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Du bist meine Ewigkeit



Teil 3




„Das glaube ich nicht“, nuschelte Draco Malfoy zum zehnten Mal in Folge in seinen nicht vorhandenen Bart. „Das kann doch nicht wahr sein, das ist unmöglich.“

Genauso oft wie Draco sich wiederholte, antwortete Harry: „Es ist aber wahr und wenn du jetzt nicht bald vernünftig wirst, muss ich doch Hermine bitten, dich zu einem Heiler zu bringen.“

Der Blonde ignorierte wie die letzten Male zuvor Harrys Erwiderung und tigerte nervös durch Blaise Wohnzimmer.

Mittlerweile war der nächste Morgen angebrochen. Die Uhr sagte ihnen, dass es bereits weit nach 10 Uhr war und Blaise schlief immer noch den Schlaf der Gerechten, worüber Draco diesmal sehr froh war. Er hatte seit seinem Aufwachen vor einer halben Stunde schon genug Probleme am Hals, auch ohne sich vor seinem besten Freund rechtfertigen zu müssen, weil er inzwischen den Kühlschrank nach allem Essbarem geplündert hatte. Obwohl das im Vergleich zum wahren Grund noch harmlos war. Blaise hätte ihn sicherlich sofort als verrückt abgestempelt, weil er nun tatsächlich Selbstgespräche führte und das auch noch mit Harry Potter.

Gleichzeitig versuchte Draco Herr der Lange zu werden und wollte die Seelenverschmelzung verstehen, ebenso wie er die Erinnerungen an Harrys Leben akzeptieren musste. Sein Weltbild hatte sich über Nacht völlig auf den Kopf gestellt und ganz neue Ausmaße angenommen. Alles was er bisher gewusst und geglaubt hatte, hatte sich in einen Albtraum verwandelt. Doch das war noch gar nichts im Vergleich zu dem, was er am heutigen Morgen feststellen musste. Diese absurde Situation verblasste schier bei dem weitaus größeren Problem, welches sich Harry Potter nannte.

Durch die Seelenverschmelzung hatten sich seine eigenen Gefühle auf die Seele des Gryffindors übertragen, was im Klartext bedeutete: Harry Potter liebte plötzlich Draco Malfoy mit Haut und Haaren, mit all seinen Macken und Zynismus.
Für Draco waren diese Empfindungen aber nicht echt. Harry durfte nicht so fühlen, denn die Gefühle gehörten nicht ihm und genau das bereitete dem Slytherin große Kopfschmerzen.
Als wäre es nicht schon schlimm genug, dass Harry über beide Ohren in Draco verknallt war, und obgleich er sich darüber freuen sollte, spürte er deutlich, dass diese Situation schlichtweg falsch war! Harry war nur eine Seele und spiegelte nicht seine eigenen Empfindungen wider, was bei Draco wiederum ein wahres Gefühlschaos auslöste.

„Könnten wir nicht langsam anfangen gegen meinen Zustand etwas zu unternehmen?“ Harry blickte an sich herab. „Ich fühle mich gar nicht gut.“

Zum ersten Mal, seitdem Draco mit seinem fahrigen Auf-und-Ab angefangen hatte, blieb er stehen und stierte sein Gegenüber an. „Es ist ein Wunder, dass du überhaupt etwas fühlst“, schnaubte er und war kurz vorm verzweifeln.

„Wenn ich nicht wüsste, wer das sagt, wäre ich jetzt beleidigt“, schmollte der durchsichtige Harry und näherte sich Draco. Er wusste nicht warum, aber er liebte diese sarkastische Schlange und wollte ihn nie wieder verlieren. Der Blonde hatte sein Herz im Sturm erobert und deshalb hauchte er ihm auch seine Lippen auf die Wange.

„IHHHHH … Potter!“ Der Slytherin zuckte erschrocken zusammen und spürte eine unheimliche Kälte von der Stelle ausgehen, an der Harry ihn soeben geküsst hatte. Es war ungenehm und besaß keinerlei Spur von Romantik.

„Jetzt stell dich doch nicht so an“, stöhnte Harry und entfernte sich nur widerwillig zwei Schritte von ihm.

„Das tu ich nicht, aber deine Berührungen ziehen einem die Zehennägel zusammen“, entgegnete Draco unwirsch. Doch als er den enttäuschten Ausdruck in Harrys Augen bemerkte, besann er sich. Vor ihm stand immerhin die Seele des Mannes, den er bis heute mit jeder Faser seines Seins liebte und der ihn seit letzter Nacht ebenfalls liebte. Aber Harry war unwiderruflich tot. Er konnte doch keine Seele lieben. Das war falsch!

„Du tust gerade so, als wäre ich etwas Ekliges“, bedeutete Harry beleidigt.

„Nein, das bist du nicht“, beschwichtigte ihn Draco sofort. „Aber du hast keine Ahnung, wie sich das für mich anfühlt. Einigen wir uns doch einfach darauf, dass deine Berührungen für einen lebenden Menschen unangenehm sind.“

Der Gryffindor runzelte die Stirn, dachte kurz darüber nach und nickte schließlich. „Ja, ich verstehe dich schon, aber ich hasse es, dass ich dich nicht einmal streicheln kann oder berühren darf. Daher müssen wir ganz dringend eine Lösung finden.“

„Aber es gibt keine Lö-„

„Draco?“

Alarmiert fuhr Draco herum. Im Türrahmen stand Blaise und starrte ihn verwundert an, während er sich den Schlaf aus den Augen rieb. „Kannst du mir mal erzählen, wieso du mit meiner Wand redest? Und nur zu deiner Information, es ist nicht normal Wände zu küssen.“

Blaise hatte ihm gerade noch gefehlt. Er öffnete den Mund und wollte ihm irgendeine billige Ausrede auftischen, als er plötzlich eine Idee bekam. Sie musste einfach funktionieren. Auf seinen besten Freund konnte er sich schon immer verlassen. Sofort strahlte er von einem Ohr zum anderen und lief auf Blaise zu. „Du bist genau der Richtige. Du musst uns helfen. Du kennst dich doch gut mit seltenen Flüchen aus und kennst alle alten Sagen. Harry ist nämlich zurzeit nur eine Seele ohne Körper. Verstehst du? Harry möchte seinen Körper wieder zurück, aber ich bin absolut überfragt, denn er ist auch kein richtiger Geist. Aber du weißt doch immer so viel.“ Die Worte begleitete er mit einem liebevollen Lächeln.

Verwirrter als zuvor starrte Blaise ihn an und musste augenblicklich an den gestrigen Besuch auf dem Friedhof denken. War Draco nun wahrhaftig verrückt geworden? Hatte er vermutlich durch seine Trauer den Verstand verloren? Wenn ja, was sollte er tun? „Was?“, fragte er schließlich laut und seine gute Laune von eben bekam leichte Risse.

„Nicht Was, sondern wir brauchen deine Hilfe.“

„Ähm … soll ich dich ins St. Mungos begleiten?“ Wenn es dir nicht gut geht, können die dir dort ganz bestimmt helfen.“

„Ich brauch doch kein St. Mungos, Blaise.“ Draco fasste ihn an den Schultern und führte ihn geradewegs vor Harry, der freundlich lächelte. Blaise jedoch sah nur die weiß gestrichene Wand. „Harry steht jetzt genau vor dir, aber nicht als Harry, sondern es nur seine Seele.“

Nachdenklich stand der Slytherin da und bekam allmählich Angst um seinen besten Freund. Draco war durchgedreht und das versprach nur weiteres Unglück. Wie sollte er sich ihm gegenüber verhalten, bis er in der Lage war Hilfe zu holen. Und er brauchte dringend Hilfe, aber wie sollte er vorgehen ohne dass Draco gleich Verdacht schöpfte.

Ich weiß, du kannst ihn nicht sehen, aber er ist wirklich da. Harry steht direkt vor dir.“ Draco ließ von Blaise ab und setzte sich auf das Sofa. „Vielleicht kann er dir ja beweisen, dass es ihn gibt. Aber bitte, du musst mir glauben.“

Blaise schluckte merklich. „Es ist aber schwer zu glauben.“

„Sag ihm, er soll an etwas denken und ich sage dir, was es war“, warf Harry ein, der bemerkte, dass Blaise kein einziges Wort für bahre Münze nahm. „Beeil dich, sonst zieht er noch die falschen Schlüsse.“

Begeistert über diesen Vorschlag erzählte Draco seinem Freund davon, der nur noch trauriger dreinblickte. Doch nach kurzem Überlegen willigte er. Zum einen wollte er Draco damit beruhigen und sich gleichzeitig um Hilfe kümmern. Und je sicherer Draco sich fühlte, desto leichter würde er ihn wohl ins St. Mungos mitnehmen können, das hoffte er zumindest.

„Dann fang mal an“, leitete der Blonde weiter und wartete nervös.

Harry begann sich zu konzentrieren und streckte seine unsichtbaren Fühler nach Blaise Gedanken aus und erschrak. Er erkannte Blaise Plan und er musste ihn so schnell als möglich davon abbringen. „Sag ihm, er soll etwas total Verrücktes denken.“

Draco gab die Anweisung rasch weiter.

Blaise dagegen wurde immer unruhiger, dennoch versuchte er seine Gedanken schweifen zu lassen und landete bei seiner gestrigen Bettgeschichte. Er stellte sich beide Körper nackt und verschwitzt vor und …

„Das reicht“, rief Harry mit hochrotem Kopf und zog sich aus Blaise Geist zurück. Solch anzügliche Details hatte er gar nicht wissen wollen, vor allem weil er selbst noch Jungfrau und bei diesem Thema schon früher ein wenig prüde gewesen war.

Überrascht stierte Draco auf Harry, dann wanderte sein Blick zu dem schelmisch grinsenden Blaise.

„So, und an was habe ich gedacht?“

Der Blonde musste kein Prophet sein, um bei diesem Gesichtsausdruck von alleine darauf zu kommen, welche versauten Gedanken ihn zum grinsen brachten. Er kannte Blaise und dafür hätte er nicht einmal Harry benötigt. Dennoch verkniff er sich ein freches schmunzeln und gab mit ernster Miene die Worte des Gryffindors weiter, wobei er sehr viel Wert darauf legte, die Details auszuschmücken.

„Ha ha, das war jetzt wohl nicht schwer“, schüttelte Blaise den Kopf. „Dafür hättest du aber nicht so einen Aufstand machen müssen.“

„Stimmt, dann versuchen wir es einfach noch mal und diesmal machst du es richtig.“

So wurde es gemacht und nach dem neunten Versuch setzte sich der dunkelhaarige Slytherin geschockt neben seinem Freund auf das Sofa. Die letzten Gedanken waren so abwegig gewesen, dass sie niemals jemand hätte erraten können.

„Das gibt es nicht. Das muss ein Trick sein. Ich habe nicht einmal gemerkt, dass du in meinen Kopf eingedrungen bist.“ Blaise konnte es kaum glauben, aber etwas an Dracos Art und Weise sagte ihm, dass er die Wahrheit sprach, aber wie war das nur möglich?

„Geht es dir gut?“, erkundigte sich der Blonde und begann sich langsam Sorgen zu machen.

„Ich weiß es nicht“, antwortete Blaise bestürzt. „Wie soll das gehen, wenn es kein Zauber ist? Das ist doch gar nicht möglich.“

„Frag mich mal“, lachte Draco. „Ich bin der Einzige, der ihn sehen und hören kann.“

„Und was jetzt? Die Geschichte kauft uns doch keiner ab.“ Blaise war kurz vorm verzweifeln und hätte sich am liebsten selbst ins St. Mungos eingewiesen.

„Draco, erzähl ihm das, was ich dir gestern sagte“, meinte Harry, um die Sache nicht noch schlimmer zu machen. Dabei betete er, dass der Slytherin es verstehen und ihm anschließend helfen würde einen Lösung für seinen körperlosen Zustand zu finden.


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Seit diesem Tag waren inzwischen zwei Monate vergangen. Blaise glaubte mittlerweile an Harrys Existenz, allerdings konnte er sich einfach nicht damit anfreunden, weil Draco ständig in seinem Beisein Selbstgespräche führte. Es wirkte sehr befremdlich auf ihn. Und als wäre dies nicht schon genug, setzte der blonde Slytherin noch eines oben drauf. Draco war durch Harrys Gegenwart wie ausgewechselt. Äußerlich hatte er sich nicht verändert, dafür genoss er jede Minute mit dem Gryffindor und wollte dessen Gesellschaft nie wieder missen.

Vor drei Wochen hatte er sogar anfangen – aber immer nur dann, wenn er sich unbeobachtet fühlte – der Luft zaghafte Liebesbezeugungen entgegen zu hauchen. Das war mitunter auch einer der Gründe gewesen, wieso Draco Hals über Kopf auf Blaise Couch umgezogen war, denn seine Mutter hätte ihn deswegen ohne zu zögern zu einem Heiler gebracht. Dadurch schrumpfte unweigerlich und mit einer ungeheuerlichen Rekordgeschwindigkeit auch der Inhalt von Blaise Kühlschrank, ebenso der Butterbiervorrat und seine ganz private Süßigkeitsschublande. Damit verbunden sank auch die Laune des dunkelhaarigen Slytherins. So sehr er Draco Malfoy als seinen besten Freund ansah, desto mehr konnte er mit seiner ständig wechselten Launenhaftigkeit die Nerven eines noch so starken Mannes bis aufs äußerste strapazieren.

Harry indes war so sehr in Draco verliebt, dass er sogar über jeden noch so bissigen Kommentar des Blonden hinwegsah, der ihn bei jeder günstigen Gelegenheit ärgerte. Schon bald wusste er gar nicht einmal mehr, wieso er überhaupt jemals Draco in der Schule gehasst hatte. Nichtsdestotrotz belastete Harrys Zustand ihre Beziehung. Streit stand öfters ganz oben auf der Tagesordnung. Das war seit einigen Tagen auch ein Grund, warum Harry gerne einen Ausflug zu seinem Körper auf den Friedhof unternahm und Draco ihn meist nach ein paar Stunden wieder abholte.

Am heutigen Vormittag war es wieder passiert. Draco wusste zwar nicht mehr den eigentlichen Auslöser ihrer Streiterei, umso deutlicher konnte er sich an einen schmollenden Harry erinnern, der eingeschnappt verschwunden war. Inzwischen zeigte der kleine Zeiger der Uhr auf die Drei und Draco vermisste seinen Gryffindor.

„Du bist ja immer noch da“, stellte Blaise fest, als er mit einer Flasche Muggelbier ins Wohnzimmer kam und sich mit einem Buch unter dem Arm auf einen der beiden gemütlichen Sessel niederließ.

Der Blonde antwortete mit einem lauten Seufzen und starrte melancholisch auf den Fernseher, wo er sich von einer langweiligen Sitcom zur nächsten durchzappte.

„Willst du ihn nicht langsam holen?“

Nun wurde Draco doch aufmerksam. Mit gerunzelter Stirn sah er seinen Freund an und ahnte, dass etwas nicht mit ihm stimmte. „Willst du mir damit vielleicht etwas sagen?“

„Wie kommst du denn da drauf“, antwortete Blaise und wandte seinen Blick dem Buchdeckel zu, ohne zu bemerken, dass er es falsch herum hielt. „Da ist nichts.“

„Hmmm, oh doch“, schnaubte Draco und setzte sich aufrecht hin. „Willst du mir vielleicht sagen, dass ich dich störe?“

Nur zu gerne hätte er dem Drang nachgegeben und gesagt, dass er stimmte, stattdessen begnügte er sich mit einem einfachen „Hmmm“ und schwieg.

„Harry kennt den Weg, der kommt schon zurück“, sagte Draco eingeschnappt und ging auf vollen Konfrontationskurs. „Also, wenn was ist, dann sag es mir jetzt und dann kümmere dich endlich mal um eine Lösung für unser Problem. So langsam verliere ich die Geduld.“

„Ach, du verlierst die Geduld“, wiederholte Blaise und seine Stimme troff vor Sarkasmus. „Ich will dir mal was sagen. Du hast dich hier einfach bei mir einquartiert, als würde dir die Wohnung gehören. Mein Kühlschrank ist jeden Tag leer und ich frage mich täglich, wo du das alles hin steckst. Aber egal, es geht einfach darum, dass es langsam zu eng für uns wird. Außerdem hättest du dich auch schon längst um eine Lösung bemühen können.“

Schockiert starrte Draco ihn an und öffnete den Mund, aber es kam kein Ton heraus. Sein Puls raste und er benötigte einige Sekunden, um wieder Herr über sich selbst zu werden. Dann schlug er ernst und in feinster Malfoymanier zurück. „Du kannst ja ausziehen, wenn es dir nicht passt.“ Passend dazu verschränkte er die Arme vor der Brust.

„WAS?“, kreischte Blaise und stand ruckartig auf, so dass das Buch mit einem dumpfen Schlag zu Boden fiel. „Draco … Lucius … Malfoy, hast du noch alle Nadel an der Tanne? Das ist verdammt und zugenäht meine Wohnung und du kannst völlig umsonst und wegen unserer Freundschaft bei mir wohnen. Und wegen dir hatte ich seit 3 Monaten keinen Sex mehr!“

Empört erhob sich nun auch Draco und musterte sein Gegenüber herablassend. Er fand die derzeitige Situation alles andere als prickelnd, aber was sollte er denn tun? Sich womöglich völlig durchgeknallt ins St. Mungos einliefern lassen? Oh nein, das kam auf keinen Fall in Frage! Nachdem die ersten imaginären Rauchwolkchen bereits verpufften und er von einem Fluch wegen ihrer Freundschaft geflissentlich absah, denn immerhin brauchte er Blaise, seufzte er dramatisch laut und sagte: „Mach mich gefälligst nicht für dein Sexleben verantwortlich.“

„Na, wer schläft denn auf meiner Couch.“

„Ich kann ja Abhilfe schaffen, wenn es staut“, grinste Draco teuflisch und hob verführerisch eine Augenbraue.

„Ihhhh … bloß nicht“, rief Blaise und machte instinktiv drei Schritte rückwärts. „Ich will Titten und keinen verdammten Männerarsch!“

„Dann verpasst du aber was“, zuckte Draco die Schultern und lief immer noch beleidigt und leise vor sich hingrummelnd in den Flur.

„Wo willst du hin?“

„Harry abholen.“

Erleichtert über diese Aussage dankte Blaise Merlin und Morgana. Endlich hatte er für mindestens eine Stunde seine Wohnung für sich ganz alleine. Bis dahin hätten Draco und er sich abgekühlt und gleichzeitig konnte Blaise die Gelegenheit nutzen, um seinen heimlichen Plan weiter voranzutreiben. Er wartete auf das Plopp, welches ankündigte, dass Draco nach Godric Hollow appariert war, dann schnappte er sich eilig das schnurlose Telefon von der Kommode. Diese Muggelerfindung schätzte er seit gut zwei Wochen sehr und er freute sich schon auf das folgende Gespräch. Und wie er wusste, wartete auf der anderen Leitung eine ganz bestimmte Person auf seinen Anruf. Wenn alles gut verlief, und davon ging er aus, würden bis spätestens Weihnachten seine eigenen vier Wände wieder ihm ganz alleine gehören. Bei diesem Gedanken grinste er amüsiert und wählte die Zahlenfolge, die er inzwischen auswendig konnte.


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Der große Zeiger der Uhr sprang auf Zwölf. Endlich war die Nacht angebrochen. Draußen herrschte Dunkelheit, es war eiskalt und regnete. Kurzum, England wurde von einem typischen nasskalten Herbstwetter heimgesucht. Jeder wollte so schnell als möglich nach Hause, es sich in den warmen Vier-Wänden gemütlich machen und den Gott einen lieben Mann sein lassen.

Das war der perfekte Zeitpunkt, um den eigens erdachten Plan von Blaise Zabini auszuführen.

„Kommst du jetzt oder soll ich noch länger Wurzeln schlagen?“ Draco tippte nervös mit den Fußspitzen auf den Boden. Neben ihm war Harry bereits verschwunden.

„Ich komm schon“, rief Blaise zurück und stopfte sich die Handschuhe in die Jackentasche. „Bin fertig“, sprach er schließlich, als er ins Wohnzimmer hereinspazierte und seinen Freund mit mürrischer Miene ansah.

„Erst drängst du darauf, ich soll mich beeilen und dann trödelst du herum“, stöhnte Draco beinahe melodramatisch und wirkte beleidigt.

„Jetzt spiel nicht die Diva, lass uns einfach gehen“, war die knappe Antwort, dann schnappte sich Blaise den Blonden am Ärmel und apparierte mit ihm unverzüglich auf den Friedhof von Godric’s Hollow.

Mit einem Plopp tauchten sie vor dem Mausoleum wieder auf. Auch hier war es dunkel, kalt und nass. Wenigstens schneite es nicht, denn das wäre für ihr Vorhaben nicht einträglich gewesen. Allerdings hinderte Draco etwas ganz anderes sich dem Glassarg zu nähern. Just in jenem Moment stand er mit offenem Mund vor der Gruft und versuchte keinen Herzinfarkt zu bekommen. Aber nicht der Ort schockierte ihn, sondern die beiden Gryffindors, welche neben der schwebenden Seele von Harry auftauchten. Das genügte Draco um Rot zu sehen. Mit geballten Fäusten stürmte er auf Ron Weasely zu, obwohl er wusste, dass Harry seine beiden Freunde schrecklich vermisst hatte. „Du lästige Wanze, was machst du denn hier? Wiesels haben hier nichts verloren!“

„Wir sind Blaise Einladung gefolgt“, antwortete Hermine ruhig. Nebenbei hielt sie ihren Verlobten vorsichtshalber am Ärmel fest, ehe er sich auf den blonden Slytherin stürzte. Sie hatte ihm zwar zuvor eine ordentliche Standpauke gehalten, dass sie nur gemeinsam etwas für Harry unternehmen konnten, aber Dracos Provokationen waren legendär. Und damit sich keiner der beiden, weder der Gryffindor noch der Slytherin sich wie in der Schulzeit bekriegten, mussten die Sturköpfe verstehen und lernen über ihren eigenen Schatten zu springen.

„Was? Spinnst du?“ Draco wandte sich mit einem Mörderblick an seinen besten Freund.

„Wenn du weiter rumbrüllst, können wir gleich den Friedhofswärter besuchen und ihm erzählen, dass wir Harrys Sarg stehlen wollen“, entgegnete Hermine an Blaise Stelle und verschränkte die Arme.

„Wieso weißt du davon, Granger?“ Nun lenkte Draco seine Wut auf die Gryffindor, die sein Gebaren jedoch lediglich mit einem überlegenen Gesichtsausdruck abschmetterte. Der Blonde war verwirrt und funkelte sie böse an, um sich dann wieder an Blaise zu wenden. „Was geht hier vor? Wieso sind das Wiesel und die Granger auch hier? Ich verlange auf der Stelle eine Erklärung.“ Auf Harry achtete er gar nicht, obwohl dieser inzwischen neben ihm schwebte und betrübt schniefte.

Blaise seufzte ärgerlich und schüttelte den Kopf. „Erstens, weil ich mir den Plan zusammen mit Hermine ausgedacht habe und zweitens, weil wir zu zweit den Sarg niemals tragen können. Und drittens, schreib es dir entweder hinter die Ohren oder von lass es dir von mir aus auch auf den Arsch tätowieren, Hermine und Ron sind Harrys Freunde! Sonst noch Fragen? Nein! Fein, dann können wir ja endlich anfangen.“ Schnaubend lief er auf Hermine zu, zog sie von Ron weg und marschierte mit ihr schnurstracks ins Innere des Mausoleums, ohne sich noch einmal umzudrehen.

Perplex sahen Ron und Draco ihnen nach. Rons Vorteil war in diesem Augenblick, dass er bereits durch seine Verlobte wusste, wie der Plan aussah. Draco dagegen war weitgehendes ahnungslos und wirkte durch die plötzliche Begegnung ziemlich überfordert. Seltsamerweise konnte er auf den Slytherin nicht böse sein, vielmehr tat er ihm sogar leid. Wieso und weshalb, das wusste er jedoch selbst nicht. Er hatte keine Erklärung dafür. Womöglich lag es daran, dass sein Freund doch nicht tot sein sollte. Oder es lag an Blaise Erzählungen vom Telefon, in denen er immer wieder berichtet hatte, dass Harry und Draco über beiden Ohren ineinander verknallt waren. Obwohl dieser Gedanke für ihn vollkommen absurd erschien. Wiederum konnte er nicht anders und freute sich für seinen untoten besten Freund, dass er die Liebe kennenlernen durfte. Harry hatte nach dem Krieg, und immer vorausgesetzt ihnen gelang es ihn wieder zum Leben zu erwecken, Glück verdient, so wie Hermine und er.

„Hör auf mich so dämlich anzuklotzen, Wiesel“, fuhr Draco den nachdenklichen Rotschopf an und verschränkte angesäuert die Arme vor der Brust. Hätte nicht Harry neben ihm gestanden, hätte er dem Weasley einen Pockenfluch entgegen geschleudert. Warum mussten ausgerechnet die Gryffindors dabei sein? Hätte sich Blaise nicht jemand anderen aussuchen können? Nun ja, Granger war keine so schlechte Wahl, denn sie besaß Intelligenz, aber das Wiesel …

„Keine Sorge, Malfoy“, gab Ron grinsend zurück, „ich schaue dir schon nichts ab.“

„Was soll das heißen?“ Skeptisch hob Draco eine Augenbraue und versuchte nicht zu explodieren.

„Ich stehe nicht auf Kerle“, lachte Ron provokant.

„Sagt ausgerechnet der, der mit einem Schla-“ Abrupt endete er, als ihm bewusst wurde, was er hatte sagen wollen. Gleichzeitig blickte er in Harrys trauriges Gesicht, der sich ohne ein Wort von ihm abwandte und mit gesenktem Kopf davon schwebte. Am liebsten hätte Draco sich geohrfeigt und in den Hintern getreten, denn so war es doch gar nicht gemeint gewesen. Das Wiesel hatte ihn schließlich gereizt und das konnte er sich doch nicht einfach gefallen lassen. Leider hatte er damit Harrys Freunde beleidigt und die Liebe seines Lebens mit Füßen getreten, obgleich er durch die Seelenverschmelzung wusste, wie viel die zwei seinem Liebsten bedeuteten.

„Harry … Harry, bitte bleib stehen“, rief er ihm mit reumütiger Stimme nach. Den verwirrt dreinblickenden Ron ließ er links liegen und rannte Harry hinterher. „Es tut mir leid. Bitte, bleib da, lass es mich erklären.“

„Erklären?“ Harry hielt inne, wirbelte herum und stierte den Blonden schwer enttäuscht und wütend an. „Ron ist und bleibt mein bester Freund und Hermine ist meine beste Freundin. Habe ich jemals Blaise beleidigt oder etwas Schlechtes über ihn gesagt? Nein! Aber du wolltest tatsächlich Schlammblut sagen. Ich fasse es nicht. Haub ab, ich will dich nie mehr wieder sehen. Du hast mich schwer enttäuscht.“

„So war es doch – „

„Halt den Mund!“, unterbrach ihn Harry barsch. „Es ist so wie früher, Draco. Du bist noch genauso der gefühlskalte, arrogante und verwöhnte Schnösel, dem die Gefühle von anderen völlig egal sind. Und ich dachte, du hättest dich verändert und deine Fehler endlich eingesehen. Und was ist, wenn ich plötzlich wieder in meinen Körper zurückkehre, bist du dann wieder der alte Slytherin? Ich liebe dich, Draco, aber du beleidigst meine Freunde und das kann ich nicht zulassen. Ganz besonders nicht, nachdem wir die letzten Wochen miteinander verbracht haben.“

Augenblicklich senkte Draco wie ein verprügelter Hund den Blick und hatte das schmerzende Gefühl, als würden sich seine Eingeweide zusammenziehen. Harrys Worte warten wie ein unsichtbarer Dolch, der sich mitten durch sein Herz schnitt und er schämte sich zutiefst. Das hatte er niemals gewollt. Schließlich seufzte er laut und wischte sich zwei verstohlene Tränen aus dem Gesicht.

„Keine Ahnung was Harry geben gesagt hat …“, schreckte ihn Ron auf, „… aber wir sollten uns besser beeilen. Mine und Blaise erdolchen uns gleich, wenn wir nicht langsam kommen.“ Dabei deutete er zur Gruft, wo die beiden standen und sie ungeduldig beobachteten.

Peinlich berührt sah Draco zuerst zu Hermine und Blaise, anschließend zu Ron. Die Augen des Rotschopfs wirkten eigenartig traurig und doch irgendwie glücklich. Es war eine seltsame Mischung, die Dracos Wut nochmals entfachen wollte, stattdessen schluckte er merklich und sprang aus Liebe zu Harry über seinen eigenen Schatten. „Du kannst ihn wirklich nicht sehen?“

„Nein, deswegen bin ich sogar ein wenig eifersüchtig auf dich“, lächelte Ron, so als wäre gar nichts zwischen ihnen jemals vorgefallen. Merkwürdigerweise verrauchte dabei auch sein bisheriger Zorn auf den Slytherindrachen. „Hermine hat deswegen sogar eine Theorie.“

„Theorie?“

„Ja, warum du ihn sehen kannst und wir nicht.“

Bei diesen Worten wurde sogar Harry neugierig, der seine Enttäuschung vorerst zur Seite schob und ein wenig näher heranschwebte. Nebenbei schenkte er Draco ein zögerliches Lächeln und spürte, dass er ihm nicht mehr böse sein konnte. Er wusste einfach, dass Dracos Entschuldigung aufrichtig gewesen war. Außerdem benötigte er den Mann seines Herzens, um hoffentlich bald wieder leben zu können.

„Na, sie meint, weil ihr euch liebt oder anders gesagt, weil du ihn liebst. Er berührt damit direkt dein Herz. Echt kitschig, wenn du mich fragst, aber irgendwie macht es Sinn.“

So überladen fand Draco diese Erklärung überhaupt nicht und trotzdem musste er lachen. Es war weder ein heuchlerisches oder ein überhebliches Lachen, sondern es war tief und ehrlich. Der Streit zwischen Harry und ihm verblasste, denn nun erinnerte er sich, warum er auf den Friedhof gekommen war.

Der einzige, der ein wenig verunsichert war, war Ron. So kannte er den Slytherin nicht, aber wenn er so bleiben würde, hätte er durchaus nichts dagegen. Doch nun fiel auch ihm wieder ein, wieso er hier stand und machte sich schweigend neben Draco auf den Weg zum Mausoleum.


„Könnte mich jemand aufklären, was genau gemacht werden soll?“, fragte Draco wenig später neugierig. Bisher wusste er nur, dass Blaise einen Plan besaß, der darin bestand Harrys Glassarg vom Friedhof zu stehlen, aber für ihn ergab das alles keinen Sinn.

„Da es Hermines Idee ist, sollte sie es auch erklären“, meinte Blaise und sah jeden der Reihe nach bedeutungsschwanger ins Gesicht, außer Harry natürlich, der aufgeregt neben seinem aufgebahrten Körper schwebte.

Hermine nickte. „Gut … also zuerst müssen wir den Glassarg in die Garage bringen, die ich in Greenwich extra angemietet habe. Wir können ihn schlecht zu uns nach Hause bringen und auch nicht in Blaise Wohnung und nach Malfoy Manor schon mal gar nicht. Denn sobald das Ministerium das Verschwinden bemerkt, wird die Hölle losbrechen und Harrys Körper muss an einen Ort, wo ihn niemand vermuten wird. Außerdem werde ich noch zusätzlich Schutzzauber um die Garage sprechen, den –„

„Aber warum müssen wir überhaupt den Sarg wegschaffen?“, warf Draco ein.

„Weil der Sarg hier in der Gruft zurzeit sehr starken Zaubern ausgesetzt ist“, erwiderte Hermine sachlich. „Solange sie auf Harrys Körper einwirken, können wir gar nichts tun.“ Dann wurde sie leicht blass und jeder sah ihr an, dass das Folgende ihr schwer fiel. „Aber das ist nur unser kleinstes Problem. Was ich damit eigentlich sagen will, uns läuft im Moment die Zeit davon. Und sobald wir den Sarg entfernen, wird die Zeit noch knapper.“

„Und was heißt das genau? Weißt du auch schon, wie Harrys Seele wieder in seinen Körper gelangen kann?“ Draco Malfoy hegte bei ihren Worten ein ungutes Gefühl, welches er nicht einzuordnen vermochte.

„Sozusagen“, gab sie leise zu. „Doch ich bin mir noch nicht hundertprozentig sicher. Aber bevor wir uns darüber Gedanken machen, muss Harrys Körper von hier weg. Je länger er den Schutzzaubern ausgeliefert ist, desto schwieriger wird es später, seine Seele in den Körper zurückkehren zu lassen ohne, dass sie abgestoßen wird.“

Das negative Gefühl verstärkte sich und Draco tauschte einen fragenden Blick mit Blaise. Doch dieser wirkte keineswegs besorgt, was ihn dennoch nicht aufmunterte. „Granger, kannst du wenigstens sagen, wie viel Zeit uns bleibt, sobald die Schutzzauber nicht auf Harry einwirken?“ Während er das sagte, sah er den unsichtbaren Gryffindor sorgenvoll an, der äußerst nervös bei diesen Neuigkeiten wirkte.

Hermine seufzte. „Von heute an wären es genau 28 Tage und keinen Tag länger. Nach Ablauf der Zeit setzt der ganz normale Verwesungsprozess ein, den nicht einmal ein Zauber aufhalten kann.“

Für etliche Momente schwiegen sie, selbst Harry war still und starrte nun ängstlich auf seinen eigenen aufgebahrten Körper herab. Nur 28 Tage, um eine Lösung zu finden. Das war eine verdammt kurze Zeit, aber er zählte auf Hermine. Die Brünette hatte schon immer die schwierigsten Aufgaben gelöst und diesmal vertraute er ihr wieder.

Auch Draco bekam es allmählich mit der Angst zu tun. „Dann lassen wir den Sarg lieber solange an Ort und Stelle, bis wir wissen, was zutun ist.“

„Das geht nicht“, schüttelte Hermine energisch den Kopf. „Wir müssen den Körper vom Einfluss der Schutzzauber entfernen. Im Prinzip haben wir schon viel zu lange gewartet. Ich kann es euch nicht wirklich erklären, aber merkt euch eines, die Schutzzauber verhindern mit jeder Stunde stärker und stärker, dass Körper und Geist wieder Eins werden können. Also nehme ich lieber in Kauf, dass uns die Zeit davon läuft, anstatt zu wissen, dass es überhaupt keine Hoffnung mehr gibt.“

Wieder herrschte Schweigen und erneut war es Draco, der als erster sprach. „Okay, das versteh ich und wenn ich nicht wüsste, dass dir Harry genauso am Herzen liegt wie mir, würde ich dich auf der Stelle mit einem Skelettzauber verfluchen. Aber viel lieber wäre mir, wenn du eine Lösung findest.“

„Wir werden sie gemeinsam finden“, verkündete Blaise, der trotz ihres Problems recht zuversichtlich klang.

„Mine hat schon immer alles gelöst, dann wird sie es diesmal auch schaffen“, zwinkerte Ron ihr zu. „Außerdem hilfst du ihr doch bestimmt, Blaise?“

Angesprochener lächelte und nickte. „Das werden wir schon schaffen. Doch ich bin momentan nicht scharf darauf bei einer Grabschändung erwischt zu werden, also sollten wir uns langsam mal beeilen, bevor uns noch jemand erwischt.“

Gesagt, getan und damit war es beschlossene Sache. Unverzüglich machte sich Hermine an die Arbeit und löste innerhalb der nächsten Minuten alle Schutzzauber um den Glassarg herum auf. Harry machte es sich derweil zur Aufgabe seinen eigenen Körper zu bewachen und thronte auf dem Sargdeckel. Anschließend disapparierten die vier jungen Leute, gemeinsam mit Harrys Leichnam und dessen Seele, die seinen Körper ohne Probleme folgen konnte, zum neuen Versteck in Greenwich.




wird in Teil 4 fortgesetzt

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Tag der Veröffentlichung: 22.12.2010

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