Figuren:
Emilia – Die am Glauben Gescheiterte.
Susanna – Die Säuferin.
Marie – Die frühkindlich Gestörte.
Luisa – Die Betrügerin, die so gern träumt.
Sarah – Die ungeschönte Wahrheit.
Evelyn – Das moppelige Mobbingopfer.
Katharina – Die sadistische Geliebte des Priesters.
Ines – Die selbstverliebte, selbstverachtende Melancholikerin.
Katharina: Wer bin ich, ohne Dich? Ich war die leere Leinwand, auf die du dein Bild gemalt hast. Ich trug deine Farben, ich spiegelte deine Seele mit meinem Körper. Was du warst, was du sein wolltest, trug ich nach außen hin zur Schau. Als du gegangen bist, ist das Bild verblasst, es blieb nichts als leere Formen ohne Farbe, die sich verzweifelt danach sehnten, wieder gefüllt zu werden. Es ist nichts Halbes und nichts Ganzes mehr. Ich wünschte, ich könnte vernichten, was du an Spuren auf mir hinterlassen hast. Aber stattdessen warte ich. Ich warte, bis ein anderer kommt, der sein Bild über das deine malen und es zudecken wird. Und trotzdem wird es auf ewig darunter bleiben.
Luisa: Wohin gehen die Jahre? Wohin die Monate, Tage und Stunden? Die Minuten und Sekunden? All die Augenblicke, die Momente, die wir teilten, in denen sich unsere Körper, unsere Seelen berührten. In der denen wir ein Stück eines Weges gemeinsam gingen. Eines Weges, der Leben heißt. Unsere Pfade kreuzten sich, wir gaben uns der Illusion hin, das gleiche Ziel zu verfolgen, die gleichen Hürden und Hindernisse gemeinsam überwinden zu müssen. Wir wollten so gern daran glauben, bis zum Ende gemeinsam gehen zu können. Und wie schön es war, was wir auf unserer Straße sahen, wie kostbar, wertvoll und unvergesslich. So, dass man sich darin verlieren wollte. So sahen wir nicht, dass wir uns auf eine Kreuzung zubewegten. Eine Kreuzung, die unweigerlich kommen musste. Die wir nicht kommen sahen, ehe wir, ganz plötzlich, realisierten, dass das Ende unseres gemeinsamen Weges durch dieses Leben gekommen war. Das es Zeit war, Abschied zu nehmen, wenn wir beide an unser Ziel kommen wollten. Unsere Geschichte war nun erzählt. Es war ein kurzer, schmerzhafter Abschied für eine lange Liebe. Du bist weitergegangen, weil du wusstest, dass wir nicht stehen bleiben durfen, ohne an jenem tristen Ort zu verenden.
Hast du dein Paradies gefunden?
Ich blieb noch eine Weile stehen, hier, im Niemandsland meiner Seele, kraftlos und nicht gewillt, weiterzugehen. Und erinnerte mich. Ich erinnerte mich und bemerkte gar nicht, wie ich bereits dabei war, unter Qualen einen Schritt vor den anderen zu setzen.
Marie: Warum bitte wollte ich bloß meine Mutter ficken? Was war das wieder für ein kranker, hirnverbrannter Schwachsinn? Gott, ich bin so ein widerliches Schwein. Etwas Koks, viel Alkohol, ne abgrundtief verkorkste Psyche – schön und gut. Aber das? Das ist so krank, man möchte es gar nicht in den Mund nehmen. Nen Dreier, mit ihr und ihrem Alten. Meine Fresse, Marie. Woher, aus welchen Untiefen, ist diese Scheiße in dein Hirn gekrabbelt? Sex, ja, viel Sex, gerne auch. Aber das, das ist etwas anderes. Ich mag die Alte nicht einmal. Also, ich hab sie lieb – aber mögen? Die vereinnahmt mich so, schon immer. Konnte kaum atmen als Kind. Das ist so ein Abhängigkeitsding. Ich mache mich abhängig, sie macht mich abhängig, ich brauche Geld, sie braucht Bestätigung....So`ne Spirale ist das.
Die sah immer besser aus als ich. Hat alle Typen bekommen, ohne mit der Wimper zu zucken. Und sie alle eiskalt ausgenutzt. Kann ich nicht. Ich verliebe mich immer – und dann laufe ich denen nach. Mama findet immer Idioten. Das ist schon bewundernswert. Sie ist so verdammt vereinnahmend. Ja. Irgendwie bin ich in ihren Augen ja auch immer Kind geblieben. Besitz. Kein Gegenüber auf Augenhöhe. Das hat Vorteile – aber es klaut mir auch mein Leben. Ewiges Kind – nein, Danke. Hab ja irgendwann gelernt, dass Sex mir Macht gibt. Und nur Erwachsene empfinden sexuell, nicht wahr? Da liegt der Hase wohl im Pfeffer. Sie erobern, ihr beweisen, dass ich erwachsen bin, das ich überhaupt etwas bin, ein jemand bin. Erwachsen, eine Frau. Die auch schön und begehrenswert ist. Nicht nur blasser Abglanz. Als Mensch geliebt und geachtet werden, das verdiene ich. Ich bin nicht nur Tochter und Besitz. Tja, dann habe ich wohl ein gewohntes Muster bemüht – benebelt, wie ich war, hatte ich auch keine Chance, etwas moralisch abzuwägen. Schöne Scheiße. Ab in die Klappa, mit irgendeiner abgefahrenen Ödipusdiagnose. Das wäre es. Nicht verwunderlich, wenn man sich meine Lebensgeschichte mal ansieht. Ach, scheiß auf die Analyse. Vielleicht war ich auch einfach nur eine vollgekokste, gestörte Idiotin. Wobei – logisch klingt das schon alles. Tja. Ich bin also ein Motherfucker. Heftig.
Katharina und Emilia: Und es tut immernoch weh, ,,Katholisch-Theologische Fakultät“ auf den Briegumschlag zu schreiben. So wenige Worte, so viel dahinter. Eine idealistische junge Frau. Große Träume, beglückende Erfolge. Fatale Ablenkungen. Noch fatalere Lenkungen... Es tut weh, wenn ich die Worte aufs Papier kritzele. Als würde ich sie in meine Haut ritzen. Einritzen. In etwa so. Es blutet noch. Wunden. Wunden Christi. Wunden für Christus. Von Christus. Ich bin Judas. ER war mein Silbergeld.
Damals war ich so stolz, so zuversichtlich, so – zielstrebig. Als könne ich alles erreichen, meine Traum leben, frei sein, neu beginnen. Für etwas wirklich, wirklich Gutes und Edles kämpfen, sogar für etwas Ewiges. Es hatte alles so viel Sinn. Motivation, grenzenlos. Glücksgefühle, ungeahnt. Frei, wie nie zuvor. Bis...ja, bis.
Die Trümmer habe ich noch immer nicht weggeräumt. Ich kritzele die Aufschrift schnell auf den weißen Umschlag. Nur nicht nachdenken. Nur nichts an mich heran lassen. Abstand. Abgrenzen. Geschafft. Hinein in den Briefschlitz, ab die Post. Aufregung, Kribbeln – wie bei Kindern, wenn sie an den Weihnachtsmann schreiben. Auch dann noch, wenn sie nicht mehr – oder nur noch so halb – an ihn glauben. Sie adressieren ihre Briefe auch dann noch an ,,Im Himmelreich“.
Evelyn: Isoliert. Allein. Ausgeliefert. Ich bin es ja gewohnt. Ein bekanntes Gefühl. Etwas Angst, unterdrückte Aggression. Nur nichts anmerken lassen, das würde alles verschlimmern. Stark wirken. Keine Tränen, nicht eine. Nichts. Oder lieber eine Show? Einen lauten Aufschrei? Passiv-aggressive Verletzlichkeit?
Alles versucht. Alles umsonst. Denunziert. Beschuldigt. Verpetzt. Hintenrum. Alles versucht. Alles umsonst. Ich kann nichts tun. Nichts.
Du bist Abschaum, sagen ihre Blicke. Du bist kein Mensch, sagt ihr Lachen. Du bist wertlos, sagen ihre Gesten. Menschlicher Abschaum mit fetten Pausbacken. Den kann man gern mal treten. Anspucken. Oder ganz einfach anpöbeln. Einfach, weil man es kann. Nicht fragen ,,Warum?“. Das Etwas, dieses Subjekt, existiert doch lediglich, um zu schlucken, was wir vorsetzen. Die zu zerstören, eine Belustigung. Comedy, die zum Weinen zu bringen. Objekt. Objekt unseres Hasses. Nicht Hass. Abscheu. Widerlich. So habt ihr gedacht über mich, nicht wahr? Und ich?
Emilia: Und dann fragen die mich. Fragen mich, was ich ihnen über Gott erzählen kann. Wollen, dass ich ihnen zuhöre, sie berate, belehre. Ich bin ja schließlich Theologin, oder? So halb zumindest. Ich war. Ich wäre. Sie erzählen mir von ihrem Glauben, ihren Sorgen, ihren Fragen.
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Tag der Veröffentlichung: 31.07.2015
ISBN: 978-3-7396-1215-7
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