Cover

Figuren

 

Figuren:

 

Josy – 19, stark adipös, türkis-grüne Haare, Piercings in Lippe und Nase

Jana– 28, stark untergewichtig, blond, konservativ gekleidet, hübsch

Annemarie – 25, klein, stark untergewichtig, dunkelhaarig, krumme Körperhaltung, Überbiss

Ann-Kristin – 53, klein, schlank, rote Haare, sportlich – jugendliche Aufmachung

Harald – 60, Bierbauch, Rundbrille, grauhaarig, Locken

Vera – 23, klein, blond, Nasenpiercing, blass, Tattowierungen an Rücken und Armen

Lina – 25, schwarzhaarig, blass, auffällig stark geschminkt

Maria – 35, Halbalgerierin, klein, sehr sportlich, fast kindliches Aussehen

Asi-Sören – 33, adipös, diverse Piercings, Iro, stark tattowiert

Sören – 25, stark untergewichtig, Brille, kindliches Aussehen

Friedrich– 37, muskulös, sportlich, gut aussehend

Tino – 28, südländischer Typ, unauffällig gekleidet

Cindy – klein, kindliches Aussehen, pinke Haare, Solariumbräune, Leo-Look, Playboy-Jogginghose

Elke- 33, schwarzhaarig, leicht adipös, starrer Gesichtsausdruck

Sabine – 30, leicht heruntergekommen, bräunliche Zähne, Aknenarben

Psychiater Russanow

Oberarzt Dr. Sexy

Chefarzt

Physiotherapeutin Frau Bode

Physiotherapeutin Frau Friede

Ergotherapeutin Frau Böhs

Chrystaljunkie

DER Russe

 

1.Akt

 

 

1. Szene

 

Vor einem roten Vorhang, Varieteartig. Im Hintergrund Zirkusmusik.

 

Doktor Russanow (mit starkem russischen Akzent): Ich cheisse sie cherzlich willkommen im Charzklinikum Schierke. Wir freuen uns, dass Sie sich entschieden haben, eine Psychotherapie zu machen. Ich persönlich cheiße Sie herzlich willkommen und beglückwünsche Sie zu dem Schritt, eingesehen zu chaben, dass Sie an Gesellschaft zerbrochener Loser sind und chöstwaherscheinlich werden wir im Laufe der Therapie eine frühkindliche Störung diagnostizieren. Ist nicht immer so, aber ist wahrscheinlich. Am besten, Sie kommen erst einmal an und lesen sich Therapievereinbarung durch, bevor wir mit Ihrem Prozess beginnen. Im Laufe der Zeit werden Sie einsehen, was für ein krankes Schwein Sie wirklich sind. Wir sind immer für Sie da. Viel Erfolg.

 

 

 

 2. Szene

 

Patientenzimmer, ein einsames Bett, in rotes Licht getaucht, halbdunkel

 

Schwester: Jetzt haben Sie unsere Station etwas kennen gelernt. Denken Sie daran, die Abstinenzerklärung zu unterschreiben und die Fragebögen, sowie den Essensplan für kommende Woche im Schwesternzimmer abzugeben. Dann gehen Sie in Ihr Zimmer und machen sich schon einmal frei. Herr Ruschanow wird gleich mit der Untersuchung des Leibes beginnen.

 

(Russanow kommt mit einer Art Grubenlampe auf dem Kopf und einem ominösen Hammer in der Hand herein und grinst diabolisch, im Hintergrund läuft Rammstein „Ich tu dir weh, tut mir nicht leid, das tut dir gut...“)

 

 3. Szene 

Chillecke, mehrere Patienten sitzen herum und reden, Josy tritt hervor und wendet sich an das Publikum

 

Maria: Die scheiß Gruppenaktivität war wieder komplett für den Arsch. Was bringt es gegen Burn Out, wenn ich im Freien irgendwelche Federbälle hin und her buchsiere?

 Das alles hier hat einen tieferen Sinn, aber der ist manchmal eben nicht so leicht zu erkennen. Die wissen hier, was sie tun.

 

Maria: Na das will ich auch hoffen. Man kann das hier alles nur mit Humor nehmen, sonst wird man irre.

 

Chillecke wird abgedunkelt, Josy tritt heraus

 

Josy: Ich bin fett. Richtig ekelhaft. Einfach nur fett. Ein richtig fettes Schwein. Wenn ich im Bus fahre, hab ich das Gefühl, es ist mir an die Stirn getackert: Fettes, wertloses Schwein. Erniedrige mich, pöbel mich an, tritt mich. Dann möchte ich ganz klein werden und verschwinden, am besten einfach unsichtbar sein.

Ich war nie schlank. So 50 kg, das wäre mein Traum. Aber ich war immer ein Moppel. Und irgendwann dachte ich mir dann, scheiß drauf. Du bist und bleibst ein fettes Schwein, niemand mag dich, du bist und bleibst wertlos. Also hab ich gefressen, bis ich irgendwann so superfett war, wie ich jetzt bin. Und ehrlich gesagt, ich hab auch echt Null Lust auf Sport. Oder Diät. Das bringt alles nichts, ich werde nie, nie, nie sschlank sein. Da kann ich auf die zwei, drei Kilo auch gleich scheißen. Und danke, danke an meine Mutter, danke für ihr nahrhaftes, fettiges Fressen. Ich hasse die, sie hat mich gemästet, ihretwegen bin ich so. Ich hasse sie, hasse sie, hasse sie.

Am liebsten würde ich mich einfach verkriechen, weg sein. Weit weg. Meine Bilder malen vielleicht. Die finden ja angeblich alle so toll, auch hier auf Station. (zeigt ein schönes Gemälde einer sehr schmalen Geisha)

Sie behaupten alle, ich hätte voll das Talent. Und sollte etwas daraus machen. Mich mehr zeigen, die Dinge anpacken. Vielleicht sogar etwas veröffentlichen, diese Mangarichtung liegt mir ja. Da zeichne ich auch am PC und so. Dieses Asiatische, das mag ich sehr. Besonders alles Japanische, die Geishas. Ich liebe ihre zarte, filigrane Erscheinung, ihre vollkommene Schönheit.

Wenn ich nur daran denke, will ich mir meine dicken Arme aufritzen. Sogar mein Blut ist dickflüssig. Ist docgh scheißegal, was ich kann oder nicht kann, durch meinen Körper werde ich immer ein Nichts sein. Wertlos.

Ich habe Angst, echt. Eigentlich immer. Vor den Blicken. Den Urteilen. Die gucken mich an und denken ,,Fett, fett, fett!!!“ Mehr sehen die nicht, mehr können sie nicht sehen. Traue mich ja kaum, was zu sagen, wenn unbekannte Menschen um mich herum sind. Geschweige denn, zu singen. Eigentlich mach ich das gern. Und kann es angeblich ganz gut. (singt „You`re the cure to my pain, your the edge of paradise...“) Aber WAS, was nützt das alles, nichts bringt etwas. Nichts kann ungesehen machen, dass ich ein Fettstück bin. Talente interessieren doch keinen. Diese Schweine.

 

Ich verschwinde jetzt. Das finde ich schön. Unsichtbar zu sein bedeutet, keine Angst haben zu müssen, nicht wahr? Mein Freund wartet auf mich. Schade, dass ich die Geisha in unserer Wohnung nicht aufhängen darf. Aber er mag mich. Das glaube ich ganz sicher. Ich meine, soweit das eben möglich ist. Guckt mich an. Ich sage da lieber nichts, im Endeffekt kann ich froh sein, dass ich ihn abbekommen hab. Mich jemand mag. Immerhin bin ich fett.

 

Russanow: Jaja, das sind so Fälle, da sind wir weitestgehend machtlos. Ich chabe Seroquel verordnet, um Gefühlshaushalt zu regulieren. Chört auf, darüber nachzudenken, dass sie ekelhaft fett ist. Vielleicht, sie kommt so durchs Leben, vielleicht bringt sich um. Wir können nicht zaubern. Wird immer Probleme chaben. Aber das offensichtlich.

 

4. Szene

 

Therapieküche, im Hintergrund ein übergroßer, rot beleuchteter Fressenwagen

 

Vera: Diese scheiß süße Fruchtlasagne.

 

Lina: Süße Fruchtlasagne of Doom.

 

Vera: Die haben sie direkt aus der Hölle nach oben gefahren. Die wurde vom Satan persönlich zubereitet.

 

Friedrich: Könnt ihr alle mal euren Rand halten, der Lärmpegel ist nicht zum Aushalten.

 

Elke: Du kannst mich mal.

 

Vera: Boah, was ist das denn für ne Stimmung. Erst kriegt Lina einen gelben Punkt, weil sie fünf Minuten zu spät gekommen ist und jetzt hakt es hier bei allen aus. Das ist doch Schwachsinn.

 

Ann-Kristin: Das mit den Punkten ist überhaupt der größte Blödsinn. Man fühlt sich wie ein dummes Kind. Wie im Kindergarten.

 

Szene wird abgedunkelt, Cindy tritt hervor

 

Cindy: Ich höre mein Herz immer total laut. Das war schon immer so. Bei normalen Menschen ist das nicht so, oder? Letztes Jahr waren die Leute hier scheiße. Mehr so Drogenopfers und so. Ich mein, ihab ich ja auch alles durch. Kalten Entzug und so. Sieben Jahre hab ich in der Scheiße gesteckt. Aber damit bin ich jetzt fertig. Das fehlt mir auch nicht. Das war irgendwie mehr, um meine Depris und so in den Griff zu kriegen. Ich hab gezogen. Das war meins. Spritzen nicht so. Speed war gut. Da konnte ich tagelang wach bleiben. Ich konnte eh immer nicht pennen, wollt ich auch nicht. Und schon gar nicht nachdenken. Weg von allem. Vergessen. Och meine Post und so hab ich zu der Zeit irgendwann nicht mehr uff gemacht. War mir scheißegal. Dann kam Inkasso, ein paar Mal. Einma stand sogar der scheiß Gerichtsvollzieher vor der Türe. Aber bei mir war ja eh nischt groß zu holen. Da wollte der Arsch meinen Hund mitnehmen. Das durfte der gar nicht, der Arsch. Hat nur gelabert, damit ich einknicke.

Aber das war schon scheiße damals, paar Mal war ich fast obdachlos. War echt Mist.

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Tag der Veröffentlichung: 31.07.2015
ISBN: 978-3-7396-1214-0

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /