Cover



Der Flug der Fledermaus
„Der Ruf des Lichts“
August 2010 by Ellas-Welt


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© Alle Rechte für die Texte und Bilder liegen einzig bei der Autorin selbst und dem Verlag. Vervielfältigungen und Nachdruck nur mit ausdrücklicher Genehmigung
der Autorin “Ellas-Welt”!



Erscheinungsdatum: August.2010
Cover & Illustrationen: gezeichnet von Ellas-Welt
Bilder: gezeichnet von Ellas-Welt
Texte: by © Ellas-Welt
Lektorat: Isolde K.
Klappentext: Ellas-Welt


Einleitung

Meine Welt liegt in Trümmern und überall sind Fragmente eines grausamen Krieges. Ich bin noch ein Kind, genauso wie mein Bruder und unsere Familie ist entweder tot oder in Gefangenschaft der Schwarzen Armee. Tränen überströmt knie ich neben meinem Bruder, dessen Körper mittlerweile eiskalt ist und er rührt sich kein Stück. Ich grabe meine geschundenen Finger in den Sand und ins Geröll und mich verlassen die letzten Kräfte. Der Tod ist so nah, dass ich ihn in meinem Leib spüre. Unser Dorf ist völlig zerstört und das Haus, in dem wir mal lebten, eine Ruine. Ich bete inständig in den aschedurchströmten Himmel, dass der Tod schnell kommen möge und meinen Bruder und mich die Engel davon tragen sollen.

„Bitte helft uns aus dieser verdammten Welt. Ich flehe euch an, tut endlich was, ihr könnt das doch nicht wirklich tatenlos ansehen, was die Dämonenarmee mit unserer Dimension macht. Kommt zu mir und helft uns beiden, den ewigen Frieden zu finden.“

Mein Gesicht ist von großen Tränen rot gefärbt und eine tropft auf ein Trümmerteil, das dort, wo der Tropfen aufkommt, beginnt zu leuchten und als Strahl durch den Dunst ins unendliche Firmament leuchtet. Ich breche zusammen und mich verlassen die letzten Lebenszeichen. In dieser Sekunde stürzen im Anflug zwei geflügelte Wesen vom Himmel auf uns beide zu. Ich schließe die Augen und merke es nicht. Erst als mich eine sanfte Stimme anspricht, blinzle ich und erkenne Fledermausflügel. Das starke Geschöpf nimmt mich in seine Arme und ich hänge nun dort. Der Engel streicht mir über den Kopf und gibt mir einen Kuss auf die Stirn. Dann beißt er mir in mein Handgelenk und trinkt das restliche Blut, das noch fließt in meinem Leib. Ich bin so schwach und lasse es geschehen. Kurz bevor mich der Hauch des Todes ereilt und meine Seele aufsteigt, beißt das Wesen sich in sein Handgelenk und tropft das Blut in meinem Mund. Ich schließe abermals die Augen und winde mich unter Schmerzen. Ich schreie und mein Körper kollabiert, eine Sekunde später ist es totenstill. Alles Leben ist endgültig gewichen. Beim Aufsteigen in den Himmel meiner Seele, sehe ich mir von oben zu. Ich blicke zu meinem Bruder, der durch mystische Worte uralter Sprache zum Leben erweckt wird und mit einem Ruck in den Hals gebissen wird. Er zittert und schreit unter Schmerzen. Die makellosen Geschöpfe legen uns nieder, flüstern mir Worte zu, die ich nicht verstehe und in mir wird es warm. Ich sinke zurück in meinen Körper. Ich schlafe ein und mir wachsen Fledermausschwingen aus dem Rücken. Ich spüre im Schlaf den Schmerz in meiner Wirbelsäule, träume von wohligen Szenen voller Glück und Liebe. Die Engel steigen ins Firmament empor und verschwinden. Mein Bruder und ich schlafen eine unbestimmte Zeit lang. Unsere Leiber reifen heran und die Transformierung ist abgeschlossen.

Oh süßer Tod, du bist mir so willkommen, trage mich in ferne Welten voller Glück.


1. Kapitel

Als ich erwache und mich von ungemütlichen steinigen Boden erhebe, sehe ich aus dem Augenwinkel meinen Bruder, der gerade aufsteht und sich rappelt. Wir sind jugendlich und ich schätze, dass er 17 Jahre ungefähr sein muss. Ich stürme auf ihn los und schließe den kühlen Engelskörper in meine Arme. In meinem Herzen lodert eine Flamme, aber durch die kalte Haut dringt es nicht hindurch. Ich schlage mit meinen Flügeln vor überschwänglicher Freude und umarme ihn so stark, dass er fast keine Luft bekommt. Er schupst mich weg und putzt sich den Sand von der Hose.

„Ej, was soll das, mach das mit wem du willst, aber nicht mit mir. Ist ja grässlich...“

Verwirrt starre ich ihn an und nehme seine Hand in meine.

„Hey, ich bin`s, erinnerst du dich nicht an mich, ich bin Emmelie deine Schwester. Nur dass wir gerettet wurden.“

„Was willst du von mir Weib, klar weiß ich, wer du bist, aber rück mir bloß nicht so auf die Pelle, ist ja ekelhaft.“

Ich kann´ s gar nicht fassen und wenn ich nicht so stark wäre in mir drin, würde ich verzweifeln, aber ich bin so glücklich.

„Hey, wir haben eine zweite Chance und mit diesen Körpern können wir vielen helfen.“

„Sag mal, jetzt spinnst du völlig, Schwesterchen. Sag mal, hast du irgendwo einen Menschen versteckt, ich habe solchen Durst auf Blut.“

„Wie kannst du jetzt an Essen denken, wir müssen los. Ich muss wissen, warum gerade wir zu düstren Kriegern gemacht wurden. Es ist ein Geschenk. Los lass uns fliegen.“

„Ähhh nee, ich will lieber laufen. Mir ist das ganze nicht geheuer, ich hab solchen Durst. Los komm, ich brauch was zwischen die Zähne.“

Ich checke noch nicht ganz, was mit meinem geliebten Eric los ist, er ist so kalt, nicht nur von seiner Haut her, sondern auch in seinem Herzen. Es scheint alles wie gefroren und ich kann´ s mir nicht erklären.

„Los Schnecke, komm endlich, zack ,zack. Lecker, lecker Häppchen suchen.“

Also laufen wir durch den trüben Tag, bis wir an eine Straße kommen, an der merkwürdiger Weise jetzt noch am Tag eine Laterne leuchtet und ich sehe, wie ein Stück weiter etwas im Schein der Lampe auf dem Boden liegt. Es bewegt sich und krächzt. Und ich erkenne, als ich darauf zu steuere, eine kleine Krähe, deren Flügel verletzt ist. Ich denke an die streunenden Katzen, die auch bloß nach Nahrung suchen und will das Tier anfassen. In dem Moment, als meine Hand das Gefieder berührt, durchstößt mich ein schrecklicher Schmerz und ein Zeichen brennt sich in meine Hand, das kurz darauf verschwindet und zu einer Narbe wird. Als ich das kleine Geschöpf auf meine Hand nehme, verschwimmt meine Umgebung und Eric, das Tier und ich befinden uns auf einem Friedhof, auf dem unruhige Seelen umherfliegen. Ich setze mich auf eine nahe liegende Bank, nehme einen herumliegenden Stock und reiße mir ein Stück Stoff aus meinem Kleid. Ich wickele beides um den Flügel und bitte Eric nach Würmern oder Käfern zu suchen, für den Raben. In meinem Kopf höre ich eine weibliche Stimme widerhallen, die mir dankt und einen Namen ruft: “Maru”, “Maru”. Immer wieder taucht diese Stimme auf und ich verbinde sie mit dem Vogel. Als ich über das Gefieder streichle und mich von der Holzbank erhebe, verschwindet die Traumblase um uns und wir sind wieder auf der Straße. Eric macht sich auf den Weg in eine Nebenstraße zu alten Ruinen eines einstigen Wirtshauses und findet im Hinterhof einen dreckigen Container mit verdorbenen Essensresten und massig Maden. Aber auch leider eine Ratte, die vorbeiläuft und auf die er sich aus den Mundwinkeln sabbernd stürzt. Er bricht das Genick und saugt das Tier in einem Zug aus. Ein Schaudern geht durch seinen Körper, wegen des unreinen Blutes und er schüttelt sich angeekelt.

“Igitt, so was kann man ja nicht ertragen, *bäääh* furchtbar schmeckt das Vieh.”

Er sammelt Maden ein in seine Hand und schüttelt sich etliche Male auf seinem Weg, Übelkeit kommt von seinem Magen hoch und er ist kurz vorm Erbrechen. Doch er bemüht sich redlich, seinen Bissen drin zu behalten. Ist es doch besser als nichts, seiner Meinung nach.

Wieder zurück, füttere ich eine Made nach der anderen an das geschwächte Wesen in meiner Hand. Ich lege die Krähe, als sie ihren Kopf unter ihren gesunden Flügel steckt und schmerzvoll winselnd einschläft, in meine nun offene Umhängetasche und danke meinem Bruder. Ich frage ihn, warum er so grau im Gesicht aussieht, aber er winkt nur ab und sagt: “Das willst du gar nicht wissen.”

Ich sehe ihn an und er erhebt sich mit seinen schlagenden Fledermausschwingen vom Boden, ich mache es ihm gleich und wir fliegen los in den trüben Tag hinein und ich sehe nach 3 Stunden unter uns eine kahle Fläche mit einem abgebrannten Baum darauf. Weil ein kräftiger Wind aufzieht, beschließen wir zu landen und unter den Aschewolken ziehen Gewitter auf, ich höre das Grollen ganz nah über uns und lande unsanft. Gleich kontrolliere ich ob es meinem Schützling gut geht und Eric landet neben mir ohne Probleme. Ich gehe auf den verkohlten Baum zu und sehe, dass es wohl mal eine Weide war. In dem Augenblick fährt ein gewaltiger Blitz vom Himmel und schlägt mitten in den Stamm des Baumes, der darunter zerberstet und die letzten Holzfaser in Brand geraten. Ich sehe hinein in die Flammen und entdecke am inneren Rand einen kleinen Keim mit drei Blättern. Mir ist noch nicht klar, was ich damit soll, aber ich nehme ihn an mich und stecke ihn ein. Die Sekunde war´s, die Eric und mich ins Feuer ziehen und wir wundersam darin verschwinden. Es muss eine ganze Weile so ruhig um uns sein, inmitten der roten Lichter, im Innern des Tores, so dass mein Brüderchen und auch ich in tiefen Schlaf fallen und erst erwachen als eine sanfte weibliche Stimme zu uns spricht. Eine Hand streckt sich mir entgegen und ich nehme sie dankend, um erst mich zu erheben und danach mein Geschwisterchen. Ich schüttle meine Flügel aus und sehe, dass wir auf einem Stapel von Kartons und Pappe landeten.

“Eric, alles okay?”

“Heidi... witz... ka..., was war das denn? Oh Futter, Mensch, du siehst so saftig aus Mädchen, komm ich möchte dir was ins Ohr flüstern, ja?”

Das Mädchen geht gar nicht darauf ein und winkt nur ab. Aber mich macht´ s wütend.

“Wie kannst du jetzt schon wieder an Essen denken und das auch noch ausgerechnet bei Artgenossen. Ich fass es nicht.”

Erik geht auf die schöne Fremde zu und streicht durch ihr Haar, als sie dann laut pfeift und eilig zwei ältere Engel erscheinen.

“Mam, Paps das sind Neuankömmlinge, wodurch sie hier landeten weiß ich nicht, aber der hier, der mir an der Backe klebt, hat wohl Appetit auf mich.”

“Eh, weg und lass mich in Ruhe.”

Eric tanzt immer um den wunderschönen fremden Engel herum und ist so gefesselt, aber so richtig übel kann ich´ s ihm nicht nehmen. Das Mädchen hat violette Haare, viele Ohrlöcher und ein paar Piercings in Nase, Augenbraue und Lippe an ihrem Mund. Ihr steht das aber so gut, dass auch ich meinen Blick nicht abwenden kann. Die Mutter und auch der Vater haben blonde Haare und ihr Paps trägt einen grau durchzogenen Dreitagebart. Sie tragen moderne Kleidung, mit Jeans und T-Shirt und haben eine schlanke Figur. Ich fühle mich im Schatten der Personen unwohl und minderwertig, so mager und knöchrig wie ich bin.

“Kommt mit, ihr könnt für eine Weile unsere Gäste sein, ich zeige euch die Zimmer, in denen ihr nächtigen dürft.”

Wir gehen bereitwillig durch einen Bogengang und nun verspüre auch ich einen starken Drang nach Blut.

“Wir sind transformiert worden und haben seitdem nichts zu trinken gehabt. Ich habe solchen Hunger.” Das mit der Ratte verschweige ich dezent. Wir gehen in eine große Holztür, die trotz der Größe leicht ins Schloss fällt und kommen in eine Eingangshalle, die wohl nicht prunkvoller hätte sein können. Ein paar Kronleuchter an der Decke erhellen den Raum und Marmormosaik-Fußboden ist unter uns. Wir werden hinein gebeten und betreten das wohlbetuchte Gebäude der drei.

“Soso, ihr seid also nicht hineingeboren worden als Engel, wir sind geborene Engel. Kommt mit, wir bringen euch auf ein Gästezimmer mit einem Doppelbett.”

Eine mit Teppich ausgelegte Treppe führt nach oben zu weiteren Fluren und wir kommen einen ausladenden Gang von dem viele Türen ab gehen, ganz hinten am Ende sehe ich eine Tür, die mir gleich in diesem Atemzug verboten wird, zu öffnen.

Eine linke Tür wird geöffnet und die junge Frau geht vor. Sie zündet mehrere Kerzenleuchter an und ich sehe ein doppeltes Himmelbett, einen Kleiderschrank, in den wir nichts reinhängen können und einen Schreibtisch mit Stuhl. Die prunkvollen Brokatvorhänge sind zugezogen und so setze ich mich total entkräftet aufs Bett, während Eric sich Schuhe und Hose auszieht und unter die weiche Decke schlüpft. Die Mutter sagt uns, dass sie uns gleich noch zwei Blutcocktails bringen wird. Ich setze Maru in die Schublade des Nachttischchens und wir schlafen gleich ein.

Des Nachts gehe ich zur Toilette und sehe aus dem Schlüsselloch des letzten Zimmers ein rotes Licht durchscheinen. Ich bin völlig tranig und wandere nach meinen Gang zurück ins Bett, erst als ich am Morgen erwache, wurmt mich dieses Erlebnis. Wir haben beide des Nachts noch unseren Cocktail getrunken, er war zwar nur noch so lauwarm, aber für mich genau richtig. Mein Brüderchen und ich machen uns frisch und gehen zu Tisch. Unten ist schon geschäftiges Treiben. Wir stoßen dazu und trinken unser Glass AB negativ in einem Zug aus. Dann lade ich Eric bei der Mutter ab im Arbeitszimmer und gehe hinaus in den Garten. Der Himmel ist wolkig und seltsamer Weise beißt die Helligkeit nicht in meinen Augen, eine seltsame Welt denke ich mir, während ich den Rosengarten betrete und vor mir ist ein Gärtner, etwa um die 40 Jahre muss er sein, kein Vampir und schneidet die Rosen. Er dreht sich zu mir um und gibt mir eine weiße Rose in die Hand. Ich steche mich an den Dornen, aber die Wunde schließt sich sofort wieder. Ich rieche an der wunderschönen Blüte und ein wohliger Geruch steigt mir in die Nase. Ich lächle und falle um in einen tiefen Schlaf. Der Gärtner fängt mich und legt mich auf den Rasen unter seinen Füßen. Ich träume mich in ein Labyrinth aus haushohen Hecken und laufe panisch hindurch, bis ich in deren Zentrum an eine Staue gelange und der Gargouille starr nach unten deutet.

Ich sehe auf den Sims und lese die Inschrift. “Hier ruht Erot, in Verdammnis gehüllt.”

Als ich den Stein des Wesens berühre, zucken die Augen des Gargouills. Ich drehe mich um und da löst sich die Starre im Stein und ich spüre den Atem in meinem Nacken. Schwer schluckend renne ich los, als ich Flügelschläge höre und renne und renne und renne. Bis ich ihn vermeidlich abgehängt habe.

Ich gerate in einem Traum, indem alles dunkel ist und tote Menschen um mich herum liegen, ich mittendrin und sehe mir von oben zu, wie ich die letzten lebenden Menschen in den Schlaf bringe. Sie wirken wie gelähmt, denn nichts bewegt sich hinterher mehr an den Leibern, als ich mit ihnen fertig bin. Ich frage mich, von oben, was das Meer der leblosen Menschen mir sagen will und gerate in schleichenden Dunst.

Ich falle in einen weiteren Traum, in dem ich in einem wunderschönen hellen Zimmer stehe, in dem in einer großen Schale Rosen verbrennen. Ich nehme eine, die am Rand liegt und rieche daran, als eine sanfte männliche Stimme zu mir spricht und ich beim Umdrehen in die Augen eines sagenumwobenen Geschöpfes blicke, was so vollkommen schön ist, dass mir der Atem stockt.

“Ah, du hast sie gefunden, die Rosen Inoa, die aus ihrer Asche im Keim wieder erstehen. Der Duft ist betörend, aber nimm dich in Acht vor ihr. Ein Sud daraus gekocht ist tödlich.”

Ich sehe ihn an und da fällt mir auf, dass in seinem Herzen etwas drin steckt und falle in einen weiteren Traum.

Ich bin an einem Rand eines Reiches, das völlig zerstört ist und ich weine bittere Tränen, weil ich erkenne, dass es das einstige Reich weißen Engel ist. Ich ahne nur, was da geschehen sein muss und welcher Kampf dort stattgefunden haben muss und laufe zwischen den weißen Marmortrümmern hindurch. Auf dem Boden unter einem Glassstück eines Mosaikfensters liegt etwas. Ich greife darunter und halte eine schimmernde weiße Feder in meiner Hand. Ich knie nieder und bete flehend zum unendlichen Himmel, er möge die Rätsel lösen und den Schmerz dieser Welt beenden, doch das Firmament verfinstert sich und Blitze zucken über den dunklen Himmel. Einer schlägt genau in die Überreste eines Turms ein und Feuer lodert vor meinen verweinten Augen. Es verbrennt die letzten Reste und ein Regen aus purer Asche begräbt alles unter sich. Dämonen fliegen aus den Wolken auf mich zu und umzingeln mich. Sie zischen bedrohlich mit brennenden Haaren und ich erkenne in ihren Augen Lava aufblitzen.

Das ist der Augenblick, indem ich hochschrecke und mich verstört umsehe. Ich merke, dass etwas in meiner Hand ist und ich schaue völlig konfus darauf. Eine von Asche gezeichnete weiße Feder ist in meiner Hand. Ich stehe auf und laufe in die Villa zurück, um unbemerkt meinen Fund zu verstecken. In meiner Tasche habe ich ein gutes Versteck und beschließe es niemanden zu verraten. Eric unterdessen hat sich losgeseilt und baggert wie ein Grottenolm an der Tochter der Familie rum. Er rückt ihr so unangenehm auf die Pelle und streicht durch ihr Haar mit seinen Liebesbekundungen, dass ich ihn unsanft heraus zerren muss.

“Tschüss meine Schöne, ich muss dann wohl mal wieder. Emmelie, ist sie nicht süß und so frisch? Ich könnt sie vernaschen!”

“Reiß dich zusammen. Komm mit auf unser Zimmer, ich muss dir was erzählen.”

“Ich hab ganz merkwürdige Träume gehabt und kann mich nur schlecht davon erholen, hier stimmt etwas ganz gewaltig nicht. Diese lieben Engel, wie sie tun, sind sie nicht, sie verheimlichen etwas, das hinter dieser Tür da hinten ist. Letzte Nacht habe ich Geräusche gehört und Licht gesehen aus dem Schlüsselloch.”

“Überleg doch mal.”

“Ich find´ s so toll hier, das Einzige, das ich merkwürdig finde, ist dass mich das Mädchen wohl nicht leiden kann. Ich bin nicht hässlich und Charme hab ich auch. Also weißt du woran es liegt?”

“Ich kann`s dir sagen, ich glaub du hast sie zum Fressen gern und das ist so ein Punkt, indem ich sie verstehen kann.”

“Och, komm schon, daran ist nichts Schlimmes.”

“Ich hab ganz andere Sorgen, als deine Liebeleien hier, reiß dich zusammen und bleib im Zimmer heut Nacht. Ich werde des Nachts, wenn sie schlafen, versuchen ins Zimmer zu kommen und heraus zu finden, was dort ist. Lass dir solange nichts anmerken, okay? Das ist auf jeden Fall lebenswichtig, schätz ich mal.”

“Och Schwesterchen, mach dir keinen Kopf, in einer Stunde habe ich es eh wieder vergessen.”

“Oh Mann, du hast auch ne Macke!” Und ich gehe genervt aus dem Zimmer.

“Und du bleib hier, bis ich wieder da bin, verstanden?”

Im Untergeschoss der Villa wartet schon die Mutter auf mich und möchte mich sprechen. Ich gehe langsam die Stufen der Treppe hinunter und sie bittet mich in die Bibliothek des Hauses. Dort sind hohe Regale aneinander gereiht voller Bücher, es müssen hunderte sein. Der Raum ist unübersichtlich durch die Gänge und ich bin nur beim Umsehen.

“Mein Engel, ich kann nur ahnen, was ihr beide für ein Schicksal haben müsst. Mich erschüttert es zu sehen, wie ihr euch abseilt andauernd. Wollt ihr lieber gehen?”

“Wir wurden vor dem unvermeidlichen Tod gerettet von zwei düstren Engelkriegern und wandeln seitdem durch unsere Welt.”

“Erzähl mir von eurer Welt!”

“Es liegt alles in Trümmern und Mutter und Vater sind tot. Genauso wie aber hunderte und tausende mit ihnen. Die Schwarze Armee, begrub alles unter einer dichten Aschewolke und beherrscht das Land. Ich weiß nicht, warum gerade wir gerettet wurden, aber ich hoffe, ich finde meine Bestimmung noch raus.”
(Ich hoffe, dass es noch gerade so die Grenze ist, des Berichtens, was ich vor mir selbst, sagen kann.)

“Ich verstehe und wie kommt ihr in unsere Dimension?”

“Durch ein Tor, das sich geöffnet hat. Wir sind unfreiwillig hinein geraten und landeten hier.”

“Du musst mir eins versprechen, wenn ihr euren Sinn gefunden habt, setzt alles daran, eurer Land zu befreien. Dass der Tod ein Ende hat. Sieh dich hier um, wir lagern hier sämtliche Bücher verschiedener Dimensionen und lies darin, vielleicht wirst du auf etwas Interessantes stoßen, das euch hilft bei eurem Kampf.”

“Ich muss erstmal wieder ins Arbeitszimmer meines Mannes.”

Ich nicke und lächle gequält. Dann forste ich die Regale durch und lande letztendlich bei einem Buch über den Keim der Dimensionen, den meine Augen summend ausmachen können. Das Buch reizt mich total und ich schlage kurz mit meinen Schwingen, um den Wälzer aus dem obersten Regal hervor zu nehmen. Ich lande seicht und setze mich in einen Ohrensessel. Ein dreiblättriges Pflänzchen ist auf dem Cover und es ist sehr alt, die Seiten sind schon gelb gefärbt.

... In einer Zeit weit in der Vergangenheit liegend, gab es eine Saat, die nur dann aufkeimt, wenn die Himmelsgewalten in Bäume einschlugen und ein reines Geschöpf, voller Liebe und Verzweiflung um nichts mehr, als Hilfe der Götter bittet. Dann wird im Baum, ein Keim geboren, aus der Saat des Dimensionsstaubes.

Ich lese weiter und traue meinen Augen nicht. Hab ich doch ein solches Pflänzchen gerettet in unserer Welt.

...Man hält die Blättchen in den Wind und das Klingen setzt Vibrationen in den Schichten der Welten frei. Daraus entsteht ein Strudel der einen in ferne Welten trägt.

“Ach so ist das, Mensch, das wusste ich nicht.”

Ich stehe auf, fliege hinauf und stelle vorsichtig das Buch zurück an seinen Platz.

Draußen ist der Tag schon voran geschritten und der Nachmittag lässt die Wolken aufreißen, ein Butler kommt hinein und zieht die Vorhänge zu. Er ist blass und wirkt halbtot. Ich ahne nur, dass es wohl ein Blutsklave ist der Familie und hoffe nur, dass ich nicht einen Schluck seines Blutes abbekommen habe.

Kapitel 2

Als die Nacht hereinbricht und ich schlaflos und aufgewühlt in meinem Bett liege, sehe ich Gestalten am Fenster vorbei huschen, denn die Vorhänge habe ich offen gelassen, um den Schutz gebenden Mond zu sehen. Er ist zunehmend und ich vermute, dass die Familie ausgeflogen ist und lasse Eric schlafen. Leise erhebe ich mich und gehe fast lautlos aus dem Zimmers zur Tür am Ende des Korridors. Ich drücke die Klinke runter und schiebe die Holztür auf. Im Innenraum sitzt ein wohl alter faltiger Engel mit Hornbrille und giftet mich an, was ich hier verloren habe und dass ich mich in Acht nehmen soll, er würde selbst vor Engeln keinen Halt machen. Er sabbert und ich gehe mutig auf ihn zu. Er faucht mich an und ich sehe die Zahnlücken und zwei Eckzähne hervorstechen im roten Schein seiner Stehlampe. Das Fenster ist angeklappt und ich sehe wie Maru gerade auf dem Fensterbrett landet. Sie blinzelt mir zu und krächzt. Ich gehe auf den Alten zu und streiche ihm wispernd über seine Glatze. Ich nehme seine Brille ab und halte ihm die müden erschöpften Augen zu. Ich ahne nur, was es einmal für ein mächtiger Krieger war und bemerke, dass er halbseitig gelähmt ist.

“Warmé akeila amra etamie....!”

Woher ich die Worte kenne, kann ich nicht sagen, sie tauchen in meinem Kopf auf. Der einstige Krieger lächelt durch seine Lücken im Mund.

“Wir Schwellengänger zwischen Leben und Tod entscheiden uns für den Tod, segnen diesen Leib für die Ewigkeit und geben ihn für den ewigen Frieden seiner selbst frei!”

“Es ist besiegelt!”, befehle ich kraftvoll mit Nachdruck und der Engel auf dem Sessel erstarrt tot und fällt in sich zusammen. Der Lebensfunken entweicht dem Mund und mit meinem gezielten Fingerschnipsen zerspringt das Lichtkügelchen in der Luft in hundert kleine Partikel, die erlöschen.

Ich habe nicht bemerkt, wie die Tochter der Familie mich beobachtete und sie läuft los um es ihren Eltern zu stecken. Als ich den Raum verlasse und unsagbare Schmerzen meinen Körper durchfluten, sowie unendliche Traurigkeit, stehen die drei schon parat um mich zu empfangen.

“Ich hab´ s geahnt, ihr seid beide Todesengel und wurdet von solchen infiziert zu solchen. Zeig mir deine Narbe in der Hand.”

Er, der Vater greift grob meine linke Hand und öffnet sie. “Da ist es, seht ihr es?”

“Wo hast du deinen Raben?”

“Ach Maru? Die ist vermutlich wieder im Zimmer, ich hab sie verletzt gefunden, doch nun ist sie wohl wieder okay! Ich hab sie fliegen sehen!”

“Du hast unseren Jahrhunderte alten Vater getötet! Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll. Aber ich schätze, wir stehen in deiner Schuld. Wir waren seit Jahren an diese Welt gefesselt und an diese Ländereien, wegen ihm. Wir mussten ihn pflegen und nun sind wir frei. Wir werden ihn würdig beerdigen in unserer Ahnengruft. Dankeschön.” Er spricht fröhlich und bemerkt erst jetzt, wie verstört ich bin.

“Was ist mir dir?”

“Sag bloß, du hast selbst als Todesengel eine Seele?”

“Es scheint wohl so”, sage ich gefangen in mir.

“Du musst dich an die Schmerzen gewöhnen, es ist deine Bestimmung und du kannst gegen die Erfüllung nichts tun.”

In dem Moment tritt müde und schmatzend Eric auf den Flur. “Sagt mal, habt ihr irgendwo was zu beißen? Ich brauch dringend was zwischen die Zähne?”

“Oh nein, nicht schon wieder der. Geh in die Küche an den Kühlschrank, da sind die Konserven.”

“Sag mal, er ist auch aus dem Muspott geboren, oder?”

“So war er zu Lebzeiten nicht, irgendwie muss ihm was in seiner Transformation verloren gegangen sein, und zwar nicht wenig. Leider nicht sein Hunger. Ein Wunder, dass er so dürr ist, bei seinem Appetit. Ich habe kaum Appetit und Hunger auf Blut. Aber dafür hat er doppelt so viel.” Mich nervt es tierisch und das lasse ich auch an meiner Stimme hören.

Eric ist unterdessen in der Küche angekommen, hat den Kühlschrank aufgerissen und beißt herzhaft in eine der Blutpäckchen hinein. Er kostet jeden Tropfen aus und stößt hinterher merkwürdiger Weise sogar auf. Dann schließt er die Tür und geht zurück ins Bett.

Ich sehe ihn an uns vorbeischlendern und er scheint überhaupt nicht zu checken, was hier vor sich geht.

“Du musst lernen, die Schmerzen und das Leid, das durch den Tod in dich übergeht, zu ertragen, denn du wirst in deinem ewigen Leben noch unzählige in das Jenseits hinüber führen.”

“Ja ihr habt ja recht, ich glaub ich geh schlafen. Seid nicht böse, ich bin so müde und fertig.”

Ich schlafe in dieser Nacht sehr schlecht, die Albträume plagen mich gewaltig. Ich kann nicht mal deuten, woher sie kommen. Als wir beide am nächsten Morgen erwachen, ist es draußen neblig und ich gehe mit Eric an meiner Seite auf den Balkon und hole den Keim hervor. Ich lege meine Tasche um und rufe Maru zu mir, die auf meiner linken Hand landet. In der rechten halte ich das Pflänzchen in den frischen Morgenwind und höre den süßen Klang der Blätter, die aneinander schlagen. Ich lächle und ein großer spiralförmiger Wirbel bringt die Schwaden durcheinander. Wir drei werden hinein gezogen.

Als wir ausgespuckt werden, sind wir wieder in unserer Welt und ich denke nur still bei mir, als wir fliegen: “Und täglich grüßt das Murmeltier.”

Ich lande auf einem Felsen vor einer Ruine eines Schlosses und Licht kommt aus einem erhaltenden Fenster des Kellers. Vor den einstigen Toren des Reiches sind nicht mal Wachen postiert und Eric läuft fröhlich vor. Er freut sich, über was auch immer. Das ist mir aber fast egal und ich gehe weiter durch den Dunst der fliegenden Aschepartikel um uns. Ich muss über die Trümmer klettern und der Weg ist beschwerlich. Als ich in die damalige Halle komme, höre ich Geklapper aus dem Keller und steuere genau darauf zu. Angekommen öffne ich die Tür und sehe eine dickliche Frau am Kessel eines Feuers stehen und singend kochen. Als ich den Raum betrete und mich räuspere, dreht sie sich erschrocken um und fängt blitzartig an zu weinen. Sie heult so stark und stürmt auf mich zu, um mich übermütig in ihre Arme zu schließen.

“Wo warst du? Jetzt wo ich 57 Jahre bin, tauchst du auf. Wo warst du als ich jung war? So oft habe ich nach den Engeln gebeten und gefleht sie mögen meinen Schmerz davon nehmen.”

Sie zupft an ihrem Rock herum und streicht sich die schmutzige Schürze glatt.

“Jetzt bist du da, und ich bin bereit für den letzten Weg, um ihn zu gehen.”

“Halt, es ist ein Missverständnis, ich bin nicht hier, um dich mitzunehmen in die Ewigkeit, wir sind zufällig hier gelandet.”

“Wir schauen bloß nach letzten Überlebenden in der verdammten Welt, die unsere ist. Ich habe das Licht aus der Ferne gesehen und bin voller Freude hergeeilt. Bring mich zu deinem König.”

“Oh, aber willst du ihn töten? Ich hoffe nicht, er ist ein guter Herr für mich. Ich brauche die Arbeit hier, aber mir fehlt auch meine geliebte Familie, die weit weg in einem Dorf lebt. Oder das was von ihm noch übrig ist.”

“Ich kann dir diese Frage nicht beantworten um ehrlich zu sein. Ich möchte erstmal nur unsere Ankunft anmelden. Bitte gib meinem Bruder solange ein Glas Rinderblut und halte deine Haare offen, denn er ist ewig hungrig und ich möchte nichts riskieren.”

Eilig kippt die Köchin ein Glas voll und fragt mich wie lange wir schon in dieser Gestalt sind.

“Erst eine kurze Weile und ich hoffe, es wird noch zur Normalität. Wir wurden gerettet und nun sind wir das hier. Ich weiß nicht, ob ich mich freuen sollte, oder weinen, denn jeder Tod, den ich vollziehe, bedeutet unerträgliche Schmerzen in meinem Herzen. Mein Bruder checkt das alles nicht, er lebt in seiner durstvollen Welt und das wichtigste ist Blut.”

“Nimm es ihm nicht krumm, er ist jung und muss sich erst noch die Hörner abstoßen. Wie man so schön sagt. Du kannst so stolz sein, von euch gibt´ s nicht viele und es ist ein Geschenk. Bitte versprich einer alten Frau wie mir, dass ihr alles dafür gebt, um uns alle aus dem Krieg zu holen.”

“Ich hatte neulich so merkwürdige Träume von einer Rose und einem Gargouille, könnt ihr damit was anfangen?”

“Ach Inoa, oha dann wart ihr aber in einer Nachtbardimension, die gibt´ s hier schon lange nicht mehr. Wenn man aus den Blütenblättern einen Sud kocht, ist der Trank tödlich und wenn man daran riecht, fällt man in einen tiefen Schlaf. Ich weiß, dass die Blume einst von den Silberelfen angebaut wurde und da sie aber nicht mehr existieren und die Nachkommen, die Kristallelfen, die Zucht übernommen haben. Aber die sind lange schon im Eis gefangen.”

“Ach so, ich habe von einem Jungen geträumt, der die Rose bei sich hatte, ist das so ein Elf? Er war so schön, dass ich gefesselt war. Ich wünschte es würde ihn wirklich geben.” Ich schwelge in meiner Erinnerung.

“Du meinst bestimmt Yvalei, den Wächter der Rosen. Ja ihn gab es, aber wie gesagt, sind alle im Eis gefangen. Such sie und finde einen Weg sie zu befreien aus ihrem Schlaf.”

“Komm mit, ich bringe dich zu meinem Herrn.”

Wir laufen die verwirrenden Gänge entlang und kommen an einer Wendeltreppe an, die sie mich allein hinauf schickt. Ich bemerke gar nicht, wie hinter mir Eric auf meinen Fersen ist, der gerade seinen Trunk beendet hat. Ich nehme eine Fackel und gehe hinauf. Oben angekommen ist laute Musik zu hören und als ich die Tür öffne, ist niemand im Raum. Nur das Fliegen der Gardinen lässt darauf deuten, dass der König auf dem Balkon ist. Der Turm ist nur leicht beschädigt und so gehe ich und schiebe den wehenden Schleier beiseite. Der gestandene Mann steht am Geländer und spricht mich an ohne sich umzudrehen.

“Ich habe euch drei kommen sehen und weiß warum ihr hier seit. Ich kann nicht sagen, dass es mich freut eure Anwesenheit hier zu haben, aber was soll ich tun? Meine Köchin, betet Abend für Abend zu Engeln und fleht um Segnung, ich sehe nur das Leid, das über mein Land gekommen ist. Alle sind tot und nur wir zwei sind einigermaßen lebendig.”

“Schließ die Augen!” Ich nehme seine Hand und drücke meine andere gegen seine Stirn. Ich schicke wohlgesonnene Träume von der Zukunft um ihn zu beruhigen.

Als er wieder zurück ist, sagt er bestimmt. “Ich wünschte, ich würde den Mut besitzen und meinem Leben ein Ende machen, ich bräuchte bloß hier runter springen, aber ich bin zu feige. Es kotzt mich an, dass ich es nicht in der Hand habe, mein Volk aus der Hölle dieser Welt zu befreien und ins Himmelreich zu bringen. Stattdessen geistern sie Nacht für Nacht hier im Schloss und finden keine Ruhe.”

“Ich kann versuchen, etwas für sie tun, aber ich kann sie nicht befreien.”

“Ich weiß, das können nur die weißen Engel, aber sie sind verschollen seitdem der Krieg herrscht und keiner weiß wo sie sind.”

“Ich habe auch, als ich am Sterben war, zu den Engeln gebetet, aber es kamen Todesengel und transformierten uns. Die weißen müssen nicht mehr hier auf Erden sein, ich kann versuchen sie zu finden, aber ich brauch Hilfe dabei.”

“Ich weiß, sie senden Signale aus, aber sie sind so versteckt. Ich spüre, dass sie uns beobachten und glaub einem alten Mann, wenn er sagt, dass wir ihre Hilfe brauchen.”

“Was ist mit der schwarzen Armee, ich habe die Dämonen gesehen, sie lassen Blitze vom Himmel schnellen und spucken Feuer und verderben.”

“Ja, es sind Himmelsdämonen, es ist normal, dass es sie gibt, aber sie sind machtgelüstig und gierig und haben sich in einer Armee vermehrt. Ich vermute, dass sie in einem Vulkan am Ende der Welt ihren Ursprung nehmen und aus Lava einen Weg gefunden haben daraus aufzuerstehen. Wenn es so ist haben wir schlechte Karten.”

“Ich muss erstmal gehen und danke Ihnen für die Informationen. Ich werd´ s herausfinden!”

Als ich nachdenklich und in Gedanken versunken das Zimmer verlasse schleicht sich Eric hinein und geht auf den Balkon. Seine Flügel schlagen schnell und er hebt fast ab. Seine Fingernägel stoßen hervor zu Krallen und seine gefährlichen Eckzähne drücken sich hervor, als er den Mann herumreißt und in seinem Bann gefangen hält, wehrlos hängt der Mann in seinen Armen als er gierig und übermütig in die Halsschlagader beißt. Er saugt fast das komplette Blut in seinen durstigen Mund, dann als der Leib tot zusammensackt, wirbelt er ihn herum und reißt den Brustkorb mit seinen Klauen auf. Er greift das Herz und drückt die letzten Tropfen des Lebenssafts in seinen Mund, bevor er das Stück aus Muskeln und Fleisch in den Wassergraben wirft. Den toten Leib bahrt er im Bett auf und deckt ihn liebevoll zu, bevor er geht und seine Fingernägel normale Gestalt annehmen und seine Eckzähne sich zurückbilden.

“Es ist der Tod, der es besiegelt und ich steh in deinem Dienst!”

Eric wischt sich die letzten Bluttropfen aus dem Gesicht und nur die verschmierten Kleidung lässt erahnen, was er getan hat.

Meinen Körper durchziehen ungute Gefühle und ich bitte die Köchin mitzukommen zum Gemach des Königs. Dort angekommen, bitte ich sie aus lauter Vorsicht, draußen zu warten und schließe die große Tür hinter mir. Der Raum ist immer noch von Kerzen erhellt und ich sehe an der Gardine Blutspuren. Ich laufe zum Bett und decke das Bettdeck auf, was sich mir für ein grausames Bild bietet, hätte ich so nicht vermutet. Ich zweifle an meinem Bruder, dass von dem was er mal war nichts mehr übrig ist, sondern nur noch ein Raubtier. Ich schließe die erstarten Augen und nehme den leichten Mann, der abgemergelt ist auf meinen Arm. Ich fliege mit mehreren kräftigen Flügelschlägen los und bringe ihn ans Ende seines Reiches zum Friedhof. Dort nehme ich den Spaten und hebe ein großes Loch aus. Ich lege ihn vorsichtig hinein und bei jedem Spatenhieb um ihn zu begraben unter der geweihten Erde spreche ich:

“Verzeih es den Engeln, die Grausamkeit darf im Jenseits nicht Ewigkeit werden. Verzeih es ihm, er ist ein Diener der Götter! Verzeih Ihm seine Schuld und Ungnade!”

Ich habe große Schmerzen beim Begraben des Königs und kann Eric einfach nicht verstehen, wo er diese erbarmungslose Grausamkeit hernimmt. Was verspricht er sich davon?

Als ich zurück bin, lande ich im Zimmer und öffne die Tür. Ich berichte der Köchin, dass ihr König tot ist und ich ihn begraben habe und sie erzählt mir traurig, was nun aus seinem Schatz wird. Sie möchte ihn mir mitgeben und führt mich zu einem Wandgemälde, sie schiebt es beiseite und öffnet einen Tresor. Dann gibt sie mir ein Kästchen. Ich öffne es und sehe eine weiße Feder hervorblitzen. Ich nehme sie ins Tuch gehüllt und stecke sie vorsichtig in meine Tasche zur anderen.

“Ich passe gut darauf auf. Was wird aus euch?”

“Ich werde ins Dorf zurück kehren zu meiner Familie und dort leben. Hier ist nun meine Aufgabe getan.”

“Es tut mir so unendlich Leid, was da geschehen ist, aber ich hab´ s nicht in meiner Hand gehabt.”

“Schon gut. Es war Schicksal.”

“Nein, ich fürchte es war Eric”, denke ich bei mir und seufze voller Leid aus meinem Herzen.

Ich laufe durchs Schloss während sie ihre Sachen packt und geht und suche rufend nach meinem Bruder. Am Ausgang werde ich fündig und packe ihn grob am Kragen.

“Was sollte das da drin? Was versprichst du dir davon und vor allem was hat es dir gebracht. Sieh dich an, so blutverschmiert.”

“Nun reg dich nicht so auf. Ganz locker bleiben, um den Alten ist´ s nicht schade und ich hatte solchen Kohldampf.”

“Was sind das alles für Formulierungen aus deinem Mund. Zu Lebzeiten hast du dich gewählter ausgedrückt. Ich bin total geknickt, weil du so Kopf- und Herzlos bist und kann es nicht verstehen, dass dir ein Menschenleben nichts mehr wert ist, als ein Snack.”

“Da musst du durch. Schwesterchen die Zeiten haben sich geändert und damals ist lange her. Wir leben im hier und jetzt.”

“Alles klar und da darf man einfach so achtlos ein Leben auslöschen?! Weißt du eigentlich, dass ich deine Spuren beseitigen musste?!”

“Oh vielen Dank, das wer aber nicht nötig gewesen.”

“Sei nicht so vorlaut, ich bin älter und hoffe es bleibt bei diesem Ausrutscher. Außerdem geht es nicht immer nur ums eine?!”

“Nun sag schon! Komm Schwesterherz sprich es aus...”, sagt er schnippisch und mit nicht mehr ganz so lockerer Miene.

“Ach lass sein, komm endlich, wir müssen weiter. Wir haben einen langen Weg vor uns. Ich würde sagen, dass wir das Meer ansteuern, oder was heut zu tage noch von ihm übrig ist.”

Ich sehe zu Maru hoch, die dort oben schon auf uns wartet und Kreise malt in der Luft. Eric will abheben aber ich halte ihn fest und wir heben gemeinsam ab. Ich fliege mit ihm an meiner Hand haltend los und nach kurzer Zeit sind wir hoch oben über den Trümmerfeldern und es dauert zwei Tage und Nächte bis wir endlich unter uns das tosende Meer mit seinen Schaumkronen sehen. Nur leider ist das Wasser dunkelgrau, braun und trüb und ich fürchte, dass wir dort seine Sachen auch nicht sauber kriegen. Ich erblicke einen kleinen Kutter und schaue einem jungen Mann hinterher der gerade leere Netze an Bord zieht. Ich lande auf der anderen Seite hinter der Kabine und schleiche mich an ihn heran. Kurz darauf landet Eric und Maru sitzt nun oben auf der Kabine und krächzt den Kapitän des Bootes an. Er dreht sich verstört um und erblickt mich erschrocken.

“Na was haben wir denn da? Was macht ihr hier? Hier gibt´ s nichts zu holen.”

“Wir wollen niemanden holen, wir sind auf der Durchreise und haben von oben diesen Kutter entdeckt. Sag mal, die Wellen schlagen ganz schön hoch. Was ist aus dem einst so fischreichen klaren Meer geworden?”

“Ein todbringendes Giftgebräu.”

“Was heißt das?”

“Die Schwarze Armee hat Mutter und Vater getötet und ich muss hier in dem verfluchten durch Ascheregen vergifteten Wasser fischen um die Fische zu verkaufen und meinen kleinen Bruder und mich durch zu bringen.”

“Was sind das da für Pflanzen die an den Netzen kleben?”

“Schlingpflanzen. Sie ziehen die Schiffe, die an den Klippen zerschellen in die Tiefen und bringen die Seeleute um, die an Bord sind. Sie erwürgen sie förmlich.”

“Mensch, da habt ihr aber ein hartes Los, dann sind an der Klippe Strömungen, in denen die Schiffe vom Kurs abkommen und nicht andocken können an Land. Ich verstehe.”

Ich sehe erst jetzt, dass sein Gesicht vernarbt ist und traue mich gar nicht danach zu fragen, aber ich ahne das es Verbrennungsnarben sein müssen.

“Was ist mit deinem kleinen Bruder?”

“Er ist krank, ich vermute, dass die Fische die Asche annehmen und die langsam schleichend den Körper vergiften.”

Nachdenklich erwidere ich: “Das mag sein.”

“Wer ist er dahinten, der gerade aus den Schlingpflanzen Zöpfe flechtet?”

“Das ist Eric, mein Bruder. Aber komm ihm nicht zu nahe.”
“Kannst du uns zu deinem Bruder bringen? Wir würden gern sehen, wie ihr lebt.”

“Ja klar, kein Problem, warte kurz ich hole nur die letzten Netze an Bord und dann fahren wir hin.”

Bei seiner Arbeit erzählt er mir, wie die schwarze Armee, die Dämonen des Himmels in ihrem Dorf Krieg führten und sämtliche Menschen töteten. Nur noch wenige haben sich verschanzt. Er berichtet mir seine ganze Lebensgeschichte und ich höre aufmerksam zu. Eric hat sich dazu gesellt und hört auch zu. Maru sitzt auf meinem Ellenbogen und ich streichle sie.

In meinen Gedanken erklingt ihre Stimme lieblich: “Pass auf die beiden auf, ich hab Angst um sie. Es ist noch nicht ihre Zeit gekommen, um zu sterben, sie haben trotz Krankheit ein langes Leben vor sich und werde noch viele Kämpfe bestreiten müssen. Ihr kleines Leben ist für ihre letzten Überlebenden des Dorfes wichtig, denn sie führen sie in die Schlacht.”

Ich nicke lieb und sehe zu, wie das kleine Boot an dem Steg ankommt und der jungen Mann die Taue festzieht. Er reicht mir die Hand und dann Eric.

“Wir sind da, aber erschreckt bitte nicht.”

Ich sehe ein kleines Holzhaus aus dem ein Licht scheint durchs Fenster und er läuft rüber und öffnet die Tür. Als ich hinein blicke, weiß ich gar nicht, was ich sagen soll. Von der Decke hängen viele große weiße Netze und versperren die Sicht aufs Innere. Verzückt schlängle ich mich hindurch und der Junge geht vor. Auf einer Bank in einer Ecke die vom Feuer im Kamin erleuchtet wird, sitzt ein kleiner etwa 5 Jahre alter, blasser Junge. Er hat Augenringe und wirkt schwach, aber er flickt gerade eines der Netze.

“Sieh, ich bin fast fertig, nicht mehr viel, dann hab ich´ s geschafft.”

“Oh schön...!” geht der Mann auf seinen Kleinen zu und streicht ihm über die funkelnden Augen, die aber von soviel Leid gezeichnet sind, dass es mein Herz erweicht. Eric setzt sich neben das Kind und streicht ihm durchs Haar.

“Soll ich dir helfen, dass der Schmerz aufhört? Möchtest du zu deinen Eltern, ich kann es machen, dass du ganz schnell bei ihnen bist.”

Ich höre es und laufe rot an vor Wut. Eric greift die kleine zierliche Hand und ich reiße ihn genau in der Minute von dem Menschenkind weg, als er seine Hand nehmen wollte. Ich sehe wie seine Fingernägel hornig werden und wachsen.

“Halt dich zurück, das ist hier nicht unsere Aufgabe, wir brauchen später die beiden im Kampf. Hör endlich auf damit.”

Dankend von dem jungen Mann, dass ich seinen Bruder gerettet habe, geht er in ein Hinterzimmer und bleibt minutenlang weg. Das ist meine Chance, Eric nach draußen zu zitieren und ich befehle ihm, dort zu warten.

“Hab keine Angst, ich pass auf, dass euch nichts geschieht.”

“Oh, was hast du da?”

Er kommt aus dem hinteren Raum mit einem Tuch in der Hand das ich bereits kenne. Es ist ein weißes Samttuch und ich ahne, was er dort versteckt.

“Ich spüre, dass der große Schatz meiner Eltern, bei dir in guten Händen ist und du sollst ihn mit dir nehmen.”

Er wickelt das Tuch auf und eine weitere schimmernde Feder tritt hervor. Als ich sie berühre, durchfluten mich wohlige Träume.

Ich sehe einen kindlichen Engel auf einem Ast sitzen und er flüstert mir wohltuende Dinge zu. Wie zum Beispiel, das die Zukunft in meinen Händen liegt und nur wir sie verändern können. Sie warten auf ihren Tag und sammeln Kraft dafür. Die Zukunft wird die Sonne zurück bringen in unser Leben und die Welt befreien von allem Schmerz.

“Sie rufen mich zu sich”, murmle ich vor mir hin, während ich gedankenverloren die Feder einwickle und in meine große Umhängetasche verschwinden lasse.

“Ich danke dir dafür und werde es auf meinem Ganzen weg bei mir behalten, ich versprech´ s.”

Ich gehe nach draußen zu Eric, dessen Fledermausschwingen nervös auf und zu klappen. Ich bin fast wieder milde gestimmt und deute Maru zu, dass wir los fliegen.

Eric hebt kurz nach mir ab und wir fliegen in die Nacht hinein. Ich mag unsere Welt, sei sie noch so zerstört und so grausam unterdrückt, aber ich fühle mich hier zuhause. Als wir die Klippe hinauf schweben, bietet sich uns ein grauenvolles Bild der Zerstörung. Verkohlte Bäume und Käfige mit unzähligen Knochen prangen auf der kargen Landschaft. Eric landet freudig und schiebt eine Tür eines Stahlkäfigs auf . Er wirbelt durch die Knochen hindurch und spielt damit, was ich aber grotesk finde. Ich stelle mir vor, wie es hier mal ausgesehen haben muss und gehe zu meinem Bruder rüber. Als ich das Gitter anfasse, durchfluten mich Qual und Zerstörung und ich kann nicht an mich halten. Ich werde apathisch und kann nicht fassen, was die Armee hier angerichtet hat. Ich höre die Todesschreie der Wesen und sehe Feuer, überall Feuer. Erich baut sich gerade einen Turm aus Knochen, und Maru landet oben auf dem Gitter. Ich betrachte die Skelette genauer und entdecke eine Verhornung am Kopf der Pferdeknochen. Ich weiß nun, dass es einst prunkvolle mystische Einhörner waren und schicke Flüche in den Himmel. Als ich zum Rippenbogen komme, glitzert mich etwas rot pulsierend leuchtendes an und ich schiebe die Knochen beiseite. Ich hebe den Stein auf und spüre Wärme und unendliches Glück. Ich sehe Einhornfamilien in diesem Wald, wie sie ihrem Tagesgeschäft nachgehen und es ihnen einfach gut geht. Da wird mir klar, dass es das Herz ist, das sie wieder auferstehen lassen kann. Die magische Energie ist so stark, dass ich erschaudere. Ich lege ihn in meine Tasche und grabe mich durch die Auftürmungen zu Eric hindurch.

“Was machst du da? Lass das und komm.”

“Mann, bist du ne Spaßbremse, ich hatte gerade soviel Freude dabei. Och menno, immer muss alles nach deinem Kopf gehen.”

“Vergiss unser Ziel nicht, wir müssen leider weiter, es geht nicht anders.”

Ich nehme meinen Bruder an die Hand und deute in den Himmel, aus dem Aschepartikel zum Boden rieseln. Ich breite meine Flügel aus und schlage kräftig damit, kurz darauf schweben wir unter den Wolken und Eric lächelnd an meiner Seite. Ich nehme den Keim und halte in den Wind. Ein leiser Ton erklingt als die Blättchen aneinander schlagen und eine Welle breitet sich im Dunst aus. Ein Tor öffnet sich und verschlingt uns. Ich weiß nicht, wo es uns hinführt. Aber als wir landen, sind wir inmitten einer schönen Landschaft. Vor uns ist ein Loch im Boden und ich höre das Rauschen von Wasser. Als ich an das Loch trete sehe ich einen Wasserfall, der in die Tiefe fließt in einen kleinen See und eine Hütte am Fuße, aus deren Schornstein Rauch empor steigt. Ich sage Eric, dass er in den angrenzenden Wald gehen soll, die Gegend erkunden, und schicke Maru hinunter. Sie fokussiert meinen Blick und ich sehe durch ihr rechtes Auge, was sie erblickt. Sie fliegt hinunter auf einen Fenstersims. Im Innern ist ein helles Licht und eine junge Frau sitzt an einer Nähmaschine. Das laute Geräusch des Motors ist zu hören und sie nimmt meine Krähe gar nicht war. Jetzt traue ich mich hinab und schwebe leicht auf den sandigen Untergrund. Die Hütte ist aus Holz und ich blicke durch die Scheibe. Als ich Maru losschicke, um zu sehen was Eric macht, hört die Frau auf zu arbeiten. Sie geht zur Tür und öffnet sie. Sie blickt mir ins Gesicht und sieht wie Maru nach oben fliegt zu Eric, der schon wieder Unsinn im Kopf hat.

Als ich auf die Schwelle trete, durchströmen mich wohlige Gefühle und Wellen voll Magie und Glück. Ich fange an zu träumen. Und in meinem Traum geht eine junge Frau mit kurzen schwarzen Haaren auf einen Schrank zu, öffnet die rechte Seite und ein Licht tritt daraus hervor. Als ich näher trete und hinein sehe, blicke ich in das Angesicht einem atemberaubend schönen, weißen Engel. Er spricht zu mir und ich bin nur gefesselt von der Makellosigkeit, die ich noch nie gesehen habe. Nicht mal in den Engelmagazinen sind solch unsagbar perfekte Gesichtszüge.

Ein widerhallende, durchdringende Stimme erklingt aus dem hellen leuchtenden Kristall: “Verzweifle nicht, dein Weg ist sehr lang. Aber es lohnt sich nach uns zu suchen. Komm zu uns und sammle alle Federn, die du auf deiner Reise findest, sie sind ein Schlüssel in unsere Dimension.”

“Wir mussten gehen, die Schmerzen die unsere untergehende Engelwelt beherrschen, konnten wir nicht länger ertragen. Es hätte unsere Magie geraubt und uns jegliche Kraft gekostet.”

“Die Schwarze Armee, sind Himmelsdämonen, die aus Lava geboren wurden. Ihr Vulkan ist weit im Süden und er spuckt unsagbar viele dieser Grausamkeiten aus. Nimm dich vor ihnen in Acht, sie sind todbringend und gefährlich.”

“Du bist mit deinem Bruder, so wichtig für unsere Welt, passt auf euch auf. Ich habe ein Geschenk für dich das dir helfen soll. Nimm es aus der linken Seite des Schranks.”

Zittrig öffne ich die besagte Seite und ein majestätisches Schwert blitzt mir entgegen. Ich greife es und will mich gerade bedanken, als der Engel abermals zu mir spricht.

“Es ist das Schwert “Vejarei”, das wir die mit auf deinem Weg geben. Bei Gefahr färbt sich die silberne Klinge schwarz. Du kannst die Himmelsdämonen damit töten.”

“Dankeschön, aber womit...”

Ich komme nicht mehr zum Ausreden, weil mich eine liebliche Stimme weckt aus meinem Schlaf. Ich öffne schläfrig meine Augen und muss mich erstmal sammeln. Die Frau aus dem Traum steht vor mir, nur das sie jetzt violette kurze Haare hat.

“Ah sie an, du hast meine Schwester kennen gelernt. Das ist gut. Tritt näher Mädchen und verrate mir deinen Namen.”

“Ich heiße Emmelie und weiß gar nicht so recht, was ich hier mache.”

“Setz dich und lass mich das hier schnell fertig nähen.”

Ich reibe mir die Augen und gehorche wortlos und wehrlos.

Funken sprühen mir entgegen, die mir warme Wellen auf meinen Körper legen und ich frage mich, was die Frau dort macht.

Sie näht an einer Tasche, so erscheint es mir, aus silbernen Kettenstoff.
Sie spricht zu mir: “Ich bin eine Schneiderin für das Schicksal und arbeite gerade an einer Tasche für deinen großen Schatz, der in der deiner Tasche so unordentlich liegt. Die Federn müssen geschützt werden, damit die Magie erhalten bleibt, die du brauchst.”

“Okay”, antworte ich benommen und sehe gerade durch Maru´ s Augen, dass Eric sich über einen alten Fuchs hermacht und ihm die letzten Tropfen Blut aus dem Körper saugt. Ich bekomme Durst und spüre, wie sich meine Eckzähne durchrücken. Aber ich halte an mich. Als mir die lächelnde, sanft wirkende Frau das Täschchen gibt und ich es in meinen Händen halte, spüre ich nur Glück in meinem Herzen und die Eckzähne fahren zurück in meinen Kiefer. Ein Durst ist gestillt und ich nehme die funkelnd leuchtenden Federn und packe sie eine nach der anderen in die silberne Metalltasche. Im Innern leuchten sie so intensiv das es mich blendet.

“Du musst 9 Federn insgesamt sammeln und einen magischen Ort finden mit einem Oktagon-förmigen Steintisch.”

Ich horche auf und will gleich wieder gehen, aber die Dame sagt, dass ich noch diese Nacht, die gerade hereinbricht, bleiben soll. Ich soll Eric dazu rufen und hier eine Tasse Blut trinken und reden.

“Ich gebe Maru ein Zeichen und sie schleppt den voll geschmierten Todesengel zum Haus.”

Ich öffne die Tür und der Fokus verschwindet.

Mein Rabe und mein Brüderchen kommt hinein und er wischt sich erstmal mit einem herumliegenden Tuch das Blut aus dem Gesicht.

“Was hast du jetzt wieder angerichtet?!”

“Nichts, ich hab nur etwas im Wald gefunden, das ich haben wollte.”

“Ja alles klar Eric, der Fuchs hat sich bereit gelegt um von dir wüst getötet zu werden?”

“Das meine ich eigentlich nicht. Der war nur für die Wegzehrung.”

“Oh Mann, du bist unverbesserlich. Nur erzähl schon, was hast du gesehen?”

“Ein Steintor, das verwildert und mit Engelschrift versehenen Ornamenten verziert ist.”

“Was ist das für ein Tor? Wisst ihr es?”

“Alte Mythen ranken sich darum. Es heißt, dass man gesegnet ist, wenn man es durchschreitet und in eine Zwischenwelt gelangt. Die Welt der Schatten, in der es ein altes Kloster geben soll. Die Mönche bergen ein tiefes Geheimnis, das du nun lüften sollst. Geh zu dem Tor und lese die Inschrift laut mit fester Betonung, es wird sich ein Weg öffnen.”

“Eric, findest du dieses Tor noch einmal?”

“Ich weiß nicht? Wenn mich die Süße hier begleitet vielleicht. Na was ist, Schnecke? Wie wäre es mit uns beiden?”

“Eric lass die Frau in Ruhe, ich sag´ s dir im guten.” Meine Stirn legt sich immer in Falten und meine Nasenflügel zittern, wenn ich so wütend bin, wie jetzt.

“Jaja schon gut, ich hör ja auf, aber du siehst trotzdem lecker aus.”

“Ich nehme es als Kompliment und überhöre den Rest.” Sie stellt uns zwei Tassen mit lauwarmen Bärenblut hin und hastig trinken wir.

Gierig benetzt die so wundervolle Flüssigkeit meine Kehle und ich atme richtig auf. “Jetzt geht es mir gut.”

Eric fragt nach mehr und sie schenkt ihm eine zweite Tasse voll. Hastig stürzt er das lauwarme Nass in sich hinein und zwinkert die Schneiderin an. Sie reagiert aber nicht darauf.

“Es wird euch helfen in die Schattenwelt zu kommen und das gesegnete heilige Land zu betreten. Ich verspreche es dir, Emmelie.”

“Los komm schon Eric, wir müssen aufbrechen, bringst du mich zu deinem Fund?”

“Aber sicher.” Er blinzelt die Schneiderin verführerisch und gleichermaßen gefährlich gezeichnet an.

Ich zerre ihn am Arm nach draußen und wir fliegen nach oben zum Wasserfall. Die Nacht ist wunderschön und der Mond scheint zwischen den Bäumen hindurch während ich auf unserem Weg sehr wohl sein Opfer am Rande des Pfads bemerke und mir meinen Teil wortlos denke. Als wir immer tiefer gehen in das Dickicht hinein und ich die Geräusche der Nacht höre, wird mir mulmig. Ich spüre die Energie durch mich strömen, als wir ein Gebüsch beiseite schieben und sich das Licht der Nacht auf dem Steinmonument bricht. Ich versuche die Inschrift zu lesen und rufe Maru, die hoch über uns kreist, zu mir. Sie landet auf meinem Arm und ich trete vor die jahrtausende alten Steine. Sie sind stark verwittert im Laufe der vielen, vielen Jahre.

Ich sehe Gravuren, die herausgehauen wurden aus dem massiven Material und lese sie: “Heliorem elem algenis melatues, eluar akeni heptarlis!”

Ich rufe es hallend in die Weite dieser strahlenden Nacht und aus dem Tor hallt es wider. Es öffnet sich ein Abbild unseres hohen Rates der Engel und es flimmert. Ich übersetze mir die Worte: “Heiligkeit der Zeit besiegelt, was unvermeidlich ist.”

Ich gebe dem Ganzen noch den Nachdruck: ”Führt mich in euer Reich, ich flehe euch an. Ich bringe meinen Bruder mit, nehmt uns zu euch auf!”

Das Bild verblasst und ein Mann in einer weiten, dunkelgrauen Leinenkutte spricht zu uns: “Schließt die Augen und denkt an das tiefste Gefühl eures Herzens, dann geht durch die Pforte.”

Wir folgen den Anweisungen und ich sehe vor meinen verschlossenen Augen das Abbild unserer Eltern. Ich lächle und gehe vorsichtig los, Eric und Maru immer nah bei mir. Alles wirkt, als würde die Zeit stehen bleiben und im Innern sind immer wieder Bilder unserer beider Vergangenheit, die so schön und voller Glück geprägt war, in diesen Momenten. Dann wird es dunkel und ich erinnere mich schmerzvoll an den grausamen Krieg und meinen Bruder, der sehr so mordgelüstig ist, als wir ausgespuckt werden und die Sonne scheint. Ich stehe in einem Bogengang, auf deren linken Seite Türen abgehen und deren Steinsäulen verziert sind mit Ranken. Auf der rechten Seite ist ein Absatz und dann blickt man in einen wunderbar duftenden Garten, in dem mehrere Nonnen gerade das Unkraut zwischen den Pflanzen entfernen. Ich gehe weiter und bemerke, wie warm es hier ist. In der Welt der Schneiderin, war es Herbst und nahe Winter. Die Bäume haben schon so manche Blätter verloren und nur die Büsche und kleineren Bäume tragen noch volles Laub.
Hier ist wohl Frühling und kurz vor dem Sommer. Mir ist so warm und ich frage mich, warum die Nonnen alle samt so blass sind, trotz des wunderbaren Wetters. Sie beachten uns drei gar nicht und ich schicke Maru los, dass sie die Gegend erkundet. Ich fokussiere ihren Blick und sehe ein sehr großes Gelände, über das sie fliegt mit vielen Häusern und mehreren Kirchen. Sie fliegt über einen Garten und über Ländereien, in denen Parks angelegt sind. Ein Fluss mit strahlend blauen kühlem Nass plätschert dahin. Sie kommt zu einer Kirche, die weit hinten im Norden des Gelände ist und schwebt hinein. Das Sonnenlicht wirft wunderbare Schatten auf die Mosaikfenster und der Altar strahlt durch viele leuchtende weiße Kerzen. Ein Mönch, der dort gerade ein Gebet macht, hat´ s ihr angetan und sie landet auf einer nahe gelegenen Bank und krächzt ihn an.

“Oh, wo kommst du denn her?”, hallt seine sanfte tiefe Stimme durch den großen, hohen Raum.
“Bring mich zu deinem Herrn!”
Maru fliegt los und der ältere Mann läuft eilig hinterher. Ich gehe ihnen entgegen, während dessen Eric sich in einen Raum verirrt hat, in dem ein Bett, ein Nachttisch und ein Schrank stehen. Es ist ein Kreuz an der Wand und er fühlt sich recht unbehaglich. Er setzt sich aufs Bett, um sich später hinzulegen und ich lasse es geschehen. Nun kommt ein aufgeregter Mann auf mich zu und umarmt mich stürmisch.

“Ich begrüße euch in unseren bescheidenen Häusern. Ich freue mich so, dass ihr her gefunden habt und lade dich und deinen Bruder ein eine Weile hier zu bleiben.”

Da sehe ich etwas um eine Ecke huschen und registriere es als Schatten.

“Geht bitte zu meinem Brüderchen, er hat es sich in einem Zimmer hier auf dem Bett ganz bequem gemacht und liegt nun dort.”

“Lass ihn dort liegen, es wird ihm gut tun und komm mit mir, schönes Engelskind.”

“Sag, wie seid ihr auf uns gekommen? Wir hatten schon lange keinen so netten Besuch mehr?”

“Wenn ihr wüsstet, mein Bruder ist im ständigen Blutrausch und will immer nur morden und trinken, ich kann nicht mehr.”

“Lass sich die Nonnen um ihn kümmern, sie wissen was zu tun ist.”

“Nicht dass er sie angreift!?”

“Ich denke nicht.”

“Ich spüre so viel Leid in dir, sag was ist mit dir?”

Als wir so durch den Garten und viele kleine Häuserbogengänge gehen, fällt mir die Schönheit und Harmonie auf, die dieser Ort mit sich trägt. Die sanfte Stimme des Heiligen, umschmeichelt meine Seele. Mein Kummer kommt mir schon weniger schlimm vor. Ich erzähle dem für mich total fremden Menschen, meine ganze Lebensgeschichte und dass ich einfach gegen meine Bestimmung kämpfen muss.

“Ich kann und will keine Menschen mehr sterben lassen, auch wenn ihre Zeit ran ist. Ich halte die Schmerzen nicht mehr aus.”

“Du kannst nicht gegen dein Schicksal kämpfen und du musst abstumpfen bei deinen Aufgaben, nur so kannst du es mit Abstand betrachten und ihr nachgehen. Du kannst dich nicht für Dinge geißeln, die du nicht in der Hand hast. Komm mit, ich zeig dir etwas.”

Er führt mich in eine große Kirche, die ich schon durch Maru gesehen habe und sagt, dass ich allein hinein gehen soll. Ich öffne die schwere Metalltür und trete hinein. Hinter mir schiebt sie der Mann wieder zu, als ich einen Schritt gehe und mir ein Kloß im Hals steckt, weil ich diese unfassbare Schönheit nicht glauben kann. Da brechen alle Mosaikscheiben an den Wänden und die Splitter fliegen laut krachend durch den Saal. Mir kommen die Tränen und alle Gefühle brechen aus mir aus. Ich laufe knirschend durch die Fragmente, die mich so an die Trümmer meiner Welt erinnern und sehe durch die Metallsprossen der einstigen Mosaike hindurch. Mir laufen große, salzige Wassertropfen aus den Augen, auf die Scherben und die Sonne scheint in den Raum. Als ich durch das sechste Fenster schaue, sehe ich etwas hervorblitzen. Hoch oben fliege ich hin und greife danach. Es ist mitten zwischen den Streben im Fenster ein Handspiegel, der völlig unversehrt ist. Ich nehme ihn und schwebe zu Boden. Ich knie inmitten der Fragmente und wühle mit meiner rechten Hand darin, als ich eine Schnur greife und verdattert in all meinen Tränen ein rotes Bruchstück an einem Band in meiner Hand halte. Ich lege mir die Kette um und sehe in den Spiegel. Als das Sonnenlicht auf meine Kette fällt, bricht sich das Licht im Spiegelglas und ein Bild taucht auf, in dem ich Eric sehe, wie er eine Flüssigkeit aus einem Fläschchen trinkt und kurz darauf einschläft. Ich beschließe, nach draußen zu gehen und es aufzuklären. Ich wische mir nun die letzten Tränen aus dem Gesicht und gehe in Richtung der Tür. Ich öffne sie und hinter mir entfacht sich ein Wirbelsturm aus Glassplittern, die alle zurück in die mosaikvergitterten Fenster fliegen. Lautes Klirren umschwirrt meine Ohren, als ich hinaus gehe, ohne mich einmal um zu drehen.

Draußen steht der Mönch und sieht mich Freude strahlend an: “Na, da hast du ja unseren größten Schatz gefunden. Den Spiegel “Emrelec”, er zeigt dir die Zukunft, aber du weißt, dass sich diese jeder Zeit ändern kann, oder?”

In Gedanken versunken stecke ich den Spiegel ein und verstecke die Kette unter meinem Oberteil.

“Lass deinen Bruder bei uns und gehe allein deinen Weg weiter, die Nonnen kennen das Geheimnis der Engel und brauen einen Trank, der den Blutdurst unterdrückt. Er braucht ihn dann immer, nur dann kann er frei im Kopf für seine Aufgaben sein. Unterschätze ihn nicht, er ist nur gehemmt durch den unstillbaren Hunger, der seinen Dämon in ihm auslöst. Wir lassen seinen Dämon schlafen, so dass Eric zur Ruhe kommen kann.”

“Ich glaube beim transformieren haben sie aber etwas Hirn vergessen...”, sage ich ohne ihn dabei zu beleidigen.

“Er hat eine Kinderseele bekommen, als er aus seinem Tod wieder erweckt wurde und die hat diesen Hunger. Es ist schief gelaufen beim zurückkehren ins ewige Leben. Doch er ist sicherlich nicht dumm, du unterschätzt seine Intelligenz.”

“Okay, das wusste ich nicht und ich mache mir nun total Vorwürfe.”

“Das brauchst du nicht, lass ihn bei uns und wir helfen ihm, seinen Weg zu finden und zu sich vor allem.”

Behalte den Spiegel und die Kette, sie gehören unmittelbar zu einander.

Wie komme ich zurück?

Hier gibt es eine Tür die durch ein Gemälde in die Dimensionen führt, ich bringe dich zu dem Gang, aber das Gemälde musst du allein finden.

“Sagt wer war dieser Schatten, den ich gesehen habe?”

“Ach, das war die Mutter Oberin, sie findet keine Ruhe und geistert seit einigen Jahren hier herum. Sie ist gestorben ganz allein und einsam, als wir im Dorf waren um Kräutertränke zu verkaufen, das nimmt sie uns immer noch krumm. Sie treibt hier ihr Unwesen, also pass auf.”

3. Kapitel

Ich stehe inmitten eines langen Gangs, in dem Bilder hängen von Verstorbenen des Klosters. Ein ganz großes ist auf der rechten Seite und es zieht mich in seinen Bann. Darauf ist ein Mönch, der unglaublich gelitten haben muss. Er steht in einem Raum, der finster ist, und nur eine Kerze in seiner Hand erhellt einen Teil des Bildes. Ich gehe näher ran und entdecke hinten eine spärlich beleuchtete kleine Tür. Ich greife danach und Maru fliegt zu mir. Sie konzentriert sich und wir werden ins Gemälde gezogen. Im Innern des Tores sind lauter Bilder der Zeit und ich bemerke wie sich etwas in Maru´s Schnabel befindet. Als ich so durch die Ewigkeit schwebe, greife ich danach und entdecke die vollkommene Schönheit der weißen Engel in der Feder, in meiner Hand. Ich lege sie in die silberne Tasche und will mit meinem Raben sprechen, der Raum der Zeit verschluckt jedes Wort. Ich sehe in ihm die Engel aufblitzen und hoffe, dass mich das Tor zu ihnen führt. Doch als wir ausgespuckt werden, umgibt uns eine brütende Hitze. Alles weites, karges Land, und nur lauter Sanddünen sind zu sehen. Die Hitze schneidet mir die Kehle zu und die Sonne brennt erbarmungslos auf unsere beiden Köpfe. Ich schicke meine Krähe in die Ferne und konzentriere meinen Blick auf sie.

Sie fliegt hoch oben und weit in der Ferne sieht sie etwas, es scheint wie eine kleine Stadt. Die aber flimmert. Ich laufe meinem Vogel hinterher und bald darauf erkenne auch ich weit am Horizont die Zinnen der Stadt, desto näher ich ihr komme, desto weiter fliegt sie davon. Ich denke, dass es nicht mit rechten Dingen zugehen kann und laufe schneller, aber ich kann mein Ziel nicht erreichen, das wird mir klar. Ich breite meine Schwingen aus und schlage kräftig mehrere Male, bis ich hoch oben über der Wüste bin und erkenne, dass es eine Spiegelung ist. Ich schwebe mit meinem Tier über den Himmel und wir kommen schnell voran.

Irgendwann gegen Abend erreichen wir dann wirklich die kleine Stadt und ich bitte am Metalltor um Einlass. Maru fliegt schon vor und die Tore öffnen sich schwerfällig um kurz nach mir wieder runter zu fallen. Geschäftiges Treiben herrscht hier und ich beschließe mir eine kleine Pension zu suchen um erstmal über Nacht Rast zu machen. Ich brauche gar nicht lange suchen und sehe schon das Schild hoch oben an einem weiß gestrichen Haus. Um mich herum interessieren sich die Menschen nicht für mich und so kann ich in aller Ruhe bei dem älteren Herrn, der etwa 61 Jahre sein müsste und einen flauschigen Bart trägt, einchecken. Ich zahle für drei Tage im Voraus. Als ich auf dem sauberen, gemütlichen Zimmer ankomme falle ich ins Bett, decke mich total erschöpft zu und schlafe ein. Erst mitten in der Nacht werde ich unsanft wegen lauter Musik geweckt und gehe zum Fenster, das offen steht. Es ist eine kühle Nacht und draußen auf der Straße ist ein Straßenumzug von vielen Menschen in bunten Kostümen, aber die Masken sehen Furcht erregend aus. Ich bin neugierig und mich zieht´ s nach draußen. Würde ich in dem bunten Treiben, doch nicht auffallen. Maru fliegt krächzend über der Stadt und ich stürze mich ins Getümmel. Erst jetzt fällt mir auf, das es ein Ritual ist, das sie dort abhalten und die Geister von der Stadt fern halten wollen. Sie beschwören ihre Magie und ich kenne die Sprache nur zum Teil. Ich frage mich, was für Geister und laufe durch die Menschenmassen. Ich gehe in eine durch Laternen hell leuchtende Gasse und sehe ein kleines weinendes Mädchen in einer Häusernische sitzen. Es hält etwas in den kleinen Händen. Ich gehe darauf zu und Maru landet auf dem Bordstein neben mir.

“Was hast du da?”

Als das Schluchzen verstummt und das Kind aufblickt, sehe ich in strahlende, braune Augen, aber sie sind überflutet von Tränen.

“Sie ist kaputt.”

“Wer ist kaputt?”

Es gibt mir die kleine Spieluhr mit einer Ballerina und ich versuche sie aufzuziehen, aber sie dreht sich nur und gibt keine Musik wieder. Sie hat geschwungene Symbole und ich sage dem Mädchen, dass ich sie nach Hause bringe und die Uhr reparieren lassen werde. Es wischt sich schniefend Tränchen aus dem süßen Gesicht und nimmt mich an die Hand.

“Los komm, ich bring dich zu meinen Eltern.”

Wir laufen immer tiefer in die verwirrenden Straßen hinein und ich weiß gar nicht, wo ich bin. Ich halte die Spieluhr in meinen Händen und das Mädchen bleibt vor einem halb verfallenen Haus stehen.

“Wir sind da, sie werden böse sein, wenn sie merken, dass die Uhr kaputt ist. Ich hab Angst.”

Ich klopfe zögerlich an und spreche zu dem offenen Fenster, das von innen mit einem Fetzen Gardine behangen ist, und aus deren Raum Licht nach draußen dringt. Ich höre in der Ferne die Musik von dem Fest.

“Hallo, ich bringe ihr Töchterchen zurück, bitte machen sie auf.”

Vorsichtig öffnet eine dünne Frau die Tür und schiebt ihr Kind hinein.

“Verschwinden sie.”

Ich nutze meine Chance und frage, was es mit dem Fest auf sich hat. Da geht die Tür richtig auf und die etwa 37 jährige Frau, die mitgenommen aussieht, bittet mich hinein. Ich trete ein und sie verbarrikadiert die Tür von innen.

“Was ist hier los?”

“Es ist eine lange Geschichte, jedenfalls gibt es hier ein Wüstenvolk, das immer wieder versucht, unsere Stadt heim zu suchen und Seelen zu rauben. Wir leben alle in Angst und nur die Zauber unseres Volkes können die Geister aufhalten. Sie steigen aus dem Sand empor, wenn es Sommer-Sonnen-Wende ist. Darum dieses Fest. Was hast du da?”

Oh, erst jetzt fällt mir auf, dass ich vergessen habe, die Uhr zu verstecken.

“Oh, ich will sie reparieren lassen, mir ist sie runter gefallen”, versuche ich zu lügen.

“Sei ehrlich mein Kind, du hast sie kaputt gemacht. Los schlafen gehen, ab mit dir, ich will dich nicht mehr sehen.”

“Hey nein, nicht so mit dem kleinen Kind reden, es ist bestimmt nicht ihre Absicht gewesen. Ich bring es in Ordnung.”

Als ich die Uhr näher betrachte, fällt mir der lose Deckel auf, der auf der Unterseite normalerweise angeschraubt sein müsste. Ich hebe ihn vorsichtig ein Stückchen und sehe das bekannte Leuchten darin.

“Sie ist ein Erbstück und hat immer einwandfrei funktioniert.”

“Ich bringe ihnen das Erbstück wieder, versprochen. Ich muss leider gehen, tut mir leid.”

Nervös gehe ich in Richtung Tür und das Mädchen, das etwa 9 Jahre ist, läuft aus ihrem Zimmer und schließt mich in die kleinen Arme.

“Lass los, Anni.”

“Ach lassen sie die Kleine doch. Ist okay.”

Wärme durchströmt mich in diesem Augenblick und ich lächle.

“Machs gut, Kleine. Ich komme bald zurück.”

Dann gehe ich eilig auf die Straße in Richtung fest, zur Pension zurück.

“Maru komm her”, rufe ich befehlend zu meinem Tier und kurz darauf landet sie auf meiner Schulter.

“In der Uhr hat sich eine Feder, ins Urwerk verhackt, das machen wir in unserem Zimmer. Los komm. Ich konnte es der Familie nicht sagen.”

“Du hast recht.”

Wir laufen immer schneller und mein Herzschlag beschleunigt sich. Ich spüre eine nervöse Energie in mir strömen und merke wie sich meine Eckzähne raus drücken. Ich beachte es kaum und versuche dieses heiße Gefühl zu unterdrücken.

Als ich an den Menschen vorbei gehe, wird der Drang immer stärker, sie riechen zu gut. Ich beeile mich, aufs Zimmer zu kommen und schließe rasch die erlösende Tür hinter mir.

“Das war knapp, Maru.”

“Das kannst du laut sagen.”

Ich setze mich an einen kleinen Tisch und hebe vorsichtig den losen Deckel der Spieluhr ab. Mich blitzt tatsächlich ein Feder an und ich versuche sie aus dem Spielwerk unversehrt zu lösen. Nach 4 Minuten gelingt es mir und ich halte das Engelgleiche Symbol in meinen zittrigen Händen. Jetzt fließen wohlige Wellen in meinem Körper und ich stecke sie in mein Silbersäckchen, in dem schon so manche Federn sind. Ich schließe die Uhr und ziehe das Werk auf. Ein lieblicher Klang ertönt mit einer berauschenden Melodie die mich schläfrig macht. Ich stelle sie auf den Nachttisch und lege mich unter die kuschelige Decke des großzügigen Bettes. Die Matratze ist weich und so versinke ich durch die wohligen Klänge in Traumwelten. In dieser Nacht höre ich Stimmen. Stimmen die mich zu sich rufen. Ich komm immer wieder von Albtraum zu Albtraum und weiß nicht wie ich mich retten soll. Ich träume von Fratzengesichtern, die wie Nebel aufsteigen und mich umschwirren. Die bedrohlich sind und schleichend versuchen meine Gedanken zu lesen. Ich versuche Mauern aufzubauen, aber es kostet so viel Kraft.
Da schrecke ich plötzlich hoch und höre eine wispernde Stimme in meinem Kopf, die mich selbst jetzt zu sich ruft. Draußen ist es noch finster und so lasse ich Maru schlafen und gehe wie in Trance aus dem Haus. Draußen ist alles still, die Menschen schlafen alle und es zieht mich vor die Stadt, die Lichter immer im Rücken. Mir ist total unwohl in meinem Innern und ich versteife meine Gedanken auf eine Mauer, um nicht das Geheimnis des Hütens über die Feder preis zu geben. Ich sehe wie Stürme aus Sand um die Mauern der Stadt wehen und aus ihnen steigen Geister auf. Sie umschwirren mich, wie in meinem Traum und sprechen schnippisch mit mir.

“Na Kleines, hast du uns was zu sagen?”

“Was wollt ihr von mir, ich hab euch garantiert nichts zu sagen?”

“Wir denken schon. Los komm sprich es aus und wir entführen dich in unsere Welt.”

Ich spüre wie sich ein Geist mir nähert und festige meine Gedanken auf eine Mauer. Seine Arme umschließen meinen Kopf und als ich die Kälte spüre, rast mein Herz.

“Haut ab und lasst mich in Ruhe, ich hab nichts für euch und will garantiert nicht in eure Welt.”

Ein zweiter streicht mit seiner Hand über meinen rechten Flügel und in mir gefriert es in den Adern. Ich renne los, aber die Fänge sind stärker. Ich rufe in Gedanken meine Krähe und wünschte, mich würde jemand hören. Maru unterdessen hört meine Hilferufe und konzentriert sich auf einen gemeinsamen Zauber.

“Makeu, atuis, elemari, etnoriss.”

Ein Lichtstrahl fährt aus meinem Innern und Flammen, so heiß, durchfließen meinen Körper. Die Geister werden weggeschleudert und ich renne nochmals los. Ich durchquere die Magische Pforte, und am Horizont graut es schon. Ich laufe schnell zur Pension zurück und Maru sitzt oben auf dem Fenstersims und krächzt mich zustimmend an.

Oben außer Puste angekommen, sage ich voller Leibesgefühl: “Puh das war aber knapp, das war so gefährlich! Jetzt weiß ich, was die Menschen mit ihrem Fest bezwecken.”

Maru schwebt hinein in den Raum, der langsam erhellt wird von Morgenrot. Die Kälte der Nacht weicht einer wohligen Wärme um mich herum und meine Geister sind wie weg gepustet. Ich verschnaufe und rede eine Weile mit meiner Krähe und als die Sonne hoch am Himmel steht und die Straßen belebt sind, gehe ich aus dem Zimmer und auf den Weg vor dem Haus. Ich habe dem kleinen Mädchen versprochen, ihr die Uhr wieder zu bringen und das werde ich tun. Ich laufe an freudigen Menschen vorbei, die sich in den Straßen und Gassen tummeln und komme dann zielgenau zum Haus. Als ich anklopfen will, geht die Tür von selbst auf. Als ich rufend das Haus betrete und in die Wohnung komme, ist alles verlassen, keine Menschenseele mehr dort. Ich gehe zur Anrichte und stelle das kleine Spielwerk darauf, ich ziehe es auf und eine wundersame schöne Melodie erklingt, die kleine Ballerina auf der Uhr tanzt im Kreis und gibt immer stetig Wellen aus Licht frei. Das Leuchten wird so stark, dass es mich und Maru, die gerade fragend hinein schwebt in die Wohnung, gefangen nimmt. Wir werden verschlungen und im Innern ertönt immer noch laut hallend das Lied.

4. Kapitel

Als wir aus dem Licht ausgespuckt werden, ist Dunkelheit um uns rum, aber man kann noch einiges erkennen.

“Ich bin zuhause”

“Ja leider, Emmelie. Der Albtraum nimmt kein Ende.”

Doch wir sollten noch spüren, was diese Welt wirklich beinhaltet.

Über uns ist Donnergrollen und vor uns ein riesiger Teppich aus Dornenfeldern. Da höre ich hinter mir Blitze vom Himmel jagen, die von einem Gelächter begleitet werden, ich ziehe blitzartig mein Schwert, dessen Klinge pechschwarz gefärbt ist, was auf große Gefahr deutet, und schwinge es. Die Himmelsdämonen werden mehrere Meter weit geschleudert von der Wucht der Welle meiner Waffe. Hinter mir baut sich ein dritter aus einem Blitz auf und er greift mich bedrohlich an. Sie haben dämonische Fratzengesichter und sind knöchrig grau gelb energetisch blitzend. Er will gerade nach mir greifen, da surrt die Klinge durch seinen Arm und schlägt die Hand ab. Rotes Blut spritzt herum, trifft mich aber nicht. Die Hand formt sich morphartig zu einem weiteren Dämon und ehe er ausgebildet ist, schleudere ich mit einer Schwingung mir den Weg frei in das Dornenfeld. Ich renne los und Maru schreit von einem Zweig aus dem Innern der großen Büsche, dass ich mich beeilen soll. Hinter mir schließt sich eine spitze Rankenwand und die Dämonen höre ich in der Ferne fluchen.

Ich laufe nach vorn weiter und komme in einen Raum, der nur spärlich beleuchtet ist. Ich sehe durch das Dickicht der Äste, die den Raum umschließen, Augen vorblitzen. Sie leuchten gelb und als ich näher heran trete, sehe ich eine Eule auf einem Baumstumpf sitzen. Das Tier wirkt anmutig und edel und das Gefieder glänzt wunderschön. Ich erkenne etwas glitzerndes an ihrem Fuß und frage mich, was es ist. Aber da höre ich in meinem Kopf schon eine Stimme. Und meine Flügel klappen aufgeregt aneinander. Es gibt ein leises Geräusch.

“Mein Kind komm näher, ich möchte, dass du etwas von mir an dich nimmst. Ich kann dir nicht viel geben, aber das hier. Es wird dir helfen und du findest damit dein Schicksal. Glaub mir, du wirst es gebrauchen können.”

Ich zögere noch, aber laufe auf die Eule zu, deren weibliche Stimme sanft klingt und voll Gefühl. Es schaudert mich im gleichen Atemzug, wie ich an dem Fuß das Bändchen löse und den silbern blau schimmernden kleinen Schlüssel an mich nehme. Die Krallen sehen scharf aus, aber ich lasse mich davon nicht beirren.

“Dankeschön, wie kommt Ihr hier her? Warum seid ihr immer noch hier?”

“Ich wusste, dass Du kommst und musste hier bleiben, um den Moment nicht zu verpassen, bis du den Schlüssel bekommst.”

“Ich werde ihn gut aufheben, ich versprech´s...”, sage ich laut aber dann murmele ich in mich hinein, dass ich keine Ahnung habe, was ich damit machen soll.

Doch das edle Tier hört es und sagt: “In einer eisigen Welt, wird es dir nutzen, es ist eine Herzenssache.”

Ich krause die Stirn und denke nach, aber mir fällt nichts dazu ein.

“Wie soll ich hier raus kommen, draußen warten Dämonen der schwarzen Armee, ich bin nur hier sicher.”

Die Eule sagt, ich solle den Spiegel nehmen und hinein sehen.

“Ach ja, der Spiegel!” Ich öffne meine Tasche und greife nach dem Handspiegel. Ich nehme die Kette mit der roten Scherbe und spreche meinen Wunsch in sie hinein. Ich spiegele die Kette im Glas in meiner Hand und ein Nebel taucht auf darin. Dann ein Bild einer Statue, die so wunderschön ist, dass es mir den Atem raubt. Mein Herz schlägt mir bis zum Hals und ich wünsche mich dorthin.

“Ich will einfach nur bei ihm sein. Bitte hilf mir, dass ich dort hin komme. Ich weiß nicht, ob ich ihn aus seinem Eis befreien kann, aber ich muss es versuchen.”

“Also gut, es ist besiegelt. Schließe deine Augen und spüre die Wärme in deinem toten Leib. Er erfüllt dich mit all deinem Leben, das dir entsagt ist, geh zu ihm.”

Die Eule breitet ihre schönen perfekten Flügel aus. Ich stecke den Spiegel ein und schließe meine Augen. Dann breite ich voller Leben gefüllt und lächelnd meine Arme aus so weit ich kann und klappe meine Flügel ein. Warme Wellen durchströmen mich und ein Kribbeln durchzieht den ganzen Körper. Die Eule schlägt mit den Flügeln und Splitter aus wundervollem funkelnden Licht umgeben mich. Blaues Leuchten umgibt mich und die Schneeeule gibt mir alle guten Wünsche mit auf meinen Weg. Maru sitzt nun auf meiner Schulter und ich schwebe über dem Boden. Ich löse mich auf in kleine Partikeln und als ich mich zusammen setze, ist alles eiskalt um mich herum. Es leuchtet hell/weiß/blau. Ich bin in einem Gang, komplett von Eis umgeben, in dem Wesen eingefroren sind. Ich gehe weiter und mein Schritt hallt von den Wänden wieder. Ich bin ganz allein. Maru fliegt vor und ich fokussiere sie, ich sehe wie sie in der Ferne in einen Raum schwebt, indem viele Statuen stehen. Doch eine hat es ihr besonders angetan. Ich erkenne natürlich sofort diesen Jungen im Eis und laufe immer schneller, und schneller. Mir ist es egal, dass mich jemand hören kann und außer Puste, wegen fehlender Kondition, bin ich nun auch in der eisigen Halle. Mir ist gar nicht kalt, denn die Gefühle übermannen mich, als ich auf den Elf zulaufe. Ich ahne, dass es die Kristallelfen sein müssen, die ja die Nachkommen der Silberelfen sind und ich in ihrem Palast sein muss. Aber warum sind die hier alle eingefroren? Ich streiche übers blanke Eis in dem sein Gesicht ist und mir wird bang. Ich bin total verzweifelt und schicke Stoßgebete in den Himmel, dass jemand ihn erlösen soll. Ich gehe ein paar Schritte beiseite und betrachte ihn. Da fällt mir auf, dass im Eis ein Loch ist. Genau dort, wo sonst sein Herz sein müsste. Es ist klein, aber gut zu erkennen. Ich greife in meine Tasche und da fällt mir das Bändchen entgegen, sofort greife ich aufgeregt und total zitternd vor Nervosität den Schlüssel.

Ich stecke ihn in das Loch und drehe ihn viele, viele Male um. Wie in einem Uhrwerk geht ein Motor an und ich spüre das Eis unter meiner Hand schmelzen. Ein Lächeln legt sich auf mein sonst ernstes Gesicht und da falle ich dem Elf auch schon um den Hals. Ich kann nicht an mich halten und bedecke das aufgetaute blasse Gesicht mit Küssen. Er umarmt mich stürmisch und seine blauen Augen strahlen mich verliebt an. Eine feine männliche Stimme erklingt und ich wünsche mich in den 7. Himmel.

“Endlich bist du da, nach 200 Jahren hab ich dich endlich hier. So lange warte ich schon auf dich.”

Übermütig küsst er mich auf den Mund und hält mich fest umklammert. Da setzt sich plötzlich eine gewaltige Energie frei in ihm und ich spüre nur, wie ich durch die Luft wirble und gegen eine nahe liegende Statue falle. Sie fällt und zerbricht in hunderte Fragmente. Er ist blitzschnell bei mir und hilft mir auf. Wir finden uns in leidenschaftlichen und voller Begierde sprechenden Küssen wieder. Ich stoße ihn so kräftig von mir weg, weil mein Herz sticht vor Schmerz, dass er gegen eine benachbarte Eisfigur fällt und sie zu Bruch geht. Ich fliege auf ihn zu und umarme ihn voller Liebe gefüllt. Ich spüre die eisige Kälte nicht, aber die Liebe. Ich sehe ihn an und zerre an seinem Shirt, ich reiße es letztendlich kaputt und als es zu Boden fällt, höre ich das Klirren einer Eisplatte. Voller Traurigkeit sieht er mich an und ich spüre seinen Körper bersten in meiner Umarmung. Doch da ist es passiert, er steht starr vor mir und eine dünne Schicht Eis zieht über ihn. Von unten sind seine Füße schon festgefroren und er wirkt wieder wie tot. Ich möchte weinen, aber habe keine Tränen, stattdessen versuche ich hysterisch an dem Schlüssel zu drehen, der aber mit fest gefroren ist.

“Nein, nein, das darf nicht sein. Das kann nicht sein. Los beweg dich endlich, du Scheiß-Schlüssel. Mach schon...!”

Voller Wut und Trauer umklammere ich den Brocken vor mir und versuche meine Wärme an ihn abzugeben und auf ihn zu übertragen. Aber nichts. Das Eis ist inzwischen so dick, dass mein Körper blau gefroren ist, aber der Elf immer noch totenstarr dasteht.

“Verdammt, bitte beweg dich doch, das kann nicht euer Ernst sein! Soll das nun meine Strafe sein?”

Ich breche zusammen und lande auf meinen Knien, Maru schmiegt sich tröstend an mich und ich nehme sie auf meinen Arm.

“Meine Kleine, kannst du mir Rat geben?”

Da fasst auf einmal eine warme Hand auf meine Schulter und beruhigt mich mit zarter Stimme.

“Sei nicht traurig, es ist ein Fluch. Du kannst kaum etwas dagegen machen. Sei nicht mehr so verzweifelt.”

In meiner Wut schreie ich der Kristallelfin ins Gesicht. “Na klasse, auch noch das, reicht das alles nicht schon, hab ich nicht genug auf meinen Schultern geladen?!”

“Schüüüütttt....”, wispert sie mich an. “Du brauchst nicht so laut werden, ich kann dich verstehen, aber bis jetzt konnte dem Prinzen niemand helfen. Seit 2 Jahrhunderten schon steht er starr dort, aber du hast ihn erweckt und sein Herz zum Schlagen gebracht. Das ist viel mehr, als all die anderen geschafft haben.”

“Na toll...!”, sage ich leise und gnatzig.

“Hilf mir, dass ich ihn befreien kann aus seinem Gefängnis. Ich bitte dich, ich liebe ihn und ich spüre, dass er bei mir sein will!”

Sie schnipst mit ihren Fingern und die Fragmente der Statuen fliegen in Wirbeln zurück an ihren Platz. Nichts erinnert mehr daran, was hier war. Außer dem Schlüssel der in meinem Liebsten steckt.

“Komm mit nach draußen. Ich zeige dir etwas.”

Ich atme schwer und tief durch. Ich schlucke all meinen Frust und die immense Traurigkeit runter und laufe gar nicht begeistert hinter her, immer mit dem Kopf nach unten.

Als sie die große Tür mit einer Handbewegung öffnet und ich nach draußen komme, blendet mich das helle Licht und ich bin inmitten einer wundervollen Schneelandschaft. Ich laufe mit offenen Mund los und eine kleine Kinderelfin kommt auf mich zu und nimmt mich an die Hand. Sie bauen gerade einen Schneemann und ich soll einen blauen Schal um den Hals legen. Sie sind zu klein. Das Kind hat eine Mütze auf. Doch die spitzen Ohren kucken raus und die eisgrünen Augen blitzen mich erwartungsvoll an. Sie gibt mir den Schal und ich starre sie einfach nur an, weil ich so gefesselt bin von diesen atemberaubenden Augen.

“Engel, mach endlich...!” Sie hüpft freudig und voller kindlicher Leichtigkeit auf und ab und ich sehe, als ich den mollig kuscheligen Wollschal um den Mann lege, dass ein zweites Kind einen Schneeengel in den Schneeberg neben mir wischt. Der kleine Körper steht auf und ich frage mich, wie alt die Kleinen wohl sind. Zum Dank nimmt mich das Mädchen an die Hand und ich sehe, wie Maru über mir am Himmel ihre Bahnen zieht. Sie führt mich zu einem Iglu am anderen Ende der Fläche und sagt, ich solle klopfen, was ich auch prompt tue. Ich muss mich bücken und klappe meine Flügel so nah an meinen kalten Körper, dass ich durch den Eingang passe. Bei meiner Größe ist das nicht so leicht. Ich höre jemanden kommen und mit knarrendem Geräusch geht die Holztür auf. Eine ältere Kristallelfin sieht mich an und ich versuche immer noch das Alter heraus zu bekommen, was mein Anstand mir aber verbietet. Komischerweise weiß die Dame sofort, wer ich bin und bittet mich hinein. Ich weiß nicht, was mich erwartet und presse mich durch den schmalen Eingang. Im Innern ist es hell und sehr gemütlich eingerichtet. Sie bietet mir einen Platz auf einem Fell an, das wohl ihr Bett sein muss und schenkt mir eine aus Eis gehauene Tasse mit lauwarmen Blut ein.

“Trink Mädchen, du brauchst die Stärkung”, spricht eine sanfte und beruhigende Stimme mit mir.

“Hast du schon mal von unseren Urahnen den Silberelfen gehört, sie hatten große magische Kräfte und beherrschten mehrere Dimensionen. Sie haben wirklich Großes bewirkt und im Laufe der vielen Jahrhunderte wandelte sich die Silberenergie in die der Kristalle. Wir leben im Eis weil wir die Kälte brauchen für unsere Kräfte. Glaub einer 473 jährigen Frau, die schon viel gesehen hat, dass du etwas ganz besonderes bist. Deine Gabe ist verboten unter den Todesengeln und deine Gefühle musst du in den Griff bekommen, sonst verbannen sie dich noch aus unseren Welten, an einen grauenvollen Ort.”

Ich murmele vor mich hin: “Grauenvoller als mein Zuhause kann es kaum werden, aber ich liebe mein Zuhause und will alles tun, dass die Zukunft besser wird, dafür bin ich hier. Sagt, kennen sie so einen Stein?”

Ich hole den pulsierenden Herzkristall raus und lege ihn in die Hände der Frau.

“Oh Schätzchen, wo hast du ihn her? Lass ihn hier bei mir, ich will, wenn der Krieg bei euch vorbei ist, mit Hilfe der Königin die Einhörner in eure Welt zurück bringen. Das geht nur mit diesem Stein und mächtigen Zaubern... alten Zaubern, die ich und die Königin als einzige noch beherrschen.”

“Gern, sie wurden alle verbrannt und ich habe zwischen den Rippenknochen dieses Herz gefunden.”

“Du hattest aber noch jemanden bei dir auf deinem Weg?”

“Ja Eric, meinen Bruder, der aber, um gesund zu werden, nun bei den Mönchen in einem Kloster lebt.”

“Pass gut auf, auf euch zwei.”

Maru landet auf einem kleinen Fenstersims aus Schnee und ich sehe sie.
“Wir müssen...!”

“Ja, aber ich muss dich vorher um etwas bitten. In unserem Reich gibt´ s viele Schneestürme und ich ahne, dass sie von dem höchsten Berg unseres Landes herrühren. Kannst du helfen, dass sie aufhören?”

“Puh, ich kann es versuchen, aber versprechen kann ich´ s nicht, dass ich etwas ändern kann daran.”

“Der Versuch ist schon viel...”

Ich zwänge mich, nachdem ich den letzten Tropfen Blut ausgekostet habe, durch den kleinen Eingang, nach draußen. Ich bitte Maru, in meiner Nähe zu bleiben, und stoße mich mit gekonnten Flügelstößen vom Boden ab. Ich fliege hoch oben über dem wunderschönen Land, die Winde hier machen es mir nicht einfach. Nach 10 Minuten sehe ich den Gipfel des Berges und versuche einigermaßen glimpflich zu landen. Hier kreisen Wolkenfelder immer rotierend über dem Gipfel und ich sehe, wie immer wieder Felder über die Welt hier hinweg fliegen. Sie stiften Unheil. Ich lande unsanft aber dennoch gut auf einer Schneefläche und schaue mich um. Kristalle aus Eis wirbeln um mich rum und ich sehe, wie sie immer wieder ihren Ursprung in etwas vor mir finden, das ich nicht ausmachen kann darin. Ich zittere vor klirrender klarer Kälte und mein Atem formt sich zu Nebel, als er aus meinem Mund heraus kommt. Ich bibbere und meine Lippen sind schon blau gefroren nach wenigen Minuten. Ich kämpfe mich durch die Winde hindurch und gelange zu etwas, das dort festgefroren im Boden steckt. Ich sehe, dass es der Ursprung des Übels ist und reiße es aus dem festen Boden. Maru schickt mir magische Gedanken, obwohl ich sie nicht sehen kann im Schneegestöber und ich spreche die Worte:

“Evano algua Valeime enoninm!” Mit viel Nachdruckt hallt es in die erstickenden Wolken und sie reißen auf.

Als ich heraustrete aus dem Kreis, der mich umgibt, verziehen sich sämtliche Wolken und der Wind flacht ab. Ich reibe die Feder in meiner Hand, um sie aufzutauen und bemerke erstmal, was für eine unglaubliche Magie in ihr steckt. Geahnt habe ich es lange schon, aber nun wird es mir so richtig deutlich. Ich stecke sie in mein silbernes Säckchen und genau in dieser Sekunde fasst mir eine gedrungene aussehende Person auf die Schulter. Weiße Haare, dicklich und klein, aber Elfenohren und ziemlich giftig meckernd.

“Was willst du hier? Hau ab, ich kann hier oben niemanden gebrauchen!”

“Sag mir erst wie du heißt, Zwerg!”

“Oh, das schlägt dem Fass den Boden aus, auch noch beleidigend werden, nachdem du meine schönen Zauber zerstört hast. Das könnte dir so passen”, brüllt der Winzling vor mir, wild fuchtelnd und hysterisch, rum.

“Hey, hey du brauchst gar nicht so persönlich werden, du hast den Elfen da unten Unheil gebracht und ich habe ihnen geholfen. Du brauchst dich hier nicht so aufbauen vor mir.”

“Pass auf, mit wem du dich anlegst Engel, ich bin der Herr der Berge und du ahnst nicht, was ich für Kräfte habe.” Er versucht, mich zu schupsen, aber kriegt mich nicht einen Zentimeter bewegt.

“Na bitte, jetzt weiß ich wenigstens, wie du lustiger Kerl heißt”, erwidere ich schnippisch.

Das Männlein rennt in Windeseile los und immer weiter den Berg hinab. Ich sehe fast die gedrungenen Beine rotieren, so schnell läuft er.

“Los, lass uns hier weg fliegen, eh dem Männchen noch was einfällt.”

Maru blinzelt mir vor mir aus dem Schnee zu und ich breite meine Schwingen aus. Kurz darauf landen wir im Tal, wo sich schon 50 Elfen versammelt haben um uns zu zujubeln. Sie haben längst die Wolken ziehen sehen und empfangen mich und Maru applaudierend mit einer Decke in der Hand der Königin. Jetzt erst bemerke ich, dass, als ich meinen Liebsten verlor an den Fluch, mir die Königin beruhigende Worte zugesprochen hat. Sie trägt eine Kristallkrone, die im Sonnenschein wunderschön funkelt. In der Hand einen kleinen Zauberstab. Ich ahne, was sie vor hat und freue mich darauf. Sie streckt die Hand aus, während Maru vor mir auf dem eisigen Boden landet. Wenige Momente später befinden wir uns schon in einem Dimensionstor, das in vielen Kristallfarben strahlt. Ich fühle mich stark und wir fliegen durch ein Zeitfenster, das uns mitten in eine belebte Großstadt bringt. Ich fühle mich merkwürdig und bemerke zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass meine Flügel hier unsichtbar sind. Ich sehe zwar von der Kleidung her aus wie vom anderen Stern, aber sonst wie ein Mensch. Ich fühle mich zwischen den ganzen Wolkenkratzern unwohl und kann mich nur schwer orientieren. Der Mief der Abgase liegt in der Luft und schnelle Autos rasen an mir vorbei. Mich bemerkt hier niemand und ich beschließe, mir ein stilles Plätzchen zu suchen, in dem ich in meinen Spiegel sehen kann.

Ich irre 3 Stunden ziellos umher, bis ich an einen Park komme, der liebevoll angelegt wirkt. Er passt gar nicht ins Bild, aber hier fühle ich mich wohl. Ich suche mir eine leere Bank und setze mich. Ich krame in meiner inzwischen ziemlich schweren Tasche und wühle mich zu dem Spiegel vor. Bis ich ihn habe und meine Kette hervor hole. Ich greife fest den Stein in meiner linken Hand und halte den Spiegel in der rechten. Ich schließe die Augen und wünsche mir irgendein Zeichen, was ich hier soll, warum mich die Königin hier her schickte. Inständig bete ich zu den Mächten und als ich die Augen öffne und ins Glas blicke, formt sich aus dem Nebel ein Gesicht. Eine faltige alte Frau, die sich die weißen Haare kämmt und wunderbar singt dabei. Ich frage, wo das ist und da taucht das Gebäude auf. Auf dem steht ein verwittertes Schild über den kaputten Stufen des Eingangs und den Glastüren. Es sind viele Plakate auf die Scheiben übereinander geklebt und sieht abgewohnt aus, das ganze Haus. Auf dem Schild steht “Humbuck Theater”. Ich deute in der Luft eine wischende Handbewegung an und gehe los. Nachdenklich durchwandere ich zielstrebig die Straßen und über mir scheint die heiße Sonne. Nachdem ich eine ganze Zeit lang mich irgendwann völlig verirrt habe frage ich einige Passanten nach dem Weg und irgendwann, die Sonne steht in ihrem Zenit, erreiche ich endlich das Gebäude. Ich versuche die Tür aufzuschieben, aber sie ist abgeschlossen. Mir bleibt nichts anderes übrig, als den Hintereingang oder ein offenes Fenster zu suchen. Maru fliegt voran und sieht eine schwere verrostete Eisentür an dem kleinerem Haus. Ich laufe um die Ecke, als sie nach mir kräht. Hier hinten ist es ziemlich schmutzig. Ich laufe an toten Mäusen und einer zerzausten streunenden Katze vorbei, die in einem Holzkasten voll Müll nach etwas Essbarem sucht. Mir tut das Tier sehr leid, aber ich habe auch nichts Essbares bei mir. Ich lehne mich gegen die schwere Tür und versuche sie mit all meiner Kraft aufzuschieben. Da endlich, merke ich wie sie nachgibt und beflügelt davon ziehe ich weiter. Ich bekomme sie einen so großen Spalt wie ich bin, auf und schlüpfe hindurch, Maru nach mir. Sie fliegt vorweg und ich laufe einen Gang entlang mit einigen Türen und einer vergilbten Tapete an den Wänden, auf dem ein Blumenmuster zu sehen ist. Die Türen sind verschlossen an denen ich vorbei gehe und vorsichtig an die Klinken fassen, aber dann sehe in der Weite mit Marus Augen eine angelehnte Tür, aus der ein Licht nach draußen auf den Gang scheint. Als ich näher komme, höre ich jemanden eine Melodie summen und sehe, als ich dort bin, zaghaft durch den Spalt ins Innere. Die alte Dame sitzt an einem Schminktisch und tuscht sich die ohnehin viel zu stark geschminkten Augen, nach. Die trägt eine Federboa um den Hals und im Haar eine weiße Feder. Sie blitzt im Licht der gelben Lampe und einen Garderobenständer mit wunderschönen Kleidern kann ich auch ausmachen. Maru schwebt auf eine Anrichte und ich trete ins Zimmer. Die Frau lächelt in den Spiegel in dem sie mich sieht und dreht sich um.

“Nun bist du doch gekommen, lange Zeit habe ich gerätselt, wann du wohl erscheinst, um mich mit zu nehmen. Ich weiß sehr wohl, wer du bist. Ich bin nun 87 Jahre und hatte ein wildes, wunderschönes Leben, meine Urenkel können nun auch ohne mich sein und meine Kinder sind selbst schon kurz davor in Rente zu gehen.”

“Ja, deine Zeit ist da und ich werde dir helfen bei deinem letzten Gang ins Himmelsreich.”

“Schließe bitte die Augen und entspann dich.” Die Diva gehorcht und lächelt müde und erschöpft dabei. Ich lege meine linke Hand auf ihr Herz und mit der Rechten ziehe ich die Feder aus ihrem hochgesteckten weißen Haar. Die Omi sinkt eingeschlafen in ihrem Sessel zusammen und ich spreche die Worte: “Warmé akeila amra etamie....!”

“Wir Schwellengänger zwischen Leben und Tod entscheiden uns für den Tod, segnen diesen Körper für die Ewigkeit und geben ihn für den ewigen Frieden seiner selbst frei!”

Das Lächelt friert ein in dem Gesicht der Diva und ich sehe vor meinen Augen ihr Leben an mir vorüber ziehen, als ihr Lebensfunke der Seele entweicht und in meiner Hand nun schwebt. Ich spüre all ihre Zufriedenheit und in mir steigt Wehmut auf. Es ist das erste mal, dass ich keine Qualen erleide und schlimme Dinge sehe in einem Menschen. Ich schnipse mit den Fingern und der Funke zerspringt in tausende Lichtpunkte, die sich auflösen. Ich bin erstaunt über mich, als ich das Haus mit noch einer weißen Feder im Gepäck verlasse. Ich habe mir als Ziel für meinen Weg noch mal den Park auserkoren und steuere sicher darauf zu. In Gedanken bin ich immer noch bei der alten Schauspielerin. Nach einer halben Stunde komme ich zufrieden in dem Wäldchen an. Mir scheint es zumindest fast so. Ich laufe den Weg entlang an zahlreichen duftenden Blumen vorbei und grüne Büsche und Bäumen umsäumen meinen Pfad. Bis ich etwas seltsam leuchtendes aus einem Gebüsch neben mir sehe und Schauer mich durchfahren. Ich gehe darauf zu und schiebe das Blätterwerk beiseite. Da bietet sich mir ein Bild des Grauens. Es ist ein etwa 40 jähriger toter Mann, der grauenvoll zugerichtet wurde. Ich hocke mich hin und nehme den geschundenen Arm, um den Puls zu fühlen, aber es ist keiner mehr fühlbar und der Leib schon kalt. Das Blut sieht schon angetrocknet aus und er ist übersäht von Biss- und Kratzspuren. Ich sehe, dass er aber wohl als Todesursache das Genick gebrochen bekommen hat. Ich frage mich, während ich den blassen Leib mit vielen, vielen Händen voll Blätter bedecke, welches Tier so intelligent sein könnte, um ihn so zu töten und verwerfe schnell meine fragwürdigen Gedanken. Ich schiebe das Blätterwerk des Busches zurück und vergewissere mich, dass mich niemand gesehen hat. Ich laufe schnell und immer schneller weiter und jetzt landet Maru auf meiner Hand.

“Hast du das mitbekommen?”, denke ich, während mich meine Füße schnell auf die Straße tragen.

“Ja natürlich, aber wir können da nichts machen, ich möchte diesem Tier nicht begegnen, schon gar nicht im dunkeln. Los lass uns ein Quartier für die Nacht suchen.”

Ich nicke matt lächeln und wir fragen uns durch zu einem Hotel. Nach mehreren Blocks erreichen wir ein ganz nobles Hotel. “Adlén Hotel” steht auf dem Schild über dem Eingang. Maru nickt und wir betreten die prunkvolle Halle. Hier drin spielt eine leise, nicht aufdringliche Musik und wir werden freundlich begrüßt. Ich checke ein und wir beide gehen aufs Zimmer. Mittlerweile dämmert es draußen und die Sonne verschwindet hinter den Hochhäusern. Ich sehe sie am Fenster untergehen und lege mich aufs weiche frischbezogene, gut duftende Bett. Maru schiebe ich eine Schubladen vom Nachttisch auf und meine Tasche habe ich längst über den Stuhl am Fenster gehängt. Kurz darauf schlafe ich erschöpft ein. Ich träume sehr unruhig diese Nacht. Und als es etwa halb 3 Uhr sein muss, schrecke ich mit Herzrasen hoch. Ich schaue ins Zimmer, aber sehe nur schwaches Licht durch die kleine Lampe auf meinem Nachttisch. Maru schläft tief und fest und ich fahre hoch in Windeseile und gehe zu meiner Tasche. Meine Ahnung sollte mich nicht täuschen. Es ist weg... das Säckchen mit den 7 Federn, alles andere ist da. Mein Schwert lehnt an dem Stuhl und mein Spiegel ist auch in der Tasche. Nur diese verflixten Federn sind gestohlen. Die Tür meines Zimmers ist zu und abgeschlossen. Ich kann keine Spuren finden, außer meiner offen daliegenden Tasche. Jemand wollte, dass ich es merke. In dieser Nacht ist an Schlaf nicht mehr zu denken. Ich lasse Maru noch ruhen, aber ich sitze mit hunderten Vorwürfen vor mir selbst am Schreibtisch am Fenster. Letztendlich nehme ich mir den Stuhl nach draußen auf den Balkon und lasse mir den Großstadtmief um die Nase wehen. Ich denke und denke und komme aus dem Grübeln nicht mehr raus. Ob der Dieb wohl auch den Mann getötet hat und was er wohl mit den Federn will? Es muss jemand sein, der über die Magie der Federn Bescheid weiß. Ich grüble und grüble. Mein Kopf raucht...

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Tag der Veröffentlichung: 29.12.2010

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