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Wer Käse produziert hat, darf nicht der Milch nachtrauern (Walter Ludin)

Es gibt Dinge im Leben, die können Dir überall passieren und Dinge, die nur an bestimmten Orten möglich sind. Also, zum Beispiel kann Dir eine Kokosnuss nur dann auf den Kopf fallen, wo auch Kokosnusspalmen stehen, also nicht in Eichen-, Tannen-, Linden- oder Buchenbestückten deutschen Wäldern, sondern irgendwo in karibischen Gefilden.

Einen von einem Präsidenten begnadigten Truthahn kannst Du nur in Amerika begegnen (wenn Du das entsprechende Glück hast). Einen mehr oder weniger jungen Mann in kurzen ledernen Hosen, der, am Berghang stehend, gutturale Laute ausstößt, wirst Du nur in Bayern antreffen, gut, ein wenig südlicher eventuell auch. Wie überhaupt so einige Dinge geschehen, die sich in Bayern ereignen. Warum auch immer.

Zugegeben, die Geschichte, die ich nachstehend erzähle, hätte auch an einem anderen Ort so geschehen können, aber irgendwie ist Bayern, dieses Land auf und vor den hohen Bergen (Manche Leute behaupten fest und steif, die Bayern leben hinter den Bergen. Na ja, dies ist eine Ansichtssache) und dem dort lebenden Menschenschlag eher prädestiniert für die folgende Geschichte, wie andere, weniger bebergte Länder.

Vielleicht sind es tatsächlich diese Berge, dieses gegen diese Berge gepresst sein und dazu noch der kirre machende Föhnwind, die den bayrischen Menschen mental stark beeinflussen und sie deshalb so etwas anders erscheinen lassen, als der Rest der in dieser unserer Republik lebenden Menschen. Aber das nur nebenbei gesagt.

 

Also, die folgende Erzählung spielt in Bayern, und die Bayern sprechen ja bekanntlich nur dieses bayrisch (selbst die Minister der bayrischen Staatspartei, die bis vor kurzem Teil einer Bundesregierung waren, sprachen unüberhörbar dieses bayrisch, wenn auch in abgeschwächter Form. Dementsprechend war ihre Politik nicht jedem Mitbürger verständlich, also, wenn etwa der Scheuer Andy versucht hat, zu erklären, warum wir mit E-Roller zukünftig unsere Einkaufsfahrten bewerkstelligen sollten.).

Die bayrische Sprache ist derb, rau, was womöglich wieder mit den Bergen zu tun hat. Die Rauheit der Bergen spiegelt sich in der Rauheit der Sprache. Einer Sprache, die aus den Tiefen des Magens hervorgedrückt wird, im Rachen mit angetäuschtem Speichelziehen angereichert, Wörter aus dem Mund sendend, die einem Hochdeutschsprechenden sofort einen Logopäden in den Sinn kommen lassen, der dem armen Sprecher helfen könnte, sich allgemeinverständlicher zu artikulieren.

Nur, Bayern sind diesbezüglich stur, um nicht zu sagen resistent, gegenüber jeder Art von Spracherziehung. In diesem, unserem Land gibt es also nicht nur die Impfverweigerer, nein, wir haben es auch mit Hochdeutschesprachverweigerern zu tun. Dies muss man aushalten, in einer Demokratie, sagt man, wer auch immer der Mann ist.

 

Trotz alledem habe ich mich entschlossen, trotz großer Versuchung es nicht zu tun, das bayrische Original-Idiom (wie ich es deute) für die Dialoge in der Erzählung zu nutzen, und nicht das in der Restrepublik jederfrau und jedermann verständliche Hochdeutsche. Die Überlegung war, darf man einen Bayern hochdeutsch reden lassen, damit er für alle verständlich spricht. Und, da muss ich ehrlich sagen, nein, das geht nicht. Geht gar nicht! Das wäre gegen die Natur, wäre die sprachliche Amputation des Bayern.

Und als Nichtbayer, der ich bin, also ein nicht des bayrischen Slangs Mächtiger, habe ich versucht, die Sprache der Bayern so gut es geht nachzuempfinden. Den schlimmsten sprachlichen Auswüchsen bin ich aus dem Weg gegangen. Mag sein, dass es mir nicht überall gelungen ist, aber Schmarrn hat es in den Duden geschafft, also erübrigt sich da eine hochdeutsche Übersetzung. Ein bayrischer Dialektforscher wird sicher meine Schreibweise als fehlerbehaftet, nicht artgerecht, abtun. Wie gesagt, ich kann es halt nicht besser. Aber das nur nebenbei.

Also, auffi geht’s.

 

Altring ist ein, ja, so lässt sich sagen, beschauliches am Hang wucherndes Dorf im Voralpenland, Allgäu genannt. Über dem Dorf ein Tannen-Wald, etwas lädiert durch Trockenheit, Stürme und den emsigen Borkenkäfer, drumherum blumenbestückte Wiesen, saftige Weiden, Felder, die mehrheitlich Mais tragen, fürs Vieh, bestellt von den verbliebenen Freizeit- und Vollbauern des Ortes. Derer gibt es nicht mehr viele, nur noch die, die den Versuchungen eines geregelten Arbeitstages bei gleichmäßigem, gelegentlich steigendem Lohn, getrotzt haben.

Ein Dorf, wie bayrische Dörfer halt so sind, viel Holz, also die Häuser sind aus Holz und solches liegt auch vor dem Haus, bei manchem auch dahinter. Die Häuser haben Balkone, an denen viele Geranien in die Tiefe wachsen, zumindest in der warmen Jahreszeit, und mitunter leuchtet rot-weiße Bettwäsche über das Balkongeländer, aber nur in den Morgenstunden, allerdings nur im alten Teil des Dorfes. Richtig, genau betrachtet ist das Dorf zweigeteilt, das alte Dorf und das neue Dorf, die Altaltringer und die Neualtringer oder die Zugezogenen.

Die Altaltringer sind, wie der Name sagt, die Alten, die Rentner, die Pensionäre und die, die seit Generationen den Ort als ihre Heimstätte bezeichnen, verwandt, verschwägert, verbandelt quer durch das Dorf. Diese Alten sind die Präsenz des Ortes. Sie sind damit beschäftigt, ihre freie Zeit vernünftig zu gestalten. Allerdings, viele Anreize dazu gibt es nicht, ein bisschen Garten, solange der Rücken noch mitspielt, den Hund ins Gelände führen und gegen Abend, bei machen auch bereits früher, der Besuch des Wirtshauses, im Winter, des Biergartens im Sommer, um sich, so ganz nebenbei, mit den neuesten Informationen aus dem Dorf und dem Rest der Welt zu versorgen.

 

Die Neualtringer, die Zugereisten, sind die jungen Leute, wobei, das heißt nicht, die Altaltringer hätten keine jungen Leute, doch, doch, haben die, nur werden die irgendwann auch Altaltringer. Diese Zugereisten fahren des Morgens in die Arbeit und des Abends zurück, kommen müde an, wollen ihre Ruhe vor dem Bildschirm. Ihre Zeit ist voll ausgefüllt und bleibt ein Rest, beanspruchen den die Kinder, von denen es aber noch nicht allzu viele gibt. Später, wird sich später ergeben, genauso wie die Frage, ob die Neualtringer zu Altaltringer werden. Jedenfalls greifen diese Einwohner nicht auf das kulturelle Angebot des Dorfes zurück.

Was Altaltringer und Neualtringer gemeinsam haben ist der Bürgermeister, der Olaf Lieberhardt, mehr aber auch nicht.

Die Neubauten der Neualtringer, alle jüngeren Datums, stehen in massivem Mauerwerk in der Landschaft, gelegentlich wärmegedämmt, Rauputz rundum, etwas Vorgarten und pflegeleichten Garten, also nur Rasen, drumherum, viel Garage und versiegelte Flächen. Kontrastprogramm, aber gewollt, denn Bürgermeister Lieberhardt will als Fortschrittler gesehen werden. Veränderung muss gesehen werden, sagt er immer, sonst merkt sie niemand. Klar, die Altaltringer sind da nicht unbedingt seiner Meinung, letztendlich aber haben sie sich mit den Neubauten abgefunden, wie sie sich mit so vielem anderem auch abgefunden haben.

Der Lieberhardt Olaf ist seit 17 Jahren im Amt. Das er sich so lange halten konnte, hat viel mit dem kirchlichen Beistand zu tun. Dieser Beistand strömt vor einer Bürgermeisterwahl aus geistlichem Mund von der örtlichen Kanzel auf die schweigend aufnehmende Gemeinde. Und Gemeinde heißt Altaltringer, denn den Neualtringer ist der Weg zur Kirche noch nicht so geläufig.

Des Weiteren hat der Lieberhardt einen Schwiegervater, den Bauunternehmer Anton Ströger, vernetzt, wie man heute sagt, quer durch das Land bis hoch in die Staatskanzlei. Dessen Einfluss hat es der Lieberhardt zu verdanken, dass es keinen innerparteilichen Gegenkandidaten gab und außerparteilich, na ja ist nicht der Rede wert.

Mit der ersten Amtszeit seines Schwiegersohnes fügte er seinem Bauunternehmen sogleich ein Tiefbauunternehmen hinzu, da mit der Wahl seines Schwiegersohnes die Erschließung des neuen Wohngebietes in greifbare Nähe rückte. Und den Rest des Beistandes erledigt der Post-Toni. Aber all das nur nebenbei.

 

Die nächstgelegene Stadt ist Kempten, die das beherbergt, was Altring nicht hat, teilweise nicht mehr hat. Die am Schnellsten erreichbare Skipiste liegt eine knappe halbe Stunde, bei strammer Fahrt, entfernt. Natürlich kann, wer will, auch die umliegenden Hügel zur Abfahrt nutzen, aber das ist bei den Alteingesessenen verpönt, sofern der Abfahrende kein Kind oder Skianfänger ist, denen ist es erlaubt.

Die Loipe beginnt für die meisten Einwohner direkt vor der Haustür. 1.200 Einwohner zählt Altring. Die steigenden Wohnungs- und Grundstückspreise in den Städten der näheren und weiteren Umgebung, die schnell zu befahrende A7, natürlich auch das günstige Bauland, um sich den Traum des Eigenheimes zu erfüllen, haben in den letzten Jahren dazu beigetragen, die Einwohnerzahl von 850 auf die 1.200 nach oben schrauben zu lassen und die Zugereisten, dazu bewogen, sich in die Diaspora des Allgäuer Landes zu verziehen.

Tendenz, zur Freude des Bürgermeisters, weiter steigend. Dazu muss man wissen, dass im Merkantilismus vergangener Fürstenzeiten, die Wirtschaftskraft und die Steuerkraft des Fürstentums dem Fürsten sein Ansehen verlieh. Na ja, mit der Wirtschaftskraft ist das so eine Sache, aber gestiegene Steuerkraft kann der Bürgermeister nachweisen. Ja, der Bürgermeister legt großen Wert darauf, wie seine Person in der dörflichen Öffentlichkeit wahrgenommen wird.

 

In Altring gibt es einen Lebensmittelladen, der das im Angebot hat, was die Kunden des Supermarktes der nahen Stadt vergessen haben einzukaufen, wobei dieses Angebot noch zusätzlich begrenzt ist auf das, was ein Haushalt unbedingt benötigt, vieles in Dosen, der Haltbarkeit wegen. Ein Metzger geht seinem Geschäft nach, wobei man noch sagen muss, ohne Nachwuchs, also nicht den persönlichen, sondern den Lehrbuben oder Gesellen, wird der Metzger bald das letzte Schwein verarbeiten. Zur Freude von Albert, der enge Freund und Hofnachbar von Alois und Betreiber eines Hofladens, außerhalb des Ortes, in dem er die Produkte aus heimischer Erzeugung anbietet: Käse, Milch, Milchprodukte, Eier und Fleisch aus der eigenen Schlachterei. Alles Bio, auch wenn es nicht auf den Produkten steht.

Zwei Bäcker hat es im Dorf, bei einem davon, dem Hunsinger, arbeitet Erika, die Frau von Alois, reicht dort Brot und Brötchen über die Theke. Der Hunsinger ist wichtiger Umschlagplatz ortsinterner und -interessanter Neuigkeiten. Hier wird also getratscht. Beim Metzger und im Lebensmittelladen wird nur getuschelt.

Der andere Bäcker, der Weiler, hat sich auf Konditorware umgestellt, so dass sich die zwei Bäcker die Kunden nicht mehr gegenseitig streitig machen. Nebenbei, bei der Umstellung hat der Bürgermeister seine Hände, nein, seinen Einfluss im Spiel, schließlich galt es, die dörfliche Infrastruktur aufrecht zu erhalten.

Inmitten des Dorfes steht die Kirche, klar, katholisch. Protestanten gibt es nur unter den Zugereisten, sollen die in die Stadt fahren, wenn sie ihrem Gott huldigen wollen. Ja und dann sind da noch die drei Gasthöfe, Zentren des dörflichen Lebens, wo man bayrische Lebensart frönt.

Da ist der Harflinger, direkt neben der Kirche, der Linden-Wirt, am Marktplatz und der Bären-Wirt in der Kirchgasse. Im Harflinger mit seiner rustikalen mit Erinnerungen aus der Familien- und Ortsgeschichte behängten Gaststube verkehren die Alteingesessenen, die mindestens so lange im Dorf verankert sind, wie die Harflinger, die den Gasthof in der fünften Generation führen. Natürlich hat der Harflinger einen Biergarten, einen in dem fünf Linden den sommerlichen Biergenuss beschatten.

Beim Linden-Wirt verkehren die, die den Harflinger nicht ausstehen können oder die, die in Ruhe ihren Schafskopf auf den Tisch knallen wollen. Auch der Linden-Wirt hat einen Biergarten, nur ohne Linden, stattdessen eine Kastanie und eine Rotbuche. Wieso er Linden-Wirt heißt, weiß niemand mehr so recht zu sagen, aber auch egal. Die Rotbuche übrigens ist angeblich gepflanzt an der Stelle, an der König Ludwig II bei seinem Zug über sein Land Rast gemacht haben soll. Diese Geschichte hat der Linden-Wirt mit ein paar Worten auf eine Holztafel gravieren lassen und am Baumstamm befestigt. Eine Geschichte, an die nur der Linden-Wirt glaubt, sonst niemand im Dorf, na ja, der Bürgermeister noch. Auch Alois sucht den Linden-Wirt auf, eher selten, schaut den Schafsköpflern über die Schulter, den ganzen Abend vor einem Glas Wein sitzend und nur wenn ihn der Linden-Wirt anspricht und meint, sein Wein würde langsam schal, ordert er ein zweites Glas, nie aber mehr. Den Harflinger mag Alois nicht, weil Albert ihn nicht ausstehen kann.

 

Der Bären-Wirt ist nicht mehr der Bären-Wirt, auch wenn das ganze Dorf standhaft an dem Namen festhält. Es ist jetzt das Restaurant Alpenblick, renoviert, entbayerisiert, hell, freundlich mit einer richtigen Speisekarte und ohne Biergarten, dafür mit einer Außen-Terrasse. Herr Saenger, der neue Besitzer, hat den Bären vom alten Perlacher übernommen, der kinderlos blieb, da er es stets abgelehnt hat, sich eine Frau zu nehmen (warum auch immer) und keine Lust mehr auf Wirt hatte. Die örtliche Gerüchteküche will wissen, dass sich Perlacher nach Mallorca verzogen hat, Alois aber weiß, dass Perlacher zu seiner Schwester nach Kufstein gezogen ist. Warum die Leute aufklären, denkt Alois immer, wenn er den Schwachsinn hört, an den die Leute halt glauben wollen. Beim Bären verkehren fast nur die Zugereisten oder mal der eine oder andere Durchreisende und sein Chef, der Zettelmayer von der gleichnamigen Fabrik für Antriebstechnik.

Die Alteingesessenen suchen den Bären-Wirt nur dann auf, wenn eine besondere Familienfeier ansteht, bei der es zu protzen gilt, dann gehen die Feiernden halt in den Alpenblick, also wie das 50jährige Ehejubiläum oder so etwas Ähnliches. Und der Bären-Wirt hat Gästezimmer. Sechs an der Zahl.

Im Harflinger können ebenfalls Gäste übernachten. Er hat sogar acht Gästezimmer und, ganz wichtig, der Harflinger schenkt Paulaner und Löwenbräu aus, der Linden-Wirt Erdinger und der Bären-Wirt das Gebräu aus der nahen Erdbach-Brauerei, wobei, beim Bären wird hauptsächlich Wein getrunken. Bei der Wahl des Gasthofes ist die Biersorte eine nicht unerhebliche Entscheidungshilfe, zumindest für die, die ohne tägliches Bier nicht auskommen können. Mehr lässt sich über das Dorf nicht schreiben. Die Details aber folgen.

 

Wintertristesse, draußen vor den Fenstern hält sich hartnäckig noch Dämmerlicht, nur langsam wird sich der Tag erhellen und auch nur deshalb, weil es zu schneien begonnen hat und das Grau vor dem Fenster zunehmend von einer weißen Hülle überzogen wird, die im Laufe des Tages und der kommenden Nacht weiter anschwellen wird. Bayrischer Winter. Die Produktions-Halle, beschienen von hellem Neonlicht, der Dunkelheit vor den Fenstern trotzend. Die Mitarbeiter von Alois vollziehen die ihnen zum Teil ihres Lebens gewordenen Handgriffe, montieren und schieben ihr Werk zur nächsten Station weiter. Die Produkte fließen, stationsweise vervollständig, bis sie hinten bei der Frau Kärntner zum Verpacken ankommen. Von hier oben, seinem Büro aus, lässt sich der fließende Ablauf überblicken, vom Beginn der Montagelinien bis runter zur Verpackung. Frau Kärtner, wie immer in einer warmen Strickjacke ihre Arbeit verrichtend, immer zu kalt, ihr ist immer zu kalt. Und trägt sie zusätzlich eine Pudelmütze auf dem Kopf, dann ist sie verärgert kalt, sehr verärgert und Alois meidet ihre Nähe. Es sind immer die Frauen, denen es zu kalt ist, aber es darf nicht zu warm sein in der Halle, das ermüdet seine Mitarbeiter und diese müssen aufmerksam sein, keinen Fehler zu machen, also muss alles wohltemperiert sein, sagt Zettelmayer, der Senior-Chef der Zettelmayer Antriebstechnik.

 

Alois ist der Chef der Montageabteilung, sein Chef, Zettelmayer Senior, hat ihn dazu gemacht, nachdem Alois fünfundzwanzig Jahre das getan hat, was seine Mitarbeiter da unten immer noch tun. Ja, er war ein guter Montagearbeiter, aber das macht noch keinen guten Vorgesetzten, also im Sinne der Geschäftsleitung. Von Mitarbeiterführung hat Alois schon gehört, aber wie genau das geht, das weiß er nicht, will es auch nicht wissen. Er lässt es einfach laufen und es läuft ja, dank des Bandes und wenn dieses einmal steht, kann Alois zeigen, was er kann. Er kennt die Macken seiner Maschinen (auch wenn die in den letzten Jahren immer komplizierter geworden sind) und noch bevor ein Instandhalter aufgetaucht ist, hat Alois sie wieder zum Laufen gebracht. Und, er kennt die Macken seiner Mitarbeiter, die er aber auf andere Weise kurieren muss. Seine Mitarbeiter mögen Alois, weil er nicht, wie drüben in der Nachbarabteilung der Dotzinger, seine Leute anschnauzt, wenn etwas nicht läuft oder weil er zu Hause Stunk mit seiner Frau hatte. Er droht, nicht wie Dotzinger, seinen Mitarbeitern mit Entgelteinbußen oder der Verweigerung irgendwelcher Wünsche, wenn seine Mitarbeiter keine Sonderschicht fahren wollen. Er versucht es mit Überzeugung, was schwierig ist, da die meisten seiner Mitarbeiter nebenbei Landwirtschaft betreiben und den Arbeitsschluss herbeisehnen, um die Schweine zu füttern, die Kühe zu melken, das Heu einzuholen oder was auch immer zu tun ist. Nun, im Winter, ein abgemildertes Thema, aber im Frühjahr Sommer und Herbst oder dann, wenn die Kunden nach Produkten schreien, hat ihn das schon manchen Nerv gekostet und Freizeit, denn letztlich stellt er sich bei personellem Notstand selbst an das Band, um die Lücke zu füllen. Ja, so ist er, der Alois.

 

Nein, Alois lässt seine Mitarbeiter in Ruhe arbeiten, hält mal ein Schwatz mit diesem oder jenem, lobt nicht, schimpft nicht, ist einfach nur ein lieber Kerl. Manche sagen, er sei ein Weichei. Und wenn schon, solch banale Kleinigkeiten bewegen Alois nicht. Er weiß, Aufregung schadet nur dem Herzl und das dem nichts passiert, darum sorgt er sich.

Er ruht in sich, steht unerschütterlich inmitten aller Hektik, die mitunter ausbricht, und nur einmal im Jahr spürt er so etwas wie stillen Zorn, nämlich dann, wenn, wie alle Jahre wieder, die betriebliche Weihnachtsfeier ansteht und er mit ansehen muss, wie unchristlich sich die Kollegen benehmen, wie sie das Bier in sich schütten, als gäbe es morgen keins mehr, na ja, morgen kostet es halt wieder Geld. Und je höher der Alkoholspiegel steigt, desto unchristlicher werden die Witze, die Anspielungen, die Pöbeleien und Männlein und Weiblein beteiligten sich gleichermaßen an der ungehemmten Ausgelassenheit, die nichts, aber auch gar nichts, mit Weihnachten zu tun hat.

 

Beim Anblick des fallenden Schnees kommen ihm die Bilder der letzten Feiern vor Augen, mehr Gelage als Feier, feiern tut eigentlich keiner und warum sie zusammenkommen sind verflüchtigt sich nach kurzer Zeit vollkommen aus den Schädeln der Mitarbeiter. Nur einer schaut selig drein, der Senior-Chef! Tja, und morgen ist es wieder soweit, immer am letzten Freitag vor Weihnachten und Freitag deshalb, weil Samstag und Sonntag arbeitsfrei sind, also die Gefahr am Folgetag fehlender Feiergeschädigter äußerst gering ist. Ja, der Senior denkt mit. Am Nachmittag werden der Beierle Hans und der Heckmann Bertel hoch in Zettelmayers Forst steigen, um zwei zwei Meter hohe Tannenbäume zu schlagen, ein Privileg, das Beierle und Heckmann seit Jahren fest in ihren Händen halten. Des Lohnes der Arbeit wegen, eine deftige Vesper, hochprozentigen, um wieder warm zu werden, und obligatorisch: Bier. Wenn die Bäume dann in der Kantine links und rechts neben der Bühne stehen kommen sechs Damen aus der Verwaltung und schmücken diese, fachmännisch beraten von den zwei Baumfällern, zu dem Zeitpunkt bereits in lüsterner Stimmung. Ein Vorgelage vor dem eigentlichen Gelage. Alois muss die beiden ersetzen oder das Band verlangsamen, damit die Kollegen den Ausfall durch Zusatzarbeit kompensieren können.

 

Wie jedes Jahr wird der Senior-Chef seine Weihnachtstombola zelebrieren. Mit der Einführung der Tombola gedachte der Senior seinen Mitarbeitern, der Gemeinde, vielleicht auch den Handeltreibenden eine Freude zu machen. Die Mitarbeiter konnten einen Gewinn mit nach Hause nehmen, die Einnahmen der Tombola flossen jedes Jahr der Freiwilligen Feuerwehr zu und den Handeltreibenden winkte ein Imagegewinn. Das Vorhaben aber war mit einem kleinen Strickfehler behaftet. Denn die Gewinne waren Spenden der Handeltreibenden, die der Senior höchstselbst in den Wochen vor Weihnachten einsammelte, indem er seinen Gewerbekollegen, den Ladenbesitzern im Ort, vor allem aber in der Stadt, tombolageeignete Spenden abschwatzte. Dies ging die ersten drei Jahre auch gut. Die Freiwillige Feuerwehr konnte sich über eine üppige Spende freuen, die Mitarbeiter über kleinere und größere nützliche Gewinne. Doch mit jedem weiteren Jahr veränderte sich diese Nützlichkeit der gespendeten Gewinne.

Die Erdbach-Brauerei spendiert ein Fass Bier, wohlwissend, dass es beim Gewinner nicht alt wird (werden durfte), denn mit dem Ablaufdatum findet die Brauerei keinen kommerziellen Abnehmer mehr. Elektro-Schrader nutzte seine Spende, um dem Senior seine Ladenhüter mitzugeben, auf denen erst der Staub entfernen musste. Sport-Huber sortierte zwei drei Skijacken aus, die seit Jahren auf dem Kleiderständer vor sich hin muffelten. Als hätten sie sich untereinander abgesprochen, machten es fast alle Spender gleich, egal wer, egal was, sie räumten aus dem Regal oder im Lager das weg, was sie sonst hätten anderweitig entsorgen müssen. Und diese Entwicklung blieb dem Senior, aber auch den Beschäftigten natürlich nicht verborgen. Wer mit seinem Los eine Jacke von Sport-Huber gewann, schwor sich, nie wieder ein Los zu kaufen. Die Skijacken sind der Schreckensgewinn, den keiner der Mitarbeiter will. Also, sie sind zwar Dörfler, wissen aber sehr wohl, was sich für die Piste modisch gehört und dazu gehört keine von Sport-Hubers altbackenen Skijacken. Drastisch brachen die Los-Verkaufszahlen ein und damit auch die fällige Spende an die Freiwillige Feuerwehr. Um dies zu kaschieren, musste der Senior Geld hinzubuttern, sein Geld, was ihm die ganze Weihnachtsfreude vergällte. Denn der Senior hasste es, sinnlos Geld auszugeben, da ist er mehr Schwabe als Bayer. Er investiert, aber nur, wenn er sicher sein kann mehr zurückzubekommen als er ausgegeben hat. Nun ja, er ist Unternehmer.

 

Und dann stand plötzlich, vor nunmehr 6 Jahren, erstmals ein Fahrrad, ein Mountain-Bike auf der Bühne. Neu. Glänzend und proper aussehend. Ein strategischer Schachzug des Seniors, mit dem prompt der Verkauf der Lose wieder anzog. Dass das Bike nicht der übliche Resteposten war, zeigte sich beim Seiler Toni, der als letzter und bisher einziger Gewinner noch in Erinnerung ist, mittlerweile schon wieder drei Jahre her. Die Spekulanten im Werk wollen wissen, dass der Senior nur alle drei Jahre die Losnummer der Trommel beimischt. Na ja, kann so sein, oder auch nicht. Alois ist das egal. Die Leute sagen halt viel, wenn der Tag so vorbeizieht. Das nur nebenbei.

Also, der Seiler Toni zog das große Los und durfte in der Nacht sein Bike nach Hause schieben. So hatte er übrigens einen festen Halt, der seinen schwankenden Gang ausglich. Nur, der Seiler Toni brauchte das Bike nicht, er hatte doch ein Auto und Hügel auf, Hügel ab, das war nicht sein Ding. Nein, der Toni ist nicht der sportliche Typ, auch wenn sein Vorname etwas anders verheißt. Was also tun? Sein Sohn, obwohl scharf auf das Bike, riet dem Vater, es über das Internet zu verkaufen, was der Sohn entsprechend einrichtete. Kurze Zeit später hieß es, der Toni habe das Bike für 2.150,00 Euro an den Mann gebracht. Eine Summe, die sich von Mund zu Ohr immer weiter nach oben bewegte. Welche Summe beim Senior aufschlug blieb unbekannt. Er ließ sich, sollte er ihn haben, keinen Verdruss anmerken, aber, sehr seltsam, seither konnte kein weiterer Gewinner mehr ein Bike nach Hause drücken. Das Bike beschäftigte Alois schon und jetzt, wo die Feier wieder ansteht, fragt er sich natürlich, wie es wohl dieses Jahr ausgehen wird. Manchmal denkt Alois, der Senior habe dem Seiler Toni die erzielte Summe nahegelegt, weil, was Alois offensichtlich erscheint, der Senior das Bike strategisch benutzt.

Billig war das Bike nicht, aber, soweit das Alois abschätzen konnte, nie und nimmer aber so viel wert. Und Fahrrad-Fischer spendet mit großer Sicherheit kein wertvolles Bike. Weiß der heilige Franz, welchen Deal der Chef geschlossen hat, um günstig das Bike zu erhalten. Wie auch immer, die Handeltreibenden werden ihr altes Zeug los und den alten Zettelmayer freuts, weil er seine weihnachtlichen Geschenke an die Mitarbeiter zum Nulltarif eingekauft hat. Das Dumme nur, was der Senior hierbei eingespart hat, frisst die Sause wieder auf, denn die Belegschaft schlägt gnadenlos zu, um die knausrigen, restbeständigen Gewinne flüssig und völlig zu kompensieren.

 

Der Preis für ein Los ist nicht festgesetzt, der richtet sich nach dem Wohlwollen der Mitarbeiter und auch dieses Wohlwollen ist von Jahr zu Jahr gesunken. Wer der Feuerwehr nahesteht oder selbst aktiv ist lässt durchaus auch mal 10,00 Euro in die Sammelbüchse fallen, doch diese Marge ist auf um die 2 Euro gesunken. Die Erwartung des Senior-Chefs ist, dass jeder Mitarbeiter mindestens ein Los nimmt und dafür 5 Euro entrichtet. Diese Kalkulation hat schon länger keinen Bestand mehr. Und das Bike konnte nur kurzfristig für einen Aufschwung sorgen. Auf der Bühne sind fast fünfzig Gewinne aufgebaut, in der Trommel drehen sich 250 Lose. Die Chance auf einen Gewinn liegt also im Bereich des Wahrscheinlichen und diese Wahrscheinlichkeit (auf den Bike-Gewinn) erhofft sich manch ein Mitarbeiter, auch mit einem kleinen Beitrag zu erreichen.

Als der Senior damals bemerkte, wie die Einnahmen sanken und er noch nicht auf die Bikestrategie gekommen war, lud er den Bürgermeister ein, in der Hoffnung auf einen Gemeindezuschuss, was dieser zähneknirschend auch tat, allerdings aus eigener Tasche, immerhin ging es um Steuergeld. Zettelmayer ist schließlich der, der zu 90% die Gewerbesteuer aufbringt und da kommt kein Bürgermeister daran vorbei, allerdings war der Lieberhardt Olaf nur einmal zur Feier erschienen und die Jahre darauf, um die Weihnachtszeit, überaus beschäftigt, selten zu sprechen.

Alles kleine Nackenschläge, die dem Senior zusetzen, aber stur, wie er halt ist, weicht er keinen Deut von diesem jährlichen Ritual ab. Alois hat sich oft gefragt, was dabei in des Alten Kopf vor sich gehen mag, wenn er unter den beschwingten Mitarbeitern sitzt, Kontakt sucht, nur schwerlich findet und irgendwann Alois gegenüber landet, der am Rande der Feiernden seinen Platz hat, vor einem Glas Apfelschorle sitzend, und diesem unchristlichen Benehmen mit verständnislosem Blick folgt. Ein kurzes „Na, Alois, trinkst nix?“, oberflächliches, zielloses, beiläufiges Hinundherreden, bis der Senior müde, gedrückt, bar jeder Weihnachtsstimmung sich zurückzieht. Der harte Kern der Mitarbeiter aber bleibt, bis der letzte Tropfen Bier das letzte Fass verlassen hat.

 

Beierle steigt die Treppe hoch zu Alois Büro, klopft an, tritt ein und fragt verdruckst, ob es möglich wäre, dass er und Heckmann nach Mittag bereits zum Baumholen losziehen könnten. Wegen dem Schnee. Sie müssten den Unimog des Chefs nehmen, mit dem Firmen-Lkw würden sie den Anstieg nicht schaffen und ob es mit dem Unimog klappt wisse man nicht, aber je früher sie losziehen, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass sie durchkommen. Alois ruft Dotzinger an, wohlwissend das dieser seiner Bitte nicht entsprechen wird, und richtig, Dotzinger kann keinen Mitarbeiter entbehren, also das Band langsamer laufen lassen und sich selbst in die Linie einreihen. Sie sollen verschwinden und das Grünzeug heranschaffen. „Und Hans, morge stehst wiedr an deim Platz!“

„Klar Alois, klar.“

Nein, er wird nicht an seinem Platz stehen, im Bett liegen, seinen Rausch ausschlafen. Seine Frau wird, wie immer, vergebens am ihm rütteln. Schneller als gekommen kehrt Beierle in die Fabrikhalle zurück, Heckmann lauert schon und flugs sind beide auf und davon. Den Rest der Schicht montiert der Vorgesetzte wie all die anderen.

 

Und Schlegel, der Kantinenkoch, wird wieder Schweinshaxe, Semmelklöße und dicke, fette Biersauce auftischen. Die Semmelklöße mögen ja noch gehen, aber die Schweinshaxe? Die Biersauce? Hm, nun könnte man meinen, der Alois sei kein echter Bayer. Ist er. Doch ist er. Halt einer, der einen großen Bogen um Fett macht. Wegen dem Herzl. Und das Bier? Nun, auch das des Herzerl‘s wegen, wobei die Erinnerung an seinen Vater auch eine Rolle spielt. Der nämlich liebte Bier, war geradezu vernarrt in das Gesöff, trank viel, viel zu viel und wurde im Vollrausch äußerst unangenehm, also richtig aggressiv, gegenüber seinem Vieh, aber auch seiner Frau und seinen Kindern. Alois lebte vor seinem Vorbild in ständiger Angst. Das prägt. Bis heute. Der Vater erfror, fand den Heimweg nicht mehr und legte sich im weichen Schnee ab. Die Mutter verkaufte alles Vieh, Geräte und Teile des Heidnerschen Landes, um den Hof halten zu können. Nur die Ziegen blieben, die Alois eisern verteidigte.

 

Er liebt seine Ziegen. Als sein Vater noch einigermaßen den Hof und ein geordnetes Leben führte, hatte ihn Klein-Alois, inspiriert durch die Heidi-Geschichten, die ihm seine Mutter als Bettgeschichten vorlas, sich breitschlagen lassen, Ziegen zu kaufen. Nicht eine, wie sich Alois gewünscht hatte, sondern gleich drei. Zwei Ziegen und ein Ziegenbock. Ergebnis nach kurzer Zeit, ein Zicklein. Heidi! Und Alois war selig. Er verbrachte seine Zeit lieber mit der Ziege als mit den Kindern des Dorfes, das damals tatsächlich noch ein Dorf war. Im Kindergarten und auch später in der Grundschule nannten sie ihn deshalb nur den Ziegen-Peter. Nur der gleichaltrige Albert vom Nachbarhof teilte seine Ziegenleidenschaft und so saßen die beiden oft im Ziegenpferch und schauten den Ziegen beim Fressen zu, quasselten miteinander und planten ihre Zukunft, bei der Feuerwehr, zu der beide wollten, dem Hof, all den Tieren, die sie anschaffen wollten, die Pferde, Zebras, Kamele.

Was den Vater dann aus dem Gleis warf ist Alois bis heute nicht klar. Auch seine Mutter starb früh, da hatte er gerade bei Zettelmayer angefangen. Bei ihr war es das Herzl. Nun ja, jedenfalls hat Alois aus diesen Ereignissen Schlüsse für sein Leben gezogen und lebt diese eisern, gegen alle Anfechtungen Bayerns.

 

Bevor Schlegel, der Kantinenkoch, die Schweinshaxe auf die Teller hauen kann, steht Zettelmayers Ansprache an. Eigentlich warten alle darauf, dass Schlegel in Aktion tritt, aber Zettelmayers Rede ist Tradition, halt wie Weihnachten, gehört einfach dazu, wie die bunten Kugeln am Tannenbaum. Und dann wird er sprechen, zögerlich, sanft, seine Mitarbeiter loben, die Entwicklung des Unternehmens preisen und mit etwas angehobener Stimme betonen, dass die Auftragslage für das kommende Jahr ausgezeichnet sei und dass das Unternehmen auch dieses Jahr einen guten Gewinn erwirtschaftet, nur wie gut, hat der Senior-Chef noch nie verraten. Die Summe aber hätte es erlaubt, jeden Tag Weihnachten zu feiern, aber die Leute waren mit einer Schweinshaxe, etlichen Klaren und einigen Fässern Bier zufrieden. Und, auch das nur nebenbei, Ende Januar fährt der Senior in den Skiurlaub, in die Schweiz, und vorher noch bei seiner Hausbank vorbei. Ein Vorgang, der in der örtlichen Gerüchteküche zu vielen Varianten geführt hat, den eigentlichen Kern aber niemand ausspricht. Zettelmayer ist halt wer!

Die steigende Unruhe im Raum wird Zettelmayer wie üblich ignorieren, gut eine halbe Stunde vor sich hin quasseln bis er schließlich von der Bühne geklatscht wird und der Ansturm auf die Haxen beginnt. Letztes Jahr waren es 421 Haxen bei 182 Mitarbeitern. Wobei, nebenbei gesagt, nicht alle Mitarbeiter anwesend waren und nicht jeder der Anwesenden eine Haxe vertilgt hat. Irgendwer scheint sich verrechnet zu haben. Aber egal.

Ja, so wie jedes Jahr, so wie das seit, Alois weiß schon nicht mehr, seit wie vielen Jahren das so geht. Zettelmayer Junior, der sich Werkleiter nennen darf, dies aber nicht wirklich ist, hätte gerne einiges geändert, darf dies aber nur in eingeschränktem Maß. So lange der Senior noch die Hallen durch seine Anwesenheit beherrscht, sie allmorgendlich durchschreitet und, was nicht selten vorkommt, wenn ein Mitarbeiter ihm etwas zuflüstert, Maßnahmen umkehrt, die sein Sohnemann eingeleitet hat, wird der Junior mit den Hufen scharren, mehr aber nicht.

Junior wartet geduldig auf seine Stunde und Alois hofft, dass dies bald geschehen werde. Der Junge hat Ideen, die sind gefragt, denn die Kunden ändern ihre Produkte in immer kürzeren Intervallen und Zettelmayers Antriebe müssen sich diesen Änderungen anpassen. Nur mühsam hatte sich der Junior durchgesetzt, drei Entwickler und zwei Elektroniker anzustellen. Dem Senior ging dies gegen die Ehre. Er und der alte Bredehammer (schon Jahre unter der Erde) hatten vor zig Jahren die Antriebe noch selbst entwickelt, nein, ertüftelt und der Senior meint, so gehe es stetig weiter, geht es aber nicht. Das einzig stetige ist der Wandel. Was

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Bernd Engroff
Lektorat: ohne
Korrektorat: Bernd Engroff
Tag der Veröffentlichung: 09.04.2022
ISBN: 978-3-7554-4364-3

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