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Hallo, heute will ich erzählen, welche Probleme es mit meinem Lieblingsspielzeug gab und gibt; dem Spaßball, neudeutsch: Funball.

Leider haben meiner Menschen versäumt, mir beizeiten den Unterschied zwischen Kau- und Spielzeug beizubringen, und so leistet nur das Vollgummispielzeug einer bestimmten Firma meinen Zähnen eine gewisse Zeit lang Widerstand und auch da nur die Teile mit viel Rundungen, die wenig Angriffspunkte bieten. Alles andere habe ich nach wenigen Minuten in handliche Kleinteile zerlegt.

Von Anfang an hatte es mir der Ball dieser Spielzeugserie angetan; eigentlich ein Würfel mit abgerundeten Ecken und zur Gewichtsverringerung des Massivwerkstoffes mit Löchern versehen. Auch dienen die Löcher dazu, dass wir gut atmen können, während wir den Ball im Maul haben. Wenn ich darauf herum kauen kann, bin ich selig und brauche nichts anderes. Das sieht man schon meinem verzückten, entrückten Gesichtsausdruck an. Manchmal lege ich auch den Ball vor mich hin, schaue ihn an und meditiere darüber. Wenn er mir weggenommen wird, kann ich stundenlang dasitzen und mit ergreifendem Blick nach oben starren; auf das Regal, wo der Ball liegt. Das bringt meine Menschen manches Mal zur Verzweiflung, wenn ich mich für nichts anderes interessieren will.

Deshalb benutzten meine Menschen auch den Ball, um mich an das Alleinsein zu gewöhnen. Weil ich ihn dann zur freien Verfügung erhielt, freute ich mich geradezu darauf, bald wieder einmal allein sein zu dürfen. Wenn ich an den Vorbereitungen merke, dass dies der Fall sein wird, bin ich ganz aus dem Häuschen.

In der Artikelbeschreibung steht folgende Warnung: Das Spielzeug ist stabil und langlebig, aber nicht unverwüstlich. Bitte lassen Sie ihren Hund nicht allein damit spielen. Deswegen kann ich für das Alleinsein auch nur verhältnismäßig neue Bällchen bekommen, weil nach einigen Wochen das Aussehen kaum noch an den ursprünglichen Zustand erinnert. Tiefe Furchen und Risse durchziehen den Ball, lose hängende Teile bröckeln ab – ein Ergebnis meiner Zahnarbeit. Aus Angst, dass ich Plasteteile verschlucke, ziehen meine Menschen in diesem Stadium den Ball aus dem Verkehr und geben mir einen neuen – wenn sie einen haben und nun beginnt das eigentliche Problem.

Mein Herrchen hatte in der Tierabteilung des Supermarktes schon alle Bälle aufgekauft, aber einmal musste auch der letzte dieses Vorrats meinen Zähnen vorgeworfen werden UND der Ball war von der Zentrale in einer fernen Gegend aus der Listung genommen worden, so dass die Mitarbeiter ihn nicht mehr nachbestellen konnten.. Nun war guter Rat teuer - eigentlich nicht nur teuer, denn mein Herrchen hätte jeden Preis gezahlt, um mich zufrieden und glücklich zu machen, sondern unerreichbar. Nachdem wir alle Tierabteilungen und Tierhandlungen abgeklappert hatten wandten wir uns an die Herstellerfirma. Diese teilte mit, dass sie nicht an Privatpersonen liefern dürfe; nur an Händler. (Mein Herrchen hatte sich bereiterklärt, gleich zehn Bälle zu kaufen, damit eine Weile Ruhe ist.) Der Ball sei auch laut Auskunft des Regionalvertreters sofort lieferbar, wenn ein Händler ihn bestellen wolle. Aber so einfach machen es sich die Menschen ja nicht. Jeder Händler hat seinen Großhändler und bei dem muss der Ball geführt sein, damit ihn dann der Händler bestellen kann. Jeder Tierladen den mein Herrchen aufgesucht hat, hat 20 bis 30 Bälle im Angebot, aber nicht meinen und ich kann eben nur mit meinem Fun(Spaß)ball glücklich sein. Wie schwer ist es doch ein gemütliches Hundeleben zu führen! Als Trost hatte die Firma mir neben einem Fresspaket (Was soll ich damit, wenn ich den Ball brauche.) noch einen Funball als Geschenk geschickt. Den geben mir meine Menschen nur in besonderen Fällen, damit er recht lange hält. Wie das Leben dann weitergehen soll, weiß ich nicht. Es ist eben doch kein Spaß- sondern ein Trauerball. Jedes Mal wenn ich auf ihm herum kaue, muss ich daran denken, dass das Zusammenleben mit ihm bald zu Ende ist. - - -

Nachtrag:
Einige Jahre später hat die Firma die Herstellung dieser Bälle endgültig eingestellt. Drei haben wir noch auf Vorrat - aber der schmilzt unaufhörlich. Mein Herrchen hat schon vorsorglich einen anderen roten Ball besorgt und Löcher hineingebohrt, aber so dumm bin ich nicht, dass ich nicht den Unterschied merke, doch wenn alles nichts hilft, muss ich mich eben daran gewöhnen. Und ich habe mich daran gewöhnt. Inzwischen habe ich einen ganz gewöhnlichen Ball zu meinem Lieblings-Spielzeug erkoren, ohne dass ich nicht leben kann. Er kostet auch nur einen Bruchteil des Funballs und wenn er zerkaut ist, nehme ich mit einem neuen vorlieb.

© by Eberhard Kamprad, 2001, überarb. Okt. 2008

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Tag der Veröffentlichung: 16.04.2009

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