Dieses Buch nimmt teil am Oktoberschreibwettbewerb Kurzgeschichten
Sybille,
es ist mir ein Bedürfnis, dir zu schreiben, obwohl du diesen Brief nie lesen wirst, da ich ihn nicht abschicken werde. Denn du bist die Briefmarke nicht wert, die ich auf den Umschlag kleben müsste.
Du warst diejenige, die den Kontakt zu mir gesucht hat. Ich ahnte kein bisschen, dass dies für dich die einzige Möglichkeit war, dem Mann näher zu kommen, der dich interessierte. Dieser Mann war nämlich mein guter Freund – und das wusstest du und das neidetest du mir. Ich war für dich nur Mittel zum Zweck. Aber es hat lange gedauert, bis ich das wirklich begriffen habe.
Du hast mich umgarnt und umschmeichelt, wie ich es zuvor noch nie erlebt habe. Schon nach kürzester Zeit behauptetest du, ich sei deine Seelenverwandte, du hättest mich so lieb und wir wären beste Freundinnen. Auf meine Frage, wie das denn nach so kurzer Bekanntschaft sein könne, hattest du nur dein Gefühl als Erklärung. Du hättest eine gute Menschenkenntnis und ich wäre eine von den Guten, das würdest du fühlen und dein Gefühl würde dich nie trügen. Natürlich schmeichelte es mir, dass jemand wie du offenbar von mir so bezuckert sein konnte.
Du erzähltest mir, dass du einen unglaublich hohen IQ hättest und dass dumme und langweilige Menschen niemals deine Aufmerksam wecken könnten. Ich nahm auch das als Kompliment, denn schließlich hatte ich deine volle Aufmerksamkeit. Ich habe nicht begriffen, dass nicht ich diejenige war, die dein Interesse geweckt hatte, sondern lediglich die Tatsache, dass der Mann, den du wolltest, mir seine Gunst geschenkt hatte.
Du bist manipulativ und gerissen. Geschickt hast du dir mein Vertrauen erschlichen und mich ausgehorcht. Die Freundschaft zu dem Mann, den du wolltest und der an meiner Seite stand, hatte schon einen Knacks bekommen. Du trugst einen Großteil Schuld daran. Er war eifersüchtig und besorgt, er glaubte, dass du kein guter Umgang für mich/uns wärst. Als du den Kontakt zu ihm hinter meinem Rücken aufnahmst, hat er mich sofort darüber informiert. Er las mir deine Briefe an ihn vor und sie sagten eindeutiges Interesse an seiner Person aus. Ich wollte es nicht glauben. Ich konnte es nicht glauben. Ich weinte Tränen der Enttäuschung aber auch der Wut. Du hinterhältiges Miststück.
Ich brach den Kontakt zu dir ab. Aber das konntest du nicht akzeptieren. Wie hast du mal zu mir gesagt? Du bekommst IMMER, was du willst. IMMER! Das hast du ganz stark betont. Ich hatte damals lächeln müssen aber sollte das Lachen vergehen. Du hast Recht, du bekommst immer alles. Und um ALLES IMMER zu bekommen, scheust du weder Mittel noch Wege. Du würdest ungerührt über Leichen gehen, um dein Ziel zu erreichen!
Du schicktest mir Blumen durch Fleurop. Du hast mir hinterher telefoniert. Du hast mir gesagt, dass dich dieser Mann nicht interessiert, dass du ihn nur kontaktiert hast, weil ich ihn kenne und mag und weil du meine Freunde auch als deine Freunde haben willst – mehr sei nicht. Und du behauptetest, dass das, was er mir vorgelesen hat, nicht deine Worte waren. Er habe die Briefe manipuliert um uns beide auseinander zu bringen – das sagtest du mir. Du hättest viel Unverfänglicheres und Oberflächlicheres geschrieben, als das, was ich von ihm zu lesen bekommen hatte. Du gabst mir die Originale und da standen tatsächlich andere Worte und die zeigten kein Interesse an diesem Mann sondern nur oberflächliches Geplauder.
Du würdest nie wieder mit diesem Arsch – das war fortan deine Bezeichnung für ihn – etwas zu tun haben wollen. Ich war verunsichert. Ich wusste nicht mehr, wem ich glauben sollte.
Später hast du mir erzählt, dass dieser Mann nicht gut für mich wäre. Er sei narzisstisch und er würde mich nur brauchen, um sein Ego aufzuwerten. Er würde mit mir spielen und mich klein und dumm halten und sich hinter meinem Rücken über mich lustig machen. Du erzähltest mir, von anderen Frauen, mit denen er das gleiche Spielchen gespielt hätte. Du sätest Misstrauen und Schmerz in mein Herz. Ich weiß nicht, warum ich dir das alles glaubte. Ich hatte die Bande zu diesem Mann längst gekappt, hatte mich für dich entschieden. Ich war ja so naiv.
Heute weiß ich, dass du es warst, die hinter meinem Rücken manipuliert, intrigiert, gelogen, betrogen und gespielt hat. Durch einen Zufall fand ich heraus, dass du längst in Kontakt mit ihm standest. Ich muss davon ausgehen, dass du, so wie du mir gegenüber schlecht von ihm geredet hast, auch Lügen über mich erzählt hast. Du hast uns zu deinen Marionetten gemacht und die Fäden so gezogen, dass wir, ohne es zu ahnen, nach deiner Melodie tanzten.
Ja, du hast erreicht was du wolltest. Ich habe zwei Freunde verloren und keinen Kontakt mehr zu dem Mann, den du so begehrtest. Freunde? Du warst nie eine Freundin. Du bist das Gegenteil von allem Guten, Feinen und Edlem. Du bist der menschliche Abschaum getarnt als Gutmensch, du bist die Kloake in der Gosse, die von vielen Menschen als klares Wasser verkannt wird, du bist der stinkende Misthaufen im Hinterhof, der oberflächlich betrachtet wie gutes Heu aussieht. Und wie schon gesagt; bist die nicht mal die Briefmarke wert, die diese Zeilen zu dir bringen würde.
Sybille, auch ihn, diesen Mann, den du unbedingt wolltest, wirst du, wie so viele vor ihm fallen lassen. Denn zu echten Gefühlen bist du gar nicht in der Lage. Und ich bin sicher Sybille, magst du darüber jetzt auch hämisch lachen, du wirst deine Strafe bekommen – eines Tages.
Ich schließe die Tür schnell hinter dir, denn mit deinem Weggang geht Kälte, Grausamkeit und Wahnsinn und vor diesen Attributen will ich die Tür ganz fest verriegeln, damit sie nie wieder Einzug in mein Leben halten können. Und du geh doch in die Hölle zurück, wo du hingehörst.
Es grüßt
Sara.
Texte: Susanne Wolters
Bildmaterialien: Juergen Jotzo / pixelio.de
Tag der Veröffentlichung: 03.10.2012
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