Beinahe
„Was macht Tabor denn da?“, fragte Lenny entsetzt und Aria flüsterte so leise sie konnte: „Er ist halb Mensch, halb Moorelf. Auch er wurde mit dem Bann belegt, wenn auch nicht so…“
Sie stockte und starrte auf die drei Wolfselfen.
Sie waren abrupt stehen geblieben und alle anderen hinter ihnen ebenfalls, auch wenn sie den Grund nicht kannten.
Aria hielt den Atem an und legte einen Finger auf die Lippen, als Zeichen, dass sie sich
nicht rühren sollten.
Straga wagte nicht zu atmen, als er sah, wie einer der Wolfselfen sich langsam bückte und am Boden schnüffelte. Es war genau die Stelle, an der sie halt gemacht hatten und in die Büsche geflohen waren. Schrecken machte sich auf ihren Gesichtern breit.
Der wolfähnliche Elf drehte den Kopf langsam hin und her und hörte nicht auf, zu schnüffeln, das machte Straga angst.
Doch was sollte er machen?
Der Elf raunte seinen Kumpanen etwas zu, was er nicht verstehen konnte und die drei entfernten sich einige Schritte von der Armee, die sie anführten.
Ganz langsam folgten sie dem Geruch und kamen jetzt direkt auf sie zu.
Straga und die anderen machten einen Laut.
Die Wolfselfen waren nun nicht weniger als zehn Schritte von ihnen entfernt.
Doch plötzlich drehten sie sich ruckartig um und starrten zu den Moorelfen hinüber, die noch immer an derselben Stelle standen und sich nicht mehr rührten, als die Freunde, die sich in den Büschen versteckten.
Und dann gingen sie zu ihnen zurück und stellten sich wieder vorn an.
Dann stieß einer von ihnen ei n lautes Heulen aus und die Gruppe setzte sich wieder in Gang, zum Glück.
Lenny atmete tief durch, doch Aria schüttelte den Kopf und hob eine Hand.
Endlich, als die Elfen alle an ihnen vorbei waren, ließ sie sie senken und nickte.
„Das war ja knapp“, sagte Jean, nachdem sie aus ihrem Versteck gekrochen waren, „Warum sind sie der Spur nicht bis zum Ende gefolgt?“
„Sie haben einen strikten Befehl erhalten. Sie müssen diese Moorelfen an einen geheimen Ort bringen, von einem Kampf war nicht die Rede, glaube ich. Wolfselfen sind an Befehle gebunden. Wenn ihr jemals einen von ihnen Befehle erteilen solltet, dann passt auf, dass sie auch ganz genau ausgedrückt sind. Wenn ihr zum Beispiel sagt, tötet alle, die ihr im Kampf seht, könnten sie euch selbst umbringen, falls sie euch im Kampf begegnen sollten.“
„Ich kann noch immer nicht glauben, dass Tabor…bei ihnen war“, flüsterte Agor und alle nickten zustimmend.
„Er hat die Rückkehr von Malock gespürt, wie alle Elfen“, meinte Aria.
„Und was haben die Wolfselfen bei ihnen getan?“
„Malock plant anscheinend, sie auf seine Seite zu ziehen, das ist sehr vorteilhaft für ihn, sie sind sehr stark! Nur ein Ork oder Drache könnten sie besiegen“, sagte Aria beunruhigt.
„Wenn sie die Armee an einen geheimen Ort bringen sollen, wäre es dann nicht vom Vorteil, wenn wir ihnen folgen, um ebenfalls an diesen Ort zu gelangen? Dort wäre doch auch sicher der Träger, oder?“
„Ja, vielleicht. Vielleicht aber auch nicht. Wer weiß schon, was Malock plant?“
Es war eine rhetorische Frage.
„Und was ist mit dem Nebelgebirge?“, fragte Straga hoffnungsvoll.
Er selbst wollte dort sehr ungern hin, es wimmelte dort vor Gefahren.
„Nun, das ist das gewisse Risiko. Wenn wir ins Gebirge gehen würden, würden wir ihn vielleicht treffen und könnten einige Informationen herausfinden. Wenn wir aber den Elfen folgen, würden wir früher oder später auf diesen geheimen Ort treffen, an dem sie bestimmt nicht die einzigen Armeen sein werden, was unweigerlich zum Kampf zwischen ihnen und uns führen wird, den wir sehr wahrscheinlich verlieren werden. Aber käme es zu diesem Kampf und wir hätten großes Glück, könnten wir den Träger noch aufhalten. Das gewisse Risiko…Also, wer ist dafür, dass wir ihnen folgen?“
Agor, Straga und Aria hoben die Hände.
„Also gut, „sagte Agor zufrieden, „Jean, Lenny, ihr seid überstimmt. Wir müssen uns beeilen, wenn wir sie nicht aus den Augen verlieren wollen.“
Lernen
Am nächsten Tag, hatte Aria versprochen, damit anzufangen, Straga und Lenny die Elfensprache beizubringen und die beiden freuten sich schon.
Als sie am Morgen ihr Lager abbauten und sich wieder auf den Weg begaben, meinte Lenny grinsend: „Du hast uns etwas versprochen, Aria.“
Die Elfe tat, als wüsste sie von nichts und fragte lächelnd: „Ach ja? Was denn?“
Lenny schien ganz entrüstet, er glaubte tatsächlich, sie wüsste nicht, was er meinte.
„Du wolltest uns die Sprache der Elfen beibringen!“, sagte er mit fester, entschlossener Stimme und Aria meinte: „Ja, das habe ich wohl. Aber heute Mittag ist noch genug Zeit…“
„Nein, jetzt!“, schimpfte Lenny störrisch und stemmte beide Arme in die Seiten.
Sie lachte.
„Schon gut, also, wo soll ich anfangen? Ähm…kennt ihr noch das Kontakraut?“
Sie nickten und sie fuhr fort.
„Nun, Konta ist ein Wort aus der Sprache der Elfen. Es bedeutet Kraft. Also heißt Kontakraut, nichts anderes, als Kraftkraut. Es heißt so, da es neue Kraft gibt. Versteht ihr?“
Sie nickten erneut und Aria lächelte.
„Sehr gut. Dann jetzt…wenn wir Elfen uns begrüßen oder verabschieden, sagen wir Kito se. Könnt ihr das einmal wiederholen?“
„Kito se“, sagten sie beide, wie aus einem Mund und Aria meinte: „Gut! Ihr seid richtig gut!“
„Was heißt das in genauer Übersetzung?“, wollte Straga wissen und sie fragte lachend: „Willst du jetzt wissen, was gut in unserer Sprache heißt, oder…?“
„Nein. Was heißt Kito se in…in unserer Sprache?“
„Ich habe keine Ahnung“, gestand sie, „Es ist ein sehr alter Elfengruß. Mehr weiß ich
auch nicht.“
Lenny hob überrascht eine Augenbraue, doch da fuhr Aria auch schon fort.
„Und Eywa heißt Natur. Könnt ihr das auch sagen?“
„Ewa“, sagte Lenny und Straga sagte: „Eiwa.“
„Nein. Es heißt Eywa! Spricht mir mal ganz langsam nach.“
„E-y-w-a. Ja, das war doch schon mal ganz gut! Noch mehr, oder später weiter machen?“
„Noch mehr!“, bat Lenny und Aria seufzte.
„Aber nur noch eines, ein nicht ganz so schweres. Ok…Wu. Das bedeutet Leben.“
Sie sagten es nacheinander fehlerlos auf und Lenny meinte strahlend: „Stimmt! Das ist wirklich ein leichtes Wort!“
„Ja“, lachte Aria, „Könnt ihr jetzt noch einmal alle vier aufsagen?“
Straga und Lenny machten ratlose Gesichter.
Nein, das konnten sie nicht.
Nach kurzem Überlegen sagte Straga langsam: „Also, Konta heißt Kraft und Wu
bedeutet Leben.“
„Ja, richtig, Straga. Und die anderen beiden?“
„Das…habe ich vergessen.“
Sie lächelte und sagte: „Das verstehe ich. Unsere Sprache ist schwer, weil sie neu für euch ist. Aber wenn ihr genug lernt, könnt ihr sie bald so gut wie eine richtige Elfe. Also, noch mal.
Konta heißt Kraft und Wu Leben, wie Straga schon gesagt hat. Wisst ihr noch, wie wir Elfen uns begrüßen?“
Lenny dachte kurz nach und sagte dann grinsend: „ Kito se!“
Aria nickte und fuhr fort: „Und was ist der Begriff für „Natur“?
„Eywa?“, meinte Straga.
„Ist das eine frage oder eine Antwort?“, fragte sie und Straga meinte: „Eine…Antwort.“
„Sehr schön. Dann erst einmal Pause. Ihr könnt ja die Wörter in Gedanken wiederholen, während ihr geht, damit ihr sie euch einprägt.“
Sie nickten begeistert und achteten nun wieder mehr auf die Landschaft, als auf die Wörter, die aria ihnen gesagt hatte.
Straga hörte, wie Lenny leise etwas flüsterte und wiederholte selbst auch noch einmal
die Wörter.
Die Sprache der Elfen war so schön!
Wie es erst einmal sein würde, wenn er jedes Wort kannte?
Aber dafür musste er sehr viel üben.
Üben, üben und nochmals üben!
Aber egal, was störte ihn das?
Dann tat er es eben und mit der Zeit, wie sie gesagt hatte, würde er die Wörter schon
im Kopf behalten.
Wenn er doch nur dabei gewesen wäre…
Doch er war nicht da und würde auch niemals kommen…
Als sie am Abend ihr Lager aufgeschlagen hatten, am Feuer saßen und darauf warteten, dass die vier kleinen Vögel, die über Winter hier geblieben waren, braun wurden, brauchten Straga und Lenny nur einen schnellen Blick zuwerfen, um zu wissen, dass sie dasselbe dachten.
„Aria?“, bat Lenny zögernd und sie hob den Kopf von ihren ihrem Kräutern, die sie Hand hielt.
„Ja, Lenny? Was ist?“
„Ich und Straga haben uns nur eben gefragt, ob du uns vielleicht noch etwas…von der Elfensprache beibringen kannst…?“ Er war verlegen.
Aria schaute hinüber zu Straga, der ihr gegenübersaß und begierig nickte.
Sie seufzte. „In Ordnung. Aber zuerst will ich, dass ihr die wiederholt, die wir heute
morgen hatten.“
„Also…Konta heißt Kraft und Wu heißt Leben. Eywa bedeutet Natur und Kito se ist eine Begrüßung oder ein Abschiedsgruß. Oder?“, meinte Straga. Den ganzen Tag über hatte er die vier Wörter immer wieder in Gedanken wiederholt, damit er sie sich einprägte.
Sie nickte zufrieden. „Ja, das ist richtig. Kannst du sie auch, Lenny?“
„Konta steht für Kraft…Eywa für Natur und Wu für Leben. Und ihr begrüßt oder verabschiedet euch mit…Kito se.“
Sie lächelte, als sie sagte: „Ihr seid ja richtig gut Wollt ihr heute wirklich noch mehr lernen?
Ihr könntet all die Wörter wieder vergessen, das wäre einfach zu viel auf einmal.“
Doch sie wollten noch mehr lernen und so bracht sie ihnen noch einige Wörter in der Sprache der Elfen bei.
„Also gut…habt ihr vielleicht einige Wörter, die ich euch einfach übersetzen soll?“
Sie überlegten kurz und dann fragte Lenny sie: „Was heißt denn ja und nein?“
„Ja heißt Jeti und Nein Nen.“
„Ok…das ist ja nicht so schwer. Jeti für ja und Nen für nein.“
Sie wiederholten beide diese Wörter.
„Gut. Noch mehr?“, fragte sie sie lächelnd und sie antworteten beide einstimmig: „Jeti.“
Sie lachte und sie mussten mitlachen.
„In Ordnung, also noch mehr. Jetzt mal der Gegensatz von Wu. Das ist
nämlich Keta`, der Tod.“
Das erste Mal sprach Straga das e zu lang aus und Lenny das a zu kurz, doch beim zweiten Mal hatten sie es richtig.
„Also…“, sagte Straga, „Wu heißt Leben und Keta` Tod. Konta heißt Kraft und Kito se ist eine Begrüßung und ein Abschiedsgruß. Jeti bedeutet Ja und Nen heißt Nein. Richtig so?“
„Ja, sehr gut, Straga. Jetzt du, Lenny.“
In den nächsten Tagen schlich sich bei ihnen ein geregelter Plan bei Straga, Lenny
und Aria ein. Am Morgen, nachdem sie ihr Lager abgebaut hatten, brachte sie ihnen einige Wörter bei und am Mittag erzählte sie ihnen etwas über die verschiedenen Sitten und Bräuche der Freien Elfen, Moorelfen und Wolfselfen. Und am Abend, wenn sie am Feuer saßen, mussten sie alles, was sie am Tag gelernt hatten, nochmals wiederholen, damit sie es nicht vergaßen.
So lernten sie zum Beispiel, das Kay Wasser war. Lide für Liebe stand und Vedt für Hass.
Sie lernten die Wörter für Glück (To) und Pech (Ti).
Beb bedeutete Magie und Teta Kampf.
Sva stand für Sieg, Mena für Untergang.
Und so verging eine Woche, in der die Straga und Lenny nichts weiter taten, als die Sprache und Bräuche der Elfen zu lernen. Aria musste vorangehen, da es nicht gut wäre, wenn sie zu nahe an der Armee aus Moor- und den drei Wolfselfen kommen würden, diese aber auch nicht aus den Augen verlieren durften. Straga und Lenny gingen neben ihr, sie wollten schließlich kein einziges Wort über die Elfen verpassen.
Die Orks
In dieser einen Woche hatten sie viel über die Elfen gelernt, doch dabei hatten sie nie ich eigentliches Ziel aus den Augen verloren: die Verfolgung der Armee aus Moor- und den drei Wolfselfen, die sie zu dem geheimen Treffpunkt führen würden, an dem sicherlich auch der Träger der magischen Elfenkette Ayelda sein würde, den sie aufhalten mussten, da die Kette besitz von ihm ergriffen hatte.
Am Nachmittag des achten Tages der Verfolgung, wurde Straga plötzlich etwas bewusst und er drehte den Kopf zu Aria, um sie zu fragen.
Aria, was machen wir eigentlich, wenn der Träger von Ayelda gar nicht an diesem geheimen Ort ist, sondern ganz woanders? Oder was ist, wenn er dort ist? Er und seine vielen Armeen, den wird sicher nicht verborgen bleiben, dass wir keine Moorelfen sich und auch keine Wolfselfen. Die werden uns ohne zu zögern töten!“
Sie sagte lange Zeit nichts, sodass er glaubte, sie würde gar nichts mehr sagen, doch schließlich antwortete sie ihm: „Wenn es zu einem Kampf kommen sollte, dann würden wir die Armeen von Agor ablenken, damit er bis zum Träger gelangt, um ihn aufzuhalten. Wenn das nicht möglich ist, werden wir uns gemeinsam durchkämpfen.“
„Agor ist so etwas wie euer Anführer, oder? Er redet immer mit den Leuten, nicht ihr. Er übernimmt immer die wichtigen Aufgaben.“
Sie hob eine Augenbraue und drehte den Kopf zu Agor herum, der genau hinter ihr ging und ihr jetzt zugrinste.
„Agor hält uns alle zusammen“, sagte sie, als sie sich wieder nach vorn gewandt hatte, „keiner von uns hat je seine Autorität infrage gestellt. Vielleicht liegt es einfach daran, dass er ein Magier ist und stärker als wir anderen ist. Auf jeden Fall, ja, er führt uns an.“
„Aber er ist doch nicht stärker als du“, erwiderte Straga, „Er hat selbst gesagt, dass er weniger Magie hat, als du. Ihr Elfen sie aber nur sehr selten benutzt. Warum…warum ist das eigentlich so? warum nutzt ihr sie so selten?“
„Nun, hast du schon einmal darüber nachgedacht, was passieren würde, wenn ich den regen vertreiben würde? Vielleicht hat es ja seid Wochen nicht mehr geregnet und das ist nun die Rettung. Und dann kommt einfach eine Elfe daher und vertreibt ihn, alle pflanzen würden vertrocknen. Oder was wäre denn, wenn eine Elfen die Kraft aus den Lebewesen und Pflanzen aus näherer Umgebung entziehen würde, um sie in sich aufzunehmen? Die Lebewesen wären zu schwach oder hätten gar keine Kraft mehr. Sie würden alle sterben.“
Hast du darüber schon einmal nachgedacht?“
„ Nein“, gab er zu, „Geht das wirklich? Könnt ihr die Kraft aus anderen Dingen entziehen und in euch selbst einnehmen? Wie geht so etwas?“
Sie schaute ganz ruhig an, als sie leise sagte: „Das werde ich dir nicht erzählen. Diese Methode ist grausam und nur sehr wenige Elfen wenden sie an. Freie Elfen gebrauchen sie gar nicht. Es ist nicht richtig, Lebewesen zu töten, damit man selbst mehr Kraft hat,
mehr Konta.“
Sie hatte ihnen erzählt, dass Konta nicht nur die körperliche Kraft umschloss, sondern
auch die geistige. Jedes Lebewesen auf der Welt hatte Konta, selbst er.
Sie sah ihn an und er fragte: „Kann jeder Magie anwenden, selbst ich?“
„Das ist eine komplizierte Frage, Straga. Ihr Menschen habt eher wenig, wir Elfen dagegen viel. Die Magier liegen im Bereich dazwischen. Wenn du es aber versuchen würdest, so wie du jetzt bist, würde nichts passieren.“
Er nickte und fragte nicht weiter.
Als es zu dämmern begann, blieb Aria plötzlich stehen.
„Was ist los?“, fragte Jean sie erschrocken.
„Die Wolfselfen. Sie haben die Armee in den Wald geführt.“
Straga versuchte in der Ferne etwas zu erkennen und tatsächlich, etwa zwei Kilometer entfernt ragten Baumspitzen hinter einem Hügel hervor.
„Was ist daran so ungewöhnlich?“, wollte Lenny verwirrt wissen und Aria flüsterte: „Moorelfen sind nicht wie die Freien Elfen oder die Wolfselfen. Sie hassen den Wald. Ich frage mich, was sie dort machen.“
„Vielleicht ist das ja der geheime Ort, an dem sie sich alle versammeln“, schlug Lenny vor, doch Aria schüttelte den Kopf.
„In einem Wald ist viel zu wenig Platz, um Armeen aus Moorelfen Platz zu bieten. ´
Kommt mit!“
Und dann rannten sie.
Es dauerte nicht lange, da hatten sie den Waldrand auch schon erreicht und hatten hinter einem umgestürzten Baum Deckung gesucht.
Zwei Stimmen drangen aus dem Wald zu ihnen herüber und Straga konnte einen der Wolfselfen sehen, der nur wenige Meter von ihnen entfernt stand. Doch er war nicht allein.
Eine schmutzigbraune Gestalt stand vor ihm. Seine Augen waren tintenschwarz und die winzigen Ohren zuckten leicht. Er trug eine Hose aus Leder, von der ein eigenartiger Gestank ausging. Sein Oberkörper war frei und so konnte Straga die Narben erkennen, die sich deutlich von der dunkelbraunen Haut abhoben.
Die große, schweineähnliche Nase war eher als kleiner Rüssel zu bezeichnen und die stämmigen Beine endeten in klobigen Füßen mit je fünf schwarzen Nägeln.
Straga schluckte, als er erkannte, um welches Wesen es sich handeln musste.
Es war ein Ork.
Hinter dem Wolfself warteten die anderen beiden und hinter ihnen die Armee aus Moorelfen, die sich unruhig umsahen, als ob sie sich hier, zwischen all den, mit schneebedeckten, Bäumen, fürchten würden.
Und hinter dem Ork warteten etwa Duzend weitere, schmutzigbraune Gestalten.
Sie hätten nicht herkommen dürfen!
Lenny zog neben ihm zischend die Luft ein, Jean, Agor, Aria und Straga wagten
nicht zu atmen, aus angst, sie würden es hören.
„Was wollt ihr?“, hörten sie den Ork leise mit rauer Stimme fragen.
„Der König erschafft eine riesige Armee aus den stärksten Elfen und anderen Kreaturen
dieser Welt. Er bietet euch an, auf seiner Seite gegen die Freien Elfen und Menschen zu kämpfen, die diese Welt besudeln. Er wäre sehr erfreut, wenn ihr diesen Kampf nicht verpassen würdet!“ Die letzten Worte klangen wie eine Drohung. Doch selbst, wenn er sie gesungen hätte, sie hatten eine enorme Wirkung auf die Orks.
Natürlich wollten sie den Kampf nicht verpassen, sie lieben Kämpfe und gingen keinem
aus dem Weg. Ihre eigenen Verluste waren ihnen dabei egal, Hauptsache war, dass sie überhaupt kämpften.
Der Ork grunzte etwas Unverständliches und meinte dann grinsend: „Richte deinem König aus, dass wir gerne an seiner Seite siegen werden. Aber wir werden nicht seine Diener oder Sklaven sein!“
Der Wolfself verneigte sich lächelnd: „Natürlich werdet ihr keines dieser beiden Dinge sein. Ihr könnt gehen, wann immer ihr wollt!“
Der Ork nickte und wandte sich dann zu seinen Kameraden um.
„Das machen wir doch, oder?!“
Dann drehte er sich wieder zu dem Wolfselfen um, der grinsend dastand.
„Wann und wo ist diese Schlacht?“
„Wir gehen gerade zu dem Treffpunkt, der leider geheim ist. Wartet mal, ich flüstere ihn euch zu…“
Er beugte sich leicht nach vorn und flüsterte dem Ork etwas ins Ohr, worauf dieser ebenfalls zu grinsen begann.
„Dann werden wir mit euch kommen! Los, Männer! Wir habe eine Schlacht zu gewinnen!“
So leise sie konnten, stahlen sie sich davon, in geduckter Haltung.
Der geheime Ort
Als sie einige Minuten, hinter Büschen, an einem Bach versteckt gewartet hatten, kamen sie.
Nun, da die Orks sich zu ihnen gesellt hatten, sah die Armee noch Furcheinregender aus und sie mussten noch vorsichtiger sein, da sie eine gute Nase und gute Ohren hatten.
Der Unterricht musste auffallen, die Orks würden auf jedes kleinste Geräusch achten und würden, anders als die Elfen, einem Kampf mit einem Magier, einer Elfe und drei Menschen, darunter zwei Kindern, wohl kaum aus dem Weg gehen.
Und so gingen sie vier Tage lang, immer darauf bedacht, leise zu sein und kein Feuer zu machen, das die Elfen und Orks angelockt hätte.
Es war schwerer, da sie nur schwer Wild fangen konnten, ohne die Aufmerksamkeit der Orks auf sich zu ziehen. Und wenn sie mal etwas fingen, konnten sie es nicht über einer Flamme braten, war sie noch so klein. Und so beschränkten sie sich, wie Aria schon immer, auf Kräuter, die sie, während sie gingen, einfach vom Boden auflasen.
Doch da es wieder angefangen hatte zu schneien, gab es nur noch sehr wenige, die noch nicht erfroren waren. Aber es musste reichen.
Ihr Vorrat an Wasser ging langsam zur Neige, doch das war kein Problem, da sie es leicht an einem Bach auffüllen konnten. Das Nachtlager war ebenfalls nicht leicht. Es musste weit genug von dem der Armee entfernt sein, bare nicht zu weit, sodass sie sie verloren.
Meist hielten ein oder zwei von ihnen Wachen und jede Nacht wechselten sie sich ab.
Aria brauchte keine nachtwache zuschieben, da sie während des Tages gebraucht wurde und nicht müde sein durfte. Sie behielt die Armee stets im Auge.
Am fünften Tag, als es Lenny bereits langweilte und auch die übrigen nicht besonders begeistert von der Verfolgung waren, sahen sie sie.
Aria sah sie zuerst.
Da waren zehn Hügel.
Zehn Hügel waren im Horizont erschienen, zwischen denen winzige Fahnen
vom Wind hin und her gerissen wurden.
Als sie ihnen das berichtete, wussten sie, das war der Ort, an dem die Armeen sich sammelten, um sich auf eine Schlacht vorzubereiten.
Auch die Wolfs- und Moorelfen und die Orks gingen nun schneller.
Am Abend dieses Tages konnten auch die anderen sie erkennen, die zehn Hügel, zwischen denen Fahnen im Winde flatterten. Es musste Zelte sein.
Und jähe Hoffnung erfüllte Straga. Bald würden sie da sein, den Träger zu
Gesicht bekommen.
Sie würden versuchen, ihn aufzuhalten, ihn von dem Bann zu befreien, mit dem der König der Moorelfen, dessen Geist und Lebenskraft in der magischen Kette Ayelda gefangen war, ihn
belegt hatte.
Doch wie sie das anstellen würden, dass wusste Straga nicht.
Vielleicht würden sie das Lager noch heute Nacht erreichen, vielleicht sogar schon in wenigen Stunden. In einer? In zwei Stunden? Er wusste es nicht.
In dieser Nacht errichteten sie ihr Nachtlager bei einer Gruppe Bäume, die mit Schnee bedeckt waren.
Warum musste diese Reise, all das hier, ausgerechnet im Winter geschehen sein?
Hätte dieser Träger die Kette nicht erst später finden können, sodass sie im Sommer hätten gehen können?
Aber nein, er musste sich ja unbedingt den Winter aussuchen.
Warum nur?!
Die Armee der Elfen und Orks errichteten kein Lager, sie marschierten weiter, immer geradeaus, auf die zehn Hügel zu.
Am nächsten Morgen gingen sie weiter und dann, nach etwa zwei Stunden, kamen sie an.
Sie hatten sich oben auf dem ersten Hügel hinter einem Felsbrocken versteckt und spähten nun gespannt auf das hinab, was sich ihnen da bot.
Das Lager war groß, das bemerkten sie sofort.
Überall waren kleine Kampfplätze errichtet worden, an denen die Elfen und Orks trainieren konnten. Es gab solche, an denen man mit Pfeil und Bogen schießen konnte, an denen man mit dem Schwert üben konnte und solche, an denen sie Orks sich im Faustschlag üben konnten.
Die wenigsten Orks würden in diesem Kampf eine Waffe führen, ihre Muskelkraft
würde ausreichen. Doch Lager sah Furchterregend aus, doch es war nichts, im Gegensatz zu den Armeen, die sich dort versammelt hatten. Straga wusste nicht, wie viele hunderte, wenn nicht gar tausende, sich dort tummelten. Und alle hatten sie Waffe, Rüstungen oder
beides dabei. Es war wie in einem Bienenstock, das sich über die gesamten zehn Hügel erstreckte.
Lenny hielt den Atem an, als er die riesige Streitmacht erblickte, die dort versammelt war und auch Aria, Jean, Agor und Straga waren wie erstarrt. Sie hatten ja gewusst, dass es viele sein mussten, aber so viele…
Nein, das hatten sie nicht erwartet.
Als Jean den Blick über das große Lager schweifen ließ, fiel ihm ein prächtiges, rot-goldenes Zelt auf, das direkt in der Mitte errichtet worden war.
An dessen Spitze flatterte die größte und bunteste Fahne ihm Wind.
Es war das Zelt des Trägers.
Das Zelt von einem Jungen, der nicht älter war als Straga und der trotzdem diese
Schlacht führen würde.
„Wir müssen…“, fing Jean an, doch Aria unterbrach ihm.
„Was wir jetzt müssen, ist, zu den Freien Elfen zu gehen, und sie warnen. Diese Armeen sind noch nicht vollständig, sonst wären sie wohl schon losgezogen. Das heißt, sie warten noch. Dieses Warten müssen wir ausnutzen! Zuerst werden sie über mein Volk, die Freien Elfen, herfallen, dann über Kesselstadt und zum Schluss werden sie versuchen, den schwarzen Fürsten zum Fall zu bringen. Wir müssen das verhindern! Wir werden unsere eigene, kleine Armee erschaffen! Aber wir müssen uns beeilen, sonst kommen wir zu spät!
Wir müssen zu meinem Volk und sie warnen, sonst werden alle untergehen und die Menschen und alle anderen mit ihnen!“
Nach dieser kleinen Rede herrschte Schweigen unter ihnen, doch dann nickte Agor zustimmend.
„Du hast Recht, Aria. Auf zu den Freien Elfen!“
Der Kampf im verlassenen Dorf
Sie schlichen sich davon, geduckt am Boden. Aria hatte den Kopf in Richtung Lager gedreht, um sie vor eventuellen Elfen und Orks zu warnen.
Doch sie hatten Glück, niemand bemerkte sie und so kamen sie weit genug von den Hügeln weg, um sich wieder aufrichten zu können.
Und dann gingen sie los, in Richtung Westen, in Richtung des Landes der Elfen.
Ihre Wasservorräte wiederaufgefüllt und die Aussicht, wieder jagen zu können, waren zu zufrieden und ein Fünkchen Hoffnung hatte sich in ihnen allen breitgemacht.
Doch trotz allem, Straga glaubte nicht, dass die Freien Elfen eine größere Armee sein würden, als die Moor- und Wolfselfen und die Orks. Und wer wusste das schon, vielleicht hatte die Kette Ayelda den Träger dazu gebracht, noch mehr Völker für die Schlacht anzuwerben.
Als sie schon eine Weile gegangen waren, lief Lenny aufgeregt zu Aria, die ganz vorne ging und ihnen Bescheid geben wollte, wenn sie die grenz des Elfenlandes sah.
„Aria“, meinte Lenny grinsend, „Jetzt, wo wir nicht mehr so leise sein müssen, kann der Unterricht doch wieder losgehen, oder? Und außerdem, wenn wir jetzt zu deinem Volk gehen, dann müssen wir doch ihre Sprache können!“
Aria lächelte und sagte: „Nein, müsst ihr gar nicht. Denn wir Elfen haben eure Sprache gelernt und sprechen sie sogar unter uns selbst sehr oft. Was meinst du, woher ich eure Sprache kann? Sie wird uns schon früh beigebracht.“
Lenny machte eine verdrießliche Miene und Aria fügte schnell hinzu: „Aber natürlich können wir trotzdem mit dem Unterricht weiter machen.“
Lenny und Straga sahen sich strahlend an, Jean und Agor warfen sich hinter ihnen einen
viel sagenden Blick zu und Aria lächelte ihre beiden Schüler an.
„Also gut, Jungs. Aber nicht jetzt, oder?“
„Bitte, Aria. Nur ein paar Wörter?“, bat Lenny sie und zog einen Schmollmund, sodass sie leise lachen musste.
„In Ordnung, aber wirklich nur ein paar Wörter! Wisst ihr denn die anderen noch?“
Sie nickten beide und sagten sie, nacheinander, auf.
Es klappte ganz gut, nur bei Vedt (Liebe) sprach Straga es falsch aus, doch sie korrigierte ihn schnell und war mit dem Ergebnis der beiden sehr zufrieden.
„Ja, sehr gut! Jetzt mal etwas schweres?“
Sie schaute sie an, sie stimmten ihr mit einem Kopfnicken begeistert zu.
„Ok, was kann ich denn da…? Ach ja, Evi Corta steht für gerecht geteilt.“
„Das hast du schon einmal zu mir gesagt, nachdem wir den Bergpass beschritten hatten!“, meinte Lenny grinsend.
„Ja, das stimmt. Evi Corta heißt gerecht geteilt. Könnt ihr das sagen?“
Sie taten es.
„Jeta Lutor bedeutet Heile Körper. Es ist ein…ein Spruch, mit dem man äußere Wunden heilen kann. Dabei gibt man sein eigenes Konta auf den verletzten Körper ab. Jeta Lutor.“
Auch das sagten sie ohne Fehler auf und Aria war begeistert.
Inzwischen hatten auch Jean und agor begonnen, ihnen zuzuhören, aber nur mit halbem Ohr, denn sie mussten aufpassen, dass sich von hinten keine Gefahr näherte und da mussten sie auf jedes kleinste Geräusch achten.
„Und mantio heißt Rache. Rache oder rächen, es steht für beides.“
„Mantio“, sagte Lenny.
„Mantio“, sagte auch Straga.
Doch sie achtete gar nicht darauf, sie starrte nur geradeaus.
„Aria?“, fragte Straga sie beunruhigt, „Was siehst du da?“
Die Antwort kam leise, kaum mehr als ein Flüstern. „Ein Dorf.“
„Was?“, fragten Agor und Jean gleichzeitig und schauten sie an.
„Warum guckst du dann so endgeistert? Wenn es ein Dorf ist, können wir da vielleicht
neue Vorräte kaufen.“
Langsam drehte sie den Kopf in Jeans Richtung und schüttelte ihn.
„Nein, es ist verlassen. Und Moor umgibt es. Ich…es war ein Dorf der Moorelfen“, sagte sie leise und tonlos.
„Das Dorf der…Moorelfen?“, wollte Lenny wissen.
Sie nickte, die Augen immer noch in die ferne gerichtet.
„Wann sind wir dort?“, fragte Agor geschäftsmäßig und sie gab ihm die Antwort. „Etwa in einer oder zwei Stunden.“
„Sind da noch…einige der Einwohner?“, fragte Lenny.
„Nein, sie sind alle in den Krieg…“
Plötzlich rannte sie los, sehr schnell.
Sie liefen lange, doch Straga wurde nicht erschöpft, sie liefen regelmäßig.
Als sie den Rand des Moores erreichten und hindurch liefen, schmatzte es unter ihren Füßen.
Da war ein kleines Dorf. Die kleinen Hütten waren aus schmutzigem Holz gemacht und sahen aus, als hätte sich ein Riese auf ihnen niedergelassen und ihre Dächer eingedrückt.
Klangspiele hingen an den Hauswänden und klirrten leise im Wind.
Sie betraten eine der Hütten, die Tür quietschte, als sie sie vorsichtig öffneten.
Alles schien noch genauso, wie sein Bewohner sie verlassen hatte; schmutzige Spielkarten lagen auf dem Tisch, an dem drei schlichte Stühle standen. In der Ecke war eine kleine Feuerstelle, dessen Asche noch schwach glühte. Durch ein Fenster drang etwas Licht herein und beleuchtete ein schmales Bett, dass in einer Ecke stand, die Decke, die darauf lag, war ordentlich gefaltet.
Spinnenweben hingen zwischen den Wänden und Staub bedeckte den Boden.
Es war wie in einer Geisterstadt.
Plötzlich war von draußen ein Geräusch zu hören, schwere Stiefelschritte.
Sie drängten sich in eine Ecke der Hütte zusammen und wagten nicht zu atmen.
Was war da draußen?
Gerade als Jean nachsehen wollte, trat eine Gestalt in den Türrahmen.
Ein Ork.
Lenny schrie entsetzt auf und Aria presste ihm eine Hand vor den Mund.
Vielleicht, wenn sie unwahrscheinlich großes Glück hatten, hatte der ork sie noch
nicht gesehen.
Doch welche Dummheit, er musste sie nicht sehen, er konnte sie riechen!
Ein Grinsen machte sich auf dem vernarbten Gesicht breit und er kam einige Schritte näher, in der Hand schwang er eine Streitaxt.
Er stand in dem Türrahmen, seine Waffe drohend erhoben und die Zähne gebleckt.
Doch plötzlich veränderte sich das Gesicht des Orks, es hatte sich in eine schmerzverzerrte Grimasse verwandelt.
Sein Blick glitt nach unten, auf den Pfeil, der seine Brust durchbohrt hatte.
Langsam und ungläubig sackte er an der an der Wand hinab, die tintenschwarzen Augen feindselig auf Agor, Jean, Aria, Straga und Lenny gerichtet.
Straga starrte verwirrt auf den toten Körper ihres Angreifers.
Was war geschehen?
Wer war ihr unerwarteter Retter?
Langsam lösten sie sich aus ihrer Verspannung, sahen sich an und eilten dann, einer nach dem anderen, aus der kleinen Hütte hinaus.
Doch kaum hatte Lenny das Innere des Hauses verlassen, packte ihn eine schwarze Hand an der Kehle und drückte zu. Erschrocken fuhr Straga herum, die anderen waren bereits hinter der nächsten Hütte verschwunden.
Was sollte er nur tun?
Verzweifelt sah er sich nach einer möglichen Waffe um, während Lennys Kehle immer weiter zugedrückt wurde und ihm die Luft abschnürte.
Straga hastete schnell zu der Hütte zurück, riss mit aller Kraft eines der Holzbretter heraus und lief damit auf den Ork zu, der Lenny würgte.
Mit seiner improvisierten Waffe stach er auf ihn ein, bis er Lenny schließlich freigab, der stöhnend und seinen Hals umklammert, auf den schlammigen Boden rutschte und dort röchelnd liegen blieb.
Doch nun wandte der Ork sich zu ihm um, stieß einen zornigen Schrei aus und schlug ihm mitten ins Gesicht. Keuchend und blutend taumelte Straga einige Schritte zurück, während Lenny wieder auf die Beine kam, sich nach ihm umsah und dann seinerseits nach einem Holzbrett griff. Seines hatte jedoch, zum Glück, einige Nägel an der Seite.
Nun schlug er selbst auf den Ork ein, gemeinsam mit Straga, der langsam wieder klar im
Kopf wurde.
Der Ork schwang seine Fäuste hin und her, gezielt auf ihre Köpfe gerichtet.
Doch sie wichen jedem seiner Schläge immer geschickt aus.
Und dann geschah das Wunder; Lenny hob sein, mit Nägeln bespicktes, Brett hoch über seinen Kopf und ließ es dann mit all seiner Kraft auf den Schädel des Orks niedersausen.
Der Ork taumelte nun seinerseits einige Schritte rückwärts, verlor das Gleichgewicht und fiel bäuchlings auf den morastigen Boden.
Straga und Lenny blickten sich ungläubig an.
Sie hatten einen Ork umgebracht, einfach so, ganz ohne weitere Hilfe.
Doch die Freude war nicht von Dauer.
Kaum waren sie, den anderen hinterher, um die nächste Hütte herum gelaufen, da trat ihnen auch schon der nächste Ork in den Weg.
Es blieb ihnen jedoch gar keine Zeit, um zu reagieren; ein Pfeil bohrte sich in dessen Hinterkopf und der Ork fiel leblos zu Boden, sofort war er tot.
Doch es war kein Pfeil, den Aria abgeschossen hatte, ihre waren Rot, dieser hier war von einem dunklen Blau, genau wie der, der den ersten Ork niedergeschlagen hatte.
Ihr unbekannter Retter musste hier irgendwo sein.
Sie sahen sich nach ihm um, konnten sie ihn jedoch nicht entdecken.
Stattdessen sahen sie Agor, der gegen zwei Angreifer gleichzeitig kämpfte, Aria, die ihre roten Pfeile in alle Richtungen abschoss, Jean, der mit seinem Schwert Ork um Ork umschlug.
Und sie beide hatten nur diese Holzbretter.
Aber immerhin, einen der Feinde hatten sie damit schon gemeinsam erledigt.
Lenny stieß einen wütenden Schrei aus und rannte, sein Nagelbrett hoch erhoben, mitten ins Kampfgeschehen.
Er schlug damit auf die Orks ein, ohne sichtbaren Schaden zu hinterlassen.
Straga eilte ihm nach und wollte ihm helfen, doch sie bekamen gar keine Gelegenheit dazu.
Immer kam ihnen Agor, Jean, ein Pfeil von Aria oder ein Pfeil ihres unsichtbaren
Retters zuvor.
Und dann war es vorüber.
Straga sah sich keuchend um, alle Orks lagen erschlagen oder schwer verletzt am Boden.
Nach einer kurzen Zeit hatten sie sich alle in der Mitte des Dorfes versammelt und blickten umher, um vielleicht noch einen Ork zu sehen, der ihnen entgangen war, oder um ihren unbekannten, unsichtbaren Retter zu finden.
Mit einem Mal hörten sie eine Stimme von hinten und sie fuhren blitzschnell herum.
„Na, ihr lebt ja noch!“
Bei den Elfen
Blitzschnell fuhren sie herum und starrten erschrocken auf die Gestalt, die vor ihnen stand.
Es war ein blasses Mädchen, vielleicht neun Jahre alt und ihre wilden, roten haare gingen ihr bis zur Hüfte.
Sie trug ein rotes Kleid, das am Saum ein wenig dreckig war.
Sie machte einen wilden Eindruck auf sie, doch das passte irgendwie zu ihr.
Sie war so schön, wie eine Elfe nur sein konnte.
Aria starrte das Mädchen einige Sekunden lang an und rannte dann mit ausgebreiteten armen auf sie zu.
„Lilly!“, sagte sie glücklich, während sie das Mädchen in den Armen hielt.
„Wie oft hat Papa dir schon gesagt, du sollst seinen bogen nicht stehlen?!“, tadelte Aria sie und das Mädchen lächelte sie freudig an.
„Ach Aria! Du bist zurück!“
Aria nickte erleichtert. „Ja, Lilly. Ich bin zurück.“
Agor, Jean, Straga und Lenny standen da und wussten nicht, was sie tun sollten.
Doch dann wandte sie sich zu ihnen um und verkündete: „Leute, das ist meine Schwester Lilly. Und Lilly, das sind agor, Jean, Straga und Lenny. Mit Lenny wirst du dich, glaube ich, gut verstehen, er ist fasziniert von uns Elfen!“
Lilly lächelte sie an und Straga wurde die Ähnlichkeit zwischen ihr und aria bewusst.
Sie hatten dieselben, grünen Augen, dieselben Ohren und ihr Gesicht war genauso elegant wie das von aria. Auch die Statur war gleich.
„Lilly“, meinte Aria glücklich, „Wieso bist du überhaupt hier? Solltest du nicht im Dorf bleiben und auf alles aufpassen, während ich weg bin?“
Lilly senkte schuldbewusst den Kopf und nickte.
Aria lachte. „Du kannst mir nichts vormachen! Du bist kein Stückchen Reumütig! Aber mal im Erst, was machst du hier?“
„Shiba hat euch kommen sehen. Sie sagte, ich solle warten, aber ich konnte nicht!“
„Wer ist Shiba?“, fragte Lenny neugierig und Lilly wandte sich nun ihm zu.
„Sie ist die Seherin in unserem Dorf. Sie hat euch kommen sehen.“
Dann drehte sie sich wieder zu Aria um und drückte ihr einen Kuss auf den Stern, auf der derselbe Stern prangte.
Lilly fasste sie bei der Hand und sagte: „Kommt mit! Kommt mit!“
Das Mädchen zog Aria mit sich, die anderen folgten ihnen.
Straga war verwirrt. Aria hatte ihm gegenüber nie erwähnt, dass sie eine Schwester hatte.
Hatten die anderen es gewusst?
Wahrscheinlich.
Aber das war jetzt egal. Er musste aufpassen, wohin er trat, denn sie waren noch immer im Moor und wenn er auf die falsche Stelle trat, könnte er leicht passieren, dass er versank.
Er sah zu Arias kleiner Schwester hinüber, zu Lilly. Sie sprang durch das Moor, als hätte sie ihr Leben lang nichts anderes getan.
„Hast du gewusst, dass sie eine schwester hat?“, fragte Lenny ihn.
„Nein“, antwortete er leise, „Aber das ist jetzt egal, wir müssen erst einmal in dieses Dorf kommen, in dem die Freien Elfen leben und dann müssen wir ihnen die ganze Geschichte erzählen. Wir müssen sie warnen.“
Er nickte und sie beeilten sich, den anderen zu folgen.
Nach etwa einer Stunde drehte Aria sich zu ihnen um und sagte: „Wir sind gleich über der Grenze, da müssen wir aufpassen. Und wenn wir dann in Elra` sind, müssen wir alles meinem Vater erzählen.“
„Was ist Elra`?“, fragte Straga Agor, der vor ihm ging.
„So nennen sie das Dorf, in dem sie leben. Ich war allerdings noch nie dort.“
Straga nickte und wandte sich dann an Jean.
„Warst du schon mal im Reich der Elfen?“
„Nein, bis zu dieser Reise hatte ich Kesselstadt noch nie verlassen.“
Sie gingen stumm weiter, doch mit einem Mal verändert sich alles.
Sie gingen wieder auf Schnee, anstatt auf Moor. Vor ihnen, vielleicht ein oder zwei Kilometer entfernt, waren die Ausläufer eines Waldes. Straga wusste, dass sie sie Grenz des Elfenreiches überschritten hatten und das vor ihnen, der legendäre Wald war, der das gesamte Reich ausfüllte. Ein Reich, voller Bäume, das konnte er sich kaum vorstellen.
Dort musste es schön sein, umgeben von der Natur und der Stille des Waldes.
Aria lachte und sah auf ihre Schwester hinab, die zu ihr hoch strahlte.
„Papa wartet sicher schon!“, sagte Lilly glücklich und rannte los, Aria hinter sich her ziehend.
Agor, Jean, Straga und Lenny mussten sich beeilen, um mit ihnen schritt zu halten.
Und dann hatten sie ihn erreicht.
Straga hatte schon viele Geschichten über diesen Wald gehört, dass die Bäume bis hoch in den Himmel reichten, dass Nester der Feen an den Stämmen klebten, wie Bienennester und dass dessen Bewohner und Erbauer blau waren. Ja, er hatte gehört, dass dieser Wald schön war, doch jetzt musste er einsehen, dass das gelogen war.
Er war nicht schön, er war fantastisch. Nie hatte er in seinem Leben so viele Farben auf einmal gesehen; die dicken Stämme der Bäume reichten von hellbraun bis fast schwarz. Die Sonne ließ den Schnee silbern funkeln und was er am erstaunlichsten fand, selbst im Winter wuchsen große gelbe, rote und blaue Blüten am Boden, so schön, als hätte ein Maler sie
dort hingemalt. Doch Feen sahen sie keine, die hielten jetzt in ihren Nestern Winterschlaf, doch würden sie erwachen, flögen sie hin und her und waren auf der Suche nach Dingen, mit denen sie Schabernack treiben konnten. Auf einem kahlen ast saß ein großer, Bundgefiederter Vogel, der laut die angehende Nacht begrüßte.
Lilly sprang aufgeregt hin und her und lachte fröhlich.
„Papa und die anderen werden sich freuen, dass du endlich wieder da bist! Wir haben uns Sorgen gemacht, aber Shiba hat über dich gewacht. Doch als sie sah, dass ihr kämpfen müsst, bin ich sofort los, um euch zu helfen!“
Aria lächelte und wandte sich zu den anderen um, um ihnen ganz leise zu zuflüstern: „Sie will mich immer beschützen.“
Agor lächelte und Jean hätte laut losgelacht, hätte Agor ihm seine Hand nicht warnend auf den Mund gelegt.
Straga beachtete sie kaum, er bewunderte lieber die Vielfalt der Natur.
Wie schön es hier erst im Sommer sein musste…
Nachdem sie einige Zeit gegangen waren, löste Lilly sich mit einem Mal von Arias Griff und stürmte vorwärts.
Straga wollte etwas sagen, ließ es dann jedoch bleiben.
Aria würde schon auf sie Acht geben.
Nach kurzer Zeit hob Aria den Kopf und lächelte freudig.
Als Straga neugierig ihren Blick folgte, starrte er voller Staunen auf das, was er da sah.
An der Seite des Baumes schraubte sich eine weiße Wendeltreppe, ohne Gellender, um den Stamm herum und endete in einem Loch eines Hauses.
Nein, es war kein Haus, es war ein Palast, der schönste Palast, den er je gesehen hatte.
Die Wände schienen aus einem Metal zu sein, das ihm nicht bekannt war. Als Eingangstür diente das Loch im Boden, zu dem die Wendeltreppe hinauf führte. Die Wände dieses wunderschönen Gebäudes, schienen zu leuchten, als wären kleine, silberne Lämpchen an ihnen angebracht worden, die den Palast zum leuchten brachten. Unter dem Loch befand sich ein kleines Plateau.
Es war unbeschreiblich schön. Die Rahmen der Fenster waren vergoldet und mit winzigen Diamanten bespickt, die im Licht der Sonne hellrot funkelten. So schön…!
Doch als Straga sich umsah, bemerkte er, dass es nicht das Einzigste Gebäude war.
Auch die umliegenden Bäume waren mit solchen prachtvollen Gebäuden geschmückt.
Und zwischen ihnen waren silberne Leitern gespannt worden, die die einzelnen Paläste miteinander verbunden.
Das war also Elra`, das Dorf der Freien Elfen. Alles war in silbriges Licht getaucht, was das Ganze etwas Traumgleiches verlieh. Und aus irgendeinem der Bauten drang eine leise, mysteriöse Melodie zu ihnen hinab. Es hatte etwas Magisches an sich.
Wunderschön, so vollkommen. Straga fand keine Worte für die Schönheit, die hier ruhte.
Und er war sich sicher, wenn all das Glück, all das Schöne aus der Welt verschwand, dieser Ort würde bleiben.
An den Seiten der Wendeltreppen, an der Rinde der Bäume, waren kleine, blaue Lampen angebracht, sodass die Treppen in dämmriges Licht getaucht waren.
Die anderen waren nicht weniger verzückt, als er selbst, nur Aria schien die Schönheit der Dinge gar nicht wahrzunehmen. Vielleicht war das so, wenn man dass jeden Tag hatte, doch er wollte diesen Augenblick kosten, ihn in sich aufsaugen, damit er nie vergessen würde, wie schön es hier war. Doch sein Entzücken bekam einen kleinen Dämpfer, als er hörte, wie Aria mit jemanden sprach. Sie war bereits die erste Wendeltreppe hinaufgestiegen, stand auf dem Plateau und redete nun mit einem alten Mann. Der Mann trug ein hellblaues Gewand, dieselben Farben, wie die Lichter an den Treppen. Er hatte langes, silbriges Haar, das ihm bis zu den Schultern reichte.
Und ein goldener Stern prangte auf seiner Stirn. Arias und Lillys Vater, der König
der Freien Elfen. Auch Lenny hatte ihn bemerkt und sah bewundert zu ihm hinauf.
Doch all das war es nicht, was Straga wieder zurück in die Wirklichkeit holten, es waren die Worte, die Aria zu ihrem Vater sagte.
„Vater, uns bleibt nur wenig Zeit. Malock versammelt eine Armee, aus tausenden Moor- und Wolfselfen. Und auch Orks sind dabei. Sie sammeln sich an den zehn Hügeln, nahe dem Moor. In wenigen Tagen werden sie hier sein, wir müssen bereit sein und kämpfen. Vater, wir benötigen eine Armee, wenn wir nicht untergehen wollen!“
Der König sah sie an und dann blickte er plötzlich hinab, direkt auf Agor, Jean, Straga
und Lenny.
Er sagte laut: „Kommt. Ich freue mich, euch kennen zu lernen.“
Der Rat
Sie stiegen die Wendeltreppen zu dem König der Freien Elfen hinauf, bis sie schließlich auf dem Plateau angelangt waren und neben Aria stehen blieben.
„Meine Tochter Aria hat mich soeben auf den neusten Stand der Dinge gebracht. Stimmt es, dass er eine Armee errichtet hat, die unser Elra` bald erreicht haben wird um es niederzureißen?“
Straga nickte eifrig.
„Ja, das stimmt, Majestät.“
„Dann wollen wir Rat halten.“
Der König wandte sich um und ging, von Aria gefolgt, in den Palast.
Als Aria bemerkte, dass sie ihr nicht folgten, drehte sie sich um und sagte: „Kommt schon!“
Also gingen sie den beiden hinterher und fanden sich in einem geräumigen Flur wieder.
Die Wände waren mit goldenen Verzierungen geschmückt und an einer Wand prasselte ein munteres Feuer in einem Kamin, sodass es warm war.
Der König ging durch eine große Flügeltür hindurch, gefolgt von Aria und den anderen.
Als Straga den Raum dahinter betrat, war er fast enttäusch.
Der Raum war schlicht und hatte keinerlei Verzierungen und keine Fenster.
In der Mitte stand ein großer Tisch, er war einem sehr hellen Holz und sieben Stühle standen um ihn herum. Und auf jedem dieser Stühle saß eine Elfe oder ein Elf, nur einer war frei.
Der König setzte sich zu den sechs anderen und sah sie, einer nach dem anderen, an.
„Liebe Ratskollegen“, sagte er, „Meine werte Tochter Aria ist soeben mit ihren Freundin zurückgekehrt.“
Die Ratsmitglieder musterten sie, einige misstrauisch, die anderen freundlich.
„Aria hat mir mitgeteilt, dass König Malock, der durch den Körper eines anderen, zurückgekehrt ist, eine riesige Armee erschaffen hat, die in wenigen Tagen hier ist.
Wir müssen handeln, und zwar schnell, oder wir werden untergehen! Wir müssen, so schnell wie möglich, alle Verbündeten rufen und sie bitten, an unserer Seite zu stehen.
Er wird nicht kommen, um zu verhandeln, er wird kommen, um zu töten!“
Die sechs Ratsmitglieder nickten nachdenklich und der König meinte freundlich: „Aria, setz dich bitte. Und deine Freunde ebenfalls.“
Sie nahmen auf den freien, fünf Stühlen Platz und Straga kam sich merkwürdig vor.
Er war gerade erst in dem Dorf der Elfen angekommen, alles ging so schnell.
Es war alles so…verwirrend.
Noch vor…er wusste nicht, wie viele Tage vergangen war.
Vor dieser ganzen Reise war er ein normaler Waldläufer gewesen, unbeliebt, ein Verstoßener.
Und jetzt…jetzt saß er hier zwischen den Ratsmitgliedern der Freien Elfen.
Er konnte es nicht glauben, dass das wirklich geschehen war, das alles…
„Nun“, begann der König, „Wir müssen beraten, was zu tun ist.“
„Kann Aria uns eine ungefähre Zahl nennen, mit der wir es zu tun bekommen?“, fragte ein junger Elf und alle Blicke richteten sich auf Aria, die antwortete: „Nicht mehr als Zehntausend aber mehr als Fünftausend.“
„Wir sind dieser Zahl nicht gewachsen!“, meinte der Elf und der König hob die Hand.
„Und trotzdem können wir nicht haltlos zusehen, während sie uns und unsere Welt vernichten, Every!“
„Was sollen wir denn deiner Meinung nach tun?“, fragte eine ältere Elfe, die neben Every saß.
„Nun, Denna, wie wäre es mit kämpfen?“, meinte der König sarkastisch, doch ein Elf unterbrach ihn. „Wir können nicht siegen! Wir werden untergehen, das weißt du!“
„Ja, ich weiß es, Blaz. Doch wir müssen es wenigstens versuchen! Oder willst du, dass unsere Kinder später erzählen, wir hätten uns verkrochen und aufgegeben?“
„Wenn ich mal etwas sagen darf, ich bin völlig deiner Meinung“, sagte eine Elfe, die rechts neben dem König saß.
„Danke, Sabini, das weiß ich zu schätzen.“
„Wir werden uns nicht verkriechen, wie die Menschen es tun werden!“, beschwerte sich ein Elf und der König fuhr dazwischen: „Vergiss nicht, dass drei Menschen unter uns sind, Meycmend!“
„Hören wir uns doch einmal an, was sie dazu zu sagen haben!“, meinte ein junger Elf, „Nicht wahr, Every?“
„Völlig richtig, Ambrose“, antwortete Every.“
Alle Blicke ruhten nun auf Jean, Straga und Lenny.
Straga war unsicher, ob er etwas sagen sollte, doch da räusperte Jean sich auch schon uns sagte mit gut vernehmlicher Stimme: „Ich bin kein Elf, doch ich weiß den Wert dieser Welt zu schätzen und ich sage, dass wir nicht kampflos untergehen werden!“
„Redest du von uns oder euch Menschen?“, fragte Ambrose und sprach das letzte Wort aus, als wäre es eine Beleidigung.
Doch Jean kam gar nicht dazu, zu antworten, denn Sabini hatte schon die Stimme erhoben.
„Selbst wenn wir nicht gewinnen können, wir müssen versuchen König Malock aufhalten!“
Ambrose lachte kurz und fragte: „Und wen schlägst du vor, opfern wir für diese leichte Aufgabe?“
Er blickte sie auffordern an und sein Blick schweifte hin und wieder zu Jean, Straga und Lenny hinüber. Straga fühlte sich nicht sehr wohl in seiner Haut und Lenny warf ihm einen ängstlichen Blick zu, der ihm symbolisierte, dass auch er nicht besonders glücklich über
seine Lage war.
„Gewiss ist diese Aufgabe nicht leicht“, sagte der König, „Doch ich bin mir sicher, dass wir es schaffen könnten!“
„Ach ja? Dann schlag du doch jemanden aus deinen Reihen vor, der sich freiwillig opfert!“, sagte Blaz zornfunkelnd, „Ich jedenfalls werde meine Leute nicht damit belasten, dass sie bald jemanden verlieren werden!“
Der König seufzte und verschränkte die Arme vor der Brust.
„Ich muss doch sehr bitten, wir müssen zu einem Ergebnis kommen!“, warf Denna dazwischen und der König und Sabini nickten erleichtert.
„Nun denn, wir müssen entscheiden, was zu tun ist!“, sagte Sabini.
„Richtig, aber dafür müssen die Freunde von Aria rausgehen“, meinte Meycmend, „Und sie selbst auch!“
„Warum das?“, beschwerte Denna sich, „Sie haben jedes recht, hier zu bleiben.“
„Ach ja“, meinte Meycmend, „Sie sind Menschen! Sie könnten Spione von König
Malock sein!“
„Also ich will doch sehr bitten!“, beschwerte der König sich zornig.
„Können wir jetzt wohl mal endlich damit beginne, zu besprechen, was wir tun sollen, wenn die Armee von König Malock hier auftaucht?!“, meinte Sabini bestimmt.
„Ja, das können wir. Und die Freunde meiner Tochter dürfen hier bleiben, falls sie nicht von sich aus gehen, weil wir ihnen peinlich sind!“
Jean war Lenny einen belustigten Blick zu, den er erwiderte.
Every runzelte ärgerlich die Stirn, nickte dann jedoch und sah zu Ambrose und Meycmend hinüber, die Sabini zornig ansahen.
Der König atmete laut aus und schüttelte verzweifelt den Kopf.
Straga lehnte sich zu Aria hinüber und fragte sie flüsternd: „Sind die immer so?“
Sie nickte und lächelt dabei schwach.
Der König entschied, die Sache wieder unter Kontrolle zu bringen und sagte laut: „Da die Zahl, die Aria uns genannt hat, über unsere hinausreicht, schlage ich vor, Verbündete zu rufen. Denna, könntest du…?“
„Ja, Saveth, ich kann sie fragen. Ich bin mir sicher, dass sie uns helfen werden!“
Zuerst wusste Straga nicht, wer mit Saveth gemeint war, doch da wurde ihm klar, dass es der Name des Königs war.
„Was ist mit den Drachen?“, fragte Every, „Wir handeln schließlich mit ihnen.“
„Das Problem ist, dass auch die Moorelfen Handel mit ihnen treiben, Every“, sagte Ambrose, „Und wenn sie gegen uns kämpfen, könnte das sehr problematisch werden!“
Alle Ratsmitglieder nickten zustimmend.
„Und die Trolle?“, wollte Blaz wissen, „Zu wem werden sie halten?“
„Wir wissen nicht einmal, ob sie überhaupt kämpfen werden!“, warf Meycmend dazwischen.
„Wie viel zeit bleibt uns noch, um uns vorzubereiten?“, fragte Every, „Vielleicht könnten wir jemanden zu ihnen schicken, um sie für uns zu gewinnen, wenn König malock das nicht schon getan hat.“
Daraufhin sagte niemand etwas.
„Soll ich Shiba fragen?“, schlug Aria vor, „Vielleicht weiß sie es.“
Meycmend schnaubte verächtlich, doch der König nickte. „Ja, hol sie, Aria.“
Aria nickte, erhob sich von ihrem Stuhl und verließ leise den Raum.
Straga sah auf und begegnete Meycmends Blick, der ihn zu durchbohren schien.
Meycmend lehnte sich in seinem Stuhl zurück, ohne ihn aus den Augen zu lassen.
Straga bereute es jetzt, sich neben ihn gesetzt zu haben.
Plötzlich beugte er sich zu ihm vor und fragte flüsternd: „Wie ist dein Name, mein Freund?“
Straga blickte ihn etwas verwirrt an, antwortete aber sofort auf die Frage und nannte
seinen Name. Meycmend nickte, lächelte und fragte dann leise: „Und was hältst du von der Sache, Straga? Bist du der Meinung, wir könnten gewinnen?“
„Ähm…nun, ich weiß es nicht.“
Meycmend grinste und fragte weiter. „Wärst du denn bereit, für den Sieg zu sterben?“
Straga starrte ihn eine Sekunde lang an und stelle dann eine Gegenfrage: „Kommt drauf an, was ich dafür erreichen kann? Wenn es alle anderen retten…ja.“
Meycmend nickte grinsend und lehnte sich dann wieder zurück.
Die anderen hatten nicht von ihrer kleinen Unterhaltung mitbekommen, sie waren
in eigene Gespräche vertieft.
Nach kurzer Zeit öffnete sich die Tür und Aria kam zurück, hinter ihr eine alte Elfe.
Sie trug ein Bordeauxrotes Kleid und war mit Perlenketten ausstaffiert.
Ihre dunkelbraunen Haare hingen ihr über die Schultern und die eine Hand drehte unablässig eine der Perlen ihrer vielen Halsketten herum.
„Shiba, wir haben gehofft, du kannst uns sagen, wann die Armee von König Malock
hier sein wird“, meinte der König zu ihr.
„Ja, vielleicht kann ich es euch sagen“, sagte Shiba mit seltsam rauchiger Stimme, drehte sich um und schloss die Augen.
Nach kurzem Warten fuhr sie herum, die Augen wild rollend, eine Hand an einer Perle.
„In zwei Tagen sind wir umgeben von Feuer und Rauch, am Fluss, das Wasser hat sich vermischt mit Blut. Und eine Überraschung wird uns ereilen und eine Entscheidung muss fallen, sie will gut überlegt sein, denn das Schicksal aller hängt davon ab. In zwei Tagen,
am Morgen.“
Ihre Augen kamen zum Stillstand, doch sie sahen in verschiedene Richtungen.
Das eine sah Straga an, das andere Meycmend.
„Vielen Dank, Shiba. Du darfst gehen“, sagte der König.
Eine große Stille überfiel den Raum und dann drehte Shiba sich um und verließ den Raum.
Der Übungsplatz
Agor, Jean, Straga und Lenny saßen gemeinsam mit den König, Aria, Lilly und den Ratsmitgliedern m Speisesaal des Palastes und staunten über das viele Essen, das der Koch, ein rundlicher Elf, aufgetragen hatte.
Da die Elfen kein Fleisch zu sich nahmen, hatten sie sich schon gefragt, was es geben würde.
Der König hatte gesagt, es würde ein Festessen geben und für Menschen gehörte dazu auch ein leckerer Braten.
Doch sie staunten nicht schlecht, als sie sahen, was es alles gab; es gab Schüsseln, die prallgefüllt mit roten, saftigen Äpfeln waren, mit grünen Birnen und Süßduftenden Datteln.
Es gab die verschiedensten Suppen und Reisgerichte und ein jeder hatte ein Büschel Kontakraut auf dem Teller.
Agor und Jean verzogen das Gesicht, als sie das bittere Kraut sahen, doch Straga und Lenny, die nun den Grund kannten, weshalb es unter den Elfen so beliebt waren, aßen es ohne Beschwerde.
Das Essen war köstlich, doch während sie aßen, sah Meycmend Straga die ganze Zeit an und schien ihn mit seinem Blick zu durchbohren, wie auch schon im Ratszimmer und er war froh, als der König sich an Aria wendete und meinte: „Aria, wie wäre es, wenn du unsere Gäste zeigst, wo sie schlafen? Und nimm doch bitte Lilly mit.“
Aria schluckte einen Bissen Apfel hinunter, nickte, erhob sich und blickte dann zu ihren Freunden hinüber, die sofort aufstanden, sich für das Mahl bedankten und ihr hinaus folgten.
Auch ihre Schwester Lilly stand auf und folgte ihnen.
Als sie auf dem Flur waren, meinte Aria: „Die wollen besprechen, was zu tun ist, wenn die Armee von König Malock hier erscheint. Kommt mit, ich zeige euch euer Zimmer.“
Sie führte sie den Flur entlang und blieb an einer weißen Tür stehen, dessen Ränder mit Gold verziert waren und auch der Knauf war aus Gold.
Jean strich darüber und fragte: „Ist das echtes Gold?“
Aria nickte und öffnete ihnen die Tür.
Das Zimmer, das dahinter lag, war groß und weiß angestrichen, wie die Tür.
An den Wänden links und rechts von der Tür standen je zwei Betten, mit hellblauem Bezug, Decken und Kissen. Auf der gegenüberliegenden Seite stand ein großer Kleiderschrank im schlichten weiß einem goldenen Griff.
Neben dem Schrank stand eine grüne Pflanze mit großen, roten Blüten und in einer Ecke des Raumes war ein hellbraunes Paravent aufgestellt worden.
Alles passte perfekt zusammen und sah wunderschön aus.
„Dies ist das Zimmer, für ganz besondere Gäste. Ich hoffe, es gefällt euch.“
„Na klar, es ist wunderschön, Aria!“, sagte Straga, der nie in einem vergoldeten Bett geschlafen hatte. Wenn er ganz ehrlich war, hatte er selten in überhaupt einem
Bett geschlafen.
Aria lächelte und Lenny schaute sie an und fragte: „Jetzt wo wir bei den Elfen sind, kannst du uns noch einweinig ihre Sprache…?“
„Lenny!“, meinte sie lachend, „Du bist aber auch nie zufrieden zustellen, was? Und außerdem muss das warten, in drei Tagen müssen wir bereit sein und ein jeder muss kämpfen können, auch ihr. Also, wir treffen uns morgen früh auf dem Trainingsfeld. Gute Nacht, ihr vier.“
Sie verließ das Zimmer und kurze Zeit später waren sie auch schon eingeschlafen.
Nur Straga lag noch wach in seinem Bett und dachte nach.
Jeder musste kämpfen, auch er. Als Waldläufer hatte er gelernt, mit einem Messer und einem Bogen umzugehen, doch in dem Kampf würde er wahrscheinlich ein Schwert führen müssen.
Hätte er überhaupt den Hauch einer Chance?
Wenn er nun gegen einen Ork antreten musste…
Er würde sterben, da war er sich sicher.
Und was hatte Meycmend damit gemeint, als er fragte, ob er bereit sei, für den Sieg zu sterben?
Und warum sah er ihn immer so seltsam an, als ob er ihn prüfen wollte?
Hatte er etwas mit ihm vor, etwas, wobei er womöglich sterben würde?
Straga kuschelte sich in seine Decke und wenig später war er auch schon eingeschlafen.
Am nächsten Morgen, als sie den Speisesaal betraten, saß nur Lilly da und grinste sie an.
„Guten Morgen“, begrüßte Lilly sie und sie erwiderten den Gruß.
„Wo sind Aria, der König und die Ratsmitglieder?“, wollte Jean von ihr wissen und sie antwortete: „Aria ist auf dem Übungsplatz und der König und der Rat bespricht noch alles Wichtige. Ich gehe gleich auch auf den Kampfplatz, kommt ihr mit?“
Sie nickten und setzten sich.
Die Köche hatten bereits etwas Salat und Brot aufgetragen und sie langten zu.
Nach dem Essen verließen sie, gemeinsam mit Lilly, den Palast und stiegen die Wendeltreppe hinab, bis auf den schneebedeckten Waldboden.
„Tolles Wetter“, meinte Lenny ironisch und Lilly stimmte ihm lachend zu: „Genau richtig, für einen Kampf.“
Sie führte die vier ein Stück tiefer in den Wald hinein und Straga bewunderte die Vielfalt der Natur. Nach fünf Minuten hatten sie eine kleine Waldlichtung erreicht, die in drei Bereiche eingeteilt war. In einer Ecke standen Zielscheiben, an denen einige Elfen das
Bogenschießen übten. Ein junger Elf fiel Straga besonders auf, er war sehr gut und traf immer in die rote Mitte. An einer Seite kämpften je zwei Elfen mit Holzschwertern gegeneinander.
„Also ich gehe zu den Bogenschützen“, meinte Lilly gutgelaunt und sah sie
erwartungsvoll an. Jean und Lenny folgten ihr, agor ging zu jenen, die die Magie im Kampf nutzen wollten. Straga wandte sich zu den Schwertkämpfern.
Ein Elf reichte ihm eines aus Holz und sagte: „Wenn du willst, können wir zusammen kämpfen. Mein Name ist Monte, und deiner?“
„Straga“, antwortete er, „Wir können gerne kämpfen.“
Monte nickte und sie stellten sich, mit einigen Metern Abstand, gegenüber.
Sie hielten ihre Holzschwerter kampfbereit und umkreisten sich dann in geduckter Haltung.
Wenig später sprang Monte überraschend vor und bombardierte ihn mit gezielten Hieben.
Straga wehrte Schlag um Schlag aus.
Er war es gewohnt, mit einem Messer zu kämpfen, doch er fand, er schlug sich ganz gut.
Doch schließlich schaffte der Elf es, ihm das Schwert aus der Hand zu schlagen und sie fingen von vorne an.
Endlich, nach dem zehnten oder elften Durchlauf schaffte Straga es, ihn zu besiegen.
„Du bist gut!“, lobte Monte ihn und hielt sich die Hand, an der er ihn mit dem Holzschwert getroffen hatte.
„Danke. Du bist noch besser!“
„Ja, weil ich schon Jahre lang übe. Und du?“
„Das war mein erstes Mal, dass ich ein Schwert in der Hand halte. Sonst war ich immer nur mit meinem Messer jagen“, gab Straga zu.
„Für das erste mal bist du ganz schön gut“, meinte Monte.
„Wenn du sagst, du übst schon seit Jahren, wie alt bist du denn dann, Monte?“
Der Elf lächelte und meinte: „Sechzehn. Bei uns fängt das Kampftraining ab dem fünften Lebensjahr an.“
„Das ist…ganz schön jung!“, sagte Straga und Monte zuckte mit den Schultern.
„Es ist gut so, umso jünger man ist, umso schneller lernt man!“
Straga sah nachdenklich in die Wolken und nahm dann wieder sein Holzschwert fester
in die Hand.
„Lass uns weiter machen.“
Die beiden übten noch eine ganze Weile und mit der Zeit wurde Straga immer besser.
Doch als die Sonne ihren höchsten Stand erreicht hatte, hörten sie doch auf und Straga gesellte sich zu Jean und Lenny, die sich noch immer mit Pfeil und Bogen übten.
„Ich habe euch beiden von hier zugeschaut“, meinte Jean zu ihm, als sie nebeneinander standen und Lenny den bogen spannte. „Du bist gut.“
„Danke. Das hat Monte auch gesagt.“
„Monte? Ist das der Elf, mit dem du trainiert hast?“
Straga nickte. „Wo sind Agor, Aria und Lilly?“
„Die sind schon weg.“
Lenny kam zu ihnen herüber und strahlte übers ganze Gesicht. Er hatte in die rote Motte getroffen.
Er machte große Vorschritte, wenn man bedachte, dass es ihm vor einigen Stunden nicht einmal gelang, überhaupt die Zielscheibe zutreffen.
Da sie alle Drei Hunger hatten, beschossen sie, zum Palast zurückzukehren und nachzusehen, wann es Essen geben würde.
Als sie im Flur des Palastes auf Sabini trafen, sagte sie zu ihnen: „Guten Tag. Falls ihr Hunger habt, in einer halben stunde gibt es etwas zu essen.“
„Ja, danke, Sabini“, sagte Jean, „Hast du Agor oder Aria gesehen?“
Sabini dachte einen Moment nach und meinte dann: „Agor war bei eurem Zimmer und aria ist bei ihrem Vater im Thronsaal.“
„Könnt ihr uns sagen, wo der Thronsaal ist?“, fragte Lenny sie und Sabini antwortete lächelnd: „Ja, gerne. Es ist die Tür am Ende des Flures.“
Sie zeigte den langen Flur entlang, an dessen Ende tatsächlich eine wunderschön
verzierte Tür war.
Jean nickte dankend und sie schritten auf die Tür zu.
Als sie davor standen, hörten sie leise Stimmen, die aus dem Saal dahinter drangen.
„…werden sie tun?“ das war Everys Stimme.
„Ich weiß es nicht, Every. Aber für welche Seite sie sich auch entscheiden werden, diese Seite wird siegen.“ Das war der König.
„Ich kann nur hoffen, dass wir diese Seite sein werden“, sagte Every betrübt.
„Das hoffe ich auch“, sagte die Stimme von Aria hoffnungsvoll.
Jean, Straga und Lenny sahen sich hinter der Tür fragend an, doch da sie nicht verstanden, worum es bei diesem Gespräch handelte, wandten sie sich um und gingen zurück.
Straga lag im Bett und konnte nicht einschlafen.
Es lag jedoch nicht an der Menge Essen, die er zum Abendessen verspeist hatte.
Es war einfach der Gedanke daran, was morgen geschehen würde.
Agor, Jean und Lenny schliefen bereits.
Er versuchte ebenfalls einzuschlafen, damit er morgen ausgeruht sein würde, doch er war zu aufgewühlt.
Immer wieder quälten ihn dieselben Gedanken.
Morgen würde er gegen Moorelfen und Wolfselfen und Orks und wer weiß was für Kreaturen kämpfen müssen. Vermutlich würde er dabei sein leben verlieren.
Und worum war es bei dem Gespräch zwischen den König, Every und Aria gegangen?
Der König hatte gesagt, die Seite, für die sie sich entscheiden würden, würde im Kampfe siegen.
Wer waren sie?
Er hatte Angst, konnte nicht schlafen.
Morgen würde er…er würde morgen…
Doch weiter konnte er nicht denken, er war bereits in seine Kissen gesunken und eingeschlafen.
Das letzte Mahl
Als Straga am nächsten Morgen erwachte, hörte er ein leises Flüstern.
Es waren Jean und Lenny, die sich in dem beiden Betten gegenüber leise unterhielten.
„…habe Angst!“, sagte Lenny leise zu Jean.
„Das brauchst du nicht! Alles wird gut, Lenny. Alles wird gut.“
Jean klang so, als wollte er sich selbst davon überzeugen, doch Lenny schien das nicht aufzufallen.
„Aber der Kampf…ich werde sterben!“
„Lenny, hör mir zu: du wirst nicht sterben! Alles wird gut, beruhige dich!“
„Aber…aber…“
„Lenny, du brauchst keine Angst zu haben!“, flüsterte Jean.
Straga hob den Kopf und blinzelte zu ihnen hinüber.
Lenny kauerte in seinem Bett, an der Wand und sah so aus, als hätte er keine Stunde Schlaf bekommen. Er hatte Tränen in den Augen.
Jean saß unter seiner Decke im Bett und sah ihn beruhigend an.
„Aber, wenn ich…“, setzte Lenny erneut an, doch Jean unterbrach ihn.
„Du wirst nicht sterben, das verspreche ich dir! Ich werde dich beschützen!“
Lenny schluckte.
Jean sah sich im Zimmer um und bemerkte, dass Straga sie beobachtete.
„Oh, guten Morgen, Straga. Hast du gut geschlafen?“ Und ohne eine Antworte abzuwarten sagte er, mit einem fordernden Blick auf Lenny: „Wir werden sie alle besiegen, nicht wahr?!“
Straga warf Lenny einen raschen Blick zu und meinte: „Klar, wir schaffen das schon.“
Doch überzeugt war er nicht davon. Wenn er ganz ehrlich war, er fürchtete sich nicht weniger als Lenny.
„Ist Agor schon wach?“, fragte Jean, um das Thema zu wechseln.
„Ja, ist er“, antwortete Agor von seinem Bett her. Auch er hatte das Gespräch zwischen Lenny und Jean mit angehört.
„Lasst uns etwas essen gehen“, schlug er vor und Jean nickte zustimmend.
Straga war sich zwar sicher, dass er keinen Bissen runter bekommen würde, folgte ihnen jedoch aus dem Zimmer, Lenny hinter ihm.
Als Agor und Jean einige Schritte von ihnen entfernt waren, fragte Lenny Straga flüsternd: „Du hast doch auch Angst, oder?“
Straga sah ihn an und sagte ebenso leise: „Ja. Aber wir werden unser Bestes geben, nicht wahr, Lenny?“
Lenny nickte und brachte sogar ein kleines Lächeln zustande.
Straga dachte daran, was Shiba, die Seherin der Elfen, gesagt hatte.
Sie würden am Fluss kämpfen, umgeben von Feuer und Rauch. Und das Wasser würde sich mit Blut vermischen…Wessen Blut.
Das Feuer und der Rauch deuteten darauf hin, dass Drachen anwesend sein würden.
Doch auf welcher Seite standen sie?
Und plötzlich wurde ihm klar, wobei es bei dem Gespräch zwischen dem König, Aria und Every gegangen war, um die Drachen.
Die Seite, für die sie sich entschieden, würde gewinnen.
Straga schreckte aus seinen Gedanken, als sie den Speisesaal betraten.
Der König, Aria, ihre Schwester Lilly und die gesamten Ratsmitglieder saßen dort.
Sie hatten auf sie gewartet, denn als sie nun eintraten, seufzte der König und meinte: „Guten Morgen, Agor, Jean, Straga und Lenny. Dann können wir ja jetzt anfangen.“
Das Mahl wurde schweigend eingenommen, niemand hatte Lust, etwas zu sagen.
Einzig das Klirren der Bestecke war zu hören.
Ein jeder hing seinen eigenen Gedanken nach, doch sie alle wussten dasselbe: Vielleicht würden sie am nächsten Tag nicht mehr hier speisen können…
Und doch sprach niemand die schreckliche Wahrheit aus.
Lenny und Straga brachten nicht mehr herunter, als einen winzigen Haufen Reis und
ihr Kontakraut. Auf das Kraut wollten sie keines Falls verzichten, es brachte ihnen etwas Kraft, die sie später noch brauchen würden.
Sie aßen langsam, da niemand von ihnen als erster aufstehen und gehen wollte.
Als es jedoch keinen Grund mehr gab, sitzen zu bleiben, sagte der König leise: 2Ich glaube, wir sollten uns bereit machen.“
Die Stille, die auf seine Worte folgten, war noch drückender, als die, bevor er
gesprochen hatte.
Der König räusperte sich und sagte dann, an Agor, Jean, Straga und Lenny gewandt: „Der jenige, der Gelegenheit bekommt, den Träger aufzuhalten, wird es versuchen!“
Sie nickten zustimmend und der König erhob sich und ging.
Nach und nach standen auch weitere auf und gingen hinaus.
Aria kam auf sie zu und sie verließen gemeinsam den Saal.
Als sie draußen auf dem Flur waren, sagte sie zu ihnen: „Kommt mit, wir müssen uns eine Waffe und eine Rüstung aus der Waffenkammer beschaffen.“
Als sie sich alle ausgerüstet hatten und auf dem Boden schneebedeckten Waldboden standen, über ihnen die vielen, verzierten Gebäude, waren sie nicht allein.
Überall auf dem Platz hatten sich Elfen versammelt.
Straga schätzte, dass die jüngste vielleicht sechs Jahre alt war.
Es war so schrecklich, dachte Straga, so grausam!
Es waren doch noch Kinder und doch wurden sie in die schlacht geschickt.
Sie würden dort nichts als den Tod finden.
Aber war es bei ihm anders?
Lenny stand neben ihm, seine Hand fest umklammert, die Augen vor Angst weit aufgerissen.
Straga sah ihn an und war sich sicher, dass er selbst auch nicht mutiger aussah.
Der König stand auf der dritten Stufe einer der Wendeltreppen und als er nun sprach, herrschte absolute Stille.
„Wir wollen uns nun zum Fluss begeben. Und wir kämpfen bis zum Sieg…oder bis zum bitteren Tod!“
Straga schluckte und ging dann, vom Strom der Elfen getrieben und Lennys Hand
in der eigenen, los. Die Schönheit der Natur hatte allen Glanz verloren, die Welt kam
im Düster und Grau vor.
Der Wald lichtete sich allmählich, sie kamen auf eine große Lichtung.
Und mitten hindurch floss ein Fluss.
Sie nahmen die Position einer Armee ein. Eine Armee, die bereits war, auf die
bevorstehende Schlacht.
Und dann kamen sie.
Tag der Veröffentlichung: 08.06.2010
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