Es war eine kühle und windige Nacht des Jahres 1795 und die Gassen von London waren leise um diese Uhrzeit. Die Stille wurde von kleinen Schritten unterbrochen. Ein Mädchen, nicht älter als siebzehn schritt mit schnellen Gang über das Kopfsteinpflaster. Ihre Absätze klapperten während sie lief und ihre Röcke wehten ihm kühlen Wind. Es war ungewöhnlich dass alles still war, denn sonst hatte London ein anderes Gesicht: Gestank, der vom Fischmarkt überall wahrzunehmen war, Händler, die lautstark ihre Waren anpriesen und Kinder, die in großen Gruppen Spiele von Rittern und Burgfräulein spielten. Jedoch nicht in dieser Nacht und nicht zu jener Stunde. Dem Mädchen ging derweil die Frage durch den Kopf, ob sie genug Geld verdient hatte um sich überhaupt zu Hause blicken zu lassen. Ihr Vater, ein alter und trunksüchtiger Mann, würde sie erst gar nicht hereinlassen, wenn sie nicht das nötige Geld beisammen hatte. Sie zählte es in Gedanken, als sie plötzlich Schritte hinter sich vernahm. Sie drehte sich um, in der Angst ein Mörder verfolge sie, wie man es schon so oft in der Zeitung gehört hatte, jedoch war hinter ihr niemand. Sie riet sich ein, es sich wahrscheinlich nur eingebildet zu haben, beschleunigte, einfach zur Vorsicht, dennoch ihren Gang. Sie war dermaßen beunruhigt, das sie das Schlagloch im Steinpflaster nicht bemerkte und geradewegs darüber stolperte. Sie knallte auf das Steinpflaster und schrie dann auf, weil ihr Fuß entsetzlich schmerzte. Bei näherer Betrachtung sah sie, das sie sich den Absatz abgebroch hatte und umgeknickt war. Sie hievte sich mit einem Ruck hoch und ärgerte sich noch über die Behörden, die die Straßen nie ausbessern würden, als sie von hinten jemand packte. Es war ein Mann, das spürte sie an seinem festen Griff. Sie wehrte sich und schlug um sich. Die Gestalt bekam dabei ihren Ellenbogen direkt an den Kehlkopf und ließ sie los um zu fühlen wie schlimm die Verletzung war. Dadurch sah das Mädchen ihre Chance und lief los. Sie wollte rennen, aber durch ihren verstauchten Knöchel war das mehr als schwerlich. Dennoch schaffte sie es einigen Abstand zwischen sich und ihren Angreifer zu bringen. Nachdem sie eine schiere Ewigkeit gelaufen war, drehte sie sich um und alles war wieder still. Beruhigt atmete sie aus und warf dann einen Blick auf die Straße, in der sie sich nun befand. Es war die Wellington Street, also war sie nicht mehr weit von der Waterloo Bridge und ihrem Zuhause entfernt. Noch etwas unter Schock, aber auch etwas erleichtert so glimpfig davon gekommen zu sein, wollte das Mädchen weitergehen, als die Gestalt vor ihr wiederauftauchte. Ihr Atem stockte und sie wusste nicht, was sie nun tun sollte. Sie sah sich links und rechts um, aber keine Gassen gingen ab. Panik überkam sie, während die Gestalt ein langes Messer hervorzog, das am Griff mit kostbaren Rubinen versehen war. Während sie das Messer betrachtete, fielen ihr auch die Merkmale auf, die die Person, die das Messer in der Hand hielt besaß. Dieser Mann war recht groß. Größer als ihr Vater oder die Männer die sie sonst schon getroffen hatte. Außerdem hatte er dunkelbraunes bis schwarzes Haar, das in einzelnen, kurzen Härchen hervor lugte. Er trug ein langes, schwarzes Cape, als ob er ein Mönch wäre und eine weiße Maske. Er sah erschreckend aus und nun kam er auf sie zu.
<<Guten Abend, Madam>>, sprach er zu dem verängstigten Mädchen, während er weiterhin mit seinem Messer spielte. << Wie ist Euer Name? >>, fragte er, sichtlich beleidigt, dass man seinen Gruß nicht erwidert hatte. Das Mädchen war starr vor Angst und brachte keinen Ton heraus.
<<Ich sagte, wie ist Euer Name>> << Sagt mir verdammt nochmal Euren Namen! >>, schrie er sie an. << Olive>>, brachte sie zwischen zwei Schluchzern hervor. << Was für ein hübscher Name Madam. Nach wem wurdet ihr benannt? >> Sie verstand diesen Mann nicht. Wollte er sie denn nicht töten? <<Nach…Nach niemand bestimmten. Meine Mutter starb bei meiner Geburt und mein Vater aß währenddessen still im Nebenzimmer Oliven. So kam ich zu meinem Namen>> << Welch amüsante und zugleich traurige Geschichte. >>, er lachte aus tiefster Seele. <<Nun Olive. Was gedenkst du nun zu tun? >> Die Frage überraschte sie, da er derjenige war, der ein Messer in der Hand hielt und sie ausfragte. <<Lassen sie mich bitte gehen >>, sie entscheid sich dafür, sein Herz eventuell zu erweichen.
<< Das geht nicht, liebe Olive. Das Töten übt eine unheimliche Macht und Faszinierung auf ich auf, wenn ich sehe wie der letzte Atemzug getan wird oder das letzte Tröpfchen Leben dahin rinnt und nun muss ich dir leider sagen, dass dieses Schicksal auch dich erwarten wird>>, betonte er mit einem ironischen Kopfschütteln. <<Aber bitte… nicht! >>, entfuhr es ihr und nun, vom Enthusiasmus zu überleben gepackt, versuchte sie noch einmal fortzurennen. Der Mann, der ihr seinen Namen nicht genannt hatte, seufzte jedoch nur und rammte ihr die Klinge mehrmals in den Rücken. Olive sank auf die Knie, ihre letzten Atemzüge tuend und fragte: <<Wieso? >> <<Tja, weil das Töten meine Kunst ist und du mein Gemälde. >> Er gab ihr einen Kuss auf die Stirn und verschwand dann in der kalten und nun wieder stillen Nacht.
Tag der Veröffentlichung: 12.02.2012
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Für die entzückende Klara, die mich zu dieser Geschichte inspirierte