Regen prasselt gegen das Fenster, trommelt einen schnellen Marsch in die Stille hinein. Graue Wolken ziehen am Himmel vorbei, verdichten sich zu großen Knäueln und lassen Wasser auf die Erde fallen. Ein junges Mädchen öffnet hektisch einen Schirm. Schwarz, mit kleinen grauen Flecken, als würde sie versuchen, sich zu tarnen. Als hätte sie Angst, erkannt zu werden.
Ich schüttle den Kopf, versuche, die Gedanken zu verwerfen. Doch es ist, als wäre in meinem eigenen Kopf ein großes Unwetter aufgezogen. Ich lasse meine Hand locker und tippe schnell mit dem Ende des Kugelschreibers auf den Tisch. Die Wörter auf dem Blatt vor mir verschwimmen zu schwarzen Streifen. Wie ein Zebra, denke ich.
Kurz schließe ich die Augen, stelle mir vor, ich wäre wo anders. Nicht an diesem Ort, nicht in dieser Welt. Vielleicht würden sich dann meine Gedanken lösen. Doch es hilft nicht.
Ich nehme meinen Kopf in die Hand, schaue unter den Augenlidern hervor. Die Anderen bemerken nichts, sind vertieft in ihre eigene kleine Welt. Mehrere kritzeln schnell auf ihren Blättern herum, schreiben, als würde ihr Leben davon abhängen. Ich verstehe sie nicht.
Ein Blitz durchzuckt meinen Körper, lässt mich zusammenfahren. Mein Nachbar schenkt mir einen verachtungsvollen Blick, doch ich ignoriere ihn. Automatisch beuge ich mich unter den Tisch, greife in meine Schultasche. Meine Hand trifft ins Leere.
Wie konnte das nur geschehen? Wo ist es? Wahrscheinlich hat ER es, hat es genommen, als ich nicht hinsah. Ich schlage mir die Hände gegen die Stirn, lasse mein Gesicht in meinen Handflächen verschwinden. Alles umsonst. Ich war so naiv!
Ruckartig stehe ich auf. Mein Stuhl fällt um, der Aufprall fegt laut durch das Zimmer. Erschrocken schauen manche auf, machen große Augen. Es scheint, als würden sie gerne fragen, was los ist. Doch sie schenken mir nur einen letzten Blick, bevor sie ihre Augen wieder senken. Nur SIE sieht zu mir auf, schenkt mir ein stilles Lächeln und hebt fragend die Augenbrauen. Ich schüttle leicht den Kopf und sehe weg. SIE darf nicht hineingezogen werden. Nicht SIE.
Mit großen Schritten durchmesse ich den Raum, trete zur Tür, drücke die Klinke runter und betrete den Korridor. Kurz sehe ich mich um und gehe dann durch den rechten Gang. Warum hat mich der Lehrer nicht aufgehalten? Meine Schritte hallen wie leise Schüsse, weit entfernt und doch nah genug, um sie zu hören. Warum?
Der Stein unter meinen Füßen schluckt die Schritte und dämpft sie. Die Treppe schraubt sich in die Höhe und lässt einen kleinen Blick nach unten frei. Nichts, nur Leere.
Ich nehme zwei Stufen auf einmal, sprinte so schnell wie möglich nach oben. ER darf es nicht zerstören! ER wird es nicht tun.
Ich erreiche eine kleine Plattform. Nur wenige Zentimeter trennen mich von der Decke. Ein Zittern huscht mir über den Rücken. Klaustrophobie, hallt es in meinem Kopf. Nicht gut in extremen Situationen. Ich wische mir über das Gesicht, versuche, mich zusammenzureißen. Alles in Ordnung. Alles. In. Ordnung.
Ich hebe die zitternden Hände nach oben, ertaste im Dunklen einen schmalen Griff. Holz schabt über kalten Stein, als ich die Klappe aufziehe, mich dagegen stemme. Dünne Lichtfinger fallen auf die Wand, ziehen sich, dehnen sich aus zu einem dicken Streifen gleisendem Licht. Ich trete vor die Öffnung, kneife meine Augen zusammen und ziehe mich nach oben.
Für einen Moment sehe ich nichts, nur helles, blendendes Weiß. Dann treten Schemen aus dem Licht, kalte Tropfen fallen mir ins Gesicht und hinterlassen dunkle Flecken auf meinem Pulli. Ich sehe mich um. Graue Wolken, die nun näher sind als davor. Es scheint mir, ich könne sie gleich mit der Hand fassen.
Und ER ist hier. Eine dunkle Gestalt, die sich vor dem hellen Himmel zeichnet, wie ein Schatten. Das helle Haar, das um seinen Kopf weht wie ein Heiligenschein. Nur das er kein Engel ist. Ganz und gar nicht.
Eigentlich sollte es heute ein Sommertag werden, wenn auch ein kühler. Doch von Sommer oder Sonne war nichts zu entdecken. Stetig tropfte der Regen auf meinen Schirm, ein kalter Wind schlug mir ins Gesicht und wehte mir meine langen Haare in die Augen.
So viel zum Thema Sommer.
Ich packte den Griff des Regenschirms fester und hielt ihn schützend ganz nah an meinen Kopf. Schon vorhin war mir der Schirm mit einem ächzenden Laut umgeklappt und hatte mich ungeschützt dem Wetter ausgesetzt. Nur mit Mühe und Not hatte ich ihn einigermaßen repariert, und auch jetzt war ein Teil des Metallgerüsts verbogen. Ich wollte nicht, dass das noch einmal passierte.
Meine Freundin Blue bezeichnete mich schon lange wegen diesen Pechmomenten als ‚Unglückskind‘. Wobei sie meine Laune nicht gerade hob, denn meistens stand sie daneben und brach in Lachen aus. Ganz abgesehen von meiner Mutter, die mich oft erst in das Unglück hineinzuschieben schien. Wenn es vor ihrer Zeit das Wort ‚Peinlichkeit‘ noch nicht gegeben hatte, war es mit ihrer Geburt erfunden worden.
Ach ja, der Schulweg! Ich hatte wohl den schlechtesten erwischt hatte. Eine lange Allee, umsäumt von hohen Kastanien. Es war wohl noch zu erwähnen, dass der Weg aus Sand war und die Baumkronen über mir den Himmel verdeckten. Im richtigen Sommer war das wohl ein schöner Ort, doch jetzt klebte Sandmatsch an meinen Schuhen und ganze Eimer voller Regentropfen fielen von den Blättern. Selbst im Herbst musste ich mit einem Regenschirm in die Schule gehen, denn dann fielen statt Regentropfen Kastanien auf meinen Kopf und das tat weh. Schließlich war ich das lebende Opfer.
Meine Finger fühlten sich kalt und klamm an. Ich seufzte. Sollte man im Sommer etwa Handschuhe tragen?
Ich sah nach vorne und seufzte noch einmal auf, dieses Mal erleichtert. Ein großes Gebäude erhob sich vor mir. Für mich wirkte es jedes Mal wie ein altes Herrenhaus, vollkommen aus Stein. Vor den großen Glasfenstern waren blutrote Vorhänge gespannt und Erker hoben sich hervor. Ganz oben auf der Schule gab es eine Art Dach, eine Stelle, an der keine Ziegel waren, nur eine flache Stelle. An den Seiten war ein Zaun, doch er wies Makel auf. Schon lange war niemand mehr dort oben gewesen, unser Hausmeister hatte nämlich Höhenangst. Von der Schule konnte ich von hier aus nur die oberen Stockwerke sehen, denn eine große Hecke umwuchs die Schule wie ein verwunschenes Schloss.
Ich ging weiter, trat durch ein großes Tor, das der Eingang war. Früher hatten viele versucht über das Tor, nachdem der Unterricht schon lange vorbei war, zu klettern, um illegal auf dem Schulhof zu sein, nur um einen Adrenalin-kick zu bekommen. Doch die scharfen Spitzen, die das Tor schmückten, machten ihnen einen Strich durch die Rechnung. Obwohl es total blöd war, über das Tor steigen zu wollen, denn es war sowieso meistens nicht abgeschlossen.
„Summer!“
Ich sah auf, wurde aus meinen Gedanken gerissen. Blues schwarze Locken waren aufgrund des Regens jetzt noch viel gelockter und fielen ihr wie dunkle Wolken ins Gesicht. Das strahlende Lächeln, das für sie so typisch war, lag ihr im Gesicht, als würde es gar nicht regnen. Ich wollte ihr zuwinken und ließ den Schirm mit einer Hand los. Ein Windstoß fegte über mich hinweg, ließ die Bäume rauschen und – riss mir den Regenschirm aus der Hand. Fluchend rannte ich hinter ihm her, doch der Wind schien ihn nicht zurückgeben zu wollen.
Warum immer ich?
Ich hörte ein Lachen, dann tauchte Blue neben mir auf und jagte auch dem schwebenden Regenschirm hinterher. Ich konnte mir vorstellen, wie kindisch wir aussahen und trotzdem musste ich lachen.
Plötzlich hielt der Regenschirm an, blieb an etwas hängen, oder besser: an jemandem.
Ich sah hoch. Cody McMillan, ein Junge mit blonden Haaren hob den Schirm auf, der sich in den Saum seiner Jeans gebohrt hatte und reichte ihn mir.
„Passt lieber auf, Mädels. Bei diesem Wetter sollte man seine Sachen besser gut festhalten.“ Er schenkte uns ein Lächeln, das eindeutig aussagte, wie sein Charakter war. Arrogant, egoistisch. Immer das Gefühl zu haben, man sei etwas Besseres als andere. Er war in unserer Klasse, doch bis jetzt hatte ich hin nicht richtig bemerkt. Ich dachte auch nicht daran, in Zukunft auf ihn zu achten.
Blue lächelte ihm zu, doch nur so kurz, dass man die Ironie nicht übersehen konnte. Blue war schon immer die hübschere von uns beiden gewesen, was noch lange nicht hieß, dass wir deswegen in Streit gerieten, wie es bei den meisten anderen Freundinnen der Fall war. Sie schmiss sich nicht an Jungs ran, besonders dann nicht, wenn ich für einen Interesse zu zeigen schien. Und dafür beneidete ich sie, dass sie so eine Kühle behalten konnte, obwohl sie sich eigentlich die Jungs, mit denen sie etwas zu tun haben wollte, aussuchen konnte.
Schweigend nahm ich den Regenschirm und faltete ihn zusammen. Schließlich sollte er mir nicht noch einmal davon geweht werden.
Blue sah zu mir und lächelte. „Na, Unglückskind, wie viel Pech hattest du heute schon?“
Ich lachte. „Mehr als genug!“
Ein Weg aus Asphalt und Stein führte uns zum Eingang. Mehrere kleine Pfade aus Kieselsteinen führten über den Rasen zu einem kleinen Teich, auf dem eine Entenfamilie schwamm. Vor ein paar Jahren hatte es deswegen einen großen Streit gegeben, als es noch mehr als eine Entenfamilie gegeben hatte. Tierschützer hatten protestiert und verlangt, dass die Enten an einen echten See gebracht werden sollten. Sie meinten, dass sie nur dort überleben konnten. Schließlich hatte sich unsere Schule mit ihnen darauf geeinigt, dass ein Pärchen da bleiben durfte mit ihren Küken, der Rest musste verschwinden. Seitdem ist unser Teich immer bewohnt.
„Erde an Summer!“ Blue schnipste vor meinem Gesicht.
„Hm? Oh, tut mir Leid, ich war gerade etwas abwesend.“
Sie lachte. „Habe ich bemerkt. Sag mal, wie war's eigentlich auf dem Konzert gestern?“
Ich schüttelte den Kopf. „Frag nicht. Meine Mutter fand es natürlich wieder total toll, aber das Gesicht meiner Klavierlehrerin sagte alles.“
„Komisch. Ich liebe es, wenn du spielst.“
„Und ich, wenn du Flöte spielst.“
Blue schnaubte. „Flöte! Das ist doch für Kleinkinder.“
„Hallo Kleinkind.“ Ich lächelte ihr frech zu.
„Besonders bei Madame Cuisse.“ Blue seufzte.
„Oh ja, französische Namen sagen schon mal alles.“
Wir hatten die Treppe erreicht. Ein Mädchen aus der Parallelklasse, das vor zwei Jahren aus Frankreich hierher gezogen war, schenkte mir einen giftigen Blick. Blue unterdrückte neben mir ein Lachen.
„Und, Miss Kenedy, meldet sich da etwa wieder ihre Pechsträhne?“
Ich knuffte sie freundschaftlich in die Seite.
Lärm schwoll an. Schüler und Lehrer drängelten sich durch die Gänge, schoben uns beiseite. Mein gesamtes Blickfeld bestand aus bunten Farben: dort ein roter Rock, hier ein grünes T-Shirt, selbst die Haarfarbe eines Mädchens war blau. Gerüche schlugen auf mich ein. Hier das billige Parfüm eines kleinen eingebildeten Mädchens, der süße Geruch von Shampoo und der scharfe Schweißgeruch eines ungepflegten Jungens.
Unser Klassenzimmer war nicht besonders groß, doch in den Mittagspausen war das ein angenehmer Ort. Meist war es dann vollkommen leer und wirkte ganz im Gegensatz zu der Unterrichtszeit ruhig und bequem. Hier konnten Blue und ich so lange reden, wie wir wollten. Manchmal nahmen wir auch unsere Bücher mit und kuschelten uns in den Erker. Wenn die roten Vorhänge noch zugezogen waren, war das ein guter Ort, um sich vor Lehrern zu verstecken, die einen wegen der letzten Arbeit sprechen wollten…
Blue und ich traten zu unserem Tisch am Fenster und warfen unsere Taschen über die Stuhllehnen. Sofort ließ sie sich auf dem Holz nieder, kramte die Schullektüre aus ihrer Tasche und begann zu lesen, den Kopf gesenkt, das Gesicht versteckt hinter einem Vorhang aus schwarzen Haaren.
Ich ging zum Fenster und setzte mich in den Erker. Das alte Holz auf dem ich saß, knarrte leise, als ich die Beine an mich heranzog und meinen Kopf auf die Knie legte. Das Glas war unter meinen Fingerspitzen eiskalt. Es beschlug als ich die Hand wieder wegnahm und zeichnete runde Kreise wie auf einem milchigen Schleier. Ich sah durch das Glas durch. Hohe Bäume schoben sich in meine Sicht und das dunkle Grün einer Tanne. Im Winter wurde diese immer geschmückt und man sah ihre strahlenden Girlanden schon von weitem blinken wie kleine Warnschilder.
Ich beobachtete wie der Regen vom Himmel fiel und an das Glas prallte, um von dort wieder langsam herunter zu rollen. Wie ein Fluss zog ein Tropfen eine sich schlängelnde Spur hinter sich her.
Unten hörte man lautes Gelächter und Schritte von herannahenden Schülern. Die Geräusche ließen die sonst so ruhige Natur plötzlich traurig und laut wirken, wie ein Unwetter, das sich heran braute, um uns alle zu ertränken. Ich glaubte schon das Wasser in meinem Mund zu spüren, wie es meine Speiseröhre hinunterfloss und meine Lungenflügel füllte . . .
Ich schüttelte den Kopf und versuchte damit, meine Gedanken freier zu machen. Stimmte etwas mit mir nicht? Solche Gedanken sollte man doch nicht haben in meinem Alter!
Die ersten meiner Klassenkameraden und Kameradinnen schoben sich durch die Klassentür, setzten sich jedoch nicht auf ihre Plätze, sondern legten dort nur ihre Sachen ab. An die Tische gelehnt begann eine Gruppe Mädchen ein Gespräch über Lippenstift und Mascara, das ich bis hierher, dem Ende des Raumes, hören konnte. Nur ein Mädchen trat von ihnen weg und umarmte ihre Freundinnen zur Begrüßung. Sie schien nicht besonders viel von den Make-up Mädchen zu halten, doch ich wusste es besser. Das Mädchen hieß Casy Lauxter und verstand sich eigentlich mit jedem aus der Klasse, obwohl sie erst vor einer Woche hierher gezogen war. Ich mochte sie ebenfalls, auch wenn wir nur ein paar Worte bis jetzt gewechselt hatten.
Ein Junge, Fynn Haster, trat durch die Tür und setzte sich im Gegensatz zu den anderen sofort auf seinen Platz. Er hob nur einmal kurz den Blick, ließ ihn im Raum schweifen und beobachtete jeden für einen kurzen Moment. Als sein Blick auf mich fiel, bekam ich eine Gänsehaut. Irgendetwas stimmte nicht mit ihm. In seinen Augen schien etwas aufzublitzen für diesen kurzen Augenblick. War es Angst? War es die Bitte, dass ihm jemand half?
Als er den Blick abwandte, atmete ich erleichtert auf. Es schien, als hätte jemand ein Gewicht von mir entfernt, das ich selber nicht tragen konnte. Warum auch immer ich mich so gefühlt hatte, es machte mir Angst.
Nun trat ein weiterer Junge in die Klasse. Er war Fynn’s Bruder, und doch hatte er einen vollkommen anderen Charakter als dieser. Seine Haare waren so schwarz, wie die Federn eines Raben, dass die blauen Augen im Gegensatz dazu strahlten wie zwei Eisblöcke. Als er bemerkte, dass ich ihn beobachtete, zeichnete sich ein verschmitztes Lächeln auf seine Lippen. Ich verdrehte die Augen, konnte jedoch nicht verhindern, dass ich ebenfalls lächeln musste. Er kam zu mir und setzte sich auf seinen Tisch, der zu meinem Verdruss genau beim Erker stand.
„Na, Summer, wie war dein Wochenende?“
Ich sah nicht zu ihm sondern nach draußen. „Eigentlich ganz gut, Ace, abgesehen davon dass ich ein Klavierkonzert hatte. Du weißt schon, das Teil, bei dem jeder Ton eine Taste hat.“
Ich hörte aus seiner Stimme heraus, dass er nun noch breiter grinste. Er war es gewohnt, dass ich ihn öfter mal damit aufzog, dass er nicht besonders gut in Musik war.
„Ach weißt du, ich habe am Wochenende zwar kein Konzert gehabt, doch ich habe Gitarre spielt. Stell dir vor, da spielt man auf Schnüren, die man Saiten nennt!“
Ich sah jetzt doch auf und musste lachen. Dass er mich danach immer ebenfalls aufzog, war kein Problem für mich.
Ich sah über Ace‘ Schulter, dass Blue mich angrinste und einen Daumen hob. Sie glaubte schon seit Jahren, dass Ace und ich ein gutes Pärchen abgeben würden, doch ich riet ihr immer von dieser Idee ab. Er war mein Freund, aber welcher genau konnte ich nicht sagen. Ganz zu schweigen davon, dass ich nicht wusste, was ich überhaupt für ihn fühlte.
Es erklang ein lautes Geräusch, ganz so, als würde jemand mit einer Pistole schießen. Aus Erfahrung jedoch wusste ich, dass das keine Pistole war, sondern nur die Schuhe unserer Deutschlehrerin, Mrs Wilson. Wobei man darauf achten musste, dass sie nicht weniger gefährlich als eine Pistole war.
Sie trat in das Kassenzimmer und klatschte am Anfang erst einmal in die Hände, um uns zu beruhigen und uns dazu zu bringen, uns besser zu benehmen, obwohl das nicht wirklich eintrat. Sie schenkte mir einen kurzen Blick, der direkt sagte, was sie von mir verlangte und ich erhob mich, um wie die anderen an meinen Platz neben Blue zurückzukehren.
„Gut, dass wir das erledigt haben“, seufzte Mrs Wilson und packte ein Buch aus ihrer Tasche.
„So, wie ihr wisst schreiben wir heute eine Deutscharbeit . . .“ Lautes Stöhnen und Buhrufe machten sich bemerkbar, doch Mrs Wilson ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Gelassen packte sie die weißen Trennwände aus und gab sie vorne einem Schüler, der sie herumgeben musste. „Eigentlich wisst ihr schon alles, doch ich drücke es nochmal klar aus, falls ihr es vergessen haben solltet: Kein Abschreiben, kein Essen oder Trinken. Die, die aufs Klo müssen, gehen bitte jetzt, während der Arbeit wird es nicht mehr möglich sein. Niemand? Dann seid ruhig und ihr dürft beginnen.“
Mein Heft wurde mir gereicht und ich sah erschrocken auf das Thema. Shakespeare, eine Zusammenfassung seines Lebens. Ich sah auf und versuchte herauszufinden, ob die anderen ebenso erstaunt waren wie ich. Doch Fehlanzeige: die meisten hatten schon begonnen wie verrückt auf den Blättern zu schreiben.
Nur einer starrte auf sein Blatt, als sei er nicht mehr anwesend. Fynn war angespannt und blickte sich nun ebenfalls um. Seine Augen schienen durch mich hindurch zu gehen, als sein Blick mich kurz streifte und wieder sah ich den gleichen Ausdruck in seinen Augen, wie schon vorhin, als er in die Klasse gekommen war. Dann schien er zu erstarren und griff mit klammen Fingern unter seinen Tisch. Was er machte, konnte ich nicht erkennen, nur wie er die Hand wieder hoch holte und sie vollkommen leer war. Er sah sich noch einmal um, tauschte wie zufällig einen Blick mit Casy und ging dann mit schnellen Schritten zur Tür. Ich hörte noch den dumpfen Laut, als die Tür ins Schloss fiel, dann war Fynn weg.
Mrs Wilson sah nicht einmal auf. Natürlich, Fynn hatte sich in letzter Zeit verändert, aber wenn jemand die Klasse einfach während einer Arbeit verlässt, kann man das doch nicht so stehen lassen!
Ich biss die Zähne zusammen und nahm den Füller in die Hand. Das ging mich jetzt gar nichts an, die Arbeit war wichtiger.
Ich beugte mich noch immer über die Arbeit, als auf dem Gang plötzlich Lärm ausbrach. Schreie und ein Schluchzen, das mir durch Mark und Bein fuhr. Alle sahen auf. Auch Mrs Wilson, die selbst bei Fynn‘s Abgang nicht aufgesehen hatte. Fynn war nicht wiedergekehrt.
Schwerfällig stand unsere Lehrerin auf, um nachzusehen, was dort draußen los war, doch bevor sie an der Türklinke angekommen war, schlug die Tür auf und ein entsetzt aussehendes Mädchen blickte herein.
„Es ist etwas Schreckliches geschehen“, rief sie noch, bevor sie in Tränen ausbrach. Ich hörte ein paar nervös lachen. Sie dachten wohl, das sei ein böser Scherz, doch das war es ganz sicher nicht. Selbst der beste Schauspieler konnte so ein Entsetzen nicht vorspielen.
Mrs Wilson ging schnell zu dem Mädchen und versuchte es zu beruhigen, was ihr jedoch nicht gelang. Wir sahen erschrocken zu ihr, als sie das Klassenzimmer verließ und auf den Flur trat, auf dem Schüler herumrannten, die in der gleichen Verfassung waren, wie das Mädchen, manche gefasster, doch noch immer erschrocken.
„Was ist da nur los?“, murmelte jemand hinter mir und ich drehte mich um. Ace sah mich traurig lächelnd an. „Zumindest gibt es hier etwas Gutes: Wir müssen die Arbeit nicht schreiben.“
Ich konnte nicht lachen. Es schien, als wäre etwas in der Luft, dass uns erdrückte und uns krank werden ließ. So unheilvoll, dass ich nicht einmal positiv denken konnte.
Ich dachte nicht nach, als ich nach Ace‘ Hand griff, sagte: „Ich will wissen, was passiert ist!“, und ihn mit auf den Gang zog.
Die neue Schule ist laut und ungewohnt. Überall sind Leute, die ich nicht kenne, so viele Blicke, die auf mir lasten und etwas von mir verlangen zu scheinen, dass ich nicht erfüllen kann. Die neue Klasse ist genauso laut wie die ganze Schule. Ich fühle mich, als ob alle auf mich einschreien würden. Nur einer ist so still wie ich. Ich kenne seinen Namen nicht und doch fühle ich eine Verbundenheit zu ihm, die ich davor nicht kannte, nie gespürt habe. Er sitzt weit hinten, zusammen mit seinem Kumpel, der sich ach-so-toll findet. Je mehr ich mich von dem stillen Jungen angezogen fühle, desto mehr verabscheue ich seinen Freund. Er ist eingebildet und obwohl er eine Freundin hat, kokettiert er mit jedem Mädchen nur durch seine Blicke. Auch bei mir hat er es versucht, hat mich angestarrt, doch ich habe weggesehen. Ich will nur seine Aufmerksamkeit, die des ruhigen Jungen.
Ich versuche nach draußen zu gelangen, doch ich schaffe es nicht. Eine lange Schlange von Schülern verstopfte die Eingänge wie Pfropfen in einer Champagnerflasche.
Es wurde gemurmelt, hin und wieder ertönte in Schrei oder ein erstauntes Keuchen. Was war da nur los?
Ich ließ Ace neben mir stehen, wo er war und quetschte mich durch die Schülermenge. Mehrere fluchten, als ich ihnen auf die Füße trat, andere warfen mir Beleidigungen an den Kopf. Immer wieder murmelte ich ein „Entschuldigung“, doch das schien niemanden zu interessieren, stattdessen wurden sie noch unruhiger und stießen mich mit ihren Ellenbogen. Einzig die Fünftklässler traten zur Seite und machten mir Platz.
Lehrer standen am Rand der Menge, scheuchten uns zurück und versuchten alles unter Kontrolle zu bringen. Das war das typische Verhalten, das Lehrer so an sich hatten, doch anstatt etwas Gutes zu bewirken, beschwerten sich die Schüler, dass sie zurückgedrängt wurden und drückten gegen die vorderen Rucksäcke und Taschen.
Ich schob mich weiter und bückte mich, um von den Lehrern nicht gesehen zu werden, denn ich hatte meine Mathematiklehrerin entdeckt, die mit ihrem Adlerblick die Menge nach Unruhestiftern durchforstete. Und mich entdeckte sie jedes Mal. Zumindest im Unterricht.
Schnell sprang ich in eine frei gewordene Lücke und arbeitete mich weiter voran, bis ich vor der Tür stand. Nicht viele Personen waren dort draußen zu sehen, höchstens dreißig, darunter Lehrer und die Direktorin, die schockiert mit jemandem telefonierte. Ich konnte nicht sehen, was dort los war, denn vor mir pressten mehrere kleine Jungs und Mädchen ihre Gesichter gegen das Glas, um selber etwas sehen können.
„Entschuldigung, kann ich mal kurz durch?“ Ich drückte gegen die Tür und sie sprang zu meinem Erstaunen auf. Die Kinder fielen und stolperten nach draußen, als die Tür verschwand, an die sie sich gelehnt hatten.
Schnell trat ich an ihnen vorbei zu einer kleinen Gruppe von Menschen, die sich um etwas versammelt hatten. Ich hörte ein Schluchzen bevor ich angekommen war. Und wusste sofort, dass tatsächlich etwas Schlimmes passiert sein musste.
Niemand hielt mich auf, als ich wie in Trance näher trat und sah. Einfach nur schweigend alles sah, was es zu sehen gab.
Von denen Personen, die im Kreis standen, erkannte ich meine Klassenlehrerin Mrs Rizz, die in Tränen aufgelöst war und versuchte, ihr Gesicht in einem Taschentuch zu verstecken. Einen anderen glaubte ich als Mr Haster zu entlarven, den Vater von Ace und Fynn. Er sah nur starr geradeaus, seine Augen waren glasig, sein Mund verkniffen und angespannt, als würde er versuchen nicht zu weinen.
Der Regen war nun stärker geworden, fiel nun wie in Fäden zu Boden. Pfützen sammelten sich auf dem Boden und durchweichten die Erde. Die Haare aller Anwesenden waren klatschnass, das Wasser tropfte schon von den Haarspitzen. Ich folgte mit den Augen einem Tropfen, sah, wie er herunterfiel, doch anstatt auf dem Boden zu zerplatzen, landete er auf etwas Blassem, so etwas wie ein Fing . . .
Ich keuchte, trat ein paar Schritte zurück, klammerte mich an meinen Handgelenken fest. Brauchte etwas an dem ich mich festhalten konnte.
Schwarze nasse Strähnen. Als einer der Personen beiseite trat, konnte ich sein ganzes Gesicht sehen. Fynn’s Gesicht.
Seine Augen waren weit aufgerissen, sahen in den Himmel, während Wasser ihm wie Tränen die Wangen hinunterfloss. Der Mund leicht geöffnet für einen stummen Schrei. Sein letzter Schrei, als er vom Dach gestürzt war.
Um seinen Kopf breitete sich immer weiter eine rote Pfütze aus, blasser durch den Regen, doch noch immer erkennbar als Blut. Manche seiner Körperteile waren unnatürlich verrenkt. Er wirkte wie eine Marionette, der man die Fäden durchgeschnitten hatte.
Mir stockte der Atem. Eine Gänsehaut überlief mich und stellte die Härchen an meinen Armen auf.
Es war eine Sache davon zu hören oder zu lesen, eine ganz andere, wenn man es sah, mit eigenen Augen. Es überfiel einen wie eine große Gewitterwolke, die einen umhüllte, den Atem und die Sicht nahm, bis man nur noch atemringend auf diese eine Stelle starren konnte.
Plötzlich konnte ich spüren, wie feste Arme mich von hinten packten, mich umdrehten und in eine Umarmung zogen. Ich schloss meine Augen, versuchte, mit meinen zitternden Händen an etwas Halt zu finden. Versuchte tief zu atmen, doch auch mein Atem zitterte.
Ace war mir gefolgt.
Wie konnte ich nur so egoistisch sein? Ace war der Bruder von Fynn, er musste viel mehr leiden, als ich! Ich umarmte Ace fester und spürte seinen warmen Atem an meinem Ohr. Ruhig und gleichmäßig. Es ging ihm gut.
Ich ließ ihn los und sah zu ihm auf. Seine blauen Augen sahen zu mir, sanft und beruhigend.
„Sieh nicht zurück, Summer“, sagte er und riss mich aus meiner Starre zurück in die reale Welt. Ich nickte langsam, spürte, wie mein Herz laut in meinen Ohren pochte.
„Summer Kenedy, was machen Sie hier draußen?“
Mrs Rizz trat neben uns. Ihre Augen waren rot, ihre Wangen nass. Sie trocknete sich mit einem Taschentuch ab, während sie mich mahnend ansah. „Sie haben hier nichts zu suchen, das ist eine Angelegenheit der Schulleitung! Gehen Sie sofort wieder rein in die Cafeteria und warten Sie. Niemand darf die Schule ohne Erlaubnis verlassen, auch nicht Sie!“
Ich sah wohl erstaunt aus, denn sie winkte mit den Händen, als wäre ich ein Hund.
„Husch, gehen Sie schon!“
Ace nahm meine Hand und zog mich mit sich in Richtung Schulhaus. „Komm, ich denke nicht, dass wir die Lehrer noch mehr belasten sollten, als ohnehin schon.“ Ich hörte einen bitteren Unterton und wusste, egal wie cool er sich gab, dass der Tod seines Bruders ihn mitnahm.
Die Schüler wichen zurück, als wir durch den Flur gingen. Anscheinend sah man uns den Schock an, das Entsetzen. Ein paar Mädchen, die nach draußen schleichen wollten, um herauszufinden, warum es so einen Trubel gab, blieben stehen und sahen sich erschrocken an, fragend, ob sie das wirklich durchziehen wollten.
Nun trat ich niemandem mehr auf den Fuß, niemand beschwerte sich. Stille trat ein, wo wir vorbeiliefen. Es lag in der Luft, wie ein unheilvolles Gewitter an einem heißen Sommertag, das jeden Moment losgehen konnte. Das Schlimme schien zu lauern.
Aus der Menge huschte eine Person. Die schwarzen Locken wippten, als sich Blue zu uns gesellte und mit ihren blauen Augen unsere Gesichter aufmerksam absuchte.
„Ihr seht aus, als wäre euch ein Geist begegnet“, stellte sie fest.
„Fast“, sagte Ace bitter und schob mich vor sich her durch die Menge. „Wenn man einen Geist als Leiche bezeichnen kann.“
Blue erbleichte. „Eine Leiche? Hier?“
Ace schnaubte. „Wo denn sonst?“
Der Flur breitete sich aus in einen Korridor, an dem mehrere Türen angebracht waren, darunter auch eine große Tür bestehend aus zwei Glasscheiben. In dunklen Lettern stand ‚Cafeteria‘ auf den Scheiben.
„Warum kommen wir eigentlich hierher?“, fragte Blue und hakte sich bei mir unter. „Habt ihr Hunger, oder was?“
„Nein. Mrs Rizz hat uns rein geschickt, hierher. Wir durften nicht nach draußen.“
Die Cafeteria war gefüllt. Alle Plätze waren besetzt, nur die Sitzplätze auf den Steinen waren noch frei. Anscheinend hatten es die Lehrer doch geschafft, die Schüler hierher zu schicken. Zumindest die meisten.
„Also, wer ist es?“, fragte Blue mit gesenkter Stimme als wir saßen. „Doch niemand den wir kannten?“
Ich sah zu Boden. „Fynn.“
Sie runzelte die Stirn. „Fynn? Warum Fynn? Wie ist das überhaupt passiert?“ Sorgenvoll sah sie zu Ace, doch Ace saß vornübergebeugt auf dem Stein und raufte sich die Haare. Sein Verhalten war so jungenhaft, ganz im Gegenteil zu dem Beschützerverhalten, das er sonst an den Tag legte. Am liebsten hätte ich ihn umarmt, um zu zeigen, dass jemand für ihn da war. Er tat mir leid.
Ruckartig setzte er sich auf und sah geradeaus. Mehrere Schüler kamen gerade herein und setzten sich auf die freien Plätze. Ich erkannte in der Menge Casy Lauxter, die ängstlich, aber gefasst aussah. Was war das wohl für ein Gefühl, vor einer Woche in einen Ort gezogen zu sein und dass genau dort so etwas geschah?
Plötzlich wurden andere Stimmen laut. Die hohe Stimme von Mrs Rizz und eine andere weiblich.
„Ich muss doch schwer bitten! Die Schüler müssen drinnen bleiben, aus polizeilichen Gründen. Sie müssen noch befragt werden und sie könnten unter Schock stehen.“
„Von wegen befragt werden! Dazu haben Sie gar kein Recht! Und wenn Sie meine Tochter hier gefangen halten wollen, dann müssen Sie ganz wo anders drinnen bleiben aus polizeilichen Gründen!“
„Warten Sie . . .“, rief Mrs Rizz gerade, als die Cafeteriatür aufschwang und mit einem dumpfen Laut gegen die Wand schlug. Auf einmal wurden alle still und sahen zum Eingang.
In diesem Moment wäre ich am liebsten gestorben.
Dort stand meine Mutter, die kurzen braunen Haare verwirrt wie eine aggressive Frau, die sich gleich auf jemanden stürzen würde. Ihr Blick durchwanderte den Raum, bis er an mir hängen blieb.
Oh, bitte nicht!
Mit schnellen Schritten durchmaß sie den Raum und sagte dann: „Komm, Kleines, ich nehme dich mit nach Hause.“ Dann packte sie mich am Handgelenk, damit ich mich nicht so wehrte.
Blue prustete leise los. Ich schenkte ihr einen bösen Blick, doch das schien sie nur noch mehr zu erheitern. Aus den Augenwinkeln sah ich wie Ace mich neugierig ansah und dabei schmunzelte.
Schnell stand ich auf. Mit hochrotem Kopf schüttelte ich die Hand meiner Mutter ab und folgte ihr. Doch diese hatte sich anscheinend die Aufgabe in den Kopf gesetzt, mich so viel wie möglich zu blamieren.
„Ach, und Mrs Rizz“, sagte sie zu meiner Klassenlehrerin, die hilflos im Türrahmen stand. „Ich denke, Sie haben Ihre Schule nicht gut genug unter Kontrolle, wenn Schüler schon beginnen, Selbstmord zu begehen.“
Schlagartig fingen alle an zu reden. Ich wechselte einen sorgenvollen Blick mit Blue und sah wie Ace seinen Kopf wieder in seinen Armen vergrub. Auch mich hatte diese Nachricht schockiert, doch eher, weil meine Mutter das gesagt hatte. Hatte sie gar kein Herz?
Bevor die Cafeteriatür zuschlug, sah ich noch Mrs Rizz, die hoffnungslos versuchte, Ruhe zu schaffen. Dann war ich schon abgeschnitten von der Welt.
Schweigend folgte ich meiner Mutter zu dem kleinen Audi, der unter einem Ahornbaum stand. Als ich bei der Beifahrertür einstieg prasselten große Regentropfen auf meinen Kopf und meine Kleidung, doch es kümmerte mich nicht.
Ins Schweigen hinein hörte man nur das Quietschen des Scheibenwischers und das sanfte Brummen des Motors. Ich biss mir auf die Lippe, denn diese Stille war ich nicht gewohnt. Zum Teil. Der andere Teil bestand einfach darin, dass ich vollkommen wütend war.
„Wie geht es dir, Schatz?“, begann meine Mutter vorsichtig. „Du hast ihn doch nicht gesehen, oder?“
Ich verschränkte die Arme und sah zum Fenster raus. Bäume flogen an uns vorbei, als würden sie sich bewegen und nicht wir.
„Kleines?“ Sie legte eine Hand auf meinen Arm und sah nur einmal kurz zu mir, um nicht von der Straße abzukommen.
„Weißt du was du gerade gemacht hast, Ma? Du hast vor der ganzen Schule gesagt, dass ein Junge Selbstmord begangen hat. Selbstmord! Bist du dir sicher, dass es so war? Die Lehrer haben das vielleicht absichtlich nicht gesagt und du? Posaunst es einfach bei der besten Gelegenheit heraus! Wusstest du, dass ein Freund von mir der Bruder von diesem toten Jungen ist? Nein, daran kannst du ja nicht denken! Ganz davon abgesehen, dass du mich vor der ganzen Schule blamiert hast, dass mich die Lehrer für immer hassen werden und dass ich meine Tasche dort vergessen habe. Vielen Dank auch!“ ‚Beruhig dich, Summer‘, sagte ich mir. Atmen. Ein. Aus.
Die Hand meiner Mutter verkrampfte sich sichtbar auf dem Steuer. Ihre Stimme schien kälter zu werden. „Ich nehme die Bürde auf mich, den ganzen Weg zu dir zu fahren, nur um ein undankbares Mädchen abzuholen! Gleichfalls!“
Das Schweigen, das nun folgte, war viel schlimmer als das vorherige. Ich atmete erleichtert auf, als wir zu Hause ankamen und sprang aus dem Auto, noch bevor meine Mutter richtig stehen bleiben konnte. Ich rannte schnell durch den Garten, wich unserem Kater Napoleon aus, der ebenso schnell wie ich zur Haustür flitzte und kramte während dem Lauf meinen Schlüssel aus meiner Hosentasche. Mit einer hastigen Bewegung steckte ich den Schlüssel ins Schloss, verletzte mich dabei am Bart und drehte ihn herum. Ich streifte meine Schuhe ab und rannte, zwei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe hoch. Dann verkrümelte ich mich in meinem Bett.
Wie im Auto umfing mich auch jetzt die Stille, doch ich fühlte mich nicht beengt, sondern seltsam frei, das tun und lassen zu können, was ich wollte. Dass ich so plötzlich allein war, nur mit mir selbst, kam mir komisch vor. Es war noch nicht spät, etwa 17 Uhr, und trotzdem fühlte ich mich müde von diesem Tag.
Was machte wohl Blue jetzt? Oder Ace? Hatte meine Mutter ihn sehr verletzt? Das Bild von ihm, wie er sein Gesicht in seinen Armen versteckte, stieg vor meinem inneren Auge auf. Mein Herz zog sich zusammen, als ich mir vorstellte, wie verzweifelt er jetzt war, schließlich hatte er einen Bruder verloren.
Aber die wichtigste Frage war doch noch immer: Warum? Warum war Fynn gestorben? Natürlich, er war vom Dach gestürzt. Aber war es Selbstmord, wie es meine tolle Mutter gemeint hatte? Vielleicht war er auch nur dort oben spazieren . . . Ja, klar, er war spazieren. Mitten während einer Arbeit verspürte er die Lust dazu, zum Schuldach hoch zu steigen und dort spazieren zu gehen. Und dann rutschte er aus oder wollte er womöglich fliegen lernen?
Ich schüttelte automatisch den Kopf über meine eigene Dummheit. Aber was konnte es sein? Eins wusste ich: Er war kurz nachdem er das Klassenzimmer verlassen hatte vom Dach gestürzt. Aber was hatte ihn auf das Dach gelockt? Was hatte er dort erwartet? Entweder er war freiwillig gegangen oder nicht. Wenn er freiwillig gegangen ist, dann kann es nur Selbstmord sein oder er suchte jemanden oder etwas auf dem Dach. Aus welchem Grund auch immer er das nicht aufschieben konnte. Wenn er gezwungen wurde, dann hatte ihn jemand auf das Schuldach geschleppt. Dann hatte ihn jemand vielleicht vom Schuldach geschubst?
Ich rieb mir über die Stirn, als sie anfing zu pochen und sich rasend schnell ein Schmerz durch meinen Kopf zu fressen schien. Nicht nachdenken, das konnte ich auch noch morgen tun. Doch jetzt brauchte ich Schlaf, musste das verarbeiten, dass ich heute gesehen und gehört hatte. Und diese Sache war schwieriger, als sie anfangs schien.
Ohne mich umzuziehen legte ich mich mit dem Gesicht zur Wand und zog die Decke über meinen Kopf. Mit geschlossenen Augen erwartete ich den Schlaf, der mich schnell überfiel, aber mir ein Gesicht ins Gedächtnis brannte, dass ich nie wieder vergessen konnte.
Ich habe Gutes und Schlechtes erlebt in den letzten Tagen. Gutes, dass mich fast zum Weinen brachte vor Glück und Schlechtes, dass mich in das dunkelste Eck der Welt lockte. Er hat mit mir geredet, hat mich angesprochen, als ich mich schon verloren glaubte vor Einsamkeit. Er will mich treffen, sagt er, in dem Cafe um die Ecke. Ich freue mich so, dass ich am liebsten schreien würde, doch meine Mutter würde sich wundern, was ich hier oben tue. Nicht, dass es sie etwas interessieren würde, nein, dazu versteht sie mich in letzter Zeit viel zu schlecht . . . So viel Freude ich jetzt habe, so viel Angst macht mir sein Freund. Er heißt Cody, dieser Name ist unter Mädchen leider nicht zu überhören. Gestern kam er zu mir als niemand in meiner Nähe war und fragte mich, ob ich mit ihm ausgehen wolle. Natürlich habe ich ihm einen Korb gegeben. Das Einzige, was dieser Junge macht, ist Mädchen das Herz zu brechen.
Dieser Morgen war düster und viel kälter als gestern. Die herabfallenden Regentropfen kamen mir nun nicht mehr wie Bomben vor, sondern wie harmloser Nieselregen. Selbst der Matsch schien Abstand von mir halten zu wollen.
Meine Mutter hatte beim Frühstück, trotz gestrigem Streit, darauf bestanden mich zu fahren, doch ich war abgehauen, bevor sie es bemerken konnte. Sie dachte wohl, dass ich nun vollkommen traumatisiert war durch Fynn’s Tod, egal wie oft ich ihr erklärt hatte, dass es mir gut ging.
Diese Nacht war eindeutig nicht meine beste gewesen. Ich war mindestens drei Mal aufgewacht mit dem Bild eines toten Jungen vor meinen Augen und einem Herzen, das nicht aufhören wollte zu rasen. So gut, wie ich es meiner Mutter erklärt hatte, ging es mir nicht, aber auch nicht so schlimm, dass ich einen Bruder verloren hätte.
Armer Ace, dachte ich. Wie schlimm musste es für ihn sein, nach Hause zu kommen, ohne Bruder und seiner Mutter mitzuteilen, dass dieser gestorben war? Aber, dass hatte ich ja vollkommen vergessen! Ihre Mutter war schon tot, genauso wie ihre Großeltern. Die Großeltern waren, wie üblich, an Altersschwäche gestorben, doch die Mutter hatte einen Autounfall gehabt, bei dem sie tödlich verletzt worden war. Wie schrecklich musste dann diese Situation sein, wenn man niemanden mehr hatte?
Ich unterdrückte die Tränen, die mir die Sicht zu nehmen drohten. Ich kannte Ace noch nicht so lange, erst seit vier Jahren, als wir uns in der fünften Klasse nebeneinander setzten mussten. Blue hatte damals ganz schön geschmollt, weil sie unbedingt neben mir sitzen wollte, doch sie hatte es verkraftet. Ace und ich haben uns gut verstanden und sind schließlich Freunde geworden.
Ich seufzte als ich an die alte Zeit dachte. Damals war alles so einfach gewesen!
Noch ehe ich es bemerkt hatte, befand ich mich schon auf dem Schulhof. Dort, an der Stelle an der Fynn gestürzt war, hatten Polizisten ein neonrotes Band gespannt, das zeigen sollte, dass niemand den Tatort betreten durfte. Schüler hatten diesen Fleck umkreist und nahmen mir die Sicht auf den Boden. Nur kurz erhaschte ich einen Blick darauf und sah, dass die Erde sich dunkel verfärbt hatte, als hätte jemand Wasser auf den Boden geschüttet. Leider wusste ich es besser.
Ich trat näher heran an die Menge, konnte jedoch nicht weit genug nach vorne gelangen. Immer wieder wurde ich zurückgestoßen und auf Abstand gehalten. Schnell huschte ich in eine Lücke, die sich vor mir gebildet hatte, schon landete ein Ellenbogenstoß in meinen Rippen. Keuchend wich ich zurück. Und spürte etwas unter der Sohle meines Schuhs.
Ich hielt inne und bückte mich. Zwischen den Spalten des Steinbodens konnte ich etwas erkennen. Als die Wolken am Himmel sich etwas fortschoben, blitzte es auf. Vorsichtig griff ich hinein und holte ein Armband nach oben.
Als ich es näher ans Auge hob, erkannte ich, dass es ganz fein und dünn war. Die Kettenglieder waren kleiner als der Kopf einer Stecknadel. Das Armband war wertvoller, als es zuerst den Anschein gehabt hatte, denn es bestand aus Silber. Ein Plättchen hielt die beiden Enden des Armbands zusammen. Etwas stand auf ihm drauf, doch ich konnte es nicht erkennen, weil Dreck es bedeckte. Mit einem Finger rubbelte ich darüber und blies die Dreckkörnchen weg. Langsam wurde sichtbar, was dort stand. A. H. Was sollte das bedeuten? War das eine Abkürzung für irgendetwas? Oder doch Initialen?
Es schien, als wäre ein Licht in meinem Kopf angefacht worden. A.H. Konnte das nicht Ace sein? Schließlich hieß er Ace Haster. Vielleicht sollte ich ihn einfach mal fragen . . . Etwas schien sich in mir zu regen, sich dagegen zu wehren. Es war kein Zufall, dass dieses Armband hier lag. Vielleicht hatte es etwas mit dem Mörder zu tun, der Fynn vom Dach geschubst hatte. Wenn es denn überhaupt einen Mörder gab. Und da dieses Armband hier lag und es anscheinend noch niemand außer mir entdeckt hatte, könnte Ace wegen mir Probleme bekommen.
Vorsichtig ließ ich das Silber in meine Hosentasche gleiten. Ich würde Ace danach fragen, doch nicht jetzt. Vielleicht war das auch gar nicht ein wichtiges Beweismaterial, sondern nur das vermisste Geburtstagsgeschenk eines Schülers. So oder so, ich behielt es fürs erste.
„Summer.“
Ich stand wieder auf und sah mich verwundert um. Es war Ace, der mich mit einem matten Lächeln beobachtete. Unter seinen sonst so leuchtenden Augen waren tiefblaue Augenringe, die seine blasse Haut noch mehr hervorhoben als sonst. Er sah echt übel aus.
„Wie geht’s dir?“, fragte ich und musterte ihn. Man sah mir wohl die Sorge an, denn er legte einen Arm um mich und schob mich Richtung Schuleingang mit sich.
„Na ja, ich denke, so wie es jedem gehen würde, der in meiner Situation wäre.“ Er zuckte die Achseln und sah mich mit einem schiefen Lächeln an, dass jedoch schnell verblasste, als wäre er zu schwach, es aufrecht zu erhalten.
„Und wegen gestern . . . es tut mir furchtbar leid, was meine Mutter da gesagt hat. Sie hatte doch keine Ahnung, was los war und wollte auch Mrs Rizz einfach eins auswischen . . .“
„Kein Problem“, unterbrach er mich. „Ich bin ja nicht aus Zucker. Mach dir keine Sorgen.“
Ich atmete tief aus und sah wieder zu ihm auf. Jetzt wirkte er wieder ganz wie der Ace den ich kannte, denn der dunkle Flur ließ seine Augenringe verschwinden und milderte die bitteren Gesichtszüge, die sich unweigerlich bei unserem Gespräch in sein Gesicht gegraben hatten.
Ace sah zu mir und grinste endlich wieder. „Warum starrst du mich so an?“
Ich rollte die Augen und lachte. Unser typisches Katz-und-Maus-Spiel. Nach dem letzten Tag hätte ich nicht erwartet, dass es wieder etwas geben könnte, dass so vertraut war. Es tat gut, auch wenn es nur einen kleinen Blick in das Vergangene gab. Denn dass dieses Ereignis uns geprägt hatte, und dass wir uns alle verändert hatten, wenn auch nur ein kleines bisschen, war nicht zu leugnen.
„Morgen!“ Blue tauchte genauso überraschend wie immer auf und ich musste lachen. Auch sie sah nicht besonders ausgeschlafen aus, und ein Ausdruck zeichnete ihr Gesicht, wie das jedes anderen Schülers. Und trotzdem zauberte sie ihr typisches Grinsen ins Gesicht und umarmte mich zur Begrüßung. Dass sie nicht fragte, wie es uns ging, erleichterte mich, denn so musste ich ihr nichts vorlügen oder sie volljammern.
Die Flure erschienen heute leer, auch wenn Schüler in ihnen zu ihren Klassenzimmern gingen. Alle waren still und versuchten so gut wie keine Geräusche zu machen. Das einzige, das man hören konnte, war das leise Flüstern eines oder zwei kleiner Mädchen, doch auch sie schienen nicht besonders viel Lust darauf zu haben und verstummten bald. Wenn ich nicht sehen könnte, würde ich denken, dass diese Schule ausgestorben wäre.
Als wir das Klassenzimmer betraten, schlug auch hier die Stille auf mich ein. Jedes kleinste Geräusch erschien hier viel lauter zu sein, als sonst. Selbst die sonst leisen Fenster konnte man nun quietschen hören.
Blue und ich setzten uns auf unsere Plätze. Heute verspürte ich nicht die Lust, mich ans Fenster zu setzten und hinauszustarren, sondern einfach ruhig an meinem Platz zu sitzen und auf Mrs Rizz zu warten.
Sobald unsere Klassenlehrerin das Klassenzimmer betrat, hielt ich die Luft an. Auch sie sah nicht besonders ausgeschlafen aus, denn dunkle Ringe zeichneten sich unter ihren Augen. Ihr Blick schweifte durch die Klasse. Unwillkürlich erinnerte ich mich an denselben Blick, den Fynn gestern ebenfalls gehabt hatte. Nur dass sein Blick ängstlich und verletzt gewirkt hatte, als wäre er der einzigste Mensch auf der Welt. Mrs Rizz Blick war nur kalt und abwesend. Als sie mich ansah, flammte Hass und Enttäuschung auf und zum wiederholten Mal fühlte ich mich gedemütigt wegen meiner Mutter.
„So, meine Lieben, dass was gestern geschehen ist, war und ist ein schwerer Schock.“ Sie nahm ihre Brille in die Hand und ließ sie durch ihre Finger gleiten. Obwohl sie jetzt so blind sein sollte wie ein Maulwurf, war ihr Blick seltsam klar.
„Ich denke, den meisten ist es nicht besser ergangen als mir. Ich wünsche mir von euch allen in Zukunft . . .“ Sie schluckte und sah dann auf. „Dass ihr auf euch gegenseitig aufpasst. Wenn ihr bemerkt, dass etwas nicht stimmt, dann redet mit der Person, egal wie unausstehlich oder eklig ihr sie findet. Denkt daran, wie ihr euch in dieser Situation fühlen würdet.“
Langsam zog sie ihre Brille wieder an und seufzte. Das klang so matt und schwer, die Stille, die sonst nie da war, wog plötzlich schwerer als ein Betonklotz.
„So, dann lasst uns mit dem Unterricht beginnen. Aber zuerst, wollte ich euch noch mitteilen, dass die Polizei sich mit ein paar von euch noch unterhalten will. Ich lese vor.“ Bei diesen Worten zog sie ein Blatt Papier hervor, auf dem in krakeliger Schrift etwas geschrieben stand.
„Cody McMillan, Hannah Murray, Casy Lauxter und Ace Haster. “
Ein leises Murmeln machte sich bemerkbar. Blue und ich sahen uns flüchtig an und doch konnte auch ich erkennen, dass sie verwirrt war. Casy? Sie war doch erst seit einer Woche hier! Ich sah mich schnell um, entdeckte sie jedoch nirgendwo. Wo war Casy hin? Sie hatte seit dem Schulbeginn nicht gefehlt und jetzt doch? Vielleicht hatte sie der Tod von Fynn doch mehr mitgenommen, als es zuerst den Anschein gehabt hatte.
Cody stand selbstsicher auf und verließ das Klassenzimmer. Mit einer schneidenden Bewegung brach Mrs Rizz das Murmeln ab.
„Jetzt seid leise. Es geht euch nichts an, was die Schüler machen. Der einzige Grund, warum ihr hier seid, ist der, dass ihr lernen sollt.“
Mit diesen Worten begann der Unterricht.
Wobei man das nicht wirklich Unterricht nennen konnte. Die meisten machten nicht mit, unterhielten sich jedoch auch nicht. Genauso wie ich. Ich saß nur da und schweifte in meinen Gedanken wo anders hin. Was hatte dieses ganze Chaos hier zu bedeuten? Und warum wollte die Polizei ausgerechnet mit diesen Leuten sprechen? Na gut, Cody war Fynn’s bester Freund gewesen, wobei sie in letzter Zeit nicht mehr viel gemeinsam gemacht hatten. Auch bei Ace war mir alles klar, aber warum Casy und Hannah? Zwei Mädchen, mit denen Fynn offenbar nicht viel am Hut gehabt hatte. Natürlich gab es da diese Gerüchte, dass Hannah in Fynn verliebt gewesen war und viel mit ihm unternommen habe, aber dass sie ein Paar gewesen waren . . . Nein, davon hatte ich nichts gehört.
Und Casy. Von ihr hatte es weder Gerüchte, noch sonstige Geschichten gegeben, schließlich war sie noch nicht besonders lange an dieser Schule. Vielleicht gab es unter den Jungs etwas über sie zu erzählen, aber vor uns Mädchen hatte sie sich nie besonders offen gezeigt, auch wenn sie viel mit uns allen geredet hatte.
„Miss Kenedy, wie lautet die Mitternachtsformel?“
Ich sah verträumt auf. Mrs Rizz starrte mich wütend an. Alles nur wegen meiner Mutter. Wie du mir, so ich deiner Tochter oder was?
„Ähm.“ Verdammt, vorgestern hatte ich das doch extra wiederholt!
Meine Klassenlehrerin schnaubte. „Jaja, machen Sie ruhig weiter so! Dann schaffen Sie Mathe dieses Jahr bei mir niemals!“
Ich schluckte nicht, starrte einfach geradeaus in ihr Gesicht. Ich lasse mich nicht unterkriegen, wollte ich ihr ins Gesicht schreien. Nicht von Ihnen!
Endlich wandte sie sich ab und auch ich sah wieder weg. Danke, Mum.
Schule. Unterricht. Je mehr man über diese Wörter nachdenkt, desto mehr fällt einem auf, dass das total nutzlose Erfindungen sind. Wir brauchen die Schule eigentlich gar nicht, wenn da nicht diese blöden Berufe wären. Und keine Berufe, wenn es dafür kein Geld gäbe. Das würde bedeuten, dass wenn es kein Geld auf der Welt gäbe, dann würden wir nicht in die Schule müssen und alle Probleme wären gelöst.
Ich seufzte.
„An was denkst du?“, fragte Blue und sah mich erstaunt an.
„Ach, an alles Mögliche.“
„Auch daran, dass deine Mutter dich gerade abholt?“
Ich sah auf und entdeckte unseren schwarzen Audi, der am Schultor stand. Tief seufzend verabschiedete ich mich von Blue und ging auf das Auto zu.
Das Fenster war heruntergelassen und ich blickte in das besorgte Gesicht meiner Mutter. Ich dachte, dass jetzt eine Schimpftirade folgen würde oder dass sie erklären würde, wie enttäuscht sie von mir war, dass ich einfach aus dem Haus geschlichen war. Doch stattdessen winkte sie mich nur müde ins Auto.
Sobald ich die Tür hinter mir zugeschlagen hatte, fuhr sie schon los.
„Du, Mama . . .“, begann ich vorsichtig.
„Ja?“ Sie sah in den Rückspiegel. Ihre Augen wirkten hellwach, obwohl ihr ganzer Körper vor Müdigkeit zu strahlen schien. Ich machte mir darüber Gedanken, ob sie sich wohl Sorgen um mich machte.
„Danke.“
Sie verstand, was ich meinte und richtete ihren Blick wieder auf die Straße.
Die Fahrt verlief wieder schweigend, doch diesmal war es nicht unangenehm, sondern verständnisvoll ruhig. Als hätten wir eine Schweigeminute für Fynn geplant gehabt.
Auf dem Sofa erwartete mich Napoleon, der sofort aufsprang, sobald er den Schlüssel im Schloss hörte. Schnurrend strich er um meine Beine und verlangte lautstark nach Futter. Ich beugte mich zu ihm hinunter und streichelte durch sein dichtes rotes Fell. Dann folgte ich ihm in die Küche und goss ihm etwas Milch in eine kleine Schale. Undankbarer Kater, dachte ich liebevoll, als sich Napoleon sofort darauf stürzte und laut schmatzend trank. Wenn doch alles so einfach wäre . . .
Ich weiß nun seinen Namen. Als ich ihn bei einem Latte Macchiato danach fragte, sah er anfangs nur erstaunt aus, doch nach dem ersten Augenblick begann er zu lachen. Er habe noch nie solch ein komisches Mädchen getroffen, sagte er. Fynn, der Junge, für den ich so empfinde, wie ich es tue. Mir wurde warm ums Herz als ich hörte, was er über mich sagte. Dass er überhaupt etwas über mich herausgefunden hatte, mich also beobachtet hatte. Ich hatte mich nicht so oft mit Jungs getroffen. Natürlich gab es ein paar, doch die hatten sich größtenteils als totale Idioten herausgestellt. Fynn jedoch war ein ganz anderer Typ. Er liebt es Gitarre zu spielen und heimlich glaubt er an einen Talisman. Dass er gleich etwas von Cody erzählte, ließ ein unruhiges Gefühl in mir aufsteigen, dass mir offenbar ansehbar war, denn er fragte mich, ob ich ihn kenne. Ich verneinte und er schnitt ein anderes Thema an, und doch hatte sich seine Laune verschlechtert. Wie oft hatte ihm Cody wohl im Thema Mädchen einen Strich durch die Rechnung gezogen?
„Ist heute etwas Neues vorgefallen in der Schule?“
Meine Mutter unterbrach die Stille am Essenstisch. Wie hätte sonst keine Stille aufkommen können, schließlich hatte ich nichts zu sagen.
Ich schluckte die Käsemakkaroni runter und sah sie an.
„Eigentlich nicht. Es wurden ein paar Schüler aufgerufen, um von der Polizei befragt zu werden, aber sonst: nichts.“ Dass Mrs Rizz mich nicht mehr leiden konnte, jetzt noch mehr als früher, ließ ich aus, denn es kam mir nicht passend in diesem Moment vor.
„Warst du eine von ihnen?“
Lustlos stocherte ich in meinem Essen herum. „Ace, die Neue, ein paar aus meiner Klasse . . .“
„Ace? Ach, das tut mir ja so leid, dass ich das mit dem Selbstmord genau in seiner Nähe gesagt habe! Bitte richte es ihm aus. Ist er auch nicht sauer auf dich? Ich weiß doch, wie gut ihr euch versteht . . .“
Ich unterbrach sie. „Ma, beruhig dich, ich habe es ihm doch schon längst ausrichten lassen.“
Sie machte große Augen. „Wirklich?“
„Ja.“ Ich stand auf und stellte den Rest meines Mittagessens in den Kühlschrank, damit ich es später noch mal aufwärmen konnte. Dann rannte ich nach oben in mein Zimmer. Napoleon hatte sich auf meinem Kopfkissen ausgebreitet und als ich das Zimmer betrat reckte er sich, sodass man das weiße Fell an seinem Bauch gut erkennen konnte.
„Ach Leon“, seufzte ich und legte meinen Kopf auf sein weiches Fell. Er schnurrte laut auf und rollte sich ein bisschen zusammen. Seine Schnurrhaare strichen über meine Stirn und ich lachte.
Plötzlich überfiel mich Ruhe und ich dachte nach. Dass Fynn Selbstmord begangen hatte, glaubte ich nicht. Also musste dort oben etwas geschehen sein. Etwas, das mit jemandem zu tun haben musste.
Natürlich hatte Fynn gestern vor Beginn des Unterrichts nicht glücklich gewirkt, aber auch nicht so, als hätte er vor, sich heute (bzw. gestern) vom Dach zu stürzen. Er sah nur traurig aus, als würde ihn etwas bedrücken, das er nicht so schnell wieder gerade biegen könnte . . .
Ein lautes Geräusch ließ mich zusammenzucken. Napoleon sah verschlafen auf und rollte sich mit einem Laut der Verachtung wieder zusammen.
Ich stand auf und holte das Telefon, bei dem der Klingelton nun immer lauter wurde. Ich erinnerte mich daran, das nach dem Anruf abzustellen, weil es tierisch nervte, als Blue’s Name auf dem Display aufleuchtete.
„Blue?“
„Summer, bist du das?“ Sie klang atemlos, als wäre sie gerannt.
„Ja.“
„Gut. Bist du nicht auch neugierig, was geschehen ist? Ich meine, das mit Fynn . . .“
„Ich hab verstanden. Was ist? Hast du etwas herausgefunden?“
„Na ja, ich bin jetzt nicht so interessiert an seinem Tod, ich meine, das ganze Blut und vielleicht eine dunkle Vergangenheit, die jedem Albträume bereitet, der nur versucht, dieses große Geheimnis zu lüften . . . Du weißt, was ich meine. Ich dachte, dass es vielleicht helfen würde, wenn . . .“
„Blue!“ Ich drückte den Hörer fester gegen mein Ohr, als würde das helfen Blue’s Redeschwall zu stoppen.
„Ja, ich war doch grade dabei! Ich glaube Hannah könnte etwas über seinen Tod wissen. Hannah Murray.“
„Hannah?“
„Du hast schon richtig gehört. Hannah! Und rate, wer ihre Nummer hat.“
Ich seufzte und Blue schien zu verstehen.
„Okay, okay, hast du einen Stift und ein Blatt Papier?“
Meine Freundin wollte mindestens hundert Mal sicher gehen, dass ich auch ja die richtige Nummer hatte, bis sie auflegte. Zwar hatte sie gemeint, dass sie den Grund von Fynn’s Tod nicht wissen wollte, doch ich dachte, dass sie mehr interessiert war am Ausgang der Geschichte, als selber nach der Lösung zu suchen. So war sie, wie sie leibt und lebt.
Hannah. Warum Hannah? Natürlich, wie ich schon erwähnt hatte, gab es da diese Gerüchte, aber warum sollte ausgerechnet sie etwas über den Tod wissen? Ich wunderte mich aber nicht darüber, woher Blue diese Information hatte. Sie konnte etwas schneller über jemanden etwas erfahren, als man über sich selbst.
Mein Herz klopfte als ich die Nummer eintippte und den Hörer an mein Ohr drückte. Das Wartesignal ertönte, dann hob jemand ab. „Murray?“ Die Stimme eines kleinen Jungen.
„Hallo, hier ist Summer. Kann ich bitte Hannah sprechen?“
„Klar.“ Das musste wohl Hannahs kleiner Bruder gewesen sein, denn er begann laut zu schreien, was nach meiner Meinung nach nur kleine Geschwister machen konnten. „Hannah, Telefon für dich!“
Ich lachte leise. Ein leichtes Knirschen drang an mein Ohr, als das Telefon weitergereicht wurde.
„Hannah?“ Das sonst so selbstbewusste Mädchen klang vorsichtig und leise.
„Hallo Hannah, ich bin’s Summer.“
„Oh, hi Summer. Was gibt’s?“ Sobald sie erfahren hatte, dass es nur ich war, war ihre Stimme fester geworden.
„Ach, mir hat nur jemand erzählt, dass du irgendetwas . . .“ Ich hatte Angst Blue zu verraten, wenn ich sagte, dass sie mir Hannah vorgeschlagen hatte, doch meine Sorgen waren wie fortgewischt, als meine Klassenkameradin mich unterbrach.
Sie seufzte tief. „Denkst du, du bist die Einzige, die mich über Fynn’s Tod befragen will?“
Ich schwieg. Was hätte ich auch sagen können?
„Mich haben schon allein heute zehn Leute angerufen, manche, von denen ich noch nie gehört habe. Alles, nur weil diese blöden Gerüchte aufgekommen sind. Von wegen, ich wäre in Fynn verknallt und er würde meine Liebe nicht erwidern! Wie kommen alle darauf? Und darauf, dass ich etwas über seinen Tod wüsste? Man, ihr alle habt ja nichts zu tun, als die falschen Leute zu bequatschen!“
Ich schwieg noch immer, diesmal mit großen Augen. Vielleicht war es doch keine gute Idee gewesen, sie anzurufen.
Sie seufzte noch einmal, als würde sie versuchen sich zu beruhigen.
„Tut mir leid, du kannst nicht wissen wie das mich aufgeregt hat. Dich trifft keine Schuld. Ich denke nicht, dass du es nur auf den Klatsch und Tratsch abgesehen hast, oder?“ Sie schien keine Antwort zu erwarten, denn sie sprach weiter. „Ich kann dir vielleicht weiterhelfen. Alle denken, ich wäre der Schlüssel zu diesem Tod, aber ich bin es nicht. Mich interessiert nicht, was passiert ist. Aber das es bei dir so ist, helfe ich. Frag doch Casy Lauxter. Wir haben uns einmal unterhalten, dass bei ihr schon viel passiert ist für nur eine Woche Schule. Dabei ging es auch um Fynn. Ich habe ihre Telefonnummer, aber ich gebe sie dir nicht. Wahrscheinlich würdest du sie sowieso nicht erreichen und es ist besser, wenn du sie persönlich sprichst. Warte, ich gebe dir ihre Adresse.“
Erstaunt schrieb ich sie mir auf und verabschiedete mich von Hannah. Da hatte jemand sie aber richtig genervt, wenn sie so reagierte! Dass sie mir trotzdem weitergeholfen hatte, machte mich glücklich. Auch wenn ich jetzt zu Casy Lauxter fahren musste.
Casy kam mir vor wie ein Geist. Sie war erst seit einer Woche hier und hatte trotzdem mehr mit dem Tod eines Mitschülers zu tun, als jeder andere in unserer Klasse. Sie kannte Fynn. Und sie verstand sich mich jedem aus unserer Klasse. Ich wusste, dass sie ein Geheimnis hatte, oder es zu mindestens in dem Zusammenhang mit Fynn bestand. Und sie war, wie Hannah gesagt hatte, der Schlüssel zu dem ganzen.
Ich ging zu meinem Schrank holte eine kleine Tasche heraus und hing sie mir um die Schulter. Dann stürmte ich durch die Tür, fiel die Treppe mehr runter, als dass ich rannte und kam an der Haustür an. Die Hand schon auf der Klinke, hörte ich die Stimme meiner Mutter. „Summer? Bist du das? Wohin gehst du?“
Keine Zeit! „Ich bin nur kurz weg. Äh, Geschichtsordner von Blue abholen!“
„Okay, vergiss aber dein Handy nicht!“
Ich rollte die Augen und ging nach draußen, denn wäre ich gerannt, wäre das meiner Mutter aufgefallen. Natürlich.
Mein silbernes Fahrrad stand an der Wand gelehnt da, als würde es mich fragen: „Kommst du nun endlich?“ Zum Glück war es hier draußen, dann konnte ich mir die ganze Zeit sparen, im Schuppen alles auf den Kopf zu stellen, nur um es herauszuheben und mir dabei die Pedalen ins Bein zu stoßen. Wenn es mal gutes Wetter gab, meine Mutter mich nicht fuhr und ich auch nicht zu faul war, fuhr ich liebend gern mit dem Fahrrad in die Schule.
Ich packte den Lenker und schob es auf die Straße. Dann schwang ich mich auf den Sattel und trat kräftig in die Pedale.
Es war kein weiter Weg von mir zu Casy’s Haus. Ich musste nur knapp zehn Minuten fahren, als schon das Schild über mir aufragte, das zeigte, dass ich mich hier in ihrer Straße befand. Eine Minute und ich hatte ihr Haus gefunden.
Ein weißes Haus, das schon etwas älter wirkte, in einem verwahrlosten Garten. Ich lehnte mein Fahrrad an den Holzzaun und trat durch das kleine laut quietschende Tor auf einen schmalen Weg. Meine Ballerinas klangen auf den Steinfliesen seltsam laut und die Grashalme strichen an meinen nackten Beinen entlang. Als ich auf den schützenden Treppenstufen stand, die nach oben zu einer milchig-weißen Haustür führten, betrachtete ich aufmerksam meine Unterschenkel und suchte sie nach Zecken ab. Ein Tier, das an meinem Bein hing und mein Blut in Seelenruhe saugte, jagte mir eine Gänsehaut über die Arme.
Ich richtete mich wieder auf und sah mich um. Wo war der Klingelknopf? Ich tastete an der Wand entlang, entdeckte jedoch nichts. Nur ein Loch war neben mir in die Wand geschlagen, als hätte jemand Starkes fest mit einem schweren Gegenstand dagegen geworfen. Der Putz rieselte zu Boden auf einen schon sich gebildeten kleinen Haufen auf dem Boden, als ich knapp daran vorbei strich.
Als ich noch immer keinen Klingelknopf finden konnte, klopfte ich kurz entschlossen gegen die milchig-weiße Scheibe.
Ich wartete.
Und wartete.
Jetzt wütend hämmerte ich wieder gegen die Tür. Diesmal, nach einer weiteren gefühlten Ewigkeit, erschien ein dunkler Schemen dort, wo ich dachte, dass das der Flur sei. Er kam näher, nahm etwas Greifbares an, als die Tür aufschlug und ich einer Frau gegenüberstand.
„Lassen Sie mich in Ruhe, Sie haben kein Recht . . .“, platzte sie heraus. Dann bemerkte sie, dass nur ich da stand und ihre Augen wurden groß.
„Tut mir leid“, murmelte sie und strich sich flüchtig durch das fettige Haar, um es wieder etwas herzurichten. „Dass ich dich zu angeschrien habe. Wer bist du?“
Sie schien meine Antwort nicht wirklich zu erwarten, denn sie sprach einfach weiter.“Natürlich, warum frage ich überhaupt! Du willst natürlich zu Casy, nicht wahr?“
Ich nickte und sie wies nach oben. „Sie ist dort. Erste Tür rechts. Klopf am besten, sie ist in letzter Zeit ziemlich ruppig. Zumindest zu mir.“
Ich murmelte ein „Danke“ als ich an ihr vorbei lief. Beißender Geruch von Zigaretten stieg mir in die Nase und unwillkürlich hielt ich die Luft an. So hatte ich mir Casy’s Leben nicht vorgestellt.
Schnell rannte ich Treppe hoch, immer zwei Stufen auf einmal nehmend. Als ich an ihrer Tür stand klopfte ich, leichter, als gerade eben an der Haustür.
„Was willst du, Ma?“, ertönte eine leise Stimme, die jedoch sehr fest klang. Man bemerkte den zurückgehaltenen Vorwurf in ihrer Stimme.
Ich drückte die Türklinke runter, doch sie ließ sich nicht öffnen. Casy hatte sich offenbar eingesperrt.
„Casy? Ich bin’s, Summer. Kann ich rein?“
Ich hörte kurzes Schweigen. Dann eine Bewegung, ein Klacken direkt vor mir und die Tür wurde geöffnet. Ich sah für einen Moment ein blasses Gesicht im Spalt, dann verschwand es und die Tür wurde ganz geöffnet.
Casy’s Zimmer war nicht besonders groß, aber auch nicht klein. Ein Schrank, behangen mit einem großen Spiegel, ein Bett mit blauer Wäsche, ein Schreibtisch, auf dem sich Hefte und Mappen sammelten und ein kleiner Bücherschrank, der so voll war, dass er jeden Moment platzen konnte.
Casy stand aufrecht vor mir und sah mich abwartend an. Ihre Augen waren gerötet, ihr Haar zerzaust, aber nicht so fettig, wie das ihrer Mutter. Obwohl ihr Aussehen viel darüber aussagte, wie es ihr ging, hatte sie ihr Kinn vorgeschoben und funkelte mich fast böse an. „Was willst du?“
Ich wunderte mich, dass Casy so anders war, als ich sonst den Eindruck von ihr gehabt hatte. Auch ihr Haus, einfach alles war eine Lüge gewesen. Na gut, keine Lüge, aber ihr Verhalten in der Schule wirkte jetzt wie . . . eine Illusion, eine Fata Morgana. „Ich komme nicht, um dich zu ärgern, Casy. Ich wollte nur fragen, ob du irgendetwas über Fynn’s Tod weißt. Ich versuche nämlich herauszufinden, worum es hier überhaupt geht, da das anscheinend niemand anderes vorhat.“ Ich fragte mich selbst, woher ich gerade meinen Mut nahm.
Sie sah mich lauernd an, kniff ihre Augen ein bisschen zusammen. „Und da kommst du zu mir.“
„Ja.“
„Warum?“
Ich schluckte. „Offensichtlich gibt es etwas, was niemand weiß. Über dich.“ Die Worte kamen einfach so, ich wusste nicht einmal woher. Ich wusste nur, dass sie wahr waren.
„Und das willst du jetzt herausfinden?“ Sie klang verächtlich.
Ich nickte vorsichtig. „Da gibt es etwas, eine Verbindung zu Fy . . . seinem Tod. Weißt du etwas?“
Casy sah zu Boden. Sie schien etwas zu unterdrücken. Wut?
„Bitte“, flüsterte ich. „Ich will doch nur helfen.“
Als sie sich ruckartig aufrichtete und mich feindselig anblitzte, wusste auch ich, dass ich etwas Falsches gesagt hatte. „Ich will doch nur helfen! Das sagen alle! Diese Ärzte, die Mama helfen wollten, Papa, diese blöden Polizisten. Alles wird gut. Natürlich! Und die Sonne dreht sich um die Erde!“ Sie schnaubte und ich packte meine Tasche fester. Mein Besuch war gleich wieder beendet. Wie bei Hannah, bloß dass der Besuch gut ausgegangen war. Dieser hier würde das mit Sicherheit nicht.
„Geh! Und sag jedem, der mir auch nur irgendwie in die Quere kommen will, dass die sich verpissen sollen!“ Sie schubste mich fast schon aus ihrem Zimmer und knallte ihre Tür laut zu.
Für einen Moment blieb ich wie erstarrt im Flur stehen. Dann fing ich mich und ging schnell die Treppe runter, nach draußen und rannte hüpfend durch das Gras auf mein Fahrrad zu. ‚Bin ich total blöd?‘, fragte ich mich, als der Wind mein Haar nach hinten flattern ließ und mir ins Ohr blies. ‚Wenn jemand zu mir kommen würde und mich ausquetschen würde nach einem Geheimnis, würde ich es der Person auch nicht verraten!‘
Ich nahm die Fahrt nach Hause kaum wahr. Einmal wurde ich fast von einem Auto angefahren, wobei der Fahrer mich wütend auf Italienisch anschrie und schnell weg raste. Ein anderes Mal musste ich so stark bremsen, dass ich vom Sattel fiel und mir den Ellenbogen aufriss. Aber auch den Schmerz bemerkte ich kaum.
Zuhause stellte ich das Fahrrad wieder an die Wand und schlich mich leise ins Haus. Selbst die eine Stufe, die immer knarrte, wenn man auf sie trat, war dieses Mal leise. Ich ging in mein Zimmer und machte mich bettfertig, putzte mir die Zähne und kroch, wie gestern unter die Decke.
Es war noch nicht besonders spät und ich hatte noch kein Abendessen gegessen, aber ich verspürte keinen Hunger. Ich nahm ein Buch und versuchte zu lesen, doch es schien als wären meine Augen geschlossen, als sie über die Zeilen rasten. Ich sah nichts, hörte nur das in meinem Kopf, was die anderen heute alles gesagt hatten, hörte meine eigene, die immer wieder irgendwelche Theorien durchkaute. Casy verheimlichte etwas, ganz sicher. Sie hatte so weggesehen, bevor ich das Falsche gesagt hatte. Denn dass ich den Fehler bei dem Gespräch begangen hatte, war für mich vollkommen klar. Aber was hatte sie damit zu tun?
Ich seufzte und blätterte zurück, da ich nichts, aber auch gar nichts richtig gelesen hatte. Dann klappte ich es zu und legte es neben mich auf mein kleines Nachttischchen. Schaltete das Licht aus und drehte mich zur Wand.
Ich hatte Glück mit meiner Mutter. Ja, sie nervte manchmal. Öfters. Aber sie war immer noch meine Mutter, verstand mich und liebte mich. Aber Casy’s Mutter? Sie hatte eindeutig ein paar Probleme und laut Casy hatten ja schon Ärzte versucht ihr zu helfen. Beim Rauchen? Wegen Alkohol? Es interessierte mich und teilweise auch nicht, aber ich würde nicht den Fehler begehen und Casy nach ihr fragen.
„Summer?“ Es klopfte an der Tür und sie öffnete sich. Meine Mutter machte große Augen. „Schlafen? Jetzt schon? Was ist denn mit dir los? Komm, iss zumindest noch zu Abend, bevor du schlafen gehst!“ Sie schien nicht weg gehen zu wollen, bis ich mit ihr kam. Ich seufzte, stand auf und folgte ihr nach unten.
Was ist nur los? Als Fynn und ich wie gewohnt das Klassenzimmer gemeinsam verließen, kam Cody und gesellte sich zu uns. Ich bemerkte den Blick, denn Fynn Cody zuwarf, doch dieser tat, als hätte er es nicht gesehen. Er quetschte sich zwischen uns und legte seinen linken Arm um meine Taille. Ich versuchte ihn fortzuschieben, wich zurück. Doch er packte nur noch fester zu. Fynn entging nichts. Er sagte Cody, er solle aufhören, und als dieser nicht auf ihn achtete, schlug er ihn gegen die Brust. Cody hatte sich schnell wieder gefasst und mich losgelassen. Wie zwei Engel standen sie sich gegenüber. Der eine dunkelhaarig, mit schokobraunen Augen, in denen ich schon öfter versunken war. Der andere mit blau funkelnden Augen und blonden Haaren, die ihn wie ein Heiligenschein umgaben. Sie waren gleich groß, gleich stark. Nichts konnten sie tun. Fynn fluchte und nahm mich am Arm. Schweigend begleitete er mich wie immer nach Hause. Der einzige Gedanke, der durch meinen Kopf lief, war: Was passierte da nur?
„Und dass Formeln wichtig sind für euer weiteres Leben, ist sogar bewiesen. Also müsst ihr lernen, lernen, lernen! Nimmt mich als Beispiel: Was wäre ich heute, wenn ich diese ganzen Formeln nicht auswendig gelernt hätte, hm? Aber . . .“
Mrs Rizz Gequatsche war das Einzige Geräusch im Klassenzimmer, wie eine Hintergrundmusik. Nicht richtig bemerkbar, aber doch wichtig, denn ohne sie wäre es seltsam still.
„Was sagt sie da eigentlich?“, fragte Blue mich und als ich im ersten Moment nicht reagierte, stieß sie mich mit ihrem Ellenbogen an. „Was ist los? Du bist so still? Ist irgendetwas passiert? Hat Hannah dir etwas erzählt?“
Mrs Rizz funkelte uns böse an, machte aber weiter, ohne auf uns noch einmal zu achten. Ich hielt für ein paar Sekunden inne, dann flüsterte ich still zurück. „Sie nicht, aber ich war bei Casy, weil Hannah mich dorthin geschickt hat.“
„Und?“ Blue’s Stimme war ungeduldig.
„Sie hat mir nichts gesagt, aber ich nehm‘s ihr nicht übel. Und was fragst du eigentlich? Ich habe gedacht, dass dich das Ganze nicht interessiert?“
Blue lehnte sich zurück in ihren Stuhl. Sie war etwas verärgert, aber ich kannte den Ausdruck, der sich jetzt auf ihr Gesicht gelegt hatte. Das bedeutete, dass sie nachdachte.
Der Matheunterricht zog sich, was wohl daran lag, dass Mrs Rizz die Lehrerin war. Nachdem die Doppelstunde vorbei war, standen alle ganz abrupt auf und verließen das Klassenzimmer, um die Pause zu genießen. Mir huschte Casy noch immer durch den Kopf, doch hauptsächlich war es Fynn’s Tod, der mich interessierte. Was konnte ich tun, um etwas darüber zu erfahren? Wenn mir niemand helfen konnte oder wollte, musste ich es wohl selbst in die Hand nehmen. Da gab es nur einen Ort an den ich gehen konnte: Das Dach.
Ich hing meine Tasche über meine Schulter und begann das Klassenzimmer zu verlassen. Plötzlich packte mich jemand an Handgelenk und drehte mich herum. Ace sah mich an. Nicht wütend, nicht traurig oder sonst irgendetwas in dieser Richtung. Sein Blick war . . . ausdruckslos.
„Summer, willst du nicht mal hallo sagen? Was machst du jetzt in der Pause?“
Ich hielt inne. Konnte ich ihm sagen, dass ich aufs Dach ging, um nach Beweisen zu suchen für den Tod von Fynn? Nein! Aber dass ich ihn anlügen musste, gefiel mir auch nicht.
„Ich wollte allein sein, wenn es geht“, sagte ich also und versuchte mich an einem leichten Lächeln. Etwas hatte sich verändert an ihm. Jetzt sah er schon beinahe misstrauisch aus.
Ich drehte mich um und verließ das Klassenzimmer. Was hätte ich sonst tun sollen?
Schnell ging ich die Treppe hoch. Meine Schritte etwas gedämpft, weil ich nicht so stark auftrat. Die Stöcke huschten an mir vorbei. Erster Stock. Zweiter Stock. Dritter Stock. Die Treppe verengte sich, jetzt hatten nicht mehr viele Schüler Platz auf einer Stufe, höchstens zwei, bis sie noch enger wurde und nur noch ich auf der Treppe laufen konnte. Hier oben war ich noch nie gewesen. Eigentlich war dieser Ort auch Tabu für Schüler. Und da der Hausmeister Höhenangst hatte, kam er auch so gut wie nie hier hoch. Zumindest hatte ich ihn noch nie gesehen. Was nichts heißen musste.
Ich kam oben an. Es gab keine Tür oder sonstiges. Suchend sah ich mich um, entdeckte jedoch nichts. Ich tastete die Wand ab. Vielleicht war die Tür ja versteckt, sodass sie niemand entdecken konnte. Oder die Schule hatte sie entfernen lassen, damit niemand sich wieder vom Dach stürzen konnte.
Ich sah mich um, ging näher auf die Wand zu. Plötzlich durchfuhr mich ein Schmerz. Ich hatte mich gestoßen.
Fluchend fasste ich mir an den Kopf und legte ihn in den Nacken. Dann sah ich nach oben. Ein Griff, schon alt, der Lack blätterte schon ab, ragte aus der Decke und war an einer viereckigen Holzplatte angebracht. Ganz offensichtlich eine Klappe aufs Dach.
Ich streckte mich nach dem Griff und ergriff ihn. Trat ein paar Schritte zurück. Zog . . .
„Summer! Was machst du denn hier?“
Ich keuchte und ließ ruckartig los. Dabei ratschte eine hervorstehende Schraube über meine Handfläche und schickte noch einmal Schmerz durch mich hindurch. Dann drehte ich mich um.
Cody stand hinter mir, den Kopf zur Seite gelegt, ein spöttisches Lächeln lag auf seinen Lippen. Er hob die Augenbrauen, fragend.
Ich drückte gegen die pochende Stelle an meiner Hand und sah ihm direkt in die Augen. Blaue Augen, die mich irgendwie an Ace erinnerten, aber trotzdem viel zu kalt waren, als dass sie meinem Freund gehören konnten.
„Warum fragst du mich? Erstens: Es geht dich gar nichts an! Zweitens: Verfolgst du mich?“
Er zuckte die Schultern. „Wenn du hier bist, darf ich das auch.“
Ich sah ihn wütend an. „Okay. Und warum bist du hier?“
Er lächelte. „Wenn du es nicht sagst, tu ich das auch nicht.“
Ich schnaubte.
„Komm, wir gehen beide runter. Das ist nur fair.“ Er sah mich auffordernd an und zeigte mit einer schwungvollen Geste die Treppe runter. „Ladies first!“
Ich ging an ihm vorbei, rannte fast die Treppe runter. Wusste, dass er sich direkt hinter mir hielt. Warum war er hoch gekommen? Hatte er mich tatsächlich verfolgt? Aber warum?
Ich schnappte nach Luft, als ich eine Stufe übersah, stolperte und fast fiel. Doch Cody packte mich hinten am Handgelenk und half mir so, wieder mein Gleichgewicht zu finden. Wütend blitzte ich ihn an, riss mich von ihm los und lief mit großen Schritten durch den Flur auf unser Klassenzimmer durch. Dass die Pause schon vorbei war, daran zweifelte ich nicht, obwohl ich den Pausengong nicht gehört hatte.
Ich betrat das Klassenzimmer und setzte mich einfach auf meinen Platz, ignorierte manche Blicke. Man konnte mir höchstwahrscheinlich ansehen, in welcher Stimmung ich mich gerade befand und dabei sollte es auch bleiben, wenn sich andere deswegen von mir weghielten. Aber natürlich nicht Blue und Ace, denn die kamen, sobald sie mich entdeckt hatten, sofort zu mir und setzten sich.
„Wo warst du?“, platzte Blue heraus. „Ich habe dich überall gesucht, auf dem Pausenhof, in der Aula. Irgendwann dachte ich, du hättest jetzt auch vor, zu springen.“ Sie schüttelte vor Unbehagen den Kopf.
„Ich würde doch nicht springen!“ Sanfter fügte ich hinzu: „Vorher würde ich dir all meine Probleme ausplaudern.“
„Wo warst du dann?“, fragte Ace. Noch immer wirkte er misstrauisch. Was war los? Warum vertraute er mir nicht?
„Ich war . . . auf dem Klo.“ Er schien mein Zögern zu bemerken, doch Blue sah mich sofort sorgenvoll und mitfühlend an. „Das liegt bestimmt an diesem ekligen Schulessen!“
Ich lächelte matt, aber sah nicht zu Ace. Er wollte mich anscheinend mit seinen Blicken durchbohren.
Als Mrs Wilson das Klassenzimmer betrat, stand Blue schnell auf und rannte mit einem „Muss was bereden“ nach vorne. Ich sah weg, kritzelte mit meinem Bleistift Muster auf den Tisch. Auch Ace stand jetzt auf, um zu seinem Platz zurückzukehren, hielt aber kurz an meinem Ohr und flüsterte etwas.
„Pass auf!“
Was meinte er damit? War das eine Drohung? Ich schluckte, sah aus dem Augenwinkel heraus, wie er an seinen Platz ging, sich setzte und mir noch einmal einen durchdringenden Blick schenkte. Was war hier los?
Der Unterricht war schneller vorbei, als ich gedacht hatte. Mrs Wilson war einfach sanfter und netter als Mrs Rizz, was wohl daran lag, dass sie keine Mathelehrerin war. Wir schwiegen und trotzdem sagte sie nichts dazu, sondern zog einfach ihren Unterricht durch.
Beim Klingeln, das das Unterrichtsende anzeigte, stand ich sofort auf, ging aber ans Fenster. Ich wartete, bis alle Schüler das Klassenzimmer verlassen hatten, eingeschlossen Ace und Cody, die mich mit einem ähnlichen Ausdruck ansahen, keiner von ihnen gut gemeint. Ich sah aus dem Fenster, sah das Meer von Köpfen unter mir, wie Wellen. In diesem Moment wünschte ich mir, dass niemals etwas passiert wäre, dass es einfach diesen stinklangweiligen Alltag gab wie immer.
Ich drehte mich um, und bemerkte zufrieden dass ich allein war. Schnell verließ ich das Zimmer, schaute mich aber trotzdem aufmerksam um, ob jemand hinter mir war und mich verfolgte. Niemand. Zum Glück!
Wie immer nahm ich zwei Stufen auf einmal und kam schnell oben an. Ich legte den Kopf in den Nacken, streckte mich und fasste nach dem Griff der Klappe. Mit einem heftigen Ruck zog ich daran, doch . . . sie bewegte sich nicht!
Verzweifelt sah ich mich um, konnte aber nichts als Dunkelheit erkennen. Zögernd griff ich in meine Tasche und zog mein Handy heraus. Ich drückte auf die Sperr-taste und hielt das Display in Richtung Düsternis. Erleichtert atmete ich auf, als ein Licht auftauchte, schwach, aber immer noch besser, als völlig orientierungslos in Dreck und Spinnenweben zu laufen. Wenn ich Glück hatte könnte ich sogar den Schlüssel zum Dach finden. Wie sollte Fynn sonst hinauf gelangen sein?
Ich schaute näher und trat in die Ecke. Der Steinboden, der hier oben die Plattform zum Dach bildete, war mit einer dicken Schmutzschicht bedeckt. Tote Fliegen hingen in Spinnenweben, die Spinnen jedoch nirgendwo zu entdecken. Ich schauderte, als ich einen kleinen Schatten an mir vorbeihuschen sah und schüttelte den Kopf, um den Gedanken an haarige dürre Spinnenbeine zu vergessen. Eine alte und brüchige Mauer bildete die Wand, die mit unzähligen Löchern bestückt war, dass man nicht wissen konnte, wie viele Mauersteine schon herausgefallen waren.
Halt! Waren alte Mauern mit wackelnden Steinen nicht immer das beste Versteck für irgendwelche Geheimnisse? Vielleicht . . .
Schnell griff ich nach vorne und zog an dem erstbesten Stein, der mir auffällig vorkam. Bevor ich es gemerkt hatte, fiel er mir schon aus der Hand und landete mit einem dumpfen Laut im Dreck. Tausende rote Splitter ergossen sich über den Boden und verteilten sich wie Bluttropfen. Ich schluckte als ich in die dadurch entstandenen Öffnung langte und nach ein bisschen herumwühlen einen kleinen metallischen Schüssel herauszog. Ich lachte leise vor mich hin, konnte mein Glück kaum fassen. Ein Schlüssel hinter einem losen Mauerstein? Fynn liebte wohl Rätsel . . .
Ich streckte mich wieder, steckte den Schlüssel in ein kleines Loch nahe am Griff, drehte ihn bis ein leises Knacken entstand und zog noch einmal fest am Griff. Diesmal fiel die Klappe mit einem lauten Quietschen auf. Oh ja, dass hier schon lange kein Hausmeister oder sonstiges gewesen war konnte man hören.
Ich entdeckte eine Holztreppe, die an dem Holz der Klappe befestigt war und stieg sie langsam hoch.
Ich landete auf Kies. Es gab keine Sonne, aber auch keinen Regen, nur große graue Wolken bevölkerten den Himmel, die alles trist wirken ließ. Ein kaputtes Geländer, das an manchen Stellen gar nicht vorhanden war, umschloss die Dachfläche. Ich sah mich um, auf den Boden. Der Kies war an mehreren Stellen beiseite geschoben, als hätte hier jemand gestanden. Ich bückte mich, entdeckte mehrere solche Spuren. Ja, Fynn war hier gewesen. Aber . . . halt! Ich sah näher auf den Kies. Ein kleiner dunkler Fleck bedeckte eine Stelle. Rot. Blut? Aber was sollte das bedeuten? Dass Fynn schon tot war, bevor er gesprungen ist? Dass jemand ihn getötet hat? Dass er versucht hat, sich die Pulsadern aufzuschneiden und weil das nicht geklappt hatte, war er gesprungen? Bei genauerer Betrachtung, wusste ich was das bedeutete. Fynn war nicht alleine hier oben gewesen. Man konnte ganz genau erkennen, dass hier mehrere gestanden hatten und . . . dass der Kies immer wieder total verschoben war. Das konnte nicht einfach durch stehen geschehen sein. Anscheinend hatten sie gekämpft.
Ich schluckte. Das stellte das ganze Bild von Fynn in ein völlig anderes Licht. Er war nicht gesprungen. Es hatte einen Kampf mit jemandem gegeben und dieser jemand hatte ihn herunter geschubst!
Meine erste Party seit langem. Clare hat Geburtstag und doch scheint es niemanden zu kümmern. Ungeladene Gäste, Alkohol und sich küssende Pärchen so weit das Auge reicht. Alles ist in einem Chaos ausgeartet, aber auch Clare interessiert das nicht. Sie sitzt auf der Treppenstufe zum ersten Stock und küsst einen viel älteren Jungen. Ich laufe herum, suche nach einer Klassenkameradin, mit der ich hierher gekommen war, doch ich sehe sie nicht. Als ich neben dem Abstellraum stehe, schnellt eine Hand hervor und zieht mich in das Dunkle. Ich sehe nichts, spüre nur wie die Person mich an sich zieht und küsst. Ich wehre mich, doch die Hand hält mich fester. Keuchend schlage ich nach meinem Angreifer, erwische die Hand, höre ein Fluchen, dann abrupt werde ich losgelassen. Schnell flüchte ich hinaus, schlage die Tür zu und rutsche an ihr herunter. Tränen kriechen mir über meine Wangen. Im trüben Licht, dass durch die geöffnete Tür geschienen hatte, hatte ich meinen Angreifer gesehen. Er. Cody . . .
Auf dem Weg nach Hause spukte mir das eben Erfahrene durch den Kopf wie ein ruheloser Geist. Es war kein Selbstmord, es war eiskalt geplanter Mord! Jemand hatte vorgehabt Fynn umzubringen. Von dort oben. Und einfach so konnte das nicht geschehen sein. Dieser Jemand musste ihn hochgelockt haben. Aber wie? Oder womit?
Ich fröstelte bei dem Gedanken, dass es jemanden an unserer Schule geben musste, der Morde plante und sie dann ausführte. Auch noch so brutal und gemeingefährlich, zum Beispiel in dem man ein ganzes Blutbad anrichtete mit einem vom Dach gefallenen und zerschmetterten Körper. Das war doch nicht normal!
Ich trat in die Pedale meines Fahrrads, die Kapuze tief ins Gesicht gezogen. Es hatte wieder begonnen zu regnen und unnatürlich große Wassermengen fielen auf mich. Meine nicht wasserfeste Umhängetasche war schon völlig durchnässt.
Ich fuhr schnell an unser Tor vor dem Garten, schob den Riegel zurück und stellte das tropfende Fahrrad unter das Dach. Ich schlug meine Kapuze zurück und trat mit großen Schritten unter das Vordach, dass über unserer Haustür angebracht, damit Gäste beim Warten nicht nass wurden bei solchem Wetter wie jetzt. Nach dem zweiten Klingeln öffnete sich schon die Tür.
„Komm rein, Schatz. Du musst schnell was Trockenes anziehen!“, sagte meine Mutter und sobald ich im Flur stand, hatte sie schon die Tür hinter mir zugeschlagen. „Mein Gott, was für ein Wetter!“, meinte sie und ging ins gemütliche Wohnzimmer.
Ich zog meine Schuhe aus und lief nach oben in mein Zimmer. Ich zog meinen nassen Sweater aus und streifte mir einen kuscheligen Pulli und Wollsocken über. Es kam mir nicht vor als wäre es mitten im Juli, sondern Anfang Winter. Dann rannte ich die Treppe wieder runter.
„Wahrscheinlich bist du hungrig. Essen steht im Kühlschrank!“, kam es aus dem Wohnzimmer. Lächelnd ging ich zum Kühlschrank und sah hinein. Ein großer Topf Spaghetti Bolognese nahm den Platz eines ganzen Regals ein. Ich blieb stehen, spürte die kühle Luft aus dem Kühlschrank kommen und schloss schnell wieder die Tür. Auf Spaghetti hatte ich jetzt gar keine Lust, die gehörten zu gutem Wetter. Und nicht zu so einer Laune, wie ich sie hatte.
Ich steckte zwei Toastbrote in den Toaster und holte Marmelade aus dem Kühlschrank. Ich goss Orangensaft in ein Glas, schmierte die Marmelade auf das Brot und verschwand damit auf mein Zimmer.
Das Bett quietschte leise, als ich mich darauf setzte und vorsichtig den Teller auf meinem Schoß balancierte. Sobald ich in den Toast biss, hörte man nochmal ein leises Quietschen, dass aber von der Tür kam, die ich nicht ganz geschlossen hatte. Es erklang ein Miauen und kurz darauf sprang ein dicker Kater auf mein Bett. Ich lachte, strich Napoleon über das Fell und bot ihm ein Stück Marmeladentoast an, das er mit lautem Schmatzen verschlang.
Wie auch gestern ließ mich ein durchdringendes Klingeln zusammenzucken. Wer konnte das diesmal sein? Ich stand auf und sah auf das Display des Telefons. Ace.
Ace? Warum rief er mich an? Das tat er sonst nie, immer wenn er was mit mir ausmachen wollte, fragte er mich persönlich in der Schule, oder wenn wir uns irgendwo zufällig trafen. Nicht nur das, er hatte sich ja auch vollkommen komisch in der Schule verhalten. ‚Pass auf!‘ Ich wusste noch immer nicht was er damit meinte.
Mich beschlich ein ungutes Gefühl. Sollte ich abheben? Ich runzelte die Stirn, nahm den Hörer und betrat mein Zimmer. Das Klingeln schien nicht stoppen zu wollen, als wüsste Ace, dass ich da war, aber nicht abheben wollte. Vielleicht wusste er das tatsächlich, vielleicht kannte er mich schon besser, als ich mich selbst.
Endlich verstummte das Telefon und ich lehnte mich zurück. War das eine gute Wahl gewesen? Hätte ich nicht doch lieber mit ihm reden sollen? Nein. Irgendwie hatte ich alles richtig gemacht. Aber nur irgendwie.
Plötzlich erklang wieder ein nerv tötendes Klingeln, dass aber nicht vom Telefon, sondern von unten kam. Napoleon fauchte, machte einen Buckel und huschte lautlos aus meinem Zimmer. Ich folgte ihm.
Gerade machte meine Mutter die Tür auf. Und dort, inmitten von Regen und Wind, stand eine Gestalt, eingehüllt in eine Regenjacke. Feuchte Haarsträhnen hingen unter der Kapuze hervor. Als die Person die Kapuze zurückschlug, war ich erstaunt. Casy?
Sie sah zu mir hoch. Die grünen Augen strahlten, obwohl alles trist und grau aussah. Meine Mutter sah zu mir auf, lächelte kurz und ging dann zurück ins Wohnzimmer.
Ich ging die paar Treppen runter. Casy sah mich auf eine komische Weise an, fast entschuldigend. Ich schaute genauso zurück.
„Es tut mir leid, dass ich dir nicht geholfen habe, Summer“, sagte sie leise. „Aber ich hatte meine Gründe.“
„Komm doch einfach rein, hier ist es wärmer.“
Sie schüttelte den Kopf. „Nein, es geht schon. Ich wollte sowieso nur kurz dableiben. Weißt du, in letzter Zeit befand ich mich in keiner guten Lage. Du hast meine Mutter gesehen, du hast gesehen, wie wir wohnen. Als dann auch noch Fynn starb, war dass alles nicht sehr einfach für mich. Es hat mich geärgert, dass andere besser dran sind als ich. Es hat mich geärgert, dass andere nicht hinter die Fassaden schauen können.“ Sie schwieg einen Moment, dann fuhr sie fort. „Dann kamst du und wolltest etwas über seinen Tod erfahren. Ich fragte mich, warum ich es dir sagen sollte. Warum konnte ich nicht auch mal etwas für mich behalten, ein eigenes kleines Geheimnis? Also sagte ich nichts.“
Ich schwieg, wusste, dass wenn ich jetzt etwas sagte, das keine guten Auswirkungen haben würde.
„Denn dass es einen Grund gibt, warum Fynn gestorben, kann ich nicht verschweigen. Ich hoffe bloß, dass du mir nicht böse bist, dass ich alles für mich behalten habe und auch in Zukunft nichts sagen werde.“ Sie steckte ihre Hand in eine kleine graue Tasche, die an ihrer Hüfte hing und holte ein kleines Buch heraus. Ich nahm es, betrachtete es. Es war grau, doch wellenförmige Schlangen in verschiedenen Blautönen umrahmten den Einband. Mit einem silbernen Stift war in geschwungenen Lettern „Casy Lauxter“ in die Mitte der Wellen geschrieben worden. Ich sah wieder auf.
„Les es!“, sagte sie leise, schon abgewandt, als wollte sie gehen. „Aber denke bitte nicht schlecht von mir, weil ich es für mich behalten habe. Wenn du es fertig gelesen hast, weißt du alles. Viel Glück!“
Bevor ich etwas sagen konnte, drehte sie sich um und ging mit schnellen Schritten davon. Schweigend sah ich ihr hinterher und bald war sie von Regentropfen verdeckt.
Ich schloss die Tür und rannte nach oben in mein Zimmer, wobei ich absichtlich das „Was wollte sie?“ aus dem Wohnzimmer ignorierte. Ich setzte mich auf mein Bett und besah mir noch einmal das kleine Buch. Das musste wohl Casy’s Tagebuch sein. Aber warum gab sie es mir? Und wie sollte ich dadurch erfahren, was mit Fynn passiert war?
Ein Kribbeln machte sich in meinem Magen breit. Neugierig schlug ich es auf. Und tauchte ein in Casy’s Leben. Casy hier, Casy da. Es schien, als wäre sie anwesend und würde mir über die Schulter gucken. Ich las, wie sie zur Schule gekommen war, wie unwohl sie sich gefühlt hatte. Davon hatte ich aber nichts mitbekommen. Für mich war Casy vom ersten Tag an eine starke Persönlichkeit, die sich von niemandem unterkriegen ließ. Hier merkte man auch, dass es doch wichtig war, jemanden zu kennen, bevor man sich ein Urteil über die Person bilden konnte.
Ich las, wie unterschiedlich Cody und Fynn waren. Ja, das stimmte tatsächlich. Fynn war schon immer eher der ruhige, nette Typ gewesen, der keine Vorurteile vor jemandem hatte, egal, wie viele Gerüchte es über die Person gab. Cody dagegen war ein Macho. Er dachte wohl, dass er gut aussah und dass jedes Mädchen ihn für seinen Charakter liebte. Dabei standen nur die oberflächlichen Tussen auf diesen Idioten.
Als ich das las, wie Cody versucht hatte sich Casy zu nähern, verstand ich, dass da etwas furchtbar schief gelaufen sein musste. Anstatt Cody begann sich Fynn immer besser mit Casy zu verstehen. Die beiden so unterschiedlichen Freunde lebten sich langsam auseinander und dass nur wegen einem Mädchen. Ich empfand Mitleid für Cody, dass Fynn ein neues Mädchen wichtiger war, als ihre ganze Freundschaft und auch das Casy ihm einen Korb gegeben hatte und lieber seinen Freund vorzog. Andererseits war es seine Schuld: Er hatte Fynn anscheinend nichts gegönnt. Also hat er Casy zwanghaft festgehalten oder sie sogar geküsst. Arme Casy! Ich empfand jetzt nur noch Abscheu. Doch trotzdem verstand ich nicht, was dass mit Fynn’s Tod zu tun hatte.
Ich fröstelte, also ging ich runter, goss Milch in eine Tasse und stellte sie in die Mikrowelle. Sobald sie heiß genug war, nahm ich Kakaopulver und Zucker und mischte es in die Milch. Dann nahm ich die Tasse und setzte mich ins Wohnzimmer auf das Sofa.
Meine Mutter hatte die Augen geschlossen. Kopfhörer steckten ihr in den Ohren und die Musik, die sie hörte, konnte ich bis hierher hören. Offenbar wollte sie sich wegen irgendetwas abregen oder sich einfach nur entspannen, denn ich konnte aus den langsamen gedehnten Tönen ihre Yoga-Musik heraushören. Sie schlug die Augen nicht auf als ich das Wohnzimmer betrat, erst als ich mich laut räusperte, blinzelte sie verträumt.
„Und? Wer war dieses Mädchen? Und was wollte sie?“, fragte sie.
„Ach, nur eine Klassenkameradin, die mir . . . etwas für ein Referat, das ich mit ihr zusammen machen muss, bringen wollte. Es geht um ägyptische Götter und wir müssen nächste Woche schon fertig sein. Dabei macht das Referat aber ein Viertel der Gesamtnote aus.“ Ich schwieg, versuchte, meinen Redeschwall zu stoppen. Das passierte jedes Mal, wenn ich aufgeregt oder nervös war und meine Mutter wusste das. Oh Gott, jetzt konnte sie mich ausfragen und letztendlich würde sie darauf kommen, dass ich Fynn’s Tod ‚untersuchte‘ wie ein Kommissar. Und dann würde ich Ärger bekommen . . .
Meine Mutter sah mich für einen Moment schweigend an und hob nur leicht eine Augenbraue. Ich nippte an meinem Kakao und umklammerte die Tasse mit beiden Händen, so wie ich es immer machte, wenn mir kalt war oder ich mich unwohl fühlte.
Sie seufzte und stand auf. „Ach, Summer! Du denkst wahrscheinlich, dass Erwachsene nichts bemerken und wenn sie etwas erfahren immer sofort wütend und aufgebracht sind oder sich sogar über sein Kind lustig machen. Nein, vielleicht denkst du, ich bin so schon auf die Welt gekommen? Eins kann ich dir aber sagen: Alle waren mal in dem Alter wie du und auch ich war nicht immer verantwortungsbewusst. Ich hatte auch Probleme mit meinen Eltern.“ Sie lachte, nahm die Kopfhörer aus ihren Ohren und legte ihren MP3-Player auf den Wohnzimmertisch. „Und bitte halte mich nicht für peinlich, du willst das später auch nicht für deine Tochter sein.“ Sie strich meinem verblüfften Ich über den Kopf und verließ lächelnd das Wohnzimmer. Ich hörte, wie sie die Treppe hoch ging und oben ihre Zimmertür zuschlug. Ich schüttelte meinen Kopf. Wäre das gerade ein Traum gewesen, hätte das was geholfen.
In langen Zügen trank ich meinen Kakao leer und ging in die Küche, um die dreckige Tasse in die Spülmaschine zu stellen. Dann setzte ich mich wieder aufs Sofa, stützte meinen Kopf auf meine Hand und saß gebeugt da. Was sollte ich jetzt tun? Das Wissen um Casy half mir nicht besonders viel weiter, außer dass ich jetzt wusste, dass Fynn sich nicht mit Cody verstanden hatte und etwas mit Casy gehabt hatte. Halt! Fynn und Cody. Fynn und . . . Cody! Er hatte ein Motiv. Fynn und er waren befreundet, ein Mädchen war gekommen, sie hatte Fynn bevorzugt, Fynn hatte sich mit ihm gestritten und sie waren keine Freunde mehr. Eifersucht. Wut. Beides waren Motive dafür, dass er seinen früheren besten Freund umgebracht haben könnte. Die Frage war nur: Hätte er das wirklich tun können? Er, Cody, von dem eigentlich nichts so Schlimmes bekannt war, außer dass er einen schlechten Ruf hatte? Ich wusste das nicht, denn ich kannte Cody McMillan nicht gut genug, um so über ihn urteilen zu können. Doch ich wusste, dass ich erfahren musste, wie diese ganze Angelegenheit geschehen war, um meine Neugier zu stillen. Nur so könnte ich wieder in Ruhe zur Schule gehen und ohne Albträume einschlafen. Und das hieß eins: Ich musste zurück in die Schule. Vielleicht hatte ich auf dem Dach etwas übersehen, vielleicht aber auch nicht. So oder so, dort könnte ich immer noch mehr herausfinden, als hier.
Ich stand auf und rannte nach oben. Dort zog ich mir schnell eine Jeans und mein graues Lieblingsshirt an, hängte mir meine Tasche um die Schulter, steckte Casy’s Tagebuch rein und rannte wieder nach unten. Ich griff in den Schuhschrank, zog meine Schuhe heraus und streifte sie und eine Jacke über. Dann rief ich: „Bin kurz weg!“, damit meine Mutter sich nicht unnötig Sorgen machte und ging nach draußen. Erleichtert schnappte ich mir mein Fahrrad, das mittlerweile ziemlich verrostet sein musste, weil es die ganze Zeit im Regen stand und setzte mich darauf. Ich fuhr durch den Garten nach draußen auf die Straße und radelte los in Richtung Schule.
Der Wind schlug mir entgegen und ließ meine eigenen Gedanken verschwinden, wie in einem Strudel aus Luft. Ich atmete tief ein und schloss die Augen. Regentropfen landeten auf meinen Wangen und ich öffnete schnell die Augen, um mich wieder auf den Weg konzentrieren zu können. Mein wunderbarer Schulweg wirkte düster und nass. Ich trat noch heftiger in die Pedale, um nicht noch nasser zu werden, als ich schon war. Schon bald tauchte vor mir die Schule auf. Ganz oben aus den Baumkronen ragte das Dach. Ein Frösteln über zog mich, als ich auf das Tor zufuhr, das Fahrrad an das nasse Metall lehnte und die Schule betrat. Zum Glück war das Tor ja so gut wie immer offen.
Ich ging hastig auf das Schulgebäude zu und quetschte mich durch die Eingangstür. Als sie hinter mir mit einem Knall ins Schloss fiel, zuckte ich zusammen, versuchte mich aber sogleich zur Vernunft zu bringen. Hier war niemand und so illegal war ich auch nicht hier, schließlich hatten sie es sich selbst zuzuschreiben, wenn sie das ganze Gebäude nicht abschlossen.
Ich nahm zwei Stufen auf einmal, als ich die Treppe nach oben stürmte. Es war so schnell oben, dass ich selber verwirrt war. Ich griff nach dem Schlüssel, den ich in meine Tasche gesteckt hatte und streckte mich nach dem Schlüsselloch, um die Klappe zu öffnen. Dann drückte ich sie nach unten und kletterte die Holztreppen hoch. Der Kies knirschte unter meinen Füßen, als ich an den Rand trat und für einen Moment einfach hinab sah. Mein Magen zog sich zusammen, als die Tiefe sich unter mir ausbreitete . . .
Ich wollte mich gerade umdrehen, als ich einen Schlag an meinem Hinterkopf fühlte und alles schwarz wurde . . .
Ich habe alles Fynn erzählt. Während der Erzählung waren wieder Tränen geflossen. Der Schock saß tief, noch nie war ich ohne meine Erlaubnis berührt worden. Das alles schien Fynn wütend zu machen. Mit verkniffenen Lippen hörte er mir zu und als ich anfing zu weinen wurde er ganz sanft und nahm mich in den Arm. Es tat so gut. Ich fühlte mich sicher und gut aufgehoben, als könnte nichts und niemand mir mehr schaden. Ich hörte, dass es eine Prügelei zwischen den beiden gegeben hatte. Schockierend war das für mich, denn sie waren schon lange Freunde gewesen, seit sie ganz klein gewesen waren. Doch ich war auch froh, dass ich nicht dabei gewesen war. Ich kann nicht umhin mir Sorgen um Fynn zu machen. Er wirkt viel trauriger als früher und betrübt. Ich muss ihn aufheitern . . .
Ich sah noch immer nur Dunkelheit. Lebte ich, oder war ich tot? Es schien, als würde ich in ein dunkles Zimmer schauen, in dem ich mich alleine befand. Nur dort, im Schatten, rührte sich da etwas? Ich zitterte vor Angst, konnte mich aber nicht bewegen, als hätte jemand mich mit einem Fluch belegt. Ich versuchte die Augen zu öffnen, doch es gelang mir nicht. Ein stechender Schmerz zuckte durch meinen Körper und meine Augenlider fühlten sich an, als wären sie aus Stein.
Ich bewegte leicht meine Hand, meine Füße, und spürte, wie Taubheit von meinen Gliedern abfiel und mich wacher machte. Unwillkürlich wich ein Stöhnen von meinen Lippen, denn pochender Schmerz machte sich in regelmäßigen Abständen in meinem Kopf bemerkbar. Denn dass das mein Kopf war, der so weh tat, wusste ich jetzt.
Jetzt konnte ich auch wieder alles bewegen, selbst meine Lider fühlten sich wieder leichter an. Ich öffnete die Augen – und erstarrte.
Ich lag quer. Mein Blick war zur Seite gerichtet, doch dadurch, dass ich nicht waagrecht lag, sah ich nach unten. Wie auch vorhin zog sich mein Magen bei dieser schwindelerregenden Höhe zusammen. Nur mit Mühe unterdrückte ich einen Schrei. Jetzt wusste ich auch, dass ich noch immer auf dem Dach unserer Schule war. Und mich in Lebensgefahr befand.
„Ja, Summer Kenedy. In diese Lage hast du dich selber gebracht. Das ist allein dir zuzuschreiben.“
Die Stimme kam direkt von der anderen Seite von mir. Eindeutig männlich und so etwas wie . . . Bitterkeit lag in ihr. Wer es jedoch war konnte ich nicht erkennen und ich traute mich auch nicht, mich umzudrehen.
Ich hörte knirschende Schritte, als die Person langsam umher ging. „Kennst du mich, Summer? Weißt du, wer ich bin? Sicher hast du mich schon erkannt.“ Und erstaunlicherweise ahnte ich jetzt tatsächlich wer das sein konnte. Wie ein Wasserfall kroch es mir vom Nacken den Rücken runter bis zu den Zehenspitzen. Erkenntnis . . .
„Cody!“ Kam es mir über die Lippen. Ich griff nach den Ziegeln auf denen ich lag, um mich festzuhalten, doch ich rutschte ein Stück runter. Ich schmeckte Blut, als ich mir auf die Lippe biss, um nicht zu schreien. Warum ich nicht schreien wollte? Das wusste ich selbst nicht. Vielleicht weil ich dachte, dass das Cody nur noch mehr aufregen würde.
Ich hörte ein Lachen. „Ich wusste schon immer, dass du mir im Weg sein würdest, seit dem Moment, in dem ich dich mit Ace bei Fynn’s Leichnam sah. Du bist klug, Summer, und das soll jetzt kein Kompliment sein. Du bist nie auf mich hereingefallen, und genau dabei lag und liegt der Fehler. Der Fehler, der dich in diese Situation gebracht hat.“
Das war nicht wahr! Das konnte doch nicht alles passieren!
„Wahrscheinlich fragst du dich, was ich mit der ganzen Todesgeschichte zu tun habe, hm? Es hat dich nicht gewundert, dass ich dir gefolgt bin, als du aufs Dach gehen wolltest? Dass du nach dem Unterricht nach oben gehen und deine Dedektivspielchen spielen konntest, ohne dass dir jemand, oder hauptsächlich ich, gefolgt ist? Du willst wissen, was mit Fynn geschehen ist? Und wie? Nun, ich glaube, jetzt kann ich dir das ja erzählen, da dich deine eigene Dummheit selber in den Tod gelockt hat.“
Cody, ein Bösewicht? Hatte er also tatsächlich sein eigenen besten Freund umgebracht? Und was meinte er damit, dass ich mich selbst in den Tod gelockt hatte?
Ich hörte wieder Schritte und sah etwas aus dem Augenwinkel. Eine wehende Jacke. Dann hörte ich ein Lachen. „Es hat alles begonnen mit meiner Mutter, Alicia Haster. Sie war eine nette Frau, eine gute Mutter. Zumindest hörte ich davon.“
„Aber halt,“, kam es von mir. „Haster? Ist das nicht . . .“
„Ja, Fynn’s Name. Und auch der seiner Mutter. Dadurch sind wir Brüder. Aber wie du vielleicht selber schon gemerkt haben solltest, ist mein Name ein anderer und es ist auch nicht bekannt, dass ich mit Ace oder Fynn verwandt wäre. Nein, meine ach so tolle Mutter hat mich kurz nach meiner Geburt weggegeben. Warum sie das tat, weiß ich nicht, noch dazu, dass ich der erste Sohn gewesen wäre. Vielleicht war ich ihr einfach nicht gut genug.“ Bitterkeit schwang in seiner Stimme mit, als er das sagte.
„Auf jeden Fall erfuhr ich erst kurz nach ihrem Tod, dass ich adoptiert worden war und mit Fynn verwandt bin. Natürlich ist das irgendwie ein tolles Gefühl, mit dem besten Freund verwandt zu sein, dann fühlt man sich einfach besser, es ist immer jemand für einen da, wie auch davor, bloß diesmal auch familiär.“
Er schwieg, offenbar in Gedanken versunken. Langsam griff ich nach einem Stück Zaun, dass in der Nähe meiner Hand hing, doch sobald meine Fingerspitze ihn berührte, fiel er ab und stürzte den ganzen Weg nach unten. Ich schluckte, doch Cody hatte davon anscheinend nichts bemerkt, denn er fuhr unbekümmert fort.
„Eines Tages wollte ich dann Fynn sagen, dass wir verwandt waren, denn so wie er sich mir gegenüber benahm, wusste er vielleicht nicht, dass wir Brüder waren. Also sagte ich es ihm und wir stritten uns zum ersten Mal. ‚Nein!‘, hat er gesagt, sogar fast geschrien, als ich ihm auch nach seinen hundert Widersprüchen nicht glauben wollte. ‚Du bist nicht mit mir verwandt, Cody, wie kommst du nur auf eine solche Idee? Hätte es mir nicht irgendjemand gesagt, dass ich einen verschollenen Bruder habe?‘ Wie naiv er war! Schließlich hatte ich fast mein ganzes Leben damit zugebracht, ohne so etwas zu wissen. Alicia schämte sich wahrscheinlich für mich, dass sie es nicht mal ihrem, in ihren Augen, besserem Sohn erzählt hatte.“ Er schnaubte. „Als sich unser Streit wieder gelegt hatte und Fynn schon fast meine ‚Lügen‘ vergessen hatte, erzählte er mir, dass ihm Alicia ein silbernes Armband vererbt hatte.“
Ich machte große Augen. Das silberne Armband, das ich beim Tatort gefunden hatte. A.H. hieß also Alicia Haster! Nicht Ace! Ace hatte anscheinend gar nichts mit der Sache zu tun gehabt.
„Ja, das silberne Armband. Dass ist auch der Grund, weshalb Fynn gestorben ist. Du fragst dich warum? Nun, diese Frage ist einfach zu beantworten. Hör mir einfach zu.
Der neue Schulanfang. Ein aufregender Tag für jeden Teenager. Besonders für Mädchen, hab ich Recht? Wie sieht der und der jetzt aus? Ist sie etwa gewachsen? Diese Frisur steht ihr aber gar nicht!
Aber zurück zu meiner Geschichte. Der Anfang eines neuen Schuljahres bedeutet auch manchmal neue Klassenkameraden und in diesem Fall eben eine Klassenkameradin. Casy Lauxter. Sobald ich sie sah, verliebte ich mich in sie. Noch nie hatte ich so für ein Mädchen empfunden, aber niemand schien mir das zu glauben. Ich erzählte es Fynn, aber der war nur skeptisch. Als ich versuchte, mich ihr zu nähern, gab sie mir einen Korb. Mein ‚schlechter Ruf‘ war anscheinend der Grund für alles, aber ich schwöre, bei Casy hatte ich nichts Böses im Sinn. Ich bereue mein Verhalten ihr gegenüber, jetzt, da ich weiß, wie sie das verletzt hat.“
Ich sah wieder eine Bewegung aus dem Augenwinkel, dann schob sich ein kleiner flacher grauer Gegenstand in mein Blickfeld. Blaue Muster tauchten auch auf. Casy’s Tagebuch! Er hatte es aus meiner Tasche genommen!
„Und dann holte sich Fynn Casy und vergaß mich völlig. Als ich ihm versuchte zu zeigen, dass sie mir gehörte, gab es eine Prügelei und seitdem verstanden wir uns nicht mehr. Immer mehr sonderten wir uns voneinander ab und sein Verhalten kotzte mich so an, dass ich allen weitererzählte, Fynn sei gemeingefährlich. Natürlich glaubten sie mir und nicht ihm, schließlich konnte ich mich schon immer besser als er in die Gemeinschaft eingliedern. Er wurde traurig und depressiv, dass konnte ich an seinem Gesicht sehen, doch ich änderte nichts daran. Schließlich hatte er noch Casy! Einmal kam er in der Pause zu mir, als ich allein war und versuchte mit mir zu reden. Doch sein Gerede regte mich auf, also sagte ich, dass ich sein geliebtes Erbstück, das Armband seiner, und meiner, verstorbenen Mutter, vom Dach werfen würde und es somit verloren ginge, wenn er Casy nicht endlich mir überließ. Er versuchte es, doch sie kam immer wieder zu ihm zurück, wie ein Schaf zu seinem Hirten. Ich hasste es, wie sie ihn voller Liebe ansah, während ich allein dastand, ohne Freund und auch ohne das Mädchen, dass ich liebte, denn beide hassten mich ebenso sehr, wie ich sie. Wobei ich sagen muss, dass ich nicht weiß, ob ich sie hasse oder liebe, und das trifft auf beide zu.
Als ich merkte, dass jede Drohung nicht half, beschloss ich, dass ich das Armband eben doch klauen würde und es vom Dach werfen wollte. Also griff ich in einem unbeobachteten Moment in Fynn’s Tasche und nahm sein Erbstück mit auf das Dach. Es dauerte nicht lange, bis er Mrs Wilson’s Unterricht verließ, nur um sein Armband zu holen. Es gab wieder einen Streit, bei dem er versuchte, mir sein Silber aus der Hand zu reißen. Er und ich zogen an beiden Enden und es war ein gefährlicher Kampf, denn wir befanden uns nahe am Rand des Daches. Als meine Kraft schwand und ich losließ, nahm ihn der Schwung mit und er stolperte rückwärts in die Tiefe.“
Ich keuchte auf und rutschte noch tiefer. Das Bild, wie Fynn starb war direkt vor meinen Augen und ich konnte nichts dagegen tun, mich anstatt seiner vom Dach fallen zu sehen.
„Du siehst also, dass ich ihn nicht umgebracht habe, wie du es anfangs wahrscheinlich vermutet hast. Ich bin genauso unschuldig, wie Casy es ist. Weder sie noch ich haben ihn vom Dach gestoßen und doch sind wir irgendwie beide Schuld an seinem Tod. Dass du jedoch sterben wirst, wird ebenfalls nicht meine Schuld sein. Du bist hier herauf gekommen, ich habe dich nicht mit einem Erbstück oder sonstigem hierher gelockt. Du standest am Rand herum, dass es nicht meine Schuld war, dass dich ein herum schwingender Stock am Kopf getroffen hat und du gestürzt bist. Es ist auch nicht meine Schuld, wenn . . .“
Ich hörte ein Stöhnen, dann ein dumpfer Laut und das Knirschen vom Kies. Eine Hand tauchte in meinem Blickfeld auf und ich griff erleichtert nach ihr. Ich sah nach oben und entdeckte ein bekanntes Gesicht. Ace!
Er umarmte mich und zitternd atmend standen wir dort für ein paar Momente da, uns fest umklammernd. Dann küsste er mich sanft auf die Stirn und ich hörte ein leises Flüstern, dass erleichtert und verschmitzt klang.
„Na, bin ich im richtigen Moment gekommen?“
„Mann, Summer, dass du mir immer so Angst machen musst.“ Blue umarmte mich stürmisch und setzte sich auf die Kante meines Bettes. Das typische Krankenhaus-Betten-Quietschen ertönte und ich musste unwillkürlich an Zuhause denken.
„Nicht so heftig, schließlich hat man nicht alle Tage eine Gehirnerschütterung“, sagte eine Krankenschwester im Vorbeilaufen, schmunzelte jedoch.
„Es ist ja alles gut gegangen“, beschwichtigte ich meine beste Freundin, doch ich musste lachen.
„Oh Gott, als deine Mutter mich angerufen hat und gesagt hat, dass du im Krankenhaus bist, weil du der Polizei bei der Aufklärung eines Mordes geholfen hast, bin ich fast ausgerastet vor Angst! Ach ja, sie wartet draußen auf dich. Sie hat gesagt, dass sie ‚die Jugend lieber nicht stören will‘.“ Sie grinste und sagte: „Wenn du hier raus bist, musst du mir aber alles erzählen!“
Sie drückte mich noch einmal an sich und stand auf, als die Tür sich öffnete und Ace das Zimmer mit einem Strauß kleiner weißer Lilien betrat. Sie sah mich lächelnd an, zwinkerte und als er zu mir ans Bett trat, hob sie den Daumen hinter seinem Rücken, so wie sie es immer tat, bevor sie das Zimmer verließ. Ich musste lachen.
„Was gibt’s da zu lachen?“, fragte Ace, musste aber ebenfalls grinsen. Dann beugte er sich zu mir runter und küsste mich auf den Mund, als wäre das selbstverständlich. Ich musste noch breiter lächeln und seine blauen Augen funkelten. Er nahm eine Vase, ging ins Bad, um sie mit Wasser zu füllen und stellte die Lilien neben mich auf den Tisch.
„Wie geht es dir?“, fragte er, während er sich wie Blue auf die Bettkante setzte und mich musterte.
„Ganz gut. Aber ich habe immer noch fragen, wegen Fynn’s Tod.“
Sein Gesicht wurde ernster, doch es verlor nichts von seiner Freundlichkeit. „Dann mal los!“
„Wusstest du, dass Cody euer Bruder ist? Und wo ist er eigentlich?“
„Ach, der sitzt schon im Knast, selbst wenn er sagt, dass er Fynn nicht umgebracht habe. Er ist schuld, allein vom Gedanken her, dass er ihn auf ein ungesichertes Dach gelockt hat. Und dass er unser, ähm, mein Bruder ist?“ Er fing an zu lachen.
„Was ist so witzig?“
„Weißt du, ich glaube, da hat er sich selbst einen Bären aufgebunden. Er hat doch erzählt, dass seine richtige Mutter Alicia Haster war, oder? Ja, so hieß sie auch wirklich, nur welche Alicia Haster hat er gemeint?“
Ich hob eine Augenbraue. „Wie meinst du das?“
„Alicia Haster ist auch der Name meiner Oma gewesen. Sie ist an Krebs gestorben. Als sie fünfzig Jahre alt war, bekam sie noch mal ein Kind, was ihr aber niemand ganz zu glauben schien, also nahmen sie ihr das Kind weg und es wurde adoptiert. Dieses Kind war Cody.“
Ich blinzelte. „Ach so, dass heißt also, dass Cody umsonst sauer auf Fynn war. Aber wieso wusste er nichts von eurer Großmutter? Ich meine, er war doch Fynn’s bester Freund, da musste er auch mal was von der Familie gehört haben, oder nicht?“
„Schon, aber alle nannten Oma nur Lissie und deshalb wusste Cody nichts von seiner richtigen Mutter. Sie selbst wollte ihm auch nichts sagen, weil er sonst vielleicht traurig werden würde.“
Ich fühlte wie ein Schauer mich durchlief, doch es war nicht unangenehm, sondern erweckend, denn jetzt wusste ich was mit Fynn geschehen war und wer sein Mörder gewesen war. Es schien, als hätte sich so viel verändert in den letzten Tagen, als wäre die alte Welt zusammengebrochen und eine neue Welt aus den Überresten geboren worden. Ich tat meine ersten Schritte auf diesem neuen Boden und es fühlte sich richtig an.
Nur eine Sache wusste ich noch nicht.
„Ace, aber wie hast du gewusst, dass Cody sich da oben mit mir befindet? Hast du mich etwa verfolgt?“
Er lachte und nahm meine Hand in seine. „Vielleicht. Aber ist das jetzt wirklich noch so wichtig?“
Ich sitze hier in meinem Zimmer und schreibe. Mein Bruder hat mich gerade furchtbar genervt, doch sobald ich ihm gesagt habe, er soll verschwinden, ist er gegangen.
Meine Gedanken kreisen um das Geschehene und das, was passieren wird. Ich habe angst, wenn ich an Cody denke, wie er mir das Leben verdirbt, doch ich sollte mich für diesen Moment nicht damit quälen. Ich will daran denken, was noch passieren wird.
Casy hat in mir einen guten Freund und ich in ihr eine gute Freundin gefunden. Da Cody nicht mehr für mich da ist, ersetzt ihn Casy und sie versteht mich sogar in den meisten Dingen besser als er es tat. Wenn ich schweige und an die Auseinandersetzungen mit ihm denke, sitzt sie neben mir und nimmt einfach meine Hand in ihre. Das reicht schon, um mich für einen Moment vergessen zu lassen.
In Zukunft denke ich wird Casy immer für mich da sein. Ich hoffe auch, dass ich den Streit zwischen Cody und mir verbleichen lassen kann, sodass wir uns wieder verstehen, wie in alten Tagen. Wir werden lachend Fußball schauen, während sich unsere Frauen unterhalten werden und darüber lachen, wie kindisch wir uns zu dieser Zeit benommen haben. Ich freue mich schon auf diese Zeit.
Ich fühle mich nun viel besser. Morgen schreiben wir eine Deutsch-Arbeit, doch ich denke, dass ich sie mit Leichtigkeit hinbekommen. Nur ob Cody seine Warnung mit dem Armband wahr werden lässt?
Egal was morgen passiert. Ich halte mir einfach vor Augen, dass alles besser wird. Gute Nacht!
Hey und hallo :)
Danke, dass du mein Buch gelesen hast und bis hierher gekommen bist.
Ich würde mich freuen, wenn du einen Kommentar hinterlässt, damit ich weiß, was ich besser machen kann.
LG Ellen
Texte: Ich bitte euch, nichts zu kopieren, dass euch nicht gehört.
Tag der Veröffentlichung: 03.09.2012
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