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Die erste Empfindung in meinem Leben, an die ich mich erinnere, ist der warme Körper meiner Hundemama. Zum Glück mussten wir uns nur zu dritt die fünf Zitzen meiner Mutter teilen, so dass genug Milch da war. Sonst hätte es schlecht für mich ausgesehen, denn meine kräftigen Brüder, richtige Rabauken, hatten mich von den besten Milchquellen verdrängt: Kein bisschen Rücksichtnahme auf ein zartes Mädchen, aber ich war bescheiden und brauchte nicht viel. Ab und zu guckte ein brummiges, zottiges Wesen in unsere Kiste und beschnüffelte uns. Im Laufe der Zeit bekam ich mit, dass das mein HundeHerrchen war. Er machte keinen freundlichen Eindruck auf mich und schien sich nicht besonders über unser Dasein zu freuen. Meine Mutter guckte ihn auch immer misstrauisch von der Seite an und knurrte warnend, wenn er uns zu nahe kam.

Ich wuchs und wuchs und wuchs. Bald verließ ich mit meinen Brüdern für kurze Ausflüge unsere Höhle. Dabei lernte ich große, zweibeinige Gestalten kennen. Sie nannten sich Menschen. Da meine Mama ihnen vertraute, machte ich es ebenso. Auch stillten sie unseren Hunger, als wir anderes wollten, als die Milch unserer Hundemama. Es war aber gar nicht so einfach. Die Milch trank man und sie rutschte hinunter. Die neue Nahrung musste man erst erschnüffeln und wenn man sie gefunden hatte, mühsam aufnehmen und dann auch noch hinunterschlucken. Ich beobachtete meine Mama und versuchte, es ihr nachzumachen. Nach einer Weile klappte es schon ganz gut.

Die Ausflüge wurden von Mal zu Mal immer länger. Unsere Hundemama zeigte uns die neue Welt außerhalb der Kiste. Auch die Menschen lehrten uns viel Neues, das mit Hunden eigentlich nichts zu tun hatte, wie zum Beispiel das Geräusch, dass eine Art Hund macht, den die Menschen hinter sich herziehen. Mit der Schnauze des Dings wedeln sie hin und her. Das wäre ein herrliches Spielzeug zum Fangen, wenn nur nicht dieser grässliche Lärm wäre. Meine Hundemama sagte mir, dass die Menschen das Ding Staubsauger nennen. Was sie damit machen, konnte sie mir aber nicht erklären.

Ich wohnte inzwischen mit meiner Mama in einem Zimmer für uns. Dort hatten wir unsere Ruhe vor meinem HundeHerrchen und meinen Radaubrüdern. Es gab nur einmal etwas Aufregung, als ich für kurze Zeit herausgeholt und anderen Menschen gezeigt wurde. Die befühlten mich, guckten mir ins Maul und machten komische Dinge mit mir. Auf einmal zwickte es ganz doll in mein rechtes Ohr. Aber bevor ich protestieren konnte, war es schon wieder vorbei. Meine Hundemama sagte mir, dass die Menschen das Wurfabnahme nennen, doch was es damit auf sich hat, wusste sie auch nicht.

Eines Tages wurde ich herausgeholt und zwei Menschen gezeigt; es waren ein großer Mann und eine kleine Frau. Sie betrachteten mich und verglichen mich mit meiner braunen Cousine, die ich einmal flüchtig kennengelernt hatte. Auch meine Mutter und mein Herrchen wurden vorgezeigt. Dieser knurrte mich an, wieso ich immer noch da sei. Nanu, wo sollte ich denn sonst sein? Die Frau sagte. „Den nehmen wir!“ Es war aber kaum etwas zu verstehen, da meine Brüder einen Mordspektakel vollführten und an der Absperrung ihres Zimmers auf und nieder hüpften. Dann verschwanden alle wieder und ich ging mit meiner Mutter in unser Zimmer zurück, froh, wieder Ruhe und diese merkwürdige Begebenheit überstanden zu haben.

Plötzlich wurde ich gepackt und in die Transportkiste gesteckt, die ich schon einmal kennen gelernt hatte, als es zu einem Mann im weißen Kittel ging, der mich piekste. Ich rief meiner Mama noch zu: „Bis nachher!“, doch sie drehte sich weg und beachtete mich nicht weiter. Heute glaube ich, sie wusste, dass das ein Abschied für immer war.

Die schaukelnde Kiste mit mir darin wurde in ein rollendes Haus gepackt und los ging es. Ich machte mich ganz klein und wimmerte vor mich hin. Das war anders als der Kurzbesuch bei dem weißen Mann. Die beiden fremden Menschen waren auch mit dabei. Jetzt konnte ich es nicht mehr aushalten. Ich musste ein Häufchen, wie die Menschen das nannten, machen. In der nächsten Kurve rutschte ich in eine Ecke und dabei mitten in das Häufchen hinein. Igittigitt, jetzt war auch noch mein Fell beschmutzt und eklig klebrig.
Schaukelnd bewegte sich die Transportkiste. Die Frau, die bisher meine Mama und mich betreut hatte, nahm mich heraus und gab mich dem großen Mann auf den Arm. Gleich war auch seine Jacke mit ... vollgeschmiert.
Musst du sie auch an dich drücken“, sagte die Frau. „Halt sie von dir weg.“
Nun baumelte mein Körper in der Luft. Das gefiel mir noch weniger und ich strampelte heftig. Die Frau kam mit Tüchern und begann mich zu reinigen. So lernte ich gleich diese für einen Wohnungshund wichtige Prozedur kennen.

Ich war mit den zwei fremden Menschen allein. Die Frau nahm mich auf den Arm.
„Hallo, Dollymäuschen, ich bin deine neue Mama.“
Ich protestierte lautstark, einmal bin ich ein Hund und keine Maus und dann habe ich ja meine Hundemama und brauche keine neue. Aber da diese nicht da war und ich Angst hatte, schmiegte ich mich doch an die Frau. Wenigstens war sie warm und so unangenehm roch sie gar nicht.

Vorsichtig erkundete ich zunächst die neue Umgebung. In einem kleinen Raum fand ich ein Körbchen, das zu meiner Körpergröße passte. Dahinein hatte der Mann auch das mitgebrachte Deckchen und das Spielzeug gelegt, das noch ein bisschen nach meiner Mutter roch. Ich vermisste den Lärm meiner Brüder und den warmen Körper meiner Hundemama. Da war es vielleicht am besten, erst einmal ein wenig zu schlafen. Ich kletterte in das Körbchen, legte meine Nase auf das Stückchen Heimatdecke und schlief ein.

© by Eberhard Kamprad, Leipzig, 2001, überarbeitet Mai 2005

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 25.11.2008

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