Cover


-Victoria Howard -
„Victoria? Victoria, wo bleibst du denn? All unsre Gäste werden gleich hier eintreffen!“, rief Cassandra Howard durch das ganze Haus. Und ihr Rufen drang auch zu ihrer Tochter, Victoria Howard durch. Doch diese schien sich recht wenig dafür zu interessieren. Oben, in ihrem Zimmer, an ihrem Schreibtisch saß sie gerade an einem Buch. Sie las dieses nicht, sondern schrieb ihr eigenes. Victoria Howard war eine leidenschaftliche Autorin und schrieb die ganze Zeit Geschichten über Liebe, vergangene Zeiten oder Abenteuer die ihr Gerade in den Sinn kamen. Eigentlich war sie recht erwachsen für ihr Alter, jedoch liebte sie das Schreiben mit der Feder und wollte es für nichts auf der Welt aufgeben. Victoria wurde 1780 in diesem, ihrem Elternhaus, geboren. Ihre Kindheit verbrachte sie glücklich an der Seite ihres Bruders Frederic. Aber Victoria war nie wie alle anderen Kinder. Sie schrieb schon damals gerne abenteuerliche Geschichten für die sie mehr Spott als Anerkennung bekam. Sie wuchs heran und vor nicht mehr einem Jahr beschloss sie eine ihrer zahlreichen Geschichten zu veröffentlichen. Allerdings wollte sie ihren Eltern und Freunden erst einmal nichts davon erzählen, damit sie Ihr ihr Vorhaben nicht untersagen können. Und genau das tat Victoria Howard an einem warmen, sonnigen Freitag, den 17. des Jahres 1798: Sie wollte endlich eine ihrer Geschichten als Buch veröffentlichen.
***
Nachdem Victoria an besagtem Tag ihr Frühstück beendet und sich allen Mut zusammen genommen hat, rief sie ihren hauseigenen Kutscher herbei, der unverzüglich die Kutsche und die Pferde bereit für Victorias Ausflug in die Stadt machte. Victoria musste ja nicht weit reisen. Einen Verleger gab es bereits in Chesterfield. Mister Richard Johnson, der Inhaber der „Johnson Publishing Company“ war ein alter und gebrechlicher Mann, der seine Frau vor einigen Jahren verloren hatte, und seitdem die Leute in seinem Geschäft um deren Geld betrügt, was Victoria zu diesem Zeitpunkt natürlich noch nicht wissen konnte. Sie saß in diesem Augenblick in ihrer Kutsche auf dem Weg zum Verleger. Die Kutsche hatte offene Fenster und leichter Wind umspielte Victorias Haar und die Sonne schien ihr ins Gesicht. Das Wetter an diesem Freitag, war angenehm. Nicht zu warm und nicht zu kalt. Sie ging noch einmal all ihre Unterlagen durch, um sich später bei dem Verleger nicht zu blamieren. Sie dachte an ihre liebste Geschichte, von all denen, die sie je geschrieben hatte. Diese besagte Geschichte, handelte von einer jungen Dame die sich in zwei Männer verliebte und nicht wusste für wen sie sich entscheiden sollte, und trug den Titel „The Adventures Of Catherine Baker“. Victoria schrieb diese Geschichte, an ihrem 15.Geburstag und das in einem ganzen Tag. Damals, war sie sehr stolz auf sich und begann seit diesem Zeitpunkt regelmäßig Geschichten und Gedichte zu schreiben. Und nun, drei Jahre später, hatte sie schätzungsweise 30 vollendete Geschichten und fünfundzwanzig Gedichte verfasst. Allerdings konnte sie sich partout nicht entscheiden, welche ihrer Geschichten in einem Buch veröffentlicht werden sollte. Obwohl sie „The Adventures Of Catherine Baker“ am meisten schätzte, wusste sie ja nicht ob es ihre Leserschaft ihr gleich tun würde. Also packte Victoria sämtliche ihrer Geschichten ein, damit sich der Verleger, dessen Nachnamen sie ja nur kannte, sich für einen von ihnen entscheiden könnte. Sie hatte keine Ahnung wie das mit dem Verlegen und der Zahlung für die ganzen Exemplare gehandhabt wird und war damit natürlich ein gefundenes Fressen für jemanden wie Mr. Johnson. Während sie noch in Gedanken war, hielt die Kutsche abrupt an, sodass Victoria ein wenig nach vorne geschleudert wurde. Sie waren da. Sie hört den Kutscher von der Kutsche abspringen und zu ihrer Kutschentür zu laufen, um diese zu öffnen. Victoria stieg aus und wies den Kutscher an, hier auf sie zu warten. Mit ihren Unterlagen, die sie unter ihren Arm geklemmt hatte, betrat sie das Haus der „Johnson Publishing Company“. Der ganze Laden war im Prinzip nur ein Raum. Sie erblickte die Druckermaschinen, einen Verkaufstresen und einen Schreibtisch, an dem ein alter, kleiner Mann saß. Als der eben genannte sie erblickte, sprang er hastig auf, was Victoria von so einem gebrechlichen Mann nicht erwartet hätte und, und kam gehend, mit einem Holzstock, auf sie zu. „Hallo, meine Dame. Was kann ich denn Gutes für sie tun?“, fragte er mit einer liebreizenden Stimme. „Guten Morgen. Ich suche den Besitzer dieses Hauses.“, gab Victoria zurück. „Der steht genau vor ihnen. Mr. Richard Johnson, ist mein Name.“ „Victoria Howard, sehr erfreut, Mr.Johnson.“ „Also, Miss Howard, was führt sie in mein Druckhaus?“ „Ich habe im Laufe der Jahre einige Geschichten selbst erfunden und zu Papier gebracht und ich würde eine davon gerne als Buch drucken lassen, sofern das möglich ist.“ „Aber ja, natürlich. Und welche dieser Geschichten wollen sie veröffentlichen?“ „Das ist ein Problem, denn ich kann mich einfach nicht entscheiden. Deshalb habe ich gehofft sie könnten sich meine Geschichten ansehen und dann entscheiden welche die ist, die bei den Lesern, wahrscheinlich am Meisten Achtung findet.“, teilte Victoria ihm mit. Mr. Johnsons Miene erhellt sich, denn er schmiedete in diesem Augenblick einen Plan, mit dem er möglichst viel Gewinn aus dieser Sache schlagen konnte. „Nichts leichter als das. Das mache ich doch gerne. Kommen sie einfach am Samstag wieder. Dann habe ich mich sicherlich für eine ihrer Geschichten entschieden.“ „Danke Mr. Johnson, aber am Samstag kann ich nicht kommen, da meine Familie, eine Dinner Party für unsere Verwandten und Freunde gibt.“ „Oh, und wie passt es ihnen am Sonntag?“, erwiderte Mr. Johnson. „Nein, da kann ich leider die Kutsche nicht haben. Könnten sie sich nicht jetzt gleich für eine entscheiden? Das wäre mir eine große Hilfe.“, gab Victoria zurück. Mr.Johnson überlegte sich das Ganze und kam zu dem Ergebnis, das er, wenn er genug Geld hierfür bekäme, auch ihre Geschichten sich jetzt ansehen könnte. „Na gut. Für sie mache ich mir die Arbeit. Dann zeigen sie mal her.“ Victoria, die ganz entzückt darüber war, dass er sich eine ihrer Geschichten schon jetzt ansehen wollte, holte hastig all ihre Unterlagen unter ihrem Arm hervor und begann diese auf dem Schreibtisch des alten Mannes auszubreiten. Mr.Johnson setzte sich daraufhin auf seinen klapprigen, alten Drehstuhl und las sich all, die Titel von Victorias Geschichten durch. Victoria kam es komisch und nicht richtig vor, das er ihre ganzen Geschichten nicht einmal durchgeblättert hatte, sondern nur die Titel las. Nach ungefähr Zehn Minuten Begutachten von Ihren Geschichten und auf Seiten Victorias unglaubliche Spannung, kam Mr.Johnson zu dem Entschluss, das „The Portray Of Lady Durham“ wohl, die Geschichte sei, die am Besten bei den Lesern ankommen würde. „The Portray Of Lady Durham“, mochte Victoria zwar, allerdings war es nicht ihre Lieblingsgeschichte, und außerdem war das Buch für eine Erstveröffentlichung zu dick für ihren Geschmack. Aber sie wollte Mr.Johnsons Entscheidung nicht infrage stellen, da er sich ja offensichtlich besser in solchen Dingen auskannte. Sie bedankte sich bei ihm und erkundigte sich nach dem Fertigstellungstremin des Ersten Exemplars und natürlich nach dem Preis für die Druckerkosten. Mr.Johnson nahm sich einige Zeit nach dieser Preisfrage und tat so, als ob er sich im Kopf alles zusammenrechnen müsse, tat aber etwas gänzlich anderes. Er überlegte sich einen astronomisch hohen Preis, den er Miss Victoria nannte, aufgrund der Seitenanzahl und der Gestaltung des Buches. Victoria war entsetzt. Sie hatte nicht damit gerechnet, das ihr Traum, eine anerkannte Autorin, wie schon so viele Damen vor ihr, zu werden, so teuer werden würde. „Miss Howard, außerdem muss ich sie darauf hinweisen, dass alle meine Kunden im Voraus bezahlen müssen“, fing Mr.Johnson an, der nun plötzlich seinen liebenswerten Ton von vorhin abgelegt, und den eines mit allen Wassern gewaschenen Kaufmanns angenommen hatte. Victoria war sich ihrer Sache nicht mehr so ganz sicher, aber der Wunsch berühmt mit ihren Büchern zu werden, übertrumpfte ihr ungutes Gefühl. Sie willigte ein, und griff in ihre Tasche um den Geldbeutel zu holen. Sie reichte Mr.Johnson das Geld, bedankte sich bei ihm und sagte, dass sie sich auf Mittwoch freue, an dem das Erstexemplar fertig werden solle. Dann verließ Victoria Howard die „Johnson PublishingCompany“. Während Victoria sich auf den Weg zu ihrer Kutsche begab, auf der der Kutscher schon ungeduldig verharrte, malte sich Mr.Richard Johnson aus, was er alles mit seinem neuen Gewinn anfangen konnte. Allerdings konnte Miss Howard das nicht wissen. Sie war sowieso viel zu glücklich um irgendetwas zu bemerken. Wie in Trance stieg sie in die Kutsche ein und ließ sich ihr Gespräch mit dem Verleger mit allen Einzelheiten nochmal durch den Kopf gehen. Victoria konnte es einfach nicht fassen. Nach all den Jahren, die sie schon Geschichten schrieb, würde endlich eine davon als Buch herausgebracht werden. Allerdings machte sie sich dennoch, einige Sorgen, ob das Buch auch Anerkennung bei den Buchliebhabern finden würde. „The Portray Of Lady Durham“ war eine sehr eigenwillige und dramatische Geschichte. Also eher etwas außergewöhnliches. In der Geschichte ging es um, wie schon im Titel erwähnt, Lady Durham. Diese ließ sich zeichnen, kurz bevor sie starb und ihre Nachfahren hingen das Portrait über ihren Kamin, damit sie wenn sie dort vorbei kamen, immer an Lady Durham dachten. In der Geschichte erzählen alle Familienmitglieder von ihren Erlebnissen mit Lady Durham. Victoria schrieb die Geschichte, als sie sich einmal traurig und alleingelassen fühlte. Wie dem auch sei, war sie einfach so unbeschreiblich stolz auf sich, das was sie sich immer gewünscht hatte, getan zu haben. Genau in diesem Augenblick hielt die Kutsche. Und ein Blick aus dem noch immer geöffneten Kutschenfenster verriet ihr, dass sie wieder zuhause war. Victoria wusste es noch nicht, denn am Mittwoch, sollte sie eine herbe Enttäuschung erleben. Ihr Buch wurde mehrmals gedruckt, allerdings ging die Druckermaschine dabei kaputt und bespritze alle Seiten, jede Einzelne, mit Tinte. Und ihr Geld konnte Victoria auch nicht wieder bekommen, da für das Material ja bezahlt worden sei und Mr.Johnson schon alles verwendet habe und es nicht seine Schuld sei. Victoria war fassungslos, wahrscheinlich zum aller ersten Mal in ihrem Leben.

***
Victoria stand hastig von ihrem Schreibtischstuhl auf und ließ das unvollendete Manuskript auf ihrem Schreibtisch liegen. Sie rannte förmlich die Treppe runter und ging schnellen Schrittes in die Küche. „Mutter, warum müssen wir überhaupt diese, Dinner Party veranstalten?“, fragte Victoria ihre Mutter genervt. „Weil wir unsere Verwandten und Freunde wiedersehen wollen und ich mir dachte, dass eine Dinner Party, die beste Möglichkeit dazu sei.“, beendete Cassandra Howard ihre Antwort. Victoria rollte genervt mit den Augen, aber erwiderte nichts mehr. Sie wollte den Abend lieber damit verbringen, ihre schon geschriebenen Geschichten noch einmal Korrektur zu lesen, damit sie wirklich vollkommen waren.
Genau in diesem Augenblick klopfte es an der Eingangstür. Cassandra Howard strich sich die Röcke glatt und ermutigte ihre Tochter, es ihr gleich zu tun. Sie erwartete ihren ersten Gast, doch als sie schnellen Schrittes zur Tür ging und diese öffnete, erblickte sie nur James Howard, ihren Gatten und Frederic Howard, ihren Sohn, die von der Jagd zurückgekehrt waren. Mrs.Howard war erzürnt. „Wie könnt ihr nur so spät nach Hause kommen? Unsere Gäste werden gleich hier eintreffen und ich habe euch schon vor einer Stunde erwartet!“, rief sie aus. „Oh Liebling, reg dich doch nicht auf. Wir blieben länger auf der Jagd, weil Frederic ein junges Reh entdeckt hat und wir nicht umkehren konnten, ehe wir es geschossen haben.“, gab James Howard auf die energische Rede seiner Frau zurück. „Ja Mutter, das Reh ist fantastisch. Jung und Zart. Du könntest Mary doch darum bitten, dass es in den nächsten Tagen Rehbraten gibt.“, sagte Frederic. Cassandra seufzte, sagte dann aber: „Na gut, warum nicht. Unsre Köchin Mary wird schon etwas Gutes daraus zaubern. Aber, wo ist das tote Reh denn, ich sehe es gar nicht?“ Mrs.Howard steckte den Kopf aus der Tür und sah sich links und rechts um, aber da war kein Reh zu sehen. Sie dachte schon an einen Scherz, aber dann erwiderte Frederic darauf: „Wir haben es schon zu Mary ins Gästehaus gebracht, damit sie den Braten möglichst bald zubereiten kann.“ Cassandra nickte, und ließ Frederic und Mr.Howard eintreten, damit sie sich noch schnell umziehen konnten, bevor die Dinner Party losging.

Impressum

Texte: All rights reserved to Elisabeth Marker
Tag der Veröffentlichung: 08.07.2011

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Dieses Buch widme ich meinem besten Freund, der gleichzeitig meine Inspiration und mein Untergang ist.

Nächste Seite
Seite 1 /