Es war ein kalter Morgen. Die Sonne blinzelte gerade mit ihrem ersten, hellen Schein über die Berge. Tau lag auf den hellen, grünen Gräsern und kitzelte meine nackten Füße. Lächelnd beobachtete ich, wie eine grünlicher Grashüpfer von einem Grashalm zum nächsten sprang. Und bei jedem Hüpfer leuchtete ihr Panzer silbrig im Licht der aufgehenden Sonne auf. Ich beobachtete ihn eine Weile, ohne dass er mich zu bemerken schien. Dann jedoch, ohne ihn vorher zu warnen oder ihm einen Anlass zum verschwinden zu geben, schossen meine Hände nach vorne und packten das kleine Tierchen. Ganz langsam ließ ich meine Finger wieder auseinander und lugte zwischen ihnen hindurch in das innere meiner hohlen Hände. Da hockte er, zirpte leise und bewegte ab und an immer wieder, fast so als hätte er Angst, ein Beinchen nach dem anderen. Fasziniert beobachtete ich den unsichtbaren Takt, den dieses kleine Geschöpf auf meiner Hand versuchte zu spielen. Und sein Zirpen begleitete ihn, als wäre es die Melodie, nach der er tanzen müsste. Als ich jedoch plötzlich spürte, wie ängstlich er war, wie zitternd seine Beinchen sich bewegten und wie hilfesuchend sein Zirpen klang, beschloss ich ihn wieder frei zu lassen. Ganz langsam öffnete ich meine Hände immer nur einen Spalt breit um nur so wenig Licht wie möglich hinein zu lassen. Und dann, mit einer selbst für mich, einer Elfe, unerwarteten Bewegung, befreite er sich aus seinem Gefängnis und sprang mit einem für ein so kleines Tier gewaltigen Satz, hinaus in die Freiheit.
Eigentlich hatte ich vorgehabt ihm mit meinem Blick zu folgen und zu beobachten, wie er sich elegant von Grashalm zu Grashalm hob, und dabei fast so aussah als würde er fliegen. Da jedoch passierte etwas ungewöhnliches, ein Pfeil schoss heran. Es war zu spät ihn noch aufzuhalten und mit einem leisen Knacken traf er den armen kleinen Hüpfer. Entsetzt und immernoch ein wenig fasziniert von der kleinen Gestalt, trat ich näher heran. Es war ein dünner, elegant geschnittener, weißer Pfeil. Keine Kerbe, nicht eine Macke war zu erkennen. Nur ein paar, wunderhübsche, zarte dünne Federchen hingen von seinem Schaft herab. Es schien fast so, als würden sie den kleinen Käfer streicheln wollen. Seine Spitze war so erstaunlich dünn, dass es unmöglich ein von Menschenhand geschaffener Pfeil sein konnte. Das bedeutete ganz sicher eines. Irgendwo hier musste ein anderer Elf oder eine andere Elfe sein.
Nur wo. Vorsichtig zog ich den Pfeil aus dem geschundenen Körper des Grashüpfers. Er zirpte leise, fast kläglich. Vielleicht wünschte er sich jetzt den Käfig meiner Hände zurück, vielleicht aber auch nicht. Langsam strich ich über den kleinen grünen Panzer war zerstochen, selbst wenn ich ihn jetzt heilen würde, wäre es wahrscheinlich zu spät. Aber ein Versuch konnte nicht schaden. Also zog ich langsam meinen grünen Smaragdring vom Zeigefinger, den ich sonst dazu trug, damit er meine gesamte Heilkraft, die mein Körper sonst nach außen projizieren würde, auf mich selbst konzentrierte. Klirrend legte ich ihn auf einen Stein, direkt neben dem Hüpfer ins Gras.
Dann berührte ich sanft, mit jedem Zeigefinger einer Hand einen der zarten Flügelchen, die seinen dünnen Panzer bildeten, kaum dass er sie zugeklappt hatte. Ich wusste, jetzt würde ich nur noch die Augen schließen müssen um meine gesamte Heilkraft auf ihn zu übertragen, aber irgendetwas hinderte mich daran. Die Gewissheit, dass ich ihn nicht würde retten können vielleicht, vielleicht aber auch eine leise Vorahnung auf das was kommen würde.
Diese Gewissheit, die Hoffnungslosigkeit war schließlich auch der Grund, weshalb ich meine Magie in ihr Gegenteil umwandelte. Ich tötete ihn, mit einem sanften, ja fast schon liebkosenden Schubs lenkte ich meine Magie in ihn hinein und von einer Sekunde auf die andere erlosch sein Zirpen und damit sein Leben. Nie wieder würden dieser, seine wunderschönen, zarten Beinchen einen unsichtbaren Takt auf meiner Hand spielen können, nie wieder, und dennoch hatte er jetzt vielleicht Frieden. Frieden vor mir und der ganzen Welt.
Letzten Endes schöpfte ich ein bisschen Erde in meine Hände und begrub den kleinen Hüpfer darunter. “Erinje jah fals neth.” murmelte ich schließlich leise, fast unhörbar. Es waren Worte aus der alten Sprache, die wir Elfen früher gesprochen hatten. “Ruhe in Frieden.” In diesem letzten Moment, in dem meine Hände die Erde festdrückten, erlosch schließlich auch das letzte bisschen Wärme, dass sonst in dem Herzen eines jeden lebendigen Geschöpfs wohnt.
Nachdem ich nun meinen Ring wieder an den Finger gesteckt hatte, hob ich den Pfeil auf. Damit er niemandem mehr Schaden zufügen konnte, keinem Tier und nochweniger einem Menschen oder gar einem Elf , zerbrach ich ihn geschwind. Zu meinem erstaunen sah der Pfeil zwar dünn und instabil aus, jedoch war er ziemlich biegsam und es kostete mich einiges an Mühe, ihn zu zerbrechen. Die Federchen zupfte ich schließlich noch ab und steckte sie auf das winzige Grab zu meinen Füßen.
Inzwischen war die Sonne aufgegangen und beleuchtete in ihrem ganzen, vollen Schein die Berge unter sich. Einige wenige ihrer Strahlen berührten sogar mein Gesicht und wärmten es ein wenig. Meine Gedanken galten jetzt jedoch nicht ihr, sondern dem Elf der diesen Pfeil abgeschossen hatte. Wie hatte er einem armen, kleinen, verletzlichen Tier nur so etwas antun können. Oder war es gar eine Elfe gewesen? Er musste sich auf jeden Fall irgendwo zwischen den Bäumen verstecken, ansonsten hätte ich ihn mit Sicherheit bemerkt.
Also schoss ich mit einer einzigen, geschmeidigen Bewegung auf die Bäume zu. Sie bildeten die Vorläufer zu den größeren Waldgebieten und standen hier überall herum. Nur bisher hatte sich noch nie ein Elf in ihrem Schutz versteckt. Mit jedem Schritt wurde ich wütender, zorniger, auf die Grausamkeit mit der, der Pfeil meinen Hüpfer getötet hatte. Und dann, als ich schließlich dort angekommen war, jagte ein anderer, schrecklicherer Gedanke durch meine Kopf. Was, wenn der einzige andere Elf, der außer mir hier auf der Welt lebte, einer derjenigen war, der sich nichts aus der Natur machte. Einer der Verbannten? Oder Eine?
Doch dann sah ich sie, es war eine Elfe. Eine zugegebenermaßen, verwunderliche Elfe. Das erste, was mir an ihr auffiel, waren die so untypischen, kurzen, rostroten Haare, die in alle Richtungen verteilt um sie herum flatterten. Ob ich wohl genauso zerzaust aussah? Das zweite, das mir auffiel, war die Wunde, knapp über ihrer Hüfte, nicht lebensgefährlich und dennoch zu tief um sie einfach zu heilen. War es ein Pfeil gewesen? Und dann fiel mir der Bogen auf, er lag verloren neben ihr. Eine Hand hatte sie noch zu ihm ausgestreckt, aber sie berührte ihn nicht mehr. Er war schneeweiß und wunderschön. Genauso wie der Pfeil, den ich vorhin erst zerbrach, schien er aus demselben biegsamen Holz zu bestehen. Verwunderlich waren jedoch die goldenen Verzierungen die ihn umgaben. Es schien eine andere Schrift zu sein, vielleicht eine der keltischen Schriften, aber genau konnte ich das nicht sagen. Auf der dünnen Sehne des Bogens lag noch immer einer dieser weißen Pfeile. Die Anderen waren wahrscheinlich in einem Köcher auf ihrem Rücken befestigt. Ihre Haut war elfenbeinfarben und leuchtete sanft. Ein hellgrünes Blatt lag zwischen ihren Augen. Zaghaft beugte ich mich schließlich hinunter und stubste es weg. Als sie sich nicht bewegte hockte ich mich schließlich neben sie. Immer bereit sofort aufzuspringen und wegzulaufen um der Gefahr zu entfliehen. Dann jedoch sah ich das dunkelrote Blut, dass langsam ihr grünes, kurzes und dennoch perfekt zum Kämpfen geeignetes Kleid anfing zu benetzten.
Ich musste etwas tun, sie würde hier liegen bleiben und vielleicht sterben oder einfach nur weiter daliegen und sich nicht bewegen können. Oder ich heilte sie, so gut es eben ging, um sie dann zu einer der Menschenheilerinnen zu bringen. Die Wahl fiel mir nicht schwer. Wie es eigentlich jede Elfe sollte, schätzte ich das Leben höher als alles andere auf der Welt. Also beschloss ich ihr zu helfen und zog einen Dolch, aus der Scheide, an meinem rechten Handgelenk. Mit dessen Hilfe trennte ich ein großes Stück ihres grünen Jagdgewandes ab und legte es auf die Wunde.
Wenn man sie so betrachtete sah sie edel aus, wunderschön und dennoch wild und unbändig. Wer war sie?
Es war das zweite mal heute, dass ich meinen Smaragdring ablegte und vorsichtig neben mir auf die feuchte Erde gleiten ließ. Dieses Mal berührte ich jedoch nicht den zarten, zerbrechlichen Körper einer Heuschrecke, sondern die Wunde einer anderen Elfe. Es schockte mich, dies zu denken und dennoch. Warum war die erste lebende Elfe, die ich je zu Gesicht bekommen sollte, verletzt? Doch schließlich legte ich wieder beide Zeigefinger etwas entfernt voneinander auf die Ränder der Wunder, die ich leider unter dem Stoff immernoch spüren konnte und schloss die Augen. Im gleichen Augenblick berührten sich die Spitzen meiner beiden Daumen und zauberten einen hellen Lichtfunken unter sich. Ich wusste es, weil ich sein helles Licht unter meinen Fingern spürte, die pulsierende, wohltuende Wärme die es ausstrahlte.
Und dann setzte die Heilung ein. Sie war nicht perfekt, aber sie verhinderte wenigstens, dass der Elfe noch mehr Schaden zustieß. Und dann öffnete sie die Augen. Sie waren grasgrün. Geschockt flüsterte ich leise ein Gebet, in der irrsinnigen Hoffnung, sie möge mich vergessen, wenn ich jetzt wegliefe.
Aber das tat ich nicht, ich blieb und ich würde sie zu einem Heiler bringen.
Es war zu spät, ich konnte nicht mehr ausweichen, als mich dieses Etwas rammte. Der Waldboden verhinderte zwar, dass ich hart fiel, aber dennoch spürte ich einen stechenden Schmerz in der Brustgegend. Als ich an mir runterblickte sah ich Blut. Scharlachrot floß es über meinen Körper. Die Kraft schwand mit jedem Atemzug. Ich musste irgendwie auf mich aufmerksam machen, doch ich fühlte mich zu schwach. Da kam mir eine Idee. Bei meinem Sturz war mein Bogen ein wenig von mir weggeflogen. Mit aller Kraft zog ich mich am Waldboden entlang und ergriff schließlich den Bogen. Schwindel überkam mich, aber ich versuchte mich davon nicht beeindrucken zu lassen. Mühevoll holte ich einen meiner weißen Pfeile aus dem Köcher und versuchte ihn mit zitternden Händen einigermaßen durchs Gebüsch zu zielen um Aufmerksamkeit zu erregen. Es kostete mich eine riesen Anstrengung, ihn zu spannen und dann abzuschießen. Danach ließ ich mich zurück ins Gras fallen und wartete. Mein Atem wurde immer schwerer und mir kam vor, es vergingen Stunden, und nichts passierte. Irgendwann als alles aussichtslos erschien, machte ich mich zum Sterben bereit und verlor das Bewusstsein.
Ich fand mich auf einer wunderschönen Blumenwiese wieder, Vögel zwitscherten von Bäumen, alles schien glücklich und frei. Nachdem ich mich ein wenig umgesehen hatte, ging ich schnellen Schrittes der geöffneten Himmelspforte entgegen, wo ich in das andere Reich übertreten konnte. Doch soweit kam es nicht. Ehe ich eintreten konnte, schloss es sich wieder und mein Geist wurde in meinen Körper zurückgeschleust. Allmählich kam ich wieder zu mir und spürte ein Kribbeln in der Brustgegend. Es fühlte sich gut an, meine Kräfte kehrten zurück. Was war nur geschehen?
Als ich mich stark genug fühlte, öffnete ich meine Augen und blickte geradewegs in smaragdgrüne Augen. Blinzelnd sah ich zu der Elfe, welche schulterlanges blondes Haar hatte, hinauf. Zuerst dachte ich, es wäre nur eine Ausgeburt meiner Phantasie und ich würde allein am Waldboden liegen bleiben. Doch sie verließ mich nicht.
“Hast... hast du mich... gerettet?”, wandte ich mich nun an sie und ließ meine Augen nicht mehr von ihr ab.
“Ja! Das war ich. Ich bin übrigens Artana. Man nennt mich *Die Schattentänzerin*.”, gab sie in einem kühlen Ton zurück. Artana. Artana. Nein, ich hatte noch nie von ihr gehört. Schattentänzerin. Als ich sie so betrachtete, in ihrer weiblichen Kampfkleidung, in der sie sehr zierlich und filigran aussah, hätte ich sie gerne tanzen gesehen. Sie würde bestimmt gut mit dem Wald und Wind harmonieren. Erst als sie mich eingehend anstarrte, war ich wieder in der Realität angekommen, denn sie wartete auf eine Reaktion von mir.
“Elijana. So heiß ich. Aber vielleicht kennst du mich als *Die Farbentrinkerin*. Und,.. danke, das du mich geheilt hast!”, gab ich ein wenig störrisch zurück.
Wir blickten uns beide tief in die Augen, und wussten nicht so recht, was wir nun tun sollten, als Artana das Wort ergriff: “Ich sollte dich zu einem Heiler bringen, da ich dich nur soweit heilen konnte, damit du nicht stirbst.”
Vorsichtig näherte sie sich mir und griff mir unter die Arme und zog mich hoch. Schön langsam hatte ich das Gefühl, dass das Eis zwischen uns zu schmelzen begann. Auf sie gestützt, schleppte sie mich durch den Wald. Über Wurzeln, durch dichtes Geäst und ab und an, stach mich ein Dorn einer Hecke.
“Bei deinem Versuch, Aufmerksamkeit auf dich zu ziehen, hättest du beinahe,.. na ja eigentlich hast du.. einen Grashüpfer getötet. Das ist aber nicht gerade die feine Art.” sie blickte mich an, ob ich nicht mehr ganz bei Sinnen war, doch dann umspielte ein Lächeln ihre Lippen.
“Das tut mir ehrlich Leid.”, bedrückt stolperte ich, mit ihrer Hilfe weiter. Irgendwie war sie unnahbar und doch ganz nah. Verrückt, findet ihr nicht?
“Wie bist du eigentlich zu mir gestoßen?” durchbrach ich die Stille, die uns die letzten Meter begleitete. Der Wald schien kein Ende zu nehmen und so irrten wir planlos, zumindest für mich sah es so aus, weiter. Aber sie schien die Wälder zu kennen, wie ihre eigene Westentasche.
“Wie schon gesagt, hast du das Leben des kleinen grünen Hüpfer ausradiert. Aber als ich deinen Pfeil genauer studierte, mit dem du ihn genau ins Herz getroffen hast, hatte ich festgestellt, dass dieser nicht von Menschenhand gefertigt wurde, sondern von einem von uns stammen musste. Da kam mir der Gedanke, dass außer mir noch jemand in der Nähe sein musste. So bin ich los und habe mich umgesehen, bis ich dann auch schließlich dich gefunden hatte. Und als eine von uns, konnte ich dich nicht einfach sterben lassen.”, jetzt spürte ich einen leichten Druck um meine Hüfte, als Untermauerung, ihrer Worte. Vor uns lichtete sich der Wald und wir kamen an einem großen Feld raus. Von dort aus konnte man in der Ferne ein Dorf sehen, wo dicker Rauch aus den Schornsteinen qualmte. Genau darauf steuerte sie zu.
“Wo bringst du mich hin?” wie ein ängstliches Reh starrte ich sie an, da wir menschliches Terrain betraten. Mit jedem Schritt, schlug mein Herz schneller.
“Zur Heilerin. Sie ist ein Mensch, falls dich das nicht stört.”, gab sie knapp zurück. Das gab mir den Rest. Ich rang um Luft, konnte nicht mehr klar denken. Mit Menschen hatte ich keine guten Erfahrungen gemacht. Es wäre besser gewesen, Artana hätte mich sterben lassen. Mich in die Obhut eines Menschen zu bringen, das ist mein Untergang. Ich habe einmal einem Menschen vertraut, und das mach ich garantiert kein zweites Mal. Rechtzeitig krallte ich mich in ihrer Kleidung fest, ehe ich abermals in Ohnmacht fiel.
Erstaunt bemerkte ich die Krallen ihrer Finger in meinem seidigen Gewand, ehe sie in Ohnmacht fiel. Wie konnte die Vorstellung zu Menschen zu gehen um am Leben zu bleiben nur so unwillkommen sein? Dennoch bekam ich auf einmal ebenfalls etwas Angst. Vielleicht war sie unbegründet, aber dennoch. Ich hatte ihr meinen Namen, Artana, gesagt, was wenn sie ihn laut aussprach? Was wenn irgendjemand mitbekäme, dass ich Artana bin. Als ich jedoch auf ihre wunderhübschen, kurzen, roten Haare hinab sah lächelte ich. So wunderschön sah es aus, als sich ein Sonnenstrahl scheinbar in ihnen verfing, während der Wind mit ihnen spielte. Nein, sie würde sich nicht erinnern, wahrscheinlich nicht. Und wenn doch, dann war es eben an der Zeit, dass alle erfuhren, wer ich war.
Kurz bevor uns die Menschen hätten sehen können blieb ich stehen und legte Elijana vorsichtig zu Boden. Ganz ganz langsam glitt sie hinab. Es war ein Wunder dieses Mädchen. Sie sah so wunderschön aus und dennoch so wild und farbenfroh. Ihre roten Haare, das grüne Gewand, die ebenfalls grünen Augen und dazu diese helle Haut, wie Marmor. Und jetzt spielte auch die Sonne noch mit ihr. Ließ sie leuchten, fast so wie meinen Grashüpfer von heute morgen. Nur mit dem kleinen Unterschied, dass sie anders war als er und es nicht bemerkte, dass ich sie betrachtete. Zumindest schien es mir so. “Kleine Farbentrinkerin, wie kannst du nur so schön sein und dennoch so wild?”, murmelte ich ganz leise gedankenverloren vor mich hin. Ich erwartete keine Antwort darauf und bekam auch keine, dennoch wehte jetzt eine sanfte Brise durch ihr Haar und für einen Moment lang hatte ich das Gefühl, sie könne mich doch gehört haben. Ihre Augenlider zitterten leicht, blieben schließlich jedoch geschlossen. Da schien dieses erstaunliche Wesen vor mir auf einmal zu lächeln. Ich drehte mich schnell weg, und als ich wieder hinsah, war dieses Gefühl auch schon wieder verschwunden. Wie hatte ich nur annehmen können, dass sie lächelte?
Dann jedoch ließ ich mich nicht weiter ablenken, schnell eilte ich zu einem einzeln stehenden Baum hinüber und hockte mich hin. Konzentriert hielt ich den Smaragdring schräg zur Sonne gedreht, so dass er ihr Licht genau reflektierte und zu einem heißen Strahl bündelte. Dieser steckte ganz langsam, wie in Zeitlupe ein Blatt in Brand. Fast war es, als würde es wirklich brennen. Dann jedoch schwebte es langsam ein paar Zentimeter hinauf. Bis es genau vor meinen Augen stand, vorsichtig berührte ich es mit der Fingerspitze meines rechten Zeigefingers. In genau diesem Augenblick schien sich das Blatt aufzulösen. Ich schaute nicht mehr hin, da ich die nun folgende Prozedur schon tausende Male mitangesehen hatte. Das Blatt würde sich ganz langsam in einen dunkelbraunen Mantel verwandeln. Allerdings nicht in irgendeinen Mantel, sondern in einen, der gleichsam aus Feuer und Licht zu bestehen schien. Seine Form ähnelte dem eines Blattes, des Blattes das er ursprünglich als Tarnung angenommen hatte. Aber sein Material war etwas ganz Besonderes. Es war ein Schutzzauber der Unsichtbarkeit, aus dem er gewoben war. Wenn ich unsichtbar sage, meine ich natürlich nicht völlig unsichtbar, es war einfach nur so, dass die normalen Menschen mich hiermit übersahen, einfach dachten ich sei wie sie, und nicht bemerkten, wer ich wirklich war. Ich war ein Schatten, deshalb auch der Name. Nur einige wenige, meistens Kinder konnten mich jetzt noch wirklich wahrnehmen aber je älter sie wurden, je mehr Gedanken sie sich darüber machten, desto häufiger übersahen sie mich. Daher kam auch mein Name. Die Älteren, die mich zwar wahrnahmen aber nicht erkannten und dennoch wussten, dass ich eine Tänzerin war, sie hatten mich als aller Erste die “Schattentänzerin” genannt. Niemand wusste dass ich in Wirklichkeit Artana war. Artana? Ich denke, ihr werdet vielleicht später mehr über mich erfahren, aber jetzt ist noch nicht der richtige Zeitpunkt hierfür gekommen.
Mehr Beachtung, als die Wahrnehmung, dass er sich materialisiert hatte, gab ich dem Umhang nicht. Er legte sich von selbst, wie ein lebendiges Tier um meine Schultern. Leider gab er keine Wärme, oder gar Schutz vor wütenden Bogenschützen, er war nur der Menschen halber hier.
Schnell eilte ich zu Elijana zurück. Sie zitterte leicht. Wie konnte das sein? Erstaunt und ein wenig entsetzt legte ich den Kopf schräg. Dann jedoch bemerkte ich erneut den Wind, wahrscheinlich hatte er ihre Haare bewegt und es war mir so vorgekommen als hätte sie gezittert. Aber konnte ich mir sicher sein? Vorsichtig, fast ängstlich berührte ich sie kurz am Arm. Als sie sich nicht rührte, und wieder dalag wie eine aus Marmor gegossene Statue, hob ich sie schließlich sanft auf meine Arme. Sie war so leicht, fast wie ein Kind. Aber wer wusste schon wie alt sie wirklich war, viele von uns Elfen konnten hunderte Jahre lang aussehen wie siebzehn oder in meinem Fall wie neunzehn. Wie alt war sie wohl? Vielleicht siebenundzwanzig, vielleicht auch älter?
Zaghaft legte ich den Umhang, der sich um meinen Hals eng mit einem Bernstein schloss, ein wenig um sie herum. Ich konnte nur hoffen, dass er so drapiert war, dass er auch sie weitgenug vor neugierigen Blicken schützen würde. Aber garantieren konnte ich dafür leider nicht.
Schnellen Schrittes eilte ich weiter. Bis wir schließlich im Dorf ankamen. Und ich hatte Glück. Niemand schien uns zu bemerken, Nur ein kleines, rothaariges Mädchen, dass Elijana sehr ähnlich sah, nur leider ein Menschenkind war, lief uns eine Weile hinterher. So lange, bis ich mich schließlich umdrehte und sie scharf ansah. Ihre Augen waren merkwürdig. Golden. Wirklich, so golden wie die Sonne. Hatten ihren Schein geklaut. Kopfschüttelnd drehte ich mich weg und strebte weiter auf die kleine, enge Hütte der Heilerin, Nitande zu. Nitande. Ja ihr könnt es euch fast denken. Es ist ein Name aus der Sprache der Elfen. “Segen” heißt er übersetzt und sie ist eine der wenigen Menschen die von uns Elfen einst akzeptiert worden war, weil sie als Mensch die Gabe des Heilens besaß. Sie war sogar so gut darin, dass sie manches Mal uns Elfen übertraf. Aber ihr Wissen von dieser Kunst und von uns, dies machte sie wirklich zu dem was sie war. Eine Vermittlerin zwischen Elfen und Menschen, ungesehen zwischen ihren Taten und ihrem Wissen über die Wahrheit.
Leider stellte sie auch eine dementsprechende Gefahr für uns, für mich, dar. Wenn auch nur ein Mensch von mir und jetzt auch von Elijana erfahren würde, werden sie uns jagen und ich wäre gezwungen sie zu töten. Nicht, dass ich nicht dazu im Stande wäre, nein das war ich, aber dennoch wäre es schade um sie.
Mit einem leisen Klirren schlug ich den Vorhang vor ihrer Tür zurück und trat ein. Sie schrak sofort aus ihrem Stuhl hoch. Eigentlich gab es keine Zeit dazu, aber dennoch fielen mir auf einmal ihre weißen Haare auf. Straff zu einem Zopf zurückgebunden fielen sie ihr bis auf die Schultern. Einige wenige schlängelten sich auch über ihr mit Falten übersätes Gesicht. Sie war alt geworden. Arme Nitande, wie lange sie wohl noch Zeit hatte, bis sie diese Welt verlassen musste?
Wie immer ließ ich mir jedoch nichts anmerken, weder meine Gefühle noch meine Gedanken noch sonst irgendetwas.
“Ich hab eine Aufgabe für dich!”, waren die einzigen Worte, die ich ihr zur Begrüßung in einem ziemlich unfreundlichen Tonfall vor die Füße warf.
“Oh, was denn diesmal?”, sie klang freundlich. Trotz meiner missbilligenden Worte. Erstaunlich. Sie war ein besonderer Mensch. Ein Wunder, dass die Menschen sie nicht als Elfe ansahen, aber wahrscheinlich lag das an ihrem Alter, sie war bestimmt einst hübsch gewesen. Hatte Männer betört und verrückt nach ihrem Körper gemacht. Aber heute? Heute war kaum noch etwas davon übrig geblieben nur ihre schweigende Übereinkunft mit mir, dass sie niemandem verriet wer ich war, die war geblieben und sie war weise geworden, wie ich euch schon erzählte.
Mit einer einzigen, fließenden Bewegung schlug ich den Umhang zurück. Und sie erblickte Elijana. Sie bewegte sich immer noch nicht, aber dennoch schien sie wach zu sein, ihre Hand umkrallte mein Oberteil. Sie zupfte ein paar der liliengrünen Fäden der Seide aus dem Oberteil. Wie konnte sie nur? Wusste sie denn nicht, wie wertvoll es war. Meine Mutter hatte es mir einst gegeben und sie wagte es... nein wahrscheinlich konnte sie ja nichts dafür. Sie war ohnmächtig, hatte Angst. Vor den Menschen. Warum nur? Ich beschützte sie doch.
Als Nitande die kleine Farbentrinkerin sah, lächelte sie. “Ist sie das wofür ich sie halte?”
Ich antwortete nicht, sah keine Sinn darin ihr ihre Vermutung zu bestätigen, dass Elijana wirklich eine Elfe war, warum auch, es ging sie ja nichts an. ich war nur hier, damit sie sie heilte, mehr nicht. Der Rest konnte ihr egal sein. Und mir? Ich glaube mir war es auch egal, es war mir egal, wer sie war, woher sie kam und warum sie hier war. Das einzige, was zählte war, dass sie wieder lebte. Mehr nicht.
“Heile sie.”, wies ich sie trocken und kurz angebunden an.
Nitande nickte und wies schließlich mit dem Kopf auf ein Bett, dass von dicken Kissen und Decken übersät in einer der Ecken des winzigen Raumes stand. Also glitt ich hinüber und schob einige der viel zu weichen Kissen beiseite. Dann jedoch passierte etwas Merkwürdiges. Gerade, als ich eines der Kissen runterwerfen wollte, zupfte sie vorsichtig daran. Erst zwei Sekunden später begriff ich, dass es ein verzweifelter, schwacher Versuch war, es fest zu halten. Himmel!, Was war das nur für eine Elfe. Was machte sie sich nur aus solchen dämlichen Kissen. Die waren doch eh zu nichts nutze, ein Bett aus Federn war doch viel besser. Aber da es ihr Wunsch war, warf ich das Kissen wieder achtlos auf das Bett, allerdings so, dass sie es nicht erreichen konnte. Vielleicht tat ich es, um sie zu ärgern, vielleicht aber auch, um ein wenig nett zu sein, damit es sie nicht störte, ich weiß es nicht.
Schließlich spürte ich einen kalten Luftzug von der Tür aus. Nitande war anscheinend kurz hinaus getreten und kam gerade wieder herein.
Schnell wand ich mich von Elijana ab. Warum nur machte ich mir solche Gedanken über sie. Selbst wenn Elijana außer mir die letzte Elfe sein sollte, warum interessierte es mich eigentlich, sie war nur eine Elfe, mehr nicht.
Als sie meinen Blick auf sich bemerkte, lächelte Nitande. Es sah hübsch aus wenn sie lächelte, dennoch schaffte ich es einfach nicht ihr zurück zu lächeln.
“Ich kümmere mich dann mal um sie, okay?”
Erneut sah ich keinen Sinn darin, ihr eine weitere Antwort zu geben, daher verließ ich schnell die kleine Hütte. Sollte sie sie heilen, ich musste ja nicht dabei sein.
Draußen begegnete ich noch einmal von weitem dem Blick des kleinen Mädchens, jedoch ohne mich darüber weiter zu wundern. Sie rannte mit ihren Freunden, zwei älteren Jungs, wie mir schien, um die Wette. Schließlich nahm ich einen der kleinen Holzstücke und ging damit auf den kleinen Hügel, hinter der Hütte. Mit präziser Eleganz und durch jahrelanger Übung landete ich schnell auf dessen Krone und zupfte den kleinen Dolch aus meinem Ärmel. Ganz vorsichtig fing ich schließlich an Schuppe um Schuppe das Holz so zu bearbeiten dass es langsam eine Form erhielt. Die Form eines Drachen. Dabei beobachtete ich jedoch immernoch die Umgebung um mich herum. Niemand würde sich an mich anschleichen können. Nicht wenn ich hier oben saß.
Es war kalt, ich zitterte am ganzen Körper. Artana streifte mich mit einem Blick. Das einzige was ich zusammenbrachte war ihr ein zaghaftes Lächeln zu schenken. Doch aufgrund der Kälte, hielt es nicht lang und so blinzelte ich durch die fast geschlossenen Augenlider. Das nächste was ich spürte, wie sie mich sanft in ihre Arme gleiten ließ. Als sie diesen Umhang dann um mich legte, fühlte ich mich geborgen. So als könnte mir in diesem Moment gar nichts passieren, da sie mich zu beschützen versuchte. Eine unglaubliche Stärke ging von ihr aus, als sie mich durchs Gras trug. Während sie mich so an sich drückte, konnte ich leise ihren Herzschlag hören. Gerne hätte ich gewusst wer sie war, denn ich kannte sie erst seit ein paar Stunden und ich hatte das Gefühl, irgendwas war da, dass uns verband.
Als ein leicht klirrendes Geräusch erklang, nahm ich an dass wir in einem Haus waren, da auch der Wind ein wenig nachgelassen hatte.
“Ich hab eine Aufgabe für dich!” hörte ich nun Artana in die Ferne sagen. Sie klang sehr angespannt, wenn nicht sogar ein wenig unfreundlich zu ihrem Gegenüber. Ich konnte die Anwesenheit eines menschlichen Wesens spüren, weswegen auch mein Herzschlag in die Höhe ging.
Einmal hatte ich einem Menschen vertraut, ja sogar geliebt, aber was dieser mir angetan hatte könnt ihr euch gar nicht vorstellen. Ich schob den Gedanken beiseite, da dies großen Schmerz hervorrufen würde, da ich das alles tief in mir vergraben hatte, und da sollte es auch bleiben.
“Ist sie das wofür ich sie halte?”, hörte ich die Stimme einer Fremden. Was wusste die Frau über uns? Angst stieg in mir hoch, denn mir wurde immer unbehaglicher hier.
“Heile sie!”, waren die einzigen Worte, die ihr Artana entgegenbrachte. Als ich durch meine Augen blinzelte sah ich, dass mich meine Schattentänzerin auf ein Bett legen wollte. Nicht sehr behutsam, warf sie einen Polster nach dem anderen von der Liegefläche. Als sie nun auch den letzten hinunterwerfen wollte, hinderte ich sie daran, indem ich danach zu greifen versuchte. Vorsichtig legte sie mich in das weiche Federnbett und legte den Polster ein Stück entfernt von mir ans Bett. Mein Herz machte einen Sprung. Die sonst recht kühle Artana schien sich mir gegenüber ein wenig zu öffnen. Scheinbar war ich mehr als nur eine Elfe die Hilfe braucht, für sie geworden. Als sie mir sanft über meinen Arm fuhr, fühlte ich mich nicht mehr so unwohl.
“Ich kümmere mich dann mal um sie, okay?”, sprach die andere Stimme. Doch als ich merkte wie sich Artana von mir entfernte und aus der Tür trat, bekam ich panische Angst. Was würde ich nur ohne sie tun, ich war hilflos meinem Schicksal ausgeliefert. Um mir größeren Kummer zu ersparen, versuchte ich einfach an nichts zu denken, und alles kommende über mich ergehen zu lassen, solange ich keine Kraft hatte mich zu wehren. Während ich also so dalag, stieg mir der Duft von Lavendel und Rosenblüte in die Nase. Ohne es zu wollen, beruhigte ich mich allmählich.
“Lavendel reinigt Körper, Geist und Seele und trägt deinen Kummer fort. Rosenblüten, schenken dir neue Kraft und Energie und helfen dir deine Lebensgeister in deinen Körper zurückzuführen. Seit Jahrhunderte sind das schon sehr beliebte Heilmittel.”, erklärte mir die alte Frau, warum sie genau das verwendet hatte.
“Doch ohne Schmerzen wird sich deinen Körper nicht heilen können. Am Ende, wenn du genesen bist, werden dann dafür alle innerlichen und äußerlichen Wunden geheilt sein. Vertrau mir, mein Kind!”, langsam bekam ich es mit der Angst zu tun. Was meinte sie bloß damit? Hilflos, lag ich also in meinem Bett, umgeben von Lavendel- und Rosenduft und in Anwesenheit dieser Dame. Gerne hätte ich um Hilfe geschrien. Ich wünschte mir Artana wäre jetzt bei mir und ich müsste das nicht allein durchstehen. Plötzlich kam die Frau auf mich zu und setzte sich an mein Bett. Sie begann mich auszuziehen, bis ich splitterfasernackt dalag. Schamesröte stieg mir ins Gesicht. Was hatte die Alte bloß vor. Der Wind pfeifte durch die Ritzen ihres Hauses und mich fror. Nun kam sie mit einer Tube an, die nach einer Cremetube aussah. Sie begann mich damit einzuschmieren. Von meinen Füßen über meinen Beckenbereich bis hin zum Oberkörper und auch meinen Kopf schmierte sie ein. Sie schreckte noch nicht einmal davor zurück mich im Intimbereich anzufassen. Gedemütigt lag ich also da, und wartete sehnsüchtigst darauf, dass das Ganze ein Ende hatte. Doch das Schlimmste sollte mir noch bevorstehen. Mit einem Kessel in der Hand, in dem sie die Rosenblüten und den Lavendelzweig gekocht hatte, kam sie zurück zu mir. Sie wird doch nicht etwa,.. Noch bevor ich den Gedanken zu Ende gedacht hatte, entkam mir ein markerschütternder Schrei. Diese sogenannte Heilerin, goss wahrhaftig dieses heiße Wasser über meinen Körper. Am liebsten wäre ich jetzt gestorben, als diese verdammten Schmerzen ertragen zu müssen.
“Was ist hier los?”, konnte ich Artana’s wütende Stimme vernehmen.
“Verdammt, Nitande! Ich hab dir gesagt du sollst sie heilen und nicht foltern.”, schrie Artana die alte Frau an.
“Du solltest das eigentlich wissen Artana. Nur wer Schmerzen hat, kann geheilt werden. Außerdem, woher kommt deine feine Seele, so kenne ich dich gar nicht. Damals hast du dir einen Dreck um die anderen geschert. Also hör bloß auf, mir so zu kommen, sonst ist unser Geheimnis, bald kein Geheimnis mehr.” fuhr Nitande Artana an und verließ den Raum. Ich hatte noch immer das Gefühl, unter diesen grauenvollen Schmerzen zu sterben, aber als die Schattentänzerin meine Hand in die ihre nahm, war es nur noch halb so schlimm. Ich war nicht mehr allein und das war alles was zählt.
“Du bist so wunderschön!”, murmelte sie vor sich hin, doch ich konnte sie trotzdem verstehen. Diese Wand die sie um sich herum aufgebaut hatte, schien zu bröckeln.
“Ich sollte dich jetzt anziehen und dann sollten wir schleunigst von hier verschwinden.”, sprach sie nun etwas lauter. Zuerst zog sie mir meine Strümpfe und Schuhe wieder an, danach setzte sie mich behutsam auf. Vorsichtig stülpte sie das Kleid über mich und als ich meine Augen wieder öffnete, war ihr Gesicht direkt vor meinem. Es entstand ein Moment in dem die Zeit angehalten schien und ehe ich reagieren konnte, hatte sie ihre Lippen auf die meinen gepresst. Zaghaft erwiderte ich den Kuss.
Doch so schnell als es passiert war, so schnell war es auch wieder zu Ende.
“Komm jetzt, wir müssen los!”, war wieder wie gewohnt die kühle Artana am Wort. Die Artana die sich unter Kontrolle hatte und die keine Nähe zuließ.
So legte sie den Schutzumgang um uns und nahm mich wieder auf ihre Arme, da ich noch zu schwach war um selbst zu laufen. So stolperte sie einfach mit mir zur Tür raus und rannte einfach los.
Gerade als ich mit dem Drachen einigermaßen zufrieden war, spürte ich plötzlich eine grelle Welle aus unsagbarer Angst und Fassungslosigkeit zu mir herüber rollen. Sie kam so plötzlich wie ein Gewitter. Entsetzt wäre ich fast vom Baum gefallen, klammerte mich jedoch gerade noch rechtzeitig fest. Ein kleines Ästchen schnitt mir ein wenig in die Hand und ich beobachtete genervt, wie ein kleines, glitzerndes Blutströpfchen hinab auf irgendein Blatt perlte.
Elijana! Ihr könnt mir glauben, so schnell wie in diesem Augenblick war ich noch nie auf dem Boden. Mit einem eleganten Sprung fiel ich fast herab und schnellte auf die Hütte zu. Das hier oben war eigentlich mein Lieblingsplatz. Es war der schönste und der höchste Baum im Umkreis von mehreren Kilometern. Dennoch verließ ich ihn heute schneller denn je. Fragt mich nicht warum, ich weiß es nicht. Manche würden Schicksal dazu sagen, aber Elfen glauben nun mal nicht daran, also tat ich es auch nicht.
Der Vorhang klirrte laut, als ich hereinstürmte und Nitande anschrie, was das denn zu bedeuten habe. Aber diese fuhr mich nur mit ihrer alten immerwährenden Drohung an. Wie konnte sie es nur wagen? Mich, eine Elfe anzuschreien? Ich hätte sie töten können, hier und jetzt, dann wäre alles vorbei gewesen, aber das ging nicht. Zu meinem Leidwesen war ich immer noch an sie gebunden und sobald ihr irgendetwas passieren sollte, würden alle von meiner Vergangenheit wissen. Das hatte sie mir so ungefähr jeden zweiten Tag deutlich gemacht.
Wehmütig dachte ich an den Drachen, den ich jetzt auf der Krone des Baumes hatte stehen lassen. Vielleicht hatte ihn inzwischen auch schon ein Windstoß hinab katapultiert. Sicher war ich mir jedoch nicht dabei.
Wären heute noch Drachen hier, so wäre das alles kein Problem gewesen. Sie hätten das Dorf auslöschen können und niemand hätte jemals von meinem Geheimnis erfahren, aber das ging nicht und es wäre grausam gewesen.
Minuten später zerrte ich Elijana immer noch hinter mir her. Sie humpelte und wurde mit jedem Schritt langsamer. Also packte ich sie schließlich und trug sie weiter, so schnell es eben ging. Erst nach einer geschlagenen Stunde fühlte ich, wie die Kontrolle über meine Körper zurückkehrte.
Wir waren mitten in einem dunklen Wald, so konnte ich nicht erkennen ob sie weinte, aber sie quiekte leise vor Schmerzen auf, als ich sie auf dem Boden absetzte und mich ziemlich unsanft neben sie fallen ließ.
Ein paar Blätter flogen in die Höhe und segelten dann sanft wieder hinab. Sie raschelten leise.
Schließlich sah ich zu Elijana hinüber. Ihr Gesicht lag jetzt im Schatten und ihr Kleid schimmerte leicht. Es reflektierte ein paar wenige der darauf fallenden Sonnenstrahlen, aber nur wenige erreichten es überhaupt.
Sie sah zwar erschöpft und ziemlich durcheinander aus, aber wenigstens schien sie keine Schmerzen zu haben.
“Was... hat Nitande damit gemeint.. dass sie sonst dein Geheimnis... verraten würde?”, fragte sie dann irgendwann außer Atem.
Ich schwieg. Zum einen weil sie das überhaupt nichts anging zum anderen weil ich nicht darüber reden wollte.
“He! Artana?”
Entnervt stand ich auf. “Elijana, es gibt Dinge, die gehen dich überhaupt nichts an, also bitte sei endlich mal still, ich muss nachdenken!”, fauchte ich sie wütend an und verschwand zwischen den Bäumen. Sie würde schon nicht weg laufen.
Schnell und dennoch leise huschte ich zwischen den Bäumen entlang. Dabei folgte ich einem unsichtbaren Pfad, den ich vor fast siebenhundert Jahren schon einmal entlang gelaufen war. Damals war ich jedoch nicht alleine gewesen,
Sie waren mir gefolgt, wie Hunde, treu bis in den Tod. Wir hatten gelacht. Ich weiß nicht mehr über was eigentlich, aber es hatte uns unaufmerksam werden lassen. Hatte uns abgelenkt. Wenn ich wir sage, spreche ich da allerdings nicht nur von mir, das wäre nicht weiter schlimm gewesen, nein, wir waren einundzwanzig Elfen gewesen. Und wir waren Jung, viel zu jung um das hier zu bestehen. “Tana, schau mal da drüben.”, hatte sie gesagt. Ihr Name war Jowinda gewesen und sie war meine beste Freundin. Tana, so nannten mich nur die besten meiner Freunde. Ich drehte mich um, genau wie sie es gewünscht hatte. Verlor sie aus meinem Blick. Da hinten war eine kleine Hütte gewesen. Sie wäre mir sicherlich nicht weiter aufgefallen, wäre nicht in diesem Moment ein Mensch heraus getreten. Ein Mensch! Noch nie zuvor hatten wir solch ein komisches Wesen gesehen. Er war so ganz anders als wir Elfen. Nicht weil er nicht gut aussah, sicher er war schon älter und sein einst schwarzes Haar war grau und weiß meliert, aber dennoch sah er für seine Verhältnisse gut aus. Wir lachten...
“Artana, Schattentänzerin!”, es war ihre Stimme, die mich schließlich wieder aus meinem Tagtraum erwachen lies. Sie bemerkte nicht die einsame Träne, die bei der Erinnerung an damals, an die schöne, blühende Zeit der Elfen, über die Wangen lief. “Warum nur, warum mussten sie sterben?”, flüsterte ich schließlich so leise, dass selbst Elijana es nicht hörte. Zumindest nahm ich an, dass sie es nicht hörte, denn sie reagierte nicht.
Erst jetzt bemerkte ich, dass ich immer noch weiterlief und Elijana hastete mir so gut es ging hinterher, stark darauf bedacht über keinen Ast oder über keine Wurzel zu stolpern. Allerdings gelang ihr das nicht wirklich gut, alle zwei Sekunden fiel sie wieder zurück und stolperte, nur um dann wieder aufzustehen und weiter hinter mir her zu hasten.
“Artana! Bitte, bleib doch stehen!, Was ist los, Artana!”, sie klang so verletzt, und dennoch ich konnte nicht. Immer weiter folgte ich, wie in Trance diesem Weg. Inzwischen war er von Dornen und Büschen übersät und nicht mehr erkennbar. Aber ich kannte ihn. So oft war ich ihn in Gedanken gelaufen. Hatte gelacht und alles wieder und wieder erlebt.
Aber seit dem war so viel Zeit vergangen, so viele ungezählte Jahre. Dennoch hatte ich nie vergessen und jetzt folgte ich diesem Weg.
Vielleicht war ja jetzt die Zeit gekommen um endlich mit der Vergangenheit abzuschließen.
“Artana, Verdammt, jetzt sag doch was los ist!” Plötzlich fiel sie wieder hin, aber dieses Mal richtete sie sich nicht wieder auf. Sie blieb einfach da unten sitzen und sah mich an.
Was sollte ich tun? Schließlich blieb ich stehen.
“Elijana... nichts ist los, es ist alles okay, lass uns weiter gehen, ja?”
“Nein! Ich gehe hier nicht weg, ehe du mir nicht gesagt hast, was los ist, es stimmt was nicht, ich bin doch nicht blind!”, sie sah süß aus, wie sie da unten hockte und sich nicht bewegte. Stur wie ein kleines Kind und dennoch so erstaunlich schön.
“Okay, okay ich erzähle es dir!, aber nicht jetzt, heute Abend wenn du dann jetzt weiter läufst??”, gab ich schließlich nach.
“Gut, versprich es, dein Wort wirst du nicht brechen oder?”
“Nein!”, wie schaffte sie es nur mich so schnell zu durchschauen, natürlich hätte ich es ihr nicht erzählt weder jetzt noch heute Abend noch sonst irgendwann warum auch? Es ging sie ja nichts an.
“Wie nein?”, sie schien verblüfft und erstaunt zu gleich.
“Nein ich erzähle es dir nicht, niemals, von mir aus kannst du auch hier sitzen bleiben dann störst du mich wenigstens nicht.”, gab ich schließlich zurück.
Sie sah entsetzt aus und nur einen Augenblick lang hatte ich ein schlechtes Gewissen, aber ich meinte es wirklich ganz genau so, wie ich es gesagt hatte.
“Ich störe dich also?”, sie klang frech aber auch traurig, sehr sehr traurig.
Ich nickte, aber in Wirklichkeit hätte ich sie am liebsten in den Arm genommen und mich entschuldigt. Nein sie störte mich nicht, ich war sogar froh, dass sie da war. Und das war wirklich komisch. Noch nie hatte ich auf die Gesellschaft einer anderen Person Wert gelegt, aber jetzt war es mir wirklich wichtig. Ich wollte sie nicht hier alleine lassen, aber es wäre besser für sie, wenn sie wirklich sitzen geblieben wäre. Nur tat sie das leider nicht.
Sie schwieg. Und schließlich tat ich genau das, was ich nicht tun wollte.
“Komm, lass uns weitergehen.”, meinte ich versöhnlich und versuchte dabei wirklich freundlich zu klingen. Dann kam ich zu ihr und reichte ihr sogar die Hand. Noch gestern hätte ich nie daran gedacht irgendwem zu helfen, aber sie war etwas ganz Besonderes. Sie war einzigartig und sie war eine Elfe.
Schließlich nahm sie meine Hand und ließ sich von mir aufhelfen.
“Wohin gehen wir eigentlich?”, fragte sie vorsichtig.
“Ich weiß nicht.”, das war gelogen, mal wieder. Ich wusste nur zu genau wo ich hin wollte, aber wenn ich es ihr gesagt hätte, wäre sie keinen Schritt weiter gegangen. Falls sie sich überhaupt daran erinnern konnte, so jung wie sie war, konnte es gut möglich sein, dass sie den Ort, den wir irgendwann betreten würden, noch nie gesehen hatte. Aber sicher war ich mir nicht.
“Ach komm schon, vergiss mal die dunklen Wolken, die dich umringen, du weißt genau, wo du hin willst.”
“Natürlich weiß ich das, aber das ist nicht so wichtig, wichtig ist nur, dass wir von dort, von den Menschen weg kommen.”
“Warum, was ist passiert, wieso können wir nicht einfach in diesem schönen Waldstückchen bleiben, wo du mich gefunden hast.”
“Du fragst zu viel, kleine Farbentrinkerin.”, meinte ich schließlich freundlich zu ihr.
Die nächsten Minuten liefen wir schweigend weiter. Bis sie plötzlich stehen blieb. Erstaunt drehte ich mich um und sah sie fragend an.
“Ich kann nicht mehr.”, jammerte sie und wirkte dabei so klein wie ein junges Kätzchen. Na gut, wie eine junge Wildkatze,
“Siehst du den großen Felsen da vorne, der direkt auf dem Abhang liegt, als würde er gleich direkt auf uns herabrollen?”, ich deutete auf einen noch ziemlich klein aussehenden Stein vor uns.
Sie nickte.
“Wenn wir den erreicht haben reicht es für heute, ja?”
Sie nickte wieder nur und um sie etwas aufzumuntern reichte ich ihr meine Hand. Dabei fiel mir auf wie hell und leicht aber vor allem wie kalt ihre eigentlich war. Daher blieb ich erneut stehen und zupfte ein dunkelrotes, kleines Blatt aus einer der Taschen, die ich um die Schultern trug.
Vorsichtig berührte ich es, auf die gleiche Weise wie den Mantel vorhin. Und auch dieses Mal veränderte es sich. Wurde zu einem roten Umhang, der vorne mit vielen kleinen, dünnen Fäden versehen war.
Sie lachte erstaunt, als ich zu ihr kam und ihn ihr um die Schultern legte. Für einen kurzen Moment lang waren wir uns wieder genauso nahe wie vorhin. Aber diesmal gab ich nicht nach sondern wandte mich abrupt von ihr ab. Ein Wölkchen des Erstaunens wehte zu mir herüber, aber sie sagte nichts.
Erst als ich bemerkte, wie sehr ihre Finger zitterten und wie verzweifelt sie versuchte die Fäden des Mantels miteinander zu verknoten kam ich wieder näher. “Warte, ich helfe dir.”, murmelte ich leise, und dennoch laut genug, dass sie es hören musste.
Oben an dem obersten Fädchen des Mantels war eine goldene Brosche in Form von zwei ineinander fallenden Flügeln befestigt. Diese berührte ich einmal kurz, ließ ganz kurz den Gedanken: “Ejraan!” hinein fließen und die Fädchen verknoteten sich wie von Zauberhand selbst miteinander. Ejraan, bedeutet “schließe dich”.
Sie lächelte in plötzlichem Begreifen erfreut auf.
“Danke. Aber frierst du jetzt nicht?”
Ich schüttelte den Kopf, nein ich fror nicht, und selbst wenn es der Fall gewesen wäre, ich hätte es mit Sicherheit nicht zugelassen, dass sie hier schutzlos durch die Kälte wanderte, das wäre einfach nur grausam gewesen, wo sie doch eh schon so blass aussah und auch noch verletzt war.
Mir war kalt. Und je näher wir dem Stein kamen und je mehr sich die Nacht mit ihm über uns legte, desto kühler wurde es. Aber ich würde nichts sagen. Und ich versuchte mir auch nichts anmerken zu lassen.
Schließlich reichte sie mir wieder die Hand. Ohne eine noch so winzige Regung meiner Gefühle zu zeigen nahm ich sie und half ihr, sobald sie drohte zu stürzen.
Es war angenehm zu wissen, dass sie da war, ihre Hand in meiner zu spüren und dennoch war es nicht ganz richtig. Sie war so viel mehr wert, als jemanden wie mich zu verdienen und dennoch konnte ich ihr nicht wiederstehen.
Wir liefen noch etwa eine Stunde weiter, ehe sie schließlich meinte: “Wir müssen eine Pause machen, sonst erreichen wir den Stein nie mehr lebend.”
Ich lächelte und schob vorsichtig ihre Hand nach vorne, so dass sie die kalte Wand
des Steines an ihr spüren konnte.
“Wir haben ihn bereits lebend erreicht, Elijana.”
Sie lachte leise. Ein Lachen so fein und zart, wie ein kleines Pflänzchen. So zerbrechlich und dennoch so wild und frei. Jedoch brachte es mich nicht ebenfalls zum Lachen, nur ein Lächeln ließ ich zu und das erreichte meine Augen nicht mal. Zum Glück konnte sie es bei dieser Dunkelheit eh nicht sehen.
Wir gingen noch um den Stein herum, ehe ich mich hinsetzte und ihr deutete das gleiche zu tun. Während der ganzen Zeit hatte sie mich nicht losgelassen, aber jetzt entzog ich ihr vorsichtig meine Hand.
Es würde sicher ein schöner Abend werden, der Stein unter uns war warm und über uns glitzerten die Sterne in ihrem blassgoldenen Licht.
Nach dieser langen und anstrengenden Reise, war ich erschöpft und ein bisschen müde schon. Gottseidank hatten sich die Schmerzen so weit verflüchtigt, dass ich wieder klar denken konnte. Für mich war Artana ein Rätsel, welches ich gerne lösen wollte. Hinter diesen Mauern die sie aufgebaut hatte, steckte irgendein anderes Wesen, welches offener war und liebenswürdiger. Zugegeben, diese Unantastbarkeit und diese Kühle die sie ausstrahlte, wirkten sehr faszinierend auf mich. Um mich ein wenig zu entspannen, lehnte ich mich an sie. Artana zuckte kurz zusammen, ließ es aber zu. Ich blickte in den wunderschönen Himmel, der mit über tausenden von Sternen übersät war. Der Wind schob sich zwischen den Blättern der Bäume hindurch und gab uns dabei eine wunderschöne Geräuschekulisse. Untermalt mit dem Zwitschern der Vögel, entspannte ich mich und atmete leicht ein und aus. Da ich schon müde war, schloss ich meine Augen und lauschte der Natur. Irgendwann unterbrach Artana die Stille.
“Ich hab heute ein kleines Mädchen gesehen, im Dorf!”, ich wartete bis sie weitersprach, aber es war vergebens.
“Und was war mit diesem Mädchen?”, erkundigte ich mich bei ihr, da sie es wahrscheinlich nicht ohne Grund erzählte.
“Nichts,” sie zögerte kurz ehe sie weitersprach, “sie hat mich nur an dich erinnert, mit diesen rostroten Haaren und dieser blassen Haut!”. Mir stockte der Atem. Nein, das konnte doch nicht sein, oder? Jetzt fing ich leicht zu zittern an und setzte mich wieder gerade hin.
“Was ist los? Hab ich was Falsches gesagt, Elijana?”, beugte sie sich zu mir her und sah mich eindringlich an. Sollte ich es ihr erzählen, was ich vermutete oder war es nur ein Wunsch meiner Phantasie? Eine Einbildung. Ich blieb stumm.
“Elijana?”, stupste sie mich an und ihre harte Maske, wurde weicher, zumindest kam mir das so vor. Sollte ich mich ihr anvertrauen?
“Ähm, nein du hast nichts Falsches gesagt. Es ist nur so, ähm ja, dass..”, stammelte ich vor mich hin, aus Angst der Wahrheit ins Gesicht zu blicken.
Ich vergrub mein Gesicht in meine Hände. Ich konnte es ihr nicht erzählen, oder etwa doch. Verwirrung machte sich in meinem Kopf breit.
“Jetzt sag schon, meine kleine Farbentrinkerin. Ich merk doch, dass dich das gerade total aufgewühlt hat!”, sie nahm mein Gesicht in ihre Hände und bewirkte somit, dass ich ihr ins Gesicht sehen musste. Es war schon wieder diese Nähe, doch jetzt wollte ich das auf keinen Fall zulassen.
“Ähm ja, es ist so Artana. Du wirst mich jetzt bestimmt für verrückt erklären oder vielleicht gar nichts mehr mit mir zu tun haben wollen, aber hör dir die Geschichte bitte zu Ende an.”, bat ich sie.
“Okay!”, nickte sie nur kurz.
“Also vor einigen Jahren, hab ich mich durch Zufall in dieses menschliche Dorf verirrt. Die Menschen feierten ein Fest und alle waren fröhlich und lachten. Ich schlich mich also hinter ein Haus und beobachtete ihr Treiben. Musik kam aus allen Ecken und Enden. Plötzlich sah ich ihn. Diesen Menschenjungen, mit den goldenen Augen. Mit seinem Holzfällerhemd und seinen wuscheligen blonden Haaren, hatte er mein Herz erobert. Irgendwann trafen sich unsere Blicke und wir starrten uns lange eingehend an. Ein Lächeln huschte dabei über seine Lippen. Nun war es endgültig um mich geschehen. Mir wurde zwar oft gesagt, ich müsste bei den Menschen aufpassen, aber in diesem Moment waren alle Warnungen vergessen und ich wollte nur ihn. Eine Weile später kam er zu mir herüber und stellte sich vor.
‘Hey, mein Name ist Toby und wer bist du?’, keck grinste er mich an und fuhr mir durch mein rotes Haar.
‘Ich bin Elijana. Freut mich sehr!’, antwortete ich und verschwieg ihm, dass ich eine Elfe war.
‘Tja Elijana, hast du Lust mit mir in meine Hütte zu gehen?’, fragte er und strahlte mich dabei mit seinen großen Augen an. Ich nickte nur und folgte ihm ihn sein Reich. Er deutete mir, sich auf sein Bett zu setzen.
‘Tee?’, bot er mir an und ich nickte abermals. Während er uns Tee zubereitete, blickte ich mich ein wenig um. Es war zwar sehr einfach eingerichtet, mit dem allernötigsten, aber es hatte trotzdem seinen Charme und wirkte gemütlich.
Er stellte die Tassen auf den Nachttisch und gesellte sich zu mir.
‘Ist noch heiß.’, sagte er, ehe er mein Gesicht in seine Hände nahm und mich küsste. Zuerst ganz sanft, dann wurden wir immer wilder. Ich konnte die Leidenschaft und die Begierde spüren und es fühlte sich richtig gut an. Obwohl ich eigentlich nicht der Typ dafür war, ließ ich es zu, dass er mich nach und nach auszog und wir es taten. Damit hatte ich eine große Regel des Elfenkodex gebrochen. Doch das war mir in diesem Moment egal. Alles was ich wollte war ihn. Nach unserem Liebespiel, lagen wir küssend in seinem Bett.
‘Du bist einfach Wahnsinn, Elijana. Weißt du das.’, waren seine Worte zwischen zwei Küssen.
Von da an sahen wir uns sehr häufig, und da ich eine Einzelgängerin unter den Elfen war, bekam auch niemand meine Sünde mit. Zwei Monate darauf, kam dann der Schock. Ich war schwanger, erwartete ein Baby. Toby musste ich es schonend beibringen, da ich nicht wusste wie er reagieren würde.
Doch er nahm die Neuigkeit ganz anders auf, als ich erwartete. Er freute sich darüber. Und so konnte einer kleinen Familie nichts mehr im Wege stehen. Die folgenden sieben Monate, bis zur Geburt unserer Tochter, verwöhnte er mich und tat alles menschenmögliche, damit es mir gut ging. Die Geburt verlief ohne Komplikationen und wir gaben ihr den Namen Marina. Es war ein so wunderbares Gefühl eine Tochter zu haben und einen Mann der mich liebte. Doch eines Tages, als Marina circa drei Monate alt war, war Toby mit ihr verschwunden. Von da an hatte ich nichts mehr von den beiden gehört. So entwickelte ich einen Hass auf die Menschen, denn ich hätte auf die Ratschläge hören sollen und nicht blind vor Liebe sein. Und ja, als du gesagt hast, du hättest dieses Mädchen gesehen, musste ich unweigerlich daran denken.”, jetzt musste ich heulen, da mir das alles sehr nahe ging. Artana nahm mich in den Arm und versuchte mich zu trösten.
“Du sagtest, Toby hätte goldene Augen gehabt?”, wandte sie sich an mich.
“Ja.”, schniefte ich nur und wischte mir eine Träne von der Wange.
“Das Mädchen, das ich gesehen hatte, hatte ebenfalls goldene Augen.”, gab sie sich nachdenklich.
“Laut deiner Geschichte, könnte es sich tatsächlich um Marina handeln.” ergänzte sie noch. Ich blickte ihr in die Augen und hielt diesen Gedanken für eine Lüge. Sollte ich doch nach all dieser Zeit meine Tochter gefunden haben? Ich wagte nicht daran zu denken.
“Wir werden, wenn du willst, uns später einmal in dieses Dorf aufmachen. Doch vorher muss ich dich noch woanders hinbringen. Es hat nämlich ebenfalls eine große Bedeutung für uns.”, ich nickte nur und fand diese Idee gar nicht so übel.
“So aber jetzt lass uns schlafen, meine Kleine!”, sprach sie zu mir, “Morgen wird ein langer Tag!”.
Ich lag noch lange wach da und beobachtete wie sie sich im Schlaf hin und her drehte. Wie konnte jemand ihr nur so etwas antun, ihr, einem solchen Engel. Ich verstand es einfach nicht, aber was konnte man schon von den Menschen erwarten, sie waren so dumm, geradezu völlig unwissend.
Und schließlich stand ich auf. Im Schatten der Nacht lauern böse Träume und dunkle Erinnerungen, und diesen wollte ich Elijana nun wirklich nicht aussetzen. Also kam ich zu ihr heran und versuchte sie jedes Mal, wenn sie scheinbar anfing schlecht zu träumen, ein wenig zu beruhigen. Und schließlich schlief sie ein und war ganz ruhig.
Dann jedoch drehte auch ich mich auf die Seite, weg von ihr, um ein wenig zu schlafen. Der Mantel lag noch immer ausgebreitet über ihr.
“Komm, glaubst du ernsthaft ich sehe dich nicht!”, hallte das böse Fauchen eines Menschen zu mir herüber. Natürlich sah er mich nicht, er konnte mich doch gar nicht sehen, nicht unter diesem Mantel. Oder etwa doch? Entsetzten packte mich, als ich spürte, wie sich der große, schwarze Drache mir näherte. Und dann plötzlich sah ich wieder diese Kralle. Silbern blitzte sie genau vor mir auf. “Nein!”
Mit einem entsetzten Kreischen wachte ich auf. Wieder war es nur ein Traum gewesen und wie immer war es ein und derselbe Traum. Er erinnerte mich immer und immer wieder an diese Schuld, die ich in mir trug.
“Was ist los?”, murmelte die kleine Farbentrinkerin leise neben mir.
“Nichts, schlaf weiter.”, meinte ich nur und sie drehte sich noch im gleichen Augenblick um und schlief wieder tief und fest.
Aber bei mir war an Schlaf nicht mehr zu denken.
Den Rest der Nacht verbrachte ich oben, auf dem höchsten Punkt des Steins und wartete und beobachtete.
Als die ersten Sonnenstrahlen dann auf Elijana fielen, glitt ich zu ihr hinab und weckte sie sanft. Zuerst versuchte sie nach mir zu schlagen, dann jedoch besann sie sich und kroch unter dem Mantel hervor. Glaubt mir, ich habe noch nie eine Elfe mit solchen unordentlichen Haaren gesehen die so chaotisch aussah, als wäre sie gerade kopfüber in einen Teich gesprungen. Mit einem kalten lächeln, das dennoch ein wenig aus meinem Herzen kam beobachtete ich, wie sie verzweifelt versuchte die Knoten zu lösen. Dann jedoch trat ich an sie heran und hob den Mantel, der sich inzwischen wieder in ein harmloses Blatt verwandelt hatte, vom Boden auf.
“Ist dir noch immer kalt?”, Fragte ich schließlich.
“Nein ist okay.... Ach ja, guten Morgen.”, sie lachte leise.
“Guten Morgen. Komm, lass uns weiter gehen wir sollten keine Zeit verlieren.
Sie nickte und maulte gleichzeitig: “Ich hab aber Hunger.”
Ich schwieg. Natürlich hatte sie Hunger, aber was sollte ich machen hier im Wald wuchsen so gut wie fast gar keine Beeren und die paar wenigen die ich noch in meinen Taschen aufbewahrte, wollte ich uns für später aufheben.
“Artana?”
“Was denn?”, scheinbar genervt sah ich sie an.
“Ich hab Hunger.”, wiederholte sie nun erneut mit etwas mehr Nachdruck als vorhin.
“Ich weiß, aber seh’ ich so aus, als wäre ich essbar?”, fauchte ich wütend.
Erschrocken schüttelte sie nur den Kopf und lief neben mir her.
Den ganzen Tag lang folgten wir weiter schweigsam diesem unsichtbaren Pfaden denen ich schon so lange folgte. Sie sagte nichts. Hatte ich etwas falsch gemacht? Ich vermisste sie, vermisste ihr Lachen, obwohl sie doch direkt neben mir lief. Aber was sollte ich nur tun, wenn ich mit ihr redete würde sie meine Zuneigung merken und das durfte sie nicht. Sie hatte jemanden wie mich einfach nicht verdient.
Doch dann passierte etwas, mit dem nicht einmal ich gerechnet hatte.
Auf einmal, plötzlich verdunkelte sich die Sonne, bildete schwarze, schattenhafte Flügel über uns. Entsetzt sahen wir hinauf. Und da flog er, Jigdralif, der schwarze Drache.
“Schnell, duck dich!”, schrie ich gerade noch und zerrte Elijana mit mir hinab.
Gerade noch rechtzeitig fiel sie neben mir zu Boden.
Über uns zerrissen silberne Krallen die kühle Abendluft.
Zu Tode erschrocken starrte Elijana mich an.
“Ganz ruhig. Komm, setz dich auf, aber ganz langsam, wie in Zeitlupe, dann bemerkt er uns nicht so schnell.” flüsterte ich leise.
“Aber was, was ist das, was hat das zu bedeuten?”, fragte sie immer noch geschockt und viel zu laut.
“Ist nicht so wichtig, komm schon, sie still, bitte tue einfach was ich dir sage, mach mir nach was ich tue und versuch möglichst langsam und geschmeidig und vor allem ruhig dabei zu sein.”
Sie nickte.
Also stand ich auf, ganz ganz langsam. Als ich mich zu Elijana umdrehte sah ich, dass sie das gleiche tat. Ich lächelte ihr aufmunternd zu. Wie konnte nur so viel Angst und Schrecken in diesen wunderschönen jadegrünen Augen stehen, das ging doch nicht. Und ich war auch noch daran schuld. Natürlich, Jigdralif, er war meinetwegen hier, nicht wegen ihr und fast hätte er sie getötet, nicht mich!
Und dann geschahen drei Dinge gleichzeitig. Eines davon war die Tatsache, dass der schwarze Drache sich auf einmal wieder uns zuwandte, und genau auf Elijana herabstieß, die mit ihren roten Haaren leider besonders auffiel. Und dann kam wie aus dem Nichts plötzlich noch ein zweiter Drache, ein jadegrüner, genauso grün, wie ihre Augen. So schnell ich reagieren konnte, warf ich mich dann auf sie. Auf Elijana. In diesem Augenblick spürte ich den stechenden Schmerz von Krallen auf meinem Rücken, wie sie einmal quer darüber rissen. Schmerz stieß durch meine Gedanken, unglaublicher Schmerz und unglaubliches Glück. Er hatte mich getroffen! Mich! Nicht Elijana!
Ein triumphierendes Kreischen signalisierte mir, dass Jigdralif genau solch eine Reaktion von mir erhofft hatte.
“Nein.”, keuchte ich leise, entsetzt. Nein das darf nicht geschehen,. Nein er darf es nicht auf Elijana abgesehen haben, nur um sich an mir zu rächen. Nein er konnte mich nicht getroffen haben. Nein zu der ganzen weiten Welt.
Und dann ertönte ein lautes, fürchterliches Krachen über uns.
Gerade noch rechtzeitig richtete ich mich keuchend auf um zu sehen, wie der grüne Drache gegen den schwarzen kämpfte. Er war viel kleiner und unerfahrener, das würde er nicht überstehen. Nicht alleine. Mit Mühe spannte ich meinen rostroten Bogen und legte einen der mit nachtschwarzen Federn und in Gift getränkten Pfeile auf.
Fast hätte ich ihn wieder fallen gelassen, doch dann sah ich wie auch Elijana ihren Bogen spannte, und einen Pfeil auf die gespannte Sehne legte. Lange würde ich das nicht mehr durchhalten, meine Zeit lief ab mit jeder Sekunde vertiefte sich der Schmerz zu einer heißen Woge aus schwarzen Wolken und Gewitter.
“Hier, nimm meinen … Gift.” Keuchte ich leise, und streckte ihr meinen Pfeil hin.
Sie nahm ihn und legte ihn ohne zu fragen auf die Sehne. Ich weiß nicht ob sie traf, nur ihren leisen Kampfschrei, der dem wilden Schrei eines Falken ähnelte nahm ich noch wahr.
Dann sank ich langsam zu Boden.
“Elijana?”, meine Stimme war brüchig und hörte sich schrecklich rau an.
“Ja?”, sie beugte sich sofort zu mir herunter.
Hatte sie den Pfeil abgeschossen?
“Pass.. auf ..dich auf, er... hasst.. mich.. und will deshalb... dich...! Bitte.. pass auf dich auf...lass... lass mich hier.. liegen, bitte... lauf, ...lauf soweit du kannst und so schnell wie dich der Wind trägt, lange... schafft Jadekralle das nicht.”
Jadekralle, so hieß der andere Drache, wir hatten einst Seite an Seite gekämpft, in der Zeit des frostigen Kampfes, wie sie im Volksmund genannt wurde. Denn wir hatten mit Eis gekämpft, mit Pfeile in Eis getaucht und absolut tödlich.
“Nein, Artana, Nein, ich lasse dich nicht hier, nein.”
“Bitte,... lauf.. bitte...”, dann konnte ich nicht mehr und fiel in eine schwarze, beruhigende Stille hinein. Mein letzter Gedanke galt ihr, bevor ich dann völlig versank. Ich weiß nicht, ob sie ihn hörte, ob er sie erreichte, aber mit aller Kraft schrie ich in ihre Gedanken: “Ich liebe dich, aber bitte ... LAUF!” Dann war da nichts mehr, nur noch Stille und die eisige Erwartung jetzt zu sterben.
Was geschah da oben? Ich erspähte einen nachtschwarzen Drachen am Himmel. Noch ehe ich begreifen konnte, was da los war, warf sich Artana, meine Schattentänzerin, über mich, wie ein Schutzschild und bekam die geballte Kraft des Drachen ab. Sie hatte mir in diesem Moment mein Leben gerettet, schon das zweite Mal heute. Dann traf mich der Blick eines zweiten Drachen.
Dieser Blick sprach Bände in meinen Augen. Er signalisierte mir, dass alles gut werden würde und er auf unsere Seite stand. Da dieser, in einem wunderschönen grün funkelnde Drache, um einiges kleiner war als das Monster am Himmel, versuchte ich ihm zu helfen. So spannte ich einen Pfeil auf der Sehne meines Bogens. Ob das den gezielten Erfolg versprach den ich mir wünschte, wusste ich nicht, doch ich konnte nicht untätig herumsitzen und zusehen wie die Welt über uns zu Grunde ging. Ehe ich ihn abschießen konnte hielt mir die sehr geschwächte Artana einen ihrer Pfeile hin. Natürlich, ihre Pfeile waren in Gift getränkt und mit diesem konnte ich sogar eine Chance haben. Ein triumphierender Schrei verfolgte den Pfeil. Ich hatte ihn getroffen. Die Schattentänzerin rief mir immer und immer wieder mit ihrer schwachen Stimme zu, dass ich weglaufen sollte und mich in Sicherheit bringen, doch ich konnte sie hier nicht einfach liegen lassen und ihrem Tod aussetzen. Nicht jetzt wo ich mich scheinbar in sie verliebt hatte. Mit aller Kraft zerrte ich sie also in einen kleinen Unterschlupf, wo sie außer Sichtweite der Drachen war. Da ich eine sehr junge und unerfahrene Elfe war und noch nie jemanden geheilt hatte und auch nicht wirklich wusste wie das funktionierte, versuchte ich es auf meine Weise. Ich legte meine Hände an ihr Herz und dachte ganz fest daran, dass sie geheilt werden möge. Doch nichts geschah. Immer und immer wieder probierte ich es, aber immer ohne Ergebnis. Als ich immer mehr Angst um sie bekam, da die Zeit knapp wurde und ich nicht wusste, wie lange sie das überleben würde, wurde ich wütend. Wütend auf mich, dass ich die Kunst des Heilens nicht beherrschte.
Sie lag immer noch regungslos da und wenn ich ihr Herz nicht schlagen gespürt hätte, hätte man meinen können sie wäre bereits gestorben. Dieser Gedanke jagte mir Tränen in die Augen.
“Ich will doch nicht dass du stirbst!”, schrie ich mit einer enormen Kraft und eine Träne kullerte über meine Wange und fiel genau auf meine gefalteten Hände über ihrem Herzen. In diesem Moment geschah etwas Seltsames. Unter meinen Händen fing es an zu kribbeln und ein kleines Lichtspiel fand unter ihnen statt. Ich spürte auf einmal eine enorme Energie, die durch meine Hände in ihren Körper gepumpt wurde. Mit jeder Träne die ich vergoss, wurde die Energie stärker und stärker.
“Aaaahhh...!”, selbst mich überwältigte die geballte Kraft und die Erkenntnis, dass es doch geklappt hatte. Erst als ich spürte wie das Kribbeln weniger wurde und das Lichtspiel erlosch, wagte ich es meine Hände von ihr wegzunehmen. Gespannt starrte ich sie an und tatsächlich regte sie sich und auch ihre geschlossen Augen fingen an sich zu bewegen und blinzelten mich an. Plötzlich überkam mich ein Gefühl von Glück und Zufriedenheit, welches mich dazu bewegte, sich über sie zu beugen und meine Lippen sanft über die ihren zu legen.
“Ich liebe dich, Artana!”, flüsterte ich ihr anschließend ins Ohr und vergaß dabei alles um mich herum. Das einzige was für mich zählte, war nur meine Schattentänzerin. Ein Lächeln bildete sich in ihrem wunderschönen Gesicht und sie richtete sich ein wenig auf.
“Danke!” sprach sie nur und drückte mich mit ihrer neugewonnen Kraft gegen die Felswand und küsste mich abermals. Es fühlte sich einfach nur gut und richtig an. Als wir uns wieder voneinander lösten, nahm sie mich an der Hand und zog mich hoch.
“So und jetzt lass uns die Welt retten, kleine Farbentrinkerin!”, zwinkerte sie mich an und wir liefen Hand in Hand aus dem Unterschlupf. Über uns bekämpften sich noch immer die Drachen. Das Gift schien ihn zwar ein bisschen geschwächt zu haben, aber er schien immer noch sehr stark zu sein.
“Jadekralle, ejaam ke lebe taa!”, schrie Artana neben mir in den Himmel, was so viel bedeutete wie ‘Komm her zu mir!’. So glitt der grüne Drache herunter zu uns und ich kroch nach meiner Heldin den Rücken, des für uns riesigen Gefährten, hinauf. Als wir auf ihm drauf saßen, schlang ich meine Arme um Artana’s Taille und schmiegte mich eng an sie. Wir stiegen in die Luft hinauf, wo uns der andere Drache schon erwartete. Jetzt gab es kein Entkommen mehr für uns.
“Palad ejn Iriim!”, schrien wir im Chor. Auf in den Kampf. Auf Jadekralles Rücken, mit Artana’s Anwesenheit, fühlte ich mich sehr sicher. Wieder hielt sie mir einen ihrer Pfeile hin und ich nahm ihn dankbar an. Gemeinsam mit der Hilfe von Jadekralle, konnten wir ihn vielleicht soweit schwächen, dass er floh, wenn wir ihn nicht gar töteten. Aber davon ging ich nicht aus. Denn das Gift, in so einer geringen Menge, im Verhältnis gesehen, würde ein so riesiges Monster nicht töten können.
“Auf drei schießen wir in seine Flügel, okay?”, ich nickte, da ich bereit war es mit ihm aufzunehmen.
“Eins,... zwei,... drei!!! Looooos! Angriff!”, schrie sie und die Pfeile durchbohrten jeweils einen seiner Flügel, welches ihn leicht ins Schwanken versetzte. Doch er war noch immer am Himmel und konnte sich in der Luft halten. Drei, in Gift getränkte Pfeile, hatte Artana noch in ihrem Köcher. Wieder wiederholten wir das Spiel. Doch auch diesmal, schafften wir es nicht, ihn in die Flucht zu schlagen. Unsere Hoffnungen lagen nun in diesem letzten Pfeil. Ich hatte Angst, dass auch dieser nichts bewirken würde. Jetzt wo ich jemand Gleichgesinnten gefunden hatte, dem ich meine Liebe schenken wollte, sollte dies unser letztes Stündlein sein? Nein, wir durften nicht aufgeben und mussten zusammenhalten, egal was kommen möge und auch wenn dieser Pfeil nichts bewirken sollte. So reichte ich Artana den letzten Pfeil und sah ihr zu wie sie ihn auf die Sehne ihres Bogens legte.
“Schenk mir Kraft, Elijana!”, sprach sie in einem sanften aber dennoch kraftvollen Ton. Wieder schmiegte ich mich eng an sie und legte meine Hände an ihr Herz, welches symbolisch dafür stehen sollte, meine Energie mit ihr zu teilen. Und dann spannte sie den Pfeil und schoss ihn ab. Wir verfolgten ihn gespannt mit unseren Blicken.
Und dieses Mal traf ich. Noch während der Pfeil in die Hauptsehne des Flügels glitt, wie durch Wasser, fing Jigdralif an zu kreischen. Sein Schrei war so unglaublich hoch und erschreckend, dass Jadekralle fast Flügelstarre bekommen hätte. Aber gerade noch rechtzeitig war Jigdralif wieder still. Es war eine eigenartige Stille, nicht ein Blatt regte sich, während er immer weiter tiefer auf die Bäume zu trudelte. Mit nur einem Flügel gelang es ihm nicht die Richtung zu bestimmen, in die er fliegen wollte, und krachte schließlich mit einem lauten Poltern auf den Bäumen auf. Ihr könnt euch vorstellen, dass sie alle wie Streichhölzer umknickten, bei dem Gewicht von mehreren Tonnen.
Aber im gleichen Moment wusste ich auch, dass dies Jigdralif nur noch wütender machen würde. In weniger als zwei Tagen würde er wieder fliegen können, nicht mehr ganz so genau wie zuvor und es würde schwierig für ihn sein zu lenken aber er wäre wieder so weit, dass er uns verfolgen konnte.
Auch Jadekralle schwebte jetzt langsam gleitend zu Boden. Ich spürte den Wind, der unter seinen Flügeln langstrich und sich ein wenig zu uns hinaufbewegt. Und dann schließlich landete er keine zwei Meter von Jigdralif entfernt mit einem eleganten Plumps. Schnell sprang ich herab und gab Elijana ein Zeichen es mir gleich zu tun.
Dann schritt ich vorsichtig auf den schwarzen Drachen zu, seine Anwesenheit füllte meine Gedanken voll aus und ich spürte wie er fauchte und versuchte sich zu bewegen. Es war unser Glück, dass er zwischen den Bäumen eingekeilt wie in einem Gefängnis lag. Allerdings wäre es für ihn ein leichtes sich zu befreien, wenn er seinen Flügel hätte bewegen können um auf zu steigen. Aber das konnte er zum Glück nicht. Also ging ich vorsichtig näher auf ihn zu, Elijana folgte mir ängstlich.
Keine Armlänge von seinem riesigen Maul blieb ich schließlich stehen und murmelte leise, mit ausgestreckter Hand: “Erinje flaj.” Kommt her. Sofort stoben die sieben Pfeile aus dem Körper des Drachen auf und kamen wie magisch angezogen zu mir. Ihre tintenschwarzen Spitzen waren ein wenig mit Blut besudelt und vorsichtig wischte ich sie an einem der großen Blätter eines Baumes ab.
Schließlich ließ ich sie in den Köcher zurück gleiten und drehte mich zu Elijana um.
“Weißt du wie man sich bei einem Drachen bedankt?” fragte ich besorgt.
Aber zu meinem Erstaunen nickte sie, ging auf Jadekralle zu und verneigte sich ganz langsam. Als sie den Kopf wieder einen Zentimeter weit hob murmelte sie leise: “Indaree!” Danke. Erstaunt beobachtete ich, wie sie sich mit absolut präziser Eleganz wieder zu mir umdrehte und lächelte. Verzweifelt bemüht, keine Regung dabei zu zeigen, wie sehr ich mich freute, dass sie doch mehr wusste, als ich annahm folgte ich ihrem Beispiel und bedankte mich bei Jadekralle. Als ich jedoch noch mit gesenktem Kopf vor ihm stand fragte ich dieses wundervolle Geschöpf vorsichtig: “Jenderril kandeis ma?” Nimmst du uns ein Stück deines Weges? Er grummelte nur und ich hatte kurze Zeit das Gefühl, das eine kleine Steinlawine von einem Felsen herab kullerte, aber dies war seine Stimme und ich durfte mich nicht von ihr ablenken lassen. Dieses eine kurze Grummeln genügte schon um uns seine Zustimmung zu zeigen.
Mit nur einem Satz landete ich geschwind auf seinem Rücken. Die scharfen Kanten seiner Schuppen stachen mir in die Haut, aber alles war besser als von Jigdralif gefressen oder getötet zu werden. Gerade als ich meiner kleinen Farbentrinkerin die Hand reichen wollte, schwang sie sich elegant und blitzschnell zu mir hinauf.
“Wohin fliegen wir?”, fragte sie schließlich mit ihrer wunderschönen Stimme.
“Ich weiß nicht, aber wahrscheinlich zum Eisfelsengebirge über die Glitzerspalten hinweg, aber sicher kann ich dir das nicht sagen nur weit genug von Jigdralif fort, um in Sicherheit zu sein und hoffentlich ein Stückchen näher an unserem Ziel zu sein.”
“Apropos Ziel, wohin gehen … äh fliegen wir denn eigentlich, oder wo wollen wir hin?”
In diesem Augenblick breitete Jadekralle seine Flügel wieder aus und schoss hoch in die Luft. Mit nur wenigen schnellen Schlägen waren wir so hoch oben, dass Jigdralif unten nur noch wie ein schwarzer, böser Schatten aussah.
Ich tat, als hätte ich sie nicht gehört, auch wenn sie es wissen musste, damit sie im Notfalle auch alleine weiter konnte, ich hatte keine Lust ihr zu erklären, wie wichtig unser Ziel war und vor allem warum.
Irgendwann würde sie das schon verstehen. Aber noch war nicht der richtige Zeitpunkt dafür.
Elijana allerdings ließ sich nicht abwimmeln, sie wiederholte ihre Frage und diesmal antwortete ich. Jedoch nicht das was sie hören wollte, sondern ich fragte sie leise: “Weißt du von den alten Legenden um die Festung der Elfen?”
“Nein... aber ich will endlich wissen wohin wir unseren Weg fortsetzen.”, grummelte sie leicht genervt.
“Nun dann werde ich sie dir erzählen:Vor unbestimmter Zeit in einem unbestimmten Land der Legenden, Mythen und Sagen, da herrschten einst die Drachen. Ihre Schönheit eleganter als alles andere auf dieser uns bekannten Welt. Manche sagen, sie wären einst in unser Land, gekommen um die Elfen von ihrem Schicksal zu befreien, manche sagen aber auch, es wäre ihr Schicksal gewesen daran zu vergehen, wie eine Blume bei Gewitter. Als sie unsere Welt betraten war das erste, was sie sahen die exakte Genauigkeit und Eleganz der alten Festung der Elfen. Sie fragten uns, uns Elfen, ob wir sie selbst erbaut hätten und wir erklärten ihnen, wie wir es schafften ein solches Imperium aufzubauen. Niemand, weder Elf noch Mensch weiß um die Gabe die benötigt wird, eine solche Stadt zu formen, dennoch heißt es, sie würde noch immer existieren, an einem unbekannten Ort. Als dann die Drachen von den Elfen verlangten sie zu lehren, schlossen sie einen Handel, sie sollten uns die Magie schenken und wir ihnen unser Wissen um die Welt der Vögel und Pflanzen und der Erde. Denn sie kannten bisher nur Luft Wind und Wasser. Daher lehrten sie uns, wie man mit Wind, Pfeil und Bogen arbeitete. Darauf begannen die ersten Elfen zu üben und bald wurden sie so präzise und genau, wie auch die Drachen es waren. Und so kam es, dass erneut ein Handel abgeschlossen wurde. Wir Elfen sollten den Drachen einen Zugang zu ihrer Welt öffnen um ihnen den Rückweg in ihr Land zu ermöglichen und dafür würden sie uns die letzten Geheimnisse der Magie leeren. Nur wenigen Elfen schenkte sie die Gabe schließlich, da es viel Macht brauchte um sie zu erkennen aber diejenigen, die sie erlernten sollten fortan die mächtigsten unter den Elfen sein. Und sie waren mächtig, mächtiger als jeder von uns heute. Einige wurden sogar in die Magie der Täuschung eingeführt und man zeigte uns wie wir uns verstecken und unsichtbar werden lassen konnten. Auch ich war eine der glücklichen Elfen, die diese Magie erlernen durfte und später den großen Meistern dabei half, aus Blättern Mäntel zu weben und aus diesen unseren Segen zu ziehen. So kam es, dass wir eines Tages alles voneinander erlernt hatten, bis auf eines. Das Fliegen. Drachen können es, aber wir Elfen waren und sind Kinder der Erde, wir werde es nie können, aber dennoch wurden wir überheblich und hielten uns für stärker als die Drachen. Also drohten wir ihnen, und schließlich töteten einige von uns Velindariel, den König der Drachen. Er hatte uns vertraut und als dank töteten wir ihn. Dennoch schaffte er es mit seinem letzten Atemzug ein Portal zu öffnen, seine Magie, seine Macht alles was noch an Leben in ihm war, brauchte er auf und schuf diesen einzigen Eingang in diese andere, für uns noch unbekannte Welt. Sieben Elfen waren es, die er mitnahm, Smaragd, Saphir, Rubin, Bernstein, Turmalin, Onyx und Diamant. Ihnen allen wurde der Zugang gewährt und sie sollten fortan in Frieden leben. Nur Diamant, sie war anders als die liebreizenden Geschöpfe, die die Drachen mitnahmen, sie war wunderschön, und gleichzeitig auch genauso scharf und wild wie ihr Stein. Niemand konnte sie bändigen noch nicht einmal die Drachen, die sonst so allmächtig und weise waren. Aber sie wurde überheblich, sie vergaß wer sie war und warum sie hier war. Damals hatte Smaragd, deren richtiger Name einst Artemis war, und der einzige Name ist an den sich jeder selbst die Menschen heute noch erinnern können, einen Krieg mit den Menschen begonnen. Einen Krieg den die Elfen bald verlieren sollten, aber sie waren in Sicherheit. Denn die Menschen kämpften mit Feuer und zerstörten alles Lebendige, Schöne. Sie nannten uns wild, und wussten nicht warum. Diamant jedoch wollte Macht sie wurde immer stärker und lernte schnell schließlich tötete sie noch am ersten Abend des dritten Jahres der Eiswende, Onyx, Turmalin und Bernstein. Sie fielen innerhalb nur eines Atemzuges von ihr, der selbst die härteste Rüstung durchschnitt. Als die Drachen ihren Fehler, ihre Enttäuschung in Diamant erkannten wussten sie, es gab nur noch eine Chance, sie schickten Smaragd und Rubin, den Stein des Feuers, mit dem sie Diamant zum richtigen Zeitpunkt das Handwerk legen und sich im Moment selbst damit beschützen konnten. Alle anderen wurden von Diamant getötet oder überlebten die nächsten Tage nicht, da eine Feuersbrunst aus heißem, diamantenem Staub über das Land fegte. Viele Drachen starben und dennoch überlebten auch einige, die später zu treuen Gefolgsleuten von Diamant werden sollten, und ob sie nun wollten oder nicht, das spielte keine Rolle, denn Diamant beeinflusste ihre Gedanken. Aber Smaragd und Rubin hatten überlebt. Sie kamen zurück und fanden alles zerstört vor. Der einst von Artemis begonnene Krieg mit den Menschen, der sich auch ins Elfenreich verlagert hatte, hatte fast alle Elfen vernichtet und nur genauso wenige Menschen am Leben gelassen. Smaragd und Rubin wussten, dass es so nicht weitergehen könne und sie dennoch zu schwach waren um Diamant zu stürzen. Also beschlossen sie in die Welt hinaus zu ziehen und die Elfen zu suchen, innerhalb eines Jahrtausends wollten sie sich wieder in der alten, verbrannten Elfenfestung treffen. Wenn sie mächtig genug wären würden sie Diamant töten, und wenn nicht würden sie sterben. Aber sie hatten noch ein anderes Ziel, eines das in einer Prophezeiung gründet. Sie wollten die Tochter des ersten Drachen suchen, der die Welt der Elfen damals betrat. Eine Elfe, die sich die Farbentrinkerin nannte und die durch ihre Liebe und ihr Vertrauen mächtiger sein sollte, als Rubin und Smaragd und alle anderen Erwählten. Denn sie trug die Macht des ersten Drachen, die Macht von Velindariel, in sich, sie war die einzige die mächtig genug sein würde, Diamant aufzuhalten. Sie sollte einen saphirenen Ring tragen, genau wie ihre Mutter, deren Name Saphir war. Genau wie du.
Und jetzt, jetzt stehe ich hier, mit dir, meine kleine Farbentrinkerin. Du hast feuerrote Haare, genauso feuerrot, wie die Tochter des ersten Drachen und seiner Frau, und genauso rot wie seine Schuppen, Elijana, du bist ein Halbdrache, du kannst fliegen du kannst uns befreien.”, schloss ich schließlich.
“Aber... aber wer bist dann du, ich kann mich an nichts erinnern, ich bin... ich bin nicht die Tochter des Drachen ich kann gar nicht... Wer bist du Artana?”
Ich sah bestürzt zu Jadekralles Kopf. Mit allem hätte ich gerechnet, dass sie fragt, warum gerade sie, oder woher ich die Legende wusste, oder ob wir zu der alten Festung gingen oder dass sie mich anschrie, dass es zu gefährlich sei, aber nicht damit.
“Artana?”, unsicher stupste sie mich an.
“Dass du dich an nichts erinnern kannst, ist völlig klar. Aus Schutz hatte man dir das Gedächtnis genommen, und als eine normale Elfe großwerden lassen. Und wenn der Zeitpunkt gekommen war, um dein Schicksal zu erfahren, sollte es dir überbracht werden. Ich bin niemand, und wer ich bin ist auch völlig unwichtig, ich erinnere mich an die Legende und ich weiß, dass wir in sieben Tagen die alte Festung erreicht haben müssen, sonst ist alles zu spät und das Portal schließt sich. Verdammt Elijana, ich bin nur eine der Elfen, die sich an die Legenden erinnert. Mehr nicht. Okay?”
“Aber … aber wenn ich durch das Portal gehen muss, kannst du dann denn mit oder...? du trägst doch auch einen Ring, eine Smaragd, woher hast du den?”
Ich schüttelte den Kopf, “Bitte Elijana, frage nicht danach wir haben nur noch sieben Tage bis wir uns vielleicht nie wiedersehen können ich verspreche dir dich in dieser Zeit mit meinem Leben zu schützen aber...”, dann schwieg ich, denn was ich noch sagen wollte wusste ich nicht mehr.
“Ich will mich nicht von dir trennen, Artana, ich...”, als ich erneut den Kopf schüttelte, war sie still.
“Darf ich dich noch eine Sache fragen?”, meinte sie dann irgendwann vorsichtig, und beobachtete wie die Landschaft schnell unter uns vorbei zog. Wir waren auf dem Weg zu den Glitzerspalten.
“Warum haben die Drachen Smaragd mitgenommen wenn sie doch den Krieg begann?”
“Warum? Ja das ist eine gute Frage, aber es gibt da eine Regel, die du dir unbedingt merken solltest, die manchmal so streitsüchtigen Drachen sind in sich so weise, dass man nie ihre Worte hinterfragen sollte. Jadekralle trägt dich weil er spürt, wer du bist, er hat deine Angst gespürt und ist deshalb zu dir gekommen aber hinterfrage bloß nicht, warum er dich nicht auch bis ans Ende der Welt trägt. Das würde nur sein Missfallen erregen.” Ich lächelte sie aufmunternd an und schließlich stieß Jadekralle ein erfreutes Fauchen aus und flog einige Kreise durch einen stärkeren Wirbelwind hindurch. Hinter mir spürte ich Elijanas aufkommende Angst und Entsetzen. Was würde Jadekralle tun, würde er aufhören?
Wirklich erstaunlich wie viel Macht Artana besaß. In höchster Konzentration lenkte sie den Pfeil direkt in Jigdralif’s Flügel. Obwohl sie kämpferischer Natur war, sah sie dabei immer sehr elegant und fast schon tänzerisch aus. Sie ließ sich durch nichts aus der Ruhe bringen und hatte schließlich mit ihrem letzten Pfeil Erfolg. Gerne hätte ich sie in die Arme genommen und wäre mit ihr durch den Wald getanzt. Ich als Schatten ihrer selbst. Doch nun wirkte sie wieder unnahbar und sehr kontrolliert.
„Wohin fliegen wir?”, wollte ich wissen, während wir also wieder auf Jadekralles Rücken saßen. Auch wenn sie keine Reaktion zeigte, wusste ich, sie hatte mich gehört. Es fiel ihr sichtlich schwer, ihr Geheimnis welches sie sicher verwahren wollte, mit mir zu teilen, obwohl sie mit sich selbst rang. Als ich sie eindringlicher, mit ein bisschen mehr Schärfe noch mal gefragt hatte, meinte sie nur darauf: “Weißt du von den alten Legenden um die Festung der Elfen?”. Doch meine leicht genervte Antwort beeindruckte sie nicht, sondern fing an sie mir zu erzählen. Sie erzählte mir von drei Reichen, das der Elfen, das der Drachen und das der Menschen. Von einem Krieg, der erheblichen Schaden zwischen den Welten anrichtete. Doch das, das mich am meisten schockierte war, dass ich nach ihrer Erzählung nach, eine Drachenelfe sein sollte, das hieß ich war die Tochter einer Elfe und eines Drachen, wobei ich die physischen Eigenschaften des Drachen geerbt und das Aussehen und einige Fähigkeiten, der Elfe hatte. Für mich war das alles so unvorstellbar. Seit Artana in mein Leben getreten war, hatte sie meine Welt gehörig auf den Kopf gestellt. Nicht nur, dass ich mich in sie verliebt hatte, in dieses einzigartige Geschöpf, sondern ich sollte auch meine Tochter wieder gefunden haben, zumindest wusste ich wo sie sich aufhielt und jetzt erfuhr ich auch noch, dass ich eine der mächtigsten Elfen überhaupt sein sollte. Doch was mich stutzig machte, war Artana selbst. Sie konnte mir alles sehr detailgetreu mitteilen, als wäre sie selbst dabei gewesen, doch sie beteuerte nur von der Legende gehört zu haben. Was mochte in ihr vorgehen, was verbarg sie vor mir.
Plötzlich hatte ich eine Idee, wie ich Artana aus der Reserve locken konnte. Ich erhob mich aus meinem Schneidersitz und stand auf, während der Drache weiter durch luftige Höhen flog.
“Was machst du da, Elijana? Setz dich wieder hin, du fällst sonst noch runter!”, bekam sie es mit der Angst zu tun und versuchte mich sachte wieder zu ihr runterzuziehen. Gerne wär ich zurück in ihre Arme gefallen, aber das war nicht mein Plan.
“Erst wenn du mir sagst, wer du wirklich bist. Du verbirgst etwas vor mir!”, sprach ich nun etwas selbstbewusster. Ich blickte nun in ihre wunderschönen smaragdgrünen Augen. Versuchte etwas in ihnen zu lesen, aber es misslang mir. Um deutlicher zu machen, dass es mir ernst war, wackelte ich ein wenig auf dem Drachen hin und her.
“Ich,.. ich kann nicht. Zumindest jetzt noch nicht. Es würde alles viel einfach sein wenn du über alles Bescheid wüsstest, doch es ist zu riskant, wenn du es jetzt schon erfährst, meine kleine Farbentrinkerin. Aber du musst mir vertrauen, bitte. Es ist nur zu deiner Sicherheit, Elijana.”, erklärte sie mir nüchtern und nahm abermals meine Hand in die ihre und versuchte mich auf den Rücken des Drachen zurück zu lotsen. Diesmal ließ ich es zu, direkt in ihre Arme zu fallen. Seit den letzten Tagen, hatte mein Leben eine ziemliche Wende gemacht. Einzelne Tränen verließen mein Augen, da mir gerade alles zu viel wurde.
“Ich vertraue dir ja, Artana. Es ist nur alles so unglaublich im Moment, so viel auf einmal.” schluchzte ich leise vor mich hin, jedoch so laut, dass sie hören musste.
“Ich weiß, ich weiß,..”, seufzte sie und strich mir eine Träne von der Wange.
“Wenn du mir nicht so unglaublich viel bedeuten würdest, hätte ich das nicht alles auf mich genommen.”, sprach sie weiter und küsste mich sanft aufs Haar.
Ihre Nähe fühlte sich einfach gut an und ich bereute es, dass ich ihr misstraute.
Es war die Liebe zu ihr, die mich wieder ruhiger werden und nach vorne schauen ließ. Gemeinsam würden wir die nächste Zeit überstehen.
Während also Jadekralle so vor sich hinflog, betrachtete ich das Eisfelsengebirge, welches sich unter uns erstreckte. Es war ziemlich lang und über und über mit Eis und Schnee bedeckt. Ich spürte, dass mich langsam fröstelte und als Artana das merkte, holte sie ein orangenes Blatt aus ihrer Tasche und zauberte uns einen warmen Umhang. Sie zog mich in ihre Arme und legte den Umhang über uns. Mein Herzschlag wurde mit einem Mal schneller und ich betrachtete ihre Lippen von der Seite.
Als sie meinen Blick bemerkte, huschte ein Lächeln über diese.
Bevor sie sich zu mir runterbog, sprach sie: “Da wir jetzt noch eine Weile fliegen werden und danach unsere gesamte Aufmerksamkeit gebraucht wird, lass uns jetzt die Zeit noch sinnvoll nutzen.” Schon spürte ich zum zweiten Mal an diesem Tage, ihre Lippen auf den meinen. Ich gab mich ganz und gar meinen Gefühlen hin und ließ mich von ihr verführen. Als die Küsse stürmischer und fordernder wurden, waren wir nicht mehr zu bremsen. Ihre kühle Hand wanderte langsam unter mein Kleid und berührten meine kleinen Brüste. Ein leises Stöhnen entkam meinen Lippen. Artana gefiel es scheinbar und knabberte an meiner Unterlippe. Irgendwie schaffte sie es mich aus meinen Klamotten zu schälen, sodass ich nun nackt vor ihr lag.
“Wie wunderschön du doch bist!”, hauchte mir Artana ins Ohr. Während sie sich also von meinem Mund hinunter arbeitete und an meinen Brustwarzen saugte, krallte ich mich mit der einen Hand in ihren Haaren fest, während die andere mit ihrer über unseren Köpfen ineinander verschlungen war. Wieder stöhnte ich leise auf, was sie dazu veranlasste, ihre Reise fortzusetzen und nun meinen Bauchnabel liebkoste. Diese Frau war einfach der Hammer. Mir kam das alles so unwirklich vor, als wäre das Ganze nur Ausgeburt meiner Phantasie. Doch wir lagen tatsächlich auf Jadekralles Rücken und trieben es miteinander. Irgendwann spürte ich wie sie ganz zart mit ihren Fingern an meiner Oberschenkelinnenseite entlang strich. Jetzt war ich furchtbar erregt und bäumte mich unter ihr auf. Als sie merkte, wie ich mich unter ihr wand und dabei leise Stoßseufzer von mir gab, wanderte ihr Mund auf meine intimste Stelle. Ich stöhnte jetzt laut auf, als sie mit der Zunge meinen Kitzler massierte. Meine Hand lag noch immer in ihren Haaren und so drückte ich sie gegen mein Becken. Immer schneller wurden ihre Bewegungen und auch mein Stöhnen wurde lauter und ich hatte das Gefühl, gleich unter ihr zu zerbersten. Der Orgasmus ließ nicht lange auf sich warten und ich krümmte mich grazil zusammen, da ich von einer Welle berauschender Gefühle überrollt wurde.
“Elijana, du bist ja gar nicht so unschuldig, wie du manchmal tust!”, hauchte sie mir zu und ein Grinsen lag auf ihrem Gesicht. Dann half sie mir wieder in meine Kleider und küsste mich noch einmal innig. Was für eine Frau. Nach unserem heißen Liebesspiel, kicherten wir uns an, wie zwei pubertierende Kinder. Ich hätte nie gedacht, dass ich mich mal auf eine Elfe einlassen würde, aber es war ein wirklich ekstatisches Erlebnis und war nicht minder schön, als der Sex mit Toby. Während wir also noch zusammengekuschelt auf Jadekralles Rücken lagen und mir Artana noch ein paar Küsse zu hauchte, setzte der Drache den Landeanflug an. Sie befahl mir nun den Umhang umzubinden, damit ich nicht erfror, währenddessen sie aus einem zweiten Blatt einen für sich machte, da hier eisige Temperaturen inmitten des Eisfelsengebirges herrschten.
“Indaree!”, bedankten wir uns bei Jadekralle, welcher sich wieder in die Luft erhob und von dannen zog. So nahm mich die Schattentänzerin an ihrer Hand und lotste mich durch das Gebirge. Natürlich, nicht ohne ein paar Mal hinzufallen und mir die Haut aufzuschürfen.
“Komm schon, wir müssen los!”, war es nun wieder die kühle Artana die sprach. Sie zu durchschauen, war echt nicht einfach, da es scheinbar zwei von ihnen gab. Die Wandlung kam oft rasch und unerwartet. Von der liebevollen, offenen Artana mit der ich gerade eben noch sehr innig war, zu der kühlen, unnahbaren, geheimnisvollen Artana, für die es nur sie selbst gab. So stolperte ich hinter ihr her und fragte mich wo sie uns hinbrachte. Die Kälte setzte uns zusätzlich zu, doch sie war fest entschlossen, so bald wie möglich unsere Ziel zu erreichen. Irgendwann tat sich ein Gebirgswald vor uns auf und die Schattentänzerin steuerte genau darauf zu. Als wir den Wald erreicht hatten, wurde der Wind ein wenig stiller und es war nicht mehr ganz so kalt.
“Wie weit ist es noch?”, keuche ich und hastete ihr hinterher.
“Bald wirst du es sehen!”, sagte sie schroff und schlängelte sich zwischen den Bäumen hindurch, sodass ich Mühe hatte, ihr zu folgen. Außer einem Schrei einer Eule, war es sonst recht still im Wald und man konnte das Knirschen unter unseren Füßen hören wenn wir über das gefrorene Laub liefen.
Plötzlich durchbrach ein Lachen, die Stille und Artana blieb abrupt stehen, sodass ich fast in sie hineingelaufen wäre.
“Bist du das, Artemis? Oder sollte ich lieber sagen, SMARAGD!”, ein verächtliches Schnauben kam aus einer Ecke des Waldes, doch ich konnte niemanden sehen, da es relativ dunkel war. Da fiel es mir plötzlich wie Schuppen von den Augen.
Geschockt sah ich von Elijanas entsetzten Gesicht zu dem Baum neben mir. Dann sagte ich schließlich ganz kurz angebunden: “So ist es. Viel Glück!”, mit diesen Worten wand ich mich um und rannte los. Glaubt mir, so schnell war ich in meinem Leben noch nie gerannt. Doch plötzlich waren Schritte hinter mir. Er verfolgt mich! schoss es mir durch den Kopf. Entsetzt drehte ich mich um, aber das war nicht er, sondern Elijana. Meine kleine Farbentrinkerin, sie rannte hinter mir her.
Mit zu Boden gerichtetem Blick, um sie nicht ansehen zu müssen, blieb ich stehen.
“Warum folgst du mir?”, fauchte ich wütend.
“Weil ich dich liebe...? Artana oder Artemis, wer auch immer du bist, ich liebe dich!”
Empört und gleichzeitig auch wütend, ohne zu verstehen warum, drehte ich mich zu ihr um und schrie sie verzweifelt an: “Elijana, verdammt. Ich bin Smaragd!!! Ich bin Artemis, ein und die selbe Person, wenn jemand den Namen Artana oder Artemis hört, kann jeder sofort verbinden wer ich bin! Ich habe den Krieg mit den Menschen begonnen! Ich! Nicht Rubin, nicht du, wegen mir haben tausende Elfen und Menschen ihr Leben verloren. Wegen mir nahmen die Drachen uns Edelstein-Elfen mit! Wegen mir unterdrückt Diamant seit inzwischen fast zehntausend Jahren unser Volk! Verstehst du denn nicht? Ich bin nicht hier um dir zu helfen, ich bin nicht mal hier um Diamant zu töten, ich bin nur hier weil du mir vor die Füße gelaufen bist und weil ich den Rest von dem was von meiner Würde noch übrig ist, wenigstens damit versuchen will zu retten, indem ich dich zu Rubin bringe. Er ist mächtig genug, er... wird dich beschützen und wenn es sein muss wird er, genau wie ich, sein Leben für dich geben.”, am Ende war meine Stimme immer öfter gebrochen, und dann ganz langsam spürte ich, wie eine eisig kalte Träne meine Wangen hinab ran.
“Deshalb kannst du das alles, die Blätter, das... das ist deine Magie, oder?”, wie schaffte sie es nur immer, genau das zu fragen, woran ich nie dachte?
Ich nickte nur, dann wischte ich schließlich die Träne weg und sah sie ganz genau an.
“Hör mir jetzt bitte, ganz genau zu, Elijana, bitte, okay?”
Diesmal war es an ihr zu nicken. Aber währenddessen kam sie einen Schritt näher auf mich zu. Entschlossen schob ich sie von mir weg.
“Elijana, du musst mit ihm gehen, er hat die Macht des Feuers, er wird dich beschützen, aber...mein Weg, er ist hier schon zu Ende. Bitte vertrau mir und folge ihm.”
Ernergisch schüttelte sie den Kopf. Es tat so weh, aber das was ich jetzt tun musste, war das grausamste, was hätte geschehen können.
Ich schrie sie voller Wut an: “Ich liebe dich nicht! Hörst du schlecht? Ich bin eine Verräterin, verschwinde, sonst sage ich Diamant, dass du hier bist!”
“Was?”, entsetzt starrte sie mich an.
Ich lächelte traurig, dann drehte ich mich um und ging, zielstrebig auf den Wald zu.
Elijana blieb wo sie war und ich spürte förmlich, wie die bezaubernde Nähe und feurige Hitze seines Körpers, ihrem näher rückte.
Aber ich drehte mich nicht um.
Diamant hatte noch immer die Kontrolle über meine Gedanken, sie wusste wo ich war, nur so hatte sie Jigdralif schicken können. Natürlich war es eigentlich. laut der Bestimmung der Drachen mir bestimmt, Diamant letzten Endes zu vernichten, aber niemand sagte, dass sich die Prophezeiungen bewahrheiten mussten.
Dies war die einzige Möglichkeit, Elijana zu beschützen und Rubin wusste das. Schließlich war er einst mein Verlobter gewesen, bevor mein Vater endlich eingesehen hatte, dass eine solche Verlobung unmöglich war. Ich war lesbisch und er war in eine Andere verliebt. Kurz gesagt, also ein total ungleiches Paar.
Die nächste Zeit verbrachte ich damit zu rennen und zu laufen, immer abwechseln, so schnell und so weit es eben ging. Aber auch Gedanken schossen durch meinen Kopf. Als Diamant unser Land damals heimgesucht hatte, oder besser gesagt, das Land der Drachen, Fildris, da wusste sie, die Drachen würden, die einzigen, letzten von uns Überlebenden losschicken. Also tötete sie mich nicht. Sie sandte einen weißen Blitz aus, um in meinen Gedanken zu wohnen. Und seit dem, weiß sie immer wo ich bin. Sie sieht manchmal sogar Bilder von mir, oder hört meine Gedanken. Sie weiß immer wo ich bin, nur so konnte sie meinem Erzfeind, Jigdralif sagen wo ich bin. Wahrscheinlich hatte sie sogar einen Handel mit ihm geschlossen, er tötete mich und dafür bekam sie Elijana. Tja, aber die Rechnung war nicht aufgegangen, die wenigen Drachen die hier noch lebten, mit Ausnahme von Jigdralif, sie standen alle auf unserer Seite. Wahrscheinlich würde Rubin mich vor meiner kleinen Elijana jetzt schlecht machen und ihr die vollendete Wahrheit erzählen, aber ich hoffte, sie wusste, dass die letzten Worte, dass ich sie nicht liebte, dass ich sie nicht ernst gemeint hatte. Ich hatte es doch bloß gesagt, um sie zu vertreiben. Damit sie ging und nicht länger in Gefahr war.
War das ein Fehler gewesen?
Traurig rief ich Jadekralle zu mir. Einst hatte er mir seinen wahren Namen verraten und selbst, wenn wir jetzt beide in den Tod gehen wurden, dann wäre es unser Schicksal, dies gemeinsam zu tun, denn auch er war ein Ausgestoßener, genau wie ich. Wir passten gut zu einander und durch den Namen waren wir verbunden.
Aber das einzige, was mich jetzt noch beschäftigte, das war Elijana, wie es ihr wohl ging? Was würde Rubin ihr erzählen, würde sie mich suchen, sie hatte nur noch sechs Tage, in sechs Tagen mussten sie durch das Portal sein, denn danach würde es sich für immer schließen. Vielleicht war sie ja sogar in sechs Tagen auch schon wieder hier. Aber das war Wunschdenken, das konnte nicht sein. Sie würde die Welt der Drachen zu sehr lieben, um zurück zu kehren.
“Ich liebe dich nicht! Hörst du schlecht? Ich bin eine Verräterin, verschwinde, sonst sage ich Diamant, dass du hier bist!”, das war wie ein Schlag ins Gesicht. Wie konnte sie nach allem was passiert war, nur so etwas sagen? Beim besten Willen konnte ich ihr das nicht glauben, denn es war immer sie Diejenige die die Initiative ergriff und mein Herz eroberte. Doch ich rührte mich nicht und sah ihr nur nach, wie sie immer tiefer im Wald verschwand. Nach einiger Zeit, trat Rubin an meine Seite.
“Du bist also wahrhaftig die einzigartige Farbentrinkerin? Die mächtige Drachenelfe.”, sprach er in einem sanften Ton, in dem ein Lächeln mitschwang.
“Nenn mich Elijana, bitte.”, gab ich emotionslos zurück. Die einzige die mich ihre kleine Farbentrinkerin nennen durfte, war Artana, denn egal was sie getan haben mochte, das änderte rein gar nichts an meinen Gefühlen zu ihr, auch wenn mir der Gedanke daran, dass sie eine ‘Mörderin’ sein sollte, nicht gefiel. Doch die Liebe war zu stark, um an meiner Meinung etwas zu ändern.
Rubin nahm meine Hand, und zog mich mit einem “Komm mit Elijana!”, hinter sich her. Da es mir widerstrebte, entzog ich ihm meine Hand und ging schweigend hinter ihm her. Als er kurz zurückblickte, meinte ich einen traurigen Ausdruck in seinen Augen zu lesen. Aber ich ließ es nicht zu, dass es mich berührte.
“Du liebst sie also?”, fragte er, nachdem wir eine Weile schweigend nebeneinander her gegangen waren. Ohne es zu wollen, trieb es mir Röte in mein elfenbeinfarbenes Gesicht und ich wusste nicht was ich darauf erwidern sollte. Also zuckte ich nur mit den Schultern.
“Dir ist aber schon klar, dass sie am Tod von vielen Elfen, Menschen und auch gar Drachen, die Schuld trägt. Ich weiß nicht, was sie dir erzählt hat, aber für sie bist du nur ein gefundenes Fressen, mit dem sie nach Lust und Laune spielen kann wie sie will. Ihr ist natürlich auch bewusst, was für eine ungeheure Macht innewohnt in dir. Darum schmiert sie dir Honig ums Maul, um dich für ihre Zwecke zu missbrauchen.”, beendete er seinen Monolog und klang dabei gar nicht mehr sanft. Dann packte er mich leicht grob am Arm und zerrte mich mit einem ‘Und jetzt komm mit!’, hinter sich her ohne mir die Möglichkeit zu geben, mich zu Wort zu melden. Ich ließ es zu, dass er mich den ganzen Weg über, am Arm gepackt durch den Wald schleifte. Was würde ich nur alles tun um Artana wieder bei mir zu haben. Rubin war offensichtlich gar nicht gut auf sie zu sprechen. Regelrechter Hass loderte in ihm. Irgendwann war es mir zu viel, riss mich los und blieb wie angewurzelt stehen.
“Was ist los?”, schnauzte er mich an.
“Ich lasse es nicht zu, dass du so über Artana sprichst!”, machte ich ihm mit meinem scharfen Ton unmissverständlich klar.
“Artana!? Dass ich nicht lache. Ich bitte dich. Ihr Name ist Artemis und ich habe genug Gründe so über sie zu sprechen.”, knallte er mir nun an den Kopf.
“Arrrgh!”, voller Wut fing ich an zu rennen. Ich lief an ihm vorbei ohne ihn auch nur eines Blickes zu würdigen. Immer tiefer rannte ich in den Wald hinein, egal was mich dort erwarten würde und auch ohne mir Gedanken zu machen, was Rubin tat. Irgendwann spürte ich Hände an meinen Schultern und stürzte zu Boden.
“Endlich hab ich dich!”, sein höhnisches Grinsen war dabei nicht zu überhören.
“Geh’ wieder runter von mir!”, versuchte ich mich zu wehren, doch er machte keine Anstalten sich zu rühren. Da ich mit dem Gesicht dem Waldboden zugewandt war, hörte ich nur, wie jemand neben uns trat. In der Hoffnung, dass es Artana war, schrie ich los.
“Hilf mir, Artana!”, doch mein Funken Hoffnung wurde bestialisch in der Luft zerrissen. Ich hörte nur ein grauenhaftes Lachen neben mir.
“Wer ist Artana?”, lachte diese mich aus.
“Hey Liebste, da bist du ja endlich, übrigens nennt sich Artemis jetzt Artana. Und schau mal, weißt du wen ich hier hab?”, hörte ich Rubin mit dieser Person sprechen.
“Doch nicht etwa..?”, fing die weibliche Stimme an bevor Rubin sie unterbrach.
“Genau, das hier ist die mächtige Farbentrinkerin. Sie wird uns von großem Nutzen sein. Komm hilf mir mal.”, langsam bekam ich es mit der Angst zu tun. Vorsichtig erhob er sich von mir und gemeinsam packten sie mich, sodass ich nicht fliehen konnte.
“Lasst mich los!”, kreischte ich und schlug um mich, jedoch ohne Erfolg. Sie zerrten mich durch den Wald.
“So ein Pech, dass deine kleine Freundin mir vertraute, denn sie wusste nicht, dass ich mich mittlerweile der großen und fabelhaften Diamant angeschlossen habe. Gemeinsam wollen wir die Herrschaft über ganz Litha, die Elfenwelt, übernehmen und du wirst uns dabei helfen, ob du nun willst oder nicht.”, erklang abermals dieses grausame Gelächter.
“Sie wird wollen, außer es ist ihr egal was wir mit Artemis anstellen!”, ergänzte die Frauenstimme, von der ich vermutete, dass sie Diamant gehörte.
Jetzt war ich ihnen bedingungslos ausgeliefert, da ich um jeden Preis vermeiden wollte, dass sie Artana ein Haar krümmten.
Schlagartig wurde mir bewusst, dass ich zwar sehr mächtig sein sollte, aber keine Ahnung hatte, wie ich meine Kräfte und Fähigkeiten einsetzen sollte.
Meine Hoffnungen die Schattentänzerin jemals wieder zu sehen, schwanden dahin, gemeinsam mit der Überzeugung das Elfenreich zu retten.
Ich fühlte mich immer schwächer werden und fiel wieder einmal in Ohnmacht. Doch diesmal fand ich mich auf keiner Blumenwiese wieder, sondern in einer verbrannten, dunklen Welt. Keine Sonne schien, alle Farben schienen verschlungen und das Leben schien ausgelöscht. So trottete ich vor mich hin und wünschte mich in Artana’s Arme zurück, die mir Geborgenheit und Liebe schenkten. Der Anblick über das Land war sehr trostlos. Tote Tiere, Elfen und Menschen lagen herum, mittlerweile schon von Staub bedeckt. Mir schnürte es das Herz zu und ich verfiel in eine tiefe Traurigkeit. Immer weiter sog es mich runter, wie ein tiefes schwarzes Loch.
Ich war nur noch von Trauer, Schmerz, Wut und anderen negativen Gefühlen umgeben. Die Umgebung um mich herum wurde immer dunkler und bedrohlicher. Klauen des Grauens langten nach mir und der Finsternis lüsterte es, mich voll und ganz zu verschlingen. Bestimmt würde es diesmal meinen Tod bedeuten, und ich würde in die Hölle geschickt werden, da ich der Welt nicht gerecht werden und sie nicht vor dem Unheil beschützen konnte. Ich ließ mich treiben und gab mich mit Leib und Seele der Finsternis hin. Bevor ich sterben sollte, wollte ich meinen letzten Gedanken Artana schenken. Auch wenn sonst alles in Schwarz getaucht wurde, das Bild von der Schattentänzerin blieb in meinen Gedanken. Irgendwann hatte ich tatsächlich das Gefühl einen Schatten durch die Dunkelheit tanzen zu sehen. Dieser schien immer näher zu kommen. Mit ihm ein weiches, angenehmes Licht.
“Elijana!”, schmeichelte mir eine Stimme ums Ohr. Ich konnte sie zwar nicht zuordnen, jedoch fühlte es sich so an, als würde ich in ein Samttuch gehüllt werden, welches aus Liebe, Geborgenheit, Freundschaft und vielen weiteren positiven Gefühlen zu bestehen und in allen freundlichen Farben zu leuchten schien. Meine Kräfte kehrten mit einem Schlag zurück und ich fühlte mich frei und zufrieden.
“Du solltest nicht hier sein, meine Tochter. Die Welt braucht dich, denn du bist der Schlüssel zu Frieden, Liebe und Versöhnung in eurer Welt. Nimm das. Diese Kristallkette wird dir helfen deine wahren Kräfte freizusetzen, wenn die Zeit gekommen ist. Ich liebe dich mein Engel und jetzt geh’ wieder zurück.”.
Nur sehr zögernd, entwand ich mich der wohligen Umarmung und machte mich auf den Weg zurück in meinen Körper. Als ich wieder zu mir kam, war ich immer noch in den Klauen der Beiden, die nun vor einem Baum Halt gemacht hatten. Ich verhielt mich sehr ruhig, sodass sie nicht merkten, dass ich wieder zu mir gekommen war. Die Kette, die ich von dem lieblichen Wesen bekommen hatte, lag unter meinem Kleid um meinem Hals und gab nun ein warmes wohliges Kribbeln ab.
“Wenn du durch das magische Portal geschritten bist, wirf die Farbentrinkerin sofort in den Kerker. Ich werde mich auf den Weg machen und Artemis suchen.”, sprach Diamant zu Rubin und hatte dabei ihr fieses Grinsen aufgesetzt.
“Wirst du sie töten?”, schluckte Rubin ein wenig.
“Nein, werde ich nicht. Sie soll Qualen leiden und darum betteln, dass ich sie töte. Ich will mit ihr spielen, die Farbentrinkerin soll ruhig sehen was ich mit ihr anstelle, dann wird sie uns nur zu gern helfen.”, sie leckte sich mit der Zunge über die Lippen, bei der für sie köstlichen Vorstellung. Nun huschte auch wieder ein Grinsen über Rubin’s Gesicht.
“Darf ich mich vorher noch mit ihr vergnügen?”, ich konnte seine grausame Begierde in seiner Stimme hören. Was meinte er damit.
“Solange du sie nicht fickst, kannst du mit ihr machen was du willst. Lass sie nur heil, wir brauchen sie noch.”, sprach sie in einem Ton, der ihm unmissverständlich klar machen sollte, dass sie die Einzige für ihn war.
Auf absurde Art und Weise, klang das fast nach einer Liebeserklärung für mich. Ich hörte noch wie sie sich von uns entfernte und sich Rubin mir zu wandte.
“Was soll ich jetzt mit dir anstellen?”, fragte er in die Stille des Waldes hinein. Ich fühlte mich im Moment seelisch kraftvoll, aber nicht körperlich. So war ich ihm nun mit Haut und Haar ausgeliefert. Vorsichtig setzte er sich auf den Waldboden und drapierte mich auf seinen Schoss. Seine Hände wanderten über meinen Körper und ich fand das einfach nur widerlich. Irgendwann bemerkte er dass ich wieder bei mir war und da bereitete es ihm noch größeres Vergnügen, als ihm bewusst war, dass ich mich dagegen sträubte. Nachdem er mich genug betatscht hatte, lehnte er mich gegen einen Baum. Langsam und mit großem Genuss ließ er seine Hose runter, sodass mir gleich sein Prachtstück entgegenkam. Er befahl mir den Mund aufzumachen, doch ich tat es nicht. Stechender Schmerz verbreitete sich, nachdem er mir ins Gesicht geschlagen hatte.
“Machst du jetzt den Mund auf, oder soll ich nochmal?”, jetzt war nicht mehr mit ihm zu spaßen. Ich tat wie befohlen und öffnete meinen Mund ein Stück weit. Was jetzt kam könnt ihr euch wohl denken. Während ich also hilflos dasaß und ihm einen blies, fühlte ich mich gedemütigt und wertlos. Er hingegen fühlte sich großartig, überhaupt als er dem Höhepunkt immer näher kam. Er keuchte. Wurde dabei immer schneller.
“Aahh..”, ein Lustschrei durchbrach die Stille und zähflüssige, bittere Flüssigkeit füllte meinen Mund und verzierte auch noch mein Gesicht. Was für ein Dreckskerl, mich so zu erniedrigen. Irgendwie schaffte ich es diesen milchigen Schleim zu schlucken und mich einigermaßen zu reinigen. Immer stärker pulsierte die Kette an meinem Hals und ich begann mich allmählich stärkerer und zuversichtlicher zu fühlen.
Seinen Penis wieder eingepackt, zerrte er mich grob hoch und steuerte genau den Baum an, der gleich danebenstand. Licht brach sich in der Rinde und mir war bewusst, dass dieser Baum hier anders als alle anderen war. Mit einem Ruck schleuderte uns Rubin ins Herz des Baumes, das Portal, welches zur alten Elfenstadt führte. Als ich das Portal betrat, begann etwas sehr merkwürdiges. Ich fing auf einmal strahlend hell zu leuchten an, meine Kampfkleidung verwandelte sich in ein Kleid welches in allen Farben schimmerte, so wie wenn Licht in einen Kristall fiel. Die Kette, die mir dieses Wesen geschenkt hatte, passte wie angegossen zu diesem Outfit. Und nicht nur das, auch wunderschöne Flügel wuchsen aus meinem Rücken, welche meine Erscheinung komplettierte. Ich fühlte mich stark, mächtig und voller Liebe. Die Zeit war also gekommen, ich hatte meine Kräfte freigesetzt und mich in diese sagenumwobene Drachenelfe verwandelt, welche mir diese Legende vorausgesagt hatte. Das einzige was mir noch fehlte um in den Kampf zu ziehen, war Artana an meiner Seite. Mein Ziel also war es, sie aus den Klauen Diamant’s zu befreien und mit ihr gemeinsam wieder Frieden herzustellen. Und so sollte es auch kommen.
Tag der Veröffentlichung: 18.08.2012
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