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Das Rad des Schicksals




- eine Harry Potter / Draco Malfoy Geschichte -




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Info:

18 Jahre/Slash … es ist eine „Non-Magical“-Story und basiert auf der Kindergeschichte „Die kleine Prinzessin Sarah“ ... Alle urheberrechtlich geschützten Figuren gehören JKR.
Ich habe mir die Charaktere nur ausgeliehen und verdiene mit dieser Story kein Geld!



Bild: www.serebiiforums.com




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Beeil’ dich jetzt gefälligst, du stinkender Abschaum!“, dröhnten die verletzenden Worte in Dracos Kopf und instinktiv duckte er sich. Aber es war zu spät. Eine fleischige Hand klatschte auf seinem Hinterkopf, so fest, dass er für einen Moment Sternchen aufblitzen sah und einen Schritt nach vorne taumelte. Gerade noch rechtzeitig fing er sich auf, kniff die Augen zusammen und versuchte sich wieder aufzurichten. Dabei wurde ihm schwindlig und zu seinem Unglück packten ihn zwei grobe Hände von hinten an den schmalen Schultern. Hastig wurde er zur offen stehenden Tür geschubst, wo er schließlich mit einem unsanften Fußtritt auf dem Boden im kargen Flur landete.

Draco stöhnte beim Aufprall schmerzlich und lag der Länge nach auf dem dunkelgrünen Teppich. Dem nicht genug, folgte sofort ein Fußtritt seitlich in die Rippen und er zuckte gequält zusammen, wobei er sich eisern auf seine spröden Lippen biss.

„Du hast meinen Vater gehört“, schnaubte der Sohn des Internatdirektors böse und wartete ungeduldig, bis sich Draco langsam aufrappelte.

Draco wäre am Liebsten auf der Stelle liegen geblieben und hätte sich nicht mehr gerührt, aber er wusste nur zu gut, dass seine zwei Häscher ihn dann umso mehr triezen und schlagen würden; so war es seit fast zehn Jahren und daran würde sich auch künftig nichts ändern. Als er einen Augenblick später auf wackligen Beinen stand, spürte er deutlich die brennenden Striemen, die seit einigen Minuten seinen Rücken zierten. Doch er war sie inzwischen genauso gewöhnt wie die Fußtritte, immerhin machte der Direktor jeden Tag von der Peitsche Gebrauch und nannte es Zucht und Ordnung.

„Geh’ gefälligst zu meiner Frau, sie soll dir das Geld geben“, befahl der dicke Schulleiter streng, als er im Türrahmen auftauchte. „Der hohe Besuch wird sich nicht verspäten und bis dahin muss alles fertig sein. Hast du verstanden? Und wage es nicht, ohne den Kuchen wieder zu kommen. Jetzt mach schon, bevor ich sauer werde.“

„Ja, Sir“, flüsterte Draco heiser und lief schnell zur Treppe, bevor der Direktor wirklich wütend werden würde, nicht zu vergessen sein fetter Sohn, der dem Vater in nichts nachstand. Kaum hatte er die Stufen nach unten erreicht, hörte er die Zimmertür zuschlagen und er seufzte erleichtert auf. Dann rannte Draco die zwei Stockwerke von oben bis ins Erdgeschoss, bog dort um die Ecke und wollte ungesehen an den drei Klassenräumen vorbei schleichen, wo um zwei Uhr Mittags die Schüler gemeinsam ihre Hausaufgaben erledigten. Doch zu seinem Leid öffnete sich im selben Moment die Tür zum hinteren Klassenzimmer der Oberschüler. Schlimmer noch, drei ihm nur all zu bekannte Schüler stellten sich mitten in den Gang, genau zwischen ihn und den rettenden Stufen ins Untergeschoss. Aber dort musste er hin, denn das war der Bedienstetentrakt. Schüler durften zum einen nicht dorthin und zum anderen würde das auch keiner der rund fünfzig Schüler jemals tun. Sie waren viel zu reich und legten noch viel mehr Wert auf ihre Herkunft. Niemand der das „Dursleys Internat für junge Gentleman“ besuchte, wollte etwas mit der niederen Bevölkerung zu tun haben. Aber diese drei Schüler bildeten in Bezug auf Draco eine Ausnahme, sie liebten es ihn zu beleidigen, ihn herum zu schubsen und ihm damit immer wieder zu zeigen, dass er in ihrer Gesellschaft keinen Platz mehr innehatte.

„Wo willst du denn hin?“, fragte Vincent Crabbe gehässig und lachte boshaft, sodass Draco sofort alarmiert stehen blieb.

Vincent Crabbe war neben seinem besten Freund Gregory Goyle einer der beiden kraftstrotzenden und dummen Gorillas, wie sie von ihren Mitschülern hinter vorgehaltener Hand genannt wurden. Vincent war groß, besaß braunes Haar und seine Frisur ähnelte seit Jahren einer umgedrehten Puddingschüssel.

„Der will bestimmt wieder zu seinem Liebling, um sich bei ihm auszuheulen“, kicherte Gregory Goyle und stopfte sich eines der Schokoladentörtchen vom Mittagstisch in den Mund. Sein Markenzeichen war seine verfressene Ader, was jeder eindeutig an seinem Leibesumfang erkannte. Er war sozusagen äußerst stämmig, hatte kurzes stoppeliges Haar, eine niedere Stirn und kleine, ausdruckslose Schweinchenaugen.

Der dritte im Bunde war der schlaksige, sommersprossige und nicht weniger begriffsstutzige Ronald Weasley. Er war ein Mitläufer und fand immer alles gut, was die Gorillas gut fanden und Draco ärgern stand auf ihrer „Ich-will-Spaß-Liste“, ganz oben.

„Könntest dir ruhig mal ein paar richtige Hosen und ein Hemd kaufen“, schloss sich nun Ronald seinen beiden Freunden an. „Schuhe wären auch nicht schlecht.“

Darauf grinsten die drei Oberschüler höhnisch von einem Ohr zum anderen und musterten Draco eindringlich.

Als Draco Malfoy sieben Jahre alt war, war er ebenfalls hier ein Internatsschüler gewesen, kurz bevor seine Mutter bei der Geburt seiner kleinen Schwester im Kindbett gestorben und sein Schwesterchen einige Tage später mit hohem Fieber ihrer Mutter gefolgt war. Sein Vater Lucius Malfoy war einige Wochen danach bei einer Schifffahrt von England nach Indien ertrunken und der gesamte Besitz ging damals auf mysteriöse Weise verloren. Draco hatte von den Schicksalsschlägen erst Monate später erfahren.

Direktor Vernon Dursley wollte ihn sofort nach der Bekanntgabe hochkant auf die Straße setzen. Er hatte gesagt: „Wer kein Geld besitzt, hat auch kein Anrecht im Internat zu wohnen oder etwas zu lernen.“ Und das, obwohl Draco Malfoy bei seinem damaligen Schulantritt der reichste und angesehenste Schüler gewesen war, denn seiner Familie gehörten vor dem Unglück zwei Diamantenminen, mehrere Fabriken und einige Ländereien in Irland und Großbritannien. Letztendlich hatte Draco es Petunia Dursley, der Ehefrau des Schulleiters, zu verdanken, dass er heute nicht irgendwo unter einer Brücke schlafen musste. Dafür arbeitete er seitdem für die Schule und die Familie Dursley. Er schuftete von früh morgens bis spät in die Nacht hinein, bekam zusammen mit den anderen Bediensteten ein klägliches Frühstück und ein recht mageres Abendessen, verbrachte die Nächte auf seinem Schlafplatz im Keller, trug eine schäbige Hose, ein uraltes Hemd mit noch mehr Löchern und Schuhe besaß er gar nicht.

„Bitte, lasst mich vorbei, ich muss für den Direktor etwas Dringendes erledigen“, versuchte Draco mutig den Drei entgegen zu treten.

„Ja und?“, schnaubte Ronald und stemmte streitlustig beide Hände in die Hüften. „Das ist nicht unser Problem.“

„Aber wenn du vielleicht lieb bittest, dann könnten wir es uns überlegen“, sagte Vincent mit hinterhältigem Blick.

„Bitte, es ist sehr wichtig“, murmelte Draco eingeschüchtert, denn er kannte ihre Spielchen nur zu gut. Sie endeten für ihn oft mit blauen Flecken und Prellungen.

„Oh … es ist wichtig“, äffte Gregory den Blonden nach und machte mit erhobenem Zeigefinger einen Schritt nach vorne. „Was hast du schon wichtiges zu erledigen, du bist eh nur Abschaum!“ Dabei besah er sich den leicht verängstigten Draco von oben bis unten und lachte schallend. „Wenn du verreckst, nagen nicht mal die Ratten an dir. Außerdem stinkst du wie ein ganzer Müllhaufen.“

Vincent und Ronald wollten schon laut losprusten, als plötzlich eine energische Frauenstimme sie beim Namen nannte und Petunia Dursley auf der Treppe erschien und sich anschließend mit ärgerlicher Mine zwischen die beiden jungen Männer stellte, während Gregory erschrocken zusammenzuckte.

„Meine Herren, was tun Sie hier? Sie haben sich um diese Zeit um Ihre Hausarbeiten zu kümmern“, bedeutete Petunia ernst und scheuchte die drei Schüler mit einigen barschen Handbewegungen zurück in den Klassenraum. Doch sie gingen erst, bevor sie Draco einen warnenden Blick zugeworfen hatten, dass er beim nächsten Mal wahrscheinlich nicht so viel Glück besaß und sich besser in Acht nehmen sollte. Er schluckte dabei merklich.

„Was dauert da eigentlich so lange?“, richtete Petunia Dursley ihre nächsten Worte an Draco, der sich nicht von der Stelle bewegt hatte. „Der Kuchen muss endlich abgeholt werden und bis heute Abend ist noch eine Menge zu tun. Komm mit, ich gebe dir das Geld und wehe du trödelst unterwegs.“

„Ja, Madame“, antwortete Draco leise und folgte der Ehrfrau des Direktors mit gesenktem Haupt die Treppe nach unten und sie drückte ihm in der Küche fünf Pfund in die Hand. Anschließend wandte sie sich nervös an die Köchin, um zum zehnten Mal das Diner für den ganz besonderen Besuch durchzusprechen. Auf Draco achtete sie nicht mehr und er trat mit einem glücklichen Lächeln durch die Küchentür in den großen Hof mit angrenzendem Garten. Wie erwartet fegte sein einziger und bester Freund Blaise Zabini den Steinboden und summte eine ihm vertraute Melodie vor sich hin. Das tat er immer und meinte, dieses Lied hätte seine Mutter ihm frührer Zuhause vorgesungen.

Blaise stammte ursprünglich aus Spanien. Als dort vor acht Jahren jedoch eine gefährliche Grippewelle viele Opfer gefordert hatte, darunter auch seine eigene Familie, war er als Schiffsjunge nach London gekommen. In der Großstadt hatte er bereits einiges erlebt, bis er am Ende im Internat als Junge für alles eingestellt worden war und sich auf Anhieb mit Draco verstanden hatte.

Seitdem teilte sich die beiden alles und sahen sich als Brüder im Geiste, denn vom Aussehen ähnelten sie sich kaum. Blaise hatte rabenschwarze Haare, fast schwarze Augen und seine Haut besaß von Natur aus einen hellen Braunton. Nur in ihrer Größe und im Körperbau glichen sich Draco und Blaise, genauso wie mit den alten zerschlissenen Hosen und Hemden.

„Blaise … Blaise“, rief Draco froh ihn zu sehen und kam direkt vor ihm zum Stehen.

„Was ist denn passiert?“, fragte Blaise augenblicklich, als er unter dem Hemd seines Freundes die frischen Peitschenstriemen erkannte, worauf er Besen Besen sein ließ und er ihm aus der Hand glitt und dumpf auf den Boden fiel. Er war über den Anblick nicht erfreut.

„Nur das übliche“, winkte der Blonde ab und zeigte damit deutlich, dass er im Moment nicht darüber reden wollte.

Aber so einfach gab Blaise nicht auf und das wussten beide. „Warum diesmal? Komm schon, der fette Tyrann findet jeden Tag etwas neues, um dich zu schlagen. Wenn ich könnte, dann würd’ ich gern mal den Spieß umdrehen.“ Alleine beim Gedanken knirschte der Spanier ärgerlich mit den Zähnen und ballte die Hände zu Fäusten. Aber bevor Draco ihm antworten konnte, sprach er bereits weiter. „Lass mich raten … du hast ihm und seinem verfressenen Sohn das Mittagessen zu spät gebracht oder war der Scotch schon wieder leer?“

„Beides“, gab Draco zögerlich zu und atmete schwer aus. Dann schaute er mit seinen stets glänzenden sturmgrauen Augen seinem Freund ins Gesicht. „Ich weiß es doch selbst, wie beschissen alles ist, aber wo soll ich bitte hin? Und ohne dich geh’ ich bestimmt nicht fort.“

Blaise schluckte einen Kloß im Hals herunter. Auf der einen Seite ehrte es ihn ungemein, dass Draco niemals ohne ihn gehen wollte, auf der anderen Seite gab es da eine Tatsache, die keiner von ihnen gerne aussprach und eigentlich ein Geheimnis war. Schlimmer fand er es allerdings, dass Dracos Unschuld immer wieder aufs Neue in seinen Augen aufblitzte, was ihn umso zorniger auf den Direktor und seine Familie machte. Würden nur die richtigen Leute von der Sache erfahren, dann …

„Ich muss los, sonst wird es auf jeden Fall so spät“, unterbrach Draco die Gedanken seines Freundes, und kaum hatte er geendet, war er auf dem Weg zum eisernen Hoftor und lächelte Blaise kurz über die Schulter an.


Vom Internat bis zur Bäckerei war es nicht weit, zum Glück, denn inzwischen hatte der Herbst in London Einzug gehalten. Es wehte ein beständig kühler Wind, die Temperaturen fielen von Woche zu Woche immer weiter ab. Aber heute schien ausnahmsweise die Sonne und färbte das Laub der Bäume im angrenzenden Park in ein herrlich goldrotes Farbenspiel. Selbst die Wolken besaßen am heutigen Tag keine Möglichkeit den blauen Himmel in ein grässliches Grau zu verwandeln.

Draco war ungefähr zwanzig Minuten unterwegs gewesen und verließ soeben mit einer großen Schachtel auf dem Arm und einer kleinen Papiertüte in der Hand die Bäckerei von Madame Pomfrey und ihrem Mann. Die liebenswürdigen Eheleute kannten ihn gut, er kam mindestens dreimal in der Woche und holte zusammen mit Blaise die Bestellungen des Internats ab. Als er schließlich draußen stand, lief er zur nächsten Häuserecke, die nur ein paar Meter weiter war, stellte die Kuchenschachtel vorsichtig auf dem gepflasterten Gehweg ab und widmete sich der Papiertüte. Ein köstlich süßlicher Duft stieg ihm in die Nase und brachte seinen Magen wie auf Kommando zum Knurren. Er verlor keine Zeit, griff gierig nach einem der vier Rosinenbrötchen und aß es hektisch. Das zweite versuchte er zu genießen, doch es war ebenfalls viel zu schnell aufgegessen. Dann besah er sich immer noch hungrig die übrig gebliebenen Brötchen und schloss schweren Herzens die Tüte. Er wollte sie Blaise mitnehmen, wobei er sie zuvor von Madame Pomfrey geschenkt bekommen hatte.

Draco seufzte und wollte sich gerade umdrehen, um den Kuchen aufzuheben, da prallte er plötzlich gegen etwas Hartes. Im ersten Moment erschrocken, kämpfte er mit seinem Gleichgewicht, im nächsten spürte er eine helfende Hand, die seinen Unterarm festhielt, sonst wäre er vermutlich unsanft auf dem Hosenboden gelandet. Irritiert sah er auf und wollte schimpfen, ob derjenige, der ihn angerempelt hatte, nicht besser aufpassen könnte, aber die Worte blieben ihm im Hals stecken.

Vor ihm stand ein junger Mann mit schwarzen leicht verwuschelten Haaren, nicht älter als er selbst, und starrte ihn mit funkelnden smaragdgrünen Augen überrascht an. Dazu trug er einen schönen schwarzen Anzug und Umhang, was ihn beides gut kleidete. Er wirkte auf den ersten, sogar auf den zweiten Blick völlig anders auf Draco, wie all die anderen feinen Herren Londons, die er bisher kannte. Vergessen war sogar sein Ärger, dafür wuchs auf unerklärliche Weise seine Unsicherheit und nach unendlich langen Sekunden senkte er beschämt den Kopf.

„Es tut mir leid, Sir“, flüsterte Draco in die Richtung des Fremden und fühlte dessen Augen auf sich ruhen, was ihn mit einem Mal nervös machte.

„Ich fürchte“, meinte der Schwarzhaarige mit einem verzeihlichem Lächeln auf den Lippen, „… ich muss mich bei dir entschuldigen. Ich hätte besser aufpassen müssen und auf den Weg achten sollen, anstatt mir die Gegend anzusehen. Ist dir etwas passiert?“

Einen Moment war Draco sprachlos. Er hatte mit vielen gerechnet, aber nicht mit einer Entschuldigung des Fremden, der zudem auch noch freundlich war. Das irritierte Draco ungemein und seine Beklommenheit wuchs. Dann gab es für ihn nur eine einzige Lösung: Flucht. Eilig stammelte er ein „Mir geht es gut, Sir“ und wandte sich ab. Er wollte auf dem schnellsten Weg nur noch fliehen, als ihn völlig unerwartet eine Hand am Unterarm packte, sodass er verängstigt zusammenfuhr und sein Hemd durch den Ruck am Rücken nach oben rutschte. Abrupt hielt er inne und versuchte nicht zu beben. Sofort ließ die Hand los und Draco zupfte sich sein löchriges Hemd wieder zurecht. Er verspürte dabei ein seltsames Gefühl im Bauch, teils aus Angst und teils aus Wut, wobei er den schwarzhaarigen jungen Herrn einfach nur anstarrte.

„Du hast deine Kuchenschachtel vergessen“, bedeutete der junge Mann und zeigte mit der anderen Hand auf den Kuchen am Gehwegrand. „Das ist doch deiner?“

Nun war Draco total verwirrt und wollte jetzt mehr denn je zurück zu Blaise und ins Internat. Daher nickte er nur, hob die Schachtel auf und rannte schließlich davon.

Zurück blieb ein verdutzter Harry Potter, der dem Blonden aufwühlt nach sah, bis er hinter sich seinen Namen hörte. Augenblicklich drehte er sich zu der vertrauten Stimme um und hinter ihm stand sein Patenonkel Sirius Black. Beide, Sirius und Harry, ähnelten sich sehr, außer dass dem Älteren die Haare auf den Rücken fielen, während der Jüngere eine kurze und unbändige verwuschelte Haarmähne besaß.

„Was war denn los? Warum ist der Junge plötzlich weggerannt?“, fragte Sirius neugierig, der die Szene von der anderen Straßenseite verfolgt hatte.

„Wenn ich das wüsste, könnte ich es dir sagen“, seufzte Harry und wandte sich wieder um, aber der Blonde war spurlos verschwunden. „Aber etwas stimmte nicht, er hatte irgendwie Angst vor mir. Ich glaube sogar, ich habe frische Peitschennarben auf seinem Rücken gesehen.“

„Das kommt leider öfters vor“, entgegnete Sirius Gedanken versunken und blickte in dieselbe Richtung wie sein Patensohn. „Menschen mit schlechtem Charakter oder jene, die sich nicht wirklich behaupten können, greifen leider viel zu oft zu den falschen Mitteln und bestrafen die, die es nicht verdient haben. Davon kenne ich einige und keiner von ihnen wird künftig davon profitieren, sondern sich einiges Tages ganz unten sehen.“ Dann schüttelte er den Kopf und legte eine Hand auf Harrys Schulter. „Und wir zwei sollten langsam nach Hause, damit wir heute Abend wenigstens pünktlich sind“, wechselte er das Thema.

„Muss ich denn wirklich? Die ganze Zeit ging es doch …“, dabei wirbelte Harry herum und schaute Sirius bettelnd in die dunklen Augen.

„Keine Widerrede“, unterbrach der Ältere lachend, denn diese Diskussion führten sie seit ihrer Rückkehr vor drei Wochen nach London täglich. „Ich habe deinen Eltern damals versprochen aus dir ein Gentleman zu machen und sehe es mal anders herum, so lange ist es gar nicht. Nur ein Jahr.“ Mehr sagte er nicht und lief mit seinem Patensohn zur warteten Kutsche.


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Kurz vor sieben Uhr abends hielt die Kutsche mit Sirius Black und Harry Potter vor dem „Dursley Internat für junge Gentlemen“ an. Der Kutscher öffnete die Tür und beide Insassen wurden und im wahrsten Sinne des Wortes sofort übertrieben höflich vom Direktor und seiner Frau am Hoftor persönlich begrüßt.

Spätestens in diesem Moment wusste Harry wieder, warum er sich so vehement gegen dieses Internat gewehrt hatte, welches zu allem Überfluss auch noch von der angeheirateten und unbeliebten Verwandtschaft mütterlicherseits geführt wurde. Die Dursleys hatten sich immer für besser als die Potters gehalten. Harry konnte von Glück reden, dass er nach dem tragisch tödlichen Unfall seiner Eltern und laut ihrem Testament nicht nur der einzige Erbe eines gewaltigen Vermögens, sondern seitdem auch bei seinem geliebten Patenonkel Sirius Black leben dufte. Schon früh war Harry mit ihm von Land zu Land gereist, um dort von Privatlehrern unterrichtet zu werden, bis heute. Sirius Black bestand darauf, dass sein Patenkind die restlichen Monate bis zu seiner offiziellen Volljährigkeit in London eine gute Schule besuchte und das Dursley Internat besaß zum einen guten Ruf in der Gesellschaft und zum anderen ausgezeichnete Lehrkräfte.

„Oh Harry, mein Junge“, rief Petunia überschwänglich und umarmte ihren Neffen ebenso übertrieben, wie Vernon Dursley im Geiste bereits das Geld zählte, welches Sirius für die Ausbildung seines Patensohnes zahlen würde. „Du bist groß geworden und hübsch.“ Dann löste sie sich von ihm und betrachtete ihn von Kopf bis Fuß.

„Danke“, war das einzige was Harry erwiderte und sich formgalant vor seiner Tante verbeugte.

„Er wird auch bald ein junger Mann sein“, mischte sich Sirius ein, legte eine Hand auf die Schulter seines Patensohnes und lächelte. Ihm fiel es ebenso schwer wie Harry der unangenehmen Verwandtschaft entgegen zu treten und sie beide mussten jetzt einfach nur die Zähne zusammenbeißen. Die Zeit würde schnell vorbei sein.

Im selben Augenblick weckte ein Rascheln Harrys Aufmerksamkeit und er schaute vorsichtig nach links. Dort erkannte er trotz der Dunkelheit zwei junge Männer, die sich hinter einem Busch im Vorgarten des Internats versteckten und ihn neugierig durch die Zweige hinweg beobachteten. Einer der beiden hatte er schon einmal gesehen. Es war der Blonde von heute Nachmittag und das hieß wohl, dass er für seine Tante und Onkel hier arbeitete. Bei diesem Gedanken freute er sich plötzlich und erinnerte sich wieder an die wunderschönen, strahlenden sturmgrauen Augen. Sie hatten ihn ängstlich und scheu angesehen und auf der anderen Seite sah er wieder diese Peitschenstriemen auf dem Rücken des Jungen. Dafür konnte doch eigentlich nur sein gehasster Onkel Vernon verantwortlich sein, der laut Sirius früheren Erzählungen gerne solche Mittel einsetzte. Und damit war mit einem Mal sein Wunsch geboren hier freiwillig zur Schule zu gehen und hoffentlich bald mehr von dem Blonden zu erfahren, der seit seiner übereilten Flucht auf der Straße ihm immer wieder durch Kopf geisterte.

Im provisorischen Versteck der beiden Freunde glaubte Draco kaum seinen Augen zu trauen und konnte seinen Blick nicht von dem Schwarzhaarigen nehmen, den die Frau des Direktors Harry gerufen hatte. Er fand diesen Namen schön und sagte sich, dass der Name Harry auf merkwürdige Art und Weise zu dem jungen Gentleman passte. Allerdings konnte er seine Überraschung nicht verbergen und als alle im Haus verschwunden waren, setzte sich Draco verwirrt mitten aufs Gras im Vorgarten. Sein Herz schlug plötzlich schneller, obwohl er nicht wusste warum und zugleich spürte er Freude in sich aufsteigen. Es lag an Harry, der ihn faszinierte und von dem er bis vor wenigen Minuten geglaubt hatte, niemals wieder zu sehen, doch der so unverhofft aus der prächtigen Kutsche gestiegen war, sodass nun Dracos Neugier auf den Fremden geweckt war.

„Draco, ist das wirklich der Junge von dem du mir heute Mittag erzählt hast?“, fragte Blaise und setzte sich neben ihn. „Bist du dir da auch ganz sicher?“

„Ganz sicher“, antwortete Draco beinah geistesabwesend und verstand nicht, warum er plötzlich nervös war. Es lag jedoch nicht am Zufall, sondern an dem Jungen selbst.

„Dann weiß ich, was wir machen“, schmunzelte Blaise und bemerkte Dracos Nervosität mit einem guten Gefühl im Bauch. Bei den beiden Besuchern hatte er ebenfalls ein gutes Gefühl gespürt und darauf konnte er sich bisher immer verlassen. „Wir werden den Neuen beobachten.“

„Was?“ Draco sah ihn schockiert an. „Das kannst du nicht machen!“

„Und ob!“ Blaise wollte sich nicht davon abbringen lassen.

„Leider kenne ich dich zu gut und du wirst es tun, ob ich das will oder nicht. Dann mach es aber alleine, ich will keinen Ärger. Aber vergiss dabei nicht, der Neue wird im dritten Stock wohnen, da kommen wir beide niemals hin und warum willst du es überhaupt tun?“

„Keine Ahnung“, lächelte Blaise wahrheitsgemäß. „Aber so einen interessanten Schüler gab es hier noch nie.“ Damit war für ihn die Sache erledigt und er stand auf.

Draco folgte seinem Beispiel und anschließend liefen sie schweigend zurück in die Küche, wo genügend Arbeit auf sie wartete.


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Mittlerweile war ein Monat vergangen und das schmuddelige und regnerische Novemberwetter tobte durch Londons Straßen. Im Internat herrschte der normale Schulalltag und Harry war von jedem Schüler herzlich aufgenommen worden. Nur Vincent Crabbe, Gregory Goyle and Ron Weasley zeigte er bereits nach ihrer ersten Begegnung im Schulraum der Oberschüler die kalte Schulter, was die drei wiederum gar nicht mochten und es Harry in jedem passenden Moment spüren ließen. Das ihre kindischen Spielchen bei ihm einfach abprallten, bekamen sie nicht einmal mit, was nicht unbedingt für ihre Intelligenz sprach.

Stattdessen hatte es sich Harry zur Aufgabe gemacht Draco besser kennen zu lernen, was sich als äußert schwierig erwies. Er konnte bisher von Glück reden den Namen zu kennen und wusste, dass er mit dem spanischen jungen Mann namens Blaise befreundet war, die beide im Internat Jungen für alles waren. Ansonsten kreuzten sich ihre Wege eher durch Zufall, was Harry zum Anlass nahm einen Plan auszuarbeiten. Wieso sein Interesse so groß war, konnte er nicht sagen, aber dafür hatte er neben seinen Schularbeiten etwas Unerfreuliches herausgefunden. Beim Zusammenprall mit Draco vor der Bäckerei hatte er damals tatsächlich Peitschenstriemen auf Dracos Rücken gesehen und die Schuldigen waren niemand anderes, als sein widerlicher dicker Onkel Vernon und sein nicht weniger dicke Cousin Dudley.

An einem Samstagnachmittag kam ihm endlich der rettende Einfall, um mit dem Blonden ein paar Worte wechseln zu können. Er gab vor durch seinen Kamin würde es furchtbar herein ziehen und forderte, dass die Angelegenheit ganz dringend geprüft werden sollte. Wie nicht anders zu erwarten versprach sein Onkel, dass er Draco schicken würde, der ihm Haushalt die niedrigsten Arbeiten verrichtete. So saß Harry nervös vor dem warmen Kamin im Sessel und blätterte lustlos in einem Buch, als es plötzlich an der Tür klopfte. In Windeseile legte er die Lektüre beiseite und sagte laut: „Herein.“

Zögerlich öffnete Draco die Tür und wirkte verwundert wie warm es in diesem Zimmer eigentlich war, wo er doch nach dem angeblich beschädigten Kamin sehen sollte. Dazu überraschte ihn der Anblick der großen und prachtvollen Räumlichkeiten weitaus mehr, was er jedoch niemals zugeben würde. Noch vor Jahren hatte er als beliebter und begabter Schüler einmal selbst den dritten Stock bewohnt. Nachdem er allerdings in Ungnade gefallen war, durfte er bis heute keinen Schritt mehr in das wunderschön möblierte Zimmer tun, welches sich seltsamer Weise seitdem kaum verändert hatte. Bei diesem Gedanken spürte er einen Stick im Magen. Wie gerne hätte er noch ein einziges Mal in seinem Leben eine Nacht in diesem herrlichen großen und bequemen Himmelbett geschlafen. Aber dies blieb nur eine Träumerei und stattdessen versuchte er sich auf das bevorstehende Problem zu konzentrieren.

„Der Direktor hat mich geschickt, Sir“, sagte er und trat mit gesenktem Kopf ein. „Ich soll nach dem Kamin schauen.“ Er traute sich dabei nicht in die glänzend smaragdgrünen Augen des Schwarzhaarigen zu blicken, die ihn jedes Mal aufs Neue ganz durcheinander brachten und seinen Herzschlag beschleunigten, wenn sich beide bei flüchtigen Begegnungen sahen. Und er hatte sie weitaus öfters gesehen, als nur zufällig. In jeder freien Minute hatte er heimlich Harry Potter beobachtet und war so fasziniert von ihm und seiner ausstrahlenden Aura gewesen, wobei er meist alles um sich herum vergessen hatte. So einen jungen Mann, abgesehen von Blaise, hatte er zuvor niemals getroffen.

„Ja, Draco“, antwortete Harry freundlich und winkte den Blonden näher zu sich heran. Einen Moment überlegt er fieberhaft, was er als nächstes sagen konnte, da entschloss er sich kurzerhand für die Wahrheit. „Wie du wahrscheinlich bemerkt hast, der Kamin funktioniert ausgezeichnet. Eigentlich gibt es einen ganz anderen Grund und der bist du. Bitte, setzt dich doch …“, dabei deutete er auf den Sessel ihm gegenüber, „… ich würde gerne mit dir reden, aber nur, wenn du es möchtest.“

Draco dachte er hätte sich verhört und holte vor Schreck tief Luft und hielt sie einige Augenblicke an, bevor er sie wieder entweichen ließ. Automatisch ruckte sein Kopf nach oben und er blickte geradewegs in die charmanten smaragdgrünen Augen. Darauf war er wie gelähmt und nahm für einige Sekunden nur noch dieses faszinierende Grün wahr. Sein herz raste, während irgendetwas in ihm eine ganze Ameisenarmee auf den Weg schickte und seinen Körper zum Kribbeln brachte, und seine Knie wurden ganz weich.

Harry hatte indes nur einen Blick übrig und dieser galt den wunderschön funkelnden sturmgrauen Seelenspiegeln von Draco. Sie bargen eine unbeschreibliche Unschuld, die ihm einen heißkalten Schauer über den Rücken jagte. Sein Puls beschleunigte sich und dann spürte er etwas, was er schon seit Tagen immer wieder empfand, wenn er nur an den blonden jungen Mann dachte. Seine Haut prickelte und in seinem Bauch wuselten kleine Schmetterlinge herum, die ihn glücklich machten und zugleich sehr irritierten.

„Ähm … setzen … ich … ja, Sir“, stammelte Draco, froh darüber überhaupt etwas über seine Lippen zu bekommen, wobei er vorsichtig zwei Schritte nach vorne tat.

„Ähm … ja“, antwortete Harry stockend und sein ganzer Plan war wie weggeblasen. Aber wer brauchte schon einen Plan, wenn das Interesse an einem anderen Menschen größer war, wie jemals zuvor und das auf eine ganz besondere Art und Weise, die Harry nicht erklären konnte. „Setz dich doch bitte“, er deutete dabei erneut auf den Sessel seinem gegenüber.

Draco glaubte wirklich zu träumen und wenn er träumte, dann war es ein wunderschöner Traum, ein Traum, den er bislang nie gewagt hatte zu träumen. Doch noch zögerte er, bis schließlich sein Mut zurückkehrte und er am Ende auf dem weichen Samtpolster Platz nahm. Trotzdem konnte er nicht verbergen, dass er völlig verwirrt war, während seine Knie sich Wackelpudding anfühlten.

„Du brauchst keine Angst haben“, sagte der Schwarzhaarige und versuchte Draco nicht direkt anzuschauen, sonst hätte er vermutlich kein vernünftiges Wort mehr herausgebracht.

„Aber ich habe keine Angst, Sir“, erwiderte Draco für sich selbst ganz überraschend. „Ich bin nur verwirrt.“

„Lass das Sir bitte weg“, lächelte Harry scheu, „und sag einfach Harry. Kein Sie … einfach nur Du“, und er überlegte, wie er das Gespräch weiterführen konnte. Er konnte schlecht sagen, dass er nicht weniger verwirrt war. Dabei hatte er eigentlich mit Draco nur ganz normal reden wollen, aber stattdessen lag jetzt etwas zwischen ihnen, dass beide nicht kannten.

Der Blonde runzelte verdutzt die Stirn, denn so etwas war in der höheren Gesellschaft verpönt. Allerdings war Harry von Kopf bis Fuß anders und intuitiv musste er lächeln.

„Darf ich fragen wie du heißt?“, wagte Harry einen weiteren Schritt, obwohl er den Vornamen bereits kannte, aber er wollte ihn zu gerne von Draco selbst hören.

„Mein Name …“, meinte der Blonde leise und schluckte merklich, nebenher knetete er nervös seine Finger. „Also ich heiße Draco … Draco Malfoy.“

Als hätte schlagartig jemand die Fenster geöffnet und den kalten Wind und den Regen ins Zimmer gelassen, erschrak Harry bei der Erwähnung des Nachnamens Malfoy. Diesen Namen kannte er, Sirius nannte ihn mindestens einmal täglich. „Du sagtest eben wirklich Malfoy?“

„Ja … warum?“, antwortete Draco verunsichert und hatte keine Ahnung was plötzlich passiert war. Zugleich wurde sein Körper von einer ungewöhnlichen Beklommenheit erfasst und am liebsten wäre er sofort abgehauen.

„Dein Vater hieß nicht zufällig Lucius Malfoy?“, fragte Harry leise. „Wenn ja, dann … dann bedeutete das … aber das kann doch nicht sein“, er stockte und stand auf, um nervös zum Fenster und wieder zurück zu laufen. „Bitte sag mir, dein Vater war Lucius Malfoy und deine Mutter Narzissa Malfoy? Er sah Draco flehend an und sein Herz schlug überrascht gleich noch schneller, diesmal aus einem ganz anderen Grund.

Durcheinander saß Draco da und seine Verwirrtheit nahm umso mehr zu. Was geschah hier? Hatte er vielleicht etwas Falsches gesagt oder getan? Aber er hatte doch nur seinen Namen genannt und warum wusste Harry den Namen seiner Eltern? So viele Fragen wirbelten wild in seinem Kopf umher, dass er erst reagierte als Harry vor ihm kniete und bittend ansah. „Ja …“, flüsterte Draco kaum hörbar. „Woher kennst du meine Eltern?“

„Nicht ich, mein Patenonkel Sirius Black kannte sie. Er ist schon seit fast zehn Jahren auf der Suche nach dem Sohn von Lucius Malfoy“, schmunzelte Harry freudig und dankte im Stillen dem plötzlichen Wink des Schicksals. Sollte damit wirklich die lange und bisher erfolglose Suche jäh ein Ende gefunden haben? Genau an jenem Ort, wo Sirius einst begonnen hatte?

„Was hat das zu bedeuten?“ Dracos Neugier wuchs rasch ins Unermessliche, denn er hatte den Namen Sirius Black schon einmal damals bei seinem Vater gehört.

„Mein Patenonkel und dein Vater waren Freunde“, erzählte Harry und stand langsam auf, um wieder im Sessel Platz zu nehmen. Vorerst wurde das Kribbeln im Bauch von seinem Wissensdurst überlagert. „Mein verstorbener Vater James war auch mit ihm befreundet. Meine Eltern sind aber schon sehr früh gestorben und so kam ich zu Sirius. Zum Glück … denn ohne das Testament hätte ich zu Tante Pentunia gehen müssen, sie ist die Schwester meiner Mutter. Ich habe sie nur ganz selten gesehen und das reicht mir für den Rest meines Lebens. Aber lange Rede, kurzer Sinn … „, schmunzelte er und beobachtete Draco, der ihm interessiert lauschte, „ … Sirius ist ganz offiziell nicht nur mein Pate, sondern auch deiner.“

Für einige Augenblicke herrschte Schweigen. Das alles kam so plötzlich und überraschend. „Aber … woher …“, murmelte der Blonde kurz darauf sichtlich erstaunt. Auf Grund dieser ungeheueren Neuigkeiten konnte er auch zum ersten Mal dem Schwarzhaarigen richtig in die Augen schauen, ohne gleich mit der merkwürdigen Armeisenarmee im Bauch wegsehen zu müssen. Die Verwunderung hatte bei ihm vorerst die Oberhand gewonnen.

„Woher ich das weiß? Das musst du Sirius fragen“, schüttelte Harry entschuldigend den Kopf. „Er erzählt nicht sehr viel darüber, immer nur Bruchstücke, aber eines weiß ich ganz genau … er sucht dich seit einer Ewigkeit und ist jedem noch so kleinstem Hinweis regelrecht hinterher gejagt. Aus dem Grund waren wir so gut wie nie in England, sondern fast überall wohin ihn die angeblichen Andeutungen geführt haben. Sogar in Indien hat er nachgeforscht.“

„Aber wie kann das sein?“, fragte Draco immer verwirrter, obwohl er allmählich begriff was ihm Harry versuchte zu erklären.

„Berechtigte Frage“, seufzte der Schwarzhaarige und dachte anschließend laut nach. „Er hat dich hier als erstes gesucht. Aber du warst zu diesem Zeitpunkt gar nicht im Internat, was wirklich sehr komisch war. Eigentlich hätte er dich damals gleich …“

„Ich war aber schon immer hier“, warf Draco ein und plötzlich kehrten die Erinnerungen zurück.

„Du warst schon immer hier?“, wiederholte Harry nachdenklich. „Was ist passiert?“

„Ich kann mich erinnern, die Nachricht vom Tod meines Vaters traf fast zwei Monate später ein“, begann Draco und versuchte sich jedes winzige Detail ins Gedächtnis zu rufen. „Der Brief wurde damals von einem Anwalt überbracht, den ich nicht kannte. Darin hieß es, mein Vater hätte mir nach seinem Tod nichts hinterlassen, nichts außer einem Haufen Schulden, die ich vermutlich nicht mal in vierhundert Jahren abbezahlen kann.“

„Da stimmt etwas nicht“, warf Harry ein. „Das gesamte Vermögen wird zurzeit von einem Treuhandfond verwaltet und zwar solange, bis der wahre Erbe auftaucht. Sirius bekommt deswegen immer Besuch von einem Rechtsanwalt, immer wenn wir wieder in England sind.“

Dracos Augen weiteten sich. „Soll das vielleicht heißen, mein Vater hatte überhaupt keine Schulden?“

Harry nickte und auch bei ihm klärte sich allmählich das Bild. „Aber wie kann es sein, dass du nicht hier warst als Sirius dich suchte?“

Diese Nachrichten beschleunigten Dracos Puls und er spürte einen stechenden Schmerz im Magen. Denn jetzt ergab alles auf erschreckende Art einen Sinn. „Dein Onkel Vernon hat mich nach der Bekanntgabe vom Tod meines Vaters aus genau diesem Zimmer geworfen. Früher habe ich hier gewohnt“, dabei wanderte sein Blick einmal durch den großen Salon, während sich seine Augen ungewollt mit Tränen füllten. „Der Direktor meinte, ich besitze keinen Cent mehr und hat mich aus Wut einen Monat in den Keller gesperrt. Er sagte, er hätte wegen mir Unsummen ausgegeben und wollte mich auf die Straße werfen. Aber seine Frau, deine Tante meinte, sie hätte ihn vom Gegenteil überzeugt und ich sollte hier im Internat arbeiten und damit einen kleinen Teil meiner Schulden abbezahlen.“

„Das heißt dann …“, sprach Harry weiter und fühlte dabei einen unglaublichen Hass auf seine ohnehin ungeliebte Verwandtschaft in sich aufsteigen, „… mein Onkel hat dich genau zur gleichen Zeit eingesperrt, als Sirius anfing nach dir zu suchen.“

Kaum hatte Harry geendet war es mit Dracos Fassung gänzlich vorbei und die Tränen rannen ihm ungehindert über die Wangen. Das alles war zu schön um wahr zu sein und er begann schließlich am ganzen Körper zu zittern. „Bitte sag mir“, schluckte er, „ich träume doch. Wie kann es wahr sein?“

„Es ist wahr“, flüsterte Harry, der am liebsten mitgeweint hätte. Stattdessen sprang er auf, setzte sich auf die Lehne von Dracos Sessel und nahm ihn tröstend in die Arme. „Es ist die Wahrheit“, sagte er leise und streichelte behutsam über den bebenden Rücken, wobei er vorsichtig war, denn er wusste von den neuen Peitschenstriemen seines Onkels, die er erst gestern Draco wegen angeblichem Ungehorsam und zur Züchtigung ausgeteilt hatte. „Du brauchst keine Angst mehr haben … Sirius und ich helfen dir.“

Viele Minuten saßen beide nur da, bis Draco sich einigermaßen beruhigt hatte. Als sie sich schließlich wieder in die Augen sahen, kehrten auch die Schmetterlinge und Ameisen schlagartig zurück. Es war, als würden sie sich dabei gegenseitig den notwendigen Halt geben, um das Unfassbare von eben besser verstehen zu können und das wundervolle Gefühl für den jeweils anderen verlieh ihnen gleichzeitig eine große Kraft.

„Du musst ganz dringend zu Sirius“, seufzte Harry nach langer Zeit und fuhr ohne darüber nachzudenken mit den Fingerspitzen über Dracos feuchte Wangen.

Im Bauch von Draco vollführten die Ameisen bei dieser sanften Berührung Saltos und ein innerer Drang wünschte ihn in Harrys Arme zurück. Es war einfach schön, fast schon das Schönste was es auf Erden gab. Doch er riss sich zusammen, denn jetzt waren ganz andere Dinge wichtiger. „Ich kann nicht einfach weg“, antwortete er und lehnte aus einem Impuls heraus den Kopf an die Brust des Schwarzhaarigen. „Wo soll ich denn hin?“

Nun tanzten in Harry die Schmetterlinge einen wilden Reigen und zärtlich streichelten seine Finger über das blonde Haar. Und dann wurde ihm zum ersten Mal bewusst, was mit beiden geschehen war, sie hatten sich ineinander verliebt.

Wieder herrschte für einige Zeit Schweigen und keiner der beiden wollte die Nähe des anderen missen. Trotzdem musste so schnell wie möglich eine Lösung her. Und Harry unterbrach als erster die Stille, wobei er Draco fest umarmte und nicht mehr losließ, der inzwischen seine Fassung teilweise zurück gewonnen hatte und Harrys Streicheln sichtlich genoss.

„Ich schreibe dir unsere Adresse auf, Draco, und dann wirst du noch heute Nacht heimlich verschwinden. Meinst du, dein Freund Blaise kann uns dabei helfen? Ich bleibe solange hier und warte auf eine Nachricht von Sirius.“


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Wenige Stunden später, kurz vor Mitternacht, schlichen drei junge Männer wachsam durch die große Internatsküche dem Hintereingang entgegen. Auf Licht hatten sie verzichtet, denn niemand durfte auf sie aufmerksam werden, obwohl die Bewohner bereits alle schliefen. Erst als sie die Tür erreichten fühlten sie sich einigermaßen sicher.

„Hast du den Zettel mit der Adresse?“, erkundigte sich Harry flüsternd, während er Dracos Hand drückte.

„Ja, den Brief und meine Sachen habe ich auch“, antwortete der Blonde ebenso leise und hielt den kleinen Stoffbeutel in die Höhe, wo er das Wenige seiner Habe eingepackt hatte, was er zurzeit noch besaß und das war nicht viel.

„Gib den Brief nur Sirius“, ermahnte Harry ihn bereits zum fünften Mal seit ihr Plan feststand und meinte das äußert wichtige Schreiben an seinen Patenonkel, worin er alles genau aufgeschrieben hatte. „Lass dich von Neils, unserem Butler, nicht abwimmeln und …“

„Das wissen wir doch schon alles“, unterbrach ihn Blaise ungern, „und glaub uns, wir sind genauso nervös wie du. „Dann lächelte er Harry freundlich an. „Ich begleitete Draco doch und passe auf ihn auf, versprochen.“

„In Ordnung“, nickte Harry trotzdem aufgeregt, obwohl der Vorschlag, Blaise sollte bei ihrem inzwischen gemeinsamen Freund bleiben, von ihm selbst stammte.

„Dann werden wir jetzt gehen“, meinte Draco und drückte nun seinerseits Harrys Hand. „Wenn alles funktioniert, sehen wir uns an Heilig Abend wieder.“

„Das hoffe ich“, seufzte der Schwarzhaarige und löste sich von dem Blonden. Er würde ihn in den nächsten Wochen sicherlich sehr vermissen.

Blaise reichte Harry daraufhin kameradschaftlich die Hand, öffnete eilig die Hintertür und huschte als erster in die Dunkelheit hinaus. Die zwei frisch Verliebten blieben für einen kurzen Moment alleine zurück. Das war für Harry die Gelegenheit seinen aufgewühlten Gefühlen freien Lauf zu lassen. Langsam näherte er sich Dracos Gesicht, der in stummer Erwartung leicht bebte, während die Ameisenarmee im Bauch und am ganzen Körper auf Wanderschaft ging. Er spürte Harrys warmen Atem seine heiß gewordenen Wangen streicheln und intuitiv schloss er die Augen. Schließlich berührten sich scheu und unschuldig ihrer beider Lippen. Sie nahmen sich gegenseitig sanft in die Arme und sogen den süßlichen Duft des anderen tief ein. Dabei kribbelte es in ihnen heftiger als jemals zuvor und ein angenehmer heißkalter Schauer erfasste sie. Es war einfach wunderschön und faszinierend zugleich, so dass sie eigentlich für ewig so miteinander verbunden geblieben wären. Doch die Zeit war gegen sie und seufzten trennten sie sich mit sehnsüchtigem Blick.

„Wir haben uns tatsächlich geküsst“, schmunzelte Draco und fuhr mit den Fingern zuerst über seine und dann über Harrys Lippen. „Es war schön. Ich werde dich schrecklich vermissen und hoffe so sehr, dass …“

„Keine Sorge, es wird alles gut werden“, lächelte Harry und fühlte seinen rasenden Puls deutlich. „Denke immer daran, das Rad des Schicksals hat uns zusammen gebracht.“ Bei diesen Worten flatterten die Schmetterlinge wild umher und nur zu gerne wäre er jetzt mit Draco fort gegangen. Aber so einfach war es nicht und das wusste er nur all zu gut. „Ich werde jede Minute an dich denken“, flüsterte er. „Ich warte sehnlich auf deinen nächsten Kuss.“

„Und ich werde an dich denken“, erwiderte Draco liebevoll und hauchte dem Schwarzhaarigen ein Küsschen auf die Wange, dann folgte er Blaise in den Hof.

Harry blieb währenddessen mit gemischten Gefühlen zurück und drückte den beiden ganz fest die Daumen.


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Quälend lange Wochen bis zum Heilig Abend waren inzwischen vergangen. Heute würde Harry endlich wieder Draco sehen und er konnte es kaum noch erwarten. Einen Tag nachdem sie sich voneinander verabschiedet hatten, hatte ihn die frohe Nachricht erreicht, dass Draco und Blaise sicher bei Sirius Black angekommen waren. Wenige später kam eine weitere Nachricht für Harry in der es hieß, Draco Malfoy wäre nach ausreichender Prüfung tatsächlich der wahre Erbe der Familie Malfoy. Anschließend hatte er bei einem überraschenden Treffen mit seinem Paten Sirius Black von dessen weiteren Plänen erfahren, demnach die sprichwörtliche Bombe am 24. Dezember explodieren sollte. Dafür musste er schweren Herzens im Internat bleiben, bis alle Vorbereitungen abgeschlossen waren und ein wachsames Auge auf seine Verwandtschaft haben, denn ihre Schuld war größer als ursprünglich gedacht. Harry spielte seine Rolle in diesem Katz- und Mausspiel grandios.

Heute war Heilig Abend und Harry Potter saß bei den Durleys im unteren Salon und trank mit ihnen eine Tasse Tee, während er ungeduldig auf Sirius wartete, aber davon ließ er sich äußerlich nichts anmerken. Alle anderen Schüler waren bereits gestern und am heutigen Morgen von ihren Eltern abgeholt worden. In Gedanken hoffte er, dass alles nach Plan verlief und dann läutete die Türglocke. Das konnte nur Sirius sein und Harry erhob sich.

„Möchtest du nicht doch lieber bei uns Weihnachten feiern?“, fragte Vernon Dursley scheinheilig wie eh und je und zog nebenbei genüsslich an seiner Zigarre.

„Nein, danke … ich kann Sirius über die Feiertage nicht alleine lassen“, antwortete Harry und sah in den Augenwinkeln seine Tante Petunia vom Salon in den Flur laufen, die den hohen Besuch gerne persönlich begrüßen wollte.

„Wirklich schade“, sprach Vernon und schaute zu seinem Sohn, der soeben das vierte Stück Sahnetorte in sich hinein stopfte.

„Was ist … Sirius … Nein … was …“, drang plötzlich Petunias hektische Stimme ins Wohnzimmer, aber von ihr keine Spur, wobei Harry sich in freudiger Erwartung der Tür zuwandte. Kurz darauf sah er Sirius im Zimmer erscheinen, an seiner Seite stand Draco Malfoy.

Draco hatte sich sehr verändert, er war hübscher als zuvor. Sofort wuselten die Schmetterlinge in Harrys Bauch umher und mit glänzenden Augen musterte er den Blonden. Seine Haare waren geschnitten worden, er trug einen maßgeschneiderten schwarzen Anzug, Umhang und Schuhe. Sein Gesicht strahlte und von dem einst scheuen, teils ängstlichen jungen Mann von früher war nichts mehr übrig geblieben. Und wie er so neben Sirius stand, bemerkte Harry recht schnell, dass Draco in seiner Kindheit die gleiche gute Erziehung genossen hatte wie er bei seinem Paten. Hinter den beiden lugte das schelmisch lächelnde Gesicht von Blaise Zabini hervor, auch er trug einen dunklen Anzug. Neben Blaise tauchte ein weiterer Mann. Er war groß, schlaksig und besaß eine Halbglatze mit grauen Strähnen und trug einen braunen Nadelstreifenanzug. Harry kannte ihn, es war Sirius Rechtsanwalt Douglas Wright.

„Was bedeutet das?“, riss Vernon Dursleys strenge Stimme den Schwarzhaarigen aus seinem Staunen. „Das sind ja die zwei entflohenen Nichtsnutze! Was macht ihr hier? Ihr seid einfach abgehauen und habt mich mit der ganzen Arbeit alleine gelassen. Das werdet ihr mir büßen, ihr dreckiger, stinkender Abschaum!“, echauffierte sich Vernon und erhob sich schwerfällig vom Sofa, wobei er Draco und Blaise boshaft anfunkelte.

Harry hatte sich eilig zu den anderen gesellt und nahm Dracos Hand in die seine, er hatte ihn schrecklich vermisst.

Der Blonde war nervös, aber Harrys Berührung beruhigte ihn ein wenig und dann wagte er einen direkten Blick in die glänzend smaragdgrünen Augen, die ihm sofort Kraft verliehen. Froh auch ihn endlich wieder zu sehen lächelte er. Draco fühlte sich dabei nicht nur gerüstet, um dem Monster Vernon Dursley entgegen zu treten, sondern er spürte deutlich, dass Harry ihn liebte, so wie er ihn liebte. Gleichzeitig nahm er in den Augenwinkeln wahr, dass sich Blaise beschützend auf die andere Seite neben ihn stellte, während Sirius und Douglas Wright auf den erbosten Internatsdirektor zuliefen.

„Sirius, was hat das zu bedeuten? Warum sind die dämliche Ratte und der blöde Spanier bei dir?“ Vernon schnaubte und stemmte die Hände in die fettleibigen Hüften.

„Ja, die beiden sind bei mir und leben auch bei mir“, grinste Sirius höhnisch und blieb vor dem Direktor stehen. Er musste nach unten schauen, denn er war größer als sein Gegenüber, damit er in die zusammengekniffenen schweinchenähnlichen Äuglein sehen konnte. „Zeig’ allen dein wahres Gesicht und gib deine Verbrechen an dem unschuldigen Jungen zu.“

„Was? Was willst du von mir? Du meinst dabei doch nicht die faule Kakerlake da drüben?“ Dabei deutete Vernon mit dem Finger auf Draco, der zum ersten Mal nicht auf die einschüchternden Worte reagierte und still stehen blieb, sogar ruhig atmete.

„Also gibst du zu, den Jungen vor …“, wollte Sirius gerade sagen, wurde aber grob unterbrochen.

„Ich gebe hier gar nichts zu und jetzt verschwindet, sonst rufe ich die Gendarmerie und lass euch alle rauswerfen.“ Noch während er sprach besah er sich Harry und Draco genauer und erkannte, was sie dort taten: Händchenhalten! „Was soll das eigentlich heißen?“, fragte er. „Warum hältst du dreckige Kröte die Hand meines Neffen? Und warum trägst du Faulpelz überhaupt so einen feinen Anzug? Woher hast du den? Bestimmt gestohlen und warum …“

„Verzeihen Sie, aber ich erkläre es Ihnen gerne“, warf Mister Wright ein und stoppte den kläglichen Versuch des Schulleiters vom eigentlichen Thema abzulenken.

„Aha … und wer sind Sie?“ Vernon Dursley wirkte alles andere als erfreut und bekam rote Wangen, während er nun seinerseits eine Unterstützung suchte und zwar die seines Sohnes Dudley. Doch der saß sprachlos auf dem Sofa und starrte verwirrt von einem zum anderen.

„Mein Name lautet Douglas Wright“, stellte sich der Mann im Nadelstreifenanzug vor und zog aus der Jackettinnentasche zwei gefaltete Schreiben heraus, die er dem Direktor übergab. „Ich bin der Rechtsanwalt der Familie Black und einer der vier Treuhänder des Malfoyischen Erbes, welches Sie vor fast zehn Jahren für sich beanspruchen wollten. Diese Schreiben bezeugen, dass der verstorbene Lucius Malfoy sein ganzes Vermögen seinem einzigen Sohn vermachte und im Falle, dass sein Erbe Draco Malfoy … aus welchen Gründen auch immer … diese nicht annehmen kann, wurde alles bis vor einer Woche von einem Treuhandfond verwaltet. Und dieser junge Mann …“, dabei deutete er auf Draco, „… ist der wahre Erbe: Draco Malfoy.“

Einen Moment herrschte absolutes Schweigen, nur das Knistern des Kaminfeuers war zu hören. Doch dann begann Vernon Dursley plötzlich lauthals zu lachen und hielt die beiden Schreiben in die Höhe. „Fast hättet ihr mich soweit gehabt … aber so einen Unsinn kann man wirklich nicht glauben. Das war ein guter Scherz, Sirius. Was soll diese ganze Maskerade eigentlich? Alles nur wegen diesem armen Würstchen da drüben? Ihr könnt doch wirklich nicht denken, dass der da ein Malfoy ist, das ist total lächerlich. Der kann vor sein, dass ich ihn damals von der Straße aufgesammelt habe, sonst wäre …“

Nun konnte Draco nicht mehr an sich halten, ließ Harrys Hand los und machte zwei Schritte auf den Schulleiter zu. „Sie haben mich nach dem Tod meines Vaters damals in den Keller gesperrt, gerade als mein Pate Sirius Black nach mir suchte“, sagte er anklagend.

„Was für ein Blödsinn!“, stritt Vernon ab und strich sich einmal fahrig über die schweißnasse Stirn, er fühlte sich deutlich in die Ecke gedrängt. Allerdings ließ er sich nicht einfach beschuldigen, ob schuldig oder unschuldig.

„Dann fürchte ich, Sie werden die restlichen Fragen auf dem Revier beantworten müssen, Mister Dursley“, erklang überraschend eine weitere Männerstimme vom Flur und danach traten zwei Gesetzeshüter ein. Hinter ihnen standen noch fünf weitere bereit und einer von ihnen hielt die vor Angst zitternde Petunia fest.

„Wer hat Ihnen erlaubt mein Haus zu betreten?“ Vernon schluckte merklich und in seinem Inneren wuchs die Furcht, die ihn allmählich richtig wütend machte. „Ich werde keine Fragen mehr beantworten. Verlassen sie auf der Stelle mein Haus.“

„Geben Sie wenigstens zu, mich in den Keller geworfen und in den letzten zehn Jahren ausgepeitscht und geschlagen zu haben“, meldete sich Draco erneut zu Wort, der spürte wie in ihm der Zorn aufflackerte.

Abermals war es für einige Momente still. Doch von einer auf die andere Sekunde rannte Vernon zum Kamin und warf mit einem teuflischen Grinsen beide Schreiben hinein, wo sie sofort Feuer fingen. „Du bist doch nur ein widerlicher kleiner Bastard“, schnaubte er und funkelte Draco hasserfüllt an. „Ich hatte deinem Vater geraten dich mit nach Indien zu nehmen, aber er hat sich nicht von mir umstimmen lassen. Ihr hättet beide mit dem Schiff untergehen sollen, dann wäre alles anders gekommen. Aber nein, so hatte ich dich an der Backe. Wenigstens konnte ich dir dann das geben, was du verdient hast … nämlich nichts! Du hast das Erbe deiner Eltern gar nicht verdient, Draco Malfoy!“ Die letzten Worte hatte Vernon geschrieen und schaute schließlich schallend lachend ins Feuer, wo von dem Papier fast nur noch Asche übrig war. „Ganz egal was ich sage, ihr habt jetzt keine Beweise mehr und du kannst in die Gosse zurück, wo du hingehörst.“

Schockiert über den Internatsdirektor musterten ihn alle Anwesenden höchst almarmiert. Kurz darauf kamen die bereits im Raum stehenden Wachmänner demonstrativ mit Handschellen auf ihn zu, um auf ein Zeichen den immer noch irre lachenden Vernon Dursley zu verhaften. Er nahm sie gar nicht wahr, sondern starrte lediglich Harry und Draco an. „Wisst ihr … ihr sündigt im Auge des Gesetzes und am Ende werdet ihr deswegen in der Hölle schmoren“, rief er und schien nur langsam zu begreifen, was eben überhaupt geschehen war. Denn auf einen Wink des Polizeichefs, der nun ebenfalls in den Salon eintrat, wurden ihm die Handschellen angelegt. „Lasst mich los … Ihr widerlichen Insekten. Ich bin ein ehrenwerter Bürger Londons. Wenn Ihr jemanden verhaften wollt, dann diese beiden da. Sie betreiben Unzucht!“

„Mir ist nichts dergleichen bekannt“, warf Douglas Wright unbekümmert ein und schüttelte über diese Aussage den Kopf und griff ein weiteres Mal in die Innentasche seines dunklen Nadelstreifenanzuges. Zum Vorschein kamen zwei sorgfältig gefaltete Schreiben, die sichtbar das Sigel der Aristokratenfamilie Malfoy trugen. „Mister Dursley, Sie haben soeben lediglich Kopien verbrannt und unter Zeugen Ihre Taten gestanden. Daher werden Sie verhaftet und vor Gericht gestellt.“

„Was?“ Vernon kreischte hysterisch auf und blitzte den Anwalt infam an. „Sie haben mir doch nur eine alberne Falle gestellt. Ja genau, so war’s doch. Aber ich bin unschuldig!“

„Vater, hör’ endlich mit dem Theater auf! Sie haben absolut recht“, sprach plötzlich und zu aller Überraschung Dudley Dursley und erhob sich schwerfällig vom Sofa. Nebenher sah er zu Harry und Draco, die ihn irritiert musterten. Man sah ihnen deutlich an, dass sie mit vielen gerechnet hatte, bis der Schuldige überführt worden war, aber mit der Unterstützung von Harrys Cousin hatte niemand gerechnet. „Ich kenne die Wahrheit, Vater“, sprach Dudley weiter, „und ich werde sie allen erzählen. Mutter und du … ihr ward schon vor meiner Geburt hinter dem Vermögen von Harrys Eltern her, aber alles vergeblich. Im Testament gab es nicht einmal einen feuchten Händedruck für euch. Daher hast du dir …“

„Hör’ auf! Halt deinen nutzlosen Mund!“, befahl Vernon wutentbrannt und versuchte sich von seinen Bewachern zu befreien, aber diese blieben eisern.

„Ganz bestimmt nicht“, gab Dudley zurück und bedachte Harry und Draco darauf mit einem entschuldigendem Blick, um sich dann an Sirius, den Anwalt und dem Polizeichef zu wenden. „Meine Eltern haben nach ihrer Pleite mit den Potters versucht sich das riesige Vermögen der Malfoys zu beschaffen. Daher haben sie den damaligen Kapitän des Segelschiffes, mit dem Mister Malfoy nach Indien fuhr, bestochen und mein Vater hat Lucius Malfoy wegen dem Geld umbringen lassen. Ich habe ihn nämlich gesehen, als meine Eltern … hier in diesem Salon … den Kapitän für seine Tat bezahlten. Danach haben beide versucht das offizielle Testament mit Hilfe einer Diebesbande vor der Eröffnung auszutauschen, so dass sie alles erben würden, weil sie sich ja um den einzigen Sohn kümmerten.

„Ahhhh … ich kann mich erinnern“, unterbrach ihn Mister Wright. „Zu diesem Zeitpunkt war damals in mein Büro eingebrochen worden, aber die Diebe hatten seltsamerweise nichts gestohlen, eher etwas gesucht. Dann können es nur die eben erwähnten Diebe gewesen sein. Aber sie hätten eh nichts bei mir gefunden, denn das Testament wird bis heute an einem sicheren Ort aufgewahrt.“

„Du elender verräterischer Teufel“, keifte plötzlich Petunia vom Flur in den Salon.

„Ich werde dich enterben“, griff Vernon den Faden seiner Frau auf. „Du wirst mittellos in der Gosse landen.“

Dudley zuckte lediglich mit den Schultern und fühlte sich sehr wohl in seiner Haut. Zur Abwechslung hatte er einmal etwas Gutes getan, was durchaus eine beflügelte Wirkung auf ihn hatte.

„Aber warum wurde Draco hier im Internat zum Arbeiten gezwungen?“, fragte Harry verwirrt seinen Cousin.

„Ursprünglich wollte mein Vater Draco umbringen lassen, sobald er das Erbe in der Tasche gehabt hätte“, antwortete Dudley Dursley nüchtern und achtete kein bisschen auf seine Eltern, die nach dieser Aussage jede Menge Verwünschungen gegen ihn ausstießen. Doch diese endeten sofort, als der Polizeichef seinen Männern befahl den beiden Knebeln anzulegen. Schließlich fuhr Dudley fort. „Aber nachdem sie gescheitert waren, hat meine Mutter beschlossen dem Erben das Geld und den Titel vorzuenthalten und ihn deshalb hier arbeiten lassen, sozusagen aus Rache. Sie wollten einfach sich sein, dass ihn niemand sieht und er niemals etwas verraten könnte. Sie meinte sogar, sie könnten ihn immer noch umbringen lassen.“

„Das ist zum Glück reichlich missglückt“, bedeutete Harry und trat zur Seite, da die Polizei seinen Onkel in diesem Moment abführte.

„Ich danke Ihnen für Ihre Ehrlichkeit, aber ich muss Sie bitten …“, meinte der Polizeichef und deutete auf die Tür, „… Ihre Aussage fürs Protokoll auf dem Revier zu wiederholen. Außerdem werden Sie wegen Mitwisserschaft angeklagt. Bitte folgen Sie uns.“

Dudley nickte stumm und trotzdem zufrieden mit sich und lief mit einem weiteren entschuldigen Blick an Draco und Harry vorbei. Auch der Anwalt Mister Wright verabschiedete sich, denn es gab noch einiges zu klären, so dass Sirius Black mit seinen beiden Patensöhnen und Blaise Zabini zurückblieb.

„Das verlief alles noch viel besser als gedacht“, freute sich Blaise und tanzte zu aller Belustigung durch den Raum. „Meine Güte … bei Jesus’ gestreiften Unterhosen … ich kenne drei stinkreiche Pinkel und einer davon schimpft sich mein bester Freund! Du heilige Kuhscheiße … Weihnachten kann endlich kommen!“

„Das wird es ganz bestimmt“, lachte Sirius und schüttelte mal wieder auf Grund von Blaise’ ansteckend fröhlichem Charakter den Kopf, den er in den vergangenen Wochen zu genüge kennen gelernt hatte. „Ich möchte jetzt dringend nach Hause, wir hatten für einen Tag genug Aufregung.“ Dabei schnappte er sich Blaise am Arm und ging auf die Tür zu. Dort drehte er sich noch einmal um und sah seine Patensöhne an. „Beeilt euch mit dem Wiedersehen, ich warte mit dem aufgedrehten Clown draußen in der Kutsche.“

Die frisch Verliebten sahen ihnen lächelnd hinterher und hörten Blaise im Flur noch sagen: „Das mit dem Clown müssen wir ausdiskutieren, aber kennst du schon meinen neusten Kartentrick, Sirius?“ Danach war es still im Haus. Sofort wandte sich Draco dem Schwarzhaarigen zu und fiel ihm überglücklich um den Hals. Wenige Augenblicke später berührten sich schüchtern ihre Lippen zu einem zärtlichen Kuss, während ihre Herzen schneller schlugen und ihre Körper von einem kribbelnden Schauer erfasst wurden. Die Schmetterlinge und Ameisen wuselten wild umher und zum ersten Mal liebkosten sich ihre Zungen. Sie schmeckten die honigsüßen Lippen des jeweils anderen und wären am liebsten ewig so stehen geblieben.

Harry beendete schließlich als erster seufzend den intensiven Kuss und schaute mit glänzenden Augen in die sturmgrauen Seelenspiegel des Mannes, den er ab heute niemals mehr missen wollte. Er konnte es kaum glauben. Weitaus beflügelter war die Tatsache, wie Draco geholfen hatte seine verhasste Verwandtschaft ihrer Verbrechen zu überführen. „Weißt du was … ihr habt das wirklich brillant gelöst“, sagte er und nahm erneut Dracos Hand in die seine.

„Danke, aber das Lob verdient ganz alleine Sirius und Mister Wright“, antwortete Draco leise. Zu gerne hätte er Harry nochmals geküsst, aber er widerstand dem Drang eisern. Denn trotz der vier undurchsichtigen Wände des Internats befanden sie sich hier in der Öffentlichkeit und das sagte er auch. „Sirius weiß von uns und er hat nichts dagegen, aber wir sollen aufpassen was wir außerhalb unserer Zimmer tun.“

„Das hat er mir bei unserem letzten Treffen auch schon erzählt“, nickte Harry verstehend, denn gleichgeschlechtliche Liebe war verpönt. „Aber wir schaffen das … so oder so.“

„Das oder gar nicht“, schmunzelte Draco erleichtert. „Sirius meinte auch, vielleicht könnten wir alle aufs Land ziehen. Dort brauchen wir uns dann auch nicht zu verstecken und Blaise hat sich bereits als Aufpasser angeboten.“

„Na, das kann ja was werden“, kicherte Harry und hauchte dem Blonden ein Küsschen auf die zarten Lippen.

„Auf jeden Fall“, grinste Draco. „Besonders weil er und Sirius ihre Freundschaft mit einer Flasche edlen schottischen Whisky besiegelt haben. Sie haben sich vom ersten Tag an verstanden. Und noch etwas, nach Weihnachten erhalte ich ganz offiziell meine Titel und das gesamte Erbe zurück. Von da an bin ich wieder Draco Lucius Malfoy.“

Der Schwarzhaarige nickte glücklich und deutete danach auf die Tür. „Ich glaube wir sollten die beiden nicht mehr länger alleine lassen. Außerdem knurrt langsam mein Magen. Neils macht immer den besten Weihnachtsbraten auf der Welt und ich möchte gerne einen ausführlichen Bericht über die letzten Wochen.“

„Immer doch“, freute sich Draco und sah Harry erneut tief in die funkelnden smaragdgrünen Seelenspiegel. „Du musst wissen … ich liebe dich. Ich habe mich unsterblich in dich verliebt und konnte nur noch an dich denken.“

Harrys Herz machte bei diesen Worten einen Freudensprung. „Mir geht es nicht anders“, seufzte er beschwingt, „und du musst wissen, ich liebe dich auch. Ich liebe dich mit Haut und Haaren und niemals wieder werde ich dich gehen lassen.“

Draco begann über das ganze Gesicht zu strahlen und bevor sie das Internat endgültig für immer verließen, versanken sie ein weiteres Mal in einen alles verlangenden Kuss.


THE END

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 12.12.2009

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