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Hi Jake

ich steh gerade am Küchenfenster und blicke in die Nacht, eine Zigarette in der Hand, so wie früher, als wir noch beisammen waren. Ja ich weiß, ich habe aufgehört damit, aber was soll`s? Ich habe auch aufgehört an dich zu denken, und was mache ich, ich schreibe dir, obwohl ich weiß, der Brief wird dich nie erreichen, wird vermutlich nie abgeschickt werden, wohin auch, keine Ahnung wo du bist. Wenn ich gerade über die Straße schaue, in etwa gleicher Höhe wie mein Fenster, sehe ich einen leicht erhellten Raum, eigentlich jeden Tag, die Ausnüchterungszelle unseres Polizeipostens. Ich weiß nicht, wie oft der Raum benutzt wird, aber jedem der da drinnen ist, geht es besser als mir. Er weis, weshalb er nicht raus kann, aber das Wichtigste, er weis, er kommt wieder raus. Nicht so wie ich, in einem Gefängnis für die Ewigkeit gebaut, selbst erschaffen und ausbruchsicher, mit Ketten geschmiedet aus Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit. Nicht dass es mir schlecht geht, nüchtern betrachtet. Meine beiden Kinder sind brav und pflegeleicht, mit meinem Exmann verstehe ich mich auch wieder gut und mein neuer Freund, na ja, er behandelt mich gut, wirklich gut und ich glaube er liebt mich. Es war eben eine berechnete Entscheidung nach den Jahren der Einsamkeit und außerdem, meine Kinder brauchen ein gutes zu Hause. Das haben sie jetzt, er tut ihnen gut. Weißt du, ich habe ihn auch gern, aber eben nur gern. Er verlangt nicht viel von mir und in den seltenen Tagen, in denen wir gemeinsam miteinander schlafen……, ich bin eine gute Schauspielerin und das ist das Mindeste, was ich ihm geben kann und schuldig bin.
Wie geht´s übrigens dir? Hast du schon eine Freundin? Ist sie besser als ich? Sorry, war nicht so gemeint, es war ja unser beider Entscheidung das Chaos zu beenden, nicht deine allein, und das Versprechen zu warten, tja ich hab es mit Sicherheit schon gebrochen. Wenn ich es genau betrachte, war nicht ich es, der den Stein ins Rollen gebracht hat. Trotzdem bin ich tot, gefühlsmäßig erstarrt und erkaltet und frage mich immerzu: „Was war das alles?“
Jake, ich denke so viel an dich. Ich weiß ja nicht mal, ob ich dich wieder haben will, aber ich denke so viel an dich und ich kann es nicht verhindern. Ich würde nie meinen Kindern oder meinem neuen Freund weh tun, würde dich ignorieren, wenn du plötzlich da wärst, wie schön sind 300 Meilen, es wird nicht passieren. Sag mal, hast du nen guten Job, oder bist du immer noch so viel unterwegs, ohne Schlaf, fertig am Wochenende?
In einer Stunde kommt mein Freund von der Spätschicht nach Hause. Kurze Begrüßung, dann ab ins Bett, ins Land der Träume. Nicht einmal die Albträume stören mich, da spüre ich wenigstens etwas.
Schlaf gut Jake, ich schreibe dir wieder, immer wieder ohne sie je zu versenden. Vielleicht werden meine Ketten mal locker, vielleicht entkomme ich einmal meinem Gefängnis, vielleicht vielleicht vielleicht……..
Ich höre noch ein wenig Musik, versinke darin um zu vergessen.

Liebe Grüße

Deine Miranda



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Tag der Veröffentlichung: 18.02.2012

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