Cover

Der Kampf

Zuerst war es nur eine schwarze Linie, die langsam zwischen den Bäumen erschien
und näher rückte. Dann sahen sie, was es war.
Es waren tausende.
Tausende Moorelfen, Wolfselfen und Orks.
So viele…so viele.
Lenny sah entsetzt zu ihm hoch und ein kleiner Elf, noch jünger als Lenny, fing an zu weinen, niemand nahm ihn in den Arm. Niemand versuchte, ihn zu trösten.
Sie hatten eigene Sorgen, eigene, um die sie sich sorgten und sie alle fragten sich, ob sie ihre Lieben nach diesem Tag nie wieder sehen würden.
Straga blicke zu Agor, der in der reihe hinter ihm stand, Jean, der einige Schritte
neben ihm stand. Aria konnte er nicht sehen.
Er selbst stand in der dritten Reihe. Er war erleichtert, dass er nicht in der ersten reihe stehen musste, doch froh? Nein, froh war er nicht.
Die, die dort stehen mussten, hatten nur wenig Chance, zu überleben.
Sie taten ihm leid, doch tauschen wollte er nicht mit ihnen.
Straga blickte wieder geradeaus, auf die Armeen aus Elfen und Orks, die wie eine
Welle auf sie einschlug.
Plötzlich war die Luft von Kampfschreien und dem Geklirr von Schwertern erfüllt.
Das Sirren der Pfeile, die über ihn hinweg schwirrten war zu hören.
Straga begriff nicht, wie schnell es gehen konnte.
Ein Moorelf, das Gesicht vor Wut verzerrt, hob das Schwert und ließ es auf ihn niedersausen.
Gerade noch rechtzeitig konnte Straga sein eigenes Schwert hoben und wehrte den Schlag ab.
Entsetzt sah er, wer der Moorelf war.
Joe, der Herr der Füchse.
„Joe! Joe, ich bin es!“, schrie Straga über den Lärm hinweg, während er eine Reihe von Hieben abwehrte.
„Joe, ich bin es, Straga!“
Doch seine Worte schienen gar nicht zu Joe vorzudringen.
Straga taumelte rückwärts, um einem Schlag zu entgehen und stieß dabei gegen einen zornigen Ork, der gegen eine alte Elfe kämpfte, die sich mit einem Nicken bei Straga für die Ablenkung des Orks bedankte und nun ihrerseits ihr Schwert in die Schulter des Orks stieß.
Straga konnte nicht sehen, ob der Ork starb, er musste weitere Hiebe abwehren.
Doch diesmal nicht gegen Joe, der kämpfte schon gegen einen jungen Elf in der Nähe.
Ein Moorelf schlug wild auf ihn ein und er hatte Mühe, die Hiebe abzuwehren.
Mit einem Mal sah er Aria, die von hinten einen Pfeil auf den Moorelfen abschoss, der sofort tot war. Straga nickte ihr kurz zu, doch Aria war bereits verschwunden.
Etwas hartes, Schmerzvolles traf ihn von hinten und als er herum wirbelte, warf ihn eine Wolfselfe auf die Erde. Die Wolfselfe sah wirklich aus wie ein Wolf, der längliche Kopf, die dünne, braune Fellschicht und die schwarzen Augen. Die Hände ähnelten Klauen, die Finger waren wie Krallen gekrümmt.
Straga schrie auf, als die Wolfselfe ihm ins Gesicht schlug und etwas Heißes, Nasses
über seine Wange lief.
Der Elf stieß ein wildes, kurzes Lachen aus und schlug erneut zu.
Doch diese Mal war Straga vorbereitet und rollte sich zur Seite weg.
Er sprang auf und lief zwischen den Kämpfenden umher.
Er blieb ruckartig stehen, als er eine kleine Elfe sah, nicht älter als sechs Jahre alt, die sich auf den Boden kauerte. Zwei Orks standen grinsend vor ihr, ihre Streitäxte erhoben.
Sie genossen die Angst der kleinen Elfe und weideten sich an ihrem Leid.
Straga konnte das nicht mit ansehen.
Mit einem lauten Kampfschrei sprang er auf einen der Orks zu.
Der andere sah sich nach ihm um, das Gesicht vor Wut verzerrt.
Einer der beiden Orks schwang seine Axt und ließ sie auf ihn niedersausen.
Er wich rechtzeitig aus und rief dem der kleinen Elfe zu, sie solle sich in Sicherheit bringen.
Dann rannte er selbst, nur weg von dem beiden Orks, die ihm hinterher kamen.
Ein Pfeil flog von hinten auf sie zu und traf den einen in den Rücken.
Er schrie auf und zischte: „Am Ende werdet ihr doch untergehen!“ Dann sackte er in sich zusammen.
Straga achtete nicht weiter auf ihn sondern lief zwischen den Kämpfenden hindurch,
der übrig gebliebene Ork dicht hinter ihm.
Agor erschien plötzlich vor ihm und sagte etwas in einer Fremdklingenden Sprache.
Als Straga sich nach dem Orks umdrehte, lag der tot im Schnee, der bereits mit Blut besprenkelt war. Straga wandte sich wieder zu Agor um und sah, dass hinter ihm ein Moorelf erschienen war, das Schwert erhoben.
„Pass auf!“, konnte er gerade noch schreien, da musste er auch schon selbst gegen einen Moorelfen kämpfen. Er wich einem Schlag aus und schlug seinerseits zu.
Der Moorelf sprang zur Seite und funkelte ihn zornig an.
Er hob sein Schwert und ließ es auf Straga herabsausen, der den hieb mit seinem eigenen Schwert parierte.
Straga wich vor einem weiteren hieb zurück, doch dabei streifte ihn ein Schwert eines anderen und zu dem Schmerz auf der Wange kam noch der Schmerz an seiner Schulter dazu.
Als er genau hinsah, sah er, dass seine Lederrüstung an der Schulter verfetzt war und blutete.
Straga keuchte auf vor Schmerz.
Doch er hatte kein, die Wunde zu verbinden, der Moorelf hieb erneut zu und zielte jetzt auf sein Bein.
Straga taumelte noch weiter zurück und stieß dabei sein Schwert vor.
Der Elf sah verwundert auf die Klinge, die im in der Brust steckte und sackte langsam zu Boden.
Straga starrte auf die Waffe, die er nun wieder aus dem toten leib zog.
So viel Leid, so viel Böses.
Warum konnte es nicht einfach vorbei sein, nie geschehen sein?
Warum mussten diese Elfen sterben, was hatten sie getan?
Und auf einmal packte ihn solch eine Wut, dass er sein Schwert gleich in den nächsten Wolfselfenkörper stieß. Er war sofort tot. Straga blickte angewidert auf die Waffe.
Was tat er hier?
Warum tötete er?
Er sah den Grund, wofür er das hier tat.
Vor ihm war der Fluss, dass Wasser rot, vor Blut und er erinnerte sich an die Worte.
…am Fluss, das Wasser hat sich mit Blut vermischt. Das hatte Shiba gesagt.
Und dann sah er ihn.
Er sah den Grund, wofür er das hier tat.
Am Ufer des Flusses lag jemand. Es war der Körper, aus dem das Blut strömte, das ins Wasser lief.
Straga musste würgen, als er erkannte, wer es war und der Zorn packte ihn erneut.
Der, der am Ufer lag, blutete stark aus Brust und Bein.
Straga ging langsam auf ihn zu, alles um ihn herum schien zu verschwimmen.
Der Atem des Verletzten ging unregelmäßig, röchelnd.
Als Straga seinen Namen flüsterte, war er bereits tot.
„Lenny.“
Lenny, der wie ein Bruder für ihn gewesen war. Lenny, der doch immer so fröhlich gewesen war. Lenny.
„NEIN!“, schrie Straga verzweifeln, „LENNY!“
Doch Lenny hörte ihn nicht, konnte ihn nicht hören. Er war fort.
Weit fort, an einem Ort, von dem es keine Wiederkehr gab.
Er hatte den Grund gefunden.
Er tat es für ihn. Für sie alle, für alle, die er verloren hatte, die nicht wiederkehren würden.
Für sie alle tat er das hier.
Und er schrie auf. Vor Wut oder Trauer wusste er in diesem Moment nicht, es war ihm auch egal. Seine Wunden waren ihm egal, die schmerzen, die sie verursachten. Alles war ihm
jetzt egal.
Er erhob sich, hob sein Schwert und ließ es auf den erstbesten Moorelfen niedersausen, den er sah und er hoffte, dass er derjenige war, der Lenny umgebracht hatte.
Er wollte sie alle Rächen, alle, die er verloren hatte; seine Mutter, seinen Vater, seinen Bruder, die zwei Freunde, die er in der Mine verloren hatte, Lenny.
Für alle, die er verloren hatte, für sie tat er das hier.
Er sprang auf einen Wolfselfen zu und packte ihn an der Gurgel.
Der Elf fuhr herum, stieß sein Schwert in seine Richtung, doch er verfehlte ihn.
Straga wurde von ihm losgerissen und blickte in das Gesicht von Tabor.
Nein. Er konnte ihn doch nicht töten! Oder?
Er blickte in das Gesicht, in das sich Entsetzten mit Zorn vermischte.
Aria hatte gesagt, Tabor sei kein Sklave von Malock, nicht so wie die anderen Moorelfen.
Das lag daran, dass er nur ein halber Elf war und deshalb auch nur die halbe Macht zu spüren bekam. War Tabor freiwillig hier, oder hatte die Kraft von malock ihn dazu getrieben?
Tabor zerrte ihn von dem Elfen fort und starrte ihn kurz an.
In seinem Blick lag etwas flehendes, etwas Hilfesuchendes.
Hatte er vielleicht die Kontrolle über seinen Körper verloren, nur sein Geist gehörte noch ihm?
Vielleicht.
Doch schon im nächsten Moment war Tabor aus seinem Blickfeld verschwunden.
Ein wütender Ork hatte sich auf ihn gestürzt und ihn zu Boden gerissen.
Doch nur wenige Sekunden später war der Griff des Orks leblos, ein Pfeil steckte in
seinem Rücken.
Straga keuchte kurz auf, als er den toten Körper von sich weg stieß und sich aufrappelte.
Der Schnee war leuchtend rot.
Und dann, schlagartig, wurde alles um ihn herum ganz still.
Ein Schatten war über sie alle hinweg geglitten und dann noch einer und noch einer.
Straga hob verwirrt den Kopf und sah mit Schrecken auf das, was er da sah.
Sie waren riesig. Die Flügel schlugen gleichmäßig und als einer der Wesen sein Maul öffnete, kam ein Flammenstoß heraus, dessen Hitze sogar hier am Boden spürte.
Die Drachen waren gekommen.
Doch auf welcher Seite standen sie?
Falls sie für Malock kämpften hatten sie schon so gut wie verloren, wenn sie für die Freien Elfen kämpften, waren sie gerettet.
Einer der riesigen Drachen landete auf dem schneebedeckten Boden und seine leuchtend gelben Augen verengten sich bösartig, als er sich umsah.
Straga hielt den Atem an und starrte ihn ehrfurchtsvoll an.
Niemand rührte sich, sie alle waren mitten in der Bewegung erstarrte.
Doch plötzlich war ein lauter Schrei eines Orks zu hören und der Kampf ging weiter.
Schwerter klirrten, Schreie gellten, Pfeile flogen.
Einige der Drachen schossen zu Boden hinab, klaubten den ein oder anderen Moor- und Wolfselfe und Ork auf, flogen mit ihm hoch in die Luft und ließen ihr schreiendes Opfer fallen.
Straga kämpfte mit einem wütenden Moorelf, der immer wieder auf seine Hüfte ziele,
doch Straga wich jedes Mal geschickt aus.
Der Elf verzog ärgerlich das Gesicht und biss angestrengt die Zähne zusammen.
Mit einem Mal fuhr einer der Drachen auf ihn hinab, packte ihn mit einem Krallenfuß und flog mit ihm hoch in die Luft.
Einige andere Drachen waren auf dem Boden gelandet, schlugen mit ihren Tatzen um sich oder spieen Feuer. Sie gaben sich große Mühe, keinen der Freien Elfen zu verbrennen und sie schafften es.
Stragas Schulter und Wange fing nach einer Weile wieder an zu schmerzen, doch er konnte nicht einfach mitten in der Schlacht eine Pause einlegen, um sich zu erholen.
Einige Male sah er Agor, Jean, Aria und andere bekannte Gesichter. Als Straga Jean vor einem zornige Wolfselfen rettete, fragte Jean ihn kurz, wo denn Lenny sei.
Stragas Magen zog sich zusammen und er konnte nicht antworten. Stattdessen wandte er sich schnell um, um einem Faustschlag eines Orks zu entgehen.
Als er ihn dann schließlich getötet hatte, war Jean nicht mehr zu sehen.
Die Orks versuchten den Klauen der Drachen zu entgehen, doch nach einiger zeit lagen überall verbrannte, zerschlagene oder Orks am Boden, die von großer Höhe hinab gestürzt waren.
Der schneebedeckte Boden glänzte rot, vom Blut.
Straga wusste nicht, wohin er blicken sollte, überall waren Tote, Freie Elfen, Moorelfen, Wolfselfen, Orks.
Ein lindgrüner Drache lag ausgestreckt auf der Erde, mehrere Ork- und Elfenpfeile spickten seinen Körper. Er war einer der vielen, die den nächsten Morgen nicht mehr erleben durften.
Straga duckte sich unter einem Schwerthieb einer Moorelfe hinweg und schlug seinerseits zu.
Die Moorelfe fauchte zornig und schlug erneut zu. Diesmal traf sie ihn.
Straga schrie schmerzerfüllt auf und hielt sich das blutende Handgelenk.
Die Elfe grinste gewinnend und holte zum alles entscheidenden Schlag aus.
Und abermals rettete ein Drache ihm das Leben.
Straga keuchte vor Schmerz.
Seine Schulter, seine Wange und jetzt auch noch seine Hand.
Stöhnend sackte er zu Boden, halb ohnmächtig vor Schmerz.
Und dann, vor ihm stand ein Ork, siegessicher grinsend und ein Schwert in der Hand.
Es war eher ungewöhnlich, dass ein Ork solch eine Waffe trug. Sie kämpften entweder mit Pfeil und Bogen, einer Streitaxt oder nur mit purer Muskelkraft. Und dann erkannte er
die Klinge.
Erst heute Morgen war er zusammen mit Lenny in die Waffenkammer der Elfen gegangen, um sich dort auszurüsten. Dabei hatte Lenny bemerkt, dass sein Schwert eine kleine Kerbe hatte, die an den Seiten seltsam rötlich war.
Eben solche Kerbe hatte auch das Schwert des Orks.
Es war Lennys Schwert, vor ihm stand Lennys Mörder.
Mit letzter Kraft nahm er seine eigene kling und rammte sie dem Ork mitten in die Brust.
Verwundert starrte der Ork auf die Waffe, die in seiner Brust steckte.
Sein Blick glitt langsam zu Straga hinüber, sein flammender Blick verursachte ihm leichte Übelkeit.
Vielleicht war es auch nur das viele Blut, das den Schnee um ihn herum bedeckte oder die vielen toten, die er gesehen hatte. Einige davon hatte er selbst umgebracht…
Ehe der Ork neben Straga auf die Erde sank und starb, hob er das Schwert, das für kurze Zeit Lenny gehörte, und stach zu. Stragas Atem stockte. Blut strömte aus seiner Brust.
Straga konnte nicht atmen.
Und dann verlor er das Bewusstsein.

Genesung

Als Straga die Augen aufschlug, blickte er auf eine weiße Decke, die über ihm aufgespannt worden war. Ein Zelt, er lag in einem Zelt.
Langsam drehte er den Kopf und sah, dass er nicht alleine war.
Neben dem eigenen, standen noch mehr Betten und auf ihnen lagen Verwundete.
Straga erkannte Jean, der neben ihm lag und schlief.
Er murmelte leise im Schlaf und ein feuchter Lappen war über seine Stirn gelegt worden.
Straga wandte den Kopf in die andere Richtung. Noch mehr Betten, noch mehr Verwundete.
Seine Schulter, seine Brust und sein Handgelenk waren verbunden worden und auf seiner Wange hatte jemand eine kühle, weiße Salbe aufgetragen.
Aber wie war er hier her gekommen?
Er war doch auf der Waldlichtung gewesen, auf dem Schlachtfeld!
Er war gestorben, da war er sich sicher. Doch wenn er tot war, konnte er nicht hier liegen!
War also alles nur ein Traum?
Oder war dies der Ort, an dem die Toten schliefen?
War dies die Welt, die man betrat, wenn man starb?
Aber dann musste Lenny hier sein! Und Joe, der Herr der Füchse ebenfalls, er hatte seine Leiche auf dem Schlachtfeld gesehen!
Er lag dort eine Weile, den Blick starr auf Jean gerichtet, der im Fieberschlaf leise sprach.
Nach einiger Zeit erschien über ihm ein alter Elf, der ihn besorgt musterte.
„Wie fühlst du dich?“, fragte der Elf ihn und Straga flüsterte: „Bin ich tot? Was ist passiert?“
Der Elf lächelte mitfühlend und meinte: „Nein, du bist nicht tot, du hast großes Glück gehabt! Wir sind hier im Krankenzelt. Mein Name ist Jack, ich bin ein Heiler.“
Straga konnte nicht fassen, was er da hörte.
Nicht tot? Aber er war schwer verletzt gewesen…
„Aber der Ork…er hat mir das Schwert…in die Brust…“, stammelte er verwirrt.
Jack nickte langsam. „Ja, das stimmt. Aber wie gesagt, du hattest großes Glück!“
Nach kurzem Zögern fragte Straga: „Was ist passiert?“
„Nun“, setzte Jack an, „Wir und die Drachen konnten die Mehrzahl der Feinde töten, und die, die noch übrig sind, sind geflohen. Als sie fort sind, machten wir uns sofort daran, Überlebende zu finden und dies ist das Ergebnis.“
Er machte eine Geste zu den vielen Betten.
„Wir errichteten ein Zelt und verarzteten sie so gut es eben ging. Das ist jetzt zwei Tage her.“
Irgendetwas an der Geschichte des Elfen gefiel Straga nicht und plötzlich wurde ihm klar, was es war und er fragte: „Warum wurde dieses Zelt errichtet? Aria hat uns berichtet, dass in eurem Dorf, Elra`, ein Krankenhaus ist. Warum sind wir nicht dort?“
Der Elf sah ihn betrübt an und sagte traurig: „Die Elfen und Orks, die überlebt haben, sind in unser Dorf und haben es völlig zerstört. Sie haben es niedergebrannt.“
Straga sah ihn an und fragte: „Aber das Dorf ist doch von bäumen umgeben. Sind sie auch alle verbrannt?“
„Nein, wir konnten das Feuer sehen und löschten es sofort. Doch Elra` ist zerstört. Doch die Brandstifter konnten entkommen.“
„Was ist mit dem Träger? Konntet ihr ihn aufhalten?“, fragte Straga ihn und hoffte, dass der Elf es bestätigen würde. Er tat es jedoch nicht.
„Aria hat uns berichtet, sie habe einen kurzen Blick auf ihn erhaschen können, ihn jedoch nicht aufhalten können, da sie von drei Orks umzingelt war und als sie sie getötet hatte, war er schon nicht mehr zu sehen.“
Straga nickte enttäuscht, ließ sich jedoch nichts anmerken.
Schließlich fragte er: „Wo ist Aria? Und wo ist Agor und der König?“

Jack betrachtete ihn und sagte ausdruckslos: „Aria ist draußen. Agor und der
König…sie sind tot.“
Straga konnte es nicht glauben.
Agor, sein Freund, der Magier, war tot? Und der König, Arias Vater ebenfalls?
Er hörte sich selber nein sagen, konnte es einfach nicht glauben.
Wie war das möglich?
Das konnte einfach nicht sein!
„Aria…ist draußen? Sie ist nicht verwundet?“
Jack schüttelte den Kopf. „Nein, sie ist unverletzt. Aber sie steht unter Schock.“
Straga nickte, das konnte er gut verstehen. Er selbst konnte es auch nicht fassen.
„Ich muss mich noch um andere Patienten kümmern“, meinte Jack und ging langsam davon.
Da fiel Straga mit einem Mal etwas ein.
Aria hatte ihnen erzählt, dass Elfen, die einen verloren hatten, den sie liebten, dass sie dann seinen Tod rächen würden.
Nach wenigen Minuten kam trat Aria an sein Bett, ihr Gesicht schien wie aus Stein.
„Aria“, flüsterte Straga leise und sie legte ihm eine Hand auf die unverletzte Schulter.
„Straga, hast du Lenny gesehen? Wo ist er? Wir konnten ihn nicht finden.“, fragte sie ihn und die schreckliche Wahrheit kehrte zurück.
Nicht nur Agor und der König waren verloren, auch Lenny hatte sie verlassen.
Er musste schlucken, bevor er antwortete: „Er lag beim Fluss.“
Aria schien zuerst nicht zu verstehen, doch dann dämmerte es ihr und sie ließ sich auf das Fußende des Bettes sinken und bettete den Kopf in ihre Hände.
„Warum?“, fragte sie leise und ihr Körper bebte, doch sie weinte nicht.
Sie hatte ihnen nicht nur erzählt, dass Elfen ihre Toten rächten, sondern auch, dass sie nie weinten. Nur, wenn sie jemanden verloren hatten, den sie wirklich liebten. Es musste wahre Liebe sein!
Straga setzte sich langsam auf und schaute sie an, ganz ruhig.
Dann sagte er zögernd: „Ich habe ich schon gerecht.“
Sie hob den Kopf und blickte ihn verwirrt an.
„Du hast…Lennys tot gerecht?“
Er nickte und meinte: „Der Ork hatte sein Schwert in der Hand. Ich habe ihn getötet, doch er konnte mir noch diese Wunde zufügen.“ Er zeigte auf seine verbundene Brust, das Verband hatte sich rot verfärbt.
Aria sah ihn ausdruckslos an und sagte dann leise: 2Ich habe geschworen, auch den Tod von…den Tod meines Vaters zu rächen.“
Stragas schlimmste Befürchtungen hatten sich bewahrheitet.
„Aber musst du dafür nicht wissen, wer ihn…wer es war?“, fragte er zögernd, er wollte sie nicht noch mehr in Trauer versetzen.
„Ich weiß es, ich habe es gesehen. Er war es, der Träger.“
Straga hielt die Luft an.
Jack hatte ihm gesagt, sie habe den träger einmal kurz gesehen, das musste der Augenblick gewesen sein, in dem er ihren Vater umgebracht hat.
Aria seufzte traurig und erhob sich. „Ich muss gehen, meine Wachen warten draußen.“
„Deine Wachen?“, fragte Straga verwirrt.
Sie nickte. „Da mein Vater nun tot ist, werde ich regieren. Doch da ich dafür zwanzig sein muss, wird mein Volk vom Rat regiert.“
Da fiel Straga ein, dass er gar nicht wusste, wie alt sie überhaupt war und er fragte nach.
„Wie alt bist du denn?“´
„In einem Monat werde ich neunzehn“, antwortete sie leise, „Der Rat hat mir Wachen zugeteilt, da sie wissen, dass ich geschworen habe, meinen Vater zu rächen. Sie wollen nicht, dass mir etwas zustößt.“
Die ganze nächste Woche verbrachte Straga im Krankenzelt.
Jeden Tag erlagen mehr Verwundete ihren Verletzungen und als Jean starb, raubte ihm das fast den letzten nerv. In diesem Winter war so viel Schlimmes geschehen.
Er war mit Aria, Agor und Lenny auf eine lange, anstrengende Reise aufgebrochen und nun waren von den Vieren nur noch Aria und er selbst übrig. Tabor, der eigentlich dabei sein sollte, war unter den Bann von Malock gefallen und war vermutlich auch tot.
Wenigstens kam Aria hin und wieder zu ihm ans Bett und versuchte ihn aufzuheitern, was jedoch nicht besonders gut klappte, da sie selbst niedergeschlagen und verzweifelt war.
Eines Morgens kam sie zu ihm und sagte ihm, dass der Schnee geschmolzen sei und der Frühling sich ankündigte.
Er selbst konnte das Zelt noch nicht verlassen, er war noch immer schwer verletzt.
Das Zelt lehrte sich immer mehr, die Betten wurden abgebaut und diejenigen, die einst in ihnen geschlafen hatten und auf eine Genesung hofften, sie sie nicht bekamen, wurden verbrannt. Aria erklärte ihm, dass das besser war, als wenn man sie beerdigte, da es zu lange dauerte und wilde Tiere anlocken konnte, die vom Geruch angezogen wurde. Das Feuer schreckte sie ab und es verlief schnell.
Wenn Aria nicht bei ihm war, lag er einfach nur in seinem Bett und starrte an die Decke des Zeltes oder er unterhielt sich mit Jack, dem Heiler, der hin und wieder nach ihm sah.
Nach dieser einen Woche hatte sie die Zahl der Betten stark verringert und als Straga sie einmal zählte, musste er mit Schrecken feststellen, dass es nur noch zehn Stück waren.
Es waren einmal dreißig gewesen. Er hatte Angst, dass ihn dasselbe Schicksal ereilen würde, doch so war es nicht. Seine Wunden heilten. Jack meinte zu ihm, auf der Brust würde eine Narbe bleiben, doch das kümmerte ihn wenig.
Monte, der junge Elf, mit dem er sich im Schwertkampf geübt hatte, war einer von jenen, die noch im Krankenzelt lagen. Das Bett von ihm wurde neben das von Straga geschoben, damit sie sich unterhalten konnten (ein Wunsch von Monte).
Auch Straga genoss die Zeit, in der er mit dem jungen Elfen sprach und mit der Zeit wurden die beiden Freunde.
An Morgen des neunten Tages kam Jack zu ihm und verkündete, dass er nun wieder so gesund sei, dass er hinausgehen konnte.
Es freute ihn, das zu hören und als er das Zelt, leicht schwankend, verließ, erlebte er eine Überraschung. Der Schnee war geschmolzen und die Bäume, die die Zelte der Elfen umgab, warn von Knospen bedeckt. Der Winter war gewichen und hatte dem Frühling Platz gemacht.
Aria saß mit einigen anderen Elfen an einem Feuer, hinter ihr standen zwei grimmig aussehende Elfen, vermutlich ihre Wachen, über die sie sich immer beschwerte.
Als sie ihn kommen sah, sprang sie auf und umarmte ihn freudig.
Sie lachte und fragte:“ Bist du jetzt wieder völlig gesund?“
„Das hat der Heiler Jack gesagt.“
Sie strahlte ihn glücklich an, doch plötzlich wurde ihre Miene hart und sie flüsterte: „Ich muss mit dir reden.“
Sie zog ihn hinter eines der Zelte, das die Elfen nun statt ihrer wunderschönen palastartigen Häuser bewohnten und flüsterte: „Die Wachen wollen nicht, dass ich den Tod meines
Vaters räche. Sie tun so, als wäre ich ein kleines Mädchen, das nicht auf sich selbst
aufpassen kann! Aber ich muss, denn ich habe es geschworen. Und du musst mir
dabei helfen, Straga!“
„Wie denn?“, fragte er verwirrt.
„Du musst mit mir fliehen und den Träger suchen, damit wir ihn vernichten! Der Rat glaubt, er wird selbst zu uns kommen, doch das denke ich nicht. Das nächste Ziel von König Malock wird sein, Kesselstadt zu erobern. Du musst mir helfen, bitte!“
Straga dachte kurz nach und nickte dann. Sie hatte Recht, der Träger musste aufgehalten werden.
Abschied

Als Straga zurück ins Krankenzelt ging, suchte er sofort nach dem Heiler Jack.
Er fand ihn an Montes Bett, kniend, leise flüsternd.
„Jack, ich…“
Der Ausdruck, mit dem der Heiler ihn anschaute, brachte ihn zum Schweigen.
„Was ist passiert?“, fragte er ihn sofort besorgt und Jack warf einen viel sagenden Blick
auf Monte.
Straga hob fragend eine Augenbraue und Jack flüsterte ihm leise zu: „Komm mal kurz mit und hilf mir mit einem Patienten.“
Straga folgte ihm verwirrt, doch nicht an eines der Krankenbetten, sondern in eine Ecke des Zeltes, weit entfernt von Monte.
„Straga“, sagte Jack leise und zögernd, „Monte hat eine schwere Brustverletzung, die noch schlimmer ist als die deine. Ich…ich glaube nicht, dass er es schaffen wird.“
Straga sah ihn an und nickte schließlich.
„Es tut mir wirklich Leid, Straga. Ich weiß, dass ihr gute Freunde geworden seid, aber…“
„Sie haben ihr bestes getan, Jack“, meinte Straga tonlos und Jack nickte dankend, klopfte ihm tröstend auf die Schulter und ging.
Straga schaute zu Monte hinüber und kam dann langsam auf ihn zu.
Er kniete sich an sein Bett und legte ihm seine Hand auf den Arm, der seitlich unter
der Decke hervorlugte.
Monte wandte den Kopf in seine Richtung und flüsterte: „Wie geht es dir?“
„Ganz gut“, log Straga, „Und…dir?“
Monte schien sein Zögern nicht zu bemerken und meinte: „Super. Aber Jack meinte, ich soll hier bleiben.“
Straga musterte ihn und Monte meinte lässig: „Das wird schon!“
Straga wollte ihm glauben, doch angesichts der Lage war es fast unmöglich.
Montes Verbände an Kopf, Arm, Bein und Brust waren rot verfärbt und obendrein hatte er auch noch schweres Fieber. Jack hatte Recht, er würde es nicht schaffen, er würde sterben.
Doch trotzdem nickte er und meinte tonlos: „Ja, in wenigen Tagen bist du hier bestimmt wieder raus.“
Monte lächelte und sagte: „Und dann halte ich eigenhändig den Träger auf!“
Monte strahle, als er daran dachte und Straga wollte seine Laune nicht trüben, indem er ihm sagte, dass er das wohl nie tun würde.
„Dann werde ich ein Held sein!“, meinte Monte, noch immer grinsend, „Man wird mich feiern und ich werde sagen, dass ich das nie ohne dich geschafft hätte!“
Er lächelte Straga an, doch der schwieg.
Monte schloss sich ihm an, nach einigen Minuten jedoch hielt er es nicht mehr aus und meinte lachend: „Was ist los, Straga? Ich merke doch, du hast etwas!“
Straga schüttelte den Kopf und flüsterte: „Nichts, gar nichts. Rede ruhig weiter.“
„Gut! Weißt du eigentlich, wen ich schon die ganze Zeit vermisse? Deinen kleinen Freund! Wie hieß der noch gleich?“
Straga musste schlucken und sagte leise: „Lenny.“
„Ja, genau. Wo ist er? Ich habe ihn hier gar nicht gesehen, ist er im Kampf überhaupt nicht verletzt worden?“
„Er ist tot“, antwortete Straga tonlos, ohne Monte dabei anzusehen.
„Oh, das tut mir Leid. Wirklich!“
Straga nickte und sagte: „Ist schon ok.“
Monte sah ihn schweigend an und dieses mal hielt die Stille für lange zeit an.


Straga wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, doch mit einem Mal sagte Monte:
„Schätze mal, du musst jetzt gehen, es ist spät. Und komm bald wieder, ja?“
Straga hob den Kopf und blicke ihn an. Dann nickte er, erhob sich und wandte sich
zum gehen. Hinter ihm musterte Monte ihn misstrauisch, dann dämmerte es in seinem Gesicht
und sagte, ehe Straga das Zelt verließ: „Du wirst mir fehlen!“
Straga drehte sich noch einmal um, schaute ihn an und sagte: „Du mir auch!“
Dann ging er.
Sie würden sich zum letzten Mal sehen und das wussten sie beide.


Die Flucht

Straga war, bevor er sich schlafen legte, noch einmal zu Jack gegangen, um ihn zu bitten, ihm die Verbände abzunehmen und der Heiler hatte ihm diesen Wunsch gern erfüllt.
Er hatte ihm nicht erzählt, warum er sie unbedingt loswerden wollte, er würde sie nur von ihrem Plan abhalten. Er hatte Aria auch nicht erzählt, dass sein Freund Monte im Sterben lag, vielleicht wusste sie es ja schon und wollte es ihm nur nicht sagen, aus Angst,
er wüsste er nicht. Doch er wusste es und das machte die Sache nicht gerade einfacher.
Er war traurig.
Wie viele hatte er jetzt schon verloren? Er hatte den Überblick verloren.
Sein Vater, seine Mutter, seinen Bruder, die beiden Freunde, die er in der Mine hatte, Lenny und bald Monte.
Lenny…
Er raffte sich zusammen, bei dem Gedanken an ihn, versuchte ihn zu verdrängen.
Aria sah zu ihm hinüber und er nahm den Beutel, den er trug, fester in die Hand und ging langsam zu ihr hinüber. Er warf einen letzten Blick auf das Krankenzelt, in dem Monte schlief, vielleicht war er ja schon…
Nein! Das durfte er nicht denken, er durfte es einfach nicht! Er musste sich auf andere Dinge konzentrieren, wie zum Beispiel darauf, möglichst leise zu sein, über keines der Seile zu stolpern, die die Zelte der Elfen hielten.
„Komm, bevor sie etwas bemerken!“, zischte Aria ihm leise ins Ohr und sie hasteten geduckt an den zelten vorbei, tiefer in den Wald hinein. Nach einer Weile richteten sie sich wieder auf und blieben stehen, weit genug von dem Lager entfernt, um nicht gesehen zu werden.
„Wo gehen wir überhaupt hin?“, fragte Straga sie, „Weißt du, wo der Träger ist?“
Sie schüttelte den Kopf. „Wir werden es herausfinden müssen. Und mach dir keine Sorgen um die Verpflegung und unseren Schlafplatz. Ich habe an alles gedacht. Warte hier!“
Sie drehte sich um und verschmolz mit der Dunkelheit.
Straga trat von einem Bein aufs andere, er war unruhig. Aria hatte ihnen einmal erzählt, dass hier, im Wald der Freien Elfen, Kreaturen lebten, denen man besser nicht des Nachts
begegnen wollte. Er wartete jedoch nicht lange, schon nach wenigen Minuten kehrte Arie zu ihm zurück. Neben ihren üblichen Beutel hatte sie jedoch auch noch etwas anderes, was er nicht auf Anhieb erkannte. Als er dann genauer hinsah und sie direkt neben ihm stand und grinste, erkannte er, dass es ein Zelt war, aus weißen Leinen, wie es bei ihrem Volk
üblich war.
Straga lächelte sie an und fragte: „Wo hast du das so plötzlich her?“
„Einen Tag nach dem Kampf habe ich nach einigen Dingen Ausschau gehalten, die wir auf unsere Reise gut gebrauchen könnten. Hier im Wald habe ich ein kleines Versteck, das ich schon als kleines Mädchen gefunden habe.“
„Einen Tag nach dem Kampf? Schon da hattest du beschlossen, mit mir den Träger zu suchen? Das hast du mir gar nicht erzählt!“
„Warum hätte ich das tun sollen?“, fragte sie und lächelte ihn an, „Es wäre uns kein größerer Vorteil gewesen als er es jetzt ist.“
Da hatte sie natürlich recht, aber trotzdem, sie hätte es ihm sagen müssen.
„Den hier habe ich auch noch mitgebracht.“
Sie hielt einen verzierten Langbogen und einen Köcher mit Pfeilen in die Luft.
„Er wird nützlich sein. Wir können damit auf unsere Feinde schießen.“
Straga sah sie an und nickte.
Sie hatte wirklich an alles gedacht.
Die beiden strichen durch das Unterholz des nächtlichen Waldes, Aria lautlos, Straga bemüht, es ihr gleich zu tun.
Er bewunderte es, wie sie ging, fast schwebte, ohne das kleinste Geräusch zu machen.
Am Boden waren noch die Reste von Schnee zu erkennen und ein kalter Wind wehte ihnen um die Ohren, doch sie hatten schon beide kältere Tage – oder besser Nächte – erlebt.
Als es schließlich zu dämmern begann, hatten sie endlich den Waldrand erreicht und sie blieben stehen.
„In wenigen Minuten werden sie unsere Abwesendheit bemerken. Erst meine, dann deine“, sagte Aria tonlos und blickte zurück in die Richtung, aus der sie kamen und in der das Lager der Elfen errichtet worden war.
„Ja“, meinte Straga und schaute ebenfalls über die Schulter zurück.
Er dachte an Monte. War sein neu gewonnener Freund bereits ins Reich der Toten gegangen?
Nein, darüber durfte er nicht nachdenken!
Wieder schaute Straga zu aria, die entschlossen nach vorn sah, der aufgehenden Sonne entgegen.
Er hörte sie leise flüstern.
„Jetzt geht unsere Reise erst richtig los.“


Der Ifrit

Straga und Aria saßen am Feuer und starrten in die Glut, während sie darauf, dass die Kräuter, die sie unterwegs aufgelesen hatten, zu brutzeln begannen.
Er hatte nicht ganz verstanden, weshalb sie sie nicht einfach ungebraten aßen, doch sie hatte ihm erklärt, dass sie dann ein süßliches Aroma bekamen und mehr Kraft verleiten.
Er hatte ihr geglaubt.
Es war Mittag, die Sonne hatte ihren höchsten stand erreicht und die beiden hatten ihr Lager an einem kleinen Bach aufgeschlagen. Zuerst wollten sie sich nur etwas ausruhen und dann gleich weiter gehen, doch es stellte sich heraus, dass sie so erschöpft waren, dass es keinen Zweck mehr hatte, jetzt noch viel zu laufen.
Und so hatten sie ihr Lager schon jetzt aufgeschlagen, am Bach, an dem sie ihre Wasservorräte aufgefüllt hatten, da Aria nur zwei Weinschläuche mitgenommen hatte und einer davon bereits geleert worden war.
„Also ich schlage vor“, verkündete Straga erschöpft, „wir schlafen erst einmal ein wenig und dann geht’s weiter. Was meinst du?“
„Ja, aber wir sollten Wache halten. Wir wechseln uns ab. Möchtest du die erste schicht übernehmen?“
Straga war müde, doch er hatte keine Lust nach zwei Stunden Schlaf geweckt zu werden, um Wache zu halten, weshalb er nickte.
„In Ordnung, aber lass mich nicht zu lange warten, ja?“
Sie lächelte ihm zu und verschwand dann im Zelt.
Er blieb neben dem Feuer sitzen und blickte trübe hinein. Er musste es schaffen, mindestens zwei Stunden wach zu bleiben. Dann musste er hinein ins zelt gehen und Aria wecken, damit sie seine Schicht übernahm und er etwas schlafen konnte.
Straga gähnte beherzt und stützte den Kopf in eine Hand.
Seine Augenlider waren so schwer. Er hob den Kopf und blinzelte in die Sonne.
Er durfte nicht einschlafen und wenn er hier sitzen blieb, bestand die Gefahr, dass er es dennoch tat. Also stand er auf, streckte sich und ging einige Runden um ihr Zelt herum.
Er kniete sich neben dem Bach nieder und spritze sich Wasser ins Gesicht, um wach zu werden, es half etwas.
Wieder etwas wach kehrte Straga auf die andere Seite des Zeltes zurück und hüpfte von einem Bein aufs andere. Vor langer Zeit, so kam es ihm vor, wurde ihnen in der Mine beigebracht, nicht einzuschlafen, damit sie länger arbeiten konnten.
Als er nun wieder an die Mine dachte kam ihm die schreckliche Erinnerung wieder in den Sinn, die er niemandem anvertraut hatte und dies auch nicht vorhatte. Er musste schlucken und schüttelte den Kopf, um die Erinnerung an den Vorfall aus dem Kopf zu bekommen.
Wieder machte er einige Übungen, die ihn wach halten würden, dann setzte er sich zurück ans Feuer und starrte angestrengt in die Schatten des nahe liegenden Waldes.
Straga wusste, wo sie sich befanden. Er war schon einmal hier gewesen. Wenn sie jetzt in diese Richtung weitergehen würden, würden sie in etwa einer Woche Kesselstadt
erreicht haben. Plötzlich fiel ihm ein, dass er ja gar nicht wusste, wohin sie eigentlich unterwegs waren. Die ganze zeit über war er einfach hinter Aria her gegangen. Doch wohin ging sie? Das Einzigste, das er wusste, war, dass sie den träger aufhalten mussten.
Doch wo war der Träger? Wusste Aria es oder irrte sie gemeinsam mit ihm ziellos durch die Landschaft und hoffte, ihm zufällig zu begegnen?
Doch das konnte er sich nicht vorstellen, so war die junge Elfenprinzessin nicht!
Oder?
Wie gut kannte er sie eigentlich?
Als er darüber nachdachte, stellte er überrascht fest, dass er fast gar nicht über sie wusste.
Er blieb dort lange zeit sitzen und blickte in den Wald, der nur wenige Meter von ihm entfern war und versuchte der Versuchung zu widerstehen, einzuschlafen.
Als etwa zwei Stunden um waren, ging er ins Zelt und weckte Aria, die ihn aus müden Augen heraus ansah und sich dann nach draußen begab, um seine Schicht zu übernehmen.
Straga glaubte nicht, dass zwei stunden ausreichten, doch sie konnte ja wohl nicht von ihm verlangen, bis zum Abend wache zu schieben.
Als er an der Schulter wachgerüttelt wurde, fühlte er sich, als wäre er eben gerade erst eingeschlafen.
„Was ist denn los?“, fragte er schlaftrunken und blinzelte sie an.
„Wir brechen auf.“
„Was? Schon?“
Aria sah ihn an, eine spur von Verärgerung im Blick.
„Ich habe geschworen, meinen Vater zu rächen und den träger aufzuhalten! Und ich will nicht, dass mein Volk uns einholt und zurück ins Lager bringt!“
Straga seufzte und erhob sich.
Die Sonne war bereits untergegangen und der Mond stand am Himmel.
„Wie…wie spät ist es?“, fragte Straga sie verwirrt.
„Etwa sechs Stunden, nachdem wir das Zelt aufgebaut haben. Genaueres kann ich dir auch nicht sagen.“
Sie hatte ganze vier Stunden draußen vor ihrem Zelt wache gehalten.
Und er hatte kaum zwei ausgehalten. Er schwor sich, das nächste Mal ebenso lange wach zu bleiben, damit sie ihren versäumten Schlaf nachholen konnte.
Die beiden bauten das Zelt ab, löschten das Feuer und machten sich auf den Weg.
Aria ging vor, in Richtung Wald, Richtung Kesselstadt.
Als sie sich bereits eine Zeit lang durch dichtes Unterholz gekämpft hatten, fragte Straga sie:
„Wohin gehen wir eigentlich?“
Sie brachte ihn mit einem Kopfschütteln zum Schweigen, duckte sich und spähte in die Dunkelheit.
„Was ist? Hast du etwas gesehen, in dieser Schwärze?“
„Elfen haben bessere Augen als alle anderen und ja, ich habe etwas gesehen.“
Jetzt duckte auch Straga sich, er war leicht panisch.
Was hatte sie gesehen?
Eine Horde Moorelfen? Einen Wolfselfen? Einen Ork?
Nach einiger Zeit seufzte Aria laut auf und meinte: „Ich dachte, da wäre etwas.“
„War es auch.“
Straga und Aria fuhren erschrocken herum.
Die fremde Stimme kam aus der Dunkelheit, irgendwo vor ihnen.
Die Stimme lachte leise und eine dunkle Gestalt kam langsam auf sie zu.
Ein Elf?
Auf der Schulter der Gestalt saß etwas, ein Tier, ein Vogel.
„Ich dachte mir doch, ich habe da etwas gehört“, sagte die Gestalt und als sie ins fahle Mondlicht trat, sahen sie, dass es tatsächlich ein Elf war.
Er schien noch sehr jung zu sein, trug Kleider aus einem lederartigen Material, seine langen, hellbraunen Haare lagen ihm elegant auf den Schultern und seine eisblauen Augen
funkelten listig.
Aria zog eine Augenbraue hoch und sagte ärgerlich: „Du bist ein Ifrit!“
Straga hatte keine Ahnung, was ein Ifrit war, doch so wie Aria sich benahm, schien sie sie nicht besonders zu mögen.
„Ja, das bin ich. Was dagegen?“, fragte der junge Elf drohend und schaute
Aria streitlustig. Er hatte einen merkwürdigen Akzent.
„Wir haben euch verbannt! Ihr habt in unseren Ländern nichts zu suchen!“, fauchte Aria bissig zurück. Straga blickte von einem zum anderen.
Wer war dieser Elf? Und was war ein Ifrit?
Der Blick des Elfen war eisig und abweisend, rührte sich jedoch nicht von der Stelle.
Nach einigen stummen Momenten fragte der Elf leise und ruhig, doch mit einer gewissen Schärfe im Ton: „Was macht ihr hier?“
„Dasselbe könnte ich dich fragen, Ifrit!“ Das letzte Wort klang auf ihrer Zunge wie ein Fluch.
„Nun“, meinte der junge Elf langsam, „Wie ich schon sagte, ich habe euch gehört.“
„Du weißt ganz genau, dass ihr auf unserem Land nichts zu suchen habt!“, zischte Aria ihn an und Straga wusste gar nicht mehr, was er denken sollte.
Dieser junge Elf war also ein so genannter Ifrit, der sich trotz Verbannung auf das Land
der Elfen begab.
„Ich bin dir keine Erklärung schuldig, Elfe.“
„So redest du nicht mit mir, du dreckiger Ifrit!“
Aria stürmte auf den Elfen zu, ihren Dolch fest in der Hand.
Der Elf wich erschrocken zur Seite weg und streckte hilflos die Arme aus.
„Hey, was habe ich dir getan?“
„Du dreckiger Ifrit gehörst zu denen, die uns verraten haben, an die Orks!“
Der Elf warf ihr einen hasserfüllten Blick zu, in dem jedoch auch eine Spur von Angst
zu erkennen war.
„Das war lange vor meiner Zeit!“, versuchte er sich zu wehren, während Aria versuchte, ihn mit dem Dolch zu erwischen, er jedoch immer weiter in die Dunkelheit zurück wich, gefolgt von Aria, der ein ziemlich verwirrter Straga folgte.
„Du bist ein kleiner, dreckiger Ifrit!“, schrie Aria zornig und zog in einer einzigen, schnellen Bewegung ihr Messer hervor, dass sie sogleich auf den Elfen zuschleuderte.
Der junge Elf, der bis vor einen Baum zurückgewichen war, sah entsetzt auf das Messer hinab, das nur knapp seinen linken Arm verfehlt hatte und sich nun in eine Baumrinde gebohrt hatte.
„Was…?“, konnte er noch fragen, bevor Aria ihren Langbogen zog, einen Pfeil anlegte, ihn spannte und drohend auf den jungen Elfen richtete.
Nun war Straga sich sicher, das über ihm im Baum, ein leiser, erstickter Laut zu hören war.
Auch Arias Kopf flog hoch und die Augen des Elfen blickten mit einer leichten Panik auf einen der Bäume, der nur wenige Meter von ihnen entfernt stand.
Aria spannte den Bogen noch mehr an, hielt den Pfeil nur noch mit einem Finger, jeden Moment konnte sie loslassen und der Pfeil würde sich direkt in die Brust des Elfen bohren.
Aria starrte wieder den Elfen an, hasserfüllt.
„Was ist da oben, Ifrit?!“, fauchte sie drohend, doch er schüttelte bloß den Kopf.
„Sag es!“, zischte sie ihn aus zusammengebissenen zähnen heraus an.
Straga konnte sich nicht rühren, starrte noch immer in den Baum hinauf.
Hatte er nicht eben ein Gesicht zwischen den Zweigen gesehen oder war es nur
Einbildung gewesen?
Aria wollte gerade den Pfeil loslassen und somit den jungen Elfen töten, da stürzte ein kleiner Schatten von einem Baum herab und sprang sie wild fauchend an.
Straga stieß einen erschrockenen Schrei aus und sah, dass der junge Elf endgeistert die Hände vor sein Gesicht schlug. Im fahlen Licht des Mondes konnte Straga nicht richtig erkennen, um was es sich bei dem kleinen Schatten handelte, der auf dem Boden mit Aria rang.
Arias Wutschreie und lautes Zischen und Fauchen drang aus dem Knäuel, das aus ihren Armen und Beinen bestand.
Der junge Elf blickte zu Straga hinüber und sah ihn auffordert an, doch Straga wich einige Schritte zurück und der Elf machte keine Anstalten, ihn anzugreifen. Er schien vielmehr von Aria und ihrem unbekannten Angreifer abgelenkt zu sein, denn angsterfüllt starrte er nun auf die beiden und raufte sich die Haare.
Straga hörte Arias Schreie. „Was?...dreckiger kleiner Ifrit!“
Der junge Elf schien wie am Boden zerstört, als er diese Schreie hörte, die Aria
wütend ausstieß. Er sackte gegen den Baum, in dessen Rinde noch immer Arias Messer steckte, das sie nach ihm geworfen hatte.
Mit einem mal kam ihm eine Idee und er stemmte sich wieder hoch, die Finger fest um das Messer geschlossen. Erschrocken sah Straga, wie er es herauszog und langsam auf ihn zukam.
Er wich einige Schritte zurück, wie vorher der junge Elf selbst, der nun, mit einem Messer bewaffnet, langsam auf ihn zukam.
Plötzlich schnelle er vor und packte seinen Arm. Straga schrie ängstlich auf und versuchte, dem festen Griff des elfen zu entkommen, ohne Erfolg.
Der Elf flüsterte ihm etwas ins Ohr, was er jedoch nicht richtig verstehen konnte, da die kleine Gestalt, die mit Aria rang, laut fauchte, wie eine Wildkatze.
Doch dann rief der Elf, der Straga fest hielt und ihm nun sogar das Messer an die kehle presste: „Lass sie in Ruhe oder ich werde deinen Freund hier umbringen!“
Sofort ließ Aria von der kleinen Gestalt ab und starrte den jungen Elfen an, oder vielmehr, sie starrte Straga an.
Straga hatte schreckliche Angst. Aria würde seinen Tod doch nicht zulassen, oder?
Nein, das konnte sich einfach nicht tun!
Er wand sich verbissen in im Griff des Elfen, der ihn jedoch nur umso mehr umklammerte.
Was Elf damit gemeint, als er gerufen hatte, Aria solle sie in Ruhe lassen?
Wer war sie?
Die kleine Gestalt stieß ein weiteres Fauchen und Zischen aus und näherte sich langsam dem jungen Elfen, ohne Aria dabei aus den Augen zu lassen.
„Bitte“, flüsterte Straga angsterfüllt, „Bitte nicht.“
„Keine Angst, ich will nur, dass sie ihn in Ruhe lässt!“, flüsterte der junge Elf
beruhigend zurück. Mit schreckgeweiteten Augen starrte er Aria an, die ihn ebenso erschrocken anblickte.
„Lass ihn gehen, dreckiger Ifrit!“, meinte Aria, nun weniger angriffslustiger, eher besorgt.
„Dann lass du ihn gehen“, sagte der Elf ganz ruhig und wies dabei mit einem Finger auf die kleine Gestalt, die nun nur noch wenige Schritte von ihm entfernt war.
Aria stieß einen Zornesschrei aus, machte jedoch keine Anstallten, sich zu rühren.
Nun konnte Straga besser erkennen, um was es sich bei der Gestalt handelte, die Aria zischend und fauchend angegriffen hatte.
Es war ein kleines Mädchen, vielleicht fünf oder sechs Jahre alt.
Ihre wilden, roten Locken reichten ihr bis zur Hüfte und ihre eisblauen Augen waren zu schmalen Schlitzen verengt. Sie hatte die Zähne angriffslustig gebleckt und immer wieder stieß sie ein drohendes Zischen oder Fauchen aus. Mit diesem wilden Aussehen und den geschmeidigen Bewegungen, mit denen sie sich bewegte, ähnelte sie wirklich sehr
einer Raubkatze.
„Lass sie in Ruhe und ich lasse deinen Freund gehen!“, sagte der Elf warnend und zog das kleine Mädchen dicht an seine Seite.
Aria streckte leicht die Arme vor und ging einige Schritte zurück, als Zeichen, dass sie verstanden hatte und einverstanden war.
Der junge Elf lächelte und stieß Straga grob von sich, der sogleich zurück zu Aria eilte, die ihn mit einem besorgten und leicht verärgerten Blick musterte.
„Jetzt lass uns gehen“, sagte der junge Elf behutsam, doch mit einem Mal grinste Aria und musste schrill lachen.
„Euch gehen lassen? Wieso sollte ich das tun, Ifrit?!“
Straga warf ihr einen beunruhigenden Blick zu, das kleine Mädchen an der Seite des Elfen, starrte die beiden hasserfüllt an.
Auch der junge Elf selbst blickte sie scharf und unfreundlich an.
„Ich kann euch jetzt nicht einfach gehen lassen, Ifrit!“, meinte Aria lächelnd, „So lautet das Gesetz. Das wäre ja so, als wenn wir einen Ork, der uns angegriffen hat, einfach ziehen lassen, nachdem er unser halbe Volk ermordet hat!“
Der Elf sah sie ungerührt an, während er tonlos sagte: „Ich habe aber nicht dein halbes Volk ermordet.“
Aria schnaubte verächtich. „Das war nur ein Beispiel! Und doch wirst du und deine kleine Freundin sterben müssen!“
„Wenn ich schon sterben muss, dann lass sie wenigstens gehen!“, bat der junge Elf und legte schützend eine hand auf die Schulter des kleinen Mädchens.
„Ich könnte mich dazu überreden lassen“, sagte Aria gedehnt und spielte mit einer ihrer Haarlocken, „Wenn du mir netterweise verraten würdest, wo sich euer Lager befindet, könnte ich…“
„Nein!“
Aria schaute den jungen Elfen verächtlich an.
„Das werde ich nicht tun!“, sagte der Elf zornig und umklammerte fester Arias Messer, das er noch immer in der Hand hielt.
„Auch nicht für das Leben deiner kleinen Freundin?“, fragte Aria mit hochgezogenen Brauen und spannte ihren Bogen an.
Das kleine Mädchen verkrampfte sich. Straga wusste nicht, wohin er sehen sollte und entschied sich dafür, den Boden zu betrachten, als währe er das Interessanteste, was er je gesehen hätte.
„Bitte, lass sie“, bat der junge Elf mit leicht zittriger Stimme, doch Aria lächelte ihn nur an.
„Verrate mir, wo euer Lager ist und sie wird leben. Schweigst du jedoch sterbt ihr beide.“
Straga musste schlucken. Das Aria so etwas sagen konnte…!
„Aria, warum tust du das?“
Arias Kopf fuhr zu ihm herum und starrte ihn endgeistert und zornig an.
„Warum ich das tue? Er und seine kleine Freundin sind Ifrit, Verräter, Ausgestoßene! Sie haben und vorlanger Zeit verraten, Straga! Und du verteidigst sie auch noch?!“
Straga wusste nicht, was er sagen sollte, blickte sie nur an.
Dann glitt sein Blick zu den beiden Elfen, die wie erstarrt da standen und Aria und ihn mit ihren eisblauen Augen ansahen.
Täuschte er sich, oder sahen sie…ängstlich aus?
„Lass sie gehen, Aria. Sie haben dir nichts getan.“
„Straga, die Ifrit sind Schuld am Tod meiner Mutter und ich muss ihren Tod rächen!“
„Hat das dein Vater nicht schon getan?“
„Wie kannst du nur?“, fauchte sie ihn zornig an, ließ den Bogen jedoch leicht hinab sinken.
Nach kurzem Zögern meinte sie: „In Ordnung, ich werde sie nicht töten. Sie sollen uns jedoch alles sagen, was sie über den träger wissen.“


Die Geschichte der Ifrit

Der junge Elf blickte sie finster an, das Mädchen an seiner Seite starrte sie mit verengten, eisblauen Augen an.
„Und wenn ich euch die gewünschte Information sage, bringt ihr uns um oder berichtet eurem Volk, dass wir hier leben!“
Aria schüttelte den Kopf. „Nein, das haben wir nicht vor. Ihr habt mein Wort darauf, dass keiner von uns beiden euch oder anderen Ifrit, die uns angreifen, tun werden!“
Das Mädchen zischte leise und sagte mit kalter, hoher Stimme: „Schön, ihr tun uns nicht. Aber was ist mit den anderen Freien Elfen? Ihr werden sofort zu ihnen gehen, wenn ihr habt, was ihr wollt und dann bringen sie uns um!“
„Wie ich schon sagte, wir werden euch nichts tun. Dazu gehört auch, euch nicht zu verraten!“
Der junge Elf musterte sie misstrauisch, ebenso das kleine Mädchen an seiner Seite.
„Wenn ihr mir nicht glaubt, dann schwöre ich es eben vor eurem Anführer, wir auch immer das sein mag!“, meinte Aria mit hochgezogenen Brauen und sah die beiden Elfen, die ihnen gegenüberstanden, an. Erneut stieß das Mädchen ein Zischen und Fauchen aus und sah dann erwartungsvoll zu dem jungen Elfen hoch, der nun zu Aria sagte: „Ihr seid in unserem Dorf nicht willkommen!“
Aria lächelte höhnisch und meinte: „Nun, dann muss ich mich wohl mit euch beiden zufrieden geben müssen. Aber ihr habt mein Wort, dass ich euch und den Euren kein Leid zufügen werde und auch mein Volk wird euch nichts tun, es sei denn, sie greifen uns zuerst an!“
Der junge Elf zog die Stirn in Falten und dachte einen Moment lang nach, dann sagte er schließlich entschlossen: „In Ordnung, ihr bekommt eure Information!“
Aria grinste gewinnend, doch der Elf war noch nicht fertig: „Ihr bekommt sie, wenn sie uns sagen, wofür sie diese Information wollen.“
Straga blickte sie an, doch sie gab keinen Ton von sich. Schließlich fragte sie mit erhobenem Kinn: „Kämpft ihr für König Malock?“
Das Mädchen stieß ein Zischen aus und der junge Elf erwiderte: „Nein, wir kämpfen für keine der drei Seiten! Uns ist es gleich, wer über dieses Land herrscht.“
Aria nickte nachdenklich und sagte dann: „Wir brauchen die Information, um den Träger zu verfolgen und um ihn aufzuhalten. Denn er wird dieses Land in den Untergang stürzen und außerdem habe ich Blutrache geschworen!“
„Blutrache?“, meinte der Elf beeindruckt, „In Ordnung. Wir sahen den Träger vor etwa einer Woche mit einer kleinen Armee aus Moorelfen und einigen Orks nach Osten ziehen. Sogar ein Wolfself war bei ihnen. Sie waren verwundet, einige schienen dem Tod nicht fern zu sein. Der Träger jedoch war gesund, keine einzige Wunde. Zwei der Moorelfen kamen zu uns und kauften uns Ware ab.“
„Warum haben sie die sie nicht getötet?!“, schrie Aria zornig, „Wenn ihr sie doch
gesehen habt!“
Der Elf schien bestürzt zu sein. „Sie haben uns nicht angegriffen! Und ich sagte doch schon, wie kämpfen für keine Seite, sie sind nicht unsere Feinde! Doch auch nicht unsere Freunde“, fügte er noch hinzu, als er Arias Gesichtsausdruck sah.
„Nun gut, dann danken wir ihnen für diese Information, Ifrit. Aber sagt, wisst ihr, was das Ziel des Trägers und seiner Armee ist?“
Der junge Elf legte die Stirn in falten und dachte kurz darüber nach.
Schließlich meinte er: „Ich weiß nur, dass sie nach Osten unterwegs waren, mehr nicht.“
Aria nickte und sagte dann: „Wir gehen jetzt.“
Der junge Elf nickte zufrieden und sie Aria und Straga wandten sich von den beiden ab.
Als sie einige Schritte gegangen waren, rief der Elf ihnen etwas nach.
„Sie haben ihr Messer vergessen, Prinzessin Aria.“
Aria drehte sich um und ging langsam zurück. Sie streckte die Hand aus und der Elf reichte ihr das Messer, dass er aus dem Baum gezogen hatte, nachdem sie es nach ihm geworfen hatte.
„Woher kennt ihr meinen Namen, Ifrit?“, fragte Aria misstrauisch und musterte ihn.
„Jeder kennt ihn, Prinzessin. Und bitte, nennt mich doch Kai. Und das hier“, sagte er mit einem Kopfnicken in Richtung des kleinen Mädchens, das sich fest an ihn presste, „Das hier ist meine Schwester Penelope.“
Aria nickte ihm zu, sagte dann jedoch: „In Ordnung, Ifr…Kai.“
Der junge Elf lächelte sie an und sagte dann laut: „Viel Glück auf eurer Reise. Kito se, Aria und Straga.“
„Kito se, Kai und Penelope“, verabschiedete sich auch Straga und selbst Aria verabschiedete sich. Dann ging Aria zu Straga zurück und sie gingen in Richtung Osten.
Als sie den Waldrand hinter sich hatten, fragte Straga sie: „Wer genau sind eigentlich diese Ifrit? Warum hasst du sie so?“
Aria seufzte und fing dann an zu erzählen.
„Vor etwa zwölf Jahren waren wir Freien Elfen zahlreicher, als wir es heute sind – oder besser, als wir es vor dem Kampf noch waren. Wir befanden und wieder einmal mit den Orks im Krieg und einige von uns beschlossen, zu ihnen zu gehen und sie dazu zu bringen, uns in Ruhe zu lassen, da sie sich, mehr noch als alle anderen, nach Frieden sehnten. Doch als diese Elfen schließlich in unser Dorf zurückkehrten, schienen sie, als hätten sie sich verändert, als läge eine schwere Last auf ihren Schultern. Sie spionierten uns anderen nach, wollten geheime Pläne herausfinden, sie sagten, um zu helfen.
Mit der Zeit wurden wir misstrauisch, doch es war schon zu spät. Nach wenigen Tagen griffen die Orks unser Dorf an, mit einem großen Vorteil, da sie nun unsere gesamten Schlachtpläne kannten. Wir konnten sie nicht besiegen, also zogen wir uns zurück und errichteten weit entfernt von dem alten, ein neues Dorf, das jetzige Elra`. Wir hatten keine Ahnung, woher die Orks all unsere Geheimnisse wussten, doch nach kurzer Zeit erfuhren wir alles. Als die Elfen das erste Mal das Lager der Ork betraten, wurden zu ihrem Anführer geführt, der sie erpresste. Er versprach ihnen den Frieden, wenn sie ihnen alle geheimen Pläne verrieten.
Sie ließen sich von ihm überreden und verschafften ihm, was er wünschte.
Sie stritten es nicht einmal ab, sondern gestanden alles. Mein Vater, der sehr traurig und erbost über den Tod meiner Mutter und den Verrat seiner Untertanen war, verbannt sie aus unserem Land. Ein jeder musste schwören, jeden von ihnen umzubringen, der sich über das verbot hinwegsetzte. Wir nannten sie Ifrit, was ein elfisches Wort war und Verräter oder auch Verbannte bedeutet. Die Ifrit gehörten von dem Moment ihrer Verbannung nicht mehr zu uns und sie verließen unser Land. Wir dachten, sie seien gestorben, doch wie wir eben erfahren haben, haben sie sich wohl hier ein neues Zuhause gesucht und haben auch einen
Anführer erwählt. Doch nach den zwölf Jahren, die seid dem schrecklichen Kampf verstrichen sind, haben wir sie dennoch nicht vergessen!“
Sie endete mit ihrer Geschichte und schaute Straga erwartungsvoll an.
„Das ist ha eine…traurige Geschichte“, sagte Straga zögernd und Aria schnaubte.
„Traurig ist nur etwas, worüber man weinen und trauern kann. Wenn du es kannst, ich für meine Fälle kann nicht über ihren Verrat und ihre Verbannung trauern.“
Straga senkte beschämt den Kopf und sie gingen lange Zeit schweigend nebeneinander her, bis die Sonne aufging und sie erschöpft ihr Lager errichteten, damit sie einige Stunden schlafen konnten.


In der Ruine

Aria und Straga waren nun schon mehrere Tage unterwegs und aus den Tagen
wurden Wochen. In dieser Zeit kamen sie an mehreren niedergebrannten Höfen und einigen kleinen Dörfern vorbei, die von der Armee des Trägers zeugten. Die beiden änderten kein einziges Mal ihre Richtung, immer nach Osten. Auch hatten sie sich angewöhnt, des Nachts zu wandern und am Tage zu schlafen. Zwar war selbst Arias Sicht in der Dunkelheit etwas getrübt, doch sie meinte, so würde auch die Armee des Trägers Schwierigkeiten haben,
sie zu sehen. Also hatte Straga ihr zugestimmt und inzwischen war es für ihn ganz normal, sich in der Dunkelheit durchs Land zu bewegen. Und außerdem war es ja nicht völlig dunkle, der Mond spendete ihnen genug Licht. Doch noch ehe die zweie Woche verstrichen war, hatte auch Straga gelernt, die Geräusche und Bewegungen richtig zu deuten, nicht so gut wie Aria es konnte, aber er war mit den Resultaten ganz zufrieden.
Als sie am Abend des neunzehnten Tages erwachten und ihr Lager abbauten, richtete Aria sich plötzlich auf.
„Was siehst du?“ Diese Frage war schon zur Gewohnheit geworden, sobald sie ruckartig den Kopf hob und in die Ferne starrte. Doch dieses Mal schaute sie nicht in den Horizont sondern auf einen kleinen Bach, der in ihrer Nähe floss. Straga verstand nicht, was an ihm so besonders sein sollte, sie hatten erst gestern ihre Wasservorräte aufgefüllt und erst wenig verbraucht.
Doch sie starrte ihn an, als wäre er etwas Besonderes. Ihre Augen waren weit aufgerissen.
„Aria?“, fragte er sie behutsam und da sagte sie leise: „Das ist die Grenze. Wir sind im Reich des schwarzen Fürsten.“
Straga starrte sie an, leicht verängstigt.
„Aber…“, meinte er, „das ist doch nur ein einfacher Bach. Selbst wenn das Land von einem Bach begrenzt ist, vielleicht ist es ja auch ein anderer und du hast ihn mit diesem hier verwechselt!“ Er wollte viel mehr sich selbst überzeugen, als sie.
„Ich wusste nicht, dass wir schon so weit gegangen sind. Doch ich irre mich nicht, ich bin mir sicher, er ist die Grenze und wenn man sie überschreitet, ist man im Reich des schwarzen Fürsten.“
Er wusste nicht, was er darauf sagen sollte. Er räusperte sich und fragte dann: „Und was machen wir jetzt? Meinst du, der Träger ist mit seiner Armee die Grenze überschritten? Das wäre doch unklug von ihm, oder nicht? Schließlich sind die Moorelfen verwundet, das hat Kai, der Ifrit, gesagt.“
Aria nickte langsam. „Ich denke schon, dass sie das reich betreten haben. Wir sollten ihnen nach. Zwar können wir sie nicht mehr einholen, doch wir können ihr Lager finden.“
Straga seufzte auf und stimmte ihr leise zu. Er wollte das Reich des Bösen nicht betreten, dort wimmelte es nur so vor Gefahren und Ungeheuer, für die es keinen Namen gab.
„Vielleicht sollten wir das Lager wieder aufschlagen und uns ausruhen. Ich weiß, keiner von uns ist müde, doch wir werden unsere Kraft brauchen und außerdem können wir nicht ewig des Nachts unterwegs sein.“
Straga nickte und auf Arias Vorschlag hin und die beiden bauten ihr Lager wieder auf.
Glücklicherweise hatten sie es noch nicht vollends abgebaut, bevor sie ihre Entdeckung gemacht hatten und so hatten sie nicht allzu viel zu tun.
Als der Mond hoch am Himmel stand, waren sie bereits an ihrem Feuer eingeschlafen.
Straga schreckte schwer keuchend auf. In dieser Nacht wurde er von gefährlichen Kreaturen heimgesucht; Nachtmahre, Seelenschlucker und noch schlimmere Wesen, die ihn versuchten, umzubringen.
Er hob den Kopf und sah, dass Aria schon auf war und das Zelt abgebaut hatte, das sie in dieser Nacht gar nicht genutzt hatten. Er hatte fast drei Wochen in der Dunkelheit gelebt und die Sonne blendete ihn, er musste oft blinzeln, bis er sich einigermaßen daran gewöhnt hatte.
Da bemerkte er, dass Arias Augen eine bläuliche Farbe angenommen, wenn auch nicht so stark, wie die der beiden Ifrit, denen sie begegnet waren.
„Deine Augen sind blau“, sagte er verschlafen und blinzelte zu ihr und sie lächelte.
„Das kommt von dem Mondlicht. Daher sind auch die Augen der Ifrit eisblau, weil sie in der Nacht leben.“
Straga runzelte die Stirn und sie beantwortete seine unausgesprochene Frage: „Das ist bei uns Elfen so, bei euch Menschen und auch bei anderen Wesen verändern sie sich nicht, im Licht des Mondes.“
Er nickte und rappelte sich auf.
Sie hatte inzwischen auch die Glut des Feuers gelöscht, die noch davon übrig war und hatte die Asche auf dem grasigen Boden verstreut. Straga war froh, dass der Schnee verschwunden war, nun war es nicht mehr ganz so kalt und die Welt sah nicht mehr so trostlos aus, wie sie es vor dem Winter getan hatte. Und doch war er nicht glücklich, sie würden heute das Reich des schwarzen Fürsten betreten, das Reich des Bösen, das Reich, in dem die Bosheit ihren wahren Ursprung hatte.
Auch Aria schien nicht besonders froh darüber zu sein, doch was sollten sie tun?
Sie mussten den Träger aufhalten, den Tod von Arias Vater, dem König der Elfen, rächen.
„Ich habe uns einige Kräuter gesucht, die wir mitnehmen können, ich weiß aus Erzählungen, dass es dort nicht viele Pflanzen gibt, die man essen kann“, sagte Aria und riss ihn somit aus seinen Gedanken.
„Ja, gut. Danke, Aria“, gab er tonlos zurück. Sie legte den Kopf schräg und setzte sich
neben ihn.
„Wir schaffen das schon, Straga“, versuchte sie ihn zu beruhigen, „Wir werden ihn aufhalten und zurückkehren. Alles wird vorbei sein! Du musst dir keinen Sorgen darüber machen!“
Straga schaute sie an und nickte.
„Na dann“, sagte sie, „könne wir ja weitergehen.“
Sie erhoben sich, schulterten ihre Beutel und machten einen großen Schritt über den Bach.
Die beiden seufzten zeitgleich und gingen los.
Nach einer Weile verschwand das grüne Gras unter ihren Füßen und machte grauem, rissigen Felsboden Platz. Die beiden gingen lange Zeit lang schweigend hintereinander her, es herrschte eine drückende, beängstigende Atmosphäre. Selbst die Sonne hatte sich hinter dunklen Wolken versteckt.
Und so gingen sie drei Tage lang, sagten kaum ein Wort und schliefen nur wenig.
Sie wechselten sich wieder ab, einer hielt Wache, während der andere schlief.
Am Boden schlängelten sich dünne, weiße Rauchschwaben umher und bedeckten ihre Füße.
Nahrung fanden sie kaum und ihre Wasservorräte gingen auch langsam zur Neige.
Das beängstigende von allem war jedoch die Stille, zwar wurde sie ab und an von einem hohen, gellenden Schrei unterbrochen, der sich anhörte, als käme er von einem riesigen vogelähnlichen wesen, vermutlich einem Nasguhl, doch sie sahen keinen.
Am vierten Tag, den sie nun schon hier verbrachten, blieb Aria plötzlich stehen und prompt kam Stragas Frage. „Was siehst du?“
„Eine Burg.“
„Denkst du…denkst du, es könnte die Burg des…des schwarzen Fürsten sein?“, fragte er sie ängstlich, doch sie schüttelte den Kopf. „Nein, es ist eher eine Ruine. Einige der Steine fehlen und an manchen Stellen ist das Dach eingebrochen und…“ Sie stockte.
„Und…was?“
„Er ist es.“
Straga wusste sofort, wen sie mit er meinte.
„Bist du dir da sicher?“, fragte er beunruhigt, „Woher weißt du das so genau?“
„Moorelfen stehen um die Burg herum und bewachen sie. Nur gut, dass ihre Augen stumpfer sind, als die, von uns Freien Elfen. Nur ein wenig besser, als die Euren.“
„Wenn es wirklich seine Burg ist, was sollen wir dann tun? Wir können sie ja schlecht angreifen, wenn sie bewacht wird!“
Ihre Augen, die nun wieder ihre ursprüngliche grüne Farbe angenommen hatten, verengten sich zu schmalen Schlitzen.
„Ich kann nur drei Moorelfen sehen, ob drinnen noch welche sind, weiß ich nicht.“
Er nickte. „Aber er würde nicht allein bleiben, wenn er weiß, dass man ihn töten will, oder?“
„Aber weiß er es?“
Straga seufzte und Aria fuhr fort, „Gegen die Drei kommen wir mit Leichtigkeit an, doch wenn es noch mehr sind, könnte es schwerer werden. Wir müssen es versuchen!“
Aria lief los, Straga dicht hinter ihr.
Nach etwa zehn Minuten konnte auch Straga das Gebäude am Horizont ausmachen.
Sie hatte Recht gehabt, es war kaum mehr als eine Ruine. An manchen Stellen klafften große Löcher in den Mauern und die Mitte des Dachs war sah aus, als hätte sich ein Riese darauf niedergelassen und es verdrückt. Als die beiden noch näher kamen, sah er auch die drei Moorelfen, die vor dem großen, morschen Holztor Wache hielten.
Einer von ihnen hob plötzlich den Kopf und bemerkte sie.
Er rief seinen Kameraden etwas zu, die sofort reagierten. Doch Aria war schneller.
Bevor die Elfen überhaupt auf sie los stürmen konnten, hatte sie auch schon einen Pfeil auf den ersten von ihnen abgeschossen. Dann den zweiten und dann den dritten.
„Du bist…schnell“, war das einzigste, was Straga dazu einfiel und Aria lächelte und sagte selbstsicher: „Ich weiß.“
Sie liefen so schnell sie konnten an den toten Moorelfen vorbei und Straga sah, dass Aria gut getroffen hatte, fast unmöglich, dass sie bei allen drei direkt in die Brust getroffen hatte.
„Ob in der Burg wohl noch mehr sind?“, fragte Straga sie, bevor sie vorsichtig einen der Torflügel öffneten und hindurch schlichen.
Sie waren im Innern der Burg.
Aria legte einen Finger auf die Lippen, doch Straga traute sich auch ohne ihre
Anweisung nicht, all zu hart aufzutreten. In der Burg war es kalt und zugig, da die Löcher in den Mauern den Wind ungehindert hineinließen. Der steinerne Boden war rissig und von einer Zentimeterdicken Staubschicht bedeckt.
Straga musste schlucken, als ihm klar wurde, wer sich in dieser Burg versteckte und er fragte sich, wie man denjenigen wohl aufhalten sollte. Gab es irgendeinen Spruch, mit dem man jemanden von einer Besitzergreifung retten konnte?
Er hielt sich dicht an Arias Seite, als sie durch die dunkle, kalte Burg schlichen.
Sie spähten in jeden Raum hinein, hinter jede Ecke und plötzlich blieb Aria stehen, sodass er beinahe gegen sie gestoßen wäre.
Sie standen vor einer verwitterten Tür, durch die leise zwei Stimmen zu ihnen
hindurch drangen.
„Aber, Meister, wir können nicht, wir sind zu…“, sagte eine tiefe Stimme.
„Doch, wir können es und wir werden es auch!“, unterbrach ihn eine Stimme, die wie nach einem Kind klang.
„Wie ihr wünscht, Meister, ganz wie ihr es wünscht!“, sagte die tiefe Stimme.
Ein lautes Seufzen war zu hören.
„Gut, dann geh jetzt und richte es den anderen aus!“
Kaum war die andere Stimme verklungen, da wurde die Tür auch schon von Innen aufgerissen und sie versuchten, noch rechtzeitig zu entkommen, damit, wer auch immer da kam, sie nicht sah. Sie hatten Glück, wer auch immer es war, er drehte ihnen den Rücken zu und ging in die andere Richtung.
„Komm“, flüsterte Aria ihm leise zu und sie schlichen auf die Tür zu.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 08.06.2010

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /