macht seinen Job gut.
Felix ist trotz der wenigen Niederlagen sehr zufrieden und auch Simon beschwert sich nicht allzu häufig. Wir steuern gradlinig wieder einen Platz unter den ersten zehn an.
Der Sommer neigt sich langsam seinem Ende zu und Hanna ist immer seltener bei mir zuhause. Während sie am Anfang der Saison fast bei mir gewohnt hat, ist sie jetzt sozusagen wieder ausgezogen. Dafür telefoniere ich oft mit Ben und wir hatten auch noch zwei Mal Sex.
Ich fühle mich jedes Mal merkwürdig, wenn ich von einem Besuch bei Ben nach Hause komme, schließlich betrüge ich damit Hanna und mir ist auch bewusst, dass ich diese Abende viel lieber mit Simon verbringen würde.
In letzter Zeit hat sich allerdings etwas geändert. Ben ist jetzt auch verliebt, in einen Mann den er kaum kennt, den er allerdings vergöttert. Seit dem sind unsere Treffen seltener geworden und wenn wir uns doch einmal treffen reden wir nur und lassen brav die Finger voneinander. Ben hat sich von einer reinen Sexbekanntschaft zu einem richtig guten Freund entwickelt.
Natürlich reizt es mich manchmal noch ihn zu berühren und hin und wieder stehle ich mir auch einen Kuss, aber im Endeffekt will ich doch meinen Simon und er seinen … mir ist der Name entfallen.
Die Saison schreitet voran. Nach den ersten zwölf Spielen kann man schon eine klare Tendenz erkennen. Simon macht sich gut als Trainer und das zeigt sich auch in den Ergebnissen.
Momentan stehen wir auf Platz fünf und genau so viele Spiele sind es auch noch bis zur Winterpause.
Es ist endgültig Herbst geworden, aber auch in dieser unromantischen Jahreszeit ändert sich nichts an meinen Gefühlen für Simon.
Meine Anfängliche Unbeherrschtheit habe ich einigermaßen in den Griff bekommen, inzwischen ist es mehr ein gequältes Schmachten und Begehren.
Ich habe mittlerweile fast panische Angst, dass Simon wieder eine Freundin findet. Immerhin hat er seine kleine Tochter, sollen allein erziehende Männer nicht extrem begehrt unter Frauen sein?
Trotz Simons Halb-Erektion unter der Dusche - das ist inzwischen fast drei Monate her - bin ich mir immer noch ziemlich sicher, dass er hetero ist.
Ich meine … angeblich merken doch schwule Männer sofort, wenn ein anderer auch schwul ist, oder?
Beziehungsweise … ich bin ja nicht schwul, sondern bi.
Schon steht das dreizehnte Spiel vor der Tür, gegen den Tabellen-Zweitplazierten.
Wenn wir dieses Spiel gewinnen, rutschen wir fast bis auf Platz drei.
Also wird hart trainiert.
Simon hat seine Haare inzwischen etwas länger als am Anfang, sodass sie noch mehr dazu verlocken hineinzugreifen.
Ich bezweifle so langsam, dass Simon mein Interesse an ihm entgangen sein könnte.
Es gab so viele Hinweise, zum Beispiel … meine Erektion, als Simon mich damals untersucht hat, mein Verhalten unter der Dusche, meine Blicke, meine geistige Abwesenheit… Ein Wunder, dass die Presse noch nicht darüber schreibt.
„Davin Lexis kleines Geheimnis“, oder „Die zehn deutlichsten Anzeichen für Davis Lexis Homosexualität“.
Ich bin inzwischen so verzweifelt, dass ich mich fast jeden Morgen vor dem Training selbst befriedige, nur damit ich ein wenig resistenter gegen Simons Lächeln bin.
Oft habe ich überlegt, ob ich mich nicht von Hanna trennen sollte.
Wir sind tatsächlich immer noch zusammen, obwohl ich das Gefühl habe, dass sie auch fremdgeht. Sie ist nur noch alle paar Tage mal bei mir zu Besuch, Sex haben wir nicht mehr und selbst reden tun wir kaum.
Aber … solange ich mit Hanna zusammen bin, kommen die Pressefuzzis sicher nicht auf den Gedanken ich könnte schwul sein.
Das ist wohl der einzige Grund warum ich dieses traurige Etwas, das sich „Beziehung“ nennt, nicht schon längst beendet habe.
Ben auf der anderen Seite hat seinen Schatz inzwischen bekommen und ich bin unglaublich neidisch.
Wenn ich die beiden zusammen sehe - so glücklich und verliebt, könnte ich jedes Mal heulen.
Ich will auch jemanden an meiner Seite, mit dem ich so glücklich bin und ich weiß, dass Simon der perfekte Mann dafür wäre.
Es ist mittlerweile Freitag geworden. Morgen haben wir das wichtige Spiel und ich bin wieder in der Startelf.
Simon ist aufgeregt bis zum geht-nicht-mehr, aber er versucht, es sich nicht anmerken zu lassen. Vermutlich fällt nur mir seine Nervosität auf, ich bin ja immerhin der Experte in Sachen Simon.
Nach dem Mittagessen - Simon saß wieder bei Felix- steht mein Traummann plötzlich auf und kommt zu mir.
Ich schaue ihn überrascht an, als er mich beiseite nimmt. Mein Herz pocht.
„Dennis, ich wollte kurz mit dir reden.“
Mein Puls überschlägt sich beinahe, aber ich sehe ihn völlig ruhig an. Hoffe ich zumindest.
„Deine Leistung in den letzten Spielen war wirklich überragend und dafür wollte ich dich zu allererst einmal loben.“ Meine Wangen werden rot, Simon fand mich überragend!
„Danke“ bringe ich heraus und lächle.
„Ja und dann gibt es noch eine andere Sache. Der SV Hossenbach hat angefragt, ob du nach der Winterpause bei ihnen spielen könntest.“
Mir fällt die Kinnlade herunter.
Der SV Hossenbach ist einer der reichsten Vereine der Liga, trotzdem sind sie im Moment auf Tabellenplatz dreizehn, also abstiegsgefährdet.
Simon wartet kurz auf eine Antwort, spricht dann weiter, als ich schweige.
„Wie du weißt läuft es bei denen nicht so gut im Moment und deswegen wollen sie in der Winterpause eine Menge Spieler einkaufen.“
Ich beiße mir nervös auf die Unterlippe. Was soll ich jetzt sagen?
„Ich weiß, dass dein Vertrag noch zwei Jahre läuft“, erklärt Simon weiter, „aber wenn du einverstanden bist, könnten wir dich bis zum Saisonende ausleihen. Du würdest wesentlich besser verdienen als bei uns und unser Verein bekäme auch eine ziemlich große Summe, allerdings will ich nichts gegen deinen Willen tun, Dennis.“
Mein Kopf rattert. Klar, Kampf um die Meisterschaft macht mehr Spaß als Abstiegskampf, aber andererseits… ich würde mehr Geld bekommen und der FC Mairus eine Art Ablösezahlung und vor allem …vor allem wäre ich dann weg von Simon.
Mein Herz bekommt einen Panikanfall bei dem Gedanken, aber vielleicht wäre es ja das Beste für uns beide, für Davin und für Dennis.
„Ich überleg's mir Simon, das kann ich jetzt nicht sofort entscheiden.“
„Ja natürlich, lass dir Zeit.“ Simon scheint das Thema unangenehm zu sein.
„Du darfst aber auch gerne bei uns bleiben, wenn dir das lieber ist, Hossenbach ist ja nicht gerade um die Ecke und deine Freundin wohnt ja hier in Mairus.“
Ach ja … Hanna. An die habe ich jetzt gar nicht gedacht.
„Mit Hanna läuft es nicht so gut im Moment“ gebe ich zu ohne nachzudenken, „vielleicht ist es ihr recht, wenn ich wegziehe.“
„Oh.“ Simon schaut betroffen. „Das tut mir leid für dich, Dennis.“ Er runzelt die Stirn. „Aber es läuft ja schon länger nicht gut bei euch, oder? Hast du mir nicht am Anfang der Saison schon erzählt, dass …“ Er bricht mitten im Satz ab. Ich seufze. „Ja, es klappt schon ewig nicht mehr. Aber was soll man machen, nicht?“
Simon legt mir tröstend die Hand auf den Arm. „Irgendwann klappt es Dennis, irgendwann findest du die Richtige.“
In diesem Moment liegen mir eine Menge Worte auf der Zunge, die ich Simon gerne sagen würde, aber keines davon kommt über meine Lippen.
Der Samstag beginnt für mich mit einem Knall. Hanna ruft an und sagt nicht nur ihren geplanten Besuch am Abend ab, sondern teilt mir mit, dass sie beruflich für sechs Wochen in die USA fliegt.
Mir fällt bei dieser Nachricht erst einmal die Kinnlade herunter, vor allem, weil sie wohl auch nicht vorhat, mich vorher noch einmal zu besuchen.
Andererseits: Mir soll's recht sein, dann habe ich sechs Wochen lange meine Wohnung für mich allein.
Entsprechend genervt und mit schlechter Laune, tauche ich im Stadion auf. Wir haben ein Heimspiel und alle Plätze sind ausverkauft.
Es ist noch früh, zwei Stunden bis zum Anpfiff, aber wir haben natürlich vorher noch eine taktische Einheit.
Die ersten Fans drängen schon auf die Tribünen und ich schleiche mich unauffällig durch den Hintereingang nach drinnen.
Die meisten meiner Mitspieler sind schon da und Felix klopft mir im Vorbeigehen auf den Rücken.
Ich betrete den Besprechungsraum und sehe Simon am Tisch stehen, die Arme aufgestützt und den Kopf auf der Brust. Er sieht irgendwie völlig frustriert aus. Wo sind denn all meine Mitspieler?
Ich räuspere mich und Simon schaut auf, tritt hastig einen Schritt vom Tisch zurück.
„Ähm, wo sind denn die anderen?“, frage ich nervös. „Ich habe ihnen gesagt sie sollen sich schon mal umziehen“, erklärt Simon knapp, dreht sich zur Wand und fährt sich mit einer Hand durch die Haare.
„Alles klar?“ frage ich zögernd und er schnellt zu mir herum. „Ja natürlich, warum?“
Ich zucke die Schultern. „Schon gut.“
In der Umkleide finde ich die anderen und ziehe mir mein Trikot an, darüber noch meinen Trainingsanzug.
Zusammen gehen wir zu zurück zu Simon und hören uns die Zusammenfassung der heutigen Taktik an.
Voll motiviert geht’s auf den Platz zum Aufwärmen und langsam wird meine Stimmung besser.
Das Stadion feiert jetzt schon, sowohl die gegnerischen Fans, als auch unsere.
Scheint ein gutes Spiel zu werden. Mal schauen, was ich dazu beitragen kann.
Die ersten 45 Minuten nach dem Anpfiff vergehen wie im Rausch.
Zur Halbzeit steht es eins zu eins und ich bin völlig ausgelaugt, zum Glück ist jetzt erst mal Pause.
Die Stimmung in der Kabine ist angespannt, Felix und Simon geben noch einmal Tipps und schreien ein bisschen herum, vor allem Felix.
Danach müssen wir schon wieder aufs Feld, obwohl zumindest mir jetzt schon einiges wehtut.
Ich gebe trotzdem noch einmal alles, renne mir die Lunge aus dem Leib und lasse keine Chance unversucht.
Gerade stürmen wir wieder auf das gegnerische Tor, als Lukas plötzlich auf dem Boden liegt und der Schiri pfeift. Das Stadion tobt, Elfmeter in der achtzigsten Minute!
Ich laufe zu Lukas, schaue nach, ob es ihm gut geht und dann fällt mein Blick auf Felix, der ganz eindeutig auf mich zeigt.
Oh, also soll ich den Elfer schießen. Ich spüre förmlich, wie die Last der Verantwortung auf meine Schultern fällt.
Zögernd atme ich tief durch, gehe zum Punkt. Der gegnerische Tormann ist gut, das weiß ich, aber ich habe noch nicht oft gegen ihn geschossen.
Schnell überlege ich, wo ich bei meinem letzten Elfer hin geschossen habe, dann schalte ich mein Gehirn aus und mein Gefühl an.
Mit dem Pfiff laufe ich an und ziehe voll ab in die rechte untere Ecke.
Der Tormann ist vor dem Schuss gesprungen, aber in die falsche Richtung, so dass mein Ball direkt ins Netz einschlägt. Ich falle auf die Knie und schreie meinen Jubel und meine Erleichterung aus mir heraus.
Lukas lässt sich neben mir fallen und zieht mich zu Boden, andere klopfen mir auf die Schultern und schreien mir ins Ohr. Adrenalin strömt durch meinen Körper und ich stehe auf und lasse mich noch mehr feiern.
Irgendwann geht’s weiter, zehn Minuten noch zu spielen und der Gegner spielt gut.
Fast bekommen wir noch ein Gegentor, aber unser Tormann hält mit einer fantastischen Parade.
Zwei Minuten Nachspielzeit und endlich der Abpfiff! Sieg! Leute rennen aufs Feld, Menschen umarmen mich und es gibt einen riesigen Tumult.
Wasser wird herumgespritzt, ich rieche schon das erste Bier und die Stadionmoderatoren verkünden immer wieder das Ergebnis: Zwei zu eins für uns.
Plötzlich sehe ich Simon, er ist schon klatschnass und wird fast unter zwei meiner Mitspieler begraben.
Wie ferngesteuert gehe ich geradewegs zu ihm und ziehe ihn hoch, falle ihm dann einfach in den Arm. Ich weiß nicht, was mit mir los ist, aber das musste jetzt einfach sein. Simon drückt mich kurz und ich lasse ihn wieder los, wende mich errötend ab.
Er fühlt sich viel zu gut an - auch nass.
Nass erst recht.
Schon bekomme ich ein Bier in die Hand gedrückt, stoße mit jemandem an, trinke.
Wir machen eine Laola-Welle, feiern eine Runde mit den Fans, dann geht’s in die Kabine.
Auf dem Weg zieht mich ein Reporter beiseite. „Davin Lexis, ein paar Fragen!“
Außer Atem bleibe ich stehen, warte. „Davin, sie haben heute das entscheidende Tor des Tages gemacht, was ist das für ein Gefühl?“
Ein Grinsen schleicht sich auf mein Gesicht. „Ein gutes natürlich, man ist immer erleichtert, wenn man einen Elfer trifft.“
„Sie haben ja einen neuen Trainer seit dieser Saison, was sagen sie zu ihm?“
Oha, jetzt bloß nichts Falsches sagen.
„Ähm, ja also Simon ist ein echt guter Trainer, wir sind immer super motiviert dank ihm und die Erfolge sprechen ja für sich.“
Und er ist heiß. Und er sieht nackt geil aus.
„Davin, das heute war ein wichtiger Sieg, wie optimistisch stehst du zur Meisterschaft?“
Hm, doofe Frage so früh in der Saison.
„Bis jetzt läuft es ja gut, aber die Rückrunde müssen wir erst mal genau so gut spielen.“
Mit dieser Frage entlässt mich der Reporter endlich in die Kabine und ich platze in eine rauschende Party.
Duschen scheint noch kein Thema zu sein, dafür wird hier offensichtlich in Bier gebadet.
Ich selbst trinke noch ein Bier und verschwinde dann unter die Dusche. Noch ist hier nicht viel los und frisch geduscht verdrücke ich mich nach draußen.
Ich warte am Mannschaftsbus, bis die anderen herauskommen, schreibe gut gelaunt ein paar Autogramme und auf einmal steht Ben vor mir und strahlt mich an.
„Ben!“ Ich bin völlig überrascht und Ben lacht. „Ich hab dein Spiel geschaut, Mann! Echt genial, du warst großartig!“ Er fällt mir in den Arm und überschlägt sich förmlich in Komplimenten. „Willst du auch ein Autogramm?“, grinse ich und schreibe ihm meinen Namen auf den Arm.
Nach einer Weile kommen andere aus meiner Mannschaft nach draußen und Ben verabschiedet sich.
„Dann feiere heute noch schön, Dennis und ruf uns mal an!“ Uns - ihn und seinen Freund, alles klar. Ich winke, dann steige ich in den Bus.
Schon während der Fahrt wird gefeiert. Wir sind unterwegs in unseren Stammclub, wo wir wie immer einen Nebenraum reserviert haben.
Simon ist irgendwo hinter mir im Bus und ich gebe mir Mühe, mich nicht nach ihm umzudrehen.
Kaum sind wir in der Wirtschaft angekommen, wird Schnaps bestellt. Hallo? Sind wir vielleicht mitten in der Trainingsphase?
Aber das interessiert heute wohl niemanden, Felix ist nicht da und Simon? Der scheint mir schon ziemlich benebelt zu sein.
Also wird fleißig gekippt, ein Schnaps nach dem anderen, sogar Wodka wird geordert. Die Stimmung ist mehr als ausgelassen, es werden derbe Witze gerissen und einer der Jüngeren fällt sogar vom Stuhl. Mein Kopf schwirrt auch schon, ich fühle mich so leicht wie schon lange nicht mehr.
Als irgendwann meine Blase drückt suche ich nach der Toilette, ich brauche eine Weile dann finde ich sie, erleichtere mich an einem der Pissoirs und versuche wieder ein wenig runter zu kommen.
Während ich noch an einer Wand lehne, geht die Tür auf und Simon stolpert herein.
Sein Blick ist mehr als glasig und er scheint mich kaum wahrzunehmen als er sich ebenfalls erleichtert. Meine Augen huschen automatisch über seinen Schwanz, dann über seinen ganzen Körper, über sein Hemd, dessen oberste Knöpfe geöffnet sind.
Ich will ihn, unbedingt. Mein Herz rast, ich beiße mir gequält auf die Lippe.
Auf einmal schaut Simon auf, gerade schließt er seine Jeans und nach einem Moment erkennt er mich. „Dennis!“ Er keucht überrascht, scheint mit meiner Anwesenheit überfordert zu sein.
Seine Lippen sind dunkler als sonst, aber auch sein restliches Gesicht ist gerötet, vermutlich vom Alkohol. Ich fechte immer noch einen Kampf mit mir selbst aus und schließlich … verliere ich.
Schnell gehe ich auf Simon zu, packe ihn am Arm und ziehe ihn rücklings in eine Kabine. Fast strauchelt er, dann ziehe ich die Tür hinter ihm zu und presse ihn dagegen.
Simon ächzt, als ihn mein Gewicht trifft und schaut mich aus großen Augen an, weil ich ihn immer noch nicht loslasse, sondern noch näher komme. Mein Atem geht stoßweise, mein Puls überschlägt sich und endlich tue ich das, was ich schon vom ersten Moment an tun wollte.
Meine Lippen berühren die von Simon und sofort will ich mehr. Mein Körper schmiegt sich an seinen und ich intensiviere den Kuss, verstärke den Druck, will so viel von Simon spüren, wie nur möglich.
Der steht da wie erstarrt, scheint nicht zu verstehen, was da mit ihm passiert.
Ich lasse nicht von ihm ab, ich kann einfach nicht, sondern küsse ihn mit all meiner Leidenschaft und plötzlich erwacht Simon aus seiner Starre, seine Hände gleiten über meine Hüfte und sein Mund öffnet sich ein wenig.
Ich bekomme eine Gänsehaut, als ich registriere, dass Simon den Kuss zögerlich erwidert.
Keuchend presse ich mich an ihn, meine Hände vergraben sich in seinen Haaren und in seinem Nacken. In meinem Bauch tummeln sich Schmetterlinge, taumeln wild durcheinander und machen mich ganz flatterig im Kopf.
Meine Jeans wird unangenehm eng, nur zu gern würde ich jetzt noch mehr mit Simon anstellen, aber eine Stimme in mir hält mich zurück. Simon ist betrunken, schon dieser Kuss ist zweifelhaft, ich bin mir sehr wohl bewusst, dass ich seinen Zustand ausnutze. Aber was soll's. Dieser Kuss ist es wert.
Auf einmal klopft es gegen die Kabinentür. „Hey, nehmt euch ein Zimmer!“ ruft eine Stimme, gefolgt von einem herzhaften Lachen. Oh Gott. Das ist Oliver!
Fuck, wenn der wüsste wer hier drin ist…
Simon vor mir hält ganz still, anscheinend ist er sich trotz des Alkohols noch bewusst, dass das hier eine ganz blöde Situation ist.
Als ich Oliver nicht mehr höre, öffne ich vorsichtig die Kabinentür, schubse Simon schnell nach draußen, bevor noch jemand kommt.
Schnell überlege ich. Jetzt zusammen mit Simon aufzutauchen, würde Oliver vermutlich mehr als nur misstrauisch machen. Ich sollte wohl am besten nach Hause. Aber Simon allein hier lassen, damit er sich noch mehr betrinken kann? Nein, danke.
Kurzerhand bugsiere ich ihn nach draußen, am feixenden Wirt vorbei und an die frische Luft. Simon hält sich an mir fest, kann alleine kaum laufen und trotzdem könnte ich ihn auf der Stelle heiraten - metaphorisch gesprochen, natürlich.
Ich angle nach meinem Handy und bestelle ein Taxi, ziehe Simon zur nächsten Bank und setze mich mit ihm hin.
Mein Herz rast. Simon ist hier, bei mir, ganz alleine und völlig betrunken. Hanna ist nicht da, also könnte ich Simon jetzt ganz einfach mit zu mir nach Hause nehmen und …
Gott, was für eine Versuchung. Als das Taxi auftaucht, frage ich Simon trotzdem ganz brav nach seiner Adresse.
Der allerdings liegt benebelt im Sitz und entlockt dem Taxifahrer schon misstrauische Blicke. Hat wohl Angst um seine Polsterung.
Seufzend nenne ich dem schlecht gelaunten Mann meine eigene Adresse.
Hey, ich habe wirklich versucht Simon zu sich nach Hause zu bringen, aber es ging nicht.
Als wir bei mir ankommen, hänge ich mir wieder Simons Arm über die Schultern und schleppe ihn so ins Haus.
Meine Selbstbeherrschung ist mehr als nur gefordert und behutsam lege ich Simon auf meinem Sofa ab.
Ganz widerstehen kann ich allerdings nicht, ich beuge mich zu ihm hinunter und küsse ihn noch einmal sanft.
Überrascht spüre ich seine Hand in meinem Nacken, die meine Lippen weiter an seine drückt.
Ich sinke auf die Knie nieder, lasse es zu, dass Simon jetzt die Initiative übernimmt und mich sehr lange und ausgiebig küsst.
Mein Schwanz tut inzwischen weh, so eingeklemmt ist er und schnell öffne ich den Knopf, bevor ich mich noch zeugungsunfähig mache.
Es ist eine Wohltat für meinen Körper und meine Seele, hier einfach zu knien und Simon zu küssen.
Irgendwann werden seine Lippen langsamer, sein Kopf sinkt in das Kissen und seine Hand rutscht von meinem Hals.
Er ist offensichtlich eingeschlafen.
Ich weiß nicht mehr, wie ich an diesem Abend in mein Bett gekommen bin. Ich erinnere mich noch, dass ich Simon die Schuhe ausgezogen, ihm eine Decke übergeworfen und sein Handy auf den Tisch gelegt habe. Danach habe ich es wohl geschafft, ganz brav in mein Schlafzimmer zu gehen, mich auszuziehen und zu schlafen. Ein Wunder.
Ich wache früh auf, habe Kopfschmerzen und merkwürdige Gedanken im Kopf. Auf dem Weg zur Toilette halte ich inne, denn auf meiner Couch liegt Simon - mit halboffenem Mund - und schläft tief und fest. Simon, der Mann, den ich gestern geküsst habe.
Wow. Eilig suche ich mir Unterwäsche, damit ich nicht gleich nackt vor einem wachen Simon stehe und erledige erst einmal mein morgendliches Ritual, Toilette, Zähne putzen, frisieren plus duschen. Es ist Sonntag und wir haben trainingsfrei.
Als ich wieder aus dem Bad komme - jetzt in Shorts und T-Shirt - schläft Simon immer noch.
Ein Lächeln huscht auf mein Gesicht und ich richte erst einmal Frühstück.
Ich lege ihm auch eine Aspirin hin und mache es mir dann auf meinem Sessel bequem, schaue einfach Simon beim Schlafen zu.
Er sieht richtig süß aus wie er da so liegt, das Haar zerzaust und die Klamotten völlig zerknittert. Da bin wohl zum Teil auch ich daran schuld. Mein Puls geht schon wieder hoch, wenn ich nur an unsere Knutscherei gestern denke.
Es ist fast zehn Uhr, als Simon sich schließlich regt. Ich grinse, als er ins helle Tageslicht blinzelt und sich dann verwirrt aufsetzt. Seine Hand wandert wie von selbst an seinen Kopf - ja, da ist jemand verkatert.
Ich warte, bis sich seine Augen an das Licht gewöhnt haben und er mich erkennt.
Die Überraschung ist ihm deutlich anzusehen, dicht gefolgt von Verwirrung und … Schuldbewusstsein.
„Guten Morgen“ sage ich und er grummelt irgendetwas.
„Vor dir liegt Aspirin“, füge ich hinzu, woraufhin er hastig die Tablette schluckt.
„Scheiße, wie viel Uhr ist?“ will er dann wissen und ich sage es ihm. „Fuck, das … och scheiße!“ Simon springt auf, scheint aber ein wenig überfordert zu sein und das sage ich ihm auch.
„Jetzt setz dich erst mal wieder hin und werde richtig wach, was ist denn los?“
Weiter fluchend lässt er sich wieder auf die Couch fallen.
„Ach, ich glaube Marie ist allein zuhause, die Kinderfrau hatte heute Nacht um zwölf Schluss und ich hab eigentlich versprochen, dass ich morgens wieder da bin…“
Mist, seine Tochter hatte ich ganz vergessen.
„Das tut mir leid, willst du telefonieren?“ Simon nimmt das Angebot dankend an.
Ich stehe auf und bringe ihm das Telefon.
Simon wählt und wartet. Dann:
„Hallo Marie, hier ist Papa.“ Fast hätte ich gequietscht vor Rührung, Simon hat sich gerade „Papa“ genannt. Ich belasse es bei einem Grinsen.
„Ja, mir geht’s gut, bei dir auch alles klar?“ Pause.
„Ich hab bei jemandem aus der Mannschaft übernachtet, - was?“ Simon wirft einen raschen Blick zu mir. Sind seine Wangen nicht plötzlich viel geröteter als eben noch?
„Ja bei dem. Ja, weiß ich. Du, ich komm so schnell wie möglich nach Hause.“
Ein Lächeln erscheint auf seinem Gesicht. „Nein ich habe noch nichts gegessen.“
Seine Tochter scheint darauf etwas Amüsantes zu antworten, denn Simon lacht laut auf.
„Ich weiß nicht ob das dem Dennis so recht ist, wenn ich zum Frühstück bleibe.“ Hastig nicke ich Richtung Tisch, wo schon Essen steht.
Simon seufzt. „Ok, aber danach komme ich sofort zu dir, ja? Gut. Ich hab dich lieb Kleine. Bis gleich.“
Mit jetzt eindeutig geröteten Wangen reicht er mir das Telefon. „Ist es okay, wenn ich bei dir frühstücke? Marie sagt, ich soll nicht ohne Frühstück losfahren.“
Ich grinse ihn an. „Ist kein Problem, hab' ja alles schon da.“
Simon verschwindet ins Bad, während ich über das eben gehörte nachdenke. Was hat Simon gemeint als er sagte: „Ja bei dem“? Hat Simon etwa seiner Tochter von mir erzählt? Und wenn ja, was?
Sobald Simon wiederkommt, frühstücken wir zusammen, als würden wir das jeden Tag tun. Kein Wort fällt über gestern Abend, bis Simon irgendwann fragt: „Du Dennis, ich … ich glaube ich weiß die Antwort auf diese Frage schon aber … warum hab ich eigentlich hier geschlafen?“
Ich grinse. „Du warst so betrunken, dass du mir nicht mal mehr deine Adresse sagen konntest.“
„Oh. Das… tut mir leid. “
Ich winke ab. „Kein Problem.“ Ich frage mich, ob er sich an unsere Knutscherei erinnert, zumindest vage.
Ich jedenfalls erinnere mich bestens daran und mich befallen leise Schuldgefühle. Immerhin war Simon betrunken.
„Du ähem… weißt du zufällig ob gestern irgendwelche Frauen bei der Party dabei waren?“
Bei diesen Worten zuckt mein Kopf hoch. Oha. Da erinnert sich also doch jemand, zumindest teilweise. Ich zucke unverbindlich mit den Schultern. „Weiß nicht. Warum?“ Simon räuspert sich verlegen. „Ach, nur so.“
Eine halbe Stunde später sehe ich aus dem Küchenfenster, wie Simon draußen in ein Taxi steigt und verschwindet.
Mit den Nerven am Ende lasse ich mich gegen den Kühlschrank sinken.
Simon war hier, bei mir und wir haben geknutscht. Wow… noch immer kann ich kaum glauben was passiert ist.
Wie soll es denn jetzt bloß weiter gehen?
Es sind noch vier Spiele bis zur Winterpause und das Angebot des SV Hossenbach kommt mir immer verlockender vor.
Der nächste Montag verläuft katastrophal, Felix ist nicht da und Simons Anwesenheit macht mich fertig. Es ist nicht nur das Verlangen, das mich verrückt macht, sondern auch meine unerwiderten Gefühle. Ich leide wie ein Hund, weil Simon immer noch nichts von meiner Fixierung auf ihn weiß und weil wir beide zusammen nie eine Chance haben werden.
Schließlich entscheide ich mich. Ich werde das alles hier beenden, zumindest für ein halbes Jahr.
Vielleicht bekomme ich Simon aus dem Kopf und vor allem aus meinem Herzen, wenn ich ihn eine Weile nicht sehe. Es tut weh, daran zu denken, aber vielleicht bessert ein Umzug nach Hossenbach meine Lage ja tatsächlich.
Damit würde ich vermutlich meiner Karriere einen Gefallen tun, außerdem meinem Gehalt.
Die Sache mit Hanna hätte sich wohl auch erledigt und Freunde habe ich hier in Mairus sowieso nicht, außer Ben und der ist inzwischen ständig mit seinem Lover zusammen.
Am Donnerstag gebe ich mir einen Ruck und nehme Simon -mal wieder- nach dem Essen beiseite.
„Hallo Dennis, was gibt’s?“ Simon steht vor mir, die Arme locker verschränkt und die Haare noch feucht vom Duschen.
Ich seufze unwillkürlich. Will ich wirklich diesen Anblick aufgeben?
„Ich habe mir das mit Hossenbach überlegt“, sage ich mit resignierter Stimme. Simon runzelt kurz die Stirn, wartet darauf, dass ich weiter spreche.
„Also… ich mach's. Ihr könnt mich ausleihen.“
Simon schweigt, sagt nichts und ich fühle mich unwohl. Habe ich etwas Falsches gesagt?
„Okay, ich leite das weiter“, sagt er schließlich tonlos und wendet sich ab. Ich stehe da und meine Gedanken rasen. Was ist denn los?
„Simon“, halte ich ihn zurück, „stimmt etwas nicht? Soll ich bleiben?“
Simon bleibt stehen ohne sich umzudrehen, dann schüttelt er den Kopf und geht.
Die nächsten Wochen vergehen wie im Flug, genauer gesagt die Tage, denn in den Nächten liege ich oft wach und denke über Simon nach.
Das viertletzte Spiel vor der Winterpause verlieren wir, das nächste gewinnen wir knapp.
Mir ist das inzwischen sonderbar gleichgültig, alles was zählt, sind meine letzten Tage mit Simon.
Ich muss immer wieder an unseren Kuss denken. Wie weit sich Simon wohl daran erinnert?
Es ist schwer, meine Chancen auf einen weiteren Kuss aufzugeben, aber Simon zuliebe reiße ich mich zusammen.
Das letzte Spiel kommt schneller als erwartet und wir verlieren es. Mir ist das egal, so bin ich wenigstens nicht versucht, Simon auf der Siegesparty abzufüllen.
Die Presse ist begeistert von meinem Kurztrip nach Hossenbach, ständig werde ich mit Fragen bombardiert und ich muss auch mal wieder in einer Sportsendung ein Interview geben.
Insgesamt bin ich froh, als das letzte Spiel vorbei ist, denn ich habe die Hoffnung, dass in Hossenbach alles irgendwie besser wird.
Der Umzug geht schnell und unproblematisch von der Hand.
Ich habe ohne weitere Probleme eine passende Wohnung gefunden, nahe am Stadion und mit genau der richtigen Größe für einen allein lebenden Fußballer.
Hanna ist - wie erwartet - nicht mitgekommen, sondern hat am Telefon irgendetwas von einer Fernbeziehung gelabert.
Es ist Winterpause, das heißt ich habe einige Wochen Ruhe, bis das Training wieder losgeht.
Die Situation in Hossenbach ist tatsächlich problematisch, Siege müssen her, sonst droht der Abstieg.
In der Woche nach Neujahr soll das Training beginnen und ich plane mit nicht allzu großer Vorfreude meine Weihnachtstage.
Meine Eltern haben mich eingeladen, am ersten Weihnachtsfeiertag zu ihnen zu kommen.
Sie wohnen in Norddeutschland, eine Ewigkeit weit weg von Mairus und nicht ganz so weit entfernt von Hossenbach.
Vielleicht sollte ich sie wirklich besuchen.
Wie es wohl werden wird? Ich schließe in meinem neuen Sessel die Augen, stelle es mir vor. Meine Mutter würde mich voller Überschwang begrüßen, während mein Vater mir wohl vom Fernseher aus zunicken würde.
Es gäbe irgendetwas Aufwendiges zu Essen, mein Vater würde mit mir über die laufende Saison reden.
Vielleicht wäre auch meine Schwester da, diese alte Hexe.
Sollte das der Fall sein, würde sie wohl die ganze Zeit Bemerkungen zu meiner Beziehungsunfähigkeit fallen lassen und mich damit aufziehen, dass ich mir noch keine Victoria Beckham geangelt habe.
Dabei ist sie selbst jetzt schon seit fünf Jahren mit diesem Spießer verheiratet, der sein Büro mehr liebt als sie und vermutlich seine Sekretärin vögelt.
Ich seufze. Meine Mutter würde sich freuen, wenn ich an Weihnachten zuhause wäre.
Hanna wiederum hat angekündigt, dass sie die Feiertage bei ihrer Familie in Mairus verbringen wird.
Also hat sich die „Weinachten mit Freundin“ - Variante auch erledigt.
Wehmütig denke ich an Simon. Wie er wohl die Feiertage verbringt? Alleine mit seiner kleinen Tochter? Mir wird ganz warm, wenn ich mir vorstelle wie die beiden unter dem Tannenbaum sitzen und die kleine Marie Geschenke auspackt und sich freut und wie Simon sie in den Arm nimmt und mit ihr die neuen Spielsachen ausprobiert…
Simon ist eindeutig ein toller Vater, nicht nur ein toller Trainer.
Und ein toller Liebhaber ist er garantiert auch, zumindest lassen seine Küsse - selbst im betrunkenen Zustand - darauf schließen.
Ich wäre so gerne bei Simon an Weihnachten, dass ich bei der Vorstellung einen Kloß im Hals habe. Weihnachten mit dem Menschen zu verbringen, den man liebt … ein schöner Traum.
Frustriert stöhne ich auf. So wie die Dinge jetzt stehen, gibt es wohl einen einsamen Heiligabend für mich und einen tollen ersten Weihnachtsfeiertag mit meiner tollen Familie.
Der 24. kommt schneller als erwartet und wie vorher schon vermutet sitze ich den ganzen Abend alleine vor dem Fernseher, zappe durch Sissi, Weihnachtsmärchen und Co. und wünsche mich ganz weit weg - zu Simon.
Am Weihnachtsmorgen fahre ich früh los, im Gepäck Blumen und Parfum für meine Mutter, Pralinen für meinen Vater und ein stinklangweiliges, dickes Buch für meine stinklangweilige und dicke Schwester.
Ich fahre fast drei Stunden, bis ich in das richtige Dorf komme. Sofort steigen Erinnerungen in mir auf, ans Kicken auf der Straße, meine Grundschulfreundin, meine ganze Jugend -beziehungsweise meine Kindheit, denn mit fünfzehn bin ich hier weggezogen, zu einer Pflegefamilie in der Nähe meines damaligen Vereins.
In Gedanken versunken biege ich in die richtige Straße ein und sehe unser Haus schon von weitem.
Ich parke direkt davor und steige aus, suche mir die Geschenke zusammen und gehe mit gemischten Gefühlen zur Haustür.
Sobald ich klingle öffnet meine Mutter. Strahlend begrüßt sie mich und schließt mich in ihre Arme.
Sie ist wohl sehr begeistert, ihren einzigen Sohn mal wieder zu sehen, ganz echt und ohne Fernsehübertragung.
Wir betreten das Wohnzimmer und da sitzt mein Vater vor dem Fernseher.
„Hallo Junge!“, ruft er mir zu und nickt dabei. Ich seufze. Alles ganz wie ich erwartet habe. Warum ist meine Familie nur so berechenbar?
Im Esszimmer sitzt - oh nein - meine ältere Schwester Therese.
„Hallo Dennis.“ Ihr Lächeln ist so was von aufgesetzt, aber meine Mutter merkt nichts.
„Na, warum hast du denn deine Freundin nicht dabei?“ Ich werfe ihr einen bösen Blick zu.
„Na, warum ist denn dein Ehemann nicht da?“ Sie wird blass, ich feixe.
Dumme Schnepfe.
Zum Essen kommt auch mein Vater in die Küche und zum ersten Mal seit langem isst wieder die ganze Familie an einem Tisch.
Vater, Mutter, Tochter, Sohn.
Das Essen ist sehr gut, wie immer und auch wie immer viel zu viel. Ich esse, bis ich nicht mehr kann und meine Mutter freut sich.
Nach dem Mittagessen gehen wir alle ins Wohnzimmer und packen Geschenke aus.
Von meinen Eltern bekomme ich ein paar DVD's, die ich nicht kenne und meine Schwester schenkt mir… ich schaue sie sauer an. „Ist das dein Ernst?“ Sie grinst.
Genervt ziehe ich die Stoffente aus dem Geschenkpapier und sofort fängt diese an laut und falsch „Last Christmas“ zu singen.
Das ist nicht nur ein unnötiges und absolutes Kitschgeschenk, sondern auch noch ein böser Seitenhieb, weil ich als Kind aus unerfindlichen Gründen immer eine Ente haben wollte, aber natürlich nie eine bekam.
Meine Eltern bekommen von dieser Bosheit nichts mit und freuen sich über Parfum und Naschzeug.
Ja, das ist meine Familie. Ich werde nachdenklich. Eigentlich hätte ich gerne auch eine eigenen Familie, zwar ganz sicher nicht mit Hanna, aber der Gedanke mit Simon und seiner Tochter zusammen zu leben… eine ganz und gar verlockende, aber unmögliche Vorstellung.
Abends fahre ich zurück, nachdem ich meiner Mutter versprechen musste öfter anzurufen. Den Nachmittag über hat mein Vater mit mir die Chancen sämtlicher Bundesligamannschaften durchdiskutiert, wobei er meinen Wechsel nach Hossenbach für deren Rettung hält.
Meine Schwester ist schon vor mir gegangen und darüber war ich nur froh.
Unterwegs höre ich laut Musik und lasse die Gedanken schweifen.
„Hallo Davin, herzlich willkommen bei uns!“
Die Worte meines neuen Trainers Rainer Müller lösen Unbehagen in mir aus. Davin … eigentlich bin ich doch Dennis, oder?
Gleich am ersten Trainingstag fangen wir ohne große Schonzeit an.
Das Training in Hossenbach ist hart, sogar härter als beim FC Mairus oder kommt mir das vielleicht nur so vor, weil Simon nicht hier ist?
Die anderen Spieler sind alle ganz in Ordnung, aber wie in jedem Verein sprechen einige kein Deutsch und diejenigen, die mit mir reden, nennen mich alle „Davin“.
Der größte Teil von ihnen ist jünger als ich, der Trainer ist dafür umso älter. Vielleicht sollte Hollenbach lieber einen neuen Trainer einstellen, statt ständig neue Spieler zu kaufen.
Die nächsten Tage beim FC Hollenbach sind vor allem eins: sehr, sehr einsam.
Ich vermisse einfach alles. Simon, Felix, meine Mannschaft, Mairus, die gewohnte Umgebung, sogar Hanna.
Sogar unsere tägliche Laufstrecke vermisse ich, die in Hossenbach ist längst nicht so schön.
Aber abgesehen von meinen, beziehungsweise Dennis' Gefühlen läuft es super.
Als Davin füge ich mich schnell in die neue Mannschaft ein und ich soll beim ersten Spiel der Rückrunde sogar schon dabei sein.
Der Leistungsdruck, der dabei auf mir lastet, ist nicht gerade angenehm, auch scheinen einige andere Stammspieler eifersüchtig auf mich zu sein. Davin ist das egal, Dennis hat Mitleid.
Kein Tag vergeht, ohne dass ich an Simon denke und kurz vor dem ersten Spieltag schalte ich völlig verzweifelt meinen Laptop an und gebe bei Google: „Simon Pergus“ ein.
Wieso bin ich da nicht vorher drauf gekommen? Ach ja richtig - ich hatte Simon ja jeden Tag in Fleisch und Blut vor mir.
Sofort öffnen sich einige Bilder von Simon und haufenweise Artikel, die ich interessiert überfliege.
„Schwerer Unfall des Profifußballers Simon Pergus - wird er je wieder spielen können?“
„Simon Pergus wechselt auf die Trainerbank - eine vernünftige Entscheidung?“
„Große Aufregung in Mairus: Neuer Trainer Simon Pergus erst 31 Jahre alt!“
Ich seufze. Armer Simon, so ein Presserummel um seinen Unfall damals…
Dann klicke ich auf „Bilder“ und mein Herz zieht sich schmerzhaft zusammen.
Da ist Simon, als ganz junger Fußballspieler, offenbar hatte er mehrmals das „Tor des Monats“… ich wusste gar nicht, dass er ebenfalls ein Stürmer war.
Daneben ist ein neueres Bild, Simon, der dem Präsidenten des FC Mairus die Hand schüttelt… und darunter… Ich öffne das Bild schnell und ziehe es größer. Es ist etwas verschwommen - ein Paparazzi-Foto - aber ich erkenne Simon, der ein kleines Mädchen an der Hand hält. Das muss seine Tochter Marie sein!
Sie ist blond, wohl nach der Mutter und geht Simon gerade bis zum Bauchnabel.
Ich scrolle auf der Seite weiter nach unten und zucke beim nächsten Bild zusammen. Dieses ist wieder ein älteres Foto, Simon sieht sehr jung aus - noch ohne Narbe- und steht da, Arm in Arm mit einer hübschen, blonden Frau.
Es fühlt sich an, als würde ein Gewicht in meinen Bauch fallen. Das muss Maries Mutter sein… die Frau, die Simon geliebt hat, bevor… na ja, bevor sie diesen Unfall hatten.
Schnell schließe ich den Laptop und lasse mich in meinem Sessel zurücksinken.
Bilder von Simon anzuschauen grenzt an Masochismus, also warum sollte ich mich noch länger damit quälen?
Dieser Überlegung halte ich gerade einmal zwei Sekunden stand, dann klappe ich den Laptop wieder auf und ziehe mir einige Bilder von Simon aufs Handy.
Das erste Spiel für den SV Hossenbach ist ein Kampf auf Augenhöhe. Unser Gegner ist ebenfalls abstiegsgefährdet und wir gewinnen zwei zu eins, wobei eines dieser zwei Tore auf mein Konto geht. Alle sind in ausgelassener Stimmung, ein Sieg ist schließlich ein toller Start in die Rückrunde.
Allerdings drücke ich mich vor der kleinen Feier und fahre schnell heim, schalte den Fernseher an und suche den Sportsender.
Auch der FC Mairus hatte heute ein Spiel.
Ich finde ein Sportstudio und tatsächlich! Nach einigen langweiligen Berichten kommt der, auf den ich gewartet habe: Mein Simon.
Sofort hänge ich wie gebannt vor dem Bildschirm, sauge jedes Wort auf, das Simon von sich gibt, ohne den Inhalt zu erfassen.
Als der Moderator Simon verabschiedet, schreie ich frustriert auf. Ich will mehr von Simon!
Die nächsten Wochen verlaufen ähnlich. Mir ist völlig egal, ob Hossenbach verliert oder gewinnt - nach jedem Spiel hetze ich nach Hause und schaue Pressekonferenzen und Interviews von Simon. Natürlich könnte ich die auch nachträglich im Internet anschauen, aber sie live zu sehen fühlt sich besser an.
Ich habe wieder angefangen zu masturbieren, mit Bildern von Simon. Eines habe ich gefunden, auf dem er mit nacktem Oberkörper zu sehen ist und dieses Bild benutze ich besonders oft.
Alles in allem bin ich - beziehungsweise der Dennis-Teil von mir - in absolut miserabler Verfassung.
Und schließlich rückt das Ereignis, vor dem ich Angst habe immer näher. Das Rückspiel gegen Mairus.
In der Hinrunde habe ich mit Mairus drei zu null gewonnen, aber jetzt stehe ich auf der anderen Seite. Ich muss gegen meine alte Mannschaft spielen - gegen Simon.
Zum Glück hat unser Trainer das auch bemerkt, denn er stellt mich nicht für die Startelf auf, sondern nur als Auswechselspieler.
Trotzdem habe ich Muffensausen vor diesem Spiel. Ich werde Simon wieder sehen, ganz in echt und vielleicht Angesicht zu Angesicht.
Gegen Mairus muss Hossenberg nicht unbedingt gewinnen, wir sind nicht mehr akut abstiegsgefährdet, aber natürlich sollen wir alles geben. Außerdem ist es ein Heimspiel und die Fans sehen gerne Siege.
Schnell kommt die letzte Woche vor meinem gefürchteten Spiel, wir trainieren und trainieren und ich schaue ein Video von Simon nach dem anderen, in jeder freien Minute.
Der Montag… vorbei.
Der Dienstag… vorbei.
Der Mittwoch … vorbei.
Der Donnerstag… vorbei.
Der Freitag zieht sich … und ist vorbei.
Und schon ist Samstag. Ich habe in dieser Nacht kaum ein Auge zu gemacht, gegen besseres Wissen Simons Bilder aufgesaugt und missbraucht und ich bin dementsprechend müde und schlecht gelaunt.
Auf der anderen Seite bekomme ich schon beim Frühstück Herzklopfen, wenn ich daran denke, dass ich bald meinen Simon wieder sehe.
Wir treffen uns um vier im Stadion. Um sechs geht das Spiel los und um halb fünf kommt der Mannschaftsbus aus Mairus.
Ich sitze im Besprechungsraum, versuche meinem Trainer zuzuhören und schaue doch nur die ganze Zeit auf die Uhr. Ab halb fünf bilde ich mir ein Simons Anwesenheit zu spüren und das lässt mich unruhig auf meinem Stuhl herumrutschen. Beim Umziehen ist mir leicht schwindlig und dann geht es schon zum aufwärmen auf den Platz. Obwohl ich nicht von Anfang an spiele gehe ich mit nach draußen, mit einer schicken warmen Trainingsjacke über meinem Trikot.
Kaum verlassen wir den Tunnel sehe ich mich fast panisch um und dann sehe ich ihn.
Simon steht auf dem Platz, spricht mit einem meiner ehemaligen Mannschaftskameraden und wendet mir gerade den Rücken zu. Ich erstarre mitten in meiner Bewegung, bis mich einer meiner Mitspieler antippt. „Davin? Alles in Ordnung?“ Sofort reiße ich mich zusammen und helfe den anderen beim aufwärmen.
Während ich Jonas, einem jungen Spieler, beim dribbeln zuschaue, legt sich auf einmal von hinten eine Hand auf meine Schulter.
„Hallo Dennis.“
Wieder erstarre ich, denn diese Stimme kenne ich viel zu gut und ich liebe den Mann dem sie gehört. Simon.
Ich drehe mich hastig um und da steht er, in Hemd und Jeans und mit einer Hand in der Tasche, fast schon verlegen. Er lächelt. „Hallo“, kriege ich heraus und er nimmt seine zweite Hand von meinem Arm und vergräbt auch sie in seinen Taschen.
Simon sieht... müde aus, als hätte er sich überanstrengt. „Wie geht es dir?“, will er wissen und ich zucke mit den Schultern. Es ist schwer, jetzt einen vernünftigen Satz zu formulieren. „Ganz okay, läuft ja einigermaßen.“
Mein Herz rast, am liebsten hätte ich mich ihm in die Arme geworfen.
„Einigermaßen? Du hast doch in den letzten zehn Spielen acht Tore geschossen, das ist doch richtig gut!“ Ich erröte. Warum weiß Simon so genau, wie viele Treffer ich hatte?
„Ihr wart ja auch nicht schlecht“, gebe ich zurück. Das weiß ich, denn ich habe schließlich alle Pressekonferenzen geschaut.
Simon zuckt mit den Schultern. Ich stehe so nahe bei ihm, dass ich jetzt seinen Geruch wahrnehme und mein Atem wird unwillkürlich schneller. „Ich wünsche dir viel Glück für das Spiel.“ Simons Stimme ist leise, schwach und sein Lächeln wirkt aufgesetzt. Was ist denn mit ihm los? Ist Marie wieder krank?
Bevor ich fragen kann kommen andere Spieler zu uns und der Moment der Zweisamkeit ist vorbei. Ich drehe mich um und gehe zurück in die Umkleide.
Als die Mannschaft wieder auf den Platz aufläuft, gehe ich mit den anderen Auswechselspielern zur Trainerbank. Ich sehe Simon, der auf der anderen Seite steht und konzentriert seine Jungs bei der Aufstellung beobachtet.
Anpfiff und los geht's.
Das Spiel ist… ernüchternd. Mairus ist deutlich besser und während Simon zufrieden sein darf, ist unser Trainer Rainer ziemlich sauer.
Ich schaue immer wieder zu meinem Simon. Trotz der eins zu null Führung sieht er genau so frustriert aus wie Rainer.
Kurz vor der Halbzeitspause fällt - durch einen Verteidigerfehler - das eins zu eins.
Rainer jubelt, Simon flucht und ich bin hingerissen. Wie kann ein Mann nur selbst beim Fluchen so verdammt heiß aussehen?
Einige Minuten später in der Kabine ist die Stimmung extrem angespannt, eben noch eins null hinten gelegen gegen eine deutlich bessere Mannschaft, jetzt auf einmal eins zu eins, Gleichstand.
Eine Chance, eine Chance die Rainer genutzt haben möchte. Gott, ich will mir gar nicht vorstellen, was sich die Jungs ein paar Meter weiter gerade von Simon anhören dürfen. Der ist sicher richtig sauer und Felix erst.
Während ich noch die Wand anstarre, hinter der sich irgendwo Simon versteckt spricht mich auf einmal Rainer an.
„Davin, ich wechsle dich nach der Halbzeit ein, geh dich warm machen.“
Einwechseln? Mich? Scheiße, das hatte ich ganz vergessen. Ich jogge die Treppen hoch und auf den Platz, wo schon ein paar andere ihre Runden ziehen.
Rainers Entscheidung ist logisch, wenn er hier noch etwas erreichen will, braucht er jetzt einen Stürmer.
Ich dehne mich und hüpfe ein paar Mal auf und ab. Warm bin ich sowieso schon und nicht nur warm, ich bin heiß - heiß auf Simon. Aber halt, Simon ist ja der Gegner. Ich versuche Dennis in den Hintergrund zu schieben und auf Davin umzuschalten, aber seit Simon vorhin meinen Namen gesagt hat, bekomme ich Dennis nicht mehr weg.
Verflucht auch.
Nach der Pause kommen die anderen Spieler wieder nach draußen und mein Blick folgt Simon vom Tunnel bis zu seinem Platz.
Ich werde gemeldet, ziehe meine Trainingsjacke aus und los geht’s. Ich gebe alles, passe, dribble und flanke so gut ich kann, aber ich habe ein Problem. Ich bin Dennis und Dennis interessiert sich gerade überhaupt nicht für Fußball, sondern nur für den Mann, der dort drüben steht und herumschreit. Simon.
Davin ist nicht auffindbar und so verliere ich Zweikämpfe, meine Pässe gehen ins Leere und mein Dribbling ist eine Katastrophe. Ich glaube, so schlecht habe ich noch nie gespielt. Immer wieder bleibt mein Blick an Simon hängen, nur im Hintergrund bemerke ich, dass Rainer mich wütend anbrüllt.
Ich schüttle meinen Kopf, versuche mein Gehirn wieder klar zu bekommen, aber alles an was ich denken kann ist „Simon, Simon, Simon, Simon!“
Argh! Diese plötzliche Nähe ist zu viel für mich, ich kann nicht mehr, ich muss Simon endlich sagen was ich fühle, aber hier ist noch ein Spiel zu spielen!
Ich passe wieder ins Leere und der Ball ist verloren, fliegt in die falsche Richtung und landet nach einem Kopfball von Lukas im Netz.
Scheiße! Dieses Tor war eindeutig meine Schuld und ich bemühe mich niemanden anzusehen. Trotzdem huscht mein Blick zu Simon. Verwirrt bemerke ich, dass der sich gar nicht freut, sondern steif da steht und zu mir schaut.
Verdammt, vermutlich fragt Simon sich gerade auch, was ich hier eigentlich für einen Mist abliefere.
Aber keine Zeit zu grübeln, schon geht es weiter und kaum fünf Minuten später kassiere ich gelb.
Ja, ich weiß ich hätte Max nicht so heftig wegstoßen dürfen, aber verflucht! Ich bin so was von frustriert und wütend auf mich selbst und einfach nur verzweifelt.
In der achtzigsten Minute fällt das drei zu eins gegen uns und das war es dann wohl auch für heute. Alles meine Schuld.
Inzwischen bin ich den Tränen nahe und als der Abpfiff kommt, will ich nur noch weg. Ich weiche meinen Mannschaftskollegen aus, die irgendetwas von mir wollen und stürme durch den Tunnel, bevor mich ein Reporter auch noch zu dieser Scheiße befragen kann.
Wütend trete ich gegen die Wände, die mir in den Weg kommen und schmeiße mein Trikot in der Umkleide auf den Boden. Ich will das hier nicht mehr! Ich will endlich tun können, was ich schon seit letztem August tun will, nämlich Simon ganz offen küssen und mir eine Abfuhr einkassieren. Dann wüsste ich wenigstens wie die Sache steht.
Ich schreie meinen Frust aus mir heraus, schlüpfe schnell und ohne zu duschen in einen frischen Trainingsanzug und schleppe meine Sachen zum Ausgang. Heute will ich mit niemandem mehr reden, niemanden mehr sehen ich will einfach nur noch - „Dennis!“
Meine Tasche fällt zu Boden, als mich Simon am Arm packt und in den nächsten Raum stößt. Es ist ein leerer Konferenzraum und ich lasse geschockt zu, dass Simon die Tür hinter uns abschließt. „Dennis, was sollte das denn eben?“, schreit er mich an und ich verstehe die Welt nicht mehr.
„Was willst du denn, ihr habt doch gewonnen!“, fauche ich zurück und will schon gehen, als Simon mich wieder festhält. „Das meine ich nicht! Ich will wissen, warum du dir dermaßen deine Karriere versaust! Mairus hätte das Spiel doch sowieso gewonnen, warum hast du dich nicht angestrengt?“ Seine Stimme ist laut und er klingt wirklich wütend. Aber jetzt bin ich mindestens genau so auf 180.
„Nicht angestrengt?“ Ich raufe mir die Haare und Simon weicht zurück. „Nicht angestrengt? Du glaubst ernsthaft, ich hätte absichtlich so schlecht gespielt?“ Jetzt fällt Simons wütendes Gesicht in sich zusammen, er sieht verwirrt aus. „Du … du hast nicht absichtlich gepatzt?“, fragt er nach und ich fluche derbe und trete gegen einen Stuhl. „Nein, verdammt natürlich nicht! Soll ich dir sagen, warum ich so schlecht war, soll ich?“
Ich habe mich in Rage geredet, ich bin so wütend, so frustriert, dass mir alles egal ist. Simon schaut mich hilflos an, fordert mich mit einer Handbewegung auf weiterzureden.
„Ich war so schlecht“, setze ich neu an, „weil jemand, in den ich seit fast sechs Monaten verliebt bin, heute hier war und ich mich verdammt noch mal nicht konzentrieren konnte!“
Simon klappt der Mund auf. „Du hast Liebeskummer?“
„Ja verdammt! Und soll ich dir noch etwas sagen, es ist ein Mann!“
So, jetzt bekommt er sicher gleich einen Anfall und haut ab, lässt mich hier sitzen, will nie wieder mit mir sprechen.
„Du bist… was? Du hast Liebeskummer wegen einem Mann?“ Diese Nachricht scheint Simon zutiefst zu erschüttern. „Hast du ein Problem damit?“, fauche ich und er schüttelt heftig den Kopf, hebt beschwichtigend die Hände. „Nein, nein, Dennis, ich bin nur… überrascht!“
Ich fluche noch einmal. „Ja und weißt du warum du überrascht bist? Weil ich ein scheiß Profifußballer bin!“
Ich trete wieder gegen einen der Stühle und der fällt um und kracht zu Boden.
„Dennis, bitte beruhige dich, das wird schon wieder, du kannst doch … mit dem Mann reden und vielleicht mag er dich ja auch!“
Ich schnaube. „Ja klar und das würde ja sicher auch so was von toleriert werden. Aber weißt du was? Es gibt noch ein Problem. Selbst wenn der Mann wollte, dürften wir nichts miteinander haben. Er ist nämlich praktisch mein Chef.“
Simon reißt die Augen auf und hält sich unwillkürlich am Tisch fest. „Dein… dein Chef? Du bist … du bist in Rainer … verliebt?“ Die letzen Worte würgt er eher heraus, als dass er sie ausspricht.
„Simon!“ Ich drehe mich verzweifelt wieder zu ihm um. „Wie schwer von Begriff bist du eigentlich? Ich rede von dir!“
Die ganze Szenerie erstarrt, kaum dass diese Worte meinen Mund verlassen haben. Ich selbst erstarre, überrascht von meiner eigenen Courage und mit panischer Angst vor der Abfuhr, die nun folgen wird.
Und Simon? Bewegt sich keinen Millimeter und schaut mich mit offenem Mund an.
Schließlich durchbreche ich die Stille, hebe meine Tasche auf und gehe zur Tür.
„Jetzt weißt du es ja“, stelle ich fest. „Also auf Nimmerwiedersehen.“ Meine Stimme ist eiskalt und genau so fühlt sich mein Inneres an. So Dennis, da hast du sie, deine Abfuhr. Simon bewegt sich immer noch nicht und ich schließe die Tür auf und gehe.
Und weiter geht es in Teil 3 :)
Ich freue mich wie immer über jeden Kommentar ;-)
Texte: Text ist von mir :)
Bildmaterialien: Der Fußballer ist von www.meinemarie.org, der Hintergrund und die Bearbeitungen sind von mir.
Lektorat: Catwoman (Danke nochmal! :* )
Tag der Veröffentlichung: 21.07.2014
Alle Rechte vorbehalten